LFI Magazin 4/2018 D

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MAI | JUNI

D 7,50 € A 8,50 € L 8,70 € I 8,80 € CHF 13,20

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L E I C A F O T O G R A F I E I N T E R N AT I O N A L

Bruce Davidson

Mathieu Bitton Anatol Kotte Charles March Tom Munro


An exploration on Trust By Jess Bonham and Anna Lomax

wetransfer.com


Lfi 4. 2018

p o rt f o l i o l e i tz- pa r k III

F / s to p

1 4 0 | Es i s t so w e i t 1 1 6 | L e i c a St e a lt h

Im Juni wird der dritte Bauabschnitt eröffnet. Einblicke in die neue Leica Erlebniswelt: vom künstlerischen Gesamtkonzept über architektonische Details bis zum Leica Museum

Designed von Marcus Wainwright hat Leica im März in New York mit der M Monochrom „Stealth Edition“ eine weitere Sonderedition vorgestellt

P h oto

1 2 2 | S L- O b j e kt i v e Lange mussten wir darauf warten, aber nun standen uns das Apo-Summicron- SL 1:2/75 mm und 90 mm Asph endlich für einen ausführlichen Test in der Praxis zur Verfügung

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Tom Munro, aus der Serie Tokyo72 (2014)

Vom 2. Juli bis zum 23. September 2018 präsentiert das Team zum 49. Mal das renommierte Festival Les Rencontres d’Arles

132 | Museum Leica

1 5 0 | A u ss t e ll u n g e n

Die Eröffnung des Leitz-Parks III rückt immer näher: erste Einblicke in einen opulenten Doppelband, der sich mit der Sammlung des neuen Werksmuseums von Leica befasst

Die Ausstellung [Space] Street. Life. Photography. in Hamburg, Inge Morath in Berlin, Christopher Williams in Hannover und Vivian Maier in Wien

Bruce Davidson 6 | L e i c a H a ll o f Fa m e

Er fotografierte für Life, wurde Magnum-Mitglied und suchte und fand stets den persönlichen Blick. Eine Hommage an den Star der Dokumentarfotografie

Anatol Kotte 3 8 | P r oy e c to H a ba n a

Außerordentlich leistungsfähig schon bei Offenblende: die Apo-Summicron-SL-Objektive

Choreograf und Catwalk-Trainer Jorge González posiert in Havanna: eine grandiose Inszenierung mit einem schillernden Protagonisten

Tom Munro 5 4 | 7 2 To k y o

Schlaflos in Tokio: Drei Tage zog der britische Fashion- und Celebrity-Fotograf durch die Straßen der japanischen Hauptstadt

Mathieu Bitton 72 | da r k e r t h a n b lu e

152 | bücher Neue Publikationen von Carl de Keyzer, Guillaume Simoneau, von Samantha Dietmar und von Kacper Kowalski 153 | Leica Galerien Das Programm der Leica Galerien weltweit im Überblick. Mit dabei: Bogdan Konopka, Gideon Mendel und Bruce Davidson 154 | mein Bild Während einer Künstlerresidenz in Ghuangdong gelang François Fontaine eine Aufnahme, in der sich das China von einst mit dem von heute vereint 1 5 4 | i m p r e ss u m

Zwischen Hoffnung und Kampf: Die intensiven Schwarzweißporträts von Afroamerikanern sind vom 15. Juni 2018 an im Leitz-Park in Wetzlar zu sehen

Charles March 9 2 | G L EANN BADRAIG

In einem abgelegenen Tal auf der schottischen Insel Jura schuf der britische Fotograf expressionistische Landschaftsaufnahmen – wie gemalt

Cover: Bruce Davidson, Lefty zeigt sein Tattoo, Brooklyn Gang, New York 1959

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L FI - G a l e r i e

Ac h t u n g, B au s t e l l e ! n e u e r L oo k u n d n e u e f e at u r e s

Übersichtlich, informativ und benutzerfreundlich gestaltet: die LFI-Galerie im neuen Gewand

Die LFI-Galerie hat ein neues, frisches Layout erhalten, außerdem haben wir den Upload-Prozess optimiert und weitere Möglichkeiten für mobile Endgeräte geschaffen. Die neue Startseite und die nutzerfreundliche Bedienoberfläche führen Sie durch die Galerie und geben Ihnen Einblick in die verschiedenen Bereiche. Der persönliche Bereich des Fotografen profitiert ebenfalls von der Neugestaltung – dort ist das Upload-Modul komplett neuentwickelt worden. Es beschleunigt das Hochladen und Beschreiben von Bildern und vereinfacht die Bewerbung als Leica Master Shot. Außerdem wurde die maximale Dateigröße auf 15 Megabyte pro Foto angehoben. Noch mehr Flexibilität und Vergnügen bietet die neue Version der Galerie schließlich bei der Verwendung auf mobilen Geräten. Bilder hochladen, Alben anlegen und sortieren, ein Foto als Leica Master Shot einreichen – das alles funktioniert jetzt auch mit Ihrem Tablet oder Smartphone! lfi.gallery

Co n t r i b u t o r

„Ich glaube, es war meine Lebensaufgabe, das sichtbar zu machen, was unsichtbar zu sein scheint. Wie ein Blinder, der eine Welt betritt und plötzlich sehen kann.“ Für die einzigartige Umsetzung dieser Lebensaufgabe in Fotografien, die auch heute noch nichts an ihrer Kraft und Intensität verloren haben, ehrt Leica den US-amerikanischen Fotografen Bruce Davidson, der im September 2018 seinen 85. Geburtstag feiern kann, nun mit der Berufung in die Leica Hall of Fame. Wir gratulieren! 4 |

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To m M u n r o „Die Geishas waren nicht inszeniert. Natürlich gibt es auch in Tokio keine Garantie, Geishas zu sehen. Wir gingen die Straße entlang und sahen zufällig eine ganze Gruppe. Insgesamt haben wir vielleicht fünf Minuten mit ihnen verbracht und sind weitergezogen.“ Als Tom Munro 2014 beruflich in Tokio war, nutzte er seine Freizeit, um zu den Anfängen seiner fotografischen Laufbahn zurückzukehren. Er fotografierte alles und jeden, der eine Anziehung auf ihn ausübte – wie diese Geishas.

Charles March

Charles March versucht stets, sich selbst zwischen die Kamera und das Objekt zu bringen, um ein Mysterium zu erzeugen und seine Interpretation des Gefühls für einen bestimmten Ort darzustellen. Die Landschaften, die er fotografiert, sind bewusst nicht sehr detailliert. Sie sind auch nicht im traditionellen Sinn fotografisch, da er lange belichtet und die Kamera in einer Reihe von schnellen Bewegungen dreht – was ihm seinen persönlichen Ausdruck ermöglicht.

Fotos: © Vasco Trancoso, © Emily Davidson, © Xavier Muniz, © Uli Schneider

B r u c e Dav i d s o n


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L e i c A H a ll o f f a m e

Bruce Davidson

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Der Blick von Bruce Davidson ist unbestechlich – kritisch, sensibel, empathisch und gegenüber den von ihm porträtierten Menschen stets respektvoll. Heute gehören seine Arbeiten zu den bedeutendsten fotografischen Zeugnissen der USA. Als Ehrung und Verbeugung vor seinem Werk wird Davidson jetzt in die Leica Hall of Fame berufen.

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Viele Serien von Bruce Davidson haben sich längst in den Kanon der wichtigsten Reportagen und Bestandsaufnahmen des Lebensalltags in den USA eingeschrieben. Ob Brooklyn Gang, East 100th Street, Subway oder die Geschichte über den kleinwüchsigen Zirkusclown: Diese Fotografien berühren noch immer. Doch was lässt sie bis heute so zeitlos erscheinen? Ist es die scheinbare Beiläufigkeit oder ist es die unglaubliche Nähe, die er immer wieder zu seinen Protagonisten fand? Davidson ist eine Ausnahmeerscheinung der Fotografie. Sein Stil ist unverwechselbar, dabei ist es nicht einfach, seine typische Handschrift zu beschreiben. Vielleicht ist es die Verpflichtung zu einer ganz persönlichen Sicht auf die Realität, die Neugier auf Themen und die Hartnäckigkeit des Fotografen, sich mit bestimmten Dingen über einen längeren Zeitraum zu beschäftigen. Ohne Zweifel ist Davidson kein typischer Bildjournalist, der für tagesaktuelle Sensationen arbeitet, vielmehr schafft er es, in seinen sensiblen Porträtserien dem Betrachter oft erstaunliche Einsichten in ansonsten verschlossene Milieus zu eröffnen. Interesse am Leben und ein offener Blick auf die Umwelt bilden die Grundlage, während Vertrauen und Respekt die notwendigen Konstanten für Davidsons Arbeit sind und ihn als einen führenden Vertreter einer humanistisch geprägten Fotografie auszeichnen. Immer wieder wird seine Fähigkeit deutlich, Akzeptanz bei seinem fotografierten Gegenüber zu finden; erst dieses Einverständnis ermöglicht die unmittelbare Direktheit der Aufnahmen, ohne jedoch den Fotografen selbst zum relevanten und sichtbaren Faktor in den Motiven werden zu lassen. Diese Mischung aus Nähe und Distanz, Neugier und Lässigkeit, Dokumentation und persönlicher Sicht und Anteilnahme als wesentliche Bestandteile der Bildsprache lässt den Betrachter bis heute nicht los –

