Artikel für VICE Magazin (inoffiziell)

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FREE VOLUME 5 NUMBER 3


INVERS Invers, Invers, Invers ... Ich höre immer Invers. Was heißt denn das überhaupt? Das digitale Orakel Wikipedia sagt dazu: Inversion (von lateinisch Inversio, die Umkehrung), steht allgemein für die Umkehr einer Sache. Für ein wunderbares Hipster Magazin Namens VICE heißt das: Invers (von VICE Invers), steht im allgemein für zwei Interviews zu einer Person. Artist und Fan. So und nun genug der frechen Wortspielereien. Umblättern!

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The Bloody Beetroots Bob Rifo - Hans Dampf in allen Gassen!

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Es war Anfang der 80er Jahre als Italo-Disco auf den Radarschirm der Öffentlichkeit rückte. Wichtige Wegbereiter der Szene waren Komponisten- und Produzentenduos wie La Bionda und Jacques Morali/Henri Belolo die bereits 1970 den Sound der Village People kreirten. Synthesizer, Keyboards und Drumcomputer waren die Grundlage dieser, für den Dancefloor entworfenen, elektronischen Tanzmusik. In jüngster Zeit rumort es wieder in Italien. Produzenten wie Bob Rifo (The Bloody Beetroots), Crookers oder Congorock haben die Mentalität wieder aufgegriffen und pumpen ihre Interpretation von tanzbarer Musik in unsere Gehörgänge. Bob Rifo und Christian Buß erläutern Ihre Sicht auf die Szene und die Bloody Beetroots .

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ichblitze, Schweiß, wummernde Bässe und kreischende Höhen. Zwei unscheinbare LCD Anzeigen in Kreisform drehen sich auf den CD Playern. Die Effektknöpfe des Mischpults blinken in freudiger Erregung gleich loszustürmen. Mit leichten Drehbewegungen an den Jogwheels der CD-Player, die auf den ersten Blick an Vinylscheiben erinnern, korrigiert Bob das Tempo des nächsten Songs. Die Menge bebt. Die Bass Drum setzt aus. Langsam mischt er einen Hall Effekt in die Melodie. Alles beginnt zu verschwimmen. Die Frequenzen überlagern sich. Die Synthesizer schreien. Hart an der Belastungsgrenze des Gehörs. Snare Drums prasseln auf die Tanzfläche. Stroboskopgewitter. Das Publikum fleht um Erlösung. Bob zieht den Linefader herunter – ein kurzer Moment der Stille – um dann beide wieder hochzureißen. Beide Songs laufen. Gleiches Tempo, richtiges Timing. Alle Tanzen!

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„Booom-Klatsch-Wobbel-Tick-Tick-Booom-Wobbel-Wobbel-Klatsch!“ Haltet einen Moment inne – und nun stellt euch vor die Misfits und Daft Punk zeugen Kinder ...?! Vermutlich würden sie Masken tragen und sich anhören wie Gitarrenriffs auf Ecstasy. Synthesizer im Alkoholrausch – stolpernd und stürzend aber stehts in eine Richtung rasend. Getrieben von analogen Bassdrums mit maximaler Kompression. Zu technisch für den VICE-Leser? Ok, dann nochmal: Booom-Klatsch-Wobbel-Tick-Tick-Booom-WobbelWobbel-Klatsch. So klingen sie, die neuen Stars am Italo-Disco/Nu-Rave Himmel. Die Bloody Beetroots, das sind Bob Rifo und Tommy Tea, haben gerade ihre “Till Death Tour” hinter sich gebracht. Australien und Neuseeland liegen in Schutt und Asche. Mit Songs wie Cornelius oder Warp 1.9 drücken sie ihr Publikum mit Sägezahn-Wellenformen buchstäblich gegen die Wand. Begonnen hat das alles mit Veröffentlichungen Ihrer Songs in bekannten Computerspielen wie FIFA 09, NBA 09 oder NFS Pro Street. Sogar die amerikanische TV Serie CSI Miami profitierte von ihrem

