Literacy@Work BASICS – Gut zu wissen BASISBILDUNG IN DER ARBEITSWELT

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A.L.P.E.S. - ASSOCIATION LYONNAISE DE PROMOTION ET D’ÉDUCATION SOCIALE BERUFSFÖRDERUNGSINSTITUT OBERÖSTERREICH C.D.I - CONSEIL DÉVELOPPEMENT INNOVATION ZUKUNFTSBAU GMBH

BASICS – Gut zu wissen BASISBILDUNG IN DER ARBEITSWELT


INHALT ANFORDERUNGEN AN BASISBILDUNG IN DER ARBEITSWELT ANFORDERUNGEN AN BASISBILDUNG KONKRET MANGELNDE BASISBILDUNG BEI ERWACHSENEN ERWERBSTÄTIGEN BASISBILDUNG TRAINIEREN MINIGLOSSAR BASISBILDUNG


ANFORDERUNGEN AN BASISBILDUNG IN DER ARBEITSWELT

Basisbildungsanforderungen im Wandel Früher wurde Basisbildung als die Fähigkeit lesen und schreiben zu können definiert. Diese Definition hat sich geändert; heute bedeutet Basisbildung, über Kompetenzen zu verfügen, die eine vollständige Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Basisbildung schließt nicht nur Lesen, Schreiben, Sprechen und Verstehen ein, sondern mathematische Fertigkeiten und Medienkompetenzen, v.a. unter dem Fokus der Kommunikation und der Gewinnung, Bewertung und Verarbeitung von Informationen. Das 21. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch den Übergang der Industriegesellschaft in eine Wissensgesellschaft. Die Anforderungen an das Qualifikationsniveau der Beschäftigten steigen nicht nur in den höher qualifizierten Berufen, sondern auch in den so genannten einfachen oder ungelernten Tätigkeiten. Diese Entwicklung ist in allen Ländern Europas zu beobachten. Aktuell und in Zukunft benötigen daher alle Menschen eine fundierte Basisbildung, damit ein Einstieg (und Verbleib) in den Arbeitsmarkt gelingt und eine Partizipation an dem Prozess des lebenslangen Lernens und an Angeboten der beruflichen Fort- und Weiterbildung möglich ist. In wirtschaftlicher Hinsicht erzeugt unzureichende Basisbildung zusätzliche Kosten für Unternehmen und wirkt sich negativ auf ihre Fähigkeit zur Modernisierung aus. Diese Kosten sind zurückzuführen auf Arbeitsunfälle (mangelnde Lesekompetenzen) und zusätzliche Lohnkosten, um die mangelnde Qualifikation und Eignung einzelner Mitarbeiter/innen auszugleichen, sowie auf die zusätzlich erforderliche Zeit, um Arbeitsschritte und Produktqualität zu kontrollieren. Das Fehlen qualifizierter Arbeitskräfte führt damit auch auf der Ebene

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einfacher Tätigkeiten zu einer geringeren Produktivität des Unternehmens. Und die eingeschränkte Beschäftigungsfähigkeit hat natürlich auch Auswirkungen auf die Arbeitnehmer/innen selbst. Neben möglichen Arbeitsunfällen kann mangelnde Basisbildung auch zu Demotivation und Fehlzeiten führen. Es gibt gute Gründe, warum Basisbildung das Herzstück des Programms Education for All (EFA) ist – nur sie ermöglicht einen Start in das soziale und berufliche Leben und das lebenslange Lernen; Personen mit fundierter Basisbildung können selbstständig private und berufliche Anforderungen meistern, können ihre Kinder in der Schule unterstützen, Weiterbildungsangebote wahrnehmen. Länder mit einem hohen Basisbildungsniveau sind besser vorbereitet auf die Entwicklungen und Herausforderungen der Wissensgesellschaft [1]. [1] UNESCO, www.unesco.org/new/en/education/themes/education-building-blocks/literacy/

Basisbildung am Arbeitsplatz Zu arbeitsplatzbezogener Basisbildung gehört das Lesen, Schreiben, Sprechen, Zuhören und Verstehen, Rechnen, kritische Denkvermögen und Problemlösefähigkeiten, die Personen an ihrem Arbeitsplatz benötigen - mitunter auch IT-Kompetenzen - sowie die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen. Am Arbeitsplatz geht es nicht wie in der Schule darum, ein Buch zu lesen oder einen Aufsatz zu schreiben. Arbeitsplatzbezogene Basisbildung nimmt Bezug auf konkrete berufliche Anforderungsprofile, z.B. die Anwendung und Beachtung von Gesundheits- und Sicherheitshinweisen oder Bedienungsanleitungen, die Anfertigung von Arbeitsplänen und Übergabenotizen, die Erstellung und Verwendung von Tabellen und Diagrammen oder die Umsetzung von Arbeitsanweisungen und die Dokumentation der Arbeits(fort)schritte. Arbeitsplatzbezogene Basisbildung integriert verschiedene Kompetenzfelder, die zwar einzeln definiert, jedoch kombiniert gelehrt, gelernt und angewendet werden. Lese-, Schreibund Rechenkompetenzen sind „gleichzeitig“ erforderlich, wenn Sie z.B.: 

Dem Teamleiter zuhören, der über eine veränderte Reihenfolge in der Bearbeitung verschiedener Aufträge informiert,

eine Arbeitsplatzbeschreibung lesen, die auch Zahlen und Grafiken enthält,

mit einem Kollegen die Übergabe von Aufgaben besprechen und dabei gleichzeitig mündliche und schriftliche Informationen erhalten oder weitergeben,

unterschiedliche Mengen, Maße und Größen, Temperaturen und Materialeigenschaften beurteilen müssen,

geeignete Messgeräte auswählen und ablesen müssen und die Ergebnisse in schriftlicher (numerischer) Form festhalten wollen.

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ANFORDERUNGEN AN BASISBILDUNG KONKRET In Anlehnung an die Erfahrungen im angelsächsischen Raum und bezugnehmend auf nationale Anforderungen sind in dieser Dokumentation die tatsächlich anfallenden Aufgaben, d.h. die konkreten beruflichen Tätigkeiten am Arbeitsplatz, sowie die dafür benötigten Basisbildungskompetenzen beschrieben.

Überblick über Tätigkeitsbereiche und Aufgaben Hilfskräfte in der Gastronomie werden in der Vorratshaltung und Warenwirtschaft, Speisenzubereitung und im Service, für die Menüplanung in Kantinen und zum Reinigen und Pflegen von Räumen (und Textilien) eingesetzt. Hilfskräfte in der Gastronomie arbeiten in Küchen von Restaurants und Hotels, in Großküchen sowie Kantinen und Mensen von Betrieben, Krankenhäusern oder Universitäten. Sie haben Kontakt mit Restaurantfachleuten, Buffet- und Schankkräften.

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Hilfskräfte in der Gastronomie führen bei der Herstellung von Speisen und Menüfolgen verschiedene Assistenzarbeiten für Köche/innen aus. Sie waschen und schneiden Gemüse, Salate und Früchte und bereiten auf Anweisung kalte Platten zu. Sie stellen unter Anleitung Marinaden, Dressings, Soßen und Suppen her und richten Backwaren an. Außerdem gehören Aufräum-, Spül- und Reinigungsarbeiten zu ihrem Aufgabenbereich. Bei entsprechender Berufserfahrung übernehmen sie auch Arbeiten, die in den Tätigkeitsbereich von Hilfsköchen/innen fallen (z.B. die selbstständige Zubereitung von Saucen, Suppen und Salaten, das Anrichten von Speisen). Je nach Betrieb werden Hilfskräfte in der Gastronomie auch im Servicebereich und zur Menüplanung eingesetzt. Im Umgang mit Lieferanten sind sie möglicherweise für die Warenannahme und Bezahlung zuständig, und Arbeiten im Bereich der Inventur fallen eventuell ebenfalls an. Auf eine detailliertere Darstellung der Aufgaben wird hier verzichtet und lediglich diejenigen Basisbildungsanforderungen abgeleitet und beschrieben, die für ein effektives Arbeiten erforderlich sind.

Basisbildungsanforderungen im Job: Leseverständnis SEHR HÄUFIG

HÄUFIG

VON ZEIT ZU ZEIT

Verstehen von:

Verstehen von:

Verstehen von:

Warenetiketten

Lagervorschriften/-empfehlungen

Lieferscheinen

Hygiene- und Reini-

Nutzungsbedingungen/Vorschriften

Warenanforderungsscheinen

gungsplänen

für Geräte und Maschinen

Rechnungen

Rezepten

Gesundheitshinweisen und Sicherheitswarnungen bei Reinigungsmit-

Lager- und Inventurlisten

Arbeitsplänen Zeitplänen Menüplänen/Speiseplänen

teln, Geräten und Maschinen Hygienevorschriften

Raumplänen, Tischplänen Komplexeren Texten mit detaillierten Anweisungen wie

Getränkekarten

Gesundheits- und Sicherheitsanweisungen Betriebshandbüchern Formularen wie Urlaubsanträgen, Gehaltsbescheinigungen Trainingsunterlagen für „Erste Hilfe“ oder „Hygienevorschriften“

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Basisbildungsanforderungen im Job: Mathematik SEHR HÄUFIG

HÄUFIG

VON ZEIT ZU ZEIT

Mengenangaben in Rezepten

--

Rechnungen prüfen

berechnen bzw. umrechnen

Lager- und Inventurlisten

Arbeitspläne und Zeitpläne:

prüfen und führen

Einschätzen/Berechnen

Tischpläne für Veranstaltun-

Zeit notieren, die für die Aus-

gen erstellen (nach Perso-

führung einer Tätigkeit nötig

nenanzahl und Raumgröße)

war Waren so zerteilen, dass wenig Abfall produziert wird Temperaturen kontrollieren (an Öfen, von Gerichten) Abzählen von Waren und Produkten Mengen für eine Aufgabe berechnen (z.B. Zutaten)

Basisbildungsanforderungen im Job: Kritisches Denken und logisches Handeln SEHR HÄUFIG

HÄUFIG

VON ZEIT ZU ZEIT

Den besten und effizientesten

Mit Änderungen im Arbeits-

Mit unerwarteten Situationen

Weg zur Erfüllung einer Auf-

plan umgehen.

(Probleme mit Geräten und

gabe wählen.

Änderungen in Arbeitsabläu-

Werkzeugen) und Notfällen

Die korrekte Methode zum Er-

fen besprechen und abstim-

füllen einer Aufgabe wählen.

men

Entscheiden, ob die Arbeit al-

Erkennen, ob Änderungen

lein erledigt werden kann, oder

Kollegen/innen und Vorge-

ob Hilfe nötig ist.

setzten mitgeteilt werden

Prüfen, ob die erledigte Arbeit

müssen.

den erwarteten Standards ent-

Probleme identifizieren und

spricht.

Lösungen entwickeln

(Verletzungen, Unfälle) umgehen.

Basisbildungsanforderungen im Job: IKT SEHR HÄUFIG

HÄUFIG

VON ZEIT ZU ZEIT

--

--

Verwenden von Scannern, Bedienung von Touchscreens u. ä. Eingeben und Auslesen von Daten in Datenbanken Bedienung branchenspezifischer Software

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MANGELNDE BASISBILDUNG BEI ERWACHSENEN ERWERBSTÄTIGEN Noch vor einigen Jahren gab es nur Schätzungen – die Studie „leo.-Level One Survey“ der Universität Hamburg legt zum ersten Mal valide Daten zur Verbreitung von Analphabetismus in Deutschland vor. Bereits die Konzeption der Erhebung stellte eine große Herausforderung dar: Wie geht man vor, um bei einem derart tabuisierten Thema zu repräsentativen Ergebnissen zu kommen?

Die Zahl der funktionalen Analphabeten in Deutschland liegt deutlich höher als bislang angenommen. Während Schätzungen aus den 90er Jahren von etwa vier Millionen Betroffenen ausgingen, sind es laut leo.-Level One rund 7,5 Millionen. Dies bedeutet: 14,5 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung (18 – 64 Jahre) können zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben, sind jedoch schon mit kürzeren zusammenhängenden Texten überfordert. Betroffene Personen sind aufgrund ihrer begrenzten schriftsprachlichen Kompetenzen nicht in der Lage, am gesellschaftlichen Leben in angemessener Form teilzuhaben. So misslingt etwa auch bei einfachen Beschäftigungen das Lesen schriftlicher Arbeitsanweisungen.

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Darüber hinaus zeigen sich bei 25% der erwerbsfähigen Bevölkerung starke Defizite beim Schreiben (vor allem die Rechtschreibung). Das heißt, sie lesen und schreiben auch bei gebräuchlichen Wörtern langsam und/oder fehlerhaft. Die Rechtschreibung, wie sie bis zum Ende der Grundschule unterrichtet wird, wird nicht hinreichend beherrscht. [weitere Ergebnisse der Studie siehe: leo. – Level One Study, Literacy of adults at the lower rungs of the ladder. Press brochure. Hamburg, spring 2011].

Ein Artikel aus der Onlineausgabe der ZEIT beschreibt die Situation in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, sehr anschaulich: „Pünktlich zum Weltalphabetisierungstag am 8. September [2011] haben sie ihren Auftritt: Der Indiojunge aus Bolivien, der seinen Eltern auf dem Feld helfen muss und deshalb nicht zur Schule darf. Das Mädchen im Senegal, das mit hundert anderen in einem Bretterverschlag vor einem Lehrer sitzt. Beim Thema Analphabetismus sind die Deutschen, so die Botschaft, vor allem als Spender gefragt – für die Dritte Welt. Doch seit Kurzem steht fest: Die Dritte Welt liegt auch in Duisburg, Wismar oder Stuttgart. Im Februar veröffentlichten Hamburger Wissenschaftler die Leo-Studie, die erste Untersuchung zur Lesefähigkeit der Bundesbürger. Siebeneinhalb Millionen funktionale Analphabeten gibt es demnach hierzulande. Sie können nur mit Mühe kurze Sätze lesen und schreiben; rund zwei Millionen von ihnen vermögen nicht einmal das. Migranten, die kein oder kaum Deutsch verstehen, wurden von den Forschern nicht erfasst.

[…] Wer seitdem von der Bildungsrepublik redet, macht sich lächerlich. Siebeneinhalb Millionen, das sind mehr Menschen, als in Deutschland im Verein Fußball spielen. Eigentlich hätte diese enorme Zahl zu Regierungserklärungen und empörten Leitartikeln führen müssen, wie vor zehn Jahren die Pisa-Ergebnisse. Doch der Befund ging unter im Strom der Katastrophenmeldungen dieses Jahres [2011]. Dass 14 Prozent der Deutschen unter dem kulturellen Existenzminimum leben, schien niemanden aufzuregen.

[…] Bei der Bewältigung des Problems kommt den Unternehmen in Deutschland dabei eine wichtige Rolle zu. Denn anders als vermutet, verfügt mehr als die Hälfte aller funktionalen Analphabeten trotz ihres Handicaps über einen Job, und zwar in ganz bestimmten Branchen. So kann jeder vierte Koch, Maler oder Lkw-Fahrer in Deutschland nur rudimentär lesen und schreiben. Unter den Hilfsarbeitern auf dem Bau ist es sogar im Schnitt jeder zweite. Indem man diese Branchen mit klugen Anreizen für eine Weiterbildungsoffensive gewinnt, erreicht man die größte Wirkung. Und noch etwas zeigen die neuen Zahlen: Analphabetismus ist männlich geprägt, mehr als 60 Prozent der Betroffenen sind Männer. Diese Schieflage zeigte sich übrigens nicht nur bei den funktionalen Analphabeten, sondern bei allen in der Studie Getesteten. Bei gleichem Schulabschluss, Einkommen und Elternhaus schneiden Frauen auf der Lese-Skala der Leo-

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Forscher bedeutend besser ab als Männer. »Die Differenz«, erklärt die Hamburger Wissenschaftlerin Anke Grotlüschen, »ist vergleichbar mit dem Kompetenzabstand zwischen Personen mit mittlerer Reife und Personen mit Abitur.“ [Aus: Zeit Online – Wissen (http://www.zeit.de/2011/37/Analphabeten)]

Dabei gilt es zu beachten, dass folgende Personengruppen nicht zum Kreis der funktionalen Analphabeten gezählt werden: 

Menschen, die noch der Schulpflicht der allgemeinbildenden Schulen unterliegen;

Erwachsene mit Migrationsstatus, die in ihrem Herkunftsland eine literale Sozialisation erfahren haben, die zwar die Sprache bzw. die Schriftsprache des Aufenthaltslandes nur eingeschränkt beherrschen, aber dennoch gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten besitzen;

Erwachsene, die infolge organischer oder psychischer Beeinträchtigungen grundsätzlich nicht oder nicht mehr in der Lage sind, sich literale Kompetenzen anzueignen.

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BASISBILDUNG TRAINIEREN Der Ansatz der arbeitsplatzbezogenen Basisbildung stammt aus dem angelsächsischen Raum und wird dort als Workplace Basic Education (WBE) bezeichnet. Gemeint ist damit das nachträgliche Lernen von berufsrelevanten Basisbildungsinhalten am Arbeitsplatz, vor allem Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen, aber auch Problemlösungsstrategien, Teamarbeit oder die Computeranwendung. Adressaten sind solche Mitarbeiter/-innen, deren Basiskompetenzen nicht bzw. nicht mehr für die geänderten Anforderungen am Arbeitsplatz ausreichen. Damit umfasst WBE das nachholende Lernen von grundlegenden Fähigkeiten am Arbeitsplatz bzw. für den Arbeitsplatz, die in der Regel bereits durch das allgemeinbildende Schulwesen hätten vermittelt werden müssen. In einer Reihe von Ländern wie Neuseeland, Irland, Australien und dem Vereinigten Königreich liegen langjährige Erfahrungen mit nationalen Programmen, Initiativen oder (Forschungs-) Agenturen zur Förderung der arbeitsplatzbezogenen Basisbildungskompetenzen vor, während das Thema hierzulande in der Weiterbildung bislang noch keine große Aufmerksamkeit erhält. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass es in Deutschland - anders als in den genannten Ländern - keine staatlichen, beschäftigungsfördernden Programme für die Basisbildung Erwachsener gibt. Dabei stellt sich zunächst die Frage nach den Inhalten derartiger Angebote. In Anlehnung an die Conference Board, eine internationale, unabhängige Organisation zur Wirtschaftsförderung und Politikberatung, zählen folgende Kompetenzen zur arbeitsplatzbezogenen Basisbildung: 

Texte verstehen (zum Beispiel Briefe, Bedienungsanleitungen, Produktionspläne, Sicherheitsvorschriften) und anwenden

Effektiv kommunizieren

Zahlen verstehen und anwenden - selbstständig und mit Hilfe von Tabellen und Grafiken

Kritisch denken und logisch handeln, um Probleme lösen und Entscheidungen treffen zu können

Effektive Anwendung von Computertechnologien

Im Team arbeiten bzw. Teams leiten

Positive Einstellung gegenüber Veränderungen

Bereitschaft und Fähigkeit zum lebenslangen Lernen

[aus: Arbeitsplatzbezogene Basisbildung, Leitfaden für Unternehmen; Helmut E. Klein/Sigrid Schöpper-Grabe, Institut der deutschen Wirtschaft Köln und Rolf Klatta/Barbara Grimmer/Eugen G. Breining, Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V., Köln 2011; The Conference Board, 1999]

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Für die berufliche Weiterbildung ist zumeist ein höheres Niveau an Basisbildungskompetenzen erforderlich als für die konkrete Ausführung von Tätigkeiten am Arbeitsplatz. Denn in der beruflichen Weiterbildung werden meist schriftliche Materialien genutzt. Basisbildungsangebote im Rahmen betrieblicher Weiterbildung unterstützen hingegen gezielt Mitarbeiter/innen, die über unzureichende Lese- und Schreibkompetenzen verfügen: von der didaktischen Aufbereitung bis zum individuellen Coaching stehen ganz unterschiedliche Ressourcen zur Verfügung. Diese Basisbildungsangebote dienen jedoch in der Regel nicht der allgemeinen Vermittlung von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen. Dennoch ist es ist sinnvoll, auch Basisbildungskompetenzen zu definieren, die darüber hinaus für die berufliche Weiterbildung benötigt werden. Die Verbindung von Lernen mit der Option der unmittelbaren Umsetzung in beruflichem Handeln motiviert nicht nur, sondern bestätigt die Relevanz der erlernten Fähigkeiten für den eigenen Arbeitsplatz. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass arbeitsplatzbezogene Basisbildung auch für das Unternehmen mittelfristig positive Auswirkungen hat.

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DREI BEISPIELE Kundengespräche (Reinigungsunternehmen) Herr P. arbeitet in einem Reinigungsunternehmen. Er beginnt nachts mit seiner Arbeit, die häufig erst am späten Vormittag endet. „Nachts arbeite ich lieber, dann ist niemand da, und ich muss nicht sprechen“, meint er, „aber morgens gibt es immer jemand, der etwas wissen möchte. Das macht mein Kollege. Oft fehlen mir die Worte.“ Auch bei Zusatzaufträgen, die von der Zentrale mitunter per SMS gesendet werden, fehlen ihm die Worte. Dann ist er froh über seinen Teamkollegen, den er fragen kann.

Obwohl sich Herr P. im Unternehmen sehr wohl fühlt und gut mit seinen Kollegen zusammenarbeitet, nahm er die Chance, an einem Basisbildungskurs der Zukunftsbau GmbH teilzunehmen, gern und mit Erleichterung wahr. Seit mehreren Wochen besucht er nun diesen Kurs, der sich flexibel nach seinen Arbeitszeiten richtet. Der Kurs beginnt entsprechend später, wenn Herr P. länger arbeiten muss. Sein Ziel ist es, mit Kunden frei sprechen zu können. Gerne möchte er, wenn er einen Zusatzauftrag erhalten hat, sich selbstverständlich und sicher beim Kunden vorstellen, den auszuführenden Auftrag formulieren oder nach technischen Details fragen. Bereits nach den ersten Kursterminen fühlt er sich schon viel sicherer, denn er hat schon wichtiges Fachvokabular gelernt. Das kann er auch gut in seinem Monatsbericht nutzen, denn er muss seine Tätigkeiten dokumentieren. Auch die vielen Abkürzungen im Einsatzplan kann Herr P. nun lesen und weiß, welche Arbeitsaufträge damit verbunden sind.

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Lesen und Schreiben im Lager Im Lager, in dem Herr F. als Kommissionierer arbeitet, werden über 40.000 Artikel vor allem für gewerbliche Kunden aus den Bauhaupt- und Baunebengewerken, aber auch für Privatkunden zum Kauf bereitgestellt. Das Sortiment reicht von Baustoffen, einer Vielzahl von Schrauben und Dübeln bis zu Werkzeugen und Maschinen. Im Lager arbeiten bis zu zehn Mitarbeiter/innen, im gesamten Unternehmen 490.

Häufig und regelmäßig verlangte Artikel kann Herr F. anhand des Bestellscheins problemlos und schnell zusammenstellen. Hingegen braucht er für das Zusammenstellen von Artikeln, die nur gelegentlich oder vereinzelt angefordert werden, deutlich mehr Zeit. Die Artikelbezeichnungen bestehen oft aus mehreren Wörtern, sie bereiten ihm erhebliche Lesemühe. Auch die Orientierung durch die Artikelnummern hilft nicht immer weiter. Oft vergewissert er sich nochmal bei der Auftragsannahme oder später bei einem Kollegen. Dies ändert sich, seit Herr F. einen Basisbildungskurs der Zukunftsbau GmbH besucht. Der Basisbildungskurs richtet sich nach den Lese- und Schreibanforderungen im Betrieb und den Bedarfen von Herrn F. Zweimal wöchentlich lernt er Bestellscheine zu lesen und Lieferscheine auszufüllen. Zugleich erwirbt er grundlegende PC-Kenntnisse und übt den Umgang mit einer Datenbank. So ist er gut auf die technologische Umstellung des Lagersystems, die für dieses Jahr geplant ist, vorbereitet.

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Lesen und Verfassen von Fachtexten in Vorbereitung auf externe Kammerprüfungen „Schon in der Schule hab‘ ich nicht so gern geschrieben, war halt‘ nie so meine Sache“, meint die 29-jährige Frau A., die jetzt ihren Berufsabschluss nachholen möchte. Sie arbeitet als Angelernte im Malerbereich. Sie hat viel Erfahrung: Beschichten und Bekleiden von Innenwänden, Decken, Böden und sogar Fassaden von Gebäuden zählten bereits zu ihren Aufgaben. Doch zu der ausführenden Praxis kommt jetzt die Theorie hinzu. In Fachtexten werden Analysemethoden, Bearbeitungstechniken, chemische Zusammensetzungen, physikalische Wirkungen beschrieben und erläutert. Komplexe Aufgabenstellungen, z.B. Kundenaufträge, müssen fachgerecht bearbeitet und dokumentiert werden.

Einmal wöchentlich besucht sie mit vier weiteren Malern/innen und Lackierern/innen einen Basisbildungskurs, der von der Zukunftsbau GmbH durchgeführt wird. Gemeinsam üben sie jetzt, komplexe Fachtexte zu lesen, Arbeitsabläufe zu notieren, Material- und Mengenlisten zu erstellen, Kosten zu kalkulieren und fachgerecht Pläne und Entwurfsskizzen anzufertigen. Regelmäßig müssen sie ihre Ergebnisse präsentieren und lernen so, wie man Kundenwünsche in die Auftragsausführung einbezieht und dokumentiert. Alle wünschen sich, erfolgreich die Gesellenprüfung zu absolvieren, und die Unternehmen unterstützen ihr Ziel. Der Kurs kann in der regulären Arbeitszeit stattfinden.

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MINI GLOSSAR

BASIS BILDUNG

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FUNKTIONALER ANALPHABETISMUS Von funktionalem Analphabetismus spricht man, wenn die schriftsprachlichen Kompetenzen von Erwachsenen niedriger sind als diejenigen, die minimal erforderlich sind und als selbstverständlich vorausgesetzt werden, um den jeweiligen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Diese schriftsprachlichen Kompetenzen werden als notwendig erachtet, um gesellschaftliche Teilhabe und die Realisierung individueller Chancen zu ermöglichen. Eine kritische Ausprägung dieser Kompetenz liegt vor, wenn schriftsprachliche Anforderungen des täglichen Lebens und einfache Erwerbstätigkeiten nicht bewältigt werden können, d. h. wenn eine Person nicht in der Lage ist, in einem einfachen Text eine oder mehrere Informationen sinnerfassend zu lesen und/oder sich beim Schreiben auf einem vergleichbaren Kompetenzniveau befindet.

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BASISBILDUNG Der Begriff der Basisbildung schließt neben Lese- und Schreibfertigkeiten auch Kompetenzen bei der kulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe ein, z.B.: 

Beherrschung der Verkehrssprache,

mathematische Grundkenntnisse,

Selbstregulation des Wissenserwerbs („lebenslanges Lernen“),

politische Meinungsbildung und Interessenvertretung,

Kompetenz im Umgang mit modernen Informationstechnologien,

soziale Kompetenz,

fremdsprachliche Kompetenz und allgemeine Handlungsfähigkeit im Alltag und in der Gesellschaft (Mobilität, eigenständiger Kontakt zu Ämtern, Ärzten usw.).

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HEALTH LITERACY Health Literacy (Gesundheitskompetenz) ist die Fähigkeit des Einzelnen, selbstständig grundlegende Gesundheitsinformationen zu finden, zu verarbeiten und zu verstehen und Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, um angemessene gesundheitsrelevante Entscheidungen treffen zu können.

Eine geringe Gesundheitskompetenz kann tiefgreifende finanzielle Folgen für das Gesundheitssystem eines Landes haben. Im Jahr 2001 führten die niedrigen Gesundheitskompetenzen der amerikanischen Bürger zu geschätzten $32 bis $58 Milliarden Mehrausgaben im Gesundheitswesen.

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COMPUTER LITERACY Computerkompetenz (Computer Literacy) ist die Fähigkeit, sicher mit Informationstechnologie umzugehen und z.B. den Computer und seine Software als Werkzeug zu nutzen.

Digitalkompetenz (Digital Literacy) ist die Fähigkeit, über Computer dargestellte Informationen unterschiedlicher Formate verstehen und anwenden zu können. Internet-Kompetenz (Internet Literacy) ist die Fähigkeit, das Internet zu nutzen und seine grundlegenden Strukturen und Funktionsweisen zu kennen.

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GESTALTUNG profund GmbH ABBILDUNGEN Seite 1

docb, berlin

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pixelputze / photocase.de

Seite 5

Zukunftsbau GmbH

Seite 8

leo. – Level-One Studie. Presseheft. Hamburg, im Frühjahr 2011

Seite 10

docb, berlin

Seite 13

bruzzomont / photocase.de

Seite 14

Zukunftsbau GmbH

Seite 15

eritropel / photocase.de

Seite 16

secretgarden / photocase.de

IMPRESSUM Zukunftsbau GmbH Charlottenburger Str. 33 A 13086 Berlin

www.literacyatwork.eu

Kontakt Dr. Klaus J. Bunke kjbunke@zukunftsbau.de

Projekt Partner A.L.P.E.S. - Association Lyonnaise de Promotion et d’Éducation Sociale, Frankreich BFI - Berufsförderungsinstitut Oberösterreich, Österreich C.D.I - Conseil Développement Innovation, Frankreich Zukunftsbau GmbH, Deutschland

Das Projekt Literacy@work wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.

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