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und doch ist das Geheimnis seiner Bilder damit noch nicht in allen Facetten erfasst. Vielleicht ist genau das der entscheidende Grund, sich dem Werk immer wieder widmen zu können. Im September kann Davidson seinen 85. Geburtstag feiern und auf ein über sieben Jahrzehnte währendes Lebenswerk zurückblicken, denn zu fotografieren begann er schon als Zehnjähriger. An den Auslöser erinnert er sich noch genau: Es war der magische Moment, in dem er im Haus eines Freundes zum ersten Mal Zeuge des fotografischen Entwicklungsprozesses in der Dunkelkammer wurde. Davidson kaufte sich seine erste Kamera und seine Mutter erlaubte ihm, sich im Keller des Hauses selbst eine Dunkelkammer einzurichten. Während seines Studiums am Rochester Institute of Technology (RIT) entdeckte er das Werk Henri Cartier-Bressons. Nach einer 35-mm-Contax musste es nun natürlich auch eine Leica sein, die Kamera, die doch das Werk CartierBressons überhaupt erst ermöglicht hatte. Seine erste, eine M3, kaufte Davidson in dem Jahr, 1954, in dem sie auf den Markt kam; 1954 hatte er auch begonnen, das BFA-Programm an der Yale Universität zu absolvieren. Die anschließende Dienstzeit in der US Army führte den Fotografen auch nach Europa: In Paris traf er nicht nur Cartier-Bresson persönlich, der Mentor und später auch Freund werden sollte, sondern hier entstanden weitere maßgebliche Serien. Ab 1957 lebte er in New York, wurde freier Mitarbeiter von Life und 1958 jüngster Associate bei Magnum, um ein Jahr später festes Mitglied der Agentur zu werden. Längst hatte Davidson den Entschluss getroffen, weder fest angestellt noch nur als Auftragsfotograf zu arbeiten. Er wollte möglichst frei seine Themen entwickeln und sich über einen längeren Zeitraum mit ihnen auseinandersetzen. Die Mitgliedschaft bei Magnum bot dafür die besten Voraussetzungen. Vor allem sollten sich die dort geschlossenen Bekanntschaften als wichtiges Netzwerk für die weitere Arbeit erweisen. Beispielsweise gab →

Seite 6/7: Brooklyn Gang. New York 1959 Seite 9: Bengie ist verärgert und wütend; Helens Süßwarenladen, 17th St./8th Av. Brooklyn Gang. New York 1959 Seite 10/11: Brooklyn Gang. New York 1959 Seite 12: Coney Island, Cathey frisiert ihr Haar im Spiegel eines Zigarettenautomaten. Brooklyn Gang. New York 1959 Seite 13: Ein Mädchen beobachtet ein knutschendes Paar bei einer Kellerparty. Brooklyn Gang. New York 1959 Seite 14/15: Am Strand von Coney Island. Brooklyn Gang. New York 1959 Seite 16/17: Auf der Promenade in der West 33. Street, Coney Island: Junior, Bengie, Lefty (v. li.). Brooklyn Gang. New York 1959 Seite 18/19: Brooklyn Gang. New York 1959 Seite 20/21: Der Marsch für Bürgerrechte der Schwarzen von Selma nach Montgomery. Alabama 1965 Seite 22: Festnahme einer Demonstrantin. „Damn the Defiant!“, Birmingham, Alabama 1963 Seite 23: Im Gefängniswagen. New York 1962 Seite 24: Martin Luther King bei einer Pressekonferenz. Birmingham, Alabama 1963 Seiten 25, 26/27: New York 1962 Seiten 28, 29: Los Angeles 1964 Seite 30: Frauen beim Rasenbowlen. London 1960 Seite 31: London 1960 Seite 32/33: Bergbausiedlung, Wales 1965 Seite 35: London 1960 Seite 36: Jimmy Armstrong. Der Zwerg. Palisades, New Jersey 1958


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Fotos: Š Bruce Davidson/Magnum Photos


B r u c e D av i d s o n geb. am 5. September 1933 in Illinois. Beginnt als Zehnjähriger zu fotografieren. Im letzten Highschool-Jahr gewinnt er den Kodak National High School Photographic Award in „Tierfotografie“. 1951–1954 Studium am Rochester Institute of Technology, Laborant bei Eastman Kodak; 1955 Studium an der Yale University School of Design, u. a. bei Josef Albers und Alexei Brodowitsch. Seine Abschlussarbeit wird erste Veröffentlichung in Life.

Zitate aus: Circus, Steidl 2007; Brooklyn Gang, Twin Palms Publishers 1998

Magnum-Vollmitglied ab 1959. Aufenthalt in Großbritannien. Erste Einzelausstellung 1963 im MOMA New York. Großes Interesse an der US-Bürgerrechtsbewegung. Ab 1966 entsteht das Langzeitprojekt East 100th Street. 1980 viel beachteter Farbessay über die U-Bahn in New York. Zahlreiche Auszeichnungen und Ausstellungen. Lebt in New York.

mag nu m photo s.co m BOOKs : (Auswahl) Bruce Davidson (Aperture, New York 2016); England– Scotland 1960 (Steidl, Göttingen 2014); Subway (Steidl, Göttingen 2014); Circus (Steidl, Göttingen 2007); Time of Change (St. Ann’s Press, Los Angeles 2002); Brooklyn Gang , Twin Palms Publishers, Santa Fe 1998)

ihm der Bildarchivar der New Yorker Magnum-Filiale, Sam Holmes, den Tipp, den Clyde Beatty Zirkus zu besuchen. Holmes war nicht nur als Amateur selbst Trapezartist, sondern wusste auch genau, dass ein weißes Zelt den besten Hintergrund für aufregende bildjournalistische Motive bilden kann. Doch Davidson entschied sich vor Ort für ein anderes Thema. Ihn interessierten nicht Zirkusstars oder besondere Nummern, sondern er entdeckte Jimmy Armstrong, einen kleinwüchsigen Clown: „Im kalten Nieselregen dieses Nachmittags sah ich den Zwerg zum ersten Mal. Er stand alleine vor dem Zelt und rauchte eine Zigarette. Sein verunstalteter Torso, der Kopf in Normalgröße und die verkrüppelten Beine haben mich zugleich angezogen und abgestoßen … Er stand dort, gedankenverloren, ganz bei sich“, so erinnert sich Davidson an ihre erste Begegnung. Die anschließend entstandenen Bilder sind typisch für das Werk Davidsons. Er gibt Einblick in das Leben des Mannes, zeigt ihn bei seiner Arbeit als Unterhalter und in seiner Rolle, aber auch als den Menschen hinter der Maske, dessen Einsamkeit und Isolation er mit großem Respekt und Einfühlungsgabe vorstellt. In nur einer Aufnahme (links) gelingt es ihm, Armstrongs Lebenstragik zusammenzufassen. Die folgende Serie über die Jugendgang der Jokers sollte unter dem Titel Brooklyn Gang berühmt werden. Davidson fand den Kontakt zu der Gruppe über einen Sozialarbeiter, doch mit wachsendem Vertrauen wurde immer deutlicher, dass es in der Serie nicht um problematische Jugendliche und ihre vermeintlichen gesellschaftlichen Defizite ging, sondern um das Porträt einer neuen Generation. Die Aufnahmen drehen sich weniger um das GangPhänomen als darum, zu zeigen, was es heißt, im New York des Jahres 1959 Teenager zu sein: „Schnell erkannte ich, dass auch ich etwas von ihrem Schmerz spürte. Indem ich in ihrer Nähe blieb, entdeckte ich meine eigenen Gefühle von Versagen, Frustration und Wut.“ Davidson schenkte den Jugendlichen Aufmerksamkeit

und Verständnis, sie öffneten ihm ihr privates Leben. So entwickelte sich eine Serie, die vital und direkt, gleichzeitig aber wie beiläufig entstanden wirkt. Die Bilder zeichnen sich durch genaue Kompositionen und ihr Gespür für das Detail aus. Dass hier das Porträt einer Generation geschaffen wurde, ist in der Rückschau umso deutlicher erkennbar. Seine Bedeutung als Chronist zeigen insbesondere auch Davidsons Aufnahmen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die sein Werk ab den 1960er-Jahren bestimmten. Für ihn waren die Auseinandersetzungen in den Südstaaten ein Schock, war er doch im Mittleren Westen aufgewachsen und lebte im deutlich liberaleren New York. Mit der persönlichen Erfahrung, die er während zahlreicher Reisen und Reportagen gewann, wurde seine Arbeit politischer. Der historische Wert seiner Aufnahmen ist unschätzbar, doch dessen Bedeutung wurde spät erkannt: Erst 2002 dokumentierte ein umfassender Bildband sein Engagement (Time of Change: Civil Rights Photographs, 1961–1965). Davidsons Werk ist Kultur- und Gesellschaftsgeschichte, zugleich zeigt es aber auch die Entwicklung einer Fotografenpersönlichkeit. Erfreulicherweise ist in den letzten Jahren ein großer Teil des Werks in zahlreichen Bildbänden veröffentlicht worden. So wie sein Weg in die Fotografie von fotografischen Vorbildern geprägt war, ist sein Werk heute selbst Inspiration für zahllose Fotografen. Am 15. Juni wird, verbunden mit einer Ausstellung, an Davidson der Leica Hall of Fame Award in Wetzlar, dem Firmensitz der Leica Camera AG, übergeben. Seit sieben Jahren vergibt das Unternehmen diese Auszeichnung in unregelmäßigen Abständen an herausragende Fotografen. Mit Davidson wird nun ein Fotograf berufen, der mit seinem Werk die Welt berührt und vielleicht auch ein wenig verändert hat. Wir gratulieren! Ulrich Rüter

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Anatol Kotte P r oy e c to H a b a n a

Nuklear-Ökologe auf High Heels. Laufsteg-Guru und Modechoreograf. Deutscher und Kubaner. Jorge González ist der Held der neuen Serie von Anatol Kotte. Farbenprächtig hat der Fotograf den Let’s Dance-Juror in Havanna inszeniert.

