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Dezember 2006 | 4. Jahrgang

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Einen Bond zu Weihnachten!

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Seite 24

Die Welt hat einen neuen Helden!

R체ckblicke und andere Sentimentalit채ten

Seite 4 / 7

Interviews mit jenen, die gehen

Skandal im Museum

Seite 30

Wenn das Geld regiert

Kulturlose Medien Wir reden nicht dar체ber!

Seite 32

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XXX BMMCMVFT DI … XXX HSPPWFTPVOE DI VORVERKAUF: www.allblues.ch • Tel. 0900 800 800 (CHF 1.19/min.), alle Ticketcorner, Manor, SBB, Die Post • BERN: Olmo Ticket, Chop Records, Der Bund, Thalia, Globus • FRIBOURG: Office du Tourisme VERANSTALTER: Groovesound GmbH und All Blues Konzert GmbH in Zusammenarbeit mit BeJazz

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Spitalgasse 4 / 3. UG / CH-3011 Bern Vorverkauf 031 311 61 00 Mo.- Fr. 16.00 -19.30 Sa . 14.30 - 16.30 Uhr www.theater-am-kaeďŹ gturm.ch

ÂŤOXYMORONÂť Es gibt keine bĂśsen Jungs, nur gestĂśrte! ÂŤZum TotlachenÂť, das ist die einzige Beschreibung, die auf ÂŤoXYmoronÂť passt. Lachen ohne Ende.

2.,7. bis 9. Dez. jeweils 20.00 Uhr

Ui! S‘is scho bald Weihnacht! ensuite - kulturmagazin kann man auch verschenken! Telefon 031 318 6050 oder abo@ensuite.ch

ÂŤMONSIEUR IBRAHIMÂť und die Blumen des Koran ÂŤMonsieur IbrahimÂť ist die Geschichte einer Freundschaft zwischen den Generationen. Das StĂźck ist so schĂśn wie das Buch: parabelhaft kurz, jeder Satz bedeutsam. Alle Religionen sind gleich, und Religion macht nur Sinn, wenn sie aufs Leben Ăźbertragen wird.

12.,14. bis 16. Dez. jeweils 20.00 Uhr

ÂŤGSPĂ„SSIGI LĂœTÂť Dieses Jahr feiern wir zweimal Silvester! Die Millionärin Frau Edith Wildmann wird von ihren Stiefkindern in eine Nervenheilanstalt gesteckt, da diese sich um ihr Erbe sorgen und Ăźberzeugt sind, die etwas sonderbare Dame wĂźrde ihr VermĂśgen an verrĂźckte Ideen verschwenden. Mit Schmeichelei, falschen Versprechungen oder mit rĂźpelhaften Bedrohungen versuchen der Ständerat Titus, der Oberrichter Samuel und die Lebedame Lilybell an das riesige VermĂśgen zu kommen. Die ErfolgskomĂśdie wird in Mundart von der LiebhaberbĂźhne Biel mit viel Liebe zum Detail gespielt.

30. und 31. Dez. jeweils 20.00 Uhr

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INHALT Bild Titelseite und rechts: Daniel Craig alias James Bond (Casino Royale) ist unser neue Held (Seite 24) Fotos: © Buena Vista International (Switzerland)

KULTUR & GESELLSCHAFT «wenn man geht, dann geht man richtig» 4 | museum franz gertsch 30 | nur ein toter indianer ist 31 | kultur in den berner medien 32

LITERATUR joan didion, hitomi kanehara, ralf rothmann 29

BÜHNE «also, mit etwas wehmut blicke ich schon auf die zeit da zurück» 7 | «so-bytie» 9 | zweimal theater für kinder 12 | ein mann, tausend schöne worte 13 | ausblick bühne 13

impressum

Eigentlich, eigentlich...

ensuite – kulturmagazin erscheint monatlich als Gratis- und Abonnementzeitung. Auflage: 10‘000 / davon 1‘200 Aboversand Herausgeber: Verein WE ARE, Bern Redaktion: Lukas Vogelsang (vl); Stephan Fuchs (sf); Anna Vershinova (av) // Andrea Baumann (ab), Peter J. Betts (pjb), Jean-Luc Froidevaux (jlf), Till Hillbrecht (th), Michael Imoberdorf (mi), Sonja Koller (sk), Andy Limacher (al), Belinda Meier (bm), Monique Meyer (mm), Eva Mollet (ev), Magdalena Nadolska (man), Marta Nawrocka (mn), Eva Pfirter (ep), Nicolas Richard (nr), Caroline Ritz (cr), Benedikt Sartorius (bs), Monika Schäfer (ms), Anne-Sophie Scholl (ass), Karl Schüpbach (ks), Sarah Stähli (ss), Tabea Steiner (ts), Sara Trauffer (st), Kathrina von Wartburg (kvw), Simone Wahli (sw), Sonja Wenger (sjw) Cartoon: Bruno Fauser, Bern; Telefon 031 312 64 76 Kulturagenda: kulturagenda.ch; ensuite - kulturmagazin, Bewegungsmelder AG, allevents, Biel; Abteilung für Kulturelles Biel, Abteilung für Kulturelles Thun, interwerk gmbh. Korrektorat: Monique Meyer (mm)

■ Dieses Editorial könnte ein Abspann für das Jahr 2006 sein, eine Hymnen- und Klagemauer für Erfolge und Verbrechen: der Jahresrückblick. Machen wir’s kurz, es gab viele Veränderungen und Bewegungen in der letzten Zeit. Zum Beispiel wird das «NZZ Ticket» in Kürze eingestellt, das museum franz gertsch entlässt den Direktor und keiner weiss warum (oder doch? siehe Seite 38), Andreas Marti verlässt das Zentrum Paul Klee, Stefan Suske und Uwe Schönbeck bald das Stadttheater, Dani Landolf vom «Bund» verlässt die Zeitung, weil er nicht Chefredaktor geworden ist, auch Bernhard Giger und Konrad Tobler sind von der «BZ» weg und die «Berner Kulturagenda» bekundet eine Sinnkrise (oder habe ich da was vorweggenommen?). Das ist viel kultureller Verlust für Bern. Andererseits gibt es Gutes zu vermelden: Zum Beispiel hat sich die Dampfzentrale als Tanzstätte wieder rehabilitiert und wird in der Tanzszene Schweiz mit Eigenproduktionen von sich reden machen. BeJazz und das Stadttheater haben die genialste Berner Kulturidee seit Jahren in die Welt gesetzt - gemeinsam den Jazz und das Theater in den Vidmar-Hallen im Liebefeld zu vereinen - und könnten damit zum neuen, kulturinstitutionellen und sozialen Höhepunkt für Bern werden (auch Köniz als grösste Agglomeration würde davon profitieren). Hoffen auf die Zukunft? Kommt doch alles gut? Oder dreht es sich wieder um Geld? Ein «NZZ»-Leser und Kunstkenner argumentierte wunderbar an einer öffentlichen Veranstaltung, als zum Thema Kulturberichterstattung (Seite 30) die Forderung nach mehr Geld gestellt wurde: «Es geht nicht um mehr Geld, es geht um mehr Sinn!» Ist dieser Satz nicht umwerfend? Und sagen Sie jetzt nicht, dass Sie dies alles nicht wissen wollen, oder dass es Sie nicht interessiert Sie stempeln sich «hui» zum Kulturbanausen. Wissen Sie, liebe LeserInnen, auch ich habe den neuen James Bond genüsslich gesehen und schäme mich überhaupt nicht, dass ich diese Zeit nicht meditierend vor einem Kunstwerk verbracht habe. Ähm, schöne Weihnachten…

KINO / FILM

Abonnemente: 58 Franken für ein Jahr / 11 Ausgaben. Abodienst: 031 318 60 50 Web: interwerk gmbh Anzeigenverkauf: anzeigen@ensuite.ch Layout: interwerk gmbh: Lukas Vogelsang Produktion & Druckvorstufe: interwerk gmbh, Bern Druck: Fischer AG für Data und Print Vertrieb: Gratisauflage an 350 Orten im Kanton Bern; passive attack, Telefon 031 398 38 66 Hinweise für redaktionelle Themen (nicht Agendaeinträge!) erwünscht bis zum 11. des Vormonates. Über die Publikation entscheidet die Redaktion. Bildmaterial digital oder im Original beilegen. Agendahinweise bis spätestens am 18. des Vormonates. Redaktionsschluss der Ausgabe ist jeweils am 18. des Vormonates. (siehe auch www.ensuite.ch - menü: veranstalter)

artensuite erscheint als Beilage im ensuite - kulturmagazin. Herausgeber: edition ■ ensuite, Bern Redaktion: Dominik Imhof (di); Helen Lagger (hl), Monique Meyer (mm), Sylvia Mutti (sm), Eva Pfirter (ep), Sylvia Rüttimann (sr), Monika Schäfer (ms) Die Redaktion ensuite - kulturmagazin ist politisch, wirtschaftlich und ethisch unabhängig und selbständig. Die Texte repräsentieren die Meinungen der Autoren/innen, nicht jene der Redaktion. Copyrights für alle Informationen und Bilder liegen beim Verein WE ARE in Bern und der edition ■ ensuite. Redaktionsadresse: ensuite – kulturmagazin Sandrainstrasse 3 3007 Bern Telefon 031 318 6050 mail: redaktion@ensuite.ch

www.ensuite.ch

erotische new yorker eskapaden 23 | «does it look like i give a damn?» 24 | je vous trouve très beau 25 | das andere kino 26

MUSIK srboljub dinic 14 | «curiose menschen» und ihre musik 16 | und sie spielen immer wieder... 17 | red bull music academy 18 | universum jarrett 19 | orchestrierte intimität 20 | cd-tipps 20 | antifolk revisited 21 | ECM listening post 21 | vito 22

LIFESTYLE insomnia 19 | stadt und land: vom wert der arbeit 35 | reiseziel hotel: winterzauber im binntal 36 | gastronomie: kneipen-kur für aufsässige eidgenossen 37

DIVERSES tratschundlaber 25 | stadtläufer 30 | von menschen und medien / fauser cartoon 33 | berner kulturmenschen: haare und bewegung 34 | leserbriefe 38

KULTUR-PUBLIREPORTAGE kara sylla ka - senegal 58 | ultimative festvorbereitung für nostalgiker und weihnachtsmuffel 59 | die dampfzentrale immer klarer auf kurs 63 | doch was heisst zeitgenössisch? 71

STADT THUN adventskalender 84 | fünf-königinnen-tag 84

KULTURAGENDA kulturagenda bern 51 | biel 80 | thun 85 Kunstbeilage:

artensuite welches möbel hätten sie denn gern? 40 | fiktionen der wirklichkeit 41 | schwarz auf weiss, aber... 42 | trou 43 | kunst im buch 45 | berner galerien 46 | berner museen: bern / biel / thun 49

Lukas Vogelsang ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

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fokus

«wenn man geht, dann geht man richtig» Von Till Hillbrecht - Was Kunst im Zentrum Paul Klee und eine Modelleisenbahnanlage im Hobbyraum gemeinsam haben: ein Gespräch mit dem abtretenden Direktor Andreas Marti. (Bild: Till Hillbrecht) ■ Ein Jahr Museumsbetrieb hat der Gründungsdirektor des Zentrums Paul Klee, Andreas Marti, hinter sich. Zehn Jahre Projekt- und Bauphase unter seiner Leitung sind der Museumseröffnung vorausgegangen. Eine intensive Zeit, begleitet von Lob und Kritik gleichermassen. Auf Ende Jahr nun reicht Marti das Amt des Direktors weiter. Entgegennehmen wird es der 37-jährige Juri Steiner. Ein Generationenwechsel, ein neuer Impuls, ein neuer Wellenschlag für das Monument im Fruchtland: Steiner hat in Zürich Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie studiert. Ab Mitte Neunzigerjahre wirkte er als freier Kurator am Kunsthaus Zürich und 2005 als Co-Kurator am Schweizer Pavillon an der Weltaustellung in Japan. Die kurze Amtsperiode Martis ist eine Erfolgreiche: Fünfzehn Monate nach Eröffnung zählen die Verantwortlichen bereits 400‘000 Besucherinnen und Besucher. Andreas Marti misst den Erfolg eines Museums aber nicht nur an den Besucherzahlen, sondern ob es im Stande ist, den Menschen Kunst zu vermitteln. Der 67-jährige Philologe ist versucht, Museumsgänger mit jenem Feuer anzustecken, welches seit jeher in ihm selbst für Klees Werke lodert. Denn er glaubt an die gute Kraft der Kunst, die seiner Meinung nach viele Probleme dieser Welt lösen könne. Obwohl Martis Abdanken keine Überraschung ist, weiss der scheidende Direktor schon jetzt, dass er seiner Zeit im Zentrum Paul Klee, das ja schon ein wenig «sis Chind» sei, nachtrauern wird. Die wieder gewonnene Freiheit, die Ruhe und die Rückkehr zu seinen Wurzeln mögen aber vieles aufwiegen. Und den Klee wieder kennenlernen, will er. Ein Gespräch mit Andreas Marti über kreatives Graffiti, seine Antipathie gegenüber Museumsshops und unbrauchbare Museen. Und weshalb Kunst ihre Aufgabe erfüllt, wenn sie kaputt geht.

Auf was freut sich Andreas Marti, wenn er das erste Mal als Besucher und nicht mehr als Direktor durch das Zentrum Paul Klee spaziert? Ich weiss nicht genau, wie das sein wird. Ich kann mir nicht vorstellen, welche Gefühle dies bei mir auslösen wird. Bis jetzt bin ich immer mit einer ganz bestimmten Haltung hierhergekommen. Bis jetzt war dies mein Haus. Und das wird in Zukunft nicht mehr so sein. Ganz sicher werde ich die Veränderungen bewusst wahrnehmen, sie wie ein Seismograph registrieren. Wie ich dann damit umgehe, weiss ich noch nicht. Nebst all der Freude habe ich auch ein wenig Angst. Was ich sagen kann: Ich freue mich sehr auf Klee! Klee wieder einmal aus der Entspannung heraus zu sehen, ihn wieder im Zentrum zu haben. Und auf die Chan4

cen, die der Generationenwechsel meinem Nachfolger bietet. Dass Juri Steiner die Möglichkeiten hat, Neugestaltungen vorzunehmen und zu formen, wie mit «Lätt» zu kneten. Wie gross ist die Wehmut? Die ist sehr gross. Aber das habe ich von Anfang an gewusst, weil ich auch seit Projektbeginn dabei bin. Als ich antrat, ging dies so: Ich führe die Planung, den Bau, ich nehme das Museum in Betrieb und betreibe es in der ersten Phase. Dies aus folgenden Erfahrungen, die ich auf den Reisen durch fast alle modernen Museen Europas gemacht habe: Jemand plant das Museum, macht die Projektarbeit und ein halbes Jahr vor der Eröffnung kommt ein Direktor, der nicht mehr in die Detailplanung eingreifen kann. So in Stockholm oder Wien: Ein Drittel der Ausstellungsflächen sind nicht in Betrieb, weil der Direktor sie für nicht benutzbar hält. Wenn ich also während dieser ganzen Periode in der Entstehung involviert bin, liegt die Verantwortung auch bei mir, wenn später etwas nicht passt. Aber deshalb habe ich auch Freude an dem Bau von Renzo Piano. Ich glaube, wir haben bewiesen, dass man mit dem Museumsgebäude etwas anfangen kann und es nicht nur eine Spielwiese für die Architekten gewesen ist. In einem Interview in der Bund-Zeitung stand folgendes Zitat von Ihnen: «Das Zentrum ist jetzt flügge.» Wäre nach der Baustelle, nach der Eröffnung und einem erfolgreichen ersten Jahr die Verlockung nicht gross, die ersten Früchte des Monumentes im Fruchtland (Adresse des Zentrum Paul Klee) als Direktor zu geniessen? Ich glaube, es ist gerade der richtige Moment. Erstens bin ich im Pensionsalter, zweitens finde ich es gut, dass jemand anderes kommt. Es ist ein Generationenwechsel, Juri Steiner ist massiv jünger als ich. Er kommt aus der kulturschaffenden Generation von heute, ich komme aus der kulturschaffenden Generation der sechziger Jahre – die haben mich geformt. Dieser Unterschied ist auch eine Chance für dieses Haus. Jetzt ist der Anfangsboom durch und nun braucht es neue Akzente. Gut, ob es sie wirklich braucht, weiss man erst später. Wir haben ja Erfolg. Aber ein Haus wie unseres lebt vom Wechsel. Und wenn wir nicht ständig neue Akzente setzen, ist das Museum innert kürzester Zeit leer. Wir müssen dem Publikum immer etwas Neues bieten. Dass jetzt ein neues Denken bevorsteht, finde ich toll. Das wäre dann, was Besucher Marti geniessen würde... Das werde ich geniessen! Steiner wird in einer seiner erstens Saisons die Umgebung mit einbeziehen. Die Umgebung, den Museumsumschwung

haben wir erstellt und fürs erste einmal präsentiert, die Konzentration galt aber dem Haus. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um den Schritt nach aussen zu wagen und die Gegend zu involvieren, mit dem Bau zusammen: Die Architektur schliesslich lädt ein zum Spielen. Auf das freue ich mich riesig. Eine weitere Handschrift von Ihnen, die das Zentrum Paul Klee noch weiter tragen wird, ist die enge Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bern. Sie und Matthias Frehner vom Kunstmuseum hätten sie gerne noch weiter vertieft. Das ist für mich ganz, ganz wichtig. Schon von Anfang an. Als ich Mitte 1995 den Auftrag für das Projekt Zentrum Paul Klee gefasst hatte, war die absolut erste Handlung, bevor ich irgendetwas anderes gemacht habe, den damaligen Direktor des Kunstmuseums, Toni Stooss, und den Konservator der Paul-Klee-Stiftung, Joseph Helferstein, anzurufen. Ich habe ihnen gesagt: Entweder findet das Projekt mit Euch statt oder es findet gar nicht statt. Es würde keinen Sinn machen, sich im Raum Bern zu konkurrenzieren. Wir wollen nicht Klee gegen Klee ausspielen. Mittelfristig braucht es

Aber ich glaube, dass die Beschäftigung mit Kunst ein ganz entscheidender Punkt im menschlichen Leben ist und ihm einen anderen Gehalt geben kann. mindestens eine ganz enge Zusammenarbeit. Und langfristig vermutlich eine Fusion. Wobei auch bei einer Fusion die verschiedenen Häuser unter allen Umständen ihr eigenes Gesicht behalten müssen: Das eigene Gesicht, das eigene Profil, den eigenen Gehalt. Es geht nicht ums Geld sparen, sondern darum, Geld sinnvoll für Kunst einzusetzen. Eine optimale Nutzung gemeinsamer Infrastrukturen lässt uns mehr Spielraum für Kunst und wir stossen nicht auf derart viele Überlastungen. ...um wiederum auch breitere Bevölkerungsschichten anzusprechen... Acht Prozent der Bevölkerung der Welt gehen in ein Museum. Wenn wir es fertig brächten, dass ein Viertel oder sogar die Hälfte der Bevölkerung ein Museum besucht und von der Kunst angezündet wird, dann hätten wir weniger Probleme mit Gewalt. Insbesondere mit Jugendgewalt. Und deshalb muss in den Schulen mehr getan werden. Und wir bieten dies den Schulen an. Ich bin nicht so naiv zu meinen, ich könnte die Welt verbessern. Aber ich glaube, dass die Beschäftigung mit Kunst ein ganz ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


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fokus entscheidender Punkt im menschlichen Leben ist und ihm einen anderen Gehalt geben kann. Wer von Kunst angezündet ist, zerstört keine Telefonkabinen. Wer sprayen will – und das finde ich eine sehr kreative Tätigkeit – geht dort sprayen, wo er nichts kaputt macht. Man könnte mit Kunst viel gegen Vandalismus und Fundamentalismus machen, davon bin ich überzeugt. Nicht nur Kinder werden durch das CreavivaMuseum auf eine besondere, museumsunübliche Art angesprochen. Eine Spezialität des Zentrum Paul Klee ist die Transdisziplinarität, welche jungen Erwachsenen einen Besuch erleichtert. Ich bin hundertprozentig dieser Meinung. Das ist auch der Sinn der Achse «Museumsstrasse». Die unterschiedlichen Angebote wie zum Beispiel Computer bieten differenzierte Zugänge zur Kunst. Ich bin auch der Meinung, wir müssten KleeComputerspiele bringen. Die Transdisziplinarität mit Musik, Theater und Lyrik und dies in modernster Ausführung sind Träger des Grundsatzes: Die Schwelle muss so tief wie nur möglich liegen. Und die Schwelle ist dann tief, wenn man unterschiedlichste Formen der Hinführung zur Kunst anbietet. Kinder, wie jene, die gerade an uns vorbei gingen, gehen ins Kindermuseum und besuchen später dann die Bildersammlung. Sie sind zwar aktiv am Malen, haben aber den Zugang zur Kunst. Manchmal habe ich das Gefühl, Museen verstehen sich als Einrichtungen, um etwas aufzubewahren. Aber das ist nicht die Idee. Wenn im schlimmsten Falle etwas kaputt geht, weil es angeschaut und gebraucht wurde, dann hat die Kunst ihre Aufgabe erfüllt. Unser Auftrag ist es, den Menschen Kunst zu vermitteln. Wenn wir diesen Auftrag nicht erfüllen, soll man uns auch kein Geld geben. ...ich nehme Sie beim Wort! Das dürfen Sie. Man darf und soll uns daran messen. Wenn wir nicht alle Anstrengungen auf uns nehmen, den Menschen zu helfen, um zur Kunst zu finden, dann erfüllen wir unseren Auftrag nicht. Ich glaube, viele Museen auf der Welt vermitteln Kunst nicht richtig. Nur das Prinzip des Museumshops, der Vermarktung hat jeder begriffen. Auf welche Realisation im Museum sind Sie besonders stolz und in welchem Bereich hätten Sie während Ihrer Amtszeit gerne mehr erreicht? Es ist schwierig, einen Punkt zu nennen. Während den zehn Jahren der Vorbereitung war meine Angst immer: Bringen wir das fertig? Kommt dann da überhaupt jemand «hingerem Ofe füre» und besucht das Museum oder wird es ein Flop? Eine Hütte mehr, die von niemand besucht wird? Stolz bin ich, dass es überhaupt nicht so herausgekommen ist. Wir haben mehr Besucher, als wir je erwartet hätten. Und ich glaube, es ist uns gelungen, die Botschaft zu übermitteln, dass es lohnenswert ist, sich mit Paul Klee auseinanderzusetzen. Nicht ganz fertig gebracht habe ich die zuvor genannte Zusammenarbeit mit dem Kunstmuse6

um. Da sind Matthias Frehner und ich lange auf sehr viel Widerstand gestossen. Aber das ist ein längerfristiger Prozess, der noch nicht fertig ist. Etwas soll ja auch noch für meinen Nachfolger zu tun sein (lacht)! Ich hasse nichts so sehr wie fertige Dinge. Wenn etwas fertig ist, interessiert es nicht mehr. Das ist wie bei den Modelleisenbähnlern: Die machen keine Modelleisenbahnanlage, um mit ihr zu spielen. Sondern weil sie bauen wollen! In der Kunstvermittlung ist es doch ähnlich: Immer daran arbeiten, sonst steht man still. Was, glauben Sie, wird die schwierigste erste Aufgabe für Ihren Nachfolger Juri Steiner? Wo wird er als erstes an der Modelleisenbahnanlage Hand anlegen müssen? Am schwierigsten werden die Finanzen sein. Wir haben 2001 gesagt, wir brauchen Subventionen in der Höhe von 6 Millionen Franken. Die hat man uns nicht gegeben und die wird auch Juri Steiner nicht sofort erhalten. Es wird besser sein, aber gemessen an der Teuerung wird auch die künftige Subvention zu wenig hoch sein. Dies wird eine mühsame Einstiegshürde werden. Sie kennen dies ja

Wir sind in der Berichterstattung von Kanada bis Neuseeland, rund um den Globus präsent. Und in Bern habe ich manchmal das Gefühl, dass man uns gar nicht richtig anerkennt. von Ihrem Magazin. Ihr Magazin lebt vor, wie man mit wenig Geld viel erreichen kann. Hier ist es dasselbe. Aber es ist einfach sehr, sehr mühsam. Und das wird eine Herausforderung für Steiner: Jeden Franken optimal einzusetzen. Inhaltlich wird er keine Probleme haben, davon bin überzeugt. Zweitens wird er dafür kämpfen müssen, dass das Zentrum Paul Klee im Bewusstsein der Bevölkerung und der Touristen bleibt. Auch da habe ich vom Anfangsboom profitiert. Und von der Einzigartigkeit des Gebäudes. Schwierig ist oft auch die Zusammenarbeit mit den Behörden. Wir sind in der Berichterstattung von Kanada bis Neuseeland, rund um den Globus präsent. Und in Bern habe ich manchmal das Gefühl, dass man uns gar nicht richtig anerkennt. Was wird Ex-Direktor Marti am meisten geniessen, wenn er im Museum die Türen schliesst, seinen Job an den Nagel hängt und nach Hause geht? Geniessen werde ich die Erleichterung. Als Direktor ist man nie ganz frei. Wenn ich am Wochenende frei habe, dann rufe ich einmal morgens und einmal nachmittags im Museum an, um zu fragen, ob alles in Ordnung sei. Das habe ich ein Jahr lang konsequent gemacht. Nicht weil ich kontrollieren

wollte – ich weiss, die machen ihren Job gut hier – , sondern weil es zu meinem Engagement gehört. Weil ich helfen will, falls ein Problem vorhanden ist. Lustig ist, dass einige Leute schon fast darauf warten... Es ist befreiend, wieder zurückzukehren zu meinen Wurzeln. Ich bin klassischer Philologe und habe seit 25 Jahren so gut wie keine griechische Literatur mehr gelesen. Vor allem freue ich mich auf meine drei Enkel, und sie freuen sich auch auf mich. Meine ältere Tochter und ihr Mann wohnen mit ihren Kindern im selben Haus wie meine Frau und ich. Heute hat mich der dreieinhalbjährige Enkel gefragt, weshalb ich noch nicht auf der Arbeit sei. Ich antwortete ihm, dass ich heute später zur Arbeit müsse. Daraufhin entgegnete er mir: «Aber du gehst doch jetzt viel arbeiten, damit du mir den Pneukran zu Weihnachten schenken kannst.» Diese Fragen, diese Dialoge mit Kindern sind sensationell. Kinder besitzen eine so grosse Offenheit. Und mitzuhelfen, dass sie diese Eigenschaft behalten, darauf freue ich mich sehr. Einfach zusammengefasst lässt sich sagen: Ich freue mich auf meine Freiheit. Andernfalls haben Sie die Telefonnummer des Museum fürs Wochenende bestimmt noch gespeichert... Das werde ich nicht machen. Das ist entscheidender Punkt: Wenn man geht, dann geht man richtig. Wenn man aufhört, geht der Vorhang runter. Etwas vom schlimmsten ist, wenn der Vorgänger das Gefühl hat, er müsse seinem Nachfolger dreinreden. Das habe ich an eigenem Leib erfahren. Natürlich werde ich aber helfen, falls man mich nach Unterstützung fragt. Aber ich werde mich nie von mir aus ins Museum begeben und sagen: «Dies und dies finde ich nicht so gut.» Was würde Andreas Marti auswählen, wenn er ein Werk aus dem Zentrum Paul Klee nach Hause nehmen dürfte? Eines der letzten grossen Werke Paul Klees: «Insula dulcamara». Das hat mehrere Gründe: Es ist ein absolut faszinierendes Werk, welches Klee spät geschaffen hat – als er noch nicht ganz so alt war wie ich jetzt – als er auch an der Schwelle war, an der man langsam erfährt, dass das Leben endlich ist und es mal vorbei geht. Und es ist unglaublich tiefgründig. Ich bin noch nie vor diesem Bild gestanden, ohne wieder etwas Neues zu entdecken. Dann auch der lateinische Titel, wobei mich die Sprache in Verbindung mit der Bildsprache Klees im Allgemeinen fasziniert. Die meisten Werke haben sehr differenziert gewählte Bildunterschriften. Die Verbindung der sprachlichen und der bildnerischen Aussage hört irgendwie nie auf, da könnte ich jedes Mal aufs Neue ansetzen. Klee war ein Meister der Sprache. Ich war in Köln an der Art Cologne und habe wieder einmal einige Bilder von Klee zum ersten Mal im Original gesehen und ich muss einfach sagen: Seine Kunst ist ein sagenhafter Reichtum. ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


fokus

BÜHNE

«also, mit etwas wehmut blicke ich schon auf die zeit da zurück» Ein Interview von Michael Imoberdorf (Bild: zVg.) ■ Seit 1991 gehört Stefan Suske dem Schauspielensemble des Stadttheater Bern an. In der Spielzeit 2003/2004 übernahm Suske die Schauspieldirektion am Stadttheater Bern. Im ensuite - kulturmagazin umriss er damals seine Ziele als Schauspieldirektor wie folgt: «Wir (das Stadttheater Bern) sind nun mal in einer toten Ecke gelandet in Bezug auf Zürich, Basel und Luzern und müssen neue Wege gehen. Unsere Produktionen müssen wieder zum Stadtgespräch werden.» Im kommenden Herbst wird Eike Gramss von Marc Adam als Intendant abgelöst. Adam präsentierte im vergangenen September sein neues Leitungsteam, dass mit Ausnahme von Srboljub Dinic (Chefdirigent, neu auch Musikdirektor) auf allen Positionen neu besetzt wurde. Im Interview mit ensuite - kulturmagazin spricht Stefan Suske seine Bedenken bezüglich der neuen Spielstätte des Stadttheaters aus, redet über seine neue Produktion («Endspiel»), seinen Bühnenpartner Uwe Schönbeck, zieht eine kritische Zwischenbilanz seiner Arbeit als Schauspieldirektor und kommt zum Schluss: «Ich bin nicht unzufrieden mit meiner Arbeit!» Als designierter Schauspieldirektor versprachen Sie vor mehr als zwei Jahren im Interview mit ensuite - kulturmagazin, dass Image des Stadttheaters zu ändern. Sind Sie mit Ihrer Arbeit zufrieden? ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

Ich arbeite noch immer an der Umsetzung des Versprechens. Es wäre verfrüht, jetzt schon Rückschau auf meine Tätigkeit als Schauspieldirektor zu halten. Man kann aber sagen, dass sich im Bereich Schauspiel, für den ich verantwortlich bin, einiges verändert hat. Ich konnte zusammen mit meinem Team viele gute Ideen umsetzen. Zudem sind die Zuschauerzahlen stabil geblieben. Das ist bei einem Wechsel in der künstlerischen Leitung nicht selbstverständlich. Ich glaube auch, und es spricht auch einiges dafür, dass wir ein neues, jüngeres Publikum dazugewinnen konnten. Zu Beginn Ihres Engagements als Schauspieldirektor definierten Sie in einem Interview mit Patric Ricklin Ihre künstlerischen Ziele wie folgt: «Theater soll bewegen! Ich möchte mehr Aufmerksamkeit für das Schauspiel gewinnen. Ich möchte spannendes, berührendes Theater.» Werden Sie diesem Anspruch gerecht? Sicherlich nicht durchgehend, aber in vielen Bereichen haben wir unser Ziel erreicht. Was die Aufmerksamkeit betrifft, so haben wir unser Ziel auf jeden Fall erreicht, nur hat sich das noch nicht bis Bern herumgesprochen! Das Stadttheater Bern hat wieder einen guten Ruf, und das nicht nur auf regionaler und nationaler Ebene. Auch in Deutschland nimmt man unsere guten Leistungen zur Kenntnis. Für diesen Erfolg sind viele verschiedene Faktoren mitverantwortlich. Ein entscheidender

Multiplikator für unseren stetig wachsenden Bekanntheitsgrad sind sicher wichtige Leute aus der Theaterszene, die unsere Vorstellungen besuchen und mit grossem Respekt von unserer Arbeit sprechen. Sie sagten, der gute Ruf des Stadttheaters hätte sich noch nicht bis Bern herumgesprochen. Haben Sie es verpasst, in der Stadt Bern ein Gesprächsthema zu werden? Es braucht eine filigrane Vernetzung verschiedenster Faktoren, um ins Stadtgespräch zu kommen. In erster Linie muss sicher die Qualität der Aufführungen stimmen, aber das alleine genügt oft nicht. Die Mund-zu-Mund-Propaganda muss einsetzen und die Multiplikatoren muss man erreichen, die dafür sorgen, dass sich das Image des Stadttheaters, das wir ja ändern wollten, auch tatsächlich ändert. Ich finde schon, dass uns dies zu einem guten Teil gelungen ist. Und das in sehr kurzer Zeit; es ist ja wirklich nicht viel Zeit gewesen! Ihre erste Spielzeit als Schauspieldirektor eröffneten Sie mit Trommeln und Trompeten: Christoph Frick inszenierte «Der Sturm» von Shakespeare. Wir wählten damals bewusst Christoph Frick als Regisseur, um der Theaterwelt zu zeigen, dass in Bern ein neuer Wind weht. Aber wir wollten keinen Skandal lostreten. Die Zuschauer fielen über uns her und beschimpften uns. Die Reaktionen waren 7


fokus übertrieben. Der Publikumserfolg blieb aus. Immerhin war danach allen klar, dass am Stadttheater Bern mit der neuen Leitung einiges in Bewegung gekommen ist. Manchmal wünschte ich mir, dass die Zuschauer nicht nur so heftig reagieren, wenn ihnen etwas missfällt, sondern auch, wenn sie unsere Produktionen mögen. Wenn man heute das Programm anschaut, so fehlt «der echte Klassiker»? Wieso? Wir haben aus bestimmten Erfahrungen den Schluss gezogen, heuer auf Klassiker zu verzichten. Zum einen sind Klassiker nicht mehr Schulstoff und zum andern hat sich das Zuschauerverhalten grundlegend verändert: «Man geht nicht mehr automatisch in den Klassiker.» Nehmen Sie als Beispiel «Kabale und Liebe»: Wir präsentierten dem Publikum eine gelungene Umsetzung eines klassischen Stoffs, aber ein grosser Zuschauererfolg

