ExtraBLA(tt) Nr. 3einhalb, August 2013

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Sondernummer

dr3i1halb Gratis · 2‘000 Exemplare

August 2013

extra BLAtt Initiativzeitung für Luzern · Herausgegeben von der Initiative «Ja zu einer lebendigen Industriestrasse» Sondernummer zum Industriestrassenfest – Ein Jahr nach der gewonnenen Abstimmung (61,24 Prozent: Für immer Yeeeeeaaaahh!!!) verabschiedet sich das Extrabla(tt) und sagt Danke! Wer uns weiterlesen will, muss eine Meinung haben. Oder eine wollen. (Siehe Seite 4)

Industriestrassenfest 31. 8. 2013 Das Programm von 12 bis 21 Uhr auf der Strasse: GAUMENFREUDEN Sedelbistro · Mondoj Racclette vom Grüebli Asiatische Küche · Mekong-Rollen Afrikanische Spezialitäten Apéro in der Gassenküche Wurststand · Fischknusperli Paella · Kaffee, Kuchen und mehr

KLEINKUNST Adomat (Ado-Videoinstallation) Nora de Baan (Kino á la minute) Trickfilm-Workshop Modellwerkstatt: «Industrie modulable»

SPIEL, SPASS, SPEKTAKEL Flohmarkt · Robbibus Stadtmalen · Haarflechten Slowbiking, moderiert von Kaspar König, mit Livemusik verschiedener Artisten

OHRENSCHMAUS Obertonstruktur der Kaulquappe (Noise-Performance) Dixksons acoustic Trio (Reggae aus Ghana) Vendredi Soir Swing (Barefoot Chypsy Music) Pink Spider (Folk Country Blues) Wazomba (Overdrive Orchestra) Benga aus Afrika

INFORMATIONEN GWI und IG Industriestrasse stellen sich vor Ashantiprojekt, Kinderhilfsprojekt Und das Extrabla(tt) gibt sich den Rest … Das weltberühmte Strassenfest, das schönste und grösste Ereignis aller Zeiten auf einer der prächtigsten Flaniermeilen unserer nördlichen Hemisphäre, lässt auch in diesem Jahr ab Mittag den wildesten aller wilden Tiger los! Bis zum Abend schleicht er mit Dir um die Häuser, auf der Suche nach Beute für Magen, Herz und Hirn.

Bilder vom Strassenfest 2012 Foto links: Gabriel Ammon Foto rechts: Melk Imboden

Wenn’s nicht reichte, muss man eben weiter sprechen Der partizipative Prozess ging in eine ernüchternde zweite Runde In diesem Frühjahr startete die Stadt Luzern, vertreten durch die Baudirektion, der Manuela Jost vorsteht, einen partizipativen Prozess zur Weiterentwicklung der Industriestrasse. Das Ziel: Verschiedene Interessengruppen sollten das weitere Vorgehen gemeinsam festlegen. In der ersten Runde Ende April fanden die Gruppen zu erstaunlich vielen Themen einen Konsens. Anders sieht es nach der zweiten Runde aus, die am 9. Juli stattfand. Denn deren Fazit lautet: In Sachen Einigkeit bei wichtigen Themen gibt es noch einigen Verbesserungsbedarf. TeilnehmerInnen an dieser Runde waren neben sechs Delegierten der IG Industriestrasse (IGI) VertreterInnen des Gewerbeverbands, des Quartiervereins Tribschen-Langensand, der IG Kultur, der Stadt Luzern und von verschiedenen politischen Parteien. Orpheo Carcano · Eine erste Enttäuschung gab es bei dieser zweiten Runde gleich zu Beginn: Als klar wurde, dass Partizipation nur im Mitdenken und Diskutieren, nicht jedoch beim Fällen von Entscheidungen erwünscht war. Die den Prozess moderierende Hochschule Luzern (HSLU) sammelte die Ergebnisse der Diskussion für einen Be-

Keine Zeit für Kinderspiele: Ohne fair play ist der partizipative Prozess nur ein Witz.

richt, welcher direkt an den Stadtrat gehen sollte, ohne dass die VertreterInnen des partizipativen Verfahrens dazu nochmals Stellung nehmen könnten. Unklar blieb vor allem, wie im Bericht der HSLU mit Punkten umgegangen würde, bei welchen in der zweiten Runde keine Einigung erzielt werden konnte.

Drei Szenarien für die Industriestrasse Als Grundlage für die Diskussion wurden verschiedene Szenarien vorgestellt. Zwei dieser Szenarien wurden aus den Diskussionen der ersten Runde heraus gebildet: Ein innovatives, welches weitgehend den Ideen der IGI entspricht; und ein sehr gemässigtes und profitorientiertes, welches nur schwer mit dem Abstimmungstext zu vereinbaren wäre. Ein drittes Szenario wurde nicht aus der Arbeit des partizipativen Prozesses heraus entwickelt, sondern aus einem separaten Treffen mit dem G-Net, der Vereinigung der Luzerner Baugenossenschaften. Dieses ungewöhnliche Vorgehen stellte die Ergebnisse der ersten Runde grundsätzlich in Frage, da zwischen den zwei Gesprächsrunden eine unbeteiligte Gruppierung mit der Ausarbeitung eines weiteren Szenarios beauftragt wurde. Dass dem G-Net bei der Ausarbeitung dieses dritten Szenarios zudem nur sehr wenig Zeit zur Verfügung stand, trat deutlich hervor.

