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Fleisch aus dem Labor

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Sternenzauber

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Echtes Fleisch ohne Tierleid

Die Lebensmittelbranche tüftelt seit Jahren daran, wie man Fleisch statt am Tier aus Stammzellen im Labor wachsen lassen kann. In Singapur sind nun erste Produkte zum Verkauf zugelassen. Wo stehen wir in der Schweiz?

Text: Ralf Kaminski

Bilder: iStockphoto, zVg

1. Wie entsteht kultiviertes Fleisch?

Man entnimmt einem Tier mittels Biopsie eine Stammzelle und entwickelt daraus in einem Bioreaktor spezialisierte Zellen. Diese vermehren sich dann in einer Nährstofflösung mithilfe von Wachstumshormonen zu Fleisch. Nach der Zellentnahme dauert es etwa zwei Wochen, bis sich im Bioreaktor kleine Fleischstücke gebildet haben, die zum Beispiel für die Herstellung eines Burgers reichen. Diese Fleischstücke werden zusätzlich mittels Pflanzenproteinen strukturiert, um die vertraute Konsistenz zu erreichen. Langfristig sollen so auch Steaks und Fischfilets entstehen.

2. Was sind die grössten Herausforderungen?

Die Technologie ist auf guten Wegen, aber die Kosten sind noch zu hoch. Besonders der Nährstoff, in dem die Zellen zu Fleisch wachsen, ist noch viel zu teuer. Aber neue Technologien werden mit der Zeit billiger. In etwa fünf Jahren sollten die Preise etwa denen der heutigen industriellen Fleischproduktion entsprechen. Eine weitere Herausforderung ist die regulatorische Zulassung für den Verkauf. Dabei helfen soll die Swiss Protein Association, an der auch die Migros beteiligt ist.

3. Müssen für solches Fleisch wirklich keine Tiere sterben?

Die Zellentnahme wird vorgenommen, ohne dass dem Tier dabei etwas geschieht. Meist reicht ein einmaliger Eingriff, weil damit eine sogenannte unsterbliche Zelllinie angelegt wird. Für die Nährstofflösung wird während der Entwicklungsphase oft noch ein Serum verwendet, das von Tierföten stammt. Es gibt allerdings bereits Firmen, die diese Wachstumshormone komplett durch pflanzliche Produkte ersetzen – die meisten anderen wollen nachziehen. Die Migros hat in zwei Firmen investiert, die dies bereits praktizieren, und schliesst aus, kultiviertes Fleisch zu verkaufen, bei dem tierisches Serum verwendet wurde.

Dieses Hackfleisch ist aus einer tierischen Zelle im Labor entstanden.

4. Welche Vorteile gibt es sonst noch gegenüber der klassischen Fleischproduktion?

Das Klima wird geschont, weil man weniger Tiere benötigt und das Fleisch lokal produzieren kann und nicht aus fernen Ländern importieren muss. Man kann es von Anfang an fettärmer und somit gesünder machen, was jedoch Grenzen hat, weil Fett für den Geschmack wichtig ist. Man kann viele verschiedene Fleischarten anbieten – auch von «exotischen Tieren» –, ohne dass einem Tier etwas passiert. Das Fleisch kommt steril aus dem Bioreaktor, es hat keine Parasiten und ist durch keine Umweltfaktoren verunreinigt. Es entsteht kein «Abfall», weil man nur den Teil des Fleisches herstellt, der tatsächlich nachgefragt wird.

5. Und wann gibt es die ersten Produkte im Laden?

In Singapur sind erste Produkte in einem Restaurant zugelassen, aber noch deutlich teurer als klassisches Fleisch. Zulassungsanträge für Europa sind in Vorbereitung. Bis solches Fleisch in der Schweiz gekauft werden kann, dürfte es noch mindestens fünf Jahre dauern. Vielleicht gibt es in zwei bis drei Jahren erste Degustationen mit Sonderbewilligungen. Die ersten verfügbaren Produkte werden vermutlich eine Art ChickenNuggets und Pouletgeschnetzeltes sein, ausserdem Rindsburger und Meatballs.

6. Wie viel teurer als klassische Fleischprodukte werden sie sein?

Schwer zu sagen – zu Beginn sicherlich teurer als entsprechende Produkte aus klassischer Produktion. Im Gastrobereich wird es sie wohl zuerst in teuren Restaurants geben. Ziel ist jedoch, dass dieses Fleisch kein Luxusprodukt wird, sondern die grosse Masse erreicht. Nur so können das Tierwohl, der Landverbrauch und die Klimabelastung erfolgreich angegangen werden. Im Gegenzug soll das klassisch produzierte Fleisch zum Luxusprodukt werden. Das wird zwar noch dauern, aber die Fortschritte bei der Kostenreduktion sind enorm. Bei Supermeat in Israel haben sich die Kosten pro Kilo seit 2016 bereits von 200 000 auf 300 Dollar reduziert.

Alle Informationen stammen von Matthew Robin (56), Geschäftsführer der Elsa-Mifroma-Gruppe, einer Tochtergesellschaft der Migros.

7. Wird das bei der grossen Masse überhaupt funktionieren? Einige könnten das vielleicht zu «künstlich» finden.

Umfragen in der Schweiz zeigen, dass besonders die jüngere Generation dafür sehr offen ist. Ein Forscher brachte es so auf den Punkt: «Wenn Sie in zehn Jahren in den Supermarkt gehen, werden Sie die Wahl zwischen zwei Arten von Burgern haben. Für den einen ist eine Kuh gestorben; sie hat Treibhausgase abgegeben und viele Ressourcen verbraucht. Für den anderen gilt das alles nicht. Geschmack und Preis sind gleich. Was kaufen Sie?»

Chicken-Nuggets des US Start-ups Eat Just, dessen Produkte in Singapur inzwischen verkauft werden dürfen.

Bild: PD/Eat Just

8. Wann wird es komplexere Produkte wie Steaks geben?

Das ist viel komplizierter und mit einem zusätzlichen und langsameren Wachstumsprozess verbunden. Erste Varianten gibt es bereits im Labor, diese sind aber noch klein und dünn. Möglicherweise werden Steaks oder Fischstücke auch mittels 3D-Foodprintern produziert. Bis so etwas für den Massenmarkt verfügbar ist, wirds wohl noch dauern, auch wenn gerade sehr viel Geld in diesen Bereich fliesst. Global entwickeln heute rund 70 Firmen solches Fleisch, weitere 50 arbeiten an Technologien, die Strukturen bilden oder Wachstumshormone ersetzen.

9. Was tut die Migros in diesem Bereich?

Zusammen mit Givaudan und Bühler hat die Migros eine Firma gegründet, die eine Pilotanlage für kultiviertes Fleisch baut. Im Cultured Food Innovation Hub bei Kemptthal ZH soll ab diesem Jahr die Entwicklung von Produkten aus Bioreaktoren vorangetrieben werden. Damit will man Start-ups bei Entwicklung und Markteinführung von Produkten unterstützen. Dort sollen auch Erfahrungen gesammelt werden, damit die Migros-Industrie entscheiden kann, ob sie in drei bis fünf Jahren selbst in diese Art von Fleischproduktion einsteigen soll. Die Migros-Industrie ist ausserdem schon seit 2019 beim israelischen Biotech-Start-up Aleph Farms investiert, das an der Entwicklung von nachhaltig kultiviertem Fleisch arbeitet. 2021 hat sie in ein weiteres Start-up investiert.

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