Erweist sich das Projekt mit den Vidmar-Hallen als ein Fehler, so muss das Schauspiel diese Fehlentscheidung alleine ausbaden! war diese Produktion nicht. Ich habe das Gefühl, wenn ich beispielsweise die Romanumsetzung von «Buddenbrooks» ansehe, die mit grossem Erfolg aufgeführt wird, dass es vielleicht eine Zeitfrage ist. Im Moment stossen Stoffe wie eben «Buddenbrooks» hier in Bern auf mehr Interesse als Klassiker. Deshalb haben wir uns entschieden, in der aktuellen Spielzeit auf einen veritablen Klassiker zu verzichten. Es geht, glaube ich, auch ohne. Dafür sind gleich zwei Romanbearbeitungen im aktuellen Spielplan. Entspricht das dem neuen Zeitgeist von Theater? Nein, dass hat nichts mit Zeitgeist zu tun. Es ist eine Abwägung von Stücken, «die reinkommen». Wir wählen Dramen nach dem Gesichtspunkt aus, ob sie interessant genug sind, auch vom Stoff her. Bei deutschsprachigen Autoren fehlt es oft am Gehalt der Stoffe. Die Dramen sind hervorragend geschrieben und dramaturgisch ausgefuchst, aber es fehlt irgendwie «der grosse Stoff». Das ist mit ein Grund, wieso wir uns in zwei Fällen für Romanbearbeitungen entschieden haben. Zudem ist es vom künstlerischen Standpunkt her interessant, eine bestimmte theatralische Umsetzung zu wählen und diese dann zu inszenieren. Wären Sie gerne weiterhin als Schauspieldirektor am Stadttheater tätig? Ich hätte gerne noch einige Jahre mit dem jetzigen Team weitergearbeitet. Das umschliesst aber nicht nur meinem Bereich, sondern auch die Zusammenarbeit mit dem Operndirektor Aviel Cahn, mit dem Tanzdirektor Stjin Celis, mit dem Chefdramaturgen Armin Kerber und mit Eike Gramss. Die Zusammenarbeit war stets sehr kollegial. Wir hatten viele Auseinandersetzungen auf 8

hohem Niveau und es gab auch einige Konflikte zu verschiedenen Sachfragen. Wir haben uns aber immer auf gute Konsenslösungen einigen können; dass hat uns alle weitergebracht und zusammengeschweisst. Jetzt wäre die Zeit gekommen, wo wir zusammen überprüfen könnten, was «funktioniert» hat und was man ändern müsste usw. Dazu kommen wir jetzt leider nicht mehr. Also mit etwas Wehmut blicke ich schon auf die Zeit da zurück. Frau Niederhauser äusserte in ihrem Kommentar im «Bund» Bedenken, dass der Aufbruch, der im Stadttheater im Gang ist, unter dem neuen Intendanten Adam stagnieren könnte. Teilen Sie diese Befürchtungen? Da ich die künstlerischen Pläne der neuen Leitung überhaupt nicht kenne, kann ich das nur sehr schwer beurteilen. Den Wechsel in der künstlerischen Leitung des Stadttheaters zeitgleich mit der Eröffnung einer neuen, zweiten Spielstätte durchzuführen, finde ich allerdings sehr gewagt; ich muss ehrlich gestehen, ich weiss nicht, ob das gut gehen kann. Zudem glaube ich, dass man übereilt entschieden hat, die zweite Spielstätte nach Köniz (Vidmar-Hallen) zu verlegen. Ich denke, was das Publikumsverhalten betrifft, so ist es schon so, dass man mit Stadttheater das Zentrum assoziiert und ich bin skeptisch, ob die zweite Spielstätte am Rande der Stadt wirklich «funktionieren» wird. Ich hätte Bauchweh gehabt, so eine Entscheidung zu fällen und ich würde von meiner Seite eine solche Entscheidung nur ungern mittragen. Ich wünsche dem neuen Leitungsteam trotzdem viel Glück bei diesem Unterfangen. Ehrlich gesagt mache ich mir aber ein bisschen Sorgen, dass das Schauspiel mit der zweiten Spielstätte an Stellenwert verlieren könnte. Der Schauspielbetrieb wird den grössten Anteil an Produktionen in Köniz stellen, Oper und Tanz sind – glaube ich - nur marginal beteiligt, mit je ein bis zwei Produktionen pro Spielzeit. Sollten die Zuschauerzahlen in den Vidmar-Hallen nicht den Erwartungen entsprechen, so bekommt dies vor allem

Und der Titel «Endspiel» passt ja auch irgendwie zu unserer Situation (lacht). das Schauspiel zu spüren. Erweist sich das Projekt mit den Vidmar-Hallen als ein Fehler, so muss das Schauspiel diese Fehlentscheidung alleine ausbaden! Sie spielten auch bei verschiedenen Filmprojekten mit. Nach den Dreharbeiten bleibt beim Film das Kunstwerk, d. h. der Film, erhalten. Im Theater bleibt nichts - höchstens die Erinnerung. Was finden Sie schöner: die Flüchtigkeit des Theaters oder die Beständigkeit des Films? Beides hat seinen Reiz. Das Flüchtige gehört zum Theaterberuf dazu. Theater ist der geglückte oder weniger geglückte Moment, den man erlebt. Alles, was bleibt, ist die Erinnerung und – so Gott

will – die Erinnerung des Publikums. Im Theater zählt nur der Moment. Im Film hat man immerhin noch eine DVD. Aber man entwickelt sich weiter - oder auch nicht (lacht); in jedem Fall muss man in unserem Beruf ständig neu beginnen, um erneut scheitern zu können. Der Schauspielerberuf ist ein ständiges Neu-Starten, ein neuer Versuch; es bleibt uns nichts anderes übrig. Davon lebt ja auch unsere Kunst. Das macht den Reiz meines Berufs aus und deshalb ist es eigentlich egal, ob man eine DVD in der Hand hat oder nicht. Kommen wir zu Ihrer neuen Produktion. Wieso gerade «Endspiel»? Ich wollte schon lange mit meinem Bühnenpartner Uwe Schönbeck «Warten auf Godot» oder «Endspiel» auf die Bühne des Stadttheaters bringen. Für uns beide war, als wir unsere letzte gemeinsame Stadttheaterproduktion zu planen begannen, klar, dass wir uns mit einem der beiden Stücke von Beckett vom Publikum in Bern verabschieden wollen. «Warten auf Godot» wurde hier in Bern vor nicht allzu langer Zeit als Gastspiel in einer wunderbaren Inszenierung von Luc Bondy gezeigt , zudem war es vor kurzem auf dem Spielplan des Theaters an der Effingerstasse. Deshalb entschieden wir uns für «Endspiel». Und der Titel «Endspiel» passt ja auch irgendwie zu unserer Situation (lacht). Was dürfen die Zuschauer erwarten? Wir spielen die von George Tabori bearbeitete Fassung, die 1998 im Akademietheater des Wiener Burgtheaters aufgeführt wurde. Der 1914 in Budapest geborene Literat und Regisseur Tabori entwickelte ein etwa dreissigminütiges Vorspiel zu Becketts Stück. In diesem treffen sich zwei Schauspieler auf einer leeren Bühne zu einer «EndspielProbe». Das heisst, Uwe und ich «proben» vor dem Publikum. Dabei nimmt Uwe, der später die Rolle von Hamm spielt, die dominierende Rolle ein. Obwohl die beiden Figuren Clov und Hamm noch nicht auf der Bühne sind, ist die Relation zwischen Herr und Knecht (oder Vater und Sohn) bereits vor dem eigentlichen Stück präsent. Endspiel beginnt mit dem Satz «Ende, es ist zu Ende...» Das Stück beginnt da, wo normale Stücke aufhören. Was am Ende von Stücken zusätzlich kommt, ist Zugabe. Verstehen Sie «Endspiel» auch als eine Art Zugabe? Ja, schon irgendwie. Gegen Ende des Stücks fragt Hamm Clov: «Was machst du?», Clov: «Eine kleine Ehrenrunde.» Das ist es für uns: eine kleine Ehrenrunde. «Endspiel» wird als letzte Aufführung am 30.6.2007 die Ära Gramss endgültig beenden. Herr Suske, besten Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

Informationen zum aktuellen Spielplan des Stadttheater Berns finden sie unter www.stadttheaterbern.ch. ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


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BÜHNE

«so-bytie» Von Belinda Meier - Eine russische Theatergruppe auf Tour in der Schweiz (Bild: zVg.) ■ Die phantastische Erzählung «Krotkaja» («Die Sanfte») von Fjodor Michailowitsch Dostojewski wurde vom 27.10. – 5.11.06 durch die aus St. Petersburg stammende Theatergruppe «So-Bytie» («Ereignis») sieben Mal zur Aufführung gebracht. Von den genannten Vorstellungen waren fünf ausverkauft und das «La Capella» in Bern zählte am Abend des 5. Novembers rund 150 ZuschauerInnen. Die Tournee durch die Schweiz entpuppte sich somit sowohl für die KünstlerInnen, die MitarbeiterInnen der einzelnen Theater als auch für die Organisatorinnen als deutlicher Erfolg. Die freie Theatergruppe «So-Bytie», bestehend aus Andrei Sobennikow, Tatjana Aisitulowa und Emil Kapeljusch, ist ein kleines Ensemble. Umso mehr erstaunt es, dass die 26-jährige Tatjana Aisitulowa im Stück «Krotkaja» gleich zwei Aufgaben übernahm, die der Schauspielerin und die der Regisseurin. Während Andrei Sobennikow an der Staatlichen Theaterakademie in St. Petersburg ein 5-jähriges Schauspielstudium absolvierte, studierte Aisitulowa zunächst Regie und Schauspiel an der Universität der Kultur und Künste in St. Petersburg, bevor sie an derselben Theaterakademie wie Sobennikow ein Nachdiplomstudium erfolgreich abschloss. «So-Bytie» erhielt 2004 mit «Krotkaja» am «Internationalen Festival der Monospektakel von Dostojewski» den Preis für die beste körperplastische Umsetzung. Die Festivalleitung überreichte ihr zudem das Diplom «Beitrag zur Bewahrung und Belebung des literarischen Erbes von Dostojewski». Die von Dostojewski um 1876 verfasste Erzählung hat Aisitulowa werkgetreu für die Bühne umgesetzt. Bühnenbild und Kostüme (Emil Kapeljusch) lassen an das vorletzte Jahrhundert erinnern und unterstreichen so die Nähe zur Vorlage. Die eher bescheiden eingerichtete Bühne widerspiegelt – zusammen ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

mit der besonderen Wirkung des Lichts und den regelmässig einsetzenden Klängen, die ihrerseits Wassertropfen imitieren – die Einsamkeit des von Andrei Sobennikow gespielten Mannes. «Krotkaja» erzählt die Geschichte einer unglücklichen Ehe zwischen einem jungen Mädchen (gespielt von T. Aisitulawa) und einem Mann mittleren Alters (gespielt von A. Sobennikow), den seine Vergangenheit und seine auf immer verlorene Ehre quälen. Wortlos, rätselhaft und stolz – so hofft er, von seiner Frau die lang ersehnte Anerkennung und Zuneigung zu bekommen. Die Sanfte zerbricht jedoch an ihm, an seinem Verhalten ihr gegenüber und begeht Selbstmord. Das in russischer Originalsprache und deutschen Übertiteln inszenierte Stück liess die Theatersäle füllen. Annette Flury und Barbara Grüter, die Organisatorinnen, haben dieses Theaterereignis mit viel Engagement, Eigeninitiative, Leidenschaft und wenig finanziellen Mitteln zustande gebracht. Im nachfolgenden Gespräch erzählen sie über ihre Erfahrungen mit «So-Bytie», über ihre Arbeit sowie über die Entstehung dieses Projekts. Wie verlief die Tournee, bei der Ihr mit der russischen Theatergruppe «So-Bytie» unterwegs gewesen seid? Annette: Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass alles derart gut vonstatten ging. Es hat auf allen Ebenen – sei dies die künstlerische, organisatorische wie auch zwischenmenschliche – bestens funktioniert. Barbara: Ich kann mich dem nur anschliessen. Für mich war die Tournee eine sehr spannende Zeit. Ich betrachte sie als krönender Abschluss für die lange Vorbereitungsphase. Das Resultat war sehr gut, und meine gesammelten Erfahrungen sind

demnach rundum positiv zu werten. War es das erste Mal, dass Ihr diese russische Theatergruppe in die Schweiz geholt habt? Annette: In dieser Zusammenstellung ja. Andrei Sobennikow war bereits mit Puschkins «Zar Dadon» auf Schweizer Tournee, die ich organisiert habe. Tatjana Aisitulowa hatte nun ihr erstes Engagement in der Schweiz. Welches waren die Beweggründe, eine russische Theatergruppe in die Schweiz zu holen? Annette: Ich wurde von der Theatergruppe «SoBytie» angefragt, als sie 2004 die Premiere zu «Krotkaja» im Dostojewski-Museum in St. Petersburg feierte. Weshalb ausgerechnet ich kontaktiert wurde, hat damit zu tun, dass ich seit sechs Jahren verschiedene Gastspiele von Absolventen der Theaterakademie St. Petersburg organisiere. Im Hinblick auf das Vorhaben war ich zunächst skeptisch, da es für ein Gastspiel in der Schweiz ein schwieriges Stück ist. Es ist psychologisch sehr dicht, und der Text steht im Mittelpunkt, was aufgrund der Sprachbarriere eine riesige Herausforderung darstellt. Auch war mir klar, dass ein solches Vorhaben eine Vorbereitungszeit von ca. ein bis eineinhab Jahren umfasst. Somit wäre mir eine Aufführungszeit frühestens im Herbst 2006 möglich gewesen. Glücklicherweise stiess ich im Herbst 2005 auf Barbara, als sie ein Gastspiel für eine Theatergruppe aus St. Petersburg organisierte: «Lebendiges Eisen» im «Tojo»-Theater Bern. Ich lernte sie kennen und schnell war klar, dass wir zusammenarbeiten wollen. Und so war das Projekt im vergangenen Monat das erste Resultat unserer gemeinsamen Arbeit. Welches ist der Reiz, ein russisches Theater hier in der Schweiz aufzuführen? Barbara: Bei mir hat es mit den Erfahrungen 9


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Kursaal.


veranstaltungen zu tun, die ich im Zusammenhang mit Russland machen durfte. Nach dem Studium ging ich für ein halbes Jahr nach St. Petersburg, um dort mein Russisch zu vertiefen und um erste Erfahrungen im Kulturmanagement zu sammeln. Ich habe eine Theatergruppe kennengelernt, die ich – wie Annette erwähnte – letztes Jahr in die Schweiz geholt habe. All jene Bestandteile, die erfüllt werden müssen, um ein solches Projekt zu realisieren, waren eine grosse Herausforderung für mich, und ich wollte mich dieser Herausforderung stellen. Das ist der eine Grund. Der andere hat mit meinem Beruf als Übersetzerin zu tun. Der Kontakt zwischen zwei Kulturen bedeutet unumgänglich auch das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Sprachen. Den Austausch zwischen Kulturen finde ich sehr wichtig. Die Übersetzungsarbeit, die ich bei diesem Projekt durchgeführt habe, war für mich deshalb sehr spannend. Letztlich war es mein Interesse an Russland, an der russischen Kultur und Sprache, woraus der Wunsch entstanden ist, einen Beitrag an die Berner Kultur- bzw. Theaterszene zu leisten. Annette: Bei mir war die Begegnung mit Jurij Vasilijev, Professor an der Theaterakademie St. Petersburg, ausschlaggebend. Dieser gibt in Tschechien jeden Sommer Theaterkurse, die ihrerseits als Auftakt für ein darauf folgendes Festival gelten, an dem Theaterleute, Musiker, Tänzer, Sänger, Puppenspieler usw. teilnehmen. Dort lernte ich russisches Theater kennen. Die Art, wie Jurij Vasilijev arbeitet, ist sehr beeindruckend. Der Tag des Festivals war schliesslich ein unvergessliches Erlebnis. Gespielt wurde auf einem Bauernhof bzw. auf der Heubühne. Viele Leute kamen, den ganzen Tag lang wurde gespielt und es herrschte stets ein reges Treiben in einer sehr direkten und unkomplizierten Art. So hatte ich Kultur noch nie erfahren. Es wurde weder auf eine reiche Ausstattung noch auf das Budget geachtet. Man erschuf etwas aus dem, was zur Verfügung stand. Abschliessend kann ich sagen, dass auch bei mir das Interesse am kulturellen Austausch der Anreiz zur Durchführung solcher Projekte darstellt. Hierzu gehört auch der Aspekt der Kulturförderung. Denn all jene Künstler, mit denen ich bis anhin gearbeitet habe, sind noch jung. So haben die Künstler, die «Die Sanfte» aufgeführt haben,

aus eigenem Antrieb heraus und mit eigenen Ideen, diese Inszenierung kreiert und erarbeitet. Solches Engagement möchte ich unterstützen. Was meint Ihr, weshalb haben sämtliche Vorstellungen ein derart grosses Publikum angelockt? Barbara: Ich erkläre es mir durch die gezielte Werbung, die wir machen konnten. «Die Sanfte» von Dostojewski ist ein Stück, bei dem ein Teil des Publikums ziemlich genau definiert ist. So gehören dazu etwa Studentinnen und Studenten der russischen Sprache und Literatur sowie die in der Schweiz lebenden russischen Staatsbürger. Daneben hat Annette einen grossen Bekanntenkreis, der sich für Theater in Verbindung mit Russland interessiert. Auch wäre möglich, dass die Theateraufführung selbst – mit ihrer Sprache und deren Umsetzung - anziehend gewirkt hat. Dass russisches Theater in Originalsprache und deutschen Übertiteln inszeniert wird, ist schliesslich etwas, das man nicht alle Tage zu sehen kriegt. Der direkte Kontakt mit einer anderen Kultur, mit einer fremden Sprache, dann aber auch der bekannte Autor des Stücks sind meiner Ansicht nach alles Elemente, die den Theatergänger ins Theater gelockt haben. Möchtet Ihr auch zukünftig gemeinsame Projekte durchführen? Barbara: Mir gefällt die Projektarbeit sehr und schön war auch, dass die Zusammenarbeit mit Annette auf Anhieb glückte. Wenn es deshalb in Zukunft irgendwie möglich sein wird, will ich unbedingt an weiteren Projekten dieser Art arbeiten. Annette: Ich kann die Aussage von Barbara nur bestätigen. Wir arbeiteten als eingespieltes Team derart gut, dass ich mir keine bessere Partnerin / keinen besseren Partner vorstellen kann. Gibt es denn schon konkrete Pläne? Barbara: Da wir uns mit einer konkreten Antwort nicht festlegen möchten, weise ich einfach darauf hin, dass viele Ideen vorhanden sind. Eine Idee wäre etwa, weitere in St. Petersburg inszenierte Stücke in der Schweiz zur Aufführung zu bringen. Annette: Oder denjenigen, die dieses Vergnügen schon mal hatten, ein weiteres Engagement zu ermöglichen. Denn all jene, die schon einmal mit mir, mit Barbara oder mit uns beiden zusammenarbeiten durften, würden gerne wieder kommen.

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KINDERTHEATER

zweimal theater für kinder Von Kathrina von Wartburg (Bild: zVg.) Der Wind, der Wind, das himmlische Kind ■ Als Kind kreischt man bei Britney oder Tokyo Hotel, zu klassischer Musik hingegen finden die meisten erst im erwachsenen Alter. Schade eigentlich, denn dass Kinder an klassischer Musik durchaus Freude haben können, zeigt Barbara Balba Weber. Die Flötistin und Musikpädagogin entführt in ihrem Musikmärchen «Windkinder 2» junge Menschen ab fünf Jahren in eine traumhaft schöne musikalische Welt, genauer auf die Windkinderwolke. Als Gundula Wolkenwind treibt sie mit ihrer Flöte allerlei musikalischen Schabernack, so dass den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern vor lauter Staunen durchaus mal die Spucke wegbleiben kann. In diesem Stück können die kleinen Erdenbewohner aber auch für einmal von aller irdischen Last befreit nach Herzenslust pfeifen, dirigieren, blasen – oder einfach nur still staunen. Für zusätzlichen Spass sorgt das interaktive Bühnenbild des Illustrators Tom Frey. Barbara Balba Weber blickt selbst auf eine langjährige Erfahrung zurück. Sie machte Aufnahmen und Konzertmitschnitte für Radio DRS 2, produzierte eine CD mit ihrem Soloprogramm «Windkinder», schrieb für das Schweizer RadioMagazin und für die Berner Zeitung und leitete bis vor kurzem die Konzertreihen «Unerhört» und «Rathauskonzerte Thun». Zudem wirkt sie in Konzerten für Kinder auch als Texterin, Moderatorin und Performerin. Auch privat hat sie Erfahrung mit Kindern: Sie ist Mutter von zwei Kindern, schreibt laufend Kinder(und andere)-Geschichten, unterrichtet seit 1990 an der Musikschule Belp und führt(e) Projekte mit neuer Musik an Schulen und Musikworkshops im Kindermuseum des Zentrums Paul Klee durch. Dass sie klassische Musik kindergerecht vermitteln kann, bewies Barbara Balba Weber bereits mit ihrem Soloprogramm «Windkinder 1». Sie setzt dabei grossen Wert auf die Interaktion der Kinder; wie gesagt: selber pfeifen, dirigieren, blasen. Das brachte ihr auch in der Presse Lob ein. «Barbara Weber verzauberte ihr junges Publikum mit einfach guten Geschichten, untermalte diese mit der Querflöte, also der ‹Sprache der Luft›, und liess die Kinder immer wieder teilhaben. Sie dankten es ihr mit Spontaneität und viel Freude», schrieb 12

damals die «Berner Zeitung». Neu bringt Barbara Balba Weber mehr eigene Kompositionen und Improvisationen ins Spiel, welches mit einem eigens in Auftrag gegebenen, interaktiven Bühnenbild von Tom Frey zusätzlich an Reiz gewinnt. Gleichzeitig ist «Windkinder 2» Auftakt zu einer neuen Kinderreihe im Berner Kulturkeller ONO. Künftig sollen Kinder dort ihren festen Platz bekommen – immer dann wenn‘s wieder heisst «Kids ono» (berndeutsch: «auch noch»). Das verspielt-luftige Musikmärchen «Windkinder II» jedenfalls passt wunderbar in die Weihnachtszeit und vermittelt Kindern traditionelle und zeitgenössische Klassik ohne den erhobenen Zeigefinger. Empfehlenswert! Windkinder 2 10., 17., 24. und 30.12. jeweils um 14:00 h im Kulturkeller ONO, Kramgasse 6, 3011 Bern. Vorverkauf: www.onobern.ch

Eine berühmte lange Nase ■ Wer kennt sie nicht, die Geschichte von der hölzernen Puppe Pinocchio, die sich am Ende in einen Knaben aus Fleisch und Blut verwandelt? «Pinocchio» war ursprünglich eine Auftragsarbeit für die Kinderzeitschrift «Il giornale per i Bambini». 1881 erschien das erste Kapitel. Als der Autor, Carlo Collodi, die Holzpuppe nach ein paar Episoden sterben lassen wollte, protestierte das Publikum. Zu lieb hatte man den Holzjungen schon gewonnen. Collodi fabulierte weiter und weiter – insgesamt erzählte er innerhalb von zwei Jahren 36 Geschichten. 1883 erschienen sie dann erstmals vollständig als Roman. Seither wurde Pinocchio ungezählte Male übersetzt, nachgedichtet und verfilmt. Kaum ein Kind, dass die Geschichte noch nicht kennt vom frechen Lausbub, der sich nur schlecht den pädagogischen Wünschen und Vorstellungen seiner Umwelt unterordnet; und der seine eigene Ideen davon hat, wie er die Welt erobern will. Nun kommt «Collodis Pinocchio» als Musiktheater nach Burgdorf. Ursprünglich hatte der Komponist Tommy Fortmann 1990 «Collodis Pinocchio»

fürs Opernhaus Zürich musikalisch umgesetzt. Ein enormer Erfolg: Von den 30 Aufführungen waren 28 ausverkauft. Nach dieser aufwendigen und gigantischen Zürcher Version schrieben der Berliner Regisseur Horst-J. Lonius und Tommy Fortmann den Text und die Partitur für ein kleineres Ensemble und eine einfachere Ausstattung um. Nur noch sechs Schauspieler und fünf Musiker; umgesetzt vom Talman-Ensemble, musikalisch begleitet vom «Accademia Amiata Ensemble». Auch diese «kleinere» Version ist sehenswert: Der «neue Pinocchio» ist fantasievoll und mitreissend. Das Stück steht in der europäischen Tradition des Musiktheaters – und nicht des amerikanischen Musicals. Die einzelnen Titel sind bewusst kurz gehalten und integrierender Bestandteil der Geschichte. Sie erzählen die Geschichte weiter, anstatt sie «nur» zu illustrieren. Die Musik wirkt originell und ungeschliffen wie eine toskanische Banda und klingt trotz moderner Struktur und Musiksprache stets wie ein Gassenhauer. Der neue Pinocchio bietet auch inhaltlich einige Überraschungen: Auf der Bühne wird nicht einfach «Pinocchio» nacherzählt – vielmehr ist die Entstehungsgeschichte Teil der Handlung. An einem hässlichen Karnevalsmorgen fällt Carlo Collodi ein, dass er an diesem Tag noch eine tüchtige Schuld zu begleichen hat. Er begibt sich in sein Florentiner Stammcafé, setzt sich an einen Tisch und beginnt mit einem Schreiben an seinen Verleger.....Nach und nach verwandelt sich in seiner Fantasie das Lokal mit seinen Gästen in die verschiedenen Szenarien, die wir heute als die Geschichte «Pinocchio» kennen: Die Kellnerin wird zur Fee, aus dem Mafioso und seiner Geliebten werden Fuchs und Katze, die Bar ist einmal Kutsche, einmal Walfisch. Collodi indes wird allmählich selbst zu der von ihm erdachten Holzpuppe und steht plötzlich mitten in seiner eigenen Erzählung. So überraschend der Beginn des Stücks, so überraschend ist natürlich auch das Ende – es sei jedoch an dieser Stelle nicht verraten. Collodis Pinocchio 16.12., 20:00 h und 17.12., 15:00 h Casinotheater Burgdorf ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


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AUSBLICK BÜHNE Schlachthaus Theater

Elsi, die seltsame Magd Nach der gleichnamigen Novelle von Jeremias Gotthelf. Text/Bearbeitung: Stefanie Grob ■ Im neusten Stück des Club 111 wird Gotthelfs Elsi mitten in die Absurdität unserer globalen Welt hineinverpflanzt. Elsi ist eine junge Frau, die alle Tugenden, die einen guten Schweizer/ eine gute Schweizerin auszeichnen (Arbeitswut, Anstand, Zurückhaltung und Lustfeindlichkeit), hat. Aber ihre ausländische Herkunft führt in Heimiswyl zu grossen Wirren und am Schluss ist nichts mehr, wie es vorher war. (mi)

BÜHNE

ein mann, tausend schöne worte

Regie: Meret Matter Konzept: S. Grob, Hubacher und M. Matter Mit: Catriona Guggenbühl, Pilu Lydlow, Lilian Naef, Sonja Riesen u. a.

Von Magdalena Nadolska – «Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran» als Solostück im Theater am Käfigturm (Bild: zVg.) ■ Wenn Krishan Krone sein Auto mit den Requisiten geladen hat, ergibt sich ein heiteres Bild. «Es sieht so aus, als ob ich auf den Markt fahren würde», meint der Schauspieler lächelnd. Die Requisiten zu seinem neuen Solostück sind nämlich Holzkisten mit Früchten und Gemüse, der Schauplatz ist der Lebensmittelladen von Monsieur Ibrahim. Bekannt ist «Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran» als herzergreifender Roman von Eric-Emmanuel Schmitt oder als Film von François Dupeyron mit dem Hauptdarsteller Omar Sharif. Gleich wie das Buch, beginnt auch Krishan Krone: «Als ich elf war, habe ich mein Schwein geschlachtet und bin zu den Dirnen gegangen.» So fängt Moses’ tragikomische Geschichte an und handelt von der Freundschaft zwischen ihm, einem jüdischen Jungen und Monsieur Ibrahim, «dem Araber an der Ecke». Sie entwickelt sich zu einer Reise zwischen Generationen und Religionen, zwischen warmer Geborgenheit und kühler Einsamkeit und endet beim Goldenen Halbmond. Eric-Emmanuel Schmitt erzählt in seinem Roman von der Freundschaft zweier grundverschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Lebensumständen. Poetisch berichtet er von einem Moslem und einem Juden, die sich mögen und grenzt dabei den Nahostkonflikt völlig aus. Dieses NichtThematisieren tut gut, denn wir alle haben diesen Konflikt satt. Der Schauspieler Krishan Krone erzählt die Geschichte aus der Sicht des erwachsenen Moses und lässt sämtliche Figuren des Stücks lebendig werden. Als Solodarsteller spielt er «Auge in Auge» mit den Zuschauern. «Die Form des Erzählens ist magisch. Im Publikum kommen Kindheitserinnerungen hoch, wie beispielsweise Guensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

tenachtgeschichten der Oma. Plötzlich entstehen Bilder oder Gerüche», schwärmt Krone. «Wenn man als Darsteller seine eigenen Bilder hat, sie sieht und auf der Bühne erlebt, können sich die Zuschauer auch ihre eigenen Bilder machen.» So lebt das Stück von der Intimität, vom persönlichen Kontakt zum Publikum. Dabei bringt Krishan Krone die Zuschauer zum Lachen, zum Weinen, zum Nachdenken und nicht zuletzt zum Geniessen, in einer charmanten und feinen Weise. «Mittlerweile ist Monsieur Ibrahim zu einer Geschichte geworden, die ich mir einverleibt habe. Sie ist viel persönlicher geworden», so Krone, wenn er seine Tournee im deutschsprachigen Raum beschreibt. Am wichtigsten sei es für ihn die Geschichte, welche er erzählt, gern zu haben. Er mag Momo alias Moses, welcher sein tristes Leben mit sehr viel Heiterkeit meistert: «Traurigen Momenten dieses Stücks folgt der Humor. Manche Dinge sind traurig, aber das Leben geht weiter. Momo und seine Mutter zeigen eine Haltung, die ich als sehr weise empfinde. Man kann schmerzliche Erfahrungen verdrängen, vergessen, in ihnen rumstochern oder aber wie hier – einfach stehen lassen. Der Schmerz wirkt zwar nach, aber man schliesst Frieden mit der schmerzhaften Situation.» Das Tolle an einem Solostück im Gegensatz zu der Arbeit in einem Ensemble sei die Flexibilität und das Spielen ohne grossen Aufwand. So belädt Krishan Krone sein Auto, fährt los und bringt den Menschen Freude und Traurigkeit.

Aufführungen im Theater am Käfigturm: 12./14./15./16. Dezember, jeweils 20:00 h Reservationen und Infos: 031 311 61 00 oder www.theater-am-kaefigturm.ch

Aufführungsdaten: 28., 29., 30. und 31.12. sowie 4., 5. und 6.1.2007

Stadttheater Bern

Endspiel Ein Theaterstück von Samuel Beckett ■ Stefan Suske (Interview mit Suske in dieser ensuite-Ausgabe) und Uwe Schönbeck verabschieden sich im kommenden Juni nach sechszehnjähriger, erfolgreicher Tätigkeit vom Stadttheater Bern. Sie haben sich entschieden, in ihrer letzten gemeinsamen Produktion für das Stadttheater Becketts «Endspiel» auf die Bühne zu bringen. Schönbeck und Suske gaben beide während ihres Engagement am Berner Stadttheater ihr Regiedebüt. In ihrer letzten gemeinsamen Produktion am Stadttheater führen die beiden Freunde gemeinsam Regie und spielen zudem selbst die Rollen von Clov und Hamm. Suske & Schönbeck so, wie wir sie kennen: Extraklasse! (mi) Inszenierung und Schauspiel: Uwe Schönbeck und Stefan Suske. Aufführungsdaten im Dezember: 6., 16. und 23.12.

