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veranstaltungen

BÜHNE

GALERIE HENZE & KETTERER

art_clips .ch.at.de 90 Kurzvideos aus der Schweiz, Österreich und Deutschland. Herausgegeben von Gerhard Johann Lischka und dem ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe.

VERLÄNGERT bis 30.6.2007 jeweils Samstags 10 - 15:30 Uhr als Schweizer Auswahl der von Gerhard Johann Lischka kuratierten Ausstellung im Kunstdepot in Wichtrach: art_clips .ch performativ Führungen von Gerhard Johann Lischka: Samstag, 21. April Samstag 26. Mai Samstag 16. Juni jeweils 14 - 15:30 Uhr BITTE BEACHTEN Galerie + Kunstdepot sind geschlossen: Samstag 7. April Samstag 19. Mai weitere Informationen finden Sie unter: www.henze-ketterer.ch

Eine Ausstellung der videokunst.ch

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ein wasserfall von selbstbekenntnissen Von Belinda Meier - handkes selbstbezichtigung lässt das menschliche sein erkennen ■ Peter Handkes Sprechstück «Selbstbezichtigung» entstand in den hippiesken 60er Jahren, in denen theater- wie auch literaturgeschichtlich eine grosse Welle neuer Formen und Auffassungen das Bisherige überspülte. «Selbstbezichtigung», welche wie die provokative «Publikumsbeschimpfung» im Jahre 1966 publiziert und uraufgeführt wurde, stellt sich formal wie inhaltlich gegen die bis zu jener Zeit vorherrschenden Theaterformen und –themen. «Selbstbezichtigung» kommt deshalb als Theaterstück daher, das keines sein möchte, jedenfalls kein konventionelles. Man begegnet einer kahlen Bühne, auf der weder eine Geschichte erzählt noch Szenen vorgeführt werden. Das Sprechstück, so Handke, bedient sich der natürlichen Äusserungsform der Beschimpfung, der Selbstbezichtigung, der Beichte, der Aussage, der Frage, der Rechtfertigung, der Ausrede, der Weissagung, der Hilferufe. Es bedürfe demnach eines Gegenübers, zumindest einer Person, die zuhört, sonst wären es keine natürlichen Äusserungen, sondern vom Autor erzwungen. Insofern sei das Sprechstück Theaterstück. Es nimmt die Welt beim Wort. Was wir sagen, erklärt und definiert uns. «Selbstbezichtigung», ein Stück voller fliessend aneinandergereihter, durchrhythmisierter und melodisch klingender Sprechakte fächern das menschliche Sein von Innen her auf. Bekenntnisse, die das Ich betreffen und durchwegs mit «Ich» beginnen, erhellen die menschliche Psyche und deren Befindlichkeit in einer Weise, die universellen Charakter für das menschliche Sein überhaupt gewinnt. Gezeigt wird ein sich selbst bezichtigendes Individuum, das seine Übertretungen öffentlich macht. Indem es das tut, folgt es einer uralten philosophischen Grundforderung, die bereits das delphische Orakel Sokrates mit auf dem Weg gegeben hatte: «Erkenne dich selbst!»

«Ich bin geworden, ich bin verantwortlich geworden, ich bin schuldig geworden, ich bin entschuldbar geworden. Ich habe für die Zeit büssen müssen. Ich habe für meine Vergangenheit büssen müssen.

Ich habe für die Vergangenheit büssen müssen. Ich habe für meine Zeit büssen müssen. Ich bin erst mit der Zeit zur Welt gekommen.» Die KünstlerInnen Ruth Schwegler (1. Sprecherin), Paed Conca (Musik) und Bodo Krumwiede (2. Sprecher; Regie) lassen aus dem minimalistisch angelegten Sprechstück ein Feuerwerk der Sprache, Rhythmen und der Klänge entspringen. Die in ein weisses Seidenkleid gehüllte Schwegler agiert als erste Sprecherin auf der leeren, nur mit Mikrophonen und Lautsprechern ausgestatteten Bühne. Ihr facettenreiches Repertoire gelangt, indem sie es vielschichtig herunter- und heraufspielt, zur Blüte, beweist ihr grosses Talent und belebt sogleich den zuvor noch kühlen Raum. Bald ist sie Verfolgte, bald Verführerin und bald Schuldige, während dem sie im Stehen, beim Stampfen, Tanzen und auf Knien ihre Verstösse ausdrucksstark und variationsreich ins Mikrofon schreit, gesteht, flüstert oder haucht. Sie, als lebendiger Text, wird dabei von einem zweiten virtuellen Sprecher zeitweilig begleitet. Es ist die eher eintönig murmelnde Stimme von Bodo Krumwiede, dessen redender Mund und teilweise auch ganzer Kopf auf Schweglers Bauch «schwebt». Mittels solch wirkungsvoller Videoprojektionen und der Musik, die der Berner Multiinstrumentalist Paed Conca komponiert hat, und die sich in ihrem Klang, ihrer Farbe und ihrem Tempo den Wörtern anschmiegt, ihnen Ausdruck verleiht und sie zur Entfaltung bringt, wird ein multimediales Sprachkonzert geschaffen, welches einmal begonnen, nicht mehr gestoppt werden kann. «Selbstbezichtigung», eine Produktion von Label Beiruth, hatte im November des vergangenen Jahres im legendären Cabaret Voltaire in Zürich ihre Premiere gefeiert. Nach weiteren erfolgreichen Aufführungen im Züricher Theater «Keller 62» sowie im Berner Tojo-Theater tritt das Künstlertrio nun im ONO auf. ONO Bern, www.onobern.ch Aufführung am 18.4., 19.4. und 20.4.07 jeweils um 20:30 h Reservationen unter: 031 312 73 10 Weitere Infos unter www.selbstbezichtigung.ch ensuite - kulturmagazin Nr. 52 | April 07


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