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HELFER-WORKSHOP MIT YANNICK KAYSER

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EDITORIAL

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Wissen Schafft Verantwortung

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TEXT: MIKE SCHEFFNER

FOTOS: CONSTANZE RÄHSE

Der Hund muss beißen und beim Verbellen ordentlich hämmern! Okay, er muss sich auch abrufen und führen lassen. Und den Ärmel wieder loslassen, wenn man es ihm sagt. Aber ist das alles, worum es im Schutzdienst geht? Oder steckt der Teufel vielleicht im Detail? Einer der modernen Exorzisten, der Luzifer verjagt, indem er jedes Detail im Schutzdienst beleuchtet, ist Yannick Kayser. An seiner Seite, nicht nur im echten Leben, sondern auch im Hundesport, ist seine Partnerin Anne Eisemann. Die beiden arbeiten in ihren Seminaren und Workshops perfekt zusammen. Von der präzisen Analyse der beiden, was exakt in jeder Übung im Schutzdienst passiert, welche lerntheoretischen Abläufe auf den Hund wirken und welche Emotionen dabei ins Spiel kommen, profitierten am 23. Juni die Teilnehmer des Sporthund Praxistreffs beim TSG Schlegel. Eine bunt gemischte Truppe hatte sich zum Workshop eingefun- den – vom Anfänger, der zum ersten Mal einen Ärmel anhatte, bis zum erfahrenen Figuranten, der am nächsten Tag zu einer Helfersichtung für eine Meisterschaft fuhr. Yannick war so nett, mir Einblick in seine Philosophie der Ausbildung im Schutzdienst zu gewähren, so dass auch ihr euch jetzt an seinem Wissensschatz bereichern könnt.

Natürlich achtet Yannick von Anfang an auf gute Griffe, klare Triebwechsel und dass er keine unnötigen Konflikte schürt, die sich negativ auswirken würden. Spannend wird das Ganze, wenn wir ins Detail gehen. Ihr erinnert euch... die Teufelchen!

SCHUTZDIENST-TRAINING

BRAUCHT KLARE STRUKTUREN

Yannicks Konzept beruht darauf, Beute und Aggressionsverhalten genau in dem Maß zu fördern, dass der Hundeführer es kontrollieren kann. „Ich katapultiere Hunde nicht in Triebbereiche, die dann nur noch schwer händelbar sind“, erklärt Yannick mir direkt am Anfang unseres Gesprächs. Das heißt nicht, dass er nicht immer bestrebt ist, das Beste herauszuholen. „Wenn ich ein passendes Hund-Hundeführer-Team habe, versuche ich natürlich in maximale Triebbereiche zu kommen, aber unter ständiger Möglichkeit der Impulskontrolle, so dass das alles jederzeit durch den Hundeführer regulierbar ist. Unterm Strich kommt so für alle mehr raus, denn ohne eine adäquate Kontrolle des Hundes, kann niemand eine Prüfung bestehen.“

„Für mich muss immer alles lerntheoretisch einen Sinn ergeben. Dabei spielen die vier Quadranten der instrumentellen Konditionierung eine wichtige Rolle – positive und negative Verstärker, sowie die positive und negative Strafe. Alle vier Quadranten kommen in einem maßvollen und gesunden Verhältnis zum Einsatz.“ positive Verstärkung

= positive Belohnung

Zugabe einer Konsequenz positive

Beispiel: Angenehmes wird zugefügt, Hund bekommt Triebziel.

Bestrafung

= positive Strafe

Zugabe einer Konsequenz

Beispiel: negative Verstärkung

Unangenehmes wird hinzugefügt.

= negative Belohnung

Wegnahme einer Konsequenz negative

Beispiel: Unangenehmes wird entfernt.

Bestrafung = negative Strafe

Wegnahme einer Konsequenz

Beispiel: Angenehmes wird entfernt.

Vier Quadranten der instrumentellen Konditionierung

Eine gute und vor allem sichere Technik ist die Grundlage einer Helferarbeit, die dem Hund und auch dem Helfer Verletzungen erspart.

Ansonsten ist Yannick „Methoden offen“ oder besser gesagt, er macht die Herangehensweise komplett von Hund und Hundeführer abhängig und sucht individuell nach Wegen, die das Team am besten voranbringen.