Sie wissen nicht wohin? abo@ensuite.ch 13


musik

srboljub dinic Ein Interview von Karl Schüpbach - Operndirigent – Konzertdirigent, zwei völlig verschiedene Herausforderungen. (Bild: zVg.) ■ Karl Schüpbach: Herr Dinic, wenn Sie ein Konzert oder eine Oper dirigieren, haben beide Kunstformen sicher Gemeinsamkeiten. Als Dirigent sehen Sie sich aber doch mit verschiedenartigen Herausforderungen konfrontiert. Können Sie näher auf diese Problematik eingehen? Srboljub Dinic: In der Oper oder im Konzert werden an den Dirigenten tatsächlich grundverschiedene Anforderungen gestellt. Ich möchte von den Verschiedenheiten sprechen, ohne im Geringsten eine Wertung vorzunehmen. Es gibt auf den ersten Blick zwei grundlegende Unterschiede: In der Oper, im modernen Regietheater, ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Dirigenten, die nahtlose Koordination zwischen Bühne und Orchester sicherzustellen, dies ist im Konzertsaal nicht so, ausser bei Aufführungen von Oratorien. Ein ganz wesentliches Problem liegt weiter auch darin, dass es für den Dirigenten im Theater ein absolutes Muss darstellt, die Sprache des Librettos zu verstehen. Ein weiterer Faktor, der viel Flexibilität abverlangt, ist die Tatsache, dass es in der Oper auf der Bühne wie auch im Orchester immer wieder zu Besetzungswechseln kommt, etwas das im Konzertsaal undenkbar ist. Lassen Sie mich noch etwas anführen: Wegen der oft beträchtlichen Distanzen zwischen Dirigentenpult und der Bühne ist eine klare und unmissverständliche Gestik eine absolute Voraussetzung. Nochmals: Ich möchte unter keinen Umständen den Eindruck erwecken, dass ein Dirigent im Konzertsaal nicht auch mit grossen Problemen konfrontiert ist. So gilt es zum Beispiel in Bern, innerhalb einer Woche ein vielleicht schwierigstes Programm zur Konzertreife zu bringen. Dies bedeutet beinharte Arbeit für das Orchester und natürlich auch für den Dirigenten. Die Vorbereitungszeit für eine Oper dagegen erstreckt sich in unserem Drei-Sparten-Haus doch auf einen längeren Zeitraum. Wie würden Sie die Oper des Stadttheaters Bern in der gesamtschweizerischen Opernwelt positionieren? Es geht hier keinesfalls um eine Rangliste, die Frage möchte Stärken und Chancen, aber auch Schwächen ausleuchten? Kürzlich wurde in der Presse eine Statistik veröffentlicht: Mit über 80 Prozent Auslastung in der Oper steht Bern gesamtschweizerisch sehr gut da. Natürlich muss ich in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Organisationsformen in der Schweiz aufmerksam machen. Zürich, Genf und Basel haben weitaus günstigere Voraussetzungen, was die Oper anbelangt: wegen der völlig anderen Strukturen mit den jeweiligen Orchestern, wegen der Grösse der Orchestergraben und – wegen des Geldes. Aber es gibt wirklich Grund zur Genugtuung: Wir konnten erfolgreiche Koproduktionen mit anderen Häusern eingehen, und – vor allem – wir haben in der Presse internationale Anerkennung gefunden, die Produktionen von «Mazeppa» von 14

Peter Iljitsch Tschaikowsky und «Kullervo» von Aulir Sallinen fanden ein äusserst positives Echo. Noch einmal ein Wort zum Repertoire: Wir können, wie erwähnt, Werke der Spätromantik, wie Wagner oder Strauss, aus Platzgründen nur unter erschwerten Umständen zur Aufführung bringen. Hier bilden die erfolgreichen Aufführungen von «Mazeppa», «Madame Butterfly» oder «Tannhäuser» doch eher die Ausnahme. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die Oper von Bern im Hinblick auf die Grösse der Stadt und des Kantons auch eine erzieherische Aufgabe wahrzunehmen hat; das beinhaltet ab und zu auch die Aufführung der grossen Oper der Spätromantik, auch wenn dabei gewisse klangliche Abstriche in Kauf genommen werden müssen. Die Berner Oper wird aber sicher ihr Hauptgewicht auf die Produktion von Werken legen, die den räumlichen Verhältnissen Rechnung tragen. Die Tatsache, dass das Berner SymphonieOrchester gleichzeitig als Konzert- und Opernorchester arbeitet, zieht sicher für beide Seiten Probleme nach sich. Können Sie aber dieser Struktur auch Positives abgewinnen, zu Gunsten des Theaters wie auch der Sinfoniekonzerte? Die Probleme liegen auf der Hand, ich habe schon oft darüber gesprochen: Im Konzert spielt das Berner Symphonie-Orchester in einem wunderschönen Saal, in Originalbesetzung, auf dem Podium, vor den Augen des Publikums. Im Theater dagegen müssen die Musikerinnen und Musiker mit dem Graben (welch ein Wort!) vorliebnehmen, wobei die Besetzung, gewollt oder ungewollt, oft mit Rücksicht auf die Bühne reduziert werden muss, was nach sich zieht, dass sich das Orchester in einer reinen Begleitfunktion wiederfindet. Probleme gibt es aber auch in den Dispositionen der beiden Institutionen Stadttheater und Stiftung Berner Symphonieorchester, wobei sich aber hier auch Chancen für beide Seiten ergeben, über die ich gerne spreche: Es kommt immer wieder vor, dass wir das Orchester nach einer strengen Konzertwoche am Wochenende, vielleicht auch während der Woche, für das Theater beanspruchen müssen. Das Orchester ist zwar müde, aber in Hochform, was sich für die Oper höchst positiv auswirkt. Auf der anderen Seite ist es doch so, dass das Repertoire in der Oper, genau wie die Konzertliteratur, unsterbliche Meisterwerke bietet. Dies bedeutet, dass ein Orchestermitglied in Bern die unermesslich breite Facette seines Berufes erleben kann. An welche Werke, die Sie in Bern bereits dirigiert haben, denken Sie besonders gerne zurück? Ich durfte in Bern mit allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr schöne Vorstellungen erleben. Wenn ich eine Produktion hervorheben darf, ist das sicher die Aufführung der bereits er-

wähnten Oper von Tschaikowsky, «Mazeppa». Ich glaube zwar, dass diese Oper nicht zu den ganz grossen Opern des russischen Meisters gehört. Für mich war es aber doch eine Entdeckung, und ich war und bin zutieft beeindruckt über die vielfältigen, berührenden Rückmeldungen des ganzen Hauses, aus dem Orchester, den Reihen der Sänger, des Chores und der Bühne. Zudem ist mir bekannt, dass viele Opernfreunde aus dem Publikum die Aufführung mehrmals besucht haben. Abschliessend noch ein Blick in die Zukunft: Können Sie ein paar Gedanken äussern über die Werke, die Sie in der laufenden Spielzeit noch dirigieren werden? Ich habe in dieser Spielzeit bereits die Wiederaufnahme der «Entführung aus dem Serail» von Mozart dirigiert, sowie den Orchester-BallettAbend. Vor mir liegen noch zwei Produktionen, auf die ich mich besonders freue: Einmal die «Traviata» von Verdi, sie bringt eine Wiederbegegnung mit dem Regieteam von «Il Viaggio a Reims». Auch auf die Produktion der Rossini-Oper der laufenden Saison kann Bern mit besonderem Stolz zurückblicken. Weiter – jetzt darf ich ein wenig sentimental werden – fühle ich mich geehrt, dass ich die letzte Produktion des scheidenden Theaterdirektors Eike Gramss, «Falstaff» von Verdi, musikalisch betreuen werde. Herr Dinic, ich bedanke mich herzlich für die Beantwortung der Fragen. Für Ihre weitere Arbeit wünsche ich Ihnen alles Gute, und natürlich ein spezielles toi, toi, toi für die bevorstehende Premiere der «Lustigen Witwe» von Franz Lehar am 29. Dezember 2006.

Srboljub Dinic wurde 1969 in Nis, Serbien, geboren. Er entstammt einer Musikerfamilie. Mit fünf Jahren erhält er den ersten Klavierunterricht. An der Musikhochschule Belgrad absolviert er sein Berufsstudium mit Abschlüssen in den Fächern Dirigieren, Klavier (Ausbildung zum Konzertpianisten) und Kammermusik. Bereits an der Musikhochschule Belgrad arbeitete er als Assistent für Kammermusik und Korrepetition. 1995–1997 Korrepetitor am Stadttheater Basel 1997–1999 Kapellmeister in Bonn 1999–2001 persönlicher Assistent der Chefdirigentin Julia Jones am Stadttheater Basel 2001–2004 Erster Kapellmeister und Stellvertreter des Chefdirigenten Miguel Gomez-Martinez am Stadttheater Bern 2004 Ernennung zum Chefdirigenten des Stadttheaters Bern ab 2007 zusätzlich Musikdirektor am Stadttheater Bern Vor kurzer Zeit sehr erfolgreiches Gastspiel an der Staatsoper Stuttgart mit «Madame Butterfly». ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


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musik

KLASSIK

«curiose menschen» und ihre musik Ausgewählt von Sonja Koller - Ein Blick in die Reisekorrespondenz von vier Komponisten (Bild: zVg.) ■ Wolfgang Amadeus Mozart 1777 aus Augsburg an seinen Vater: «graf wolfeck lief immer im saal herum und sagte. so hab ich mein lebetag nichts gehört. er sagte zu mir. ich muss ihnen sagen, dass ich sie niemahlen so spiellen gehört, wie heüte. ich werde es auch ihren Vatter sagen, so bald ich auf salzbourg komme. (…) dan spiellte ich allein (…) und auf einmahl eine Prächtige sonata ex C major so aus dem kopf mit einen Rondeau auf die lezt. es war ein rechtes Getös und lerm. H: stein machte nichts als gesichter und grimassen für verwunderung. H: Demler muste beständig lachen. das ist ein so Curioser Mensch, das wen ihm etwas recht sehr gefällt, so mus er ganz entsetzlich lachen. bey mir fieng er gar zu fluchen an.»

zu einer Schweizer Landschaft. Zweitens der vielbelobte Gesang der Schweizer Mädchen, der besonders im Berner Oberland verbreitet ist: Von dem kann ich leider nicht viel Gutes sagen. Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass sie gewöhnlich vierstimmig singen, doch alles wird verdorben durch eine Mädchenstimme, die sie wie ‹flauto piccolo› betrachten; denn diese singt nie eine Melodie, sondern einzelne hohe Töne, und nur nach Belieben, glaube ich, wodurch zuweilen grässliche Quinten entstehen. Übrigens könnten sie gute Sängerinnen sein, denn den Spruch ‹Cantores amant humores!› erfüllen sie ganz. Vier von ihnen haben einst 24 Flaschen Wein hinter die Köpfe getrunken.» *****

***** ■ Felix Mendelssohn 1822 aus der Schweiz an den Liedkomponisten Karl Friedrich Zelter: «Zuerst das Jodeln: Zuerst nenne ich es, weil es in der ganzen Schweiz verbreitet, und alle Schweizer Landleute können jodeln. Es besteht aus Tönen, die durch die Gurgel hervorgebracht werden, und gewöhnlich sind es aufspringende Sexten. Es ist nicht zu leugnen, dass diese Art von Gesang in der Nähe oder im Zimmer rauh und unangenehm klingt. Doch wenn Echos darauf antworten oder sich damit vermischen; wenn man im Tale steht und auf dem Berge oder im Walde das Jodeln und Jauchzen hört, das der Enthusiasmus der Schweizer für ihre Gegend hervorbringt; (…) dann klingt dieser Gesang schön, ja, er (…) gehört gleichsam 16

■ Frédéric Chopin 1848 aus Schottland an Graf Adalber Grzymala: «Höre nun: Einmal, nachdem ich gespielt und sie (eine der vornehmsten Damen Londons) selbst alle möglichen Lieder gesungen hatte, wird eine Art Ziehharmonika hereingebracht, und sie setzt sich hin und spielt auf diesem Instrument ganz ernsthaft die fürchterlichsten Melodien. – Was soll man da tun? Es scheint mir, dass alle diese Geschöpfe nicht ganz richtig im Kopf sind. – Eine (…) Lady (…) begleitete sich der Originalität wegen stehend am Klavier und sang eine französische Romanze mit englischer Aussprache: ‹Schej ajmej, schej ajmaj … (j’ai aimé)›!!! – (…) Diejenigen, die meine Kompositionen kennen, verlangen von mir: ‹Jouez-moi votre second Soupir! …J’aime beaucoup vos cloches!› …

Und alle ihre Lobsprüche enden mit ‹leik water›, das heisst, es fliesst wie Wasser. Ich habe noch nie einer Engländerin vorgespielt, ohne dass sie mir gesagt hätte ‹leik water›. Alle achten nur auf ihre Hände und spielen mit Gefühl falsche Noten. Es sind Originale. Gott beschütze sie!» ***** ■ Peter Tschaikowsky 1878 aus Florenz an Nadeshda von Meck: «Wissen Sie noch, wie ich Ihnen während meines vorigen Aufenthaltes in Florenz von einem Jungen berichtete, den ich abends auf der Strasse singen hörte und dessen herrliche Stimme mich so gerührt hat? Ich fand ihn vorgestern zu meiner unbeschreiblichen Freude wieder. Er sang mir ebenso wie damals ‹Perché tradirmi, perché lasciarmi› vor, und ich verging geradezu vor Begeisterung. Ich kann mich nicht entsinnen, dass mich ein schlichtes Volkslied je so gerührt hätte. (…) Man muss einige Zeit in Italien gelebt haben, um der Gesangskunst der Italiener die gebührende Anerkennung zu zollen. Jeden Augenblick hört man auf der Strasse prachtvolle Stimmen, auch in diesem Augenblick höre ich in der Ferne einen wunderschönen Tenor, der aus vollem Halse irgendein Lied in die weite Welt hinausschmettert. Aber selbst wenn die Stimme nicht besonders schön ist, kann sich jeder Italiener rühmen, von Natur aus Sänger zu sein. Sie haben alle eine richtige émission de voix und verstehen, aus der Brust heraus zu singen, nicht aus der Kehle und nicht durch die Nase wie bei uns.»

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musik

VOLKSMUSIK

und sie spielen immer wieder... Von Karl Johannes Rechsteiner, Stubemusig Rechsteiner (Bild: Karl Johannes Rechsteiner) ■ Musik der Stubemusig Rechsteiner läuft zur Zeit als Soundtrack zum Schweizer Erfolgsfilm «Die Herbstzeitlosen». Und auch in der Berner Rockszene sind die Brüder Rechsteiner keine unbeschriebenen Blätter. Doch jetzt ging’s wieder mal mit Vater ins Tonstudio. Mit einer neuen CD feiern sie 30 Jahre Stubemusig. Die archaischen Klänge rund ums Hackbrett sind zu einer feinen Weltmusik geworden. «Gut auch als Herzmassage für gestresste Topmanager», meinte einst Jiri Schmidhauser von Züri West und den Shoppers dazu. Exklusiv für ensuite - kulturmagazin hält der Älteste der jungen Rechsteiners einen persönlichen Rückblick. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Eben hatte mir meine Lehrerin das Zeugnis überreicht. Die Zensuren in Chemie und Französisch waren ungenügend. Was würden meine Eltern sagen, die das Notenbüchlein unterschreiben mussten? Ein kleiner Kobold in meinem Innern grinste hämisch: «Das hast du jetzt von deinem Nichtstun!» Doch ich beruhigte mich schnell, denn ich brachte das Zeugnis meinem Vater. Kaum hatte er einen Blick auf die Noten geworfen, begann er freudig zu strahlen. Er hatte bei Singen und Musik die Bestnote entdeckt. Egal wie lausig wir Kinder in den Hauptfächern abschnitten, wenn wir in der Musik brillierten, war die Welt in Ordnung! Eines Tages schaute Vater Karl auf seine Söhne: Christoph an der Geige, Niklaus am Cello, Karl junior an den Blockflöten. Und Vater Karl sah, dass es gut war. Sein Nachwuchs hatte eine solide musikalische Ausbildung genossen. Daraus liesse sich sogar eine Appenzeller Streichmusik machen. Wenn nur ein Hackbrett dabei wäre! Der Heimweh-Appenzeller beschenkte sich zum 50. Geburtstag: Er reiste zum legendären Hackbrettbauer Chliine Fuchsli an den Sammelplatz in Appenzell und kaufte sich eines der urtümlichen Instrumente mit den 138 Kupfersaiten. Ein neues Leben begann. Am Anfang spielten wir daheim in der Stube – nachdem uns Mutter in der Küche mit Süppli und Salätli, Gulasch und Götterspeise gestärkt hatte. Für Familienanlässe übten wir ein Wälserli, versuchten ein Zäuerli, arrangierten einen Schottisch. Mit ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

jedem Fest kam ein Stückli mehr dazu. Es folgte der internationale Durchbruch: Der erste öffentliche Auftritt bei Vaters Lokführer-Gewerkschaft! Wir verliessen die gute Stube und wagten uns hinaus als Stubemusig. So begann 1976 die Geschichte der Stubemusig als Volksmusikkapelle mit vier Brüdern, deren ältester ihr Vater ist. Niklaus war gut zehnjährig, Christoph ein Teenie und ich ein langhaariger Jugendlicher. Es war die Zeit der Folkfestivals. Die Frauen trugen Lilalatzhosen, die Männer ertrugen deren Feminismus, liessen zum Schutz ihre Bärte wachsen und zündeten Räucherstäbchen an, die nach Patchouli rochen. Und wir Stubenmusiker freuten uns an archaischen Volksmusikklängen – eine Faszination, die bis heute anhält. Eine Party gegen Häuserabrisse? Es spielte die Stubemusig Rechsteiner. Ein Solidaritätsfest für die Freiräume des Autonomen Jugendzentrums Reithalle? Es spielte die Stubemusig Rechsteiner. Eine Gala zugunsten der Alpen-Initiative, die die Lastwagen auf die Bahn zwingen wollte? Es spielte die Stubemusig Rechsteiner. Wann immer es in Bern eine Volksmusik brauchte, die nicht zur «Ländler-Mafia» gehörte – es spielte die Stubemusig Rechsteiner. Zwischen zwei Wälserli blickte einst auch Bundespräsident Kurt Furgler entzückt auf die heile Welt dieser Familienkapelle – bald aber wurde sein Kopf hochrot und er verlor die Fassung, als wir jungen Stubenmusiker mit ihm über die 80er-Jugendbewegung stritten. Was für ein Gegensatz zur Freude von Südafrikas First Lady Zanele Mbeki, die ein paar Jahre später im Café Hugo in Oberdiessbach unsere Tänze und das schmelzende Raclette genoss. So unvergesslich wie einst der Auftritt an einem Fest von Menschen mit Behinderung, die begeistert in ihren rasenden Rollstühlen zu unseren Rhythmen durch den Saal tanzten. Volksmusik trachtet weder nach Edelweisskitteln noch nach gleichfarbigen Hemden. Stubemusig soll nicht tönen, als wären wir alle gleich angezogen. Kleine güldene Rahmkellen im Ohr und die gelben Hosen der Appenzeller Sennen sind schön. Aber wir Stadtmenschen würden uns damit nur verkleiden. Auch wenn wir manchmal grinsend von einem

Megahit der «Original-Rechsteiner-Buob’n» träumen, sind es doch nicht Retortenschlager aus der Humm-ta-ta-Industrie, die uns inspirieren. Alle vier Rechsteiners spielen nicht nur Volksmusik, sondern haben auch ganz andere Erfahrungen gemacht: In Kirchenchor oder bei fasnächtlicher Blasmusik, zwischen Rock und Swing oder bei lautem Punk oder freiem Jazz. Immer wieder jedoch kehren wir zurück zu den eigenwilligen Klängen rund ums Hackbrett. Uns gefällt die Volksmusik als bunter Teppich, gewoben aus Fäden verschiedenster Welten und Zeiten. Einst waren die Mazurkas aus Osteuropa zu Gast und sind als Masollke im Appenzell geblieben. Und die traurigen Klänge des Berner Guggisbergerliedes verbinden sich bei uns mit dem Moll der Klezmer-Musik. Was bleibt? Jetzt eine zweite CD der Stubemusig Rechsteiner. Viele farbige Familienfotos. Tiefe Erinnerungen an unzählige Hoch-Zeiten. Die Freude über gelungene Eigenkompositionen. Die Lust am Zusammenspiel. Tanzende Menschen vor dem inneren Auge. Melodien und Rhythmen, die auch nach 30 Jahren immer wieder neu tönen. Und – dass ich bei meinen Kindern in den Zeugnissen immer zuerst auf die Musiknoten schaue. 2. Dezember 2006: Stubemusig Rechsteiners CD-Taufe im Restaurant Veranda, Bern - Zehn Jahre nach der erfolgreichen CD «vo Bärn» erscheint die zweite Silberscheibe der Rechsteiners beim Narrenschiff-Label (www.narrenschiff.ch). Znacht ab 18:30 h, Konzert um 20:00 h. Reservationen: Restaurant Veranda-Bern, Telefon 031 305 21 80 Weitere Konzerte: 29.12., Kreuz in Sumiswald, ab 19:30 h, Altjahrestanzete zusammen mit Le vent du moulin und Luna d’Oro 6.1.2007, Café Hugo in Oberdiessbach, Znacht ab 18:30 h, Musik ab 20:00 h, Dreikönigs-Stubete. Reservationen: Telefon 031 771 03 22 Weitere Infos: www.stubemusig.ch

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musik

ELEKTRO

red bull music academy

(Bild: zVg.)

Von Sarah Elena Schwerzmann - Mit dem Erfinder des Techno auf der Couch ■ Auf nach Melbourne in Australien, hiess es dieses Jahr für die Red Bull Music Academy und deren insgesamt dreissig Teilnehmer aus aller Welt. Mit dabei war auch die Stadtbernerin Judith Biffiger aka Sassy J. Derrick May sitzt auf dem kuschelig-beigen Sofa. Es sieht genau gleich aus, wie jedes Jahr. Hinter ihm prangt das Logo der Red Bull Music Academy. Er weiss, warum er hier ist: Die jungen Menschen, die ihm gegenüber sitzen, wollen seine Geschichte hören. Die Geschichte eines ganzen Musikstils. Derrick May ist der Künstler, der den Techno zu einer Bewegung gemacht hat – zusammen mit seinen Kollegen Juan Atkins und Kevin Saunderson. Bestimmt erzählt er von einer Zeit in Detroit, in der auf dem Arbeitsmarkt wie auch musikalisch vieles im Umbruch war und alles in Frage gestellt wurde. Aufmerksames Publikum Er weiss, dass er 18

nicht die Tokio-Hotel-Generation vor sich sitzen hat. Sondern junge, innovative Künstler, die die Geschichte der Musik nicht nur kennen, sondern vor allem verstehen wollen. Rund dreissig wachsame Augenpaare verfolgen das Geschehen auf dem Sofa. Sechzig Ohren lauschen gespannt, wenn Derrick May aus seinem Repertoire Musik abspielt. Hier ist Techno kein Schimpfwort, das mit Drogen und minderbemittelten Teenies in Verbindung gebracht wird. Es ist eine Kultur, eine Bewegung, die es als Grundbaustein für viele andere Musikstile, die wir heute kennen, wert ist, verstanden zu werden. Das macht Derrick May klar. Vielseitig engagiert Ihre Augen sprühen vor Begeisterung, wenn sie von Derrick May spricht. Die 25 Jahre alte Judith Biffiger aus Bern ist DJ und organisiert ihre eigenen Events, darunter die monatlich im Wasserwerk stattfindende Clubserie

Patchwork. Sie ist eine der drei Schweizer Teilnehmer, die es dieses Jahr an die Red Bull Music Academy geschafft haben. Bereits vor einem Jahr hatte sie sich zum Spass beworben, und hatte kein Glück. Erst beim zweiten Anlauf hat es geklappt: «Ich war damals einfach noch nicht bereit dafür. Jetzt war aber genau der richtige Zeitpunkt», erzählt sie überzeugt und auch ein wenig erschöpft. Die zwei Wochen in Melbourne waren anstrengend. Herausforderung Zusammen mit knapp dreissig Teilnehmern aus aller Welt hat sie in einem Appartment-Haus gewohnt, ist jeden Tag an die Academy gefahren und hat dort nicht nur Vorlesungen besucht, sondern sich mit anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen zusammengetan und musiziert. «Es war unglaublich befreiend und bereichernd», erzählt die 25-jährige Lehrerin, die Mitglied des Berner DJ- und Produzentenkollektivs «A Few Among Others» ist. Die dreissig Teilnehmer aus insgesamt zwanzig Ländern haben sich auf Anhieb gut verstanden und bereits am ersten Tag haben sich Künstler zusammengefunden, um gemeinsame Projekte zu starten. Der Austausch zwischen Künstlern aus verschiedenen Bereichen steht dabei in erster Linie im Vordergrund. Jeder Teilnehmer hat seine Spezialität, die er Interessierten beibringt. So entsteht eine Art Lernwerkstatt: DJs lernen von Sängern, Produzenten von MCs und umgekehrt. Auch Judith aka Sassy J. hat sich beteiligt: «Ich habe sehr viel von anderen gelernt und habe ihnen im Gegenzug auch mein Wissen weitergegeben.» Dynamik Genau diese Mischung aus Künstlern, die schon über viele Fertigkeiten verfügen und solchen, die noch ganz am Anfang stehen, scheint es auszumachen: Denn seit 1998, als die Red Bull Music Academy in Berlin das erste Mal über die Bühne ging, ist klar, dass man Künstler mit verschiedenem Kulturhintergrund, musikalischem Wissen und unterschiedlichen Musikstilen zusammenbringen will. Zu diesem Zweck werden Workshops und Kurse zum Thema Musikproduktion, Musikbusiness, Studioarbeit und Performance durchgeführt und Gastdozenten werden eingeladen, um von ihrer Arbeit und ihrer Geschichte zu erzählen. Mit den Jahren hat die Red Bull Music Academy immer mehr an Renommee gewonnen und sich langsam von Berlin als Austragungsort abgelöst. Seitdem hat die Academy in Dublin, New York, London, São Paulo, Kapstadt, Rom und letztes Jahr in Seattle stattgefunden. Weitere Informationen www.redbullmusicacademy.com www.afewamongothers.com ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


musik JAZZ

universum jarrett Von Nicolas Richard - Und zu Weihnachten Keith Jarrett ■ Das wäre nun der perfekte Augenblick, um mit ein paar Fakten und einigen Superlativen den USamerikanischen Jazzpianisten Keith Jarrett zu beschreiben. In einer neonlichter-glänzenden Scheinwelt – voller technischem Schnickschnack und sich überbietenden Schreiereien nach mehr Geltung, Fakten und Firlefanz sollte man wohl seiner ersten Intension als Schreiber folgen und es dem Leser möglichst bequem machen. Oder man setzt sich hin und erzählt aus der gebrochenen Ecke seiner eigenen, kleinen Seele. Keith Jarrett gehört zu den erfolgreichsten und prägendsten Musikern der vergangenen vier Jahrzehnte und hat vor allem durch seine Solokonzerte die Vorstellung von zeitgenössischer Improvisation beeinflusst. Nun – die Magie liegt im Moment. Der Moment ist flüchtig und nicht fassbar. Gott hat eine Träne vergossen und durch diese bricht sich die Musik Jarretts ihren Weg. Plötzliches Mitsummen, Stampfen oder gar Grölen sind seine Marotten. Kritiker, die Jarrett nicht als «Ganzes» begreifen, urteilen an dieser Stelle möglicherweise zu schnell, wenn sie musikalisches Bewusstsein nicht als vielfach aufgefaltetes Dasein verstehen. Mit geschlossenen Augen dazu sitzen und einen musikalischen Farbenrausch auszuhalten, ist viel. Seelentore zu öffnen – sich der Musik nahezu bedingungslos hinzugeben – eine Stimme zu finden und der auch Ausdruck zu verleihen - das ist es, was Jarett sucht und was er spielt. Sein Trio mit Gary Peacock am Kontrabass und Jack DeJohnette am Schlagzeug ist wiederum eine ganz eigene, andere Welt für sich. Hier nun eine ausgewählte Diskographie mit Keith Jarrett am Piano (solo) (http://www.ecmrecords.com): ★ Keith Jarrett «The Carnegie Hall Concert»; ECM 2006, 2CD-Set jetzt im Handel Die soeben erschienene CD «The Carnegie Hall Concert» wird von einigen Kritikern als Klassiker empfunden (Wie etwa «The Köln Concert», ECM 1975). Es ist eine gelungene Anthologie seines Schaffens. Klagend, weinend, schreien, stampfend, gebrochen warm-geborgen dann wieder kalt-loslassend. ★ Keith Jarrett «The Melody At Night, With You»; ECM 1999 Die für mich bisher ergreifendste und tiefste CD; 11 Standards. Jarrett litt seit Mitte der neunziger Jahre an Chronischem Erschöpfungssyndrom, einer Infektionskrankheit, die völlige Apathie auslöst. Erst 1998 konnte er wieder mit dem Klavierspiel beginnen. Diese CD hat das Potential, eine Brücke zu schlagen zwischen einer abstrakten, teils – für das ungeübte Ohr – unverständlichen Welt und einer ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

emotional-intuitiv sofort zugänglichen Ebene. Es ist für mich die wertvollste CD die ich je gehört habe! Sie hat mir die Welt zu den Standards geöffnet. Die perfekte Musik für den Dezember; das perfekte Geschenk für die Welt! Die Stimmung dieser CD wird einem Gedicht von Mascha Kaléko (Die paar leuchtenden Jahre) – wie ich finde – wundervoll gerecht: Lied im Schnee: «Nachts fiel ein Schnee auf die alternde Welt Und machte sie schimmernd und neu. Oh, wie freu ich mich an dem Schnee, der fällt Auf die nagelneue, die glitzernde Welt, Und der Park blüht so weiss wie im Mai.

Jetzt sollte man eigentlich sieben sein Mit den tanzenden Flocken im Haar Und den Kinderaugen wie Schnee so rein Und so frisch wie das kommende Jahr. Verschollen das Lied und der Ringelreihn, Zerstoben die Kinderschaar. Zerronnen ist der Wintertraum, Versunken ist der Märchenbaum. Den Zauberspruch hab ich vergessen. Rotkäppchen ward vom Wolf gefressen. Nur ich allein am Fenster steh Und starre auf den Winterschnee.» ★ Keith Jarrett «Dark Intervals»; ECM 1988 Dunkel, Mystisch, Hymnisch ★ Keith Jarrett «G.I. Gurdjieff, Sacred Hymns»; ECM 1980 Die Musik von Keith Jarrett ist, wie er in einem Fernsehinterview 2005 berichtete, auch geprägt durch die Philosophie und Lehre Georg Iwanowitsch Gurdjieffs. Ruhige, kurze, hymnisch-religiöse Stücke. ★ Keith Jarrett, «Sun Bear Concerts»; ECM, 6CD-Set Genial, grossangelegte, weit schweifende Improvisationen. Jeweils Stücke zu ca. 25 Minuten. Wunderbare musikalische Reisen. Alles ist enthalten – alles ist möglich. ★ Keith Jarrett «Spheres»; ECM 1976 Entstanden an der Riepp-Kirchenorgel in Ottobeuern, Deutschland. Improvisation, in der man sich, ohne viel hinzutun, verlieren kann. Konzerte im kommenden Jahr: http://www.keithjarrett.org / (An unofficial Web site about jazz pianist Keith Jarrett)

INSOMNIA IN PARTIBUS INFIDELIUM Von Eva Pfirter ■ Es gibt da diese Vorlesungen im Geschichtsstudium, die man besucht, weil man obligatorisch etwas aus diesem Studiengebiet (in diesem Fall: Mittelalter) besuchen muss. Und weil diese leise, elternhafte Stimme in einem sagt: Kind, darüber weisst Du noch viel zu wenig! Diese Mischung ist es dann, die mich jeden Dienstag dazu bringt, etwas über das Europa des 12. Jahrhunderts zu lernen, über die Kreuzzüge, die heidnischen Westslawen und Bernard von Clairvaux, den mittelalterlichen Abt. Ich muss zugeben: Unser Dozent bringt dieses unchristliche Kapitel Geschichte sehr gut rüber. Nur wenn er dann mehr als zwei Zeilen Lateinisches zitiert, muss ich aufpassen, nicht wegzuträumen oder mir unter den gebetsartig klingenden Worten irgendetwas Lustiges vorzustellen. So geschehen letzte Woche. Ursina, meine Banknachbarin, war schon fast eingenickt, weil wir bei den lateinischen Zitaten angekommen waren (viele werdende Historikerinnen an der Uni Bern sind der toten Sprache nicht mehr mächtig, da man in Bern auch als Latein-Unkundige zum Geschichtsstudium zugelassen wird). Ich selbst war auch in Gedanken, als Ursina mich mitten im Zitat am Ärmel zupfte und mit grossen Augen fragte: «PARTYBUS?». Da wiederholte der Dozent: «In partibus infidelium». Dazu zeigte er auf eine Landkarte, die das Gebiet des heutigen Deutschland zeigte. Lauter fremd klingende Namen hüpften uns entgegen: Kessiner, Redarier (fast wie Rotarier) und Zirzipanen. Und wir als Unkundige des Mittelalters und Spezialistinnen des neusten Teils der Neuesten Geschichte stellten uns vor, wie vor über 800 Jahren die Ukranen und die Kessiner in einem Partybus zum Tollensee fuhren (der hiess wirklich so!) und wie unterwegs die Wagrier zustiegen, und die Ukranen östlich von der Havel (aber noch westlich der westlichsten Westslawen) kuhlen Sound mitbrachten. Ja, natürlich: Es gab damals noch keine Busse. Aber es wäre doch trotzdem gut vorstellbar, oder? Und wisst Ihr was? Ich bin froh, überhaupt irgendein Bild vom Mittelalter mitnehmen zu können. Diese Zeit scheint mir manchmal ferner als die Antike. Dafür scheint mir eine andere Zeit wieder näher. Jene, als ich zur Primarschule ging und mein damaliger Lehrer im Schulbericht vermerkte: «Hat zu viel Phantasie.»

www.ensuite.ch 19


musik haben einige Songs Bestand, einige sind schon fast provokativ elegant – einfach zu neutral und clean. Und dies wird der Charlotte Gainsbourg, mit ihrer wunderbar säuselnden Stimme, nicht ganz gerecht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. (vl)

ORCHESTRIERTE INTIMITÄT Von Sara Trauffer ■ Schwanengesang nennt man zuweilen das letzte vollendete Werk eines Komponisten. Denn Schwäne würden vor dem Sterben singen, sagt ein antiker Mythos. Dmitri Schostakowitschs Schwanengesang war die Sonate für Viola und Klavier. Er schrieb sie vier Wochen vor seinem Tod durch Lungenkrebs am 9. August 1975 für den Bratschisten Fjodor Druzhinin. Ein dreisätziges Werk, das eine persönliche, unspektakuläre, aber intensive Seite des Komponisten offenbart. Nun ist in seinem zu Ende gehenden 100. Geburtsjahr bei der «Deutschen Grammophon» eine Aufnahme erschienen, die diesen intimeren Schostakowitsch mit dem markanten Sinfoniker kombiniert, als der er in der Regel primär wahrgenommen wird. Die Kremerata Baltica hat zusammen mit Yuri Bashmet und Gidon Kremer die Viola- und Violinsonate in Bearbeitungen für Soloinstrument und Streichorchester eingespielt und das Arrangement der Violinsonate zudem mit Perkussion ergänzt. Ein kühnes Unterfangen vielleicht. Doch die Sache stimmt in sich. Schostakowitsch Sonaten entpuppen sich als eigentlich konzertante Werke und gewinnen in den Orchesterbearbeitungen nicht nur ein neues Klangfarbenspektrum, sondern entfalten auch eine ungeheure Wirkung durch die verstärkten Dimensionen von Einsamkeit und Kraft. Wie sich das Soloinstrument zerbrechlich über den flächigen Orchesterklang legt, sich dann herausschält und gleichsam nackt seinen Weg weitersucht, um kurz darauf mit wuchtiger Stärke wieder zum Ensemble zurückzufinden, wie alles zum Stillstand zu kommen droht und dann wiederum in einem scheinbar martialischen Rhythmusräderwerk schier zum Irrsinn getrieben wird, das zieht einen beim Zuhören unwiderruflich in Bann. Dass es sich hier ausserdem um eine Live-Aufnahme handelt, verleiht dem Ganzen zusätzliche knisternde Intensität. Musik, dunkel und schwer zuweilen, furchterregend auch und dann doch wieder versöhnlich, immer tief berührend. Wintermusik. Dmitri Schostakowitsch: Violin- und Bratschensonate, arrangiert für Soloinstrument und Streichorchester. Gidon Kremer, Yuri Bashmet, Kremerata Baltica. Deutsche Grammophon 00289 477 6196 (2006) 20