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In Deutschland ein Star, auf Kuba noch weitgehend unbekannt. Jorge Gonzรกlez auf einem Balkon in der Altstadt von Havanna


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Jorges Vater, 96, trägt eines von Jorges schrillen Outfits – da bleibt dem Sohn nur der dezente Rückzug in den Hintergrund


Cementerio Cristóbal Colón, Art déco und ein Dach vor blauem Himmel – Havannas architektonischer Charme hat als Kulisse viel zu bieten. Für alle Aufnahmen verwendete Kotte zusätzlich künstliches Licht

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Markenzeichen High Heels und Outfits – die meisten hat Jorges bester Freund, der Designer José Bénédi, für ihn angefertigt


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„Ich bin kein Pfuscher“, sagt Kotte über sich. Alles läuft bei ihm präzise ab, vom Licht über den Hintergrund bis zur Inszenierung. Das Fotografieren an sich geht dann meist ganz schnell

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A n at o l Ko t t e Til Schweiger, Angela Merkel, Rihanna – es sind die Porträts von Politikern, Schauspielern, Persönlichkeiten, die den Fotografen bekannt machten. Seine Leidenschaft für das menschliche Haupt findet sich auch im Namen seines Studios in Berlin wieder. Capitis heißt „des Kopfes“. Dort fotografiert er den Menschen in all seinen Facetten, zumeist in Schwarzweiß und mit starken Kontrasten. Kotte steuert das Licht wie ein Kapitän sein Boot: scharf und kontrolliert.

a nato l kotte .co m LFI -O nl i n e .D E / B log : Behind the Scenes Aus ste l lu n g : September 2018

Capitis Studios Berlin, capitis-studios.de Equipment: Leica S007 mit Summarit-S 1:2,5/35 mm Asph, Elmarit-S 1:2,8/45 mm Asph, Summicron-S 1:2/100 mm Asph

Der Laufsteg. Ein wackliges Unterfangen. Ein Symbol des Aufstiegs und des Niedergangs. Wer sich dort bewegt, begibt sich in Gefahr. Sturz, Knick, aus. Jorge González begeht den Laufsteg so, als sei er auf ihm geboren. 20 Zentimeter hohe Stöckelschuhe, dazu Sprung und Tanz, ein Sohn des Plateaus. Er war Catwalk-Trainer bei Germany’s next Topmodel, Choreograf von Modenschauen und ist langjähriges Jurymitglied bei Let’s Dance. Ein Paradiesvogel in glitzernden, farbigen Overalls. Wie ein Artist auf dem Seil tanzt González auf jeder Bühne. Auch auf dem Malecón, der berühmten Ufermauer in Kubas Hauptstadt Havanna. Anatol Kotte hat ihn dort fotografiert. Rotes Outfit, silberne High Heels, schäumende Atlantikwellen, Kumuluswolken im Hintergrund. Ein Bild wie aus einem dramatischen Film. Zwei Wochen lang dauerte das Shooting im Heimatland des Entertainers, den Kotte in Haute Couture und in der brüchigen Kulisse der Altstadt Havannas ablichtete. Die Kollektionen hat ein Freund von Jorge entworfen – über 100 maßgeschneiderte Kostüme besitzt er. 30 davon hat Kotte für sein Shooting ausgewählt: Sie sind bunt, glitzernd und prächtig, ein wenig wie das Land in der Karibik selbst. „Meine Idee hinter den Bildern war: Was wäre passiert, wenn Jorge in seiner Heimat geblieben und trotzdem der Jorge wäre, der er jetzt ist?“, beschreibt Kotte sein Projekt. Er hat den gebürtigen Kubaner, der in Bratislava Nuklear-Ökologie studierte und sich dann nach Deutschland absetzte, in Alltagssituationen und an verschiedenen Orten in Havanna festgehalten. Auf der Straße, beim Barbier, am Strand, an der Bushaltestelle, auf dem Dach eines morbiden Wohnhauses, im Probensaal des Staatsballetts. Was mitunter wie ein Zufall wirkt, ist akribisch inszeniert. Kotte sagt, er schaffe sich vor jedem Bild einen Rahmen, in dem er dann spontan arbeiten könne. Recherche, Licht und Zeit: Passend zur Person und dem Outfit suchte er die Hintergründe, vor denen er seinen Protagonisten platzierte. Wie ein Möbelstück in einen Raum, fügt sich

Jorge auf den Fotografien in seine Umgebung ein. Die Farben der Kleidung verschmelzen mit den Farben des Umfelds. Es ist fast so, als würde ein gerahmtes Bild keine Akzente zulassen. Es umfasst die Szene als Ganzes, als ästhetisches Gesamtkunstwerk aus Ton, Schattierung und Form. Aufgenommen hat Kotte seine Serie mit der Leica S. Er nennt sie ein „kleines Besteck“, deren Besonderheit darin liegt, als Mittelformatkamera schnell und präzise zu sein. Perfekt für einen rasanten Locationwechsel, für ein unaufdringliches Arbeiten und für ein Land wie Kuba, in dem man nie weiß, ob die geplante Inszenierung auch wirklich stattfinden wird. In den verrückten Zeiten von Wandel und Embargo kann es manchmal passieren, dass man vor verschlossenen Türen steht. Kotte sagt, dass dieses Shooting eine neue Erfahrung für ihn gewesen sei: Man durchquert mit einem 1,90 Meter großen Kubaner auf hohen Hacken ein System, in dem nichts zueinander passt: die Lebenslust der Bevölkerung und die Misere der wirtschaftlichen Lage, die amerikanischen Wagen und die sozialistischen Schuluniformen, die feinen Stoffe und die bröckelnden Fassaden. Die Kontraste hat sich Kotte für seine Aufnahmen zunutze gemacht. Auf einem Foto sieht man Jorge auf Havannas berühmten Friedhof, dem Cementerio Cristóbal Colón, einer 56 Hektar großen Beerdigungsstätte, Gedenk- und Pilgerort zugleich. Es ist eines der wenigen Schwarzweißbilder – der Tod trägt keine Farben. Mehr als eine Million Menschen liegen auf dem Kolumbus-Friedhof. Ein Grab trägt einen deutschen Namen: Albert Eppinger arbeitete auf Kuba als Kommissionär für Firmen wie BASF und Mercedes, er war Mitbegründer des legendären Yachtclubs Miramar. Und er ist der Urgroßvater des Fotografen. Die Reise mit Jorge war auch eine Reise in Kottes eigene Vergangenheit. Katja Hübner

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Tom Munro 7 2 TOKYO

Das Konzept ist einfach: 72 Stunden in Tokio, wenig Schlaf und viel Aktivit채t. In diesem Projekt pr채sentiert der britische Fotograf Bilder, die das Ergebnis gl체cklicher Zuf채lle und eines geschulten Auges sind.



Eigentlich war Tom Munro für den Dreh eines TV-Werbespots in der japanischen Hauptstadt. Doch dann entschied sich der Brite, der vor allem in der Fashion- und Celebrity-Fotografie tätig ist, länger in Tokio zu bleiben. Mit wenig Schlaf, doch trotzdem sehr aktiv, nur in der Gesellschaft eines Assistenten und von zwei Kameras, streifte er durch die Straßen Tokios und entdeckte sein Bild der Stadt

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„Ich habe in Anna, einer Tänzerin, die perfekte Mitstreiterin gefunden. Da sie selbst künstlerisch tätig ist, hat sie den kreativen Prozess geschätzt und verstanden. Sie vertraute mir, ich vertraute ihr und wir gingen gemeinsam auf Entdeckungsreise.“

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„Ich bin weder Historiker, noch habe ich die japanische Kultur ausfĂźhrlich studiert. Es gibt eine traditionelle Seite Japans, die ich dokumentieren wollte: den Kontrast zum modernen Japan und wie sich menschliche soziale Werte gewandelt haben. So wie es in den meisten Ecken der Welt der Fall ist.“

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„Wenn man sich die Arbeiten japanischer Fotografen anschaut, ist 72Tokyo sicherlich eine Referenz und Hommage an dieses Genre. Es gibt Referenzen an viele verschiedene Bereiche: an Film, Kunst oder einfach an das Leben. Es geht darum, Weiblichkeit zu zelebrieren.“

