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Literarische Spurensuche Zum Palmbaum-Einband
Zum Palmbaum-Umschlag
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Jens-Fietje Dwars
Kein Museum, keine Kunst? Zu Besuch bei Reinhard Zabka im Tempel der Lügen
Noch nie ist es mir so schwer gefallen, einen Künstler, eine Künstlerin
Richard von Gigantikow alias Reinhard Zabka im Tor seines Lügenmuseums (Foto: Jens-F. Dwars)
für den Einband des Palmbaums zu finden. Ausgerechnet für das 75. Heft wollte mir niemand einfallen. Und das bei einem so wundervollen Thema: der absurden Welt. Aber genau deshalb, weil unsere Welt so absurd ist, wussten auch Freunde, Kunstkritiker, Galeristen und Sammler keinen Rat. Absurdes malen und zeichnen viele, aber das Absurde als solches zur Sprache zu bringen, es als den Irrsinn, der uns nicht schlafen lässt, fühlbar zu machen, das gelingt nur wenigen. Nein, schlimmer noch: Wir sahen niemanden, der es auch nur versucht – wie vor hundert Jahren die Dadaisten mit Lust und der nötigen Bosheit, den herrschenden Verhältnissen ihre eigene Melodie vorzuspielen, sie zum Tanzen zu bringen! Fragen Sie doch mal Richard von Gigantikow, rät mir Michael von Hintzenstern, der Impressario der Weimarer Dada-Dekade. Dessen Adelstitel ist echt, über Jahrhunderte von Vorfahren vererbt, der des anderen so wahrhaft falsch, so selbst gemacht und erdacht wie alles in dem Lügenmuseum, das er seit drei Jahrzehnten betreibt. 1950 als Reinhard Zabka in Erfurt geboren, war er zunächst Gelegenheitsarbeiter und nannte sich seit 1974 einen „Bilderclown“, der die Leute zum Lachen bringt, und zum Nachdenken, wie sich das für jeden guten Clown gehört. 1980 erwarb er mit Freunden eine verfallene Bauernkate in Babe bei Neustadt an der Dosse. Sie machten ein Kunsthaus daraus und nannten es 1990 „Deutsch-Historisches Lügenmuseum“. Das wuchs und wuchs, bis Zabka 1997 im Gutshaus Gantikow bei Kyritz ein neues Domizil fand. Seitdem nennt er sich von Gigantikow, was den eigenen Größenwahn bekennt und damit auch auf die Schippe nimmt. Natürlich gehört Hybris dazu, der Lüge ein ganzes Museum zu widmen. Und mehr noch Fantasie, denn die Lüge und das Lachen und die Fantasie, diese unheilige Dreieinigkeit ist es, die den Menschen vom Tier unterscheidet, die ihn zu einem Narren macht. Wer auch das offen eingesteht, dass wir alle Narren sind, der schafft sich Feinde, vor allem bei Ordnungshütern, die sich für