Verfahren im Verfahren Die drei Szenarien mit sehr vielen komplexen Informationen wurden nun während des Verfahrens selbst durchgearbeitet, jedoch nur punktuell und oberflächlich. Es wurde beispielsweise über den Maximalpreis für eine 4,5-ZimmerWohnung, die Art des anzusiedelnden Gewerbes, den Erhalt von Altbauten und eine Etappierung beim Bau und vieles mehr diskutiert. Doch es fehlte an diesem Abend die Zeit und auch die Bereitschaft einiger Teilnehmenden, jeden einzelnen Punkt genau durchzudiskutieren. Dies wäre bei einer derart komplexen Materie aber nötig gewesen. Kritische Fragen wurden mit der Aussage abgewürgt, dass letztlich keines der drei Szenarien ausgewählt werden soll. Es gehe bloss um die Diskussion, welche sich aber schwierig gestaltete, da die drei detailreichen Szenarien den Teilnehmern erst an diesem Abend präsentiert wurden. Eine vertiefte Auseinandersetzung war unmöglich – wäre aber unabdingbar gewesen, um seriöse Resultate zu erzielen. So wurden letztlich auch grundlegende Themen wie die Höhe des Baurechtszinses oder die Förderung kultureller Einrichtungen wie Ateliers und Proberäume (siehe nebenstehenden Kommentar) im partizipativen Prozess gar nicht oder nur am Rande angesprochen. Ein angemessen tiefer Baurechtszins ist aber für die Umsetzung der Initiative entscheidend. Hier braucht es ein Entgegenkommen der InitiativgegnerInnen. Schliesslich folgte die grosse Mehrheit der Bevölkerung den Argumenten der IG Industriestrasse. Es erstaunt nicht, dass am Ende der zweiten Runde eine wirre Mischung aus einerseits klaren Forderungen und andererseits unlösbaren Meinungsverschiedenheiten zu verschiedenen Themen übrig blieb.

Nachlässigkeit oder Taktik? Es ist müssig darüber nachzudenken, ob unlautere Absichten hinter der gewähl-

ten Vorgehensweise stehen. Die VertreterInnen der IGI konnten sich zwar einbringen, schlussendlich kann die Stadt aber bei der Ausarbeitung der Rahmenbedingungen für das Projekt Industriestrasse mehr oder weniger machen, was sie will. Vielleicht liegt dies aber auch an der mangelnden Erfahrung mit partizipativen Prozessen, welche sowohl für die Stadt wie auch die HSLU Neuland sind. Auf jeden Fall wurden wir von der IG Industriestrasse den Verdacht nicht los, das dritte Szenario von G-net sei nur dazu da, um uns schlussendlich als guter Kompromiss zweier «Extrempositionen» schmackhaft gemacht zu werden. Dass die eine dieser «Extrempositionen» von der Bevölkerung an der Urne verworfen wurde, ging so aber vergessen.

Die Forderungen der IG Industriestrasse Mit dem offenen und schwammigen Ergebnis und der Vollmacht an den Stadtrat geben wir uns nicht zufrieden und fordern eine dritte Runde des partizipativen Verfahrens. Eine solche ist nun mittlerweile auch geplant, jedoch als reine Informationsveranstaltung. In der entscheidenden Phase gäbe es damit keine Partizipation mehr. Das reicht uns nicht: Wir erachten es als wichtig dass der Bericht der HSLU weiter bearbeitet werden kann, bevor er an den Stadtrat geht. Weiter braucht es klare Regeln, wie mit Themen umgegangen wird, bei denen auch in der dritten Runde kein Konsens gefunden werden kann. Die Partizipation darf sich schliesslich auch nicht darauf beschränken, die Rahmenbedingungen auszuarbeiten. Auch bei der Umsetzung müssen die Betroffenen, AnwohnerInnen und zukünftige Nutzende einbezogen werden. Die IG Industriestrasse muss deshalb auch an der weiteren Planung und Ausarbeitung des Projekts beteiligt sein! Orpheo Carcano ist Velokurier, Veranstalter (Anton-Musik) und Gastronom in Luzern.

KOMMENTAR: Wir weichen keinen Meter! Wir geben keinen Quadratmeter! DaviX, Künstler und Kulturkopf ’12 Für mich als Künstler ist die im partizipativen Prozess «vergessen gegangene» Kultur ein regelrechter Affront. Trotz wiederholter Nachfragen gab es in der zweiten Runde keine vertiefte Diskussion zur Kultur; sie wurde vielmehr als Teil des Gewerbes abgehakt. Dies weckt keine Hoffnungen auf einen guten Abschluss des partizipativen Prozesses. Gerade junge, nicht etablierte, aber auch angesehene, jedoch nicht kommerziell erfolgreiche Kunstschaffende sind dringend auf günstige Räume angewiesen. Wo diese verschwinden, verschwinden auch die Kunstschaffenden. Deshalb muss das Ausradieren günstiger Ateliers aus dem Stadtbild gestoppt werden. Dazu braucht es Allianzen, welche in einem grösseren Kontext zusammenspannen und das Problem mit Blick auf die gesamte Stadtentwicklung in Angriff nehmen. Es braucht ein Konzept, um dem seit Jahren grassierenden Vernichten bezahlbarer Produktionsräume für Kunstschaffende eine Antwort entgegenzusetzen. Denn solche Räume sind essentiell. Die Industriestrasse ist der richtige Ort in Luzern, um zur Atelier-Problematik ein Exempel zu statuieren und endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Hier darf kein einziger Kulturquadratmeter verdrängt werden – so wie sonst immer und überall!


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2 Die Forderungen bleiben! Denn die Bedürfnisse bleiben auch. Immer wieder Gedanken zur Industriestrasse. Sind wir uns bewusst, was es heisst, bisher Erkämpftes einfach bei der Stadt, genauer, in ihrem «partizipativen Prozess» deponieren zu lassen? Können wir uns auf die Stadt, auf die Partizipation in Bezug auf die Industriestrasse verlassen?

seits so beliebten «Kompromiss-Weichspüler» gespült werden und ein nach bestem Standard «aufgewertetes» Quartier entsteht? Auch wenn es unter dem Etikett gemeinnütziger Wohnbauträger läuft. Wohin gehen wir dann? Es gibt keine Alternative mehr, denn die sind alle abgerissen.