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kompromisslosen Sound. Bob Rifo, der musikalische Kopf hinter dem Projekt machte sich bereits vorher, mit Projekten wie “The Rectangles”, einen Namen. Seine Wurzeln liegen laut eigener Aussage im Punkrock, klassischer Musik und der ComicKultur der 70er und 80er Jahre. Nicht zuletzt mit dem Song “The Death of Cornelius (Part 1)“ beweist er sein musiklaisches Genie. Er lenkt Vangelis, Giorgio Moroder, Tangerine Dream und Ennio Morricone entlang seiner Punkrock-Attitüde und schafft so eine Ouvertüre die dem mysrteriösen Cornelius Tribut zollt. Der Name Cornelius fällt bei Bob Rifo häufiger. Es ist ein Ode an den britischen ScienceFiction Autor Michael Moorcock und seinen androgynen Antihelden Cornelius. In seinen Abenteuern schlägt er sich durch die bizarren Welten eines Multiversums. Der augenscheinlichste Mythos der den beiden anheftet ist jedoch die Maske. Spiderman oder sein Rivale Venom?. Laut Bobby sollen sie ein Art progressive Form der Masken sein die von den Schauspielern der traditionellen venezianischen

Volksschauspielkunst (Commedia dell’ Arte) getragen werden. Die Maske der Zanni, den unteren Bevölkerungsschichten, diente als Vorbild. Abgesehen davon bestätigen sie in einem Youtube-Interview, dass Venom definitiv cooler ist als Spiderman. Die Geschichte zeigt uns wie groß und non-konformistisch künslterische Veranstaltungen wie die Uraufführung von Stravinkski’s Frühlingsweihe im Jahre 1913 oder die etwas aktuellere, berühmte Public Image Limited Show im New Yorker Ritz, 1981 sein können. Sir Bob Cornelius Rifo wird durch einen ähnlich revolutionären Eifer getrieben, wenn auch mit einer Prise mehr Partystimmung als seine Vorgänger. Also meine Damen und Herren, die Revolution ist im Gange, der Eintritt ist frei und wir sind alle eingeladen.


Masken tragen kennen wir ja bereits und wenn man dann noch euren Sound hört würden viele Leute bestimmt sagen: DAFT PUNK. Was kannst Du zu eurer Verteidigung sagen? Was haben die Masken auf sich? Scheint auch ziemlich heiß zu sein darunter ...

schen Mode, Grafik und Musik in der italienischen Mannschaft, aber musikalisch dreht sich alles um Congorock und Cecile.

Definitiv heiß! Durch die Masken werden wir oft mit Guy und Thomas von Daft Punk in Zusammenhang gebracht, aber wir sind keine Roboter, wie sie. Wir stammen aus den Marvel Comics und wir schmeißen Superhelden Parties auf einem anderem Level der Ernsthaftigkeit.

Mein Zeil ist es einen ansteckenden Sound zu kreieren. Sowohl meine Remixe als auch meine eigenen Produktionen nähren sich aus den selben Ideen. Im Fall eines Remixes versuche ich den Künstler uns seine Kultur zu verstehen. Für meine eigenen Tracks grabe ich in meiner eigenen Kultur. Der Fokus liegt in beiden Fällen in den Details die es zu einem Original Bloody Beetroots werden lassen.