Markus Traber «Schwarzi Löcher» ■ Berndeutsches Musikerurgestein, mit sechzig Jahren noch immer aktiv und recht frisch, Mitglied der ewigen Berner Troubadouren, die seit 1965 unterwegs sind. Wahnsinn. Jetzt erscheint sein drittes Soloprojekt aus einem Sammelsurium von Liedern, die er in den letzten Jahren geschrieben hat. Alles ist einfach: Die Aufnahme und das Cover… handgestrickt, aber passend. Beim Anhören erinnere ich mich selber, wie ich als Kind mit dieser Musik in Kontakt kam und versinke im Novembernebel. Traber ist nicht lustig, er ist ein Liedermacher und diese haben auch die dunkle Eigenschaft, über Dinge zu singen, die man nicht hören will. So saugen uns die Texte in die nächste Beiz und irgendwie denkt man dabei an ans Berner Matte-Quartier. Eine wunderbare CD für den Winter, für die dunklen Stunden im Schnee. (vl) www.traber-traber.ch

Charlotte Gainsbourg «5:55» (Warner Music Switzerland) ■ Was kommt zustande, wenn die grösste Sexskandalerbin Gainsbourgs mit Nicolas Godin und JeanBenôit Dunckel (Air), Jarvis Neil Hannon (The Divine Comedy), Cocker (Pulp), Tony Allen (Fela Kuti) und Nigel Godrich (Radiohead, Beck und anderen) zusammen ein Album produzieren? Nur 5:55. Es ist 5 Minuten zu früh - das Album kann den Erwartungen nicht standhalten. Oder zumindest nicht ganz. Denn als Backgroundmusik an einem verregneten Sonntag mit Lektüre und warmen Socken macht es durchaus Stimmung. Schliesslich waren da Profis am Werk, die was vom Handwerk verstehen und das meine ich durchaus positiv. Aber dem Ganzen fehlt es am Sexappeal, welcher Charlotte Gainsbourg in die Wiege gelegt wurde. Es fehlt am Knistern und an der Erotik – es fehlt an Reife und dass sie zum Teil Englisch singt, macht es überhaupt nicht besser. Irgendwie schläft man vor dem Höhepunkt ein. Zwar mit einem Lächeln, aber nur, weil man von etwas Schönerem zu träumen beginnt. Trotzdem

Scissor Sisters «Ta – Dah» (Universal Music) ■ Oh, das ist Musik, die auch der älteren Generation in die Beine fahren kann – oder wenigstens Nach-Hippie-Wehen auslöst. Die ABBA kommt vom Plattenteller und unsere Nachbaren werden wir mit neuen nächtlichen Tanzeskapaden beglücken! Sie müssen ja nicht grad schwul werden – obwohl die Musik danach klingt. Aber dies ist ja eben das Lustige oder zumindest eine stilistische Orientierung… Irgendwie scheint wegen dieser Band die halbe Musikwelt Kopf zu stehen – so jedenfalls wird es in den Medienberichten suggeriert. Nun, sicher ist, dass wir spätestens nach dem zweiten Song überlegen, wo wir das silberne Hemd versteckt haben und ob es uns wohl noch stehen könnte. Nach Track 5 wird der Büronachbar sich langsam verbarrikadieren oder fluchtartig einen wichtigen Termin haben. Auch sicher ist, dass die schöne Sekretärin nach Track 8 fragen wird, ob Sie am Abend schon was los haben. Aber da tanzen Sie bereits auf dem Bürotisch und der Chef winkt mit der Gehaltserhöhung. Hier gibt’s kein Kerzenlicht, sondern ein richtiges «Ta-Dah» auf der Tanzfläche! Seien Sie mit guten Tanzkünsten ausgestattet oder hören Sie die CD erst an einem geschützten Ort. Das ist freaky! (vl)

Jüre Walter «Ka’ena» ■ Auch diese Berner Kleinstproduktion hat durch Zufall den Weg in diese Tipps geschafft. Jüre Walter, bekannt als Zigeunermusiker mit Akkordeon, hat hier alles selbst produziert, mit vielen akustischen Instrumenten, Schlagzeugmaschinen und Computer in Heimwerker-Ambiente. Wer aber jetzt ein paranoides Gebastel erwartet, wird schnell überrascht feststellen, dass hier mehr Musikalität freigesetzt wird als auf anderen Produktionen. Jüre Walter lässt sich unaufhaltsam von seiner musikalischen Ader (und davon scheint er doppelt beseelt zu sein!) und den Einfällen treiben – verblüffende Geschichten entstehen daraus. Ein zuweilen an Weltmusik orientierte, aber offene Musikdose. Reinhören! (vl) mail: mundimusic@bluewin.ch ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


musik

ECM listening post Von Lukas Vogelsang

POPMUSIK

antifolk revisited Von Benedikt Sartorius

(Bild: zVg.)

■ Der programmierte Rhythmus pirscht vorwärts, Triangel erklingen im weiten Raum, helle akustische Gitarrenzupfer setzen ein. Der musikalische Boden für den gelangweilten, leicht japsenden Sprechgesang von Jeffrey Lewis ist geebnet. Lewis zählt in «Anxiety Attack» nüchtern seine Sorgen auf, die sich zu existentialistischen Angstattacken auftürmen und ihn des Nachts heimsuchen: «Was geschieht, wenn ich durchdrehe? Was, wenn ich pleite gehe? Was, wenn ich mein bisheriges Leben verschwendet habe? Und ja, ich hänge nicht zuviel herum, schaue nicht zuviel fern, doch warum fühlt es sich so an, als träfe ich immer die falschen Entscheidungen?» Antifolk als schrummelndes Dilettanten-Genre, das aus Sicht der Musiker nie existierte, wird beim Hören dieses wunderbaren Liedes definitiv hinfällig. Antifolk meint hier, um mit den Worten von Jeffreys Bruder Jack zu sprechen, «doing what you can.» Musikalische Tagebücher Jeffrey Lewis ist vielleicht der kreativste Künstler, den die New Yorker Antifolk-Szene hervorgebracht hat. Der geschichtsbewusste Sänger und Comiczeichner schöpft aus den Quellen der New Yorker 60erJahre-Bohème und knüpft an anarchische Folkbands wie «The Fugs» an. In Konzerten erinnert Jeffrey Lewis mit grossformatigen Comics an die «Subterranean Homesick Blues»-Zettel-Pose des jungen Bob Dylan, spult lakonisch leiernd die komplette Geschichte des Kommunismus ab und spürt als nachgeborener Chronist in seiner subjektiven «History Of Punk On The Lower East Side» vergessene und unbekannte New Yorker Perlen auf. Konsequent in Ich-Person und ohne doppelte Pathos-Böden erzählt der 31-jährige Lewis in seinen Liedern tagebuchartig aus seinem uncoolen, monotonen, tagträumerischen Leben in New York City, lustig und traurig, überraschend und berühensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

rend. Verrauschte Heimaufnahmen machten den Anfang, die offenherzig von sozialen und ökonomischen Zwangslagen erzählen. Lewis singt Lieder über sein Misstrauen gegenüber der Plattenfirma, LSD-Horrortrips, über Pech in der Liebe, Entfremdung von der Gesellschaft, singende Bäume, das Dasein als 128-jähriger Greis, kurz: Persönliche Lieder über das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Nach zwei rohen, unmittelbaren Alben erschien letztes Jahr «City & Eastern Songs» (Rough Trade/ Phonag). Zusammen mit Bruder Jack suchte Jeffrey erstmals ein Studio auf und spielte zwölf neue Lieder ein, die neue Wege der Instrumentierung ausloten. Das Album verlässt die naiv anmutenden Do-It-Yourself-Pfade der Vorgänger, was zuweilen die Eigenarten von Lewis’ Musik abschleifen lässt, die Nische des Antistars aber nie auflöst. «City & Eastern Songs» ist einmal mehr ein Album, das zwischen Hippie und Punk, Science-Fiction und drögem Alltag, Nihilismus und Zuversicht hin und her schwingt. Weitere Infos: www.thejeffreylewissite.com Als Lektüre zum Thema «Antifolk» sei das gleichnamige Buch von Martin Büsser empfohlen, welches im Ventil Verlag erschienen ist. (Siehe auch ensuite - kulturmagazin vom November 2005.) Jeffrey Lewis und seine Band treten am 10. Dezember im Rahmen des FR Katz Festivals im Bad Bonn Düdingen als Support der überaus empfehlenswerten Grossformation Danielson auf. Das Clubfestival lotet heuer vom 7. - 10. Dezember die popmusikalischen Grenzen aus. Es treten unter anderem die Japaner Mono, der holländische Elektropopper About sowie das brachiale Trio Zu mit Gast auf. Das komplette Programm: www.badbonn.ch

■ Elegie der Entwurzelung, so der Titel dieses Doppelalbums von Eleni Karaindrou. Sie ist wohl die bedeutendste zeitgenössische Komponistin Griechenlands und wer ihre Kompositionen je gehört hat, ist angetan von dieser direkten Schönheit und der wahren Melancholie. Im März 2005 wurden diese Aufnahmen im Athener «Megaron» live aufgenommen und zusammengestellt. Rund 6000 ZuhörerInnen waren an diesen Konzertabenden anwesend und tief beeindruckt. Rund 110 MusikerInnen, einschliesslich Chor und Orchester, waren an den drei Abenden mit der Umsetzung dieser Werke beschäftigt. Sie widerspiegeln Eleni Karaindrous grandiose kompositorische Arbeit seit 1971, die eine starke Verbindung zum Schaffen von Theo Angelopoulos, Lefteris Xanthopoulos, Christoforos Christofis, Tonia Marketaki und Jules Dassin trägt. Elenie Karaindrou spielt sogar selber die Klavierparts. Trotz dieser gigantischen Zusammensetzung haben die Aufnahmen eine Brillanz, die fast unbeschreiblich wirkt. Eine Oboe klingt fast realer als im Original. Die Aufnahmequalität kommt der Musik und der Komponistin mit tiefem Respekt und erhabenem Können entgegen. Es erscheint, als wären wir mit dabei. Wundervoll wurde die Dynamik geführt und da stört auch das Lüftungsgebläse nicht, welches in ganz sanften Passagen gut zu hören ist. Vielleicht liegt es an der geografischen Lage von Griechenland, dem Übergang vom Okzident zum Orient, der diesen Klang so tief beeinflusst hat oder es ist schlicht die Wahrnehmung, Sensibilität und Kraft von Eleni Karaindrou, die so Bewegendes kreieren kann. Griechenland war immer zwischen starken Kulturen eingeklemmt und wurde wieder und wieder gezwungen, sich anzupassen und zu vermitteln. Das «Tragische» gehört zu der Tradition und Identität dieses Volkes. Eleni Karaindrou hat dieser Geschichte eine würdige und wahrhaftig schöne Gestalt gegeben. Eleni Karaindrou - Elegy of the Uprooting ECM New Series1952/53 www.ecmrecords.com

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cinéma / musik

MUSIK UND BUCH

vito Von Lukas Vogelsang ■ Der Berner Adi Amstutz, ein ehemaliges Lunik-Mitglied und Grafikdozent in Bern und Zürich, lässt von sich hören und sehen: Vito– eine «Weltpremiere», denn es ist ein Konzept-Comic-MusikAlbum. So was haben wir noch nie gesehen. Wer ist Vito? Das werden wir hier nicht erzählen, denn darum geht’s ja im Comic und den Songs. Nur soviel: Es ist ziemlich passend zu den Entwicklungen und jüngsten Geschehnisse der Jugendreportagen und hat sehr viel mit Charakteren zu tun, Kindheit, Pubertät und dem Leben überhaupt. Der Comic ist eine Art Illustration zur Musik oder umgekehrt. Das Tolle an diesem «Ding» ist, dass weder das Buch noch die Musik zuviel Platz einnehmen. Beide Teile können selbständig betrachtet oder gehört werden. Aber nur zusammen geben sie den richtigen Sinn. Obwohl die Musik – und das muss man hoch herausstreichen – einfach umwerfend ist. Wer zu faul zum Blättern ist, der steckt die CD einfach in den nächsten Compi und hat musikclipartiges Fernsehvergnügen. Musikalisch Bern hat schon lange nichts Besseres und Weltlicheres gehört. Einerseits kann ein Vergleich zu den «The Residents» – einer multimedialen Künstlergruppe aus San Francisco gemacht werden, die für ihre skurrilen Werke bekannt sind oder aber zu «Belle & Sebastian», ein schottisches «Duo». Andererseits – und das erstaunte mich selber – kam mir «The Wall» von «Pink Floyd» in den Sinn – obwohl sich die Musik Welten davon entfernt bewegt. Aber die Stimmung und Assoziationen dieses Berner Alternativ-Pops haben dieses Bild hervorgebracht. Adi Amstutz hat das Konzept, die Story, Zeichnungen, die Kompositionen und Texte und vor allem das Drehbuch geliefert. Zusammen mit Hubert Neidhart und Jared Muralt entstand der Comic. Die Band setzt sich zusammen aus: 22

Christian Dietz (Vocals, Guitars), Simone Niederer (Vocals), Daniel Aebi (Drums), Nicole Roten (Bass), Bernhard Häberlin (Guitars), Steve Schneider (Keyboards). Das sind nicht unbekannte Namen, allen voran überzeugen vor allem Christian Dietz und Simone Niederer. Beide haben wunderbare Charakterstimmen. Unbedingt reinhören oder am 7. Dezember im PROGR an die «Hörbuch-Vernissage» gehen! www.my-name-is-vito.com www.engelskollision.ch Vernissage in der Turnhalle, PROGR Bern Donnerstag, 7. Dezember / 19:00 h

3 EXKLUSIVE VITOS ZU GEWINNEN! Gewinnen Sie ein handsigniertes VITO-Buch mit CD! Eine Postkarte bis zum 20. Dezember 2006 einsenden mit der Absenderadresse und dem Codewort VITO! Einsenden an: ensuite – kulturmagazin; VITO Sandrainstrasse 3; 3007 Bern ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


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erotische new yorker eskapaden Von Sarah Stähli - «Shortbus» von John Cameron Mitchell (Bild: zVg.) ■ In den ersten Einstellungen gleitet die Kamera verführerisch über das Gesicht einer Freiheitsstatue aus Pappmaché und schwebt agil über die Kartonstadt New York. Dann schaut sie neugierig in einzelne erleuchtete Fenster hinein und was sie zu sehen bekommt, ist sehr intim. Die Figuren des Filmes werden noch bevor sie eingeführt werden beim Sex gezeigt. Ob schlecht gelaunte Domina, obsessiver Voyeur oder einsam verrenkt in oraler Selbstbefriedigungspose: Diese ersten Sequenzen definieren die Charaktere der Figuren stärker als manche konventionelle Figuren-Etablierung. Wie tief die Leidenschaft tatsächlich ist und wie gross die Einsamkeit, wird erst im Verlauf des Filmes klar. Denn dass ein Orgasmus auch vorgetäuscht werden kann, weiss Sofia nur zu gut. Sie ist Sexualtherapeutin – sie selber benutzt lieber den Begriff Paartherapeutin – und hat noch nie einen Orgasmus erlebt, ist, in ihrem Fachjargon konstant «prä-orgasmisch». Eine Odyssee durch den New Yorker Underground auf der Suche nach dem ultimativen Glücksgefühl beginnt. Dem homosexuellen Paar Jamie und James ist die Liebe abhanden gekommen, sie sind Klienten von Sofia und öffnen ihr die Türen zum Underground Klub «Shortbus» und mit ihr bekommen auch wir einen kurzen Einblick in eine paradiesische Welt. Ein Shortbus ist das kürzere Pendant zum in Amerika traditionellen langen gelben Schulbus, in dem die «normalen» Schüler gefahren werden, der Shortbus ist reserviert für behinderte oder psychisch angeschlagene Kinder. Ähnliche Aussenseiter-Figuren finden sich auch im Klub «Shortbus» ein. Justin Bond, eine flamboyante Dragqueen und Gastgeber des schillernden, weltentrückten Salons, in dem fast alles erlaubt ist, beschreibt seine Gäsensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

te liebevoll als «talentierte und beschränkte Menschen». Eine maskuline Hostess verteilt gleich am Eingang «Pot-corn», Kondome und Gleitmittel, es gibt einen «Sex-Not-Bombs-Room» und ein Transvestit erzählt allen, die es nicht wissen wollen, von seiner Performance mit dem sprechenden Namen «Ode an die weibliche Sekretion». Bond beschreibt die Stimmung in seinem freizügigen Klub, in dem eine einzige lange Dauerorgie stattfindet «wie die sechziger Jahre, nur mit weniger Hoffnung.» Er sieht den Grund dafür, dass so viele junge Leute nach New York ziehen darin, dass «9/11 das einzig reale sei, das ihnen je widerfahren ist.» Die Sequenzen zwischen der Domina Severin und Sofia in einem zum Entspannen gedachten «Schwebe-Tank» gehören zu den schönsten Momenten des Filmes. Im grünen Licht des Wassers tauschen sie angeregt ihre Ängste und Hoffnungen aus. Während Severin eine Bezugsperson sucht, die Freundin, die sie nie hatte - «Dies ist das beste Gespräch, das ich dieses Jahr geführt habe!», sagt sie einmal –, sammelt Sofia krampfhaft Ratschläge, wie sie am besten zum Orgasmus kommen kann. John Cameron Mitchell – sein Erstling «Hedwig and the Angry Inch» war ein wildes «Glam-Rock-Musical» über die Selbstfindung eines Transsexuellen – hat seinen zweiten feinfühlig inszenierten Langspielfilm in Zusammenarbeit mit den grösstenteils unbekannten Schauspielern entwickelt und in der glaubhaften Figurenzeichnung liegt auch eine der Stärken des Filmes. Trotz den sehr expliziten Sexszenen stellt der Regisseur seine Figuren nie bloss oder gibt dem Zuschauer das Gefühl von Voyeurismus. «Sex ist wie eine DNA, er verbindet alle Aspekte des Lebens», meint Mitchell. Er ist vielmehr an

den Ängsten und seelischen Abgründen seiner Figuren interessiert, die sich in ihrer sexuellen Identität und Identitätssuche manifestieren. Diese Suche ist verbunden mit Missverständnissen und Trauer, mit Gefühlen, die gerade von den Menschen, die den Figuren am nächsten stehen, nicht verstanden werden. In Internetforen wird seit der Lancierung des gewagten Filmes eifrig darüber diskutiert, ob Mitchells Film nur Pornografie oder bereits Kunst sei; immerhin ist jede Ejakulation, die wir zu sehen bekommen, echt. Da «Shortbus» im Grunde als Komödie inszeniert ist, entzieht sich der Film gekonnt beiden Kategorien, er ist weder narzisstischer pseudo-künstlerischer Erguss, noch zeigt er Sex nur um zu erregen oder provozieren. Humor taucht immer wieder unerwartet auf – in eigenartiger Situationskomik und abwegigen Dialogen – und durchbricht den Ernst der nicht immer einfachen Themen. Der Soundtrack wurde von der Ur-Indie Band «Yo la Tengo» komponiert, ergänzt durch die Musik von Bands wie «The Hidden Cameras» und «Animal Collective», entwickelt der episodenhafte Film einen einnehmenden Sog. Das versöhnliche überschäumende, schlicht kitschige Finale samt aufgetakelter, singender Dragqueen und jubilierender Blaskappelle, ist ein einziger Aufruf zur Toleranz und ein Fest auf die Liebe und Verschiedenheit von uns Menschen: Im New Yorker Klub und in Mitchells herzlich-utopischem Film finden sie alle ihren Platz, ungeachtet ihrer sexueller Vorlieben. «Shortbus» ist eine befreiende und intensive Tour de Force mit Tiefgang. «Shortbus» läuft im Cinema Star. 23


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«does it look like i give a damn?» Von Sonja Wenger - Casino Royale (Bild: zVg.) ■ Von all den Geschichten voller Skeptizismus, die im Vorfeld des neuesten Bond-Filmes geschrieben wurden, ist wohl mit Abstand jene die beste, dass sich Daniel Craigs Mutter - am Tag vor der offiziellen Bekanntgabe des Nachfolgers von Pierce Brosnan – gegenüber der Presse verplappert hatte. Mit ihrer Vorfreude hatte sie die grosse Pressekonferenz torpediert, bei der Craig im Polizeiboot und mit Sicherheitsweste auf der Themse der Welt als neuer 007 präsentiert wurde. Die Neuigkeit war durch, und kaum jemand sparte in den folgenden Monaten mit Häme über die blonden Haare und Spekulationen über ein mögliches Scheitern des Schauspielers. Doch Mama Craig hatte dem monatelangen Hype um den weltbesten Spion auch ein neues, menschliches Gesicht verliehen. Und damit vorweggenommen, was die Qualität von «Casino Royale» ausmacht. Alles ist nämlich anders. Die Macher hatten tatsächlich den Mut, mit einer 44jährigen Tradition von immer mehr und grösser zu brechen. Zurück zu den Wurzeln war statt dessen die Devise, zu den Geschichten von Ian Fleming, die kaum jemand gelesen hatte und die bisher noch selten wirklich die Grundlage der Filme gewesen waren. Nix ist mehr mit technischen Spielereien, unsichtbaren Autos und den immer gleichen Abläufen mit Satelliten und trudelnden Flugzeugen. Nix mit dem grossen Kawumm im Vorspann, Auftrag fassen, grössenwahnsinnige Megalomanen beseitigen, Welt retten und die nette der beiden schönen Frauen flachlegen. Nix ist mehr mit Q und Weltraum und abstrusen MI6-Quartieren, vorbei die Zeiten der klaren Trennlinien zwischen «wir die Guten und dort die Bösen». Craigs neuer Bond ist ein roher Killer, ein Gegen-Terrorist und bestimmt nie24

mand, dem man unbedingt begegnen möchte. Sein Sinn für Mode beschränkt sich auf das Notwendige und seine Antwort auf die Frage eines Barkeepers «geschüttelt oder gerührt?» wird neue Filmgeschichte schreiben. In «Casino Royale» gibt es weniger exotische Orte als gewohnt, dafür die schmutzigen Niederungen von Korruption und Kriegsgewinnlern. Natürlich kommt der Film nicht gänzlich ohne superschnelle Computer und das ganz grosse Geld aus – immerhin spielt ein nicht unwesentlicher Teil des Films am Pokertisch. Natürlich geht es auch diesmal um das Wohl der westlich zivilisierten Welt, die nur dank einiger packenden Stunts nicht im Sumpf des Terrorismus versinkt. Natürlich gibt es mit Mads Mikkelsen als Le Chiffre einen grandios durchtriebenen Gegenspieler. Und natürlich gibt es einige sprühende, witzige und intelligente Dialoge zwischen Bond und seiner Herzdame Vesper Lynd (Eva Green). Doch bei all dem geht es ihm selber auch ganz gehörig ans Leder. Eine Folterszene zeigt Bond nackt an einen Stuhl gefesselt und eröffnet ein gänzlich neues Spektrum von Sadomasochismus, das bisher, wenn überhaupt, nur stilisiert und mit Rettung in letzter Sekunde gezeigt wurde. Doch bei «Casino Royale» geht es das erste Mal auch um den echten, wahren Bond. Einen Bond, der ganz gut ohne das James auskommt und den man so gar nicht sympathisch finden mag, denn er traut keinem ausser sich selbst und seinem Instinkt. Es ist ein Bond der nicht zum Hauptquartier rennt und sich ausrüsten lässt, sondern lieber bei M einbricht und ihren Vornamen kennt! Bei solchen Wendungen ist es dann auch nebensächlich, dass sich die Geschichte keinen Deut um logische Anschlüsse und frühere Begebenheiten kümmert.

Zwar haben die Macher wie bei Pierce Brosnans Debüt in «Goldeneye» wiederum den Regisseur Martin Campbell verpflichtet, doch von der gewohnten Besetzung der letzten Jahre ist nur die einzigartige Judi Dench als Bonds Chefin M übriggeblieben. Dafür tummeln sich in den Nebenrollen solch illustre Namen wie Giancarlo Giannini und Jeffrey Wright, der zuletzt in «Syriana» allen die Show gestohlen hatte. Doch den Machern gebührt vor allem das Verdienst, einen mutigen und differenzierten Schauspieler gewählt zu haben. Und dass Craig spielen kann, weiss man nicht erst seit seiner Darstellung des drogenabhängigen Liebhabers von Francis Bacon im Film «Love is the Devil» von 1998. Sein uneitles, ungeschliffenes Äussere machte ihn jahrelang zur idealen Besetzung des fiesen Nebenrollen-Bösewichts in Filmen wie «Road to Perdition», «Tomb Raider» und «Elisabeth», zumindest bis Regisseur Matthew Vaughn – Produzent der Filme von Guy Ritchie - Craig endlich die Hauptrolle in «Layer Cake», dem Geheimtipp von 2004, anbot. Die britische Tageszeitung «The Guardian» nannte Craig eine «inspirierte Besetzung», der eine «leichtfüssige Leinwandpräsenz ausstrahlt und diese mit der Ausstrahlung von tödlicher Gefahr» zu verbinden vermag. Daniel Craigs Bond ist dann auch ein Mensch und kein Superheld, er hat Gefühle, er macht Fehler, er hat ein Gesicht und nicht eine Fassade. Und niemand könnte weiter von jenen blasierten britischen Weltrettern entfernt sein, die viel zu teure Autos fahren, tadellos sitzende Anzüge tragen und sich Agenten nennen. Dieser Bond quatscht nicht, er handelt. Die Welt hat einen neuen Helden. Der Film ist seit dem 23.11. in den Kinos und dauert 150 Minuten. ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


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TRATSCHUNDLABER Von Sonja Wenger

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je vous trouve très beau Von Sonja Wenger (Bild: zVg.) ■ Der französische Bauer Aymé (Michel Blanc) ist ein grantiger Eigenbrötler und ein richtiges Arbeitstier, denn auf einem Bauernhof gibt es ja immer viel zu tun. Er und seine Frau haben sich nicht viel zu sagen, ausser vielleicht sich gegenseitig vorzuwerfen, was alles noch nicht erledigt worden ist. Die Küche ist lieblos und schmutzig, das Essen kalt, fünf Rappen Differenz aus dem Hofverkauf eine Katastrophe und das Leben sowieso ohne Herz und Romantik. Das zumindest muss man annehmen, denn Aymés Frau stirbt gleich in den ersten fünf Minuten des Films wegen einer defekten Stromleitung. Und es zeugt von der Qualität und dem bodenständigen, manchmal fast schwarzen Humor der Geschichte, dass man dabei über sich selbst erschreckt, weil man auflachen muss statt in andächtiger Trauer zu verharren. Wie soll man aber auch anders, wenn einem der Tod von Aymés Frau erst bewusst wird, als er von der Dame, die ihm das Testament eröffnet auch gleich die Adresse eines Ehevermittlungsinstituts überreicht bekommt. Denn Aymé fehlt nicht seine Frau, sondern eine Arbeiterin auf dem Hof. In seinem kleinen Dorf jemanden zu finden, ist gar nicht so leicht, schliesslich kennen sich hier alle schon viel zu gut. Nach zehn Tagen, was für ihn eine angemessene Trauerzeit darstellt, meldet er sich deshalb beim Institut, kann aber zuerst nicht viel mit den Vorschlägen der Chefin anfangen. Als diese ihn trotzdem überreden kann, eine Reise nach Rumänien zu unternehmen, und die heiratswilligen Frauen persönlich zu begutachten, fangen Aymés Probleme erst an. Er entwickelt eine überraschende Kreativität in seinen Ausreden, wohin und weshalb er denn so dringend ins Ausland muss, und man merkt das erste Mal, dass man diesen Mann nicht in die Schublade des dumpfen Bauern stecken sollte. ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

Aber auch in Rumänien sitzt Aymé ernüchtert auf dem Hotelsofa. Eine langbeinige, stark geschminkte junge Dame nach der anderen erzählt von ihren Tanz- und Filmträumen in Frankreich und sagt ihm unverfroren den einzigen französischen Satz, denn sie gelernt hat, eben «je vous trouve très beau». Zumindest bis ihm Elena gegenübersitzt, die sich in weiser Voraussicht einen Pulli übergezogen hat und von Wiesen und Kaninchen schwärmt. Sichtlich erleichtert, beschliesst Aymé, sie kennenzulernen und nimmt sie mit nach Frankreich. Seine Ausrede für den Neuzugang auf seinem Hof ist ähnlich kreativ wie der Rest der Lügen. Elena sei eine entfernte Verwandte und wolle ein Praktikum machen. Mit hochgezogenen Augenbrauen schluckt das Dorf diese Geschichte und bald zeigt sich, das Elenas Präsenz Aymés Leben gehörig umkrempeln wird. Denn auch Elena ist nicht so simpel gestrickt, wie es die gängigen Klischees erwarten lassen würden. In den folgenden Monaten entwickelt sich zwischen den beiden eine unerwartete Freundschaft, Zuneigung und vor allem ein gegenseitiger Respekt, obwohl Aymé lange Mühe hat, sich einzugestehen, dass er noch so etwas wie ein Herz besitzt. Die Eskalation ist unausweichlich, und die Auflösung ein wahrer Aufsteller. Mit einem unwahrscheinlich zärtlichen Blick für die kleinen Teufel, die in den Details des Alltags stecken, hat Regisseurin und Autorin Isabelle Mergault «Je vous trouve très beau» geschaffen. Der Film ist von der ersten bis zur letzten Minute ein Liebeslied an das Leben und es ist eine Freude zu sehen, mit welch einfachen Mitteln, Geschichten und Bildern es intelligent und voller Wärme erzählt werden kann. Der Film dauert 97 Minuten und kommt am 21. Dezember in die Kinos.

■ In der guten ollen USA gibt es ein Gesetz namens Double Jeopardy, das es ausnahmslos verbietet, einen Menschen zweimal wegen demselben Verbrechen vor Gericht zu stellen. Ist man erst einmal freigesprochen, kann man also vor aller Welt zugeben, es getan zu haben. Das zumindest muss O. J. Simpson im Hinterkopf gehabt haben, als er vor kurzem ein Buch veröffentlichen wollte mit dem Titel «Wenn ich es getan hätte». In einem Fernsehinterview habe er zudem vor laufender Kamera spekuliert, wie er seine Ex-Frau und ihren Freund umgebracht hätte, wenn er es denn gewesen wäre. Etwas gar viel Konjunktiv, wie es scheint, aber erst nach massiven Protesten von anderen Medien wurde das Interview und Buch zurückgezogen. Eigentlich schade, sollte man meinen, denn was ist befriedigender, als wenn sich die echten und die Möchtegernpromis durch ihr Tun und Handeln selbst entlarven? Doch es wird immer offensichtlicher, dass wir in einer Welt leben, die sich so sehr am Alltag frustriert, dass wir unbesehen sämtliche Geschmacklosigkeiten hinnehmen und nur noch mit glänzenden Augen einer Plastikwelt frönen. Nur so lässt sich auch begreifen, weshalb sich die internationalen und nationalen Medien bald ausschliesslich mit dem Tamtam und dem Bäumchen-wechsel-dich-Spielchen der immer gleichen Visagen beschäftigen. Wie um alles in der Welt kann man sich täglich mit Paris, Britney, Robbie, Heidi, Angelina, Brat und Madonna rumschlagen, ohne irgendwann eine Hirnlähmung zu erleiden? Und gerade als man denkt, dass es vielleicht doch keine so schlechte Zeitung ist, schiesst die «Schweizer Illustrierte» – mal wieder – den monatlichen Vogel der Schweizer Medienlandschaft ab. Die «Hochzeit des Jahres» von Tomcat – früher auch die Bezeichnung des Kampfflugzeuges F-14 – heute vor allem Synonym für die bittermandelsüsse Verbindung zwischen Tom Cruise und Katie Holmes, allerdings mit ähnlich zerstörerischem Potential. Das ginge ja noch. Bunte Bildli von reichen Menschen in schönen Kleidchen sind ja nichts Gefährliches. Aber mit der Untertitelung «Die Scientology-Saga» muss die Lähmung definitiv eingesetzt haben. Klar, ist doch cool: Die Welt wird besser, weil Promis bei einer Sekte sind - und was ich schon immer nicht lesen wollte, nämlich die Hochzeitsabläufe von Scientology mit Einzel-und-Doppel-Ring-Zeremonie, als Faksimile abgedruckt. «Ein Ring sie zu knechten, sie alle zu finden. Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.»