This Grossmann · Wird die Industriestrasse schlussendlich ein «alternatives» Projekt? Wollen wir das wirklich gutheissen, oder dann doch einem gentrifizierten, indirekt gewinnbringenden Projekt den roten Teppich ausrollen? Clusterwohnungen, Kulturquadratmeter – soziale Durchmischung hört sich unglaublich spannend an, aber damit kommen doch zu wenig Steuern hinein, um langfristig im internationalen Steuerspiel mithalten zu können.

Wir hätten am partizipativen Verfahren die erstmalige Möglichkeit gehabt, uns vollkommen einzubringen und wir sollten damit doch sehr zufrieden sein. Die neue Gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft GWI der Industriestrasse darf sich sogar als Teil der Bauträgerschaft einbringen. Dennoch, denke ich, könnten wir uns jetzt noch aktiv bewegen und authentisch vertreten, was WIR wollen: Mit Öffentlichkeitsarbeit und anderen Aktionen Wachsamkeit üben, damit uns die Stadt nicht genommen wird. Die Stadt denen, die hier wohnen!

Um das geht es ja!

Deshalb finde ich:

Die Stadt hat schon mehrfach bewiesen, dass es ihr nicht wichtig ist, eine durchmischte Stadt zu haben. Die andauernde Vertreibung und Unterbindung von alternativen Lebensformen, von günstigem Lebens- und Arbeitsraum und Kultur. Was ist der Stadt an eben genannten Räumen noch geblieben? Boa, Frigorex, Rösslimatt, Wärchhof, Bernstrasse, Hammer … selbst in der sogenannten Agglomerationen wird günstiger Wohnraum, welcher noch Freiräume beherbergt, zu spekulativen Zwecken auf Vorrat abgerissen. Geblieben ist, nach grossem Einsatz, das letzte Biotop mit Freiräumen weit über die Zentrumsgrenzen hinaus, die Industriestrasse. Was passiert mit der Stadt Luzern, wenn unsere Ideen für dieses einzigartige Areal mit dem all-

• Der Erhalt der Häuser Industriestrasse 9, 15 und 17 sind unverhandelbare Punkte.

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Viel zu wenig Politik … Rahel Grunder unterhielt sich 2012 mit Schülerinnen und Auszubildenden über Jugend und Mitverantwortung. Johanna Koch, 17 Jahre

Svenja Portmann, 16 Jahre

Lange überlegte ich mir, später in die Politik einzusteigen. Da wird aber so viel dummes Zeugs geredet, da habe ich keine Lust darauf. Ich rege mich schnell über etwas auf, dann will ich darüber sprechen und eine Lösung haben.

Ich beschäftige mich mehr mit Dingen, die mich konkret betreffen. Ich setzte mich nicht mit Steuern oder der EU-Krise auseinander. Wenn sich staatlich etwas ändert, ist es vielleicht gut oder schlecht für meine Eltern. Dennoch bekomme ich monatlich meine 100 Franken Sackgeld, um meine Zugfahrten oder einen neuen Pulli zu finanzieren. Erst später, wenn ich eine Wohnung habe und mein Geld selber verdiene, wird es mich auch betreffen.

Diejenigen, die abstimmen dürfen, es aber nicht tun, müssen sich nicht wundern, wenn Dinge eintreffen, die ihnen nicht passen. Wir sollten uns längerfristig um Themen kümmern. Die Atomdebatte zum Beispiel ist plötzlich kein Thema mehr – im Sinne von «Geht mich ja nichts an». Es herrscht eine gewisse Ignoranz. Ich gehe oft auf meinen Vater zu und frage ihn, wie er abstimmen wird. Notfalls kann ich ihn dann noch beeinflussen.

• Luzern braucht Platz für wahre Freiräume: Die Industriestrasse ist die letzte Chance für ein neues alternatives und mehrheitlich selbstbestimmtes Kulturzentrum in der Stadt.

Sich über Dinge aufzuregen und darüber zu diskutieren ist wichtig, um das Interesse an der Politik zu erhalten.

• Luzern braucht Platz für unkonventionelles Kleinst- und Kleingewerbe.

Claire Weizenegger, 18 Jahre

• Wir brauchen selbstbestimmte, günstige Wohnräume, welche nicht durch und durch genormt an jeder Ecke stehen. • Her mit dem lebendigen Gewusel!

Ich strebe keine Politikkarriere an. Dennoch finde ich, dass es zur Allgemeinbildung gehört, über politische Themen informiert zu sein. Ich finde, das Abstimmen sollte obligatorisch sein. Dann müssten sich alle mit den Themen, die sie betreffen, auseinandersetzen. Junge Leute sind die Zukunft. Sie sollen auch mitentscheiden, wie sie leben wollen. Ich finde, vor allem die Jungen tragen zu wenig politische Verantwortung. Entweder sie sind zu faul, vergessen es oder sind nicht interessiert. Meiner Meinung nach sollte man ab 16 Jahren freiwillig abstimmen dürfen, und ab 18 Jahren sollte die Stimmabgabe obligatorisch sein. Ab 16 Jahren freiwillig, weil in diesem Alter noch nicht alle weit genug sind. Ich lese oft Zeitung – verschiedene Zeitungen. Dies hilft mir bei der Meinungsbildung zu einem Thema.

Milena Hess, 12 Jahre In der Politik sind mir Themen meines Alltags oder Themen, die mich direkt betreffen, wichtig. Wenn es beispielsweise um die Bibliothek oder die Kinderzahnklinik geht. Es gibt jedoch auch politische Themen, über die ich wenig weiss.