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„Ich habe überall Fotos gemacht: aus dem Taxi heraus bis hinein in mein Zimmer im Hotel. Ich wollte die visuelle Überlastung verdeutlichen, die ich erlebt habe.“

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T o m M UNRO Der Brite Tom Munro, heute einer der renommiertesten Fashion- und Celebrity-Fotografen, begann seine Karriere Ende der 80er-Jahre an der Parsons School of Design in New York. Später produzierte Munro auch Musikvideos, unter anderem für Madonna, und Werbespots für exklusive Marken. Seit 2005 engagiert sich Munro bei MEAK (Medical Educational Aid to Kenya), einer britischen Wohltätigkeitsorganisation.

tomm u nro.co m LFI -O nl i n e .D E / B log : Slideshow mit weiteren Bildern aus der Serie Aus st e l lu n g : 72Tokyo, kuratiert von Carrie Scott, eröffnet am 16. Mai im Store X, 180 Strand, London WC2R 1EA. Die Ausstellung läuft bis zum 3. Juni 2018. Equipment: Leica S2 mit

Summarit-S 1:2.5/35 mm Asph

LFI: Herr Munro, welcher Aspekt der Fotografie ist für Sie am wichtigsten? Es ist die Spontaneität der Fotografie, die mir immer gefallen hat. Den Prozess des Malens dagegen fand ich stets sehr zeitaufwendig und intensiv. Ich bin dafür einfach zu ungeduldig. Fotografie ist eine viel schnellere Sache und kommt meiner eigenen Persönlichkeit viel mehr entgegen. Sie sind im Bereich der Werbefotografie sehr erfolgreich. Ist es nicht schwierig, auf einmal etwas ganz anderes zu machen? Fotografieren ist eine Lebenseinstellung. Ich habe Fotografie an der Parsons School of Design in New York studiert, wo ich bereits viel Street Photography gemacht habe. Zu jener Zeit war ich von den Arbeiten der Magnum-Fotografen inspiriert, von denen viele schwarzweiß und oft sehr kontrastreich waren. Normalerweise haben Sie eine große Crew und einen Kunden im Hintergrund. Hat sich diese Arbeit wie eine Befreiung angefühlt? 72Tokyo war sicherlich eine sehr befreiende Erfahrung. Ich musste mich selbst antreiben. Ich wollte meine eigene Kreativität herausfordern. Sich selbst neu zu erfinden und zu stimulieren, das ist für mich schon immer ein sehr wichtiger Aspekt im Prozess des Fotografierens gewesen. War es schwer für Sie, die Kontrolle über ein festes Foto-Set aufzugeben und ausschließlich auf den Moment zu vertrauen? Ich wollte nie als Studio- oder Location-Fotograf abgestempelt werden. Mir gefällt das alles. Wenn man sich persönlich weiterentwickelt, entwickelt sich auch die Arbeit weiter und spricht für sich selbst. Am Ende dreht sich doch alles darum, bleibende Bilder zu schaffen.

was mich anzog. Jeder ist von anderen Dingen angezogen – das macht die Arbeit sehr persönlich. Die ganze Serie handelt von Selbstausdruck. Davon, was ich sah, was ich fühlte und hörte. Es war eine chaotische, frenetische, schnelle Erfahrung. Ich hatte nur eine sehr begrenzte Zeit vor Ort. Wie haben Sie es vermieden, in Klischees zu verfallen? Als Fotograf wird man von vielen Dingen inspiriert, aber man baut über die Jahre auch eine Art Bildbank auf, von der man beinahe unbewusst zehrt. Ich habe mich von den Klischees eher inspirieren lassen. Vor allem in Tokio, einer Stadt, bei deren künstlerischer Darstellung die Fotografie eine so wichtige Rolle spielt. Wie haben Sie mit Ihrer Protagonistin Anna gearbeitet? Ich habe in Anna, einer Tänzerin, die perfekte Mitstreiterin gefunden. Da sie selbst künstlerisch tätig ist, hat sie den kreativen Prozess geschätzt und verstanden. Sie vertraute mir, ich vertraute ihr und wir gingen gemeinsam auf Entdeckungsreise. Wie kam es zu der Collage? Ich wollte etwas mit den Bildern machen und begann, sie in Stücke zu reißen und wieder zusammenzusetzen. Als die „Collage“ Form annahm, erkannte ich, dass sie meinen Erfahrungen in Tokio am nächsten kam. Sie erzeugt das gleiche Tempo, wie ich es während der 72 Stunden erlebt habe. Planen Sie, das Projekt auf andere Städte auszudehnen? Ich plane eine Serie von 72-StundenProjekten zu machen. Nach der Erfahrung mit 72Tokyo möchte ich unbedingt wieder in die Kultur anderer Städte und Länder eintauchen. Ich weiß auch schon, wohin es gehen soll, bin aber noch nicht bereit, darüber zu reden. Interview: Denise Klink

Auf welche Weise haben Sie Ihre Motive gefunden? Ich war zum ersten Mal in Tokio und machte einfach Bilder von allem,

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Mathieu Bitton Da r k e r t h a n B l u e

Die rauhen Schwarzweißaufnahmen Mathieu Bittons spiegeln den Alltag afroamerikanischer Bürger zwischen Hoffnung und Kampf wider. Gleichzeitig bereitet er der Hand, in der Fotografie ein eher seltener beachteter Teil des Körpers, eine sehr wirkungsvolle Bühne.

Linien, Falten , Zeichnungen – Mathieu Bitton sieht Hände als Ausdruck des Charakters

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Die Aufnahmen in Darker Than Blue widmen sich dem Alltags- und Großstadtleben. In kontrastreichen Bildern beleuchtet das Projekt die Rolle schwarzer Bewohner US-amerikanischer Großstädte und auf den Bahamas

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Bitton beschreibt Darker Than Blue als „eine Zeitmaschine mit Tunnelblick, in der die Vergangenheit mit der Gegenwart harmoniert, ganz gleich ob gut oder böse, fröhlich oder traurig.“ Solange seine Leidenschaft für die Fotografie, die Schönheit der Welt und schwarze Communitys anhält, solange setzt er dieses Projekt fort

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„Schwarzweiß geht tiefer, wirkt stärker, ist pure Energie“ – die M Monochrom gehört zu den Lieblingskameras von Mathieu Bitton, sie erlaube einen intensiven Blick auf die Seele der abgebildeten Personen

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Bittons Aufnahmen bauen oft eine sehr intime Nähe zu ihren Protagonisten auf. Auch auf diese Weise finden die Bilder immer wieder profunde Schönheit im Bereich des Alltäglichen

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Schon die Mimik der Menschen in Darker Than Blue lässt eine deutliche Bildsprache erkennen. Bitton möchte seine Aufnahme machen, bevor sie sich in Szene setzen können

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Musik und Fotografie gingen fßr Bitton schon immer eine Symbiose ein. Von links oben im Uhrzeigersinn: die Hände von Melvin van Peebles, Danny Ray, Gary Clark Junior, Herbie Hancock, Lenny Kravitz und Trombone Shorty

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Die Hand des Musikproduzenten Quincy Jones mit einem Ring, der einst Frank Sinatra gehörte. Sinatra schenkte ihn Jones als Zeichen seiner Freundschaft

M at h i e u B i t t o n Bitton ist einer der umtriebigsten Vertreter seiner Zunft. Nach der in Paris verbrachten Kindheit zog es ihn bereits im Alter von 14 Jahren in die Vereinigten Staaten, zuerst nach Los Angeles und vier Jahre später nach New York. Seine Leidenschaft für Kunst und Musik hat ihn zur Fotografie gebracht. Zu seinem Œuvre gehören Porträts, Akte und Reisebilder, doch sein Herz hat er an die Konzertfotografie verloren.

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Mit dem Song We People Who Are Darker Than Blue gab Curtis Mayfield der Bürgerrechtsbewegung in den USA eine starke Stimme. Der Name des aktuellen Projekts von Mathieu Bitton erinnert an Mayfields Protestsong von 1970 und führt dessen Erbe fort. Auf seinen Aufnahmen bildet er allerdings keine Protestierenden ab, denn Darker Than Blue widmet sich vor allem dem Alltagsleben afroamerikanischer Passanten in Metropolen von New York bis Los Angeles und auf den Bahamas. In stiller Ernsthaftigkeit heben Bittons Porträts seine Protagonisten aus der Anonymität der Masse hervor und wecken Erinnerungen an noch immer währende Kämpfe um Gleichheit und Unabhängigkeit. Natürlichkeit galt bei den Aufnahmen als oberstes Gebot. Bitton war es wichtig, dass sich vor seiner Kamera niemand verstellt. „Die Menschen schätzen diese Art der Fotografie“, erzählt er, „obwohl sich die Passanten in 99 Prozent der Fälle gerne in Szene setzen wollen, möchte ich lieber den Moment davor festhalten.“ Da Bitton digital fotografiert, kann er den Protagonisten die Ergebnisse direkt zeigen – beinahe immer sind sie begeistert und können es im Nachhinein kaum glauben, in Galerien auf der ganzen Welt ausgestellt zu werden. In seinen frühen Jahren war Bittons Empfinden für Ästhetik geprägt von Dadaismus und Surrealismus, von Künstlern wie Marcel Duchamp, Man Ray oder Tristan Tzara. Doch spätestens seitdem er die Soul-Legende Prince 1986 in seiner Heimatstadt Paris live gesehen hatte, entwickelte er eine besondere Faszination für die Musik und deren Rolle in der schwarzen Community. Und mit der kam er schon kurz darauf selbst in engen Kontakt: Nachdem er als 14-Jähriger in die USA gezogen war, fasste Bitton später im Showbusiness Fuß. Wegen seines unaufdringlichen Vorgehens als Fotograf wurde er in der Branche geschätzt und dokumentierte