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das andere kino

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John Huston - Im August 2006 wäre John Huston hundertjährig geworden. Grund genug für uns, einige Perlen seiner fast 50 Filme zu zeigen. Hustons erster Nachkriegserfolg war 1948 The treasure of the Sierra Madre mit seinem Vater, Walter Huston und Humphrey Bogart in den Hauptrollen. In den 50er und 60er Jahren drehte Huston rund 20 Filme, unter denen Moulin Rouge (1952) und vor allem Misfits (1961) als letzter Film der Stars Clark Gable und Marilyn Monroe Geschichte machten. Filme, die das Herz erwärmen - falls es denn doch noch kalt werden sollte, bietet unser kleiner Weihnachtszyklus den passenden Kontrast. In Drei Nüsse für Aschenbrödel zaubert sich eben dieses in das Herz eines tschechischen Prinzen, Peter Greenaways The cook, the thief, his wife and her lover ist ein Fest der Sinnlichkeit und die Romanverfilmung der «schönsten Liebesgeschichte der Welt», Dshamilja lässt uns ins Kirgisien der 40er Jahre eintauchen. An Babettes Fest werden in einem kleinen dänischen Fischerdorf die Sünden der französischen Küche genossen und A nightmare before Christmas nimmt uns mit ins köstliche Halloweenland. Robert De Niro - De Niro ist Schauspieler, Regisseur und Produzent. Seine Filmografie umfasst unzählige Titel, deren viele einer Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Francis Ford Coppola, Bernardo Bertolucci, Sergio Leone und Terry Gilliam entstammen. Wir zeigen die Mafia - Trilogie The Godfather, die Thriller Angel Heart und Taxi Driver sowie Quentin Tarantinos kultigen Jackie Brown. Natural High - Michael Bühlers Dokumentarfilm Natural High erzählt spannende Geschichten, die weit in die Vergangenheit des Freeridens zurückreichen. Von verrückten Engländern, die auf zwei Holzlatten vom Schilthorn herunterfuhren, von Sherpa Tenzing, der in Meiringen das Skifahren lernte, von James Bond, der im Berner Oberland neue Massstäbe für Skistunts setzte. Bergführer, die seit 40 Jahren mit Tourenskis Berge besteigen und von solchen, die sich jeden Winter unzählige Male per Helikopter auf einen Gipfel fliegen lassen.

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WOMAN IN THE DUNES (Von Hiroshi Teshigahara, Japan 1964, 147’, Japanisch/d, Spielfilm) «Eines Tages im August verschwand ein Mann. Er war mit der Bahn zu einem Ausflug an die Küste aufgebrochen, und seitdem fehlt jede Spur von ihm.» Die Textpassage stammt aus dem Roman «Die Frau in den Dünen» des Japaners Kobo Abe. Das Buch wurde 1964 von Hiroshi Teshigahara kongenial verfilmt, ein in jeder Beziehung radikaler Film, der nichts von seiner Kraft eingebüsst hat. Der Filmemacher führt uns vor, welches Erzählpotenzial in der Filmkunst steckt. Die Schwarzweissfotografie von Hiroshi Segawa gehört zum Grossartigsten, was wir im Kino je zu sehen bekamen. Details bis in den makroskopischen Bereich hinein erzählen von einer Passion. Die fiebrigen Umarmungen, die Hingabe, der fliessende Sand, die Trance: Unmöglich, dass man beim Betrachten dieses Films nicht Sandkörner zwischen den Lippen spürt und Durst bekommt nach mehr Filmen, die uns übers Auge so in ihren Bann ziehen und nicht mehr loslassen. (ab 14.12.) POM POKO (Von Isao Takahata, Japan 1994, 119’, Originalversion, Animationsfilm). Ein Erwachsenen-Animationsfeuerwerk der Sonderklasse ist POM POKO von Isao Takahata. Aus den knuffigen Tanukis werden hier kleine Kämpfer, die sich mit verblüffenden Verwandlungstricks gegen die Menschen zur Wehr setzen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts teilten die Tanukis ihren Lebensraum problemlos mit den Bauern. Doch bald fängt die Zerstörung der Bauernhöfe und Wälder an. Der Lebensraum wird zu eng, und die vormals friedlichen Tanukis bekriegen sich gegenseitig, um sich ihr Revier zu sichern. Ein aussichtsloses Unterfangen, da die Waldflächen weiter abnehmen. Es wird ein Fünfjahresplan erstellt. Die Zeit, die sie brauchen, um die Menschen zu beobachten und ihre Verwandlungskünste wieder zu erwecken und zu perfektionieren. Sie können sich gar als Menschen ausgeben. Ihre Künste nutzen die Tanukis in erster Linie zum Erschrecken ihrer Widersacher. Aber reicht das oder müssen sie lernen, die moderne Welt zu akzeptieren? (ab 28.12.)

www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99

Der Berner Filmer Peter von Gunten ist auch im Dezember zu Gast im Kino Kunstmuseum. Am Sonntag, 3. Dezember, wird er Im Leben und über das Leben hinaus (2005) und They Teach Us How to Be Happy (1996) präsentieren (13:30 und 17:00 h). Der Filmzyklus Six Feet Under geht weiter mit Corpse Bride (Grossbritannien/USA 2005) von Tim Burton (Sa 2.12., Mo 4.12. und Di 5.12., jeweils 21:00 h) und Ultima Thule - Eine Reise an den Rand der Welt (Schweiz 2005) von Hans-Ulrich Schlumpf (Sa 9.12., Mo 11.12. und Di 12.12., jeweils 18:30 h). Fernando Solanas - Zorniger Fabulierkünstler aus Argentinien Seit über vierzig Jahren setzt sich Fernando E. Solanas - eine Schlüsselfigur des lateinamerikanischen Kinos - mit der politischen Geschichte und Gegenwart seines Landes auseinander. Einmal sanft, dann wieder vehement, einmal traumverloren, dann wieder laut, wendet sich der Idealist seinem Thema zu: Dem Überlebenskampf eines Volkes, das durch Kolonisation, Militärdiktaturen und jüngst die neoliberale Politik gebeutelt wird - und dagegen aufbegehrt. Tangos - l‘exil de Gardel (1985): Sa 9.12., Mo 11.12., Di 12.12., jeweils 20:30 h La dignidad de los nadies (2005): So 10.12., 17:00 h Memoria del saqueo (2004): Sa 16.12., Mo 18.12., Di 19.12., jeweils 18:00 h La nube (1998): Sa 16.12., Mo 18.12., Di 19.12., jeweils 20:30 h La hora de los hornos I-III (1968): So 17.12., 14:00 h Sur (1988): Sa 23.12., Di 26.12., jeweils 18:00 h, Sa 30.12., Mo 1.1., Di 2.1., jeweils 20:30 h El viaje (1992): Sa 23.12., Di 26.12., jeweils 20:30 h, Sa 30.12., Mo 1.1., Di 2.1., jeweils 17:00 h. Unser diesjähriger Festtagsfilm ist Mary Poppins (USA 1964), übrigens auch für Kinder und Jugendliche sehr geeignet: So 24.12., Di 2.1., jeweils 14:00 h. 31. Dezember: Mit Musicalfilmen durch die Silvesternacht Zur Jahreswende zeigen wir The Band Wagon (USA 1953) um 19:00 h, Les Parapluies de Cherbourg (Frankreich 1963) um 22:00 h und den besten Musicalfilm aller Zeiten, Singin’ in the Rain (USA 1952) um 00:15 h.

Mehr Infos: www.cinematte.ch 26

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Für das Tagesprogramm die Tageszeitung oder das Internet www.bernerkino.ch

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FLAMENCO – DIE KUNST ANDALUSIENS Flamenco ist eine Grundeinstellung in verschiedenen Lebenslagen, Freude, Trauer und Lied, Sensibilität und Liebe zum Extremen. Flamencomusik beinhaltet den Gesang, den Tanz und die Gitarre und ist eine Mischung aus andalusischer Folklore und dem ursprünglichen Flamenco der Fahrenden, die in Andalusien sesshaft wurden. Das Kino in der Reitschule zeigt Filme über den Flamenco, die das Publikum die winterliche Kälte für kurze Zeit vergessen lassen. Der Dokumentarfilm von W. Marti und R. Mertens Flamenco Vivo (7.12., 20:30 h und 8./9.12., 21:00 h) zeigt, dass der Flamenco zum Alltag der Menschen gehört und erschliesst, begleitet von Gesang, Tanz und Rhythmus, Wurzeln und Wesen des Flamencos in Andalusien. Im Film Flamenco (15./16.12., 20:30 h) lässt Regisseur C. Saura Flamencostars in einem stillgelegten Bahnhof auftreten und eröffnet dem Publikum die Welt des traditionellen und modernen Flamencos. T. Gatlifs Vengo (21.12., 20:30 h und 22./23.12., 21:00 h) ist ein zutiefst authentischer und intensiver Film über das Leben, die Liebe und den Tod. Geballte Lebenslust, aber auch Schmerz und Leid vereinen sich im Flamenco und spiegeln damit das Herz andalusischer Kultur wieder. M. Meert porträtiert in Der Flamenco Clan (29./30.12., 21:00 h) vier Generationen der Musikerfamilie einer Flamenco-Dynastie. SCHWERPUNKT LIBANON - Le cerf volant, R. C. Sabbag (1./2.12., 21:00 h) handelt von einer jungen Libanesin, die an ihrem Hochzeitstag mit dem Cousin, der jenseits der Grenze im durch Israel annektierten Dorfteil lebt, zum ersten Mal den Stacheldraht überquert. Auf diesem Weg begegnet sie einem jungen Grenzsoldaten und die beiden verlieben sich. UNCUT - warme Filme am Donnerstag zeigt: When Night Is Falling (14.12., 20:30 h) von P. Rozema. Eine leidenschaftliche Liebesgeschichte in märchenhaften romantischen Bildern. In Tokyo Godfathers (28.12., 20:30 h) von S. Kon finden an Heiligabend drei Obdachlose in einer Müllhalde in Tokyo ein Findelkind. Sie erleben dabei wirre Abenteuer...

LICHTSPIEL www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05

Mocny Czlowiek (Der Starke Mann) von Henryk Szaro (1929) ist eines der besten Werke der polnischen Stummfilmzeit. Henryk Bielecki unternimmt alles, um berühmt zu werden – er ermordet sogar seinen Freund, einen Schriftsteller, und veröffentlicht dessen Roman unter seinem eigenen Namen. Doch Ruhm und Reichtum machen ihn nicht glücklich. (Mo 4.12., 20:00 h. Ab 19:00 h lädt die Botschaft der Republik Polen zum Apéro an der Lichtspiel-Bar ein). Mit dem Drama Fräulein Huser (1940) kritisierte Leonard Steckel die engstirnige Haltung der Gesellschaft, mit der sich eine junge Frau konfrontiert sieht, als sie ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann eingeht. Der Film läuft im Rahmen des Sortie-du-labo-Programms: In Zusammenarbeit mit Memoriav bietet das Lichtspiel Gelegenheit, Filme aus der Schatztruhe der Cinémathèque suisse zu entdecken, die erst dank ihrer Restaurierung wieder öffentlich vorgeführt werden können (Mo 11.12., 20:00 h). Düstere Utopien präsentiert der StudentInnenfilmclub: Fritz Langs Metropolis, das gewaltige Klassenkampf-Epos aus dem Jahr 1927, ist ein einzigartiges Kunstwerk, das Filmarchitektur, Tricks, Dramaturgie und Licht vereint (Di 5.12., 20:00 h). In La cité des enfants perdus von Jeunet und Carot (1995) entführt ein verrückter Wissenschaftler zwei Kinder, um ihre Träume und Jugend anzuzapfen (Di 12.12., 20:00 h). Mit der apokalyptischen Fabel Songs from the Second Floor (2000) zeichnet Roy Anderson mit bissiger Gesellschaftskritik und schwarzem Humor ein düsteres Bild unserer Zeit (Di 19.12., 20:00 h). The Philadelphia Story Brilliante Komödie von George Cukor (1940), die sich durch witzige Dialoge, romantische Komplikationen und nicht zuletzt durch das hochkarätige Startrio Hepburn, Grant und Stewart auszeichnet (Sa 9.12., 20:00 h). Christmas Special Gemeinsam mit dem Jazzfilmspezialisten und -sammler Theo Zwicky präsentiert das Lichtspiel einen ganzen Weihnachtsreigen voller bunter (und schwarzweisser) Spirituals, Jazzfilme, Trickfilme, Soundies und anderer weihnachtlicher Überraschungen (So 17.12., 20:00 h).

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Filmar en America Latina Im Rahmen der südamerikanischen Werkschau sind bis zum 9.12. Marcelo Mangones neuster Film La Demolición und zwei Reprisen von Fernando Solanas zu sehen: Sur und Tangos – El Exilo de Gardel. Raymond Depardon: 10./11.12. In seinen beiden Filmen Profils paysans: L‘approche und Le quotidien besucht der grosse französische Dokumentarist Bergbauern aus der Lozère. Depardon kommt mit seiner sachlichen Darstellungsweise und seinem aufmerksam beobachtenden Stil den Menschen in diesen abgelegenen Gebieten sehr nahe. Er sagt, dass es ihm in diesem Porträt um das Finden und das Entdecken einer Bevölkerung gehe, die heute fast vergessen ist: «Ich möchte diese Leute filmen, weil ich sie für sehr intelligent halte, sie haben eine grosse Fähigkeit, ihre Situation zu analysieren. Sie verkörpern das Essenzielle der französischen oder auch der europäischen Kultur». Writers: 15.12. - 15.1.07 Zum Ausklang des Jubiläumsjahres 20 Jahre Filmpodium stellt die langjährige Co-Leiterin Claude Rossi eine Carte Blanche vor, die den Lebensgeschichten berühmter SchriftstellerInnen gewidmet ist. The Hours von Stephen Daldry macht den Auftakt. Die berühmte Schriftstellerin Virginia Woolf kämpft im Film gegen ihre kranke Psyche und ist daran, die Anfangssequenz ihres bedeutenden Romans und dessen Hauptfigur «Mrs. Dalloway» zu schreiben. Das Leben der Iris Murdoch zeichnet Richard Eyre in Iris behutsam nach. Murdoch war in ihren jungen Jahren eine unbeschwerte, unabhängige Literatin. Im Alter erkrankte sie an Alzheimer und wurde vollständig von andern abhängig. Out of Africa ist die abenteuerliche und romantische Lebensgeschichte der Karen Blixen und der Film über Capote ist rund um ein Schlüsselereignis in Capotes Leben angelegt, nämlich um die sechsjährige Entstehungsgeschichte von «In Cold Blood». Der Zyklus über diese schreibenden Berühmtheiten gibt auch Gelegenheit, Stars wie Nicole Kidman, Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman einmal mehr zu geniessen. Der Zyklus wird im Januar weitergeführt.

Mehr Infos: www.reitschule.ch ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

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literatur

Der Versuch, das Unbegreifliche zu begreifen Joan Didion: Das Jahr magischen Denkens.

Japan mal anders Hitomi Kanehara: Tokyo Love. Roman.

Von der Mystik des Alltags Ralf Rothmann: Rehe am Meer. Erzählungen.

■ Die Dunkelheit, verborgen hinter der Fassade des Alltäglichen, ist es, die uns unfassbar ist. Der plötzliche Tod eines nahen Freundes, Verwandten oder gar des eigenen Mannes scheint uns unbegreiflich. Wie konnte die betreffende Person so urplötzlich aus unserem Leben verschwinden, wo sie doch eben noch lachend mitten unter uns sass? Und hätte unser Verhalten zum Zeitpunkt des Todes oder davor, diesen beeinflusst, hinausgezögert oder gar verhindert? Diesen Fragen stellt sich die in Europa weitgehend unbekannte amerikanische Intellektuelle Joan Didion, welche unter anderem regelmässig für «New York Review of Books» sowie für «The New Yorker» schrieb, nach dem plötzlichen Herztod ihres Mannes, dem Schriftsteller John Gregory Dunne. Ihre Tochter befindet sich währenddessen mit einer akuten Lungenentzündung auf der Intensivstation eines New Yorker Krankenhauses. Didion schreibt über die vierzig Jahre mit ihrem Mann und die Zeit ohne ihn. Sie erzählt von ihren Reisen nach Honolulu, wo sie gemeinsam an einem Drehbuch gearbeitet haben. Ihrer Sehnsucht nacheinander, wenn sie aufgrund ihrer jeweiligen journalistischen Tätigkeit voneinander getrennt waren und die sie soweit trieb, ein Flugzeug zu besteigen, um wenigstens gemeinsam essen zu können. Sie erzählt von ihren irrationalen Gedanken nach seinem Tod, dem Sog, sobald sie sich die Frage «wenn» stellte. Immer wieder zitiert sie Literatur - Freud, Melanie Klein, Thomas Mann oder Philip Aries - ohne jedoch, dass ihr Bericht an seiner Eindringlichkeit verliert. Viel mehr wirken diese Zitate unterstützend, helfen dem Leser, in ihre ureigene Gedankenwelt einzudringen. Obwohl «Das Jahr magischen Denkens», das 2005 mit dem National Book Award (Nonfiction) ausgezeichnet wurde, ein Erfahrungsbericht ist, ist es dank Didions Eloquenz und ihrem sorgsamen Umgang mit der Sprache auch ein grosses Stück Literatur, welches einem den Tod, einst so alltäglich wie das Leben, auf wundersame Weise näher bringt. Dass ihre Tochter den Folgeerkrankungen ihrer Lungenentzündung kurz nach Erscheinen des Buches ebenfalls erlegen ist, bricht einem beinahe das Herz und macht «Das Jahr magischen Denkens» nicht nur zu einem Buch über die Liebe und den Tod, sondern auch über das Überleben. (sw)

■ Den Rahmen für das in Japan 2004 erschienene Romandebüt Kaneharas bildet das Tokyo derjenigen jungen Japaner, die sich den Gesellschaftsnormen weitgehend entziehen. Die Liebesgeschichte zwischen Lui und Ama wird zunächst vor allem durch Luis Faszination von Amas gespaltener Schlangenzunge motiviert. Entschlossen, sich ebenfalls dem ebenso schmerzhaften wie langwierigen Verfahren zu unterziehen, ihre eigene Zunge zu spalten, besuchen sie Shibu-san, einen Freund Amas, welcher der Besitzer eines Tattoo- und Piercing-Studios ist. Während dieses Besuchs entscheidet sich Lui, sich ein mystisches Motiv auf den Rücken stechen zu lassen. Ohne Amas Wissen sucht sie wenige Tage später das Tattoo-Studio erneut auf, Shibu-san verlangt als Gegenleistung für seine Kunst eine erotische Beziehung, deren Brutalität teilweise an die Grenze des Erträglichen führt. Die akribische Beschreibung der Schmerzen, welche Lui bei der Dehnung ihrer Zunge mit einer beinahe masochistischen Lust erträgt, bilden eine Grenzerfahrung, vergleichbar mit ihrem unsteten Lebenswandel an der Seite Amas. Dieser wird eines Abends auf den Strassen Tokyos zum brutalen Agressor, wobei er möglicherweise den Tod seines Gegners in einer Schlägerei verursacht. Zu seinem Schutz vor einer Fahndung verändert Lui sein Aussehen soweit als möglich. Als Ama kurze Zeit darauf spurlos verschwindet, wird Lui bewusst, wie tief ihre Gefühle für ihn sind. Die 23-jährige Hitomi Kanehara, welche für «Tokyo Love» mit dem wichtigsten Literaturpreis Japans ausgezeichnet wurde, bricht mit ihrem knapp hundertzwanzig Seiten umfassenden Roman ein Tabu der japanischen Gesellschaft. Dass ihr Werk insbesondere in Japan kontrovers diskutiert worden ist, war den Verkaufszahlen jedoch keineswegs abträglich. Ihr Erzählstil hat weitgehend etwas comichaftes, was stellenweise faszinierend ist, die Charaktere aber schemenhaft erscheinen, ihre Handlungsintentionen nicht nachvollziehen lässt, als wären sie keine Menschen aus Fleisch und Blut. Insgesamt jedoch ein beeindruckendes Debüt, das Hunger auf mehr macht. (sw)

■ Es sind nicht die Gewinner dieser Welt, welche im Mittelpunkt der zwölf Erzählungen Rothmanns stehen, sondern die Alten, die Alleinerziehenden, die Arbeiter, die Trauernden, die Verlorenen: kurz, jene auf der scheinbaren Schattenseite des Lebens. Und doch findet sich in jeder noch so traurigen Episode ein Stück Poesie. Wie in der titelgebenden Erzählung «Rehe am Meer», wo die alleinerziehende Mutter ihre Tochter Alina wegen eines unerwarteten Vorstellungsgesprächs in die Obhut einer älteren Frau gibt. Auf dem Weg zu ihrem Termin nimmt sie, obwohl unter Zeitdruck, das Angebot wahr, einen leerstehenden Neubau zu besichtigen. Dort, auf der schneebedeckten Dachterasse bietet sich ihr ein unverbauter Blick bishin zum Meer und vor diesem Meer bewegen sich Tiere, Rehe, die man im Wald oder auf einem Feld vermuten würde, nicht aber am Meeresufer. Die Irrationalität dieses Augenblicks, bedingt durch das Moment der Überraschung, ist allen Erzählungen Rothmanns immanent und macht sie so unvergesslich, weil nachvollziehbar. Ähnlich wie seine Charaktere führt auch Rothmann selbst ein bewegtes Leben, in welchem er nach einer Maurerlehre und mehreren Jahren auf dem Bau unter anderm auch als Taxifahrer, Drucker, Koch und Krankenpfleger gerabeitet hat. Seit 1986 veröffentlicht der heute 53-jährige Wahlberliner in kurzen Abständen Romane, Erzählungen und Gedichte bei seinem Hausverlag Suhrkamp. Dieser Erfahrungsreichtum wie seine herausragende Beobachtungsgabe und sein Talent, mit wenigen Worten eine Atmosphäre zu erschaffen, die authentisch wirkt, machen ihn zu einem der ganz Grossen der deutschsprachigen Literaturszene. Für sein Werk durfte er nebst dem WilhelmRaabe-Preis sowie dem Heinrich-Böll-Preis am ersten Oktober 2006 den Max-Frisch-Preis der Stadt Zürich entgegennehmen. (sw)

Didion, Joan: Das Jahr magischen Denkens. Aus dem Amerikanischen von Antje Ravic Strubel. Claasen Verlag. Berlin 2006. ISBN-13: 978-3-546-00405-3. ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

Rothmann, Ralf: Rehe am Meer. Erzählungen. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 2006. ISBN: 978-3518-41825-3.

Kanehara, Hitomi: Tokyo Love. Roman. Aus dem Japanischen von Sabine Mangold. List Verlag. Berlin 2006. ISBN-13: 978-3-471-79538-5.

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STADTLÄUFER Von Andy Limacher nr. 26 // bremer. Es war an einem Mittwochabend, weit nach dem offiziellen Redaktionsschluss, als ich mir zu Hause den Kopf über diese Ausgabe des Stadtläufers zerbrach. Redaktion gleich Inspiration, dachte ich, und griff zum Telefon. «Schreib doch Mal was über den Bremer, und über den kleinen Teich,» kam die Antwort. Den Bremgartenwald habe ich bisher links liegenlassen. Da ich im Weissenbühl wohne, liegt das Steinhölzli viel näher. Einziges Manko: Das Wäldchen hat auf dem Stadtplan die Grösse einer Briefmarke, und nach zehn Minuten bin ich jeweils wieder zu Hause. Die nächste Wahl ist für mich jeweils der Könizbergwald – ein wunderbarer Ort für kurze Herbstausflüge, allerdings ebenfalls mit einem Manko: Er ist mit einem Fahrradverbot belegt, und seit neustem gibt es eine Wildschutzzone in der Nähe des Sterns, über die sich die Hündeler jeweils lautstark aufregen, weil sie Hasso für zehn Minuten an die Leine nehmen müssen. Doch zurück zum Bremer. Heute habe ich mich aufs Rad gesetzt und den «Erholungswald südlich der Autobahn» – so wird er vom Forstbetrieb der Burgergemeide Bern klassifiziert – über Weyermannshaus angesteuert. Nach einer kurzen Pause auf der Autobahnbrücke begann ich die Suche nach besagtem Teich. Ich fand ihn nicht, bevor ich die Karte konsultiert hatte. Der Ententeich liegt nördlich der Haldenstrasse, dort, wo sie über die Autobahn führt. Er ist ziemlich klein, stellenweise von Grünzeug bedeckt, rundherum führt ein Pfad über Holzstege, Bänke laden zum Verweilen ein. Ein paar Minuten sitze ich da und betrachte die Insel mit ihren verknorpelten Bäumen: Ein durch und durch verwunschener Platz – die Redaktion hat nicht zu viel versprochen. Trotzdem gehe ich auch in Zukunft lieber in den Könizbergwald. Denn auch der Bremer mit seinem verwunschenen Teich hat ein Manko: Jegliche Romantik wird vom Lärm der Autobahn zunichte gemacht.

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KULTUR & GESELLSCHAFT

museum franz gertsch Von Dominik Imhof ■ Ende Oktober wurde dem künstlerischen Direktor des museum franz gertsch, Reinhard Spieler, gekündigt. Erst einmal ohne einen Grund zu nennen. Theoretisch ist Spieler noch bis zum Ende dieses Jahres künstlerischer Direktor, gleich mit der Kündigung wurde er aber auch freigestellt, so dass er innerhalb kürzester Frist sein Büro räumen musste. Diese Vorgehensweise überrascht doch einigermassen. Was gibt es für einen Grund, Spieler auf diese Art, mit dieser Hast und ohne Gründe zu nennen, freizustellen? Vier Jahre lang hat Spieler das Gertsch-Museum zu dem gemacht, was es heute ist. Hat aus dem Museum nicht einfach einen Ort für FranzGertsch-Fans gemacht, sondern hat Ausstellungen mit internationaler Gegenwartskunst konzipiert. Sicher konnte er keine Massen nach Burgdorf locken, aber er konnte ansehnliche Besucherzahlen erreichen, Burgdorf ist schliesslich nicht Bern oder Zürich. Budgetüberschreitungen hat es nach den Aussagen von Spieler keine gegeben. Wieso also die Hast bei der Entlassung? In der offiziellen Pressemitteilung des Stiftungsrates, die nun Wochen nach der Entlassung verschickt wurde, spricht man von der «erfolgreichen Tätigkeit» Spielers und vom «Engagement des Stifters Willy Michel». Da der Zeitpunkt gekommen sei, «Konzept, Struktur und Ausrichtung neu zu überdenken», trenne man sich von Spieler,

wie es weiter heisst. Neu soll die bisherige Kunstpark Management AG in eine Stiftung Willy Michel übergehen. Michel will zudem 20 Millionen Franken über die nächsten vier Jahre dem Museum schenken. Die künstlerische Leitung wird künftig dem geschäftsführenden Direktor Arno Stein unterstellt sein. Finanzcontrolling regiert über das Künstlerische! Mit einem Budget von ca. einer Million Franken pro Jahr soll das Museum in Zukunft haushalten. Kein einfaches Unterfangen. Die Leitung des Museums, wohlgemerkt auch künstlerisch, ist im Moment in den Händen eines Juristen und einer Volontärin. Bestehende Projekte sind teils abgesagt oder auf Eis gelegt. Sicher keine gute Situation für den Ruf und die Glaubwürdigkeit des Museums. Auch die zweite Pressemitteilung des museum franz gertsch vom 24.11. (siehe unten) gibt keine Antworten. Also noch immer rechtfertigt nichts diese übereilte Entlassung. Sie wirft nur ein schlechtes Licht auf alle Beteiligten, leider auch auf Spieler, der mit privatwirtschaftlichen Methoden «entfernt» wurde. Die Kulturszene Bern scheint hinter Spieler zu stehen und zeigt sich schockiert über derartige Methoden im Kulturbetrieb. Kulturminister Gartentor fordert mehr Respekt von Mäzenen und auch das Ausland reagiert, wie der Leserbrief von Joachim Jäger zeigt (siehe S. 38).

Wir drucken hier die letzte offizielle Stellungsnahme aus dem museum franz gertsch vom 24.11.2006. Sie wurde per E-Mail ohne Signatur versendet.

PRESSEMITTEILUNG ■ Das grosse Interesse der Medien an den jüngsten Geschehnissen rund um das museum franz gertsch veranlasst uns, dieses Communiqué zu veröffentlichen. Wir schätzen den Künstler Franz Gertsch und seine Gattin Maria als Menschen sehr und bewundern das grossartige Werk des Künstlers in hohem Masse. Seit dem Beginn unserer Zusammenarbeit haben wir mit dem Museum nichts anderes gewollt, als das Schaffen von Franz Gertsch national und international bekannt zu machen. Mit einer neuen künstlerischen Leiterin oder einem Leiter werden wir unter der Verantwortung des geschäftsführenden Direktors Arno Stein weiterhin alles daran setzen, das museum franz gertsch in diese Richtung weiterzuentwickeln. Dabei sollen neben internationalen auch nationale Künstler in den Ausstellungen präsent sein. In den vergangenen Tagen wurden über die Person Willy Michel viele Behauptungen, Halbwahrheiten und rufschädigende Unterstellungen in die Welt gesetzt. Von diesen distanziert sich Willy Michel mit

Nachdruck. Er hat sich entschieden, nicht weiter darauf einzugehen. Da ihm das museum franz gertsch am Herzen liegt, bestätigt und bekräftigt er jedoch ausdrücklich seine auch gegenüber dem Stiftungsrat in der letzten Sitzung erneut geäusserte Absicht, das Museum weiterhin zu fördern. Aus diesem Grund schenkt er der stiftung willy michel über die nächsten vier Jahre zwanzig Millionen Schweizer Franken. Nach Ablauf dieser Zeit wird der Museumsbetrieb vollumfänglich in der stiftung willy michel integriert sein. Die Stiftungsräte Prof. Dr. Jean- Christophe Ammann, Drs. Guido de Werd, Rainer Michael Mason, Peter Everts und der Künstler Franz Gertsch stehen auch in Zukunft voll und ganz hinter dem museum franz gertsch. Sie helfen mit, die Zukunft des Museums im Interesse des Künstlers, dessen Namen es trägt, zu sichern. Dies ist eine abschliessende Stellungnahme von Willy Michel, Arno Stein und des Stiftungsrates der stiftung willy michel. Weitere persönliche Kommentare dazu werden nicht abgegeben. ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


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KULTUR & GESELLSCHAFT

nur ein toter indianer ist Von Peter J. Betts ■ «Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer», soll es in den Vereinigten Staaten während einer ihrer früheren Phasen der Expansion geheissen haben, als noch, wenn auch nicht weniger konsequent, so doch weniger globalisierend und weniger - differenziert auf die verschiedensten Produktions- und Tätigkeitsebenen ausgerichtet gedacht und – gehandelt wurde. Im «Controlling-Bericht 2005» schreibt das Stadttheater u. a. unter dem Titel «Zusammenarbeit», respektive «störende oder zu begrüssende Doppelspurigkeiten»: «Es gibt im Bereich des Schauspiels nachgezählt ca. 800 Veranstaltungen jährlich von anderen Institutionen in und um Bern. Man kann das als Reichtum des Angebotes interpretieren, man kann es aber auch als kulturpolitischen Wildwuchs sehen. Im Bereich des Musiktheaters gibt es keine nennenswerten Doppelspurigkeiten. Die Existenz einer eigenen Berner Tanzszene begrüssen wir.» Wildwuchs? Unkraut? Unkraut: jedes Kraut, das der Mensch nicht frisst, ist ein Unkraut, d. h. «DasZu-Entfernende» (jäten, abbrennen, vergiften). Mauvaise herbe. «Je suis d’la mauvaise herbe, braves gens, braves gens... ...je pousse en liberté dans les jardins mal fréquentés...», singt Georges Brassens. Und etwas später: «...et je m’ demande, pourquoi mon Dieu! ça vous dérange, que j’ vive un peu?». Schön, wenn man zur Freien Berner Tanzszene gehört, stört es die im Plüschpalast nicht, falls man ein bisschen am Leben bleibt, jedenfalls nicht mehr, nachdem das Theater das eigene Tanzensemble (bevor es wirklich zur bedrohlichen Konkurrenz für die beiden übrigen Sparten geworden war) auf das Mass des tauglichen Werkzeuges zurückgestutzt hatte. Und die paar Musicals, die irgendwo in Stadt und Stadtnähe auftauchen mögen, kann man - übersehen... Wenn man aber Sprechstücke auf eine Bühne, ins Freie bringt, ist das nicht gut! Wildwuchs! Kulturpolitische Hege ist gefordert! Wo bleiben Hacke, Abfallcontainer, Trimmschere? Natürlich, man kann/darf nicht so sein, man ist ja tolerant, hat Verständnis: Gut sind zum Beispiel die «Rampe», das «Kleintheater Kramgasse 6». Tote Indianer? Und sonst könnten immer noch als Zeichen von Toleranz an voraussichtlich kaum gefragten Orten ein paar wenige Vorzeige-Reservate für noch Existierende eingerichtet und gegebenenfalls touristisch genutzt werden. ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

Die Controlling-Berichte könnten aber auch dazu dienen, dass alle damit erfassten Institutionen sowie die diversen Subventionsbehörden und die Bevölkerung von Region und ihrer Zentrumsstadt ein gegenseitiges Bewusstsein für ihre Schicksalsgemeinschaft entwickelten. Es ginge um ein konstruktives Sensibilisieren für geschaffene und zu schaffende Werte, für Anliegen, Möglichkeiten, Ziele, Bedürfnisse, Probleme aller Beteiligter, für Kultur, Gesellschaft, Kultur- und Gesellschaftspolitik. Verständnis. Auch zwischen Gross und Klein. Wenn das Verständnis (nicht Gleichgültigkeit, sondern Achtung, Kollegialität, Lern- sowie Lehrbereitschaft, Interesse) seitens des Stadttheaters gegenüber der Freien Szene trotz Controlling-Berichten über alle Sparten und Grössen hinweg schon nicht geweckt worden ist, so sieht es das Publikum offenbar anders. Ich entnehme die folgenden Angaben der Diplomarbeit einer Kulturmanagement-Studentin. Gestützt auf eine Umfrage während der Künstlerbörse in Thun (2003) stellt der ktv fest, dass in den 450 dem ktv angeschlossenen Lokalen rund 1,3 Millionen Menschen (Tendenz: steigend) etwa 11‘000 Vorstellungen besucht haben; in den zehn grossen Häusern der Schweiz waren gemeinsam immerhin etwa 1,1 Millionen Besuche zu verzeichnen (Tendenz: sinkend). 95‘966 Menschen haben 2005 das Stadttheater, das 22‘398‘000 Franken Subventionen ausweist, besucht; Eigenwirtschaftlichkeit 23,3 Prozent. Bei einem durchschnittlichen Eintrittspreis von 59 Franken wird jede besuchende Person also mit 233 Franken öffentlicher Gelder für ihre Liebhaberei belohnt. Wenn ich zehn Mal ins Stadttheater gehe, schenkt mir der Staat 2330 Franken. Steuerfrei. Vergleich aus dem Bereich der Freien Szene: «La Marotte», Affoltern a. A., erhielt 10‘800 Franken Subventionen; verzeichnete 1560 Besuche; jeder Besuch wurde mit 6 Franken 90 subventioniert; bei einem durchschnittlichen Eintrittspreis von 22 Franken; Eigenwirtschaftlichkeit 89 Prozent. Kulturpolitischer Wildwuchs? Das Publikum ohne Sinn für Qualität? Mit den etwas über 22 Millionen Franken ist das Stadttheater die höchst subventionierte «Kulturinstitution» in Stadt und Region Bern. Dies ermöglicht einer finanziell meist nicht allzu schlecht gestellten Bevölkerungsschicht eine erschwingliche Liebhaberei (gemäss steuerrechtlicher Pra-

xis gesprochen). Aber: Was für ein Kulturgut wird denn im Stadttheater geschaffen? Was für ein Wert wird erschaffen? (Denn, wiederum steuerrechtlich gesprochen: Es geht bei der Tätigkeit des Theaters nicht um die Absicht, finanziellen Gewinn zu erzielen. Das Theater müsste, würde es gleich behandelt wie etwa ein einzelner freischaffender Künstler, als reine Liebhaberei bezeichnet werden: eine hochsubventionierte Liebhaberbühne, also.) Werden kulturelle Spuren heute für morgen gelegt und damit die Grundsteine für Bestand und gesellschaftlichen Fortschritt gesetzt? Das wäre ja auch ein Gut (nicht steuerrechtlich gesprochen). Das Stadttheater: das Zentrum aller Kulturschaffender der Region für kreativen Austausch untereinander? Plüschtempel aktiv: die Drehscheibe schöpferischer, existenzieller Auseinandersetzung für alle Bewohnerinnen und Bewohner von Stadt und Region mit all ihren Kulturschaffenden? Werden hier zusammen mit heutigen KomponistInnen, heutigen SchriftstellerInnen kontinuierlich Stücke aus und zu unserer Zeit entwickelt? Wird die Kreativität der paar hundert Angestellten mit ihrem Netzwerk von Bekannten aktiv genutzt, wird so gemeinsam nachgedacht? Lernt das Theater von zeitgenössischen Kulturschaffenden, die anderswo auch tätig sind? Wird der Dialog mit den einzelnen Kulturschaffenden und dem Publikum gepflegt? Findet Austausch und Auseinandersetzung mit der Freien Szene statt? Usw. Wenn bei allen Fragen mit «Ja!» geantwortet werden kann, sind Subventionen und Staatsgeschenk an die Besuchenden mehr als nur gerechtfertigt. Weitere Blicke in den Controlling-Bericht lassen allerdings Zweifel aufkommen: Entwicklungspotential bei dieser Selbsteinschätzung? «Das Theater muss sexy werden», titelt «Der Bund» am 16. September 2006 – das könnte etwas mit Reproduktion, Erneuerung, Zukunft zu tun haben. Halten wir die Daumen! Bis Ende 2007 muss ein Konzept entwickelt werden, das u. a. Strategien zur Zusammenarbeit beinhaltet, erklärt «Der Bund» am 20. Oktober 2006. Licht am Ende des Tunnels? Ob die hauseigenen 114 Schauspielveranstaltungen und die eingangs erwähnten 800 anderen Institutionen in und um Bern dereinst als Teile derselben Gartenkultur betrachtet werden? Indianer gleichwertige UND gleichberechtigte Menschen?