Die «Idee Industriestrasse» fängt mit der Einstellung zueinander an Ein Leser des Extrabla(tt) berichtet von zuhause Fängt das gemeinschaftliche Leben erst in der Industriestrasse an? Braucht es «Clusterwohnungen» oder herkömmliche Wohngemeinschaften, um das Gemeinschaftsgefühl zu steigern, den Zusammenhalt zu fördern? Alessandro Caneve · Ich lebe seit kurzem in der Stadt Luzern und teile mir eine Wohnung mit einem Jugendfreund. Da wir beide alleinstehend und auf der Suche nach einer neuen Wohnung waren, entschlossen wir uns, dieses Thema gemeinsam in Angriff zu nehmen. Die Motivation war schon von Anfang an klar. Wir beide müssen Geld sparen, und, was noch viel wichtiger ist, wir wollen nicht dauernd alleine sein. In der Neustadt wohnend, fühlen wir den Puls der Stadt. Die Eisenbahn kreischt in regelmässigen Abständen vorbei und erschüttert unsere Wohnung, welche sich auf 2,5 Zimmer erstreckt. Küche und Bad teilen wir uns, ebenso die Nachbarn. Die Nachbarn? Ja, da fängt doch das Leben erst an! Wir sind die frischesten Mitbewohner in diesem alten Haus und dennoch die, die am meisten Austausch pflegen. Angefangen hat das Ganze, als eine Nachbarin ihre Haus- und Autoschlüssel in ihrem Wagen einschloss, um daraufhin bei uns um Hilfe zu bitten. Selbstredend luden wir sie zu einem Glas Sirup ein, bis ihr Automechaniker zur Stelle war. Oder dieser Samstagabend, oder eher Sonntagmorgen, als um 3 Uhr früh vier Menschen klingelten, weil sie eine andere Nachbarin besuchen wollten. Seit dem Moment kennen wir auch diese, welche in der selben Nacht noch ein Spaghettiessen

veranstaltete. Per Zufall ist sie auch noch im Lehrerseminar und konnte so meinem Mitbewohner, welcher an der Vorbereitung zur Berufsmaturität war, hilfreiche Tipps geben. Und wer giesst jetzt ihre Küchenkräuter, wenn sie in den Ferien weilt? Dreimal dürfen Sie raten … Unser Haus bietet wenige Möglichkeiten, sich zu treffen. Der einzige gemeinschaftlich genutzte Ort ist der Sitzplatz. Pessimisten werden jetzt vielleicht behaupten, dass solche Treffen vom Wetterbericht abhängen und dies ja eigentlich gar kein Gemeinschaftsraum ist. Ja, sicher, jedoch sind wir Optimisten. Unsere Wohnungstüre steht jedem Bewohner des Hauses offen. Wer abends noch einen Schlummertrunk zu sich nehmen will oder einfach ein wenig Gesellschaft wünscht, braucht nicht einmal zu klingeln, sondern begibt sich selbstständig in unsere Küche. Wo fängt also eine «Industriestrasse-Idee» an? Bei jedem einzelnen Mieter oder Wohnungsbesitzer in der Stadt. Unsere Küche ist die Gemeinschaftsküche des Hauses. Wenn die Türe offen ist, ist jeder herzlich willkommen. Doch damit dies funktioniert, benötigt es auch eine gewisse Unkompliziertheit der Mitmieter. Von sieben Wohnungen im Haus machen zwei mit. Vielleicht ändert sich dieser Umstand nach unserer für August geplanten Grillparty. Wir leben die Idee der Gemeinschaft, denn ohne die geht es nicht, wie auch grössere Ereignisse klar zeigen, wie zum Beispiel die Überschwemmungen in Deutschland. Und stellen Sie sich einmal vor, wie viel Platz in einem Haus entstehen könnte, wenn jeder ein wenig teilt? Zum Beispiel im Keller, im Treppenhaus …

Warum jeweils nur knapp die Hälfte der Abstimmungsberechtigten abstimmen gehen? Ich denke, weil sie sich nicht interessieren. Weil sie denken: «Das nützt eh nichts», weil sie keine Meinung haben und sich raus halten oder weil sie das Thema nicht verstehen. Dagegen, dass sich jemand nicht interessiert, kann man nichts machen. Und es ist natürlich schwierig, zu einem Thema eine neutrale Sichtweise zu finden, denn alle Parteien vertreten ihre eigene Meinung. Die Leute sollten daher selber forschen und nachdenken.

Dass beispielsweise der Zürcher Zoo kleiner wird, ist zwar schade, doch diesen Artikel in der Zeitung lese ich kurz durch und blättere um. Wenn ich aber irgendwo kleingedruckt lese, dass jedes dritte Samsung nach einem halben Jahr technische Störungen bekommt, diskutiere ich mit meinen Freundinnen und Freunden darüber. Jede jugendliche Person ist anders. Redet anders, hat andere Interessen und denkt anders. Es heisst schon lange nicht mehr: «Alle Jugendlichen sind gleich!»

Leela Ahmed Mudde, 17 Jahre Indem junge Leute ihre Meinung preisgeben, sollen sie in der Politik genauso mitwirken wie die Erwachsenen.

Ilaria Pepe, 18 Jahre Wichtig ist es, dass sich die jungen Leute mit den Abstimmungen befassen und auch selber gute Kampagnen bringen. Wir sind nämlich die Zukunft, nicht die ältere Generation! Es ist nicht einfach, eine Meinung abzugeben, wenn Politik zu Hause kaum Thema ist.

Floranda Ahma, 18 Jahre Ich bin nicht der politische Typ. Doch finde ich Politik sehr wichtig. Die Jugendlichen beschäftigen sich viel zu wenig mit Politik und reden, ohne etwas davon zu verstehen. Es ist wichtig, in einer Umgebung zu leben, in der man sich wohl fühlen kann, wo die Grundrechte eingehalten werden und freie Meinungsäusserung herrscht. Sobald ich 18 Jahre alt bin, möchte ich abstimmen gehen, denn auch ich habe meine Rechte und darf mich wohl fühlen. Jugendpolitik ist auch sehr wichtig für die Bevölkerung. Denn möchte sich diese weiter entwickeln, muss sie auf die Wünsche der Jungen eingehen und versuchen, diese umzusetzen. Politik kann jede Person machen. Wenn man mitbestimmen darf, wie der Spielplatz aussehen soll oder ob die Autos vor der Schule langsamer fahren sollen, macht man schon Politik. Ich durfte auch schon meine Meinung äussern bei unserer Wohnung.


