Migros-Magazin-25-2022-d-AA

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20 | 20.6.2022 | HOBBYS

König im Zwergenland In Robert Schmidlins Garten in Flüeli-Ranft OW sitzen, stehen und liegen 1000 Gartenzwerge. Die lustige Schar gibt dem 65-Jährigen einiges zu tun, verhilft ihm aber auch zu vielen schönen Begegnungen. Text: Simon Koechlin

Rote Zipfelmützen, wohin das Auge fällt. Am Strassenrand ­begrüssen zwei grosse Garten­ zwerge von einem Holzstoss ­herunter die Besucher. Einige kleinere Exemplare posieren am Hauseingang in einem Gestell. Andere stehen sorgfältig auf­ gereiht auf zwei Leitern an der Hausfassade. Und im Garten erst: Zwerge im Rasen, Zwerge in einem Steinhaufen, Zwerge unter den Büschen am Rand des Gemüsebeets. Und Zwerge auf dem Tisch und auf den Wand­ regalen des Gartenstüblis, in dem Robert Schmidlin sitzt und von seinem Hobby erzählt. Vor 30 Jahren habe er dieses Einfamilienhaus in Flüeli-Ranft gekauft und mit ihm einige Gar­ tenzwerge übernommen, sagt er. Später bekam er zum Geburtstag den einen oder anderen Zwerg geschenkt. «Aber eigentlich ­waren sie über Jahre einfach da, ich interessierte mich nicht sehr für sie.» Erst vor 15 Jahren, als Schmidlin aus gesundheitlichen Gründen seine Schweinezucht an den Sohn übergeben musste, entdeckte er seine Leidenschaft für die Mitbewohner im Garten.

Bilder: Herbert Zimmermann

Er ersteigerte auf einer Internet­ plattform einige Zipfelträger und bemalte sie mit frischen Farben. Weil ihm diese Arbeit gefiel, schaltete er im Dorfblatt eine Kleinanzeige. Mit einem Inserat fing alles an

Noch heute kann er den Text zitieren: «Wo sind die Garten­ zwerge, die im Frühling in neuem Glanz in Ihrem Garten erschei­ nen dürfen?» Das Inserat war ein Erfolg. Schmidlin erhielt nicht nur Ausbesserungs- und Auffrischaufträge, sondern auch Gartenzwerge als Geschenk. «Statt sie zu entsorgen, brachten mir die Leute ihre alten Zwerge

vorbei.» So wuchs seine Samm­ lung. Manchmal gegen seinen Willen. Vor einigen Jahren gab Schmidlin einer Journalistin zu Protokoll, bei 400 Stück werde er aufhören zu sammeln. «Doch es wurden immer mehr, heute habe ich 1000 Gartenzwerge», sagt er, lacht und zeigt in den grossen Garten. «Zum Glück habe ich ­genügend Platz.» Neue Zwerge erhält er inzwischen aus der ganzen Schweiz und sogar aus Deutschland. Ganz so pflegeleicht, wie sie aussehen, sind Gartenzwerge nicht. Ihre Feinde sind die ­Sonne, die Hitze, die Kälte, der Hagel und der Wind. Alle fünf bis sechs Jahre braucht ein Gar­ tenzwerg eine Frischekur, weil die Farben verblassen oder ab­ blättern. Diese Arbeit verrichtet Robert Schmidlin im Winter, den die Zwerge geschützt im Haus und im Dachstock seiner geräumigen Garage verbringen. In mehreren Arbeitsschritten be­ malt er Zipfelmütze, Jacke, Stie­ fel, Bart. Am Schluss sind das Ge­ sicht und die Augen an der Rei­he. «Das macht meine Schwieger­ tochter», sagt Schmidlin, «sie hat


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