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KULTUR & GESELLSCHAFT

kultur in den berner medien Von Lukas Vogelsang - Ein Nachtrag zur Podiumsveranstaltung «Tacheles» von visarte Bern vom 21. November 2006 ■ Eine interessant einseitige Kombination war auf der Podiumsbühne vorzufinden: Roger Blum, Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Bern (Moderation), Matthias Frehner, Direktor Kunstmuseum Bern und ehemaliger «NZZ»-Redaktor, Michael Hug, Chefredaktor der «Berner Zeitung», Reinhard Spieler, ehemals Direktor museum franz gertsch Burgdorf und Daniel Landolf, Noch-Chefredaktor ad interim «Der Bund». Eingeladen und organisiert hatte dieser Abend der Verein Visarte, der Berufsverband visuelle Kunst, Sektion Bern. Der «Kleine Bühne»-Raum im PROGR war voll und eine Videoübertragung in das Treppenhaus liess wenigstens die frierenden weiteren BesucherInnen auf dem Laufenden. Mit einem solchen Besucheransturm hatte man nicht gerechnet. Das Thema scheint zu bewegen. Was ist los? Das Diskussionsthema war und ist nicht neu, trotzdem tut es gut, die Situation zu rekapitulieren. Seit vor fünf Jahren die Espace Medien AG den von beiden Tagenszeitungen vertriebenen «Ansager» produzierten und nach nur einem Jahr wieder einstellten, wird das Thema diskutiert. Die erste Reaktion kam damals von unserer Seite, als wir die Kulturinstitutionen anschrieben und unsere Pläne, ein Kulturmagazin zu bauen, kundtaten. Das war noch während der Zeit des «Ansagers». Die Reaktionen auf unsere Einladungen wurden nicht ernst genommen. Wir starteten ensuite - kulturmagazin ohne die Unterstützung der Veranstalter. Knapp vier Monate später wurde bekannt, dass der «Ansager» eingestellt wird. Damit wurde ensuite - kulturmagazin zu der einzigen kulturellen Publikation in Bern - wider Willen, denn wir hatten weder Geld, noch die Infrastruktur, noch das Know-how, dieses Loch zu stopfen. Zwei Jahre später erschien die «Berner Kulturagenda», ein Projekt, welches der Kultursekretär Christoph Reichenau mit den Kulturinstitutionen zusammen initiierte. Am Verteilhebel der städtischen Kultursubventionen hatte der Kultursekretär ganz andere Möglichkeiten, die Institutionen zum Mitmachen zu bewegen. Eine Zusammenarbeit mit ensuite - kulturmagazin kam für ihn so nicht in Frage - die von uns eingegeben Offerten wurden abgelehnt. Die «Berner Zeitung» und «Der Bund» wurden unter ein Dach zusammengeführt. Es gab keine Kulturbeilage mehr, wohl aber hatten die Redaktionen in den kulturellen Ressorts keine weiteren Sparmassnahmen getätigt. Trotzdem: Die Espace Medien AG war sich durchaus bewusst, dass in der Kultur die finanziellen Ausgaben in keinem Verhältnis zur Dienstleistung stehen. Allgemeine 32

Leserstatistiken beweisen, dass Kulturseiten in der Tageszeitung nur von 2 Prozent der Leserschaft gelesen werden. Bei Beilagen wird von einem Wahrnehmungswert von 5 Prozent gesprochen. Das ist erschreckend wenig. Im Kontrast dazu die Kosten: Eine wöchentliche Beilage in den Zeitungen kostet 1,5 Millionen Franken pro Jahr. Ein Heft alle 14 Tage zu produzieren braucht 900‘000 Franken und monatlich kommt man mit knapp 500‘000 Franken zurecht. Auf der Einnahmenseite klafft in Bern ein riesiges Loch. Es fehlt an Werbegeldern und einem Werbemarkt. Mag sein, dass sich hier die Espace Medien AG selber ins Bein geschnitten hat: Lange Zeit waren die kulturellen Dienstleistungen gratis und haben das Berner Publikum verwöhnt. Jetzt will dieses auch weiterhin nichts bezahlen. Ein Verständnis für die Zahlen fehlt. Kultur hat Wert Es ist nicht so, dass die Tageszeitungen die Kultur unterschätzen würden. Sie suchen nach neuen Wegen, das Ressort zu integrieren. «Der Bund» läuft vorerst konservativ weiter, hat eine etwas strukturlose Berichterstattung auf einer Kulturseite und einen Agenda-Teil «Das Wochenende», der Tipps und Events publiziert. Die «Berner Zeitung» hat einen neuen Weg eingeschlagen - nicht einfach, aber es ist ein Versuch für eine neue Zeitungsform. Dabei werden alle Artikel nicht mehr nach Themen, sondern nach dem Ort publiziert. Das ist neu und verwirrlich, aber nicht dumm. Das Regionale wird nicht mehr mit der Grossstadt gleichgesetzt und der Ort wird als Sozialzentrum hervorgehoben. Quantitativ hat dies keine Änderung gegeben - nur findet man Kulturelles nicht mehr auf einer Seite. Bei den konservativen und kulturinteressierten ZeitungsleserInnen stösst diese Form auf Widerstand - lustigerweise hat aber niemand beigefügt, dass qualitativ die Kulturberichte in der «Berner Zeitung» oft objektiver und informativer geworden sind als im «Bund». Spannende Diskussion Die Künstler und Kunstinteressierten fordern mehr öffentlicher Dialog über Kulturelles und Kunst in den Tagesmedien - die Medien fragen sich zu recht, warum. Als die Espace Medien AG die Stadt Bern vor Jahren anfragte, ob sie sich an ihren Beilagen beteiligen könne, sagte diese Nein. Ein Stadttheater oder Kunstmuseum sind hoch subventioniert, geben diese Gelder aber nicht in die Marktwirtschaft zurück. Dazu kommt, dass die Pressearbeit von vielen Institutionen und Veranstaltern extrem schlecht und fehlerhaft ist. Dass die Medien diese Fehler korrigieren und sehr viel Gratis-Recherche leisten, ohne von den Institutionen mehr respektiert zu werden, das gibt zu denken. Als gutes Beispiel: visarte Bern

hatte für diese Veranstaltung einen grossen EMail-Versand veranstaltet, doch fehlte der Veranstaltungsort in der Mail. Nicht mal auf der eigenen Webseite konnte er eruiert werden, die Seite war nicht aktuell. Der Fehler wurde von der Espace Medien AG korrigiert. In der Vorstellung von vielen Veranstaltern und Kulturinteressierten haben die Medien nur die Rolle einer Gratis-PromotionAgentur, welche dafür verantwortlich ist, «Pip» und «Bap» zu kommunizieren. Das Anrecht auf Publikation wird gefordert, doch warum eigentlich und wozu? Im Gegenzug wird in keiner Weise mit den Medien ein Dialog geführt: Das Einstellen des «Ansagers» und die Änderungen bei der «Berner Zeitung» haben von aussen kaum Proteste oder Reaktionen ausgelöst. Rollenspiele Eine weitere, etwas unsichtbarere Dienstleistung der Medien sind die Medienpartnerschaften. Espace Medien AG hat viele solche Zusammenarbeiten mit Institutionen in den letzten Jahren durchgeführt. Klar haben diese Partnerschaften eine «LeserInnen gewinnende» Funktion. Doch keine anderen Institutionen in Bern übernehmen diese Dienstleistung, die so manch Künstlergruppen oder Theater erst zum Erfolg gebracht haben. Das sind zum Teil grosse, normalerweise unbezahlbare Inserateaktionen in der Presse. Auch das ist eine Rolle der Medien in der Kultur - eine sehr wichtige sogar. Etwas eigenwillig hatte es der Direktor des Kunstmuseums, Matthias Frehner, am Podiumsgespräch gefordert: «Wir wollen für unsere Arbeit ein Feedback.» Muss diese Rolle von den Medien kommen? Geben wir ihnen dadurch nicht zuviel Macht? Und wir dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die kulturell gelobte «NZZ» in Bern nicht die Tageszeitung Nummer eins ist. Übrigens wurde vor der Tacheles-Diskussion bekanntgegeben, dass die Kulturbeilage der NZZ, das «NZZ Ticket», eingestellt wird. Ich bin der Meinung, dass Bern nicht das Recht hat, sich über die fehlende Kulturberichterstattung zu beklagen. Wir haben mehr Zeitungen und Kulturpublikation als jede andere Stadt in der Schweiz! Aber vielleicht liegt es ja gar nicht daran...

Die Diskussion ging weiter: http://kulturblog.espace.ch/p195.html Wir drucken auch Ihre Leserbriefe: leserbrief@ensuite.ch

ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


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VON MENSCHEN UND MEDIEN

good night, good luck! Von Lukas Vogelsang ■ Da ist immer die Rede davon, dass die Medien in einer Krise stecken. Die Werbung geht, der Inhalt wird dünn und dumm. Die PR-Leute sind schuld und der Staat, die Werbung und überhaupt. In Sprechchören vereint ziehen wir Medienleute, die neuen Reiter der Botschaft, durch das Land und verkünden, wie schlimm alles ist. Der Weltuntergang naht, politisches Handeln ist gefragt und mehr Geld... Notabene fragen vor allem die JournalistInnen nach der Handlung und die Verlage nach dem Geld. Nach dem «Klag-oh-weh-Konzert» klopft man sich gegenseitig auf die Schultern und überlegt sich den nächsten Karriereschritt, das Design des neuen Fernsehstudios oder die Anschaffung einer neuen Druckmaschine. Man muss jetzt verstehen, dass es die VerlagschefInnen und die JournalistInnen sind, eben Menschen, die sich hinter dem Wort MEDIEN vereinen. Wir sind es, ich mit eingeschlossen, welche diesen Medienmüll selber produzieren und von der Gesellschaft ins Kritikfeuer geraten. Da ist keine fremde Macht am Werk, nur ein verlorenes Gesicht. Der Berufsstand JournalistIn hat sich selber gestürzt, der Verlag sich selber ausgebeutet. Das Bild von der elementaren Wichtigkeit der Medien hat sich durch unsere eigenen Billigproduktionen verunglimpft, ist ersetzbar geworden und unreal. Wir haben bereits jetzt eine Unmenge an News-Taensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

geszeitungen, News-Fernsehsendungen und NewsRadios, Newslettern, Newsreports, Newsportalen, News am Morgen und News am Abend, News per Handy und Newsnews. News: Ich habe Kopfweh von den ganzen News. Aber dem nicht genug: In Zürich hat ein regelrechter Boom auf noch mehr «Gratistagesnewszeitungen» Einzug. Die Tagi-News und die Zürisee-News kämpfen um die neusten News. Der Zürichsee wird in ein paar Jahren eine Papiermaché-Pfütze, die Aargauer ziehen bereits nach, der Südosten hält mit, die Welschen haben doch erst den Markt entdeckt und just, wenn eben die Marktzahlen kritisch sind, publizieren die Verlage noch mehr neue Produkte als je zuvor. Es herrscht ein regelrecht schwindliger Medienwahnsinn. Aber auch TV-Stationen pilzen aus dem Boden und eifern den Berufskollegen vom Print nach. Zwar sind’s momentan oft regionale Stationen oder ein 3+, doch auch sie schreien auf dem Marktplatz. Der Herr Walpen vom Schweizer Fernsehen – als bestes Paradebeispiel und Verlegervorbild - hat dazu den Bogen schon massig überspannt, indem er erst ankündigte, dass die SRG-Gebühren erhöht werden müssten. Als er dann merkte, dass sein Vorschlag auf Kritik stiess, fing er an, die Erpressertrommel zu schwingen: sinkende Qualität, Streichen vom TV-Programmen und Stellen, untragbare Zustände und weiteres bla, bla, bla... Als hätte dies

ein Zusammenhang. Und wir? Wir schalten schon jetzt ab – leider (oder: leserbrief@ensuite.ch!). Unter dem Motto «Journalismus gestern und heute» trafen sich dann die Berner Journis (wir gehören ja auch zum nationalen Medienfilz) zum 16. Medientag (18. November 2006 in der Uni Bern), ein Schulterklopftag. Das abschreckende Thema schlug mich in die Flucht. Aber tatsächlich: Es kann um die Medien nicht gut stehen, wenn sie in der Vergangenheit zu grübeln beginnen. Anstatt ein halbwegs vernünftiges Konkurrenzbild aufzubauen und sich gegenseitig durch besseren Journalismus zu überbieten, um damit LeserInnen zu gewinnen, jammern diese unsere Helden nun gemeinsam an Therapie-Workshops. Über das Fazit dieser Tagung kann man nur lästern: «Nicht besser, aber anders...». Zu hoffen, dass man dafür keinen akademischen Titel tragen muss. Das ist die wirkliche Welt der Medien. Deswegen, liebe LeserInnen, wir sind nicht wirklich böse, wenn Sie sich von uns MEDIEN abwenden, nicht mehr lesen oder abschalten, nicht mehr abonnieren, uns nur noch als Ihre externe PromotionAbteilung missbrauchen, keine Leserbriefe mehr schreiben oder sich gar nicht mehr interessieren, was wir Ihnen vorzustellen versuchen. Deswegen die schlichten (schlechten?) News: WIR MEDIEN haben versagt. 33


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BERNER KULTURMENSCHEN

haare und bewegung Von Eva Mollet (Foto: Eva Mollet) ■ Nathalie Danja Streit ist zweiunddreissig Jahre alt und wird im Freundeskreis Naz (in englischer Aussprache) genannt. Häufig trägt sie eine Hose und darüber einen Jupe. Sie hat eine Tendenz zur Schuhsucht. Trotzdem besitzt sie nicht Unmengen davon, weil sie stets nach dem Paar mit dem gewissen Etwas sucht. Naz hat eine grosse, knallrote Tasche. Das erklärt, warum die Suche nach dem zirpenden Handy manchmal etwas länger dauert. Ihre Haare sind dunkel und sehr lang, die Fransen kürzt sie sich selbst. «Meine Mutter war früher Coiffeuse. Alle meine Puppen, auch die Barbies bekamen von mir einen Kurzhaarschnitt verpasst.» Bis heute schneidet sie eigenwillige Frisuren im Freundeskreis. Naz wächst in Thun auf. In der Freizeit pinselt sie viele Blätter voll. Sie bevorzugt die grossen Formate, malt rasch und verlangt nach dem nächsten Papier. «Meine serielle Produktion brachte die Malpädagogen zur Verzweiflung.» Nach der kaufmännischen Ausbildung geht Naz als Au-pair nach London. In der Grossstadt erwacht ihre Liebe zur Fotografie. Sie besucht viele Ausstellungen und experimentiert mit der Video- und der Fotokamera. Naz arbeitet als Webdesignerin. In der Freizeit fotografiert, filmt und malt sie. Haare sind ein zentrales Motiv auf ihren Fotos. Haare in Bewegung: wallend, sträubend oder peitschend. Das Bild «Raumangst» zeigt eine bewegte Mähne in der bedrückenden Enge eines Raumes. Für Naz symbolisieren die Haare hier Freiheit und 34

Ausbruch aus der Enge. Diese Fotografie ist während eines vierwöchigen Kurses an der Sommerakademie für bildende Künste in Salzburg entstanden und ist im Businesspark Köniz ab Mitte November zu sehen. Es misst 130 x 200 cm und ist ein Silbergelatine-Abzug von Hand vergrössert. Zuerst wird ab Digitalbild eine Folie gedruckt, welche als Negativ für die Handvergrösserung dient. Auf vielen Bildern ist Naz ihr eigenes Modell. «Der Vorteil liegt darin, dass Ideen sich sofort ohne Verzögerung umsetzen lassen.» Naz ist begeistert von der Möglichkeit, Bewegungen sichtbar zu machen. Dazu wendet sie unterschiedliche Techniken an: Wenn sie sich filmt, schränkt die Armlänge den Blickwinkel ein und schafft zufällige Ausschnitte. Das Gefilmte wird auf dem TV-Bildschirm abgespielt und an ausgewählter Stelle angehalten. Die Farbgebung kann manuell verstellt und zusätzlich verfremdet werden. Naz fotografiert diesen manipulierten Filmausschnitt ab Bildschirm. «Mich fasziniert diese Entfremdung des Bildes durch den distanzierten Blick auf den Fernseher. Bei der Vergrösserung solcher Fotografien werden die RGB-Punkte und der Bildaufbau des Fernsehbildes sichtbar gemacht. Dadurch erhalten die Fotos eine zusätzliche Struktur durch gewellte Linien und dunkle Balken.» Der Austausch mit anderen Kunstschaffenden ist für Naz wichtig. Sie ist Mitgründerin einer Künstlergruppe mit dem Schwerpunkt Fotografie und Video. Die Beteiligten treffen sich regelmässig, kritisieren sich gegenseitig, fördern und fordern sich.

Trotzdem kann Naz sich vorstellen, sich irgendwann beruflich in Richtung Kunsttherapie mit Schwerpunkt Kreativitätsförderung zu orientieren. Die Veränderung Zusammen mit ihrem Freund reist Naz per Auto durch Südengland. Der Lenker auf der Gegenfahrbahn fährt mit 80 km/h frontal ins Auto der beiden Touristen. «Nach dem Unfall habe ich mein Leben umgekrempelt.» Naz reduziert ihre Arbeit als Webdesignerin. Weg vom Businesserfolgskurs und hin zum Ausleben ihrer Kreativität. Pausen-Bilder und Play-Bilder «In unserer Leistungsgesellschaft funktionieren wir, als ob wir aktiviert würden durch eine Play-Taste. Aber Pausen zum Verschnaufen sind wichtig und wertvoll, sie können Veränderungen auslösen.» Zu diesen beiden Gegensätzen inszeniert Naz Play-Bilder und Pausen-Bilder. Die Play-Bilder sind alle verschwommen, sie zeigen die Geschwindigkeit und die Bewegung. Menschen in Aktivität, fotografiert mit einer verlängerten Verschlusszeit, sind auf dem Bild kaum noch sichtbar. Die Pausenbilder sind scharf, das Innehalten ermöglicht den genauen Blick auf die Dinge. Naz hat drei Fotos für die Weihnachtsausstellung im Centre Pasqu’art eingereicht. Wer sich die Ausstellung in Biel anschaut, findet heraus, ob ihre Bilder dabei sind. Infos: www.na-da.ch

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Bild: Gretlers Panoptikum zur Sozialgeschichte, Zürich

STADT UND LAND

vom wert der arbeit Von Anne-Sophie Scholl - Ein Meilenstein in der Geschichtsschreibung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes ■ Rico kam ein erstes Mal als illegaler Arbeiter in die Schweiz. Später kam er wieder, als Saisonnier. Mittlerweile ist er Gruppenführer in einem Ostschweizer Industriebetrieb und bewohnt mit seiner Familie ein eigenes Haus. Wenn er seine Eltern in Kalabrien besucht und mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in einem grossen Auto vorfährt, wird der soziale Aufstieg deutlich. Den Gewerkschaften in der Schweiz traut er keine grosse Macht zu. Arbeitspolitische Änderungen seitens der Firmenleitung nimmt er hin und fühlt sich in seinem Betrieb gut behandelt. Bei allfälligen Schwierigkeiten, wie beispielsweise rassistischen Sprüchen seitens der Arbeitskollegen, spricht er mit seinem Meister. Auch Sonja ist wenig überzeugt von der Bedeutung der Gewerkschaften: Wie alte, machtlose Nörgeler kommen ihr diese manchmal vor. Sie hat ein ausgeprägtes Unabhängigkeitsbedürfnis und möchte nicht Forderungen und Strategien akzeptieren müssen, die vielleicht gar nicht ihren eigenen Vorstellungen entsprechen. Die 23-Jährige arbeitet neben ihrem Studium bei der Post. Diese Teilzeitstelle hat sie schnell gefunden, nachdem sie wegen Umstrukturierungen ihren früheren Posten bei einer Bank verloren hatte. Maria war einmal zu einer Gewerkschaft gegangen, um sich über ihre Rechte zu informieren und um sich Unterstützung gegen einen Arbeitgeber geben zu lassen. Doch die Gewerkschaft tat nichts. Vielleicht weil ihr die Angelegenheiten einer illegalen Krankenschwester aus Honduras zu riskant waren? Dienstleistungsgesellschaft und neoliberale Arbeitsmodelle In den letzten Jahrzehnten hat die Schweiz einen grossen Strukturwandel durchgemacht. Vor 50 Jahren noch war gut die Hälfte der ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

Bevölkerung im produktiven Gewerbe tätig, heute sind nahezu drei Viertel im Dienstleistungssektor beschäftigt. Mit der Abnahme des Industriesektors schwand das traditionelle Rekrutierungsfeld der Gewerkschaften. Die Arbeitseinheiten im Dienstleistungssektor sind viel kleiner als in klassischen Fabrikhallen und flexible Arbeitszeiten schwächen das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Arbeitenden. Eine individuelle Lebensgestaltung hat gegenüber kollektiven Werten an Bedeutung und Attraktivität gewonnen. Wiewohl wirtschaftlich schwierige Zeiten in den 70er und in den 90er Jahren einen grösseren Bedarf nach Rückhalt in organisierten Arbeitnehmerschaften hätten hervorrufen mögen, reagierten viele lieber mit Angst und Passivität als mit Protest. Die Aktivitäten der Gewerkschaften haben sich von der Mobilisierung auf der Strasse zunehmend auf politische Arbeit verlagert. Viele Anliegen, für die die Gewerkschaften in der Vergangenheit gekämpft haben, sind zudem heute institutionalisiert. Zum Beispiel die Arbeitslosenversicherung: Mit dem Obligatorium Anfang der 80er Jahre sind die Gewerkschaften zu ausführenden Instanzen einer staatlichen Institution geworden. Eine Welt, in der sich der Blick von den Arbeitenden auf Aktionäre und aufs Management verlagert hat, tut aber Not daran, weiterhin für Selbstwert, Würde, Gleichberechtigung, Anerkennung und Gerechtigkeit zu kämpfen. Geschichte und Geschichten Zum 125-jährigen Jubiläum des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes wird die Geschichte der Arbeitenden in der Schweiz von einer Gruppe unabhängiger Historikerinnen und Historiker nacherzählt. Sich ändernde historische Gegebenheiten, struktureller Wandel, neue Herausforderungen und neue Bedürfnisse

zeichnen zugleich auch mehr als hundert Jahre Schweizer Geschichte und zeigen, wie die Ereignisse der Weltgeschichte sich auf den Alltag der arbeitenden Bevölkerung und deren Nöte ausgewirkt haben: Der erste Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise und der zweite Weltkrieg, die wirtschaftliche Hochkonjunktur im Kalten Krieg und die neusten neoliberalen Wirtschaftsordnungen sind die grossen Stationen in dem Buch. In den historischen Bogen eingebunden finden sich klug ausgewählte Geschichten, die den historischen Abriss lebendig werden lassen: Der 14. Juni 1991 beispielsweise, der Tag des nationalen Frauenstreiks, der als eine der grössten politischen Demonstration in die Schweizer Geschichte des 20. Jahrhunderts einging. Oder der Arbeitskampf in der Zentralwäscherei Basel, bei dem es vorab Migrantinnen waren, die sich erfolgreich gegen Lohnkürzungen durchsetzten. Oder die Geschichte von Margarethe Faas-Hardegger, der ersten Arbeitersekretärin des SGB, die für das Glück auf Erden kämpfte. Lebendig werden diese Geschichten auch in den sprechenden Gesichtern auf zahlreichen historischen Aufnahmen, die ebenfalls von mehr als hundert Jahren Arbeit, Armut und Elend aber auch von Zusammenhalt, gemeinsamem Kampf und von Freude erzählen. Vom Wert der Arbeit. Schweizer Gewerkschaften – Geschichte und Geschichten. Mit zahlreichen historischen Aufnahmen. HerausgeberInnenkollektiv: Valérie Boillat, Bernhard Degen, Elisabeth Joris, Stefan Keller, Albert Tanner, Rolf Zimmermann. Bildredaktion: Roland Gretler. Rotpunktverlag 2006.

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REISEZIEL HOTEL

winterzauber im binntal Von Andrea Baumann (Bild: A. Baumann) ■ Zuhinterst im Binntal auf 1398 Metern thront seit 1883 das Hotel Ofenhorn, umringt von Bergen und urtümlichen Walliser Holzhäusern. Das südliche Seitental der Rhone im Goms ist, trotz seiner vermeintlichen Abgeschiedenheit, schon zu Römerzeiten bereist worden und der Albrunpass war damals ein wichtiger Übergang nach Italien. Insgesamt fünf Passübergänge führen in den Naturpark Veglia-Devero im benachbarten Piemont. Nebst 150 Kilometer unterhaltenen Spazier- und Wanderwegen hat das Binntal noch etwas Besonderes zu bieten: Es ist weitum bekannt für seinen Reichtum an Mineralien. Die Fundstelle Lengenbach ist eine der zehn berühmtesten Mineralfundstellen der Welt. Im Hotelprospekt ist zu lesen: «Kommen Sie mit uns auf eine Zeitreise, ins traditionsreiche Hotel Ofenhorn im wildromantischen Binntal. Zimmer, Gänge und Speisesaal atmen noch immer den Geist der Belle Epoque, der Pionierzeit der Hotellerie. Die knarrenden Böden flüstern manch vergessenes Geheimnis». Das tradiditonsreiche Berghotel im Stil der Belle Epoque empfing anfänglich vor allem Engländer als Gäste – darunter auch Winston Churchill. Es gehörte zur guten Ausbildung eines jungen Engländers adeligen Geschlechts, gutbürgerlichen oder akademischen Familien, mit einem Lehrer den Kontinent zu erkunden. Schnell lernten die Reisenden die Schweizer Alpen und Bergseen kennen und lieben und der Reisetipp machte die Runde, so dass immer mehr Touristen im Sommer in die Schweiz reisten. Vor allem die Berggipfel wurden zu beliebten Trophäen und ein Wettkampf um die Erstbesteigungen entflammte. Das Zeitalter des «Fin de Siècle» bedeutete die Booming-Jahre der Schweizer Hotellerie. Hotelpaläste in Städten und Bergregionen schossen wie Pilze aus dem Boden. Und als die Eisenbahn, das Schienen- sowie Strassennetz weiterentwickelt wurden, strömten erlebnishungrige Touristen in Scharen in die Schweiz. Dank der industriell gefertigten Stahlseile bezwangen bald Standseilbahnen und Zahnradbahnen steile Hänge. In den abgeschiedensten Tälern, auf exponiertesten Felsvorsprüngen und Hügeln wurden Hotelpaläste erbaut. 36

Binn blieb während dieser ganzen Bau-Euphorie bescheiden und das Hotel Ofenhorn erhielt keine Konkurrenz. Bedingt durch die geografische Lage war Binn lange Zeit nur ein Sommerort. Erst durch den Tunnelbau in den Jahren 1963/64 wurde die 1936-38 erbaute Strasse wintersicher. Überhaupt hat das Goms eine besondere Tourismusentwicklung im Vergleich zu anderen Walliser Regionen erlebt, da es erst seit der Erschliessung durch die Bahn und den Lötschbergtunnel ganzjährlich zugänglich wurde. Deshalb verfielen einige Gebiete des Goms während mehreren Jahren in einen Dornröschenschlaf, können sich aber heute rühmen, keine Bausünden begangen zu haben. Obschon Binn seit Mitte der 60er Jahre im Winter nicht mehr vom Rest des Tals abgeschnitten ist, konnte sich der Wintertourismus noch nicht manifestieren. Das Hotel Ofenhorn schliesst jeweils die Türen mit Ende der Wanderzeit so Mitte Oktober. Auch die übrigen Übernachtungsmöglichkeiten im Dorf stellen ihre Betriebe über die Winterzeit ein. Ein paar gewiefte Walliser Köpfe waren überzeugt, dass mit einem guten Nischenprojekt auch im Winter Gäste den Weg ins entlegene Binn unternehmen werden. Über Weihnacht/Neujahr 05/06 haben Rita Huwiler, Patricia Meyer und Andreas Weissen den Versuch gewagt, das Hotel Ofenhorn an vierzehn Wintertagen zu öffnen. Der Erfolg war derart gross, dass es rund um den Jahreswechsel 06/07 zu einer Neuauflage kommt. Das Erfolgsrezept lautet «geniessen Sie tagsüber den Winterzauber der verschneiten Landschaft, abends ein piemontesisches Viergang-Menue und zum Abschluss den kulturellen Höhepunkt». Auch dieses Jahr vom 23. Dezember 2006 bis 5. Januar 2007 verspricht der Verein «BinnKultur» mit den «Binner Kulturabenden» eine vielfältige Palette an kulturellen Leckerbissen. Musikalisch wird von Klassik, Jazz, Blues, Rock bis hin zu Folk die gesamte Bandbreite angeboten. Für das Kammermusikkonzert steht das international bekannte Musikdorf Ernen Pate. Es wird aber nicht nur musiziert über die Feiertage; ergänzt wird das Kulturprogramm durch Lesungen, Vorträge, Filme, Bilderausstellungen, Rundgänge und Weinverkostungen. Einblicke in Themen wie das Strahlen

(Kristallsuchen), die Geheimnisse der Pflanzen oder Sagenerzählungen versprechen, Raritäten des Binntals entdecken zu können. Aus Baceno im angrenzenden Piemont stammt der Störkoch Achille Lavazza (nein, nicht der vom Kaffee). Er wird während den zwei Wochen aus heimischen Walliser Bioprodukten piemontesische Rezepte zaubern. Ein Viergang-Menü könnte folgendermassen zusammengestellt sein: Als Antipastio eine Frittata albese, als Primo eine Zuppa di ceci, als Secondo Spezzatino di manzo al Bruschet und als Dolce eine Crostata pere e cioccolato. Nach einem aktiven Wintertag in der verschneiten Landschaft erübrigt sich bestimmt die Frage nach dem gesunden Appetit und so kann jedes Abendessen zu einem lukullischen Festschmaus werden. Tags darauf kann alles wieder kalorienmässig abtrainiert werden, wenn es denn Dionysos ermöglicht. So lassen sich während den vierzehn Tagen im ursprünglichen Walliserdorf Binn Körper und Geist verwöhnen und in Einklang bringen. Anreise/Abreise: Mit dem öffentlichen Verkehr ist Binn ab Brig in einer Stunde erreichbar. Ab Fiesch fährt mehrmals täglich ein Postauto. Sportliche Aktivitäten: Schneeschuhwanderung Winterwandern Ski, Langlauf, Schlitteln Detailliertes Kulturprogramm: www.ofenhorn.ch www.andreas-weissen.ch Wohlfühl-Massagen: Verschiedene Entspannungs- und Heilmassagen Kontakte / Infos: Hotel Ofenhorn, 3996 Binn E-Mail: hotelofenhorn@binn.ch oder info@andreas-weissen.ch Preise: Sehr moderat ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06