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Endlich am Start … So nehmen die Ideen der IG Industriestrasse Gestalt an Seit gut einem halben Jahr arbeitet die Gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft Industriestrasse GWI an einem Leuchtturmprojekt.

Rösslimattquartier, Luzern, 1987 Foto: Jean-Paul Grüter

extra BLA digital lieferbar Wir wollen es gar nicht so recht glauben, aber es gibt tatsächlich Menschen, die das Extrabla(tt) noch nicht kennen. Und, nur scheinbar noch komischer: die es gerne im Nachhinein lesen würden, um sich vielleicht jetzt erst recht über die Initiative der IG Industriestrasse und die Wohnbaupolitik der Stadt Luzern zu informieren … Das freut uns natürlich sehr. Allerdings sind die gedruckten Exemplare sämtlich dort, wo sie hingehören, nämlich bei interessierten Lesern. Gut, dass wir alle drei Ausgaben als PDF-Dateien ins Netz gestellt haben! Unter www.issuu.com suchen Sie bitte nach «Extrablatt Luzern», und schon haben Sie uns. Noch komfortabler und informativer geht

es über die Webseite www.industriestrasse.ch, und dort unter Downloads finden Sie dann nicht nur die Zeitung, sondern zum Beispiel auch das Chanson «Das graue Haus» (im Original von Nino Ferrer), welches im Sommer 2012 von Canaille du Jour & The Maisonettes für die Industriestrasse übersetzt und aufgenommen wurde. Und natürlich noch vieles mehr, zum Beispiel Dutzende von Berichten jetziger und ehemaliger Bewohner der Häuser Nr. 9, 15 und 17, ferner Konzertankündigungen und weiteres Kulturprogramm, Mate- rialien und Bilder, Kontaktadressen sowie natürlich die aktuellsten Meldungen zur GWI und zum partizipativen Prozess.

Mit viel Herzblut setzte sich die IG Industriestrasse für eine kreative Nutzung der Industriestrasse ein. Sie lancierte die Initiative «Ja zu einer lebendigen Industriestrasse» und gründete nach erfolgreicher Abstimmung die «Gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft Industriestrasse Luzern» (GWI), um die Zukunft der Industriestrasse mitgestalten zu können. Somit ist die GWI das konkrete Instrument, um die Initiative umzusetzen und einen aktiven Beitrag zur Stadtentwicklung zu leisten. Oder anders gesagt: Der Volkswille, die Ideen und Visionen der IGI können nun mittels der GWI Gestalt annehmen und das heisst: weg vom Reklamieren, hin zum Bauen, Verdichten, Erhalten und Öffnen lebendiger Räume mitten in der Stadt.

Partizipativer Prozess: Interessierte zu rundem Tisch eingeladen Im Mai und Juli dieses Jahres wurden in einem partizipativen Verfahren der Stadt alle direkt betroffenen Interessengruppen wie politische Parteien, das Gewerbe, Kunst- und Kulturschaffende, AnwohnerInnen, Quartiervereine sowie die IG Industriestrasse zu einem runden Tisch eingeladen und somit endlich von Anfang an in die neue Entwicklung der Industriestrasse einbezogen. Ziel dieser Gespräche ist, dass diese Interessengruppen gemeinsam die Rahmenbedingungen für das weitere Vorgehen an der Industriestrasse entwickeln. Eine partizipative und sorgfältige Planung einzelner Schritte bei der Weiterentwicklung des Areals garantiert die Verankerung eines neuen Projekts im Quartier: Aktuelle und zukünftige NutzerInnen des Geländes werden miteinbezogen und deren Interessen gewahrt. Nur durch eine dauerhafte Mitsprache und Mitgestaltung seitens der NutzerInnen entstehen nachhaltige, lebendige Stadtquartiere.

Für ein Leuchtturmprojekt stark machen

Oben: Illustration Rahel Nicole Eisenring / GWI Links unten: Unsere Ideen befreien. Demonstration am 4. Mai 2013. Rechts unten: Es ist mehr drin als draufsteht: Haus Nr. 17. Fotos: Marlon Heinrich

Mit der Partizipation aller Interessierten, welche in den Aufbau und in die Weiterentwicklung der jungen Wohnbaugenossenschaft GWI involviert sind, wird sich diese für ein Leuchtturmprojekt an der Industriestrasse stark machen. Alle Mitglieder der Genossenschaft können sich aktiv in verschiedenen Gremien am Aufbau- und Entwicklungsprozess beteiligen. Die Teilnahme vieler erhöht die Qualität eines Projekts. Denn durch eine Vielfalt von Vorschlägen und Ideen von NutzerInnen wird eine Planung vielen kritischen Blicken ausgesetzt. Darüber hinaus fördert Partizipation die Identifikation von MieterInnen mit einem Projekt oder mit dem Haus, in dem sie wohnen.