das Tourleben von Late-Night-Talker Dave Chappelle oder Rockstar Lenny Kravitz und vielen anderen PopIkonen. Im Gegensatz zum bunten Bühnenleben liegt Darker Than Blue jedoch eine beinahe analytische Diskretion zugrunde: Der Fotograf zeichnet intensive Charakterstudien afroamerikanischer Bürger und wirft gleichzeitig die Frage auf, was hinter der Oberfläche stecken mag. Bittons Passion für Musik macht sich nicht nur im Titel des Projekts bemerkbar: Viele Bilder sind Porträts bekannter Gesichter aus der Musikbranche, Gary Clark Jr. etwa, Herbie Hancock oder Quincy Jones. Ganz unkonventionell richtet Bitton die Aufmerksamkeit jedoch auf deren Hände. So zeigt etwa das Foto von Jones einen Ring, den ihm einst Frank Sinatra als Zeichen der Freundschaft vermacht hatte. Die Hände erzählen Bitton oft mehr als das Gesicht, da sie Rückschlüsse über die Errungenschaften, den Arbeitsethos und letztlich auch das Leben der abgebildeten Personen zulassen. Hände als Spiegel der Seele – dieser eher ungewöhnliche Ansatz der Porträtfotografie fordert zunächst die Wahrnehmungsfähigkeit des Betrachters heraus. Doch dann fällt schnell auf, dass jede Hand tatsächlich eine eigene Geschichte zu erzählen hat. Von klobigen und zerfurchten Arbeiterhänden bis hin zum Finger- und Handgelenksschmuck der Prominenten hat Bitton Dutzende Hände abgelichtet. Dabei kommt ihm seine Lieblingskamera, die Leica M Monochrom, zupass. Schwarzweißfotografie ist zeitlos, wie Bitton gern betont: „Schwarzweiß geht tiefer, wirkt stärker. Es ist pure Energie. Manchmal wünsche ich mir sogar, ich könnte mit meinen eigenen Augen schwarzweiß sehen!“ Ursprünglich war das Projekt Darker Than Blue gar nicht als solches geplant: „Als ich für meine erste Ausstellung in der Leica Gallery Los Angeles Aktfotos zusammenstellte, habe ich lange darüber nachgedacht und kam schließlich zu dem Entschluss, dass ich diese Art von Ausstellung nicht wollte. Nachdem ich dann in meinem Archiv stöberte, hat sich die Idee zu

Darker Than Blue quasi vor meinen Augen offenbart. Es fühlt sich an, als ob mein Unterbewusstsein dieses Projekt zusammengestellt hätte.“ Darker Than Blue transformierte also beinahe wie von selbst das Alltägliche in ein Faszinosum und ist damit politischer als man zunächst denken mag. Bitton sieht das Projekt als eine „Zeitmaschine mit Tunnelblick, in der die Vergangenheit mit der Gegenwart harmoniert, ganz gleich ob gut oder böse, fröhlich oder traurig.“ Während seine Fotos vor den großen Konzertbühnen vergängliche Sekunden der Euphorie einfangen, wirft Darker Than Blue einen behutsamen Blick hinter die Fassaden von Menschen, die zunächst unscheinbar wirken, und zeichnet in zeitlosen Bildern das Gesamtbild einer Gesellschaft im frühen 21. Jahrhundert. Die Reaktionen geben ihm Recht: Viele Besucher seiner Ausstellung dachten anfangs, dass seine Bilder aus den 1950er- und 1960er-Jahren stammen würden. Für Bitton eines der besten Komplimente, die man ihm machen kann. Nachdem die Aufnahmen bereits in Los Angeles und weiteren Städten in den USA zu sehen waren, erreichen sie jetzt auch europäisches Terrain, wenn sie im neuen Bauabschnitt des Leitz-Parks in Wetzlar, der am 15. Juni seiner Bestimmung übergeben wird (siehe S. 140), ausgestellt werden. Beendet ist das Projekt damit allerdings nicht. Solange Bittons Leidenschaft für Schwarzweißfotografie, für die Schönheit dieser Welt und die der schwarzen Communitys anhält, solange wird es auch Darker Than Blue geben. Danilo Rössger

math ie u bitton .f r LFI-On lin e .DE/B log: Mathieu Bitton, One Photo — One Story Equipment: Leica M Monochrom246 mit Summicron-M 1:2/35 und 50 mm Asph sowie Noctilux-M 1:1/50 mm; Leica Q, Summilux 1:1.7/28 mm Asph

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LeicA SL

Charles March


GLEANN B A D RAIG

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Jura ist einer der am wenigsten berührten Orte Schottlands. Gleann Badraig, das Batrick-Tal, ist ein perfekter Ort für den britischen Fotografen Charles March, um mit seinen expressionistischen Bildern den Geist und die Seele dieser Insellandschaft einzufangen – in Aufnahmen, die an die ersten Fotografien überhaupt erinnern.

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„Diese Bilder sind nicht als akkurate Wiedergabe gedacht, sondern eher als ein Bündel von Eindrücken und Empfindungen – gewissermaßen eine Serie von Skizzen.”

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„Die Jura-Fotografien unterscheiden sich grundlegend davon, was viele unter Fotografie und ihrer Aufgabe verstehen.“


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„Besonders kennzeichnend ist hier der Impuls, drastisch zu vereinfachen und gleichzeitig dennoch den kreativen Ursprung der Serie zu offenbaren.“

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„Die ungebremsten Arbeiten von Charles March repräsentieren eine Rückkehr zu den Traditionen der Romantik.“


„Der Fotograf nutzt die Freiheit, zu bearbeiten und zu verändern, was die Kamera aufgenommen hat.“

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„Die Interpretation findet schon beim Drücken des Auslösers statt: Die Kamera wird wie ein Pinsel über eine Leinwand geführt.“

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„Für mich sind in dieser Serie verschiedene kunsthistorische Einflüsse zu erkennen wie der Bezug auf die Spätwerke von William Turner, die der Künstler selbst als seine ‚Anfänge mit Farbe‘ bezeichnet hat.“

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„Ein anderer Vergleich, der sich anbietet, ist der mit der traditionellen chinesischen und japanischen Tuschemalerei.“


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Wie auch in mehreren anderen Projekten, die er in letzter Zeit geschaffen hat, verfolgt Charles March in dieser Serie einen fast meditativen Ansatz, um das darzustellen, was er in der Natur gesehen und erlebt hat. Das BatrickTal – Glen Batrick oder auf Gälisch Gleann Badarig – auf der Insel Jura ist einer der abgelegensten Orte Schottlands. ,,Diese abstrakten Bilder“, so der Fotograf, ,,sind nicht als akkurate Wiedergabe gedacht, sondern eher als ein Bündel von Eindrücken und Empfindungen – gewissermaßen eine Serie von Skizzen, die, in ihrer Gesamtheit betrachtet, einen starken Eindruck der Stimmung und der Seele dieser außergewöhnlichen, unberührten Landschaft vermitteln sollen.” Für mich sind in dieser Bilderserie zwei kunsthistorische Einflüsse zu erkennen: zum einen die, besonders für den britischen Betrachter, schnell offensichtliche Bezugnahme auf die Spätwerke von William Turner, die der Künstler selbst als seine „Anfänge mit Farbe“ bezeichnete. In dieser Schaffensperiode reizte Turner die buchstäblich fließende Charakteristik von Aquarellfarben aus, um die schnell vergänglichen Effekte des Wetters auf die Leinwand zu bannen. Interessanterweise sind viele dieser Aquarelle in der Form von Bildserien gruppiert. Ebenso wie die hier vorgestellten Fotografien entfalten sie auf den Betrachter eine kumulative Wirkung. Ein weiterer Vergleich, der sich hier anbietet, ist der mit der traditionellen chinesischen und japanischen Tuschemalerei. Besonders kennzeichnend ist dort der Impuls, drastisch zu vereinfachen und dennoch gleichzeitig den kreativen Ursprung der Serie zu offenbaren. Aus dieser Gegenüberstellung ergeben sich unterschiedliche Beobachtungen. Dazu zählt auch die Erkenntnis, wie sehr die Integration von Computertechnologie in das fotografische Medium unsere Vorstel-