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GASTRONOMIE

kneipen-kur für aufsässige eidgenossen Von Jean-Luc Froidevaux (Bild: Jean-Luc Froideveaux) ■ Obschon jemand am Bedienen ist, juckt Kurt zwischen jedem Satz auf, um nach dem rechten zu sehen. Wird er sich von seinem Lebenswerk trennen können? Die Butter in Jäggus Einkaufstasche ändert derweil ihren Zustand ähnlich schnell zum weichen hin, wie er seinen vom nüchternen weg. Er wollte nach Hause, um seine Freundin vom traumatischen Erlebnis der englischen Küche zu therapieren, was ihn aber nicht davon abhält, mit mir über die biologische Determiniertheit des zirkadianen Rhythmus zu rätseln und einen weiteren Pastis zu bestellen. Tris nebenan stochert in einem legendären Eidgenossen-Croque und schildert, wie er im Knast war, weil er das Obligatorische nicht geschossen hat. Interpunktion kennt er bloss, um lautstark durch die langgezogene Kneipe nach einem «Herrgöttli!» zu brüllen. Dies irritiert die drei reifen Szenegänger nicht im Geringsten, die sich in unmittelbarer Flüsterdistanz gegenseitig in lukullischem Geheimwissen überbieten. Der Partyflyer nimmt das KnastMotiv wieder auf: 21 weisse Striche in Fünfergruppen angeordnet auf schwarzem Grund stehen für 21 Jahre «Drei Eidgenossen». Für 21 Jahre Kurt Bürki. Für 21 bewegte Jahre, wie er meint. Wenn er auch nicht den Eindruck macht, diese Jahre abgesessen zu sein, so scheint Kurt doch froh, in den neuen Betreibern Bärni Schluep und Dano Güntert eine stimmige Nachfolge gefunden zu haben. Dano gehört seit vierzehn Jahren zum Team und Bärni arbeitete als Barkeeper und DJ. Die wilden Jahre Eine Dame bittet im Vorbeigehen um eine Nackenmassage und verblüfft die drei Herren tatsächlich eine Nanosekunden lang. Früher wurde auf Tischen getanzt und ein ungrades ensuite - kulturmagazin Nr. 48 | Dezember 06

Mal kam ein schwuler Frisör kaum bekleidet durchs Lokal gelaufen. Besonders zu Zeiten der 80er Bewegung ging es öfters mal recht laut und derb zu und die braunen Holzbänke erstickten unter dem Schwarz der Lederjacken. Da sei er dann mit seiner offenen Haltung bei Leuten angeeckt, denen das zuviel war, meint Kurt. Seither hat das Publikum oft gewechselt. Einige von früher sind selber in die Jahre oder nach solchen wiedergekommen, oder wurden abgelöst von neuen, manch einer auch von seinen eigenen Kindern. Kurt ist geblieben. Und auch, wenn er jetzt geht, bleibt vieles, wie es über die Jahre gewachsen ist. «Mens sana in Campari Soda» würde der national bekannte Herr sagen, der jetzt über die Holzfliesen zu meinen drei Szene-Gourmets stösst. Obwohl diese inzwischen zum Businesstalk gewechselt haben, sind die politischen Fronten in der Rathausgasse noch immer wie man sie stadtaufwärtsblickend wahrnimmt. Die einen im Geist frei, die anderen bloss im Sinn. Angst davor, sich in der Weite des Bewusstseins zu verlieren, kennt man auf dieser Seite jedenfalls kaum, auch wenn Kurt vor drei Jahren aus eigener Intitiative das Kiffen aus den Lauben verwiesen hat. Das neue Team muss noch etwas weiter denken; ab nächsten Sommer gewinnt die Eidgenossenschaft bis zu drei Meter Land in der hohlen Gasse. Die haben mehr als einen sitzen Die beiden Schachspieler am Ecktisch unter der Leinwand, wo Champions-League-Spiele und künftig sonntags auch Musikfilme gezeigt werden, haben sich soeben doch bewegt – ich hielt sie für Raucher-Attrappen zur Steigerung des Gemütlichkeitsfaktors. Ein Rauchverbot würde passen, wie der Sonnenschirm-

ständer ins Hallenbad. Der neue Apéro-Raum mit Billardtisch im 1. Stock zumindest wird aber keinen blauen Dunst von den zwei hübschen ParisienneRaucherinnen am Nebentisch haben. Ich taxiere sie als Ethnologinnen im dritten Semester, nicht nur des Gesprächsthemas wegen: radikaler Konstruktivismus. Es hänge stark vom Personal ab, wer sich hier wohl fühle, meint Kurt. Er habe seinen Angestellten immer viel Freiraum gelassen und einige davon führen heute selber Lokale, wie «Les Amis», «Soleure» oder «Schütti». Bei Einzelnen sei halt dann schon bereits nachmittags um fünf die Party voll abgegangen. «Here Comes Pissy Willy» verkünden derweil «Fila Brazillia» aus den Boxen, aus welchen künftig freitags vermehrt gerockt wird. Wie in den Anfängen sind auch wieder kleinere Konzerte geplant – akustische Bands, Singer-Songwriter, vielleicht einmal eine Lesung. Ansonsten wird sich wenig ändern. Bärni und Dano haben sich ja schon bis anhin wohl gefühlt. Max versucht wieder einmal seine Kunstwerke zu verkaufen. Vielleicht bezahlt ihm ja die dunkle Hornbrille, die von der Rinderzucht in Argentinien schwärmt, einen Zweier Barolo? Jäggu wiegt die Butter nochmals in der Hand als prüfe er, ob die Zeit zum Aufbruch gekommen sei. Der Aufbruch in eine neue, alte Kneipe, wo die vielfältigsten Leute sich noch zu dir an den Tisch setzen und mit dir sprechen. Nähe und Auseinandersetzung anstelle durchstrukturierter Erlebnisgastronomie. Eine kleine Kneipe mit grossem Umfeld. Restaurant Drei Eidgenossen an der Rathausgasse, es geht gleich weiter: Ab 1.1.2007 17:17 h mit neuem, altem Team. 37


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LESERBRIEFE leserbrief@ensuite.ch Das Museum als Abschreibungsmodell Thema: museum franz gertsch ■ In Zeiten, in denen Hedge-Fond-Manager sich um Kunstwerke der klassischen Moderne bei den Auktionshäusern Christie’s und Sotheby’s absurde Bietergefechte in dreistelligen Millionenbereich liefern, sollte es längst deutlich geworden sein, dass es bei Kunst oft nicht um Kunst, sondern vor allem um Geld geht. Ein neues, allerdings erschreckendes Beispiel ist der «Fall Burgdorf». Die Demontage des Franz-Gertsch-Museums und seines Direktors offenbart in schockierender Weise das Ausmass eines Turbo-Kapitalismus. Waren bisher «nur» einzelne Werke der Kunst der Willkür des Geldes ausgesetzt, wurde jetzt ein ganzes Museum, samt Sammlung, Stiftung und Ankaufsetat einfach vom Tisch gekippt wie ein Glas Wasser. Das museum franz gertsch hatte der Unternehmer Willy Michel vor vier Jahren als öffentliches Haus, mit Hauptwerken von Franz Gertsch, einer angeschlossenen Galerie und einem international ausgerichteten Ausstellungsprogramm eröffnet. Die Skrupellosigkeit, mit der derselbe Unternehmer jetzt seine musealen Ambitionen wieder über Bord geworfen hat, entspricht ganz der Logik eines Börsendenkens, das allein auf Kauf und Verkauf von Warenwerten fokussiert ist. Von einem Tag auf den anderen wurde dem Direktor des Museums gekündigt, das Sammeln eingestellt und das Ausstellungsprogramm abgesagt. Anlass für die Demontage, so darf man vermuten, ist die Umwidmung des privat gelenkten Museums in eine Stiftung, die ab Januar 2007 in Kraft treten soll. Dies nämlich würde bedeuten, dass das Museum dem Zugriff des Unternehmers entzogen wäre. Der Direktor wäre nur noch dem Stiftungsrat, nicht dem Unternehmer selbst verpflichtet. Also hat Willy Michel seinen engagierten Direktor Reinhard Spieler, der Topkünstler wie Gerhard Richter nach Burgdorf brachte und dem Namensgeber des Museums, Franz Gertsch, eine viel beachtete, europaweite Retrospektive einrichtete, zum Jahresende gekündigt. Lapidare Begründung: «Die Chemie habe nicht gestimmt.» Die Leitung wurde mit sofortiger Wirkung einem Verwaltungsjuristen übertragen, das künstlerische Programm einer Volontärin anvertraut. Vereinbarte Projekte, wie etwa eine mit der Nationalgalerie Berlin gemeinsam geplante Sugimoto-Schau, werden nicht weiterverfolgt. Kaltblütig wurde eine öffentliche Institution, die kulturelle Werte vermittelt, wie ein Computer heruntergefahren. Am Ende hat Willy Michel, ironisch gesehen, sich nur wie ein guter Unternehmer verhalten: viele Steuern gespart und grosse Kapitalwerte angehäuft. Der «Fall Burgdorf» markiert damit einen neuen Tiefpunkt in der Wirtschafts38

kultur Europas: Aus Sicht des Geldes scheint die Institution Museum nur noch ein Finanzobjekt, ein Abschreibungsmodell zu sein – mehr nicht. Dr. Joachim Jäger Museum für Gegenwart, Berlin

Mehr Respekt bitte! Gefordert von Heinrich Gartentor Thema: museum franz gertsch ■ Ich war der wohl grösste Fan des museums franz gertsch. Nicht nur weil ich Direktor Reinhard Spielers Ausstellungsprogramm sehr schätzte, sondern weil Willy Michel ohne Staatsbeteiligung Grossartiges hat wachsen lassen. Liebend gerne hatte ich darauf aufmerksam gemacht, dass der Klee-Zentrum-Stifter einfach einen grossen Bau hingestellt hat, um dann die Betriebskosten zu verstaatlichen - im Gegensatz zu Michel, der auch gleich diese stets übernommen hatte. Liebend gerne hatte ich darauf hingewiesen, dass ich vermehrt Zeitgenössisches gefördert haben möchte und Willy Michel fördert mit Gertsch einen Zeitgenossen. So stellte ich mir Mäzene vor: volles Risiko für die zeitgenössische Kunst. Arrivierte Tote zu huldigen ist zwar auch ehrenwert, aber eben auch «e chli gäbig», weil man nicht viel falsch machen kann. Ich hatte öffentlich mehr Gertsch und weniger Klee gefordert. Ich ging soweit, dass ich in der Vernehmlassung zum neuen Kulturfördergesetz steuerliche Erleichterungen für Mäzene forderte, welche zeitgenössisches Schaffen fördern - immer mit dem Hinweis, dass ich nicht verstünde, wieso Willy Michel das Geld, das er der Kultur zur Verfügung stelle, erst versteuern müsse. Ich sagte auch immer, die steuerliche Begünstigung sollte ausschliesslich fürs zeitgenössische Kunstschaffen gelten, da für dieses mit Abstand am wenigsten Geld zur Verfügung stünde. Ich erklärte unermüdlich, dass davon vorallem die Off-Szene profitieren würde, ich führte aus, wie das in Deutschland bereits ansatzweise funktionierte. Und so weiter. Nun kommt Willy Michel und stellt nicht nur Spieler das Bein, indem er eine Gangart wählt, die in der Kultur nichts zu suchen hat: Direktor entlassen, ihm sieben Stunden Zeit geben, das Büro zu räumen und als Grund die Neuausrichtung des Museums angeben. Willy Michel stellt auch dem gesamten Mäzenatentum ein Bein. Dieses wird nicht ungeschoren aus der Affäre herauskommen. Man wird sich in Zukunft stets die Frage stellen, wo der Hund begraben liege, dass jemand sich als Mäzen betätige. Man wird in Zukunft wohl immer am Negativbeispiel Gertsch-Museum gemessen werden. Willy Michel stellt insbesondere Franz Gertsch ein

Bein, denn Gertsch kann sich zur Affäre «GertschMuseum» nicht äussern. Gertsch ist Michel ausgeliefert. Sagt er etwas gegen Reinhard Spieler, gefährdert Gertsch seinen Ruf. Sagt er etwas gegen das Museum, gefährdet er das Museum. Was tut Willy Michel? Er versucht die Affäre auszusitzen und bezieht keine Stellung. So geht das nicht. In Anbetracht dieser befremdlichen Umstände ist es meine moralische Pflicht, als Kulturminister Stellung zu beziehen und eine Petition zu lancieren, die mehr Respekt fordert. Diese Petition bitte ich zu unterzeichnen. Man soll sich nicht alles bieten lassen. Also: www.mehrrespekt.ch Heinrich Gartentor ist Künstler, Autor und Kulturminister der Schweiz.

Thema: Kulturberichterstattung Tacheles-Veranstaltung vom 21. November 2006 ■ Gute Kulturberichterstattung lebt in der Tat von Persönlichkeiten, die eine Position und eine Linie haben, aber auch von einem Konzept. Denn ein Kulturressort einer Zeitung mit lauter Persönlichkeiten, die alle eine andere Vorstellung von der Funktion der Kulturberichterstattung haben, entfaltet eine chaotische Wirkung. Darum ist ein Konzept nötig: Was ist unsere Rolle? An wen richten wir uns? Wie sichern wir unsere Unabhängigkeit? Es sollte beispielsweise nicht die Rolle eines Literaturchefs einer Kulturredaktion sein, dass er sich für wichtiger und bedeutender als sämtliche Dichter und Schriftsteller aller Zeiten hält. Und: Die Kulturberichterstattung sollte sich nicht in erster Linie an die Kulturveranstalter adressieren, also an die Intendanten, Kuratoren, Ensembles, Künstler, sondern an das kulturräsonnierende und kulturkonsumierende Publikum; in zweiter Linie aber auch an die Kulturveranstalter, und zwar durchaus mit einem kritischen Ansatz. Schliesslich: Die Kulturberichterstattung sollte sich durch die Kulturinstitutionen nicht korrumpieren lassen. Nähe zu den Kulturveranstaltern ist zwar wichtig, damit die Medienschaffenden auch verstehen, was deren Intentionen sind, aber Nähe darf nicht in Komplizenschaft umkippen. Roger Blum Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Universität Bern

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John M Armleder Furniture Sculpture 45, 1983, gouache, peinture acrylique sur toile et coiffeuse Coll. Daniel Varenne. ©Mamco, Genève – Photo I. Kalkkinen, Genève Aus der Ausstellung «John M Armleder» im Mamco, Genf


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Welches Möbel hätten Sie denn gern? John M Armleder. Amor Vacui, Horror Vacui Mamco. Musée d’art moderne et contemporain, Genf, 10, rue de Vieux-Grenadiers. Geöffnet Dienstag bis Freitag 12:00-18:00 h, Samstag und Sonntag 11:0018:00 h. Bis 21. Januar 2007.

■ John M. Armleder, 1948 in Genf geboren, hinterlässt seine performativen, flächendeckenden und raumgreifenden Spuren in der künstlerischen Landschaft der Schweiz seit nun schon fast vierzig Jahren. Zweifelsohne ist er einer der wichtigsten zeitgenössischen Künstler unseres Landes. Sylvia Rüttimann Über mangelnde Ausstellungspräsenz konnte er sich daher bis jetzt kaum beklagen – in den letzten drei Jahren hat er an mindestens achtzig Gruppenausstellungen teilgenommen. Die Einzelausstellungen hingegen halten sich in Grenzen. Da war zwar 1986 seine Teilnahme an der Biennale in Venedig, 1993 gab es in der Wiener Secession eine Überblicksausstellung und fünf Jahre später folgte die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden. Aber erst jetzt widmet ihm das Genfer mamco eine Retrospektive seines Schaffens, lässt den Künstler aber auch gleich selber kuratieren. Über vier Stockwerke und dreissig Räume breitet sich nun sein Werk aus. Dass man sich ein wenig wie in einem Einrichtungsgeschäft vorkommt, kommt nicht von ungefähr. Denn Möbel haben es dem Mann mit dem langen Zopf seit jeher angetan. «Furniture Sculptures», kurz «FS», nennt sich denn ein wichtiger Teil seines Werks. Nicht wenig hatte man wohl gestaunt, als Armleder 1979 einen Stuhl, dessen abgesteppte Lehne er zur Hälfte Weiss bemalt und mit einem feinen diagonalen Strich versehen hatte, als seine erste Möbelskulptur vorstellte. Auf jeden Fall staunte auch die Teilnehmerin einer Führung im Mamco, als sie mit Armleders Kunst der Appropriation, wohl zum ersten Mal in Berührung kam. Sie tat dies der Kunstführerin auch gleich mit einer kritisch-fragenden Bemerkung kund. Es sei leichter sein Werk zu verstehen, wenn man sich in der Kunstgeschichte auskenne, antwortete diese. In der Tat, wie bei vielen zeitgenössischen Künstlern, aber gerade

bei ihm, ist man gut bedient, wenn man weiss, worauf sich die Werke beziehen. Denn Armleder macht klare Bezüge zur Moderne, indem er erstens ihr Formenvokabular gebraucht, und zweitens sich aus dem Fundus von modernistischen Möbeln bedient und diese als Materialien seiner Kunst verwendet. Daher sein Stuhl mit bemalter Lehne, mit dem es ihm gelang die Kunstgeschichte zu kommentierten und gleichzeitig weiterzuführen. Seitdem ist er daran, sich Vorgegebenes anzueignen, zu verwandeln und weiterzuentwickeln, und dies auf eine so wohltuend spielerische, ironische, subversive Art und Weise, dass man sich oft das Schmunzeln nicht verkneifen kann. Denn wem kommt es schon in den Sinn, modernistische abstrakte Gemälde aus mehreren farbigen Tischen, elektrischen Gitarren oder verspiegelten Plexiglaskugeln zusammenzustellen? Aus Skateboards und Kleidern? Armleder hat es getan. So trifft man beim Gang durch die vier Stockwerke des mamco auf ein von weitem als flach erscheinendes Bild, das aus einer roten, gelben und blauen und mehreren braunen und grünen Farbflächen besteht. Beim Nähertreten realisiert man, dass es ein Objekt ist, bestehend aus jenen unsäglichen Fünfziger-Jahre-Tischen, wie sie noch in manchen Wohnungen vorzufinden sind. Armleder scheut sich nicht, mit Objekten zu «malen» und somit gründlich mit den puristischen Regeln der Moderne zu brechen. Denn diese sah ein Vermischen von «high» und «low», Malerei und Skulptur eigentlich nicht vor. Armleder agiert hier sehr ungezwungen, ganz nach der Devise der Vermischung von Kunst und Leben. Und doch sind seine Installationen geprägt von einem Sinn für Komposition, sind eigentümliche Mischungen aus modernistischer, ja minimalistischer Form und dem Alltag entlehnter, billiger und massentauglicher Materialien. Dies kommt nun vor allem in den vom Künstler speziell eingerichteten Räumen des Mamco zur Geltung.

Durch die kann man genüsslich wandern und sich immer wieder von einer neuen «Einrichtung» und einer neuen Atmosphäre überraschen lassen. Und das ohne auf eine kunsthistorische, chronologische Ordnung seines Werks achten zu müssen, den diese gibt es nicht. Die Räume verbreiten eine intensive Stimmung unter anderem dadurch, dass der Künstler seine Objekte nicht nur speziell anordnet, sondern gleich auch noch die Wände einer Umwandlung unterzieht, indem er sie einerseits mit Stoff, Watte oder Folie einkleidet oder mit Motiven wie Quallen bedeckt. So befindet sich sein Möbelobjekt bestehend aus einem Betonquader, einem Tisch und einer Harfe zusammen mit einer Bildinstallation in einem Raum, der ganz mit flauschigem, an einen Flokatiteppich erinnernden Material überzogen ist und eine Stimmung von siebziger Jahre gepaart mit minimalistischem Barock verbreitet – oder so ähnlich. Ein anderer Raum weist eine dunkle gefältelte Stofftapete mit Rüschenabschluss auf, darauf hängen drei Tupfenbilder Armleders. Zwei stecken in alten Rahmen und erwecken so den Eindruck, älteren Ursprungs zu sein und von einem anderen Künstler zu stammen. Zusammen mit der an eine Sargeinfassung erinnernden Tapete könnte man denken, hier trage jemand den Modernismus zu Grabe. Aber dann ist da der ganz neu entworfene Raum mit waagerecht angeordneten Neonröhren, die den ganzen Raum von unten nach oben überziehen, der wiederum Assoziationen an Minimalismus weckt. Das Licht springt von der einen Röhre zur anderen und so den Wänden entlang nach oben. Es ist nicht fassbar und daher schon fast ein wenig eine Metapher für Armleders Kunst, die, wie der Künstler einst selbst gesagt hat, nicht an Bedeutung interessiert ist. Oder vielmehr: Der Besucher schafft sich seine eigene Bedeutung. Dies ist definitiv eine Reise nach Genf wert.

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Fiktionen der Wirklichkeit ■ «Wie hat das bloss passieren können?», wird sich schon manch einer gefragt haben, der bereits einmal Opfer eines Taschendiebstahls geworden ist. Hätte man besser Acht geben sollen? Wäre nicht etwas zu bemerken gewesen? Angesichts des Videos «L’ école des pickpockets» des belgischen Künstlers Sven AugustijSylvia Mutti nen wird man jedoch unweigerlich zum Schluss kommen, dass Taschendiebstahl eine höhere Kunst ist, die ihre Ästhetik des Verschwindens bis zur Perfektion versteht. In einem kuriosen Seminar weist ein Meisterdieb seine Schützlinge in die Geheimnisse des perfekten Diebstahls ein, und das in einer Fingerfertigkeit, die jegliche negative Konnotation gegenüber dem frevelhaften Treiben schwinden lässt und man fasziniert zuschaut, wie den «Opfern» trickreich die Taschen gelehrt werden. Beeindruckend ist, wie die Wahrnehmung der zu Bestehlenden mit kleinen Gesten immens manipuliert werden kann, so dass ihnen im vollen Bewusstsein darüber, dass ihnen etwas entwendet wird, keine Chance bleibt, die Diebstähle zu verhindern. Ihr Fühlen, Hören, Sehen und Denken scheint sich nicht gleichzeitig abzuspielen, eine Tatsache, der sich Augustijnens Meisterdieb bedient und damit demonstriert, wie unsere Wahrnehmung beschaffen ist, nämlich äusserst selektiv. Die Ausstellung «Éclipses du Réel» im Fri-Art Centre d’ Art Contemporain in Fribourg beschäftigt sich in vier Installationen zeitgenössischer Künstler mit der Wahrnehmung von Realität, deren Grenzen oder das unmögliche Vorhaben, die Wirklichkeit überhaupt umfassend darstellen, aufnehmen und empfinden zu können. Die Konzentration auf vier Einzelpositionen ist lohnend und lädt ein, sich mit der Vorspiegelung falscher Tatsachen und dem Vertrauen der Umwelt gegenüber vertieft auseinanderzusetzen. Zwischen verstörender Beklemmung, geschärften Sinnen, verspieltem Ernst und hintergründig Vordergründigem lassen die vier Kunsträume die eigene Wahrnehmung an sich selbst ergrünartensuite | Dezember 06

den und sie zugleich auch wieder in Frage stellen. In seiner interaktiven Installation «Theatrum mundi» lässt Peter Aerschmann zwei Welten aufeinanderprallen: Auf der einen Seite der Projektion eröffnet sich eine simple, alltägliche Kulisse mit banalen Protagonisten, ein kleines Universum zusammengesetzt aus Versatzstücken und kulissenhaft ineinander geschoben. An der gegenüberliegenden Wand findet sich die grosse Welt in Form von Zeitungsausschnitten, Schlagzeilen und Fotografien als Gegenstück zur Alltagsrealität. Meldungen und Bildinformationen werden hier zu einem Puzzle verdichtet, das im ganz wörtlichen Sinn ein Bild der Realität abgibt. Aerschmann gestaltet die Welt im Fokus eines runden Lichtkegels, während links und rechts davon alles im schwarzen Umraum verschwindet und in der Dunkelheit dem Vergessen preisgegeben wird. Was der Lichtkegel nicht erfasst, was nicht in den Medien stattfindet, ist nicht präsent und existiert dennoch, weit weg von der Kenntnis des einzelnen, dessen Blick nur ein Fragment, einen Ausschnitt aus dem Ganzen erhaschen kann, das für seine eigene kleine Welt vielleicht gar nicht so sehr wesentlich ist, wo alles seinen gewohnten Lauf geht und der dokumentarische Anspruch sich auflöst. Die Massenmedien beanspruchen diesen gleichwohl, funktionieren im Grossen allerdings nicht weniger fragmentarisch als die Welt im Kleinen. Auf Knopfdruck lassen sich beide Seiten ganz einfach wegzappen zu einer anderen Szenerie, einem anderen Ausschnitt, einer anderen Fiktion von Realität. Ebenfalls im Schwarzraum lässt Ryan Gander unsere Sinne an ihre Grenzen stossen. Nur langsam gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit und erblicken einen Fernseher, der zweckentfremdet mit der Bildfläche gegen die Wand in einem Halo aus Farben zu schweben scheint. Das gesendete Testbild hat keinen Informationsgehalt und gerät an der Wand als Projektionsfläche zu einem auratischen Schein. Eine weibliche Stimme aus dem Off lädt das abwesende Bild mit ganz persönlich gefärbten Erzäh-

lungen auf, aus denen offensichtlich wird, dass ein vermitteltes Bild niemals gelebtes Leben ersetzen kann, dass die Erinnerung sich aber auch auf einzelne herausragende Ereignisse konzentriert. Abwesendes Bild, Ton und der schwarze Raum sind Fragmente unterschiedlicher Ebenen, die in der Betrachterrealität zu einem eigenen Kino im Kopf zusammenkommen. In Marco Polonis All-over-Installation «The Desert Room» wird der Betrachter gar zum Eindringling, der sich in einem fremden Hotelzimmer umschauen darf. Während der Ventilator leise surrt, der Computer läuft und im Fernseher ein arabischer Nachrichtensender plärrt, stehen die modernen Fenster zur Welt weit offen. Doch der tatsächliche Ausblick aus dem Fenster des kargen Hotelzimmers wird durch schwarze Vorhänge verwehrt. Obwohl Poloni für seine Installation auf eine filmische Vorlage zurückgreift, gewinnt sie vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Geschehnisse im Nahen Osten eine beklemmende Realität. Nicht selten werden Artikel für Printpublikationen im Hotelzimmer verfasst, ohne dass der Journalist je einen Fuss in die Umwelt gesetzt hätte. Die Informationen dazu stammen aus dem Internet und dem TV. Eine mehrfach vermittelte Wirklichkeit wird dabei zu einer eigenen Story, zu einer weiteren Realität, die an einem medialen Ort stattfindet und mit dem journalistischen Anspruch der Vermittlung von realen Geschehnissen kaum mehr etwas gemein hat. Poloni lässt den Betrachter an einer Geschichte teilhaben, in der die Hauptfigur abwesend ist und befördert uns an ihrer Stelle in eine Situation, in der man zugleich passiver Zuschauer und aktiv Handelnder wird: Wenn man sich selbst im Computerbildschirm von hinten an eben diesem sitzen und hineinstarren sieht, wird die Realität im gleichen Augenblick zu ihrer eigenen Fiktion, die über Vermittlung durch ein Medium und einen veränderten Blickwinkel entsteht. Gleichzeitig beschleicht einen das leise Unbehagen, im leeren Zimmer beobachtet zu werden und sei es nur durch sich selbst.

Éclipses du Réel Fri-Art Centre d’ Art Contemporain, Petits-Rames 22, Fribourg. Geöffnet Dienstag bis Freitag 14.00-18.00 h, Donnerstag 18.00-20.00 h, Samstag und Sonntag 14.0017.00 h. Bis 24. Dezember.

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Albrecht Dürer Adam und Eva, 1504, Kupferstich, 251 x 190 mm Hieronymus im Gehäus, 1514, Kupferstich, 242 x 185 mm Das Männerbad, um 1496/97, Holzschnitt, 384 x 278 mm Kunsthaus Zürich, Grafische Sammlung

Schwarz auf weiss, aber… Dürer. Meisterstiche. Schenkung Landammann Dietrich Schindler Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1. Geöffnet Dienstag bis Donnerstag 10:00-21:00 h, Freitag bis Sonntag 10:0017:00 h. Bis 21. Januar 2007.

■ Ein träumender Doktor, ein geharnischter Reiter in Begleitung von Tod und Teufel, muskulöse Männer in einem Wildbad, ein bibelübersetzender Kirchenvater in der Studierstube, der leidende Christus, nackte Frauen bei mystischen Ritualen, apokalyptische Offenbarungen, heilige Familien in idyllischen Umgebungen, kämpfenMonique Meyer de Meergötter… Die Aufzählung der Bildmotive, die Albrecht Dürer (14711528) in seinem grafischen Œuvre umsetzte, könnte um ein Vielfaches fortgesetzt werden. Zu Bestaunen gibt es eine Auswahl seiner grandiosen Kupferstiche und Holzschnitte im Kunsthaus Zürich. Die 55 ausgestellten Blätter entstammen der Sammlung des Landammann Dietrich Schindler (1795-1882), die bereits seit Kriegsende als Leihgabe im Kunsthaus Zürich aufbewahrt und im Jahr 2000 von seinen Nachkommen dem Kunsthaus als Schenkung übergeben wurde. Schindlers Ziel war es, das grafische Werk Dürers möglichst vollständig und in bester Qualität zu besitzen. Die Sammlung, die sich als eine der besten Dürer-Sammlungen der Schweiz rühmen darf, umfasst denn auch fast das ganze Kupferstichwerk und einen Drittel der Holzschnitte (insgesamt 230 Blätter). Die aktuelle Ausstellung präsentiert neben den drei sogenannten Meisterstichen auch magistrale Blätter, die den neuartigen Umgang mit dem Körper thematisieren. Die Beschäftigung mit der Darstellung der

anatomischen Figur nach Regeln und Gesetzen verschriftlicht Dürer ab 1500 in den «Proportionsstudien», wofür er Vitruvs Werke intensiv studierte, umsetzte und weiterentwickelte. In dieser «Projektphase» kann der «Adam und Eva»-Stich (1504) als Produkt intensiver Auseinandersetzung mit Anatomie, Geometrie, Ikonografie und Symbolik gelten. Aber bereits früher interessierte sich Dürer für die Darstellung des nackten Körpers. Oft wird dieses Interesse mit seiner ersten Italienreise in Verbindung gebracht, wo er mit der Kunst der italienischen Renaissance, u. a. mit derjenigen Andrea Mantegnas, in Berührung kam, was ihm für seine künstlerische Weiterentwicklung entscheidende Impulse gab. Der Holzschnitt «Das Männerbad» (um 1496/97) entstand kurz nach dieser Reise, das Ambiente und die Körpertypen wirken – abgesehen von einigen Details – aber eher unitalienisch. Dass Dürer hier den Holzschnitt wählt, den er sonst grösstenteils für religiöse Darstellungen benutzte, dürfte mit dem Anliegen, dieses Medium sozial und künstlerisch aufzuwerten, begründet werden. Die Aufwertung des Holzschnitts gehörte denn auch unbestritten zu Dürers epochalen Leistungen; es gelang ihm, den Holzschnitt durch künstlerische Emanzipation und anspruchsvolle Reproduktionstechnik dem Kupferstich ebenbürtig zu machen. In den «Apokalypse»-Blättern (1498) wird eindrücklich sichtbar, wie Kontur und Schraffierung Träger von Licht und Schatten werden, der Raum insgesamt lesbar wird. Dürer

schaffte es, die Linie derart zu verfeinern und zu beleben, dass sie wie im Kupferstich an- und abschwellen kann. Flächen, Formen und Materialien werden plastisch und «fühlbar», Tiefendimensionen realistisch, feine Hell-Dunkel-Abstufungen durch Parallel- und Kreuzschraffuren machen eine nachträgliche Kolorierung überflüssig. Mit den drei Meisterstichen «Der Reiter», «Hieronymus im Gehäus» und «Melencolia I» aus den Jahren 151314 erreichte Dürer den Höhepunkt seiner Kupferstecherkunst. Mit dem viel beschriebenen «graphischen Mittelton» konnte er den vom Weiss des Papiers getrennten Grundton ins Helle und Dunkle steigern und dem Bild eine atmosphärische Dynamik verleihen. Die scharf und präzis gestochenen Kupferplatten bewirken eine zart modellierende, malerische und realistische Wirkung. Oft als Trilogie betrachtet, bestechen die drei einzigartigen Kunstwerke auch heute noch durch ihre anspruchsvollen, intellektuellen Bildinhalte, die moralische, theologische und humanistische Werte und Ideen transportieren. Die kleine, aber überaus feine und gelungene Ausstellung schafft es, dem Besucher das immense druckgrafische Œuvre Dürers kompakt und übersichtlich zu vermitteln. Die Blätter erfreuen den Laien wie auch den Kenner, sie vermögen in ihrer stupenden künstlerischen und technischen Brillanz immer aufs Neue zu faszinieren.