Nicht am falschen Ende sparen Energiesparmassnahmen im gemeinnützigen Wohnungsbau Kann ökologischer Wohnungsbau günstig sein – oder kann günstiger Wohnungsbau ökologisch sein? Beat Züsli · Die Energiewende und die Zielsetzungen der 2000-Watt-Gesellschaft erfordern in allen Bereichen (Gebäude, Mobilität, Graue Energie) eine Verstärkung der bisherigen Anstrengungen. Beim gemeinnützigen Wohnungsbau wird nun vermehrt diskutiert, ob sich diese Zielsetzungen überhaupt mit der Erstellung von kostengünstigen Wohnbauten vertragen. Die Betrachtung der Investitionskosten greift dabei aber zu kurz. Jede Investition in eine höhere Energieeffizienz und auch viele Anstrengungen zum vermehrten Einsatz von erneuerbaren Energien kosten zuerst einmal mehr als die konventionellen Lösungen. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Mehrkosten im Vergleich zum heutigen gesetzlichen Standard in den meisten Fällen relativ bescheiden sind.

Nötig ist nun aber eine Betrachtung über den Lebenszyklus der Massnahmen. Es kann bei allen Energieträgern in Zukunft von steigenden Preisen ausgegangen werden. Damit werden der Anteil der Nebenkosten und insbesondere der Energieanteil an der Bruttomiete in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Wir können davon ausgehen, dass tiefe Nebenkosten zu einem Vermietungsargument und damit zu einem Vermietungsvorteil werden.

Gesamtbetrachtung ist nötig Häufig fehlt in den Diskussionen über «günstige Miete» versus «Energiemassnahmen» eine Gesamtbetrachtung. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass mit dem Argument der Kosteneinsparung auf eine Komfortlüftung verzichtet wird. Ein Gebäudekonzept mit dichter Gebäudehülle (der minimierte Luftaustausch

ist energetisch erwünscht), jedoch ohne funktionierenden Luftwechsel, ist aber weder für den Wohnkomfort verantwortbar, noch können damit erhebliche Kosten eingespart werden. Es ist im Gegenteil damit zu rechnen, dass im Betrieb Probleme und Schäden entstehen, welche Folgekosten nach sich ziehen. Wollen wir langfristig tiefe Mieten unter Einbezug der Energiekosten ermöglichen, so steht eine ökologische und energieeffiziente Bauweise nicht im Widerspruch zum gemeinnützigen Wohnungsbau. Zahlreiche realisierte Beispiele von Baugenossenschaften zeigen dies bereits heute auf. Beat Züsli ist selbstständiger Architekt und Energieingenieur, Vorstandsmitglied des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands sowie Mitglied der eidgenössischen Kommission für Wohnungswesen EKW.

Die GWI in Zahlen

28. Januar 2013: Gründung durch 24 Mitglieder 10. Mai 2013: 1. Generalversammlung, Anpassung der Statuten 25. Mai 2013: Tag der offenen Tür an der Industriestrasse, Onlineschaltung der Webseite www.genossenschaftindustriestrasse.ch Juni 2013: Eintrag ins Handelsregister 5. Juni 2013: Mitgründung des G-Net, eines Zusammenschlusses Luzerner Baugenossenschaften 10. Juli 2013: Kontoeröffnung bei der Freien Gemeinschaftsbank in Basel 31. August 2013: Infostand Industriestrassenfest

Mitglied im G-Net In diesen Tagen wird die Wohnbaugenossenschaft GWI von einem siebenköpfigen Vorstand geführt. Neben der engen Zusammenarbeit mit der IG Industriestrasse knüpft der Vorstand Kontakte zu weiteren Genossenschaften in Luzern und Zürich, um sich breit zu vernetzen und von den Erfahrungen anderer zu lernen und zu profitieren. Bei dieser Vernetzung spielt in Luzern das am 5. Juni gegründete «G-Net», das «Netzwerk gemeinnütziger Wohnbauträger Luzern» eine zentrale Rolle. Im G-Net haben sich Luzerner Baugenossenschaften zusammengeschlossen. Es verfolgt zusammen mit der Stadt das Ziel, mehr bezahlbaren Wohnraum in Luzern zu schaffen. Die GWI ist aktiver Teil dieses Netzwerks, zu dem 18 städtische Wohnbaugenossenschaften gehören wie beispielsweise die an der Industriestrasse verankerte Genossenschaft Wohnwerk (Baugenossenschaft Wohnwerk Luzern), die abl (Allgemeine Baugenossenschaft Luzern), die Ebg (Wohnbaugenossenschaft Geissenstein), die OeWL (Oekumenische Wohnbaugenossenschaft Luzern), die LBG (Liberale Baugenossenschaft Sternmatt-Tribschen Luzern) und die Wogeno (Wohngenossenschaft Wogeno Luzern). Vorbildliche gemeinnützige Wohnbauprojekte dienen der GWI als Quelle der Inspiration und Motivation. Wie bereits erwähnt pflegt die GWI zudem den Austausch mit jungen, erfolgreichen Zürcher Genossenschaften, zum Beispiel mit der Genossenschaft Kalkbreite, der Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk und der Genossenschaft Dreieck.

Die Vision: ein lebendiger Begegnungsort für alle LuzernerInnen Die GWI will Wohnen, Arbeit und Kultur näher zusammenbringen und nachbarschaftliche Lebensräume gestalten, damit sich vermehrt Synergien entfalten können. Diese Zusammenarbeit, dieses Zusammenleben, soll in einem ökologisch und nachhaltigen Rahmen stattfinden – urban und lebendig. Oder anders gesagt: Wohnen, Arbeit, Kultur und Freizeit verschmelzen an der Industriestrasse zu einem lebendigen Quartier. Zudem soll das Quartier ein «Quartier der kurzen Wege» sein; Gemeinschaftsräume mit Interaktionsmöglichkeiten (beispielsweise mit einer Bibliothek, einer gemeinsamen Küche, einer Ludothek, einem Waschsalon und Werkstätten etc.) stärken den nachbarschaftlichen Zusammenhalt. In diesem Sinn will die GWI an der Industriestrasse ihr erstes visionäres Projekt umsetzen, bevorzugt in der Rolle als Bauträgerin. Darüber hinaus möchte sie ein kräftiges Zeichen setzen und einer breiten Öffentlichkeit vorleben, dass eine Genossenschaft eine sinnvolle Form ist, um bestehende Häuser als Mieterschaft selbst zu übernehmen oder eigene Wohnvorstellungen in einem Neubau umzusetzen. Und die GWI will aufzeigen, dass gute Ideen einerseits Platz haben und anderseits Platz brauchen. Auf der Webseite www.genossenschaftindustriestrasse.ch finden Sie weitere Informationen über die GWI und die Möglichkeit, Mitglied der Genossenschaft zu werden.