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lungen davon, was Fotografie überhaupt ist und was sie bewirken soll, verändert hat. Im zweiten Viertel des vorletzten Jahrhunderts stellte die Fotografie eine neue Methode der Bildproduktion dar, die besonders für die akkurate Wiedergabe der Realität geschätzt wurde, die sie im Vergleich zu den bis dahin existierenden künstlerischen Medien bieten konnte. Wobei hinzuzufügen ist, dass das vermutlich erste Foto der Welt – eine Aufnahme von Joseph Nicéphore Niépce aus dem Jahr 1826 – eine kuriose Ähnlichkeit mit den hier dargestellten Landschaftsfotografien aufweist. Zu Beginn der Moderne wurde die Fotografie dann in den Händen von Künstlern wie Alfred Stieglitz und Paul Strand zunehmend als ein legitimes Medium für die Darstellung der eigenen, subjektiven Wahrnehmung anerkannt. Das digitale Zeitalter der Fotografie brachte schließlich weitere überraschende Wendungen mit sich. Zum Beispiel konnten jegliche noch vorhandene Probleme hinsichtlich der Skalierung von Bildern mithilfe des Computers um vieles leichter bewältigt werden. Während sich die Werbebranche diese Entwicklung zunutze machte, fand sie in den Kreisen der künstlerischen Fotografie erst etwas später Anklang. In mancher Hinsicht repräsentieren die ungebremsten Arbeiten von Charles March auch eine Rückkehr zu den Traditionen der Romantik des 19. Jahrhunderts. Das ist kaum verwunderlich, ist der Fotograf doch ebenso britisch wie der vorhin erwähnte William Turner. Es mag auch an den spürbaren Einflüssen aus japanischen Kunstströmungen liegen, die sich in Europa erstmals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bemerkbar machten. Nicht zuletzt sind Charles Marchs Fotografien jedoch auch eine unverblümte Hommage an das Potenzial des Computers – nicht als eine Quelle kreativer Werke, sondern als ein Instrument, das es Künstlern ermöglicht, vollkommen neu zu denken und zu sehen. edward Lucie-Smith

Charles March Charles March startete seine berufliche Karriere als Setfotograf bei Regisseur Stanley Kubrick. In den 1980er-Jahren begann er mit Still-LifeFotografie und arbeitete für namhafte Werbekampagnen. 2012 stellte March die Serie Nature Translated vor, die er in New York und London präsentierte. Darauf folgten die Ausstellungen Wood Land, Abstract and Intentional und Seascape, die weltweit Furore machten. ch arle s march .com Aus ste llu n g: Die hier gezeigten Bilder

sind Teil einer Ausstellung, die am 24. Mai in Rom eröffnet wird, und eines Buchs, das in Zusammenarbeit mit dem schottischen Dichter Ken Cockburn entstanden ist. 25. Mai bis 30. Juni 2018, Galleria del Cembalo, Palazzo Borghese, Rom BUCH: Charles March: GleaNN Badraig. 96 Seiten, 60 Farbabbildungen 39 × 27,5 cm, englisch, Distanz Verlag Equipment: Leica SL mit Vario-Elmarit-SL 1:2.8–4/24–90 mm Asph


f/ s top – S t e a lt h e d i t i o n – SL - o b j e k t i v e – M u s e u m l e i c a –

b r e n n w e i t e 75 u n d 9 0 mm : w i e s i c h d i e A p o s u mm i c r o n - o p t i k e n für die leica Sl in der P rax i s s c h l ag e n

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Ein Licht im Dunklen S t e a lt h E d i t i o n

Mit der Tarnkappenversion der M Monochrom, die im Dunklen dezent leuchtet, hat Leica im März in New York eine weitere M-Sonderedition vorgestellt – viele Fotografen werden erneut bedauern, dass es sich nicht um ein Serienmodell handelt.

In diesem Jahr versteigerte das Wiener Auktionshaus Westlicht am 10. März eine Leica aus der Nullserie für 2,4 Millionen Euro. Damit ist diese Leica mit der Seriennummer 122 die teuerste Kamera der Welt. Sie löste auf dieser Position eine andere Leica ab, auch aus der Nullserie (Nummer 116), die am 21. Mai 2012, ebenfalls bei Westlicht, für 2,16 Millionen Euro unter den Hammer kam. Die berühmte Nullserie war von März bis Juli 1923 in den ErnstLeitz-Werken zur Vorbereitung der Serienproduktion der Leica produziert worden. Von den wahrscheinlich 25 Exemplaren der Nullserie sollen lediglich drei im Originalzustand erhalten geblieben sein. Die Auktion in Wien ruft einmal mehr in Erinnerung, dass die Leica Camera AG 116 |

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nicht nur mit ihren aktuellen Produkten eine wichtige Rolle spielt, sondern auch im Markt der Sammler historischer Kameras, der sich ja nicht nur im MillionenEuro-Bereich bewegt, sondern durchaus auch in erschwinglicheren Regionen unter tausend Euro. Für extrem seltene Stücke oder solche mit berühmten Vorbesitzern wird zwar immer ein Preis zu zahlen sein, der sich weit jenseits der Schmerzgrenze der meisten Interessierten befinden dürfte, aber bei gut erhaltener Massenware, auch älterer Stücke, kann man in vielen Fällen von der Faustregel ausgehen, dass inflationsbereinigt etwa der frühere empfohlene Verkaufspreis zu berappen ist. Das bezeugt einerseits den hohen Wiederverkaufswert der LeicaKameras und -Objektive,

andererseits kann, wer denn möchte, den Charme historischer Optiken für vergleichsweise wenig Geld auch mit seinem modernen Kamerasystem erleben – adaptieren lässt sich bekanntlich beinahe alles (siehe LFI 3/2018, Seite 98). m -So nde r e di t i o ne n.

In Wetzlar ist man sich des kommerziellen Werts der Marke Leica natürlich bewusst. Und auch der Tatsache, dass sich die Sammelleidenschaft aus zwei ganz unterschiedlichen Quellen speist: der Begeisterung für eine Markenikone und/ oder der Suche nach einer guten Geldanlage. Beiden Fliegen wird man mit einer Klappe gerecht: limitierten Sonderauflagen ausgelaufener, zumeist aber aktueller M-Kameras und -Objektive, die Leica regelmäßig,

aber kaum öfter als ein bis zwei Mal im Jahr auf den Markt bringt. Im März 2018 war das die „Stealth Edition“ der M Monochrom246, in den Jahren zuvor etwa die rot eloxierte M262, die M-P „grip“ by Rolf Sachs, das M-P Titan-Set oder die M-P Correspondent designed by Lenny Kravitz. An Objektiven wäre beispielsweise das rot eloxierte Apo-Summicron 1:2/50 mm Asph zu nennen. Zum 50. Jahrestag der Gründung der Leica Historical Society of America 2017 erschien das Apo-Summicron 1:2/50 mm Asph im Design des 1954 gemeinsam mit der M3 vorge- →

Auch ihre Unauffälligkeit zeichnet die Leica M aus. Genau das wollte Marcus Wainwright mit der „Stealth Edition“ noch einmal besonders hervorheben


Wie die meisten Sondereditionen der M unterscheidet sich auch die Stealth nicht durch technische Parameter, sondern durch ihren speziellen Look vom Serienmodell. Ein besonders matter Lack und die tiefschwarze Belederung sorgen fĂźr den Tarnkappeneffekt

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Stealth-Designer Marcus Wainwright: „Mein Gehirn arbeitet auf eine bestimmte Weise. Mich stört aufgeputzter Krimskrams, ich bin von Funktion besessen.“

Die wichtigsten Gravuren an dem Gehäuse und dem Objektiv der „Stealth Edition“ leuchten bei Dunkelheit dank eines lumineszierenden Lacks grünlich

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stellten Summicron 1:2/ 50 mm. Die Auflagenhöhe dieser Sondereditionen erreicht selten mehr als 100, 200 Exemplare. de r a nde r e Look.

Die Leica M-P Correspondent designed by Lenny Kravitz (2015): 125 Unikate durch individuell in Handarbeit entfernte Lackschichten

Die Leica M-P „grip“ by Rolf Sachs (2016): einzigartiger Look durch eine auffällige Farbgebung und die genoppte Gummierung

Das Leica M-P Titan-Set (2016): Deckkappe, Bodendeckel und Bedienelemente aus Titan, die Oberfläche der Objektive titaneloxiert

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Technisch unterscheiden sich die Sondereditionen in der Regel nicht von den Serienprodukten, das Besondere ist ihr Look. Bei der Correspondent etwa wurde die schwarze Lackschicht der Kamera und der beiden Objektive, die zum Set gehören, so bearbeitet, dass an einigen Stellen die darunterliegende Messingoberfläche zu sehen ist. Oder die „grip“ by Rolf Sachs: Bei dieser Kamera hat der Schweizer Künstler die sonst übliche Belederung durch eine rotgenoppte Gummierung ersetzt. Farblich in Rot abgestimmt sind die Gravuren auf Gehäuse, Bedienelementen und Objektiv. Steht die „grip“ in einer Designtradition, die sich von den Surrealisten – man denke etwa an Meret Oppenheims Déjeuner en fourrure (Frühstück im Pelz) – bis in die Pop-Art zieht, könnten andere Sondereditionen auch als Serienmodelle durchgehen. Das gilt zum Beispiel für das M-P Titan-Set, bei dem das Kameragehäuse fast vollständig aus Titan gefertigt ist und die beiden Objektive titanfarben eloxiert sind. Auch die jüngste Sonderedition, die „Stealth Edition“ der M Monochrom246, die der Gründer des New Yorker Modelabels „rag & bone“, Marcus Wainwright, gestaltet hat, würde sicherlich vielen Fotografen als Serienmodell gefallen. Wainwright, selbst Leica-Fotograf, schätzt die Kameras aus Wetzlar, weil „Leica das