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Jeanne Chevalier - Rencontre en mots et en images

TROU ■ Seit 1979 erscheint das Kunstmagazin TROU in Moutier. Gerade ist die 16. Ausgabe dieses Magazins, das einen etwas anderen Weg beschreitet, erschienen. Das Konzept ist auch in der aktuellen Nummer gleich geblieben, so dass inzwischen über achtzig Kunstschaffende ein Organ gefunden haben, um ihre Arbeit einem interessierten Publikum näher zu bringen. Kunstschaffende aus allen erdenklichen Sparten, von Malern über Schriftsteller, von Fotografen über Musiker bis hin zu Architekten, sind im Magazin aufgenommen. Sie erhalten beinahe freie Hand in dem, was sie präsentieren, nur die Seitenzahl ist beschränkt. Als besonderes Schmanckerl sind die im Magazin präsentierten Werke fast durchgehend unveröffentlicht. Der Leser betritt also Neuland und kann auf eine kleine Entdeckungsreise gehen. Über die Jahre und Jahrzehnte ist eine erlauchte Namensliste zusammengekommen: Anne Cuneo, Bram van Velde, Meret Oppenheim, Rolf Iseli, Samuel Buri, Rémy Zaugg oder Mario Botta, um nur ein paar zu nennen. Die 16. Ausgabe vereinigt wieder fünf kreative Köpfe aus unterschiedlichsten Bereichen. Ivan Theimer, geboren 1944 in Mähren, lebt als Maler, Bildhauer, Zeichner und Designer für Kostüme und Dekors in Paris. Er präsentiert in TROU seine Skizzen und Ideen zu einer «Don Giovanni»-Insartensuite | Dezember 06

zenierung in Göteborg aus dem Jahr 2003. Es sind Szenenbilder, die von Theimers ganz eigener Vision der Inszenierung zeugen. Kein historisches Bühnenbild ist zu sehen, sondern ein auf geometrische Elemente reduziertes mit wiederkehrenden Motiven wie Skeletten oder maskenartigen Gesichtern. Die aus Moutier stammende Jeanne Chevalier (1944 geboren) lebt und arbeitet in Spanien und der Schweiz. Sie ist bekannt für ihre Foto- und Textreportagen, die in zahlreichen Büchern publiziert wurden. Für TROU wählte sie unter dem Titel «Le silence de la vie» Fotografien und Texte aus, die im Rahmen einer Begegnung mit der holländischen Künstlerin Romualda in Andalusien entstanden sind. Es ist ein stilles Porträt der Künstlerin, das von den Werken, von der Umgebung in Andalusien und natürlich von der Künstlerin selbst erzählt. Der Schriftsteller François Beuchat ist 1945 in Biel geboren. Seit 1990 arbeitet er an einem inzwischen über 8000 Manuskriptseiten umfassenden Werk, das zwar ein einziges Werk darstellt, aber aus kurzen unabhängigen Texten besteht. Ebenfalls aus Moutier stammt Bernard Philippe (1947 geboren), der als Maler, Bildhauer und Grafiker arbeitet. Er durchsucht die Realität, um gewisse ihrer Aspekte aufzudecken und gleichzeitig damit andere zu maskieren. In TROU erscheinen

Monotypien von Philippe, in denen er sich auf bekannte Werke der Renaissance bezieht. Er schlägt damit eine neue Richtung in seinem Schaffen ein. Indem er die Originalwerke auf ihre zentralen Figuren reduziert, diese zudem nur in groben Linienformen umreisst, führt er die Formen beinahe zur Abstraktion und zeigt die Motive und Figuren in einem neuen Licht. Last but not least der 1927 in Brüssel geborene Grafiker und Bildhauer Pierre Alechinsky. Nach einem Studium der Buchillustration und Typografie war Alechinsky Mitglied der Künstlergruppe CoBra. Für TROU machte er Tuschzeichnungen und Aquarelle, die er auf Registerpapier eines Pharmazeuten aus dem Jahr 1903 gemalt hat. Immer wieder hat Alechinsky auf alten Papieren wie Quittungen oder historischen Landkarten gearbeitet. In expressivem Pinselstrich und reduzierter Palette malt Alechinsky Figürliches über die Zahlen und Listen des historischen Papiers, die aber immer sichtbar bleiben. Wie die kurzen Einführungen zeigen, präsentiert auch das aktuelle TROU einen vielfältigen Blick auf das Kunstschaffen der Gegenwart und bleibt seiner interdisziplinären Sicht treu. (di)

Erhältlich in gut sortierten Buchhandlungen oder unter www.trou.ch.



Kunst im Buch Geheimwissen

Nervensystem

■ Vor gut fünf Jahren sorgte die Publikation «Geheimes Wissen» für Aufregung in der Kunstwissenschaft. Da kam ein Maler – David Hockney (*1937) – und wollte die Kunstgeschichte auf den Kopf stellen. Seine These lautete, dass ab dem frühen 15. Jahrhundert zahlreiche Maler auf optische Hilfsmittel zurückgegriffen haben, Hilfsmittel wie Linsen, Spiegel oder Apparaturen wie der Camera obscura oder der Camera lucida. Detailtreue Porträtzeichnungen von Ingres in der National Gallery London weckten Hockneys Interesse: Wie konnten die schnell ausgeführten Zeichnungen so detailliert sein? Doch nur mit Hilfsmitteln, die ein schnelles aber präzises Skizzieren erlaubten. Dies war der Ausgangspunkt für seine Spurensuche. Seine ersten Hinweise versuchte Hockney direkt an den Bildern mit Beweisen – oder Indizien? – zu belegen. Dieser Detektivarbeit widmet sich der erste Teil der Publikation. Meist ist dies äusserst spannend, teils sind es dann doch zu viele sich wiederholende Erkenntnisse, die uns Hockney an immer neuen Werken vorsetzt. Häufig vermisst man eine tiefergehende Beweisführung, da Hockney immer bei der direkten Anschauung bleibt und nie versucht mit Quellenmaterial (z. B. Inventarlisten der Künstler) seine Indizien zu stützen. In einem zweiten Teil hat Hockney schriftliche Quellen zu optischen Hilfsmitteln und deren Geheimhaltung zusammengetragen. Die Briefe und Notizen, die während seinen Forschungen entstanden sind, sind in einem dritten Teil festgehalten. Hier kommen auch kritische Stimmen gegen Hockneys These zu Wort. Jetzt ist die packende, aber auch mit Vorsicht zu geniessende Publikation in einer erweiterten und günstigen Sonderausgabe bei Knesebeck wieder käuflich zu erwerben. Spannend. (di)

■ In einer Zeit, in der die Kunstschaffenden die Abstraktion auf Händen trugen, auf dem Höhepunkt des abstrakten Expressionismus, da widmete sich Francis Bacon (1909-1992) einer figurativen Malerei ohne anekdotisch-erzählerische Momente, einer Malerei, die sich auf das Physische des menschlichen Daseins konzentriert. Zu Beginn noch stark vom Surrealismus und von Picasso geprägt, suchte Bacon – orientiert an seinem «Nervensystem» und dem Unbewussten – nach einem neuen Realismus, keinem Neuerfinden der Wirklichkeit, vielmehr nach einer neuen Darstellungsform der Wirklichkeit: «Grosse Kunst besteht immer darin, das sogenannte Faktische, das, was wir über unsere Existenz wissen, zu verdichten und es in einem neuen Licht erscheinen zu lassen – eine Neu-Zusammenfassung», wie es Bacon in einem Interview von 1973 ausdrückte. So entstehen bis zur Unkenntlichkeit verzerrte menschliche Körper, in Agonie entstellt zu grotesken ineinander verschlungenen Formen, Darstellungen von fratzenhaften und schreienden Gesichtern. Kein Wunder, dass viele Betrachter Bacons Werke mit Brutalität und Gewalt in Verbindung bringen und entsetzt wie auch schockiert sind. In Zitaten wie «the violence of the real» oder «the brutality of fact» schafft Bacon diese Verbindung selber. «Die Gewalt des Faktischen» lautet denn auch der Titel einer umfassenden Ausstellung im Düsseldorfer K20 (noch bis 7. Januar zu sehen). Die Schau bildet einen Überblick über das gesamte Schaffen von Bacon, nur ganz frühe Werke fehlen aus praktischen Gründen. Und dadurch ist die dazu erschienene Publikation weit mehr als ein Ausstellungskatalog, sondern beinahe eine Bacon-Monografie, in der alle zentralen Themen des Künstlers beleuchtet werden. (di)

David Hockney, Geheimes Wissen. Verlorene Techniken der Alten Meister wieder entdeckt, aktualisierte u. erweiterte Sonderausgabe, Knesebeck, 2006, 328 Seiten, Fr. 61.00.

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Vogelsang

■ Die beiden Schweizer Künstler und Naturforscher Léo-Paul Robert (1851-1923) und sein Sohn Paul-André Robert (1901-1977) schufen während fast eines Jahrhunderts ein gemeinsames Werk an Vogelaquarellen und die dazu gehörigen Tierpräparate. Der Devise folgend «man muss malen, was man sieht», entstanden äusserst präzise Studien der Schweizer Vogelwelt. Angetrieben von akribisch wissenschaftlichem Interesse und tiefer Naturverbundenheit stellten die Roberts Vögel in deren Lebensumwelt dar, was den Illustrationen ihre eigentümlich lebendige Naturtreue verleiht. Einige der didaktischen Tafeln wurden als Schulwandbilder eingesetzt. «Die Welt der Vögel», eine Publikation der Stiftung Sammlung Robert in Biel, spürt der Kunst im Familienunternehmen nach. Teilweise folgen die Texte jedoch in allzu wohlwollender Manier den schriftlichen Zeugnissen der Roberts und versäumen es leider weitgehend, Sinn und Zweck der Vogelillustrationen zu besprechen oder diese zumindest in einen grösseren zeitgeschichtlichen Kontext zu stellen. Es fehlen auch Vergleichsbeispiele weiterer Zeitgenossen ausserhalb des Familienclans, die sich mit ähnlichen Sujets beschäftigt haben, so dass die Thematik besser in einem umfassenderen Rahmen hätte verankert werden können. Nicht nur für Hobbyornithologen informativ sind allerdings die Erläuterungen zur Präparierung von Vögeln, die als Vorlage für die Illustrationen angefertigt wurden, sowie der Text von Lucie GirardinCestone, der sich mit druckgrafischen Techniken auseinandersetzt und den damit einhergehenden Schwierigkeiten, Aquarelle und Zeichnungen angemessen vervielfältigen zu können. Herzstück des Buches bilden die lebensnahen Illustrationen, die bis heute ihn ihrer Detailtreue kaum etwas von ihrer Faszination eingebüsst haFrancis Bacon. Die Gewalt des Fak- ben. (sm) tischen, Katalog zur Ausstellung im K20, Düsseldorf, 2006/2007. Hrsg. v. Die Welt der Vögel, hrsg. von der Armin Zweite, Hirmer, 2006, 254 Sei- Stiftung Sammlung Robert, Benteli, 2006, 192 Seiten, Fr. 58.00. ten, Fr. 59.00.

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BERNER GALERIEN

win!tegration Ein Fotoprojekt zum Thema «Integration psychisch kranker Menschen in Gesellschaft und Arbeitswelt» - in Zusammenarbeit mit der kantonalen Berufsschule für Pflege, Schwerpunkt Psychiatrie (BPP), Nadia Schweizer, Fotografin, sowie Patientinnen und Patienten eines Job-Coach-Projektes.

Galerieneintrag: Auf den Seiten «Galerien in Bern» werden nur noch Galerien publiziert, welche unsere jährliche Publikationsgebühr bezahlt haben. Wer sich hier eintragen lassen möchte, melde sich bei der Redaktion: Telefon 031 318 6050 oder redaktion@ensuite.ch.

19./20. Dezember 2006, 19:00 h Kulturkeller ONO, Kramgasse 6, Bern Eintritt frei, keine Reservation erforderlich Infos: daisy.bucher@erz.be.ch Altes Schlachthaus Metzgergasse 15, Burgdorf T 034 422 97 86 Sa&So jeweils 11:00-17:00 h

ESPACE Indigo Stauffacher Buchhandlung, 3011 Bern T 0844 88 00 40 Ladenöffnungszeiten

Marion Schnider Acryl-Mischtechnik mit verschiedenen Materialien auf Leinwand bis 30.12.

annex14 - Galerie für zeitgenössische Kunst Junkerngasse 14, 3011 Bern T 031 311 97 04 / www.annex14.ch Mi-Fr 13:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h Boris Rebetez Belédère Bis 23.12.

Fri-Art 22 Petites Rames, 1700 Fribourg T 026 323 23 51 / www.fri-art.ch Di-Fr 14-18:00 h / Sa&So 14:00-17:00 h Nocturne Do 18:00-20:00 h EXPOSITION 4 - «DENSITÉS DU RÉEL» Peter Aerschmann, Sven Augustijnen, Ryan Gander & Marco Poloni

Galerie 849 MüM Gurtenpark im Grünen, 3084 Wabern Täglich von 9:00-18:00 h

Art-House Mittlere Strasse 3A, 3600 Thun T 033 222 93 74 7 www.art-house.ch Mi&Fr 14:00-17:30 h / Do 16:00-19:30 h / Sa 11:00-16:00 h «Spiritualität in der Kunst» Jakob Jenzer: Malerei, Urs Kurth: Fotografie, Renato Jordan: Text-Bilder, Max Roth: Skulptur Vernissage: 16.12., ab 16:00h bis 27.1.07

bk Galerie Bernhard Bischoff & Partner Speichergasse 8, 3011 Bern T 031 312 06 66 www.bernhardbischoff.ch Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder nach Absprache Christian Kathriner, Elisabeth Llach, Andrea Loux, Kotscha Reist, Dominik Stauch & Brigitte Zieger X_MAS Opening: 1.12., 18:00-20:00 h bis 6.1.07

Art + Vision Junkerngasse 34, 3011 Bern T 031 311 31 91 Di-Fr 14:00-19:00 h / Do 14:00-21:00 h / Sa & So 11:00-16:00 h Martin Thönen Holzschnitte Feiertage sowie 24. & 31.12. geschlossen. bis 6.1.07 Bärtschihus Gümligen Dorfstrasse 14, 3073 Gümligen Mary Poppins! superkalifragilistigexpialigetisch

Galerie 25 Regina Larsson 2577 Siselen / T 032 396 20 71 www.galerie25.ch Fr-So 14.00-19:00 h oder nach tel. Vereinbarung Alfred Iselin, Schweiz - Schweden Bis 17.12. Finissage: Sonntag, 17.12., ab 14:00 h Galerie 67 Belpstrasse 67, 3007 Bern / T 031 371 95 71 www.galerie67.ch Mo 13:30-18:30 h / Di-Fr 9:00-12:00 h & 13:30-18:30 h / Sa 9:00-12:00 h

Galerie Artdirekt Herrengasse 4, 3011 Bern / T 031 312 05 67 www.artdirekt.ch Galerie Artraktion Hodlerstrasse 16, 3011 Bern T 031 311 63 30 / www.artraktion.ch Do&Fr 15:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder nach Vereinbarung AUGENSCHEIN II Mariann Bissegger Josette Hirsiger Margret Künzi Marlis Pekarek Reini Rühlin Ruedi Schwyn Judith Zaugg Mariann Zbinden Angela Zwahlen Mariann Bissegger Josette Hirsiger Margret Künzi Marlis Pekarek Reini Rühlin Ruedi Schwyn Judith Zaugg Mariann Zbinden Angela Zwahlen Mariann Bisse bis 16.12. Finissage: Samstag, 16.12., 11:00-14:00 h Galerie bis Heute Amtshausgasse 22, 3011 Bern T 031-311 78 77 www.galerie-bisheute.ch Do-Fr 14:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h & nach Vereinbarung Maman Noel Vernissage 1.12 ab 18:00 h bis 23.12. Galerie Beatrice Brunner Nydeggstalden 26, 3011 Bern T 031 312 40 12 / www.beatricebrunner.ch Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h artensuite | Dezember 06


Bild: Nathalie A. Scaller, Bilder und Objekte zu «Müde Engel» im Wartsaal 3 vom 1.12. - 12.12.06

art_clips .ch performativ Ariane Andereggen, Erik Dettwiler, Lori Hersberger, Franticek Klossner, Heinrich Lüber, Chantal Michel, Victorine Müller, RELAX, Rudolf Steiner. 2.12. - 17.3.07 Galerie Duflon & Racz Gerechtigkeitsgasse 40, 3011 Bern T 031 311 42 62 Do 14:00-20:00 h, Sa 12:00-17:00 h sowie Sonntag, 17.12., 13:00-17:00 h oder nach tel. Vereinbarung. Erich Prager bis 16.12. accrochage, art brut/neuve invention ab 21.12. Galerie Henze & Ketterer Kirchstrasse 26, 3114 Wichtrach T 031 781 06 01 / www.henze-ketterer.ch Di-Fr 10:00-13:00 h & 14:00-18:00 h / Sa 10:00-16:00 h Kunst Depot: art clips, .ch performativ Videoclips-Preview von Schweizer Künstlerinnen und Künstlern. Eine Ausstellung der videokunst.ch kuratiert von Gerhard Johann Lischka bis 17.3.07 Galerie im Graben Waldeckstrasse 12, 3052 Zollikofen T 031 911 96 06 Fr 17:00-19:00 h / Sa 16:00-19:00 h & So 11:00-17:00 h Hanspeter Fiechter Aufgespürte Botenschätze Erfahrbare Zufahrten bis 17.12.

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Bild: Boris Rebetz, Rues, Ausstellung in der Galerie annex14 11.11.-22.12.06

Bild: Produzentengalerie Bern, Beat Feller, im PROGR

Konzert: Thomas Füri Violine und Jürg Luchsinger Akkordeon, am 8.12., 19:30 h

Galerie Ramseyer & Kaelin Junkerngasse 1, 3011 Bern T 031 311 41 72 Mi-Fr 16:00-19:00h / Sa 13:00-16:00h Fliegender Teppich 166 Frauen - 24 Länder - 1 Werk Künstlerisches Konzept und Durchführung: barbara bandi, susanne Glauser, Carla Neis Apéro: 10.12., ab 10:50 h Finissage: 21.12., 16:00-19:00 h

Galerie Margit Haldemann Brunngasse 14, Brunngasshalde 31 T 031 311 56 56 margithaldemann@bluewin. ch, www.artgalleries.ch/haldemann Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h 25 Jahr Jubiläum Ausstellung 3/5 Garden View Regila Dettwiler, René Fendt, Bea Hänggi, Irma Ineichen, René Küng, Jörg Mollet, Rita Siegfried, Ivo Vonlanthen, Paul Wiedmer, Irène Wydler Vernissage: Samstag, 2.12., 14:00-17:00 h 2.12. - 28.1.07 1. Advent / Tag der offenen Türen in der Altstadt: Sonntag, 3.12., 11:00-17:00 h (vom 23.12. - 9.1.07 ist die Galerie nur nach Vereinbarung geöffnet) Galerie Martin Krebs Münstergasse 43, 3011 Bern T 031 311 73 70 Di-Fr 14:30-18:30 h / Sa 10:00-14:00 h Martin Fivian Landschaft bis 23.12. Am 6.12. findet von 18:00-20:00 h ein St. Nikolaus-Apéro mit zusätzlichen Bildern statt. Galerie Kornfeld Laupenstrasse 41, 3001 Bern T 031 381 46 73 / www.kornfeld.ch Mo-Fr 14:00-17:00 h Teruko Yokoi Farbentanz zu Windmusik Aquarelle und Tempera auf Papier 6.12.-20.1.07

Galerie Rigassi Münstergasse 62, 3011 Bern T 031 311 69 64 / www.swissart.net/rigassi Di-Fr 11:30-13:30 h & 15:30-19:00 h / Sa 10:30-16:00 h Elena Preis, Alexandra Semjonova Bis 22.12. Galerie Silvia Steiner Seevorstadt 57, 2502 Biel / T 032 323 46 56 / www.silviasteinergalerie.ch Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 14:00-17:00 h oder nach Vereinbarung Urs Stoos bis 16.12. Galerie Tom Bleass Uferweg 10b 3013 Bern / T 079 222 46 61 www.tomblaess.ch Do-So 12:00-16:30 h Kabinett Bern Gerechtigkeitsgasse 72-74, 3011 Bern T 031 312 35 01 www.kabinett.ch Do & Fr 14:00-19:00 h & Sa 11:00-16:00 h Istvan Balogh, Christian Denzler, Marcel Gähler Bendicht Gertsch, Filip Haag, Gabi Hamm, Dominique Lämmli, Ni-

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kolaus List, Valentin Magaro, Chantal Michel, Christina Niederberger, Olivier Passieux, Kotscha Reist, Johannes Spehr, George Steinman, Berend Strik, Guy Zahler, Veronique Zussau Kornhausforum Forum für Medien und Gestaltung Kornhausplatz 18, 3011 Bern T 031 312 91 10 / www.kornhausforum.ch Di-Fr 10:00-19:00 h / Do 10:00-20:00 h / Sa 10:00-16:00 h Spielwitz & Klarheit Schweizer Architektur, Grafik und Design 1950-2006 bis 7.1.07 Ohne Dings kein Bums 20 Jahre Umgang mit Aids Revue passieren bis 6.01.07 Kunstreich Gerechtigkeitsgasse 76, 3011 Bern T 031 311 48 49 / www.kunstreich.ch Mo-Fr 09:00-18:30 h / Do 09:00-20:00 h / Sa 09:00-16:00 h Petra Amerell bis 30.12. Kunstraum Oktogon Aarstrasse 96, 3005 Bern Fr 16:00-19:00 h / Sa 11:00-15:00 h KunstQuelle Brunngasse 14, 3011 Bern T 079 818 32 82 Mi & Fr 14:30-18h / Do 15:30-19:00h / Sa 13:00-16:00 h oder nach tel. Vereinbarung. Weihnachtsausstellung Silvia Bongard, Radierungen Walter Fuchs, Objekte aus Fundstücken Els Jegen, Bilder und Objekte Ruth Jo Lämmli Scheidegger, Zyklus «Bagatellen», Acryl Christoph Niederhauser, Gouache und Acryl auf Holz Christine Schär, Bilder Margret Schlegel, Bilder, Acryl Helena Torhan, Bilder 1.12. - 21.12.

ONO Bühne Galerie Bar Kramgasse 6, 3011 Bern T 031 312 73 10 www.onobern.ch Nachtgalerie Fr&Sa 22:00-24:00 h oder nach telefonischer Vereinbarung / bei allen ONOVeranstaltungen Hugo Brülhart Querschnitt Spannenden Begegnungen mit den Ölbildern des Freiburger Künstlers bis 30.12. PROGR Zentrum für Kulturproduktion Speichergasse 4, 3011 Bern www.progr.ch Afrique Noire «Habiller le présent / Dressing the contemporary» Ort: Ausstellungszone, 1. OG Bis 2.12. DER PROGR PACKT AUS! Eine Weihnachtsausstellung mit PROGR_ KünstlerInnen und ihren Gästen (mit Verkauf) Ausstellungsdauer: 15.12. - 6.1.07 Di 14:00-20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h Vernissage: Donnerstag, 14.12., 18:30 h Weihnachtsausstellung & Präsentation: Städtische Ankäufe Ort: Ausstellungszone, 1.OG & Stadtgalerie_Pavillon im Hof Di 26.12. & Di 2.1.07 Annette Schröter «Wildwuchs» Ort: Stadtgalerie_Pavillon im Hof Bis 9.12. RAUM Militärstrasse 60, 3014 Bern / www.kulturraum.ch Mi-Fr 16:00-19:00 h / Sa 12:00-16:00 h H.B. – schwarz-weiss und in Farbe Ausstellung Hannes Binder Illustrationen und Malerei Bis 8.12. Bücher Bilder Bilderbücher Weihnachtsverkauf und Ausstellung mit Collagen und Karten von Ursula Werder-Jeker Eröffnungsapéro: Samstag, 9.12., 14:00 h

Schloss Hünigen 3510 Konolfingen Täglich von 8:00-21:00 h www.schlosshuenigen.com Wunderland Contemporary rug art by Jan Kath bis 28.1.07 SLM Kunstausstellung Dorfplatz 5, 3110 Münsingen T 031 724 11 11 Mo-Do 8:00-12:00 h & 13:30-17:00h / Fr 8:00-12:00 h & 13:30-18:00 h Stadtgalerie Speichergasse 4 3001 Bern T 031 311 43 35 7 www.stadtgalerie.ch Di 14:00-20:00 h & Di-Fr 14:00-17:00 h Annette Schröter Wildwuchs bis 9.12. Wartsaal 3 Helvetiaplatz 3, 3005 Bern T 031 351 33 21 www.wartsaal3.ch Nathalie A. Schaller Müde Engel Bilder und Obiekte 1.12. - 12.12 Vernissage: 1.12., ab 18:00 h Anna Lüdi Keramik 14.12. - 17.12. Sonja Klingler eskaywork KAW-Horizont Fotografie 19.12. - 27.12.

Temporäre Austellungsräume Richard Hummel Malerei & Holzschnitt ehemlaige Schwob Leinenweberei, Stauffacherstr. 72, 3014 Bern 2.&3.12., 13:00-18:00 h, 8.12., 15:00-18:00 h sowie 9.&10.12., 13.00-18:00 h und tel. Vereinbarung: 078 774 35 73

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BERNER MUSEEN BERN / BIEL / THUN Abegg-Stiftung Werner Abegg-Strasse 67, 3132 Riggisberg täglich 14:00-17:30 h Winterpause Antikensammlung Bern Hallerstrasse 12, 3012 Bern Mi 18:00-20:00 h Die Antikensammlung beherbergt nebst den Abgüssen (rund 230 Exponate antiker Skulpturen von den Anfängen der griechischen Archaik bis zur römischen Spätantike) auch eine kleine Sammlung mit originalen Fundstücken aus der griechisch-römischen Antike. Bernisches Historisches Museum Helvetiaplatz 5, 3005 Bern Di-So 10:00-17:00 h So, 3.12., 11:00 h «Ein Kind ward uns geboren…» So, 10.12., 11:00, 14:00, 15:00, 16:00 h So, 17.12., 14:00, 15:00, 16:00 h So, 24.12., 14:00, 15:00, 16:00 h «Es weihnachtet sehr…» Führung für die ganze Familie rund ums Thema Weihnachten. So, 17.12., 11:00 h So, 24.12., 11:00 h So, 31.12., 11:00 h Centre Dürrenmatt Chemin du Pertuis-du-Sault 74, 2000 Neuchâtel Mi-So 11:00-17:00 h Dauerausstellung: Friedrich Dürrenmatt, Schrifsteller und Maler. Hanny Fries: Dürrenmatt im Schauspielhaus Zürich. Theaterzeichnungen 19541983. bis 17.12. Einstein-Haus Kramgasse 49, 3011 Bern 1.10.-16.12., Di-Fr 10:00-17:00 h / Sa 10:0016:00 h Führungen jederzeit nach Absprache Heilsarmeemuseum Laupenstrasse 5, 3001 Bern Di-Do 9:00-12:00 h & 14:00-17:00 h Dokumente, Zeitschriften, Bilder, Fotos, Grammophonplatten, Kassetten, Musikinstrumente und andere Sammelobjekte.

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Institut für Archäologie der Universität Bern Länggassstrasse 10, 3012 Bern Montag - Freitag, 8 - 17 Uhr Das Pantheon in Rom Ergebnisse des Bern Pantheon Digital Projects Bis Samstag, 31.3.07 Kunsthaus Centre Pasqu’art Seevorstadt 71-75, 2502 Biel Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa&So 11:00-18:00 h kunsthaus: Ruedy Schwyn Bis 7.1.07 Begegnung mit dem Künstler Ruedy Schwyn 3.12., 18:00-19:00 h Photoforum. Weihnachtsausstellung 2006 Vernissage: 9.12., 17:00-20:oo h 10.12. - 7.1.07 Buchvernissage f&d cartier «ROSES» 16.12., 16:00-18:00 h Kunsthalle Bern Helvetiaplatz 1, 3005 Bern Mi-So 10:00-17:00 h / Di 10:00-19:00 h PAVEL BÜCHLER bis 3.12. WEIHNACHTSAUSSTELLUNG 2006/07 Vernissage: 15.12. 18:00 h 16.12. - 7.1.07 Kunstmuseum Bern Hodlerstrasse 8-12, 3007 Bern Di 10:00-21:00 h / Mi-So 10:00-17:00 h Six Feet Under - Autopsie unseres Umgangs mit Toten Gewalt und Tod sind in den Medien allgegenwärtig. Doch der direkte Kontakt zu Toten wird in unserer Gesellschaft gemieden. bis 21.1.07 Ernst Kreidolf und seine Malerfreunde bis 7.1.07 Im Lichte Tunesiens Europäische Künstler in Nordafrika 19001925 bis 7.1.07 Kunsthaus Langenthal Marktgasse 13, 4900 Langenthal Mi & Do 14:00-17:00, Fr 14:00-19:00 h, Sa& So 10:00-17:00 h

Giro Annen - retro.aktiv bis 28.1.07 Führungen: jeden Sonntag, 11:00 h Literarische Führungen mit Michaela Wendt Sonntag, 17.12. Kunstmuseum Thun Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun Di-So 10:00-17:00 h / Mi 10:00-21:00 h Hofstettenstrasse 2006 9.12. – 14.1.07 Vernissage und Fest: 9.12., 18:00 h museum franz gertsch Platanenstrasse 3, 3401 Burgdorf Di-Fr 11:00-19:00 h / Sa&So 10:00-17:00 h Zurück zur Figur. Malerei der Gegenwart bis 11.2.07 Museum für Kommunikation Helvetiastrasse 16, 3005 Bern Di-So 10:00-17:00 h «haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation» bis 1.7.07 Öffentliche Führungen: So, 11:00 h: haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation So, 13:00 h: Top Secret - Von Hieroglyphen, Hackern und Codetalkers So, 15:00 h: Abenteuer Kommunikation im Überblick Museum Neuhaus Biel Schüsselpromenade 26, 2501 Biel Di-So 11:00-17:00 h / Mi 11:00-19:00 h Urs Dickerhof und Francesco Micieli lesen eigene Texte im Rahmen der Ausstellung «Ravitaillement». Théodore Strawinsky (1907-1989) Eine Retrospektive Bis 8.1.07 Naturhistorisches Museum der Burgergemeinde Bern Bernastrasse 15, 3005 Bern Mo 14:00-17:00 h / Di/Do/Fr 9:00-17:00 h Mi 9:00-18:00 h, Sa&So 10:00-17:00 h «haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation» bis 1.7.07

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Psychiatrie Museum Bern Bolligenstrasse 111, 3060 Bern Mi 14:00-16:00 h Neben historisch wichtigen Gegenständen und Dokumenten beherbergt das Museum auch eine Sammlung bildnerischer Patientenarbeiten, die mehrheitlich auf jener Morgenthalers beruht. Sie umfasst über 2500 Bilder (Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder und Collagen), rund 1500 Textblätter sowie viele Stoffarbeiten, Objekte aus Holz, Ton, Keramik und anderen Materialien. Schloss Landshut Schweizer Museum für Wild & Jagd 3427 Utzenstorf Di-Sa 14:00-17:00 h Das Schloss ist bis und mit 12.5.07 geschlossen Schlossmuseum Thun Schlossberg 1, 3600 Thun Bis Januar jeden Sonntag 13:00-16:00 h Das historische Museum mit einmaliger Aussicht auf Stadt, See und Alpen. Schweizerische Landesbibliothek Hallwylstrasse 15, 3003 Bern Mo-Fr 9:00-18:00 h, Mi bis 20:00 h / Sa 9:00-16:00 h / So 12:00-17:00 h DÜRRENMATT UND EINSTEIN Bis 25.1.07 RUSSLAND-SCHWEIZ Diplomatische Archivdokumente Vor 60 Jahren wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland wieder aufgenommen. Die Schweizerische Landesbibliothek zeigt eine Ausstellung der russischen Botschaft, die die Geschichte dieser Beziehungen anhand von Faksimiles von historisch wertvollen Archivdokumenten darstellt. Bis 21.12. Schweizerisches Alpines Museum Helvetiaplatz 4, 3005 Bern Mo 14:00-17:00 h / Di-So 10:00-17:30 h «Gletscher im Treibhaus. Ernste Signale aus der alpinen Eiswelt» Vom gewaltigen Eisstrom des Rhônegletschers, der auf der Postkarte von 1900 hinter dem Hotel Belvédère ins Tal gleitet, ist auf der aktuellen Aufnahme nichts mehr zu sehen. Stattdessen nackter grauer Fels, ein Bach und die zurückgezogene Gletscher-

zunge weit oberhalb des Hotels.Ein einzigartiges Landschaftsbild droht verloren zu gehen. Gehören wir zur letzten Generation, die die grossartigen Eisriesen bewundern kann? Bis 25.3.07 Schweizerisches Schützenmuseum Bern Bernastrasse 5, 3005 Bern Di-Sa 14:00-17:00 h / So 10:00-12:00 h & 14:00-17:00 h Mit eisernem Arm - mit festem Aug. Scharfschützen an den Unspunnenfesten von 1805 und 1808 Bis 10.12.

Zentrum Paul Klee Monument im Fruchtland 3, 3031 Bern Di-So 10:00-17:00 h / Do 10:00-21:00 h Kindermuseum Creaviva 10:00-17:00 h, Do bis 21:00 h Paul Klee – Melodie und Rhythmus bis 2.1.07 Sämtliche Führungen und Aktivitäten finden Sie in der ensuite - kulturmagazin agenda und unter www.zpk.org

Stadt- und Universitätsbibliothek Bern Münstergasse 61-63, 3011 Bern Mo-Fr 8:00-19:00 h / Sa 8:00-12:00 h Connaisseure unterwegs: Die Reisen von Hans R. Hahnloser und Julius von Schlosser zu kulturellen Stätten im Europa der zwanziger Jahre. Bis 24.2.07

Stiftung Historisches Erbe SBB Bollwerk 12, 3000 Bern 65 Mo-Fr 9:00-12:00 h & 13:30-17:00 h Die Infothek der Schweizer Bahngeschichte zum Nachlesen und Ansehen. Unsere öffentlich zugängliche Infothek bietet Ihnen u. a. folgende Dienstleistungen an: regelmässige Publikation ausgewählter Neuerscheinungen. Beratung in Dokumentationsfragen und bei Recherchen. Leseplätze mit Internetarbeitsplatz, Lexika usw. Konsultationsmöglichkeit für aktuelle Zeitschriften, Wörterbücher, Nachschlagewerke und aktuelle Fahrpläne ausländischer Bahnunternehmungen. Zugang zu den historischen und audiovisuellen Archiven (auf Voranmeldung). Bereits 1923 wurde die Bibliothek der Generaldirektion SBB gegründet. Später wurde sie zum Dokumentationsdienst erweitert und seit 1996 ist sie als «Infothek SBB» bekannt. 1999 wurden ihr die Plakatsammlung und 2001 das historische Archiv, das Fotoarchiv, - und Videoarchiv anvertraut. 2002 wurde sie in die neu gegründete Stiftung Historisches Erbe der SBB integriert. Die Bestände der Bibliothek und Archive werden laufend ergänzt und erweitert.

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