Wohnraumpolitik bleibt Dauerbrenner

Red. · Zur Umsetzung der Initiative «Für zahlbaren Wohnraum» von Mieterverband, SP und Grünen präsentierte der Stadtrat nun seine «Wohnraumpolitik II». Darin werden wohnpolitische Ziele formuliert und 21 Massnahmen aufgelistet, um diese zu erreichen. Neben bereits im Rahmen der neuen Bau- und Zonenordnung (BZO) beschlossenen Massnahmen wie Nutzungsprivilegien für gemeinnützige Wohnbauträger und festgelegten Anteilen an gemeinnützigen Wohnungen, gibt es auch viel Neues: Die Stadt möchte wieder aktiver Immobilien kaufen, ihre eigenen prioritär nur noch im Baurecht abgeben, mehr Auflagen bei Umzonungen oder Landabgaben machen sowie neue Wohnformen fördern. Die ersten Reaktionen der Parteien reichten von «Minimallösung» bis «Quantensprung». Man darf diesen Herbst also auf eine angeregte Diskussion im Parlament gespannt sein.


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Aus die Maus oder weiter im Text?

Impressum

Extrablatt ist eine Zeitschrift der Initiative «Ja zu einer lebendigen Industriestrasse» und informiert über die Thematik der Abstimmung vom 23. 9. 2012. Extrablatt Nr. 3 erscheint zum 1. Mai 2013.

Abstimmung gewonnen, partizipativen Prozess vielleicht verloren – und was wird mit dem Extrabla(tt)?

Redaktion und Produktion: IG Industriestrasse Industriestrasse 17, 6005 Luzern www.luzerngewinnt.ch Mail: redaktion@luzerngewinnt.ch

Es begann an einem Cafétisch im Meyers, im Mai letzten Jahres: Eine Zeitung musste her! Wenn wir es wirklich wissen wollten mit dieser Abstimmung, dann brauchten wir ein klassiches Medium, um die Menschen in Luzern breit und ohne technische Hürden über all die Themen informieren zu können, welche hier und heute eben leider nicht «in der Zeitung stehen». Mannschaftssport: Oben das Favoritenteam der Industriestrasse beim Kick’n’Rush 2013, unten die provisorische Redaktion des Extrabla(tt) bei der Arbeit. (Zeichnung: Alice Kolb)

Druck: Ropress Genossenschaft, Zürich (www.ropress.ch) Sympathien:

Das Wohnwerk in Genossenschaftsform Die jüngste Wohnbaugenossenschaft in Luzern Die jüngste Wohnbaugenossenschaft hat Grosses vor. Die am 19. Juni 2013 gegründete Baugenossenschaft Wohnwerk Luzern will zusammen mit der Stiftung Abendrot die Teiggi Kriens zu neuem Leben erwecken und gute Rahmenbedingungen fürs Wohnen und Arbeiten schaffen. Der Zuschlag für die Überbauung des Teiggi-Areals mit dem Projekt BASTA PASTA von Lengacher Emmenegger Architekten Luzern ist der Grund für den Wechsel vom Verein zur Baugenossenschaft. «Es ist die richtige Form», betont Präsident Harry van der Meijs. Marlise Egger Andermatt (Abdruck aus dem abl magazin 07/13) · Viele Interessierte fanden sich an diesem heissen Sommerabend zur Genossenschaftsgründung in der ehemaligen Teigwarenfabrik Teiggi an der Schachenstrasse 15a in Kriens ein. 32 Personen haben als Gründungsmitglieder einen Anteilschein gezeichnet; andere waren als Gäste da und wollten sich erst mal über die Genossenschaft und die Pläne für das Teiggi-Areal informieren. Die offizielle Gründung der «Baugenossenschaft Wohnwerk Luzern» ging unter der Leitung von Harry van der Meijs zügig voran. Die von der Gründungsversammlung verabschiedeten Statuten zeigen die Ausrichtung der Wohnwerk-Genossenschaft, die Wohnen, Arbeiten und Kultur zusammenbringen will: die Beschaffung, den Bau, den Erhalt und dauerhaften Betrieb von preisgünstigen Wohnungen und Wohnhäusern im Sinne einer besseren Durchmischung einer Siedlung auf Gewerberäume und Gewerbebauten, Kulturräume und Kulturbauten unter Ausschluss jeder spekulativen Absicht. Familienwohnungen, Wohnateliers, Clusterwohnungen für Wohngemeinschaften und Generationenübergreifende Wohnhäuser, Räume für Kleingewerbe, Jungfirmen, Kunst und Kultur sowie eine Quartierbeiz machen den Mix aus. Die Förderung einer sozialen Durchmischung, gemeinschaftlicher Einrichtungen und öffentlich zugänglicher Begegnungszonen sind weitere Ziele, welche das Wohnwerk für seine Siedlungen anstrebt.