„Meine erste Wahl beim Junghundeaufbau ist das Helfertreiben. Ich bin der Meinung, dass ich in die Bereiche, die ich dadurch ansprechen möchte, nicht mehr hereinkom- me, wenn der Hund bereits eine Erwartungshaltung entwickelt hat, dass er vom Helfer ein Beuteobjekt bekommen kann.

Für mich gibt es deshalb nur die sinnvolle Reihenfolge, dass der Beuteschutzdienst auf das Helfertreiben aufbaut. Das macht für mich lerntheoretisch nur so herum

Sinn, weil das eine auf einem negativen Verstärker aufbaut (etwas Unangenehmes hört auf) und das andere die Erwartung auf einen positiven Verstärker fördert (etwas Positives wird hinzugefügt). Und wenn ich beides kombinieren möchte, dann macht es nur Sinn, einen positiven Verstärker auf einen negativen folgen zu lassen und nicht umgekehrt.“

„Das ist ein Versuch mit dem Helfertreiben. Der Hund muss innerhalb von wenigen Trainingseinheiten Freude daran entwickeln, sich mit dem Helfer auseinanderzusetzen und den Helfer zu kontrollieren. Wenn das nicht der Fall ist, dann switche ich um und wähle den Aufbau über die Beute.“

Impulskontrolle F Rdert Das Lernen

Yannick ist es wichtig, die Impulskontrolle des Hundes von Anfang an zu stärken.

„Jeder Hund, den ich trainiere, nimmt im Schutzdienst Futter an. Das ist für mich die erste Form von Impulskontrolle im Welpenalter. Sobald ich erkenne, dass ein Hund mit einer gewissen Erwartungshaltung zum Helfertreiben auf den Platz kommt, führe ich Impulskontrollen ein. Das Futter, das der Hund im Schutzdienst nehmen muss, ist ein positiver Verstärker. Er ist es aber nur dann, wenn der Hund es auch als solchen empfindet. In dem Moment, wo das Interesse am Futter nicht gegeben ist, switche ich die ganze Geschichte um und mach einen negativen Verstärker daraus. Ich vermittele dem Hund, dass es ohne Essen nicht weiter geht. Das ist die erste Form der Impulskontrolle. Essen ist so was Einfaches, das kann jeder Welpe. Dazu muss er nichts gelernt haben. Das führe ich ein, damit der Hund – auch in Gegenwart des Helfers – zur Ruhe kommt. Erst wenn er den Triebwechsel zur Ruhe auch zeigen kann, geht das Helfertreiben bzw. der Schutzdienst mit der Beute weiter.“

Yannick erklärte in seiner Theoriestunde ganz genau, worauf es beim sicheren Abfangen der Hunde technisch ankommt. Am Nachmittag wurde das praktisch geübt und Hannes Martinke aus dem ausrichtenden Verein TSG Schlegel hat das sehr gut umgesetzt.

„In der Impulskontrolle muss der Hund aktiv eine Entscheidung treffen: er muss sich beherrschen und „selbst bestätigendes Verhalten“ unterlassen“ erklärt Yannick weiter. „Deshalb bin ich an der Stelle kein Fan von Pfahlarbeit bzw. generell von der Leine. Die löst oft Missverständnisse aus, weil der Hundeführer unbewusst damit Signale sendet oder Fehler verhindert.

Es gibt grob gesagt zwei Fehler:

Fehler  entsteht durch mangelndes Verständnis in der Ausbildung. Da muss ich über Hilfen den Fehler vermeiden, damit der Hund etwas lernt.

Fehler  entspringt aus mangelnder Impulskontrolle. Dieser Fehler darf nicht vermieden werden, wenn ich ihn aus der Welt schaffen möchte. Dieser Fehler muss passieren. Nur dann kann der Hund lernen, in Zukunft eine Entscheidung gegen dieses Ver- halten zu treffen. Meine Hundeführer müssen deshalb immer lernen, die Leine kontrolliert zu nutzen. Das bedeutet, sie ist zwar dran, aber der Hund wird so gehändelt, als wäre keine Leine da. Sollte der Hund einen Fehler machen, wird er mit Stimme und Körpersprache korrigiert. Er muss lernen, frei zu sitzen – ohne Leinenkontakt.“

Die Hundeführer, die regelmäßig mit Yannick arbeiten, müssen auch kleine Hausaufgaben als Vorbereitung für den Einsatz im Schutzdienst erledigen.

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