Ist es Deiner Meinung nach, als Produzent elektronischer Musik, schwieriger sich einzigartig zu machen als in anderen Musik Genres? Es ist sicherlich härter da man von Anfang an auf starke Rythmen angewiesen ist und es erfordert einen tiefen kulturellen Hintergrund und und Talent um seinen eigenen Sound zu entwickeln. Sind Duo‘s besser als einzelne Entertainer/ DJ‘s wie z.B. Boys Noize? Zu zweit aufzutreten erlaubt uns eine gute Show zu bieten und das ist essentiell wichtig weil wir viel Wert auf eine gute Interaktion mit dem Publikum legen. Die Energie der Zuschauer spiegelt den Grund warum wir existieren. Und warum? Um die Leute davon abzuhalten in Pubs von Boredom (IT) zu vergammeln. Sind die Bloody Beetroots und Eure Mitstreiter die neue Ed Banger Crew? Habt Ihr was es braucht um sie vom Thron zu stoßen? Ed Banger sind eine Familie und haben einen starken Zusammenhalt. Das gibts so in Italien nicht aber wir geben uns Mühe. Unser Kumpel Congorock ist das beste Beispiel. Er ist der Neue auf Fools Gold Rec. und wir haben ihn produziert. Wir arbeiten aber zum Beispiel mit Uncle Pedro von Ed Banger zusammen.

Du hast 28 Songs in nur einem Jahr geremixed. Setzt Du im remixen deine Priorität?

Kannst Du es Dir leisten wählerisch zu sein wen Du remixed? Auf jeden Fall! Ich kann nichts remixen was mir nicht gefällt aber zugleich würde ich nie die Chance verpassen mich in etwas einzubringen nur weil es mir auf Anhieb nicht gefällt. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Steve Aoki‘s Label DIM MAK? Durch JFK von MSTRKRFT. Er half uns wie ein Bruder und führte uns zusammen. Wir haben im April 2008 begonnen und die Zusammenarbeit führt uns durch die vielen Facetten des Bloody Beetroots Projekts (live DJing und Produktionen). Wir lieben DIM MAK weil sie versuchen Musik zu promoten die sonst keinen Platz fände in einem Land, das Krach verdient hat. Und sie demonstrieren, dass dort Nachfrage besteht. Wir wissen jetzt, dass es das Wert war den Ozean zu überqueren um unseren Sound an den Mann zu bringen. Was können wir von eurem Album erwarten und wann kommt es denn endlich? Es wird eine EP vor der LP geben, und es wird das erste Kapitel einer abenteuerlichen musikalischen Reise und erklärt einige der Verbindungen mit der italienischen Kunst des vergangenen Jahrhunderts. Danke Bob!

Was habt Ihr was die nicht haben? Die Masken und Italo-Disco! Wen sonst, aus Italien, sollte man sich noch anschauen? Giulia (Fucked From Above 1985) und Turbo Krapfen sind das beste Beispiel für den Zusammenhalt zwi-

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„Das Tempo, die Synths, die Struktur des Songs war für mich einfach nur Abriss!!!“ Hi Christian! Stell‘ Dich doch bitte mal kurz vor ... Hallo, ich heiße Christian und bin Sounddesigner und Producer im Electro/Hip Hop aber auch eine Hälfte des unschlagbarem DJ Teams „YESYESYO!“ (yesyesyos. blogspot.com). Zur Zeit arbeiten wir sehr intensiv an der ersten „YESYESYO!“ Ep und legen auf diversen Partys auf.

von Vorteil ist. Und da sind Punks nun mal mit Abstand (neben dem Saufen und Schnorren) am besten ausgebildet. In diesem Fall würde ich dir zustimmen. Aber ich denke, dass die Tracks in jedem der Zuhörer die geistige Abrissbirne weckt und so entsteht ein Kollektiv von Szeneleuten die gemeinsam auf dem „Hoover“ der Beetroots surfen. Was macht für Dich den Sound der Bloody Beetroots so speziell?

