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Begegnung am Teich

Als Rubinia den Teich erreichte, war niemand zu sehen. Tatsächlich war das Wasser schon zu großen Teilen gefroren. Kein Tier war zu sehen. „Selbst den Enten, die kaltes Wasser gut vertragen können, ist es viel zu kalt“, dachte Rubinia.

Erschrocken bemerkte sie, dass die Zweige der alten Weide von Eis umschlossen waren. Der alte

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Baum konnte sich nicht mehr bewegen! Wenn er es tat, würden seine Zweige brechen. Sie lief zu der Weide hin und legte eine Hand auf ihre Rinde. „Ich weiß noch nicht wie, aber ich helfe dir!“, flüsterte sie.

„Das ist sehr lieb von dir“, hörte sie eine sanfte Stimme sagen. Neben ihr tauchte eine wunderschöne Elfe mit langem dunklem Haar auf. Sie trug ein Winterkleid und eine hellblaue Weste.

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„Bist du Tempa?“, fragte Rubinia.

Die schöne Elfe nickte. „Und du musst Rubinia Wunderherz sein. Ich habe schon viel von dir

gehört.“ Tempa deutete auf den orangefarbenen Stein auf ihrem Amulett. „Ein sehr schöner Feueropal ist das“, sagte sie. „Feueropale helfen uns dabei, offenherzig zu bleiben, entschlossen zu sein und in wichtigen Momenten über uns selbst hinauszuwachsen“, fügte sie hinzu.

Rubinia wusste nicht recht, was das bedeutete,

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doch es klang aufregend. Sie blickten beide über den Teich. „Hast du eine Erklärung für das, was gerade geschieht?“, fragte Rubinia.

Tempa schüttelte den Kopf. „Normalerweise erkenne ich einige Tage im Voraus, wie das Wetter wird. Aber was seit gestern hier vor sich geht, ist alles andere als normal.“

„Kannst du denn mit deiner Magie nichts dagegen ausrichten?“, fragte Rubinia besorgt. Tempa schüttelte den Kopf. „Ich kann für

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leichten Regen oder Sonnenschein sorgen. Doch gegen einen solchen Kälteeinbruch bin ich machtlos. Man kann zusehen, wie sich das Eis vom Norden her weiter ausbreitet.

Für mich deutet das auf einen

dunklen Zauber hin.“ Sie blickte

in Richtung Norden.

Das war die Richtung, in der der Nebelwald

lag. „Einige Bäume sind bereits erfroren.“

„Meinst du, die Nebelelfen stecken dahinter?“, fragte Rubinia beunruhigt. Zwischen den Nebelelfen und den Waldelfen schwelte seit sehr langer Zeit ein Streit, der nie beigelegt worden war. „Wenn ich das wüsste“, sagte Tempa. „Ich habe noch nie so viele Fragen und so wenige Antworten gehabt.“

Rubinia dachte nach. „Aber was sollen wir jetzt machen? Wir alle sind in Gefahr! Niemand kann

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sich in so kurzer Zeit gegen die Kälte und das Eis schützen! Und wer weiß, was noch passiert, wenn ein böser Zauber dahintersteckt“, rief Rubinia aufgeregt.

Tempa nickte. „Du hast so recht. Aber gerade habe ich keine gute Idee.“ Sie verabschiedeten sich und Tempa flog davon.

Rubinia sah ihr nach. Wenn schon eine

Wetterelfe nicht wusste, was mit dem Wetter los war … Wie sollte sie es dann bloß herausfinden?

Mutlos blickte sich die kleine Elfe um. Sie fror

entsetzlich, doch sie konnte jetzt unmöglich nach Hause zurückkehren. Ihre Aufgabe und das Wohl des Waldes waren wichtiger! Was, wenn wirklich die Nebelelfen hinter der Sache steckten? Sie musste

sich das Ganze näher ansehen.

So schnell sie konnte flog Rubinia in Richtung Fluss, der den Elfenwald von dem der Nebelelfen trennte. Ihr fiel auf, wie still es heute war. Kein einziger Vogel war zu hören.

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Am Flussufer in der Nähe des Biberdamms

angekommen, konnte Rubinia erkennen, dass auch einige Bäume des Nebelwalds dem Eissturm zum Opfer gefallen waren. „Die Nebelelfen sind also selbst betroffen“, überlegte sie. „Zu dumm,

dass ich den Nebelwald nicht betreten darf. Ich

würde dem Eis zu gerne folgen.“ Doch nach ihrem letzten heimlichen Ausflug hatte sie Baumarrest bekommen. Daraufhin hatte sie Marandor das

Versprechen gegeben, den Nebelwald nicht mehr unerlaubt zu betreten.

Rubinia wollte schon umkehren, da kam ihr eine

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Idee. „Ich habe Marandor nur versprochen, dass ich nicht mehr ohne Erlaubnis in den Nebelwald gehe. Was, wenn ich ihn vorher frage? Immerhin handelt es sich um einen Notfall!“

Rubinias Herz machte einen freudigen Hüpfer. „Ich werde jetzt gleich zu ihm gehen!“, beschloss sie.