LOUISE - Stadtmagazin - Ausgabe 3/2021

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SPECIAL

EIN BESOND

D

aran können sich wohl nur die Wenigsten erinnern: Wie es war, als der Stadtkämmerer handschriftlich mit zig Zahlenkolonnen jonglierte, wie seine Mitarbeiter sie mit der Schreibmaschine „ins Reine“ übertrugen und andere Angestellte der Stadtverwaltung Formulare für Wohngeld-Anträge, die Grundsteuer, die Lohnsteuerkarten und vieles andere mehr ausfüllten. „Handarbeit“ war gefragt. Bis ein neuer „Mitarbeiter“ die Aufgaben übernahm: der Computer! Vor 50 Jahren trat er seine „Stelle“ im Rathaus an. Am 1. Januar 1971 erfolgte der erste Schritt zur Digitalisierung der Verwaltungstätigkeiten, als Bad Homburg dem eineinhalb Jahre zuvor gegründeten Kommunalen Gebietsrechenzentrum, kurz KGRZ genannt, beitrat. In ihm hatten sich mehrere hessische Kommunalverwaltungen zusammengeschlossen, um sich die Arbeit zu erleichtern. Bad Homburgs Stadtkämmerer – Karl-Heinz Meinke hieß er damals – jonglierte nämlich nicht nur mit den Zahlenreihen, sondern blickte auch über sie hinaus in die Welt, die sich Elektronische Datenverarbeitung, EDV, nannte. Kommunalpolitiker nahmen sich des Themas ebenfalls

Einzug von Computern in der StadtBibliothek in den 1980er-Jahren. Foto: Stadtarchiv Bad Homburg

an und baten um Prüfung. Karl-Heinz Meinke war ein vorsichtiger Mann und wollte keineswegs leichtfertig mit den städtischen Geldern umgehen. Da die Anschaffungen in jedem Fall mit erheblichen Kosten verbunden seien, müsse die Überprüfung sehr sorgfältig vorgenommen werden, sagte er in der Oktobersitzung des Stadtparlaments 1967. Deshalb wollte Meinke auch die Erfahrungen anderer Städte einholen, um die Kosten und den Nutzen durch Zeitersparnis gegeneinander abzuwägen.

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Oberbürgermeister Wolfgang Assmann (rechts) informierte sich in den 1980er-Jahren über den Fortschritt der Digitalisierung im Einwohnermeldeamt. Die Stempel hatten jedoch noch nicht ausgedient. Foto: Stadtarchiv Bad Homburg

1968 startete der Hessische Städteverband eine Umfrage, die sich auf drei Punkte bezog: ob es eine eigene „Maschinenausstattung“ geben oder ob die EDV einer rechtlich unabhängigen Einrichtung mitbenutzt werden soll, wie es mit Fachpersonal aussieht und welche Aufgaben der Kommunalverwaltung maschinell erledigt werden können. Das Ergebnis wundert nicht: Die Verwaltungen von Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt sowie Rüsselsheim arbeiteten bereits an eigenen Anlagen, die meisten kreisfreien größeren Städte wie Kassel, Hanau, Gießen und Fulda nutzten unabhängige Institutionen. Bad Homburg vergab diesbezügliche Aufträge und befand sich ansonsten im Stand der Planung. Immerhin war der Eigenbetrieb Stadtwerke seit 1969 an das Rhein-Main-Rechenzentrum angeschlossen. Was die Fachkräfte betraf – nun, da lag Bad Homburg weit hinten. Während Rüsselsheim laut dieser Städteverbands-Umfrage bereits neun Organisatoren, Programmierer, Maschinenbedienerinnen, Locherinnen und Prüferinnen beschäftigte, war zu diesem Zeitpunkt in Bad Homburg lediglich „ein Organisator für EDV (A9HBO) zur Ausbildung“ vorgesehen. Frühe Generationen der Datenverarbeitung waren allerdings bei der Stadtverwaltung durchaus im Gebrauch, etwa 1970 ein Anker-Magnetkarten-Computer. Bei ihm handelte es sich um einen Buchungsautomaten, der für 3000 D-Mark pro Jahr bei den Anker-Werken gemietet wurde. Und dann ging ohnehin alles schnell. Schon im September 1970 hieß es, ohne dass die endgültige Entscheidung (wahrscheinlich der Stadtverordnetenversammlung) vorlag, dass Bad Homburg dem KGRZ beitreten werde, um dort die Dienstbezüge der Verwaltungsmitarbeiter zu regeln. Und dass man die Zusammenarbeit auch für andere regelmäßig wiederkehrende Ausgaben plane. Noch heute arbeitet die Stadt Bad Homburg mit dem KGRZ zusammen, das sich inzwischen „ekom21“ nennt, so wie die „EDV-gestützte Verwaltung“ zu „E-Government“ wurde.


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