Streben nach der Perfektion eines Instruments personifiziert, dessen Lebenszweck einfach nur darin besteht, eine Funktion zu erfüllen. Und dass sich dieses Objekt nicht verändert. Es gibt nur regelmäßige Updates eines perfekten Designs im Hinblick auf seinen Zweck. Es braucht nicht gut auszusehen, aber es sieht gut aus, weil es so klar ist.“ In diesem Sinne wollte Wainwright etwas Gutes besser machen: Die Oberflächen der Kamera und des zum Set gehörenden Summicron-M 1:2/35 mm sollten so schwarz und damit so diskret wie möglich ausfallen. Daher wurde ein Speziallack verarbeitet, der besonders matt und kratzfest ist. Für die Belederung wurde ein ebenfalls tiefschwarzes, glattes Rindsleder verwendet, das trotzdem einen sicheren Griff bietet. Als visueller Kontrapunkt sind die wichtigsten Gravuren an Gehäuse und Objektiv weiß ausgelegt. Da dabei ein lumineszierender Lack zum Einsatz kam, leuchten sie bei Dunkelheit grünlich. Wainwright hat ein stimmiges Ensemble geschaffen, dass tief im Designminimalismus der Leica wurzelt. Nur schade, dass die Stealth als limitierte Sonderedition keine Kamera für jedermann ist. Doch das ist kein Grund, gleich alle Hoffnung fahren zu lassen: Die Idee der displaylosen M60, die zum 60. Geburtstag der Leica M erschien, fand sich schließlich auch zwei Jahre später im Serienmodell M-D wieder. Bernd Luxa


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Die neue Leicaflex SL weist gegenüber der bisherigen Leicaflex folgende Verbesserungen auf: Selektive Lichtmessung (SL) durch das Objektiv Die Meßfläche entspricht einem Sechstel des Aufnahmewinkels des jeweils benützten Objektivs. Sie ist identisch mit dem Meßfeld für die Scharfeinstellung; beides ist also im Sucher zu sehen. Der Belichtungsmesser mit Doppel-Fotowiderstand ist von höchster Meßgenauigkeit – auch bei tiefen Temperaturen – und berücksichtigt auch den längeren Auszug bei Nahaufnahmen. Er ist mit der Zeit- und Blendeneinstellung gekuppelt, wodurch sich eine freie Wahl der Zeit-Blenden-Kombination ergibt.

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Die Technik der neuen SummicronSL-Objektive mit 75 und 90 Millimetern war bereits Thema in der LFI. Jetzt erprobte sie Fotograf Jürgen Holzenleuchter bei einer Reportage in der Praxis.

Die beiden neuen Kurzteles für das SL-System unterscheiden sich äußerlich kaum voneinander. Beide sind deutlich handlicher als bisherige Systemobjektive

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Nachdem Leica für das 2015 auf den Markt gebrachte SLSystem zunächst mit zwei Zoomobjektiven die wichtigsten Brennweiten besetzt und mit dem herausragenden Summilux-SL 1:1.4/50 mm Asph Maßstäbe in Sachen Qualität gesetzt hatte, kümmern sich die Entwickler nun um die wichtigsten Festbrennweiten. Und da bieten sich als erste Porträtobjektive an, die in besonderer Weise von den Qualitäten der SL, insbesondere auch vom schnellen Autofokus, profitieren. Die technischen Aspekte der neuen Objektive ApoSummicron-SL 1:2/75 und 90 mm Asph hatten wir bereits in der LFI 2/2018 beleuchtet. Sie sind sind die ersten Mitglieder einer neuen Familie, die schon bald Nachwuchs auch bei den Brennweiten 35 und 50 mm bekommen soll. Während die ersten SL-Objektive sich sehr stark am technisch Machbaren und optischer Höchstleistung und weniger an praktischen Aspekten wie Kompaktheit und Gewicht orientierten, ist genau das bei den neuen Summicron-SL-Objektiven der Fall – wohlgemerkt ohne dabei an optischer Leistung einzubüßen. Ihre Lichtstärke ist mit einer Anfangsöffnung von 1:2 nicht außergewöhnlich hoch – eben der Tribut, der an die kompakte Bauweise zu entrichten ist. Was die Wirkung der Schärfentiefe angeht, verweist Leica auf die außerordentlich hohe Schärfeleistung bereits bei offener Blende, die den Unterschied zwischen Schärfe und Unschärfe verstärkt und so für einen Effekt sorgt, der einer höheren Lichtstärke nahekommt.

Außerdem machte sich Leica viele Gedanken darüber, wie man dem Autofokus mit einer besonderen Konstruktion nochmals auf die Sprünge helfen könnte. Das Ergebnis ist die „Dual Synchro Drive“ getaufte, sehr schnelle Bewegung von zwei Einzellinsen im optischen System, die elektronisch abgestimmt wird. Während der Fotograf etwa bei den Objektiven des M-Systems ganze Linsengruppen oder bei der Gesamtfokussierung gar sämtliche Linsen bequem bewegen kann, hält die Doppelfokussierung die bewegten Massen mit rund 10 Gramm pro Linse extrem gering. So kann der auf der Kontrastmessung des Bildsensors basierende AF der SL bei der Apo-SummicronSL-Linie nochmals schneller und akkurater arbeiten. A b i n di e W i r k l i c hk e i t.

Doch grau ist alle Theorie und es sind nicht Datenblätter, mit denen sich neue Objektive beweisen müssen, sondern die harte Praxis. Und dafür gaben wir beide Objektive dem Fotografen Jürgen Holzenleuchter mit, der damit eine Fotoreportage bei der fränkischen Gitarrenmanufaktur Hanika (www.hanika.de) machte – an dieser Stelle noch einmal vielen Dank für den netten Empfang. Holzenleuchter zwang sich, ausschließlich mit dem SL-Equipment zu fotografieren – seine gewohnte M hatte er bewusst zu Hause gelassen. →

Dieses Porträt entstand mit dem 75er bei offener Blende und weist einen sehr schönen Verlauf in die Unschärfe auf


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Auch hier kam das Apo-Summicron-SL 1:2/75 mm Asph zum Einsatz, diesmal mit Blende 4 bei einer Belichtungszeit von 1/160 s. Auch bei leicht geschlossener Blende überzeugt das Objektiv durch knackige Schärfe und schönes Bokeh

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Alle Aufnahmen auf dieser Seite entstanden mit dem 75er, links und oben mit Blende 2, unten mit Blende 4 aufgenommen. Das Schließen der Blende bringt in der Praxis keinen Schärfegewinn, doch der Verlauf in die Unschärfe fällt weiterhin sehr sanft aus

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Das Apo-Summicron-SL 1:2/90 mm Asph bietet die klassische Porträtbrennweite, die etwas mehr Abstand zum Motiv gewährleistet und die dennoch eine natürlich wirkende Perspektive bietet. Diese Aufnahmen entstanden bei voll geöffneter Blende

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Das Apo-Summicron-SL 1:2/75 mm Asph erweist sich als ideale Möglichkeit, auch bei beengteren räumlichen Verhältnissen wie hier in der Werkstatt der Gitarrenmanufaktur Hanika, Bildelemente zu betonen und gleichzeitig eine natürliche Perspektive zu bewahren. Links mit Blende 2, rechts mit Blende 2.5

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Fotos: Jürgen Holzenleuchter

Zwei Porträts mit voll geöffneter Blende, links mit dem Apo-Summicron-SL 1:2/90 mm Asph, rechts mit dem ApoSummicron-SL 1:2/75 mm Asph aufgenommen. Das 75er wirkt einen Hauch natürlicher, das 90er betont die Schärfenebene minimal stärker, doch die Unterschiede fallen sehr subtil aus und sind eher Geschmackssache


ha n d ha bu n g . So kam

das Gespräch auch schnell auf das Thema Autofokus, den Holzenleuchter an der SL zu schätzen lernte – aus dem einfachen Grund, weil er schnell, verlässlich und diskret funktionierte. So gut wie alle Fotos entstanden mit Autofokus und nur selten fand Holzenleuchter einen Grund, manuell einzugreifen. Das ist umso bemerkenswerter, als ihn der frustrierend unzuverlässige Autofokus seiner verschiedenen und durchaus hochwertigen Spiegelreflex-Kameras einst in die Arme der M getrieben hatte. Gerade bei den Porträts war es ein beruhigendes Gefühl, sich auf den AF verlassen zu können. „Speziell beim 90er ist die Schärfentiefe bei

Das n eu e 75 er u n d 9 0 er erweit er n d u rc h ihr e H a n d l ic hk eit u n d d en s ehr schnellen, sicher en Au tofokus Die P ra kt is c hen M ög l ic hk eit en d er L eic a SL.

offener Blende ja extrem gering und trotzdem saß praktisch jede Aufnahme“, meint der Fotograf dazu, „meine bisherigen Spiegelreflexkameras haben bei vergleichbaren Einsätzen locker 40 Prozent Ausschuss mit dem Autofokus produziert.“ Und auch, wenn das in der eher lauten Werkstatt keine Rolle gespielt haben dürfte – man beachte den Gehörschutz der Porträtierten – lobte Holzenleuchter das sehr diskrete Fokussiergeräusch. In der Praxis fiel dem Fotografen auch die kompaktere Bauweise der beiden Objektive auf, die äußerlich nur an den Gravuren zu unterscheiden sind. „Verglichen mit den SL-Objektiven bisher sind sie schon deutlich kleiner und an →

Wir kümmern uns!