Was war Deine erste selbst erworbene CD/LP? Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass ich im zarten Alter von 12 Jahren meine ältere Schwester samt Erspartem zum Plattenladen schickte, um mir das Debutalbum von „2 Unlimited“ zu kaufen. Das war noch ein Augenzwinkern vor der großen Euro-Trash-Welle in den 90‘s. Welche Musik Richtungen waren für Dich bisher ausschlaggebend? Zuerst waren da natürlich kopierte Michael Jackson Tapes die ich rauf und runter spielte. Im Laufe der Zeit merkte ich doch ganz klar den Einfluß von Rave/Techno in meiner CD Sammlung. Als man nach und nach immer mehr in die Materie einstieg wurde die Auswahl schon expliziter in Form von Acid- und Hardhouse. Sachen wie „Hardfloor“ begeisterten mich schnell. Dann plötzlich der Cut und ich entdeckte den Rap/Hip Hop und „Boom Bap“ der Neunziger für mich. Ich konnte mir plötzlich keinen Abend ohne die üblichen Verdächtigen „Enter the Wu-Tang“/ „93‘ til infinty“ / „Funcrusher Plus“ ... vorstelllen. Heute ist mir so ziemlich alles Recht, es muss mich nur irgendwie anfixen. Ob Fender, Punchline oder LFO, spielt für mich keine Rolle mehr.

Ganz klar die Tiefe und die Verwendung von Altbewährtem. Analog Sounds, Analog Drums, und die „Heavy Compression“der einzelen Beats sind unverkennbar. Ich mag den Hang zu klassischen Instrumenten und die dadurch erzeugte Stimmung in Rifo‘s Produktionen. Der Faktor Offenheit in Bezug auf Genretypischen Sounds spielt da meiner Meinung nach eine grofle Rolle. Es ist aber nicht nur der Sound, der die Bloodys so speziell macht. Das Gesamtkonzept“Mucke + Masken = Party“ ist, wie schon vorher oft bewiesen, das reizvolle an dem Projekt. Gilt Bob Rifo‘s Aussage, dass Musik, Grafik und Mode in Italien unzertrennlich sind auch für den Rest der Welt? Ich denke das wenn man die Bühnen dieser Welt betritt, unabhängig in welcher Kunst, braucht man ein stimmiges Konzept. Modeshows ohne Audiovisuelle Elemente funktionieren nicht. Musiker ohne Modetrends oder Artdesign gehen oftmals in der Masse unter. Grafik die ohne Background entsteht hat oftmals was Totes an sich. Alles in Allem hängen die Dinge schon sehr stark voneinander ab, aber ich denke es wird immer die ein oder andrere Ausnahme geben, die uns des Besseren belehrt.

Was führte Dich auf Bob Rifo‘s Fährte? Als alter „X-Box Zocker“ und Fuflball-Liebhaber habe ich auf FIFA 09 das erste Mal Bekanntschaft machen dürfen. Der Track „Butter“ von den Bloodys zog mir zu diesem Zeitpunkt die Schuhe aus. Das Tempo, die Synths, die Strukturdes Songs war für mich einfach nur Abriss!!! Das meine ich mit „Anfixen“. Bob Rifo war oder ist Punkrocker, Congorock hat gerade erst ein Punkrock Mixtape mit Namen „The Furious Years“ veröffentlicht. Glaubst Du, dass es charakteristisch ist für deren Fans ist Punk zu sein? Wer jemals die Beetroots live auflegen gesehen hat, weiß, dass eine fundierte Pogo-Ausbildung ganz klar 52 | VICE

Welche Produzenten würdest Du unseren Lesern außer den Bloody Beetroots noch empfehlen? Da gibt es sehr viele Sachen die ich zur Zeit ticke. „Gtronic“ oder „Huoratron“ find ich propper. „Cool Kids“ und „Huss&Hodn“ mischen den Rap auf, endlich!!! Ansonsten feier ich viel „Dirty Disco Youth“ aus Wien oder „Pro 7“ aus Toulouse. Was wäre dein Traum Line Up? Oh, kompliziert... Ich denke „Wu-Tang-Clan“ (mit dem Herz von Früher) zusammen mit „Daft Punk“ den „Beastie Boys“ und eine „Westbam/Boys Noize“ Kollabo fänd‘ ich nett. Dazu noch ne Prise Independent Kram

a la „Does it offend you, Yeah!?“ und „Herve`“ und als Host“El-P“ von „Company Flow“. Die anschließende Aftershow Party natürlich mit „YESYESYO!“ an den Tellern. Fertig! Danke Christian!


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