Eine eigene Wohnkultur entwickeln «Es ist vielleicht eine romantische Vorstellung einer Gesellschaft», erklärte Harry van der Meijs die Idee eines durchmischten Lebensraums, ähnlich einem kleinen Dorf, «ein Miteinander von Wohnen und Arbeiten, von Generationen, die sich gegenseitig unterstützen, gemeinsam Projekte realisieren an Ort und Stelle, damit eine eigene Wohnkultur entstehen kann.» Auf dem Teiggi-Areal soll diese spezielle Wohnkultur Einzug halten. Etwa 50

© der Texte und Bilder bei den AutorInnen, FotografInnen und IllustratorInnen. Nachdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung. © IG Industriestrasse, Luzern 2013

Wohnungen und 20 Ateliers sollen hier entstehen, mit Rücksichtnahme auf die vorhandene Bausubstanz, aber auch ergänzende Neubauten. Ein Teil der Wohnungen kann von Genossenschaftsmitgliedern im Eigentum erworben werden. Investor bei der Überbauung Teiggi ist die Stiftung Abendrot, die nachhaltige Pensionskasse, die ihre Anlagestrategie seit Jahren mit Erfolg auf vergleichbare Projekte ausrichtet. So in Basel, Winterthur, Zürich, Burgdorf oder auch in Berlin mit dem alten «Holzmarkt». Im Projekt Teiggi finanziert die Stiftung 80 Prozent der Investitionskosten; die Baugenossenschaft Wohnwerk übernimmt 20 Prozent. Der Kauf der Teiggi samt Projekt der Luzerner Architekten Lengacher Emmenegger soll nach der Abstimmung am 9. Februar 2014 über das Gesamtprojekt «Zukunft Kriens – Leben im Zentrum» erfolgen. Der Präsident zeigt sich optimistisch, dass die aufgezeigte Entwicklung auf der Basis des überzeugenden Projekts Realität wird. Wenn alles rund läuft, kann ab 2015 gebaut werden.

Zwischennutzungen Bis es so weit ist, können die Räumlichkeiten der Teiggi von bisherigen Mieterinnen und Mietern und neuen Interessierten zwischengenutzt werden.

In dieser Zeit wird das Projekt in einem partizipativen Prozess mit den Mitgliedern weiterentwickelt. Heutige Zwischennutzerinnen und Zwischennutzer werden im Idealfall künftige Wohn-WerkerInnen sein.

Häuser-Illustrationen: Tatjana Erpen

Aus der einen Zeitung wurden noch vor der Abstimmung gleich zwei, jeweils in einer Auflage von 10’000 Exemplaren. Es entstand eine Reihe guter, fundierter Artikel; die Initiative sorgte für effektive Verteilung und viele der Leser bewiesen ihre Mündigkeit an der Stimmurne. Im April 2013 erschien plötzlich und unerwartet ein drittes Blatt – diesmal als Bla(tt), da sich auch die SVP inzwischen «unseres» Namens bediente. Nun ging es uns um Berichte über die Folgen der gewonnenen Abstimmung. Zugleich entschieden wir, das Zeitungsjahr vollzumachen und die Aktion erst mit dieser Festzeitung zu beenden. Zugleich: Braucht Luzern nicht auch weiterhin ein zumindest bei Bedarf erscheinendes Blatt zum Generalthema «Überleben in Luzern»? Das die inhaltlichen Lücken der etablierten und fast totrationalisierten Medien schliesst? Und das auch noch gratis, denn eine neue Kaufzeitung ist heutzutage blanke Illusion? Wir meinen: Ja, das Extrabla(tt) könnte unentbehrlich werden, um gemeinsam zu handeln, zu lernen, informiert zu sein und die Lebensqualität zu steigern. Doch dafür müssen wir konstante eigene Qualitäten entwickeln. Und genau da kommen Sie ins Spiel: Brauchen Sie uns? Lesen Sie uns? Würden Sie mitarbeiten, unterstützen und – partizipieren? Bitte sagen Sie es uns, frei heraus. Wenn Luzern uns will, kann es uns haben. Wir danken für Ihre Meinung!

Die Artikel geben die Meinung der jeweiligen AutorInnen wieder.

Pasta und mehr in der Teiggi Wie sich das Leben in der Teiggi anfühlt, zeigte sich im ungezwungenen Miteinander am GründungsApéro bei hausgemachter Pasta. Interessante Gespräche, spielende Kinder und nebenbei verhandelt der Präsident mit Kulturschaffenden über eine Zwischennutzung. Und weil es in der Teiggi so ganz ohne Pasta nicht geht, hat der Vorstand für die Gründung eine professionelle Teigwarenmaschine erworben und mit Simon Kraft (kostgeberei.ch), ebenfalls Gründungsmitglied, auch einen kompetenten Betreiber für weitere Teiggi-Happenings gefunden. Im Vorstand engagieren sich Harry van der Meijs, Präsident, Barbara Bitterli, Franziska Kolb, Chris Meier, Melanie Setz, Leo Stäuble und Benno Zgraggen. Geschäftsstelle der Genossenschaft Wohnwerk Luzern: Industriestrasse 17, 6005 Luzern Internet: www.wohnwerk-luzern.ch

Das Neubad nimmt Fahrt auf Am 1. September erreicht das Netzwerk Neubad einen neuen Meilenstein: Das ehemalige Hallenbad Biregg öffnet mit diesem Tag seine Tore als kulturund kreativwirtschaftliche Zwischennutzung. Erste Co-Working- und Atelierplätze sind bereits vermietet. Fotografie, Produktentwicklung und bildende Kunst bevölkern die alten Garderoben. Die Gastronomie startet mit einer warmen Tagesküche und mit Barbetrieb am Abend, für die visuelle Gestaltung des Gastrobereichs zeichnet Patrick Bonato verantwortlich. In der Eröffnungswoche vom 1. bis 7. September finden täglich Veranstaltungen im Open Pool statt. Von Improtheater über Musik bis zu Lesungen gibt sich die Luzerner Kreativszene ein Stelldichein. Mehr Infos auf neubad.org.

Wo einst Tonnen von Nudelteig in handliche Formen gepresst wurden, wird heute und in Zukunft gemeinsam Pasta genossen. Natürlich wieder hausgemacht. Fotos: Melanie Setz (Vorstand Baugenossenschaft Wohnwerk Luzern)


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