Von den Ergebnissen, mit denen er zurückkehrte, zeigte er sich dann aber doch sehr beeindruckt. Natürlich macht jeder Fotograf seine eigenen Erfahrungen und daher ist es immer interessant, zu wissen, woher derjenige, der die Aussagen trifft, kommt. Holzenleuchter fotografiert sonst in der Regel mit der M, bevorzugt mit kürzeren Brennweiten. Für eine Reportage zieht er eher nur mit einem 28er und 50er los, was vielleicht auch erklärt, dass der Fotograf das 75er tatsächlich etwas öfter nutzte als das 90er. „Zumeist gehe ich lieber ein paar Schritte näher heran als auf eine längere Brennweite zu wechseln“, erklärt der Franke seine Philosophie.

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Um 75er und 90er voneinander unterscheiden zu können, muss man manchmal schon den Aufdruck lesen, denn Größe und Gewicht sind fast identisch. Das ist Absicht, denn der Fotograf soll den Schärfering intuitiv finden

Mit den neuen Summicron-SLObjektiven wird die Leica SL zu einer sehr handlichen Kamera

der Kamera sehr angenehm zu benutzen.“ Und fügte schmunzelnd hinzu: „Allerdings sind sie immer noch kein Vergleich mit meinen M-Objektiven.“ Die Wirkung der Bilder spricht jedenfalls für sich und macht Diskussionen über die optischen Qualitäten

der beiden Objektive eigentlich überflüssig. „Die Schärfe ist bei beiden über jeden Zweifel erhaben“, kommentierte Holzenleuchter die Qualität, „bei Porträts kann man da selbst bei offener Blende schon die Poren zählen, was schon fast zu viel des Guten ist“. Allerdings

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halte man sich wenigstens alle Möglichkeiten in der Nachbearbeitung offen, was in jedem Falle besser sei, als zu versuchen, nur halbwegs scharfe Bilder schärfer zu bekommen. Leicas Theorie, wonach die hohe Schärfewirkung der Objektive dafür sorgt, dass die Schärfentiefe geringer wirkt und man beinahe schon denkt, die Bilder seien mit noch weiter geöffneter Blende aufgenommen, lässt sich anhand der praktischen Versuche zumindest nicht von der Hand weisen, wenngleich die Wirkung eher subtil ist. Selbst beim 75er-Summicron wünschte sich Holzenleuchter nicht unbedingt eine weiter offene Blende wie beim 75er-Noctilux-M: „Dort muss man

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sich bei Porträts ja fast schon überlegen, ob man scharfe Wimpern oder scharfe Augenbrauen möchte, beides zusammen geht nur mit Abblenden.“ So beeindruckend solche technologischen Spitzenleistungen sind, so selten benötigt man sie letztlich in der Praxis. Relevanter ist da schon der Verlauf in die Unschärfe und mit ihr das Bokeh. In dieser Hinsicht haftet modernen Objektivrechnungen tendenziell kein so guter Ruf an. Von eher harschem Bokeh ist da die Rede, weit entfernt von der Cremigkeit, die historische Konstruktionen auszeichnet. Dazu kommt, dass sich ein schönes, gleichmäßiges Bokeh nur sehr begrenzt konstruktiv beeinflussen lässt. So-

wohl das 75er- als auch das 90er-Summicron zeichnen sich aber durch einen eher sanften Verlauf in eine sehr angenehm wirkende Unschärfe aus, wobei hier das 75er gefühlt noch einen Tick mehr punkten kann. Das 75 er o d er das 9 0 er? Damit sind wir dann auch bei den Unterschieden zwischen beiden Objektiven – und die fallen, abgesehen von der Brennweite und dem daraus resultierenden Bildwinkel natürlich, denkbar gering aus. Schwächen in der Praxis zeigten weder das 75er noch das 95er. Natürlich unterscheidet sich die Bildwirkung , aber das ist einfach eine Frage, was man braucht, und nicht zuletzt des Geschmacks. Porträts mit

dem 90er wirken oft eine Spur härter und technischer, mit dem 75er hingegen etwas natürlicher und weniger überzeichnet. Das hat nur zum Teil mit der nochmals etwas geringeren Schärfentiefe beim 90er zu tun und sicher auch nicht nur mit der laut MTF-Kurven einen Tick besseren Kontrastleistung des 90ers. Es ist die Summe der genannten Eigenschaften, dem Bildwinkel und der Tatsache, dass man einfach etwas näher an den Protagonisten heranrückt. Holzenleuchter jedenfalls bevorzugt das 75er: „Als ich meine erste M6 gekauft habe, gab es nur das legendäre, aber auch sehr teure Summlilux-M 1:1.4/75, das ich mir damals nicht

leisten konnte. Aber diese Brennweite bringt einfach sehr natürlich wirkende Ergebnisse.“ Das soll aber kein Plädoyer gegen das ebenso beeindruckende 90er sein. Wohl dem, der sich beide leisten kann, ergänzen doch beide das SL-System um Möglichkeiten, die man zuvor nicht hatte. Apo-SummicronSL 1:2/75 und 90 mm Asph sind nicht einfach nur Spezialisten für Porträts und den etwas engeren Blickwinkel, ohne im Gegenzug die Perspektive sichtbar zu verzerren. Sondern sie eröffnen der SL durch ihre Handlichkeit und den sehr schnellen, sicheren Autofokus noch mehr praktische Möglichkeiten als die bisher verfügbaren Systemobjektive. holger sparr

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22.02.2017 16:19:05 Uhr


museum leica b u c h v o r s t e ll u n g

Die offizielle Eröffnung des Leitz-Parks III wirft ihre Schatten voraus. Lars Netopil ließ uns einen ersten Blick in seinen neuen Bildband werfen, der sich mit der Sammlung des neuen Werksmuseums auf dem Gelände befasst.

Wenn der dritte Bauabschnitt des Wetzlarer LeitzParks eingeweiht wird (siehe S. 140), dann geht auch das neue Werksmuseum der Leica Camera AG an den Start. Zunächst mit der von Hans-Michael Koetzle konzipierten Austellung Augen auf! 100 Jahre Leica Fotografie, die zum 100. Geburtstag der Ur-Leica 2014 entstand und seither durch die Welt tourt. Nun kehrt sie an ihren Ursprung zurück. Was uns danach im Leica Museum erwartet, das hat Lars Netopil in dem eindrucksvollen Bildband Museum Leica zusammengestellt. Leica-Kenner und -Historiker Netopil, der in der Altstadt von Wetzlar einen Leica Store mit historischen und modernen Kameras betreibt und schon mehrere opulente Bände dieser Art veröffentlichte, hat 132 |

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sein bewährtes Team nun auf die Schätze angesetzt, die im neuen Werksmuseum zu sehen sein werden. Die mehr als 600, größtenteils großformatigen Fotografien besorgte Wolfgang Sauer, das Design des in zwei Halbbänden erscheinenden 672-Seiten-Werks lag in den Händen von David Pitzer. Museum Leica wird während der Eröffnung des Leitz-Parks III vorgestellt. Netopil engagiert sich auch als Berater des Unternehmensarchivs und des neuen Museums. Schon lange vor dem ersten Spatenstich für den Baubschnitt III des Leitz-Parks, hatte der Mehrheitseigner und Aufsichtsratsvorsitzende der Leica Camera AG, Dr. Andreas Kaufmann, bereits im Hinblick auf das seinerzeit nur als Vorstellung existierende Werksmuseum veranlasst,

Layoutbeispiele aus dem Band Museum Leica von Lars Netopil. Alle Aufnahmen auf diesen Seiten stammen aus dem Buch

das Archiv grundlegend neu zu erfassen und zu strukturieren. Das übernahm Günter Osterloh, der ehemalige Leiter der Leica Akademie, der Netopil in sein Team holte. Das Archiv hatte eine lange, zum Teil auch unglückliche Geschichte (siehe das Interview mit Lars Netopil im Anschluss), konnte aber im Zuge des Neuaufbaus gerade im Hardwarebereich seine Bestände wieder deutlich aufstocken. Zu den wichtigsten Erwerbungen zählt die Sammlung von Rolf Fricke aus Rochester. Der langjährige Kodak-Mitarbeiter pflegte, auch aus beruflichen Gründen, stets gute Kontakte zu Leica, und hat eine der größten LeicaSammlungen überhaupt aufgebaut. Und die findet nun einen würdigen neuen Platz: im Leica Museum und im Bildband Museum Leica. →


Fotos: Wolfgang Sauer

Das sind die Kronjuwelen aus dem neuen Leica Museum: An erster Stelle steht natürlich Oskar Barnacks „Liliput“, die Ur-Leica (unten). Darüber der Prototyp Nr. 3 und ganz oben eine Leica I mit Objektivrevolver, Es handelt sich ebenfalls um einen Prototyp

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Oben links: eine Leica MS fĂźr die US-Navy; oben rechts: die Leica ABCDE, eine Designstudie fĂźr die Leica R (Ende der 1970er-Jahre); links: Entwicklungsreihe der Leica M60, die als Sonderedition zum 60. M-