17
3 Figur 15 Verhältniszahlen zwischen den erforderlichen Wandlängen bei gleich grossen Zellenflächen
Schale entzweigeschnitten und der Schalenrand frei ist. Schon unter geringen Kräften treten grosse Verformungen auf. Für die technische Nachbildung der natürlichen Formbeispiele werden in der Regel geometrisch einfach definierte Formen benutzt.
Figur 16 Schnitt durch Schale
Bei Schalen handelt es sich im wesentlichen um Membranen (Kap. 1). Flächenlasten erzeugen daher in erster Näherung Membranspannungszustände. Figur 16 stellt einen Schalenschnitt dar. Die Flächenlast p erzeugt lokal die Schalenkraft N = p• r, welche variabel und in ihrer ersten Ableitung sogar unstetig sein kann. Linien- und Einzellasten können von Schalen nicht biegungsfrei aufgenommen werden. Da Dächer mindestens begehbar sein müssen, ist somit die Forderung nach einer gewissen Biegesteifigkeit immer vorhanden, auch wenn diese nicht gross zu sein braucht. Wie bei Faltwerken stellt auch bei Schalen jeder Rand eine singuläre Linie dar. Wenn eine Schale an ihrem Rand frei ist, müssen die Membranspannungen dort Null sein, was in der Regel, ganz spezielle Lastfälle ausgenommen, zu grossen Verformungen führt. Hier sei an das Beispiel der Eierschale erinnert. Wenn der Rand einer Schale frei sein Figur 17 Schalenelement
Lignatec 2/96
soll, muss die Voraussetzung erfüllt sein, dass die Druckspannungen senkrecht zum Schalenrand verschwinden. Die Schubspannungen sind an eine Randverstärkung zu übertragen, in der sie Normalspannungen aufbauen kann, z. B. HP — Schale in Kap. 3.2. Ist der Rand einer Schale gleichzeitig der Rand einer benachbarten Schale (Schnittlinie zweier Schalen), so müssen die Membranspannungskräfte zwischen den betreffenden Schalen im Gleichgewicht sein. Die Schnittlinie, in der Regel eine Raumkurve, erfährt analog zur Faltwerkkante unter Einzellasten keine, bzw. in erster Näherung vernachlässigbare Verformungen. Verstärkungen solcher «Nähte» sind in der Regel nicht erforderlich. Die Membraneigenschaften, die eine Schale haben muss, kann unter bestimmten Bedingungen bereits durch zwei miteinander verbundene Brettlamellenlagen erreicht werden. Ein allgemeiner ebener Spannungszustand in einem Punkt der Schale kann dadurch charakterisiert werden, dass die Randspannungen an den vier Seiten eines an diesem Punkt aus der Schale herausgeschnittenen quadratischen Elementes angegeben werden (Figur 17). Zu jedem Spannungszustand gibt es eine Orientierung des Elementes derart, dass die Schubspannungen verschwinden (Mohr'scher Spannungskreis). Die verbleibenden Normalspannungen und (T, sind die sogenannten Hauptspannungen. Legt man die beiden Lamellenrichtungen parallel zu den Hauptspannungsrichtungen, ist die gewünschte Membraneigenschaft perfekt erreicht. Wenn es gelingt, diese Richtungsübereinstimmung mindestens annähernd für jeden Punkt der Schale zu erreichen, ist die Bedingung für die Beschränkung auf zwei Lamellenlagen erfüllt. Will man gerade und parallel geschnittene Lamellen verwenden, was sich natürlich vom Material her aufdrängt, nimmt man eine weitere Einschränkung in Kauf. Diese führt zu weiteren Bedingungen, welche dann erfüllt sind, wenn die Hauptspannungstrajektorien, welche die Schale mit einem orthogonalen Netz überziehen, in jedem Punkt annähernd die Richtung der Hauptkrümmungen annehmen. Auf die Berechnung der Hauptkrümmungen und deren Richtungen wird in Kap. 3.2 näher eingegangen. Während das Netz der Hauptspannungstrajektorien von einem bestimmten Lastfall abhängt und sich somit von Lastfall zu Lastfall ändert, ist das Netz der Hauptkrümmungstrajektorien an die Geometrie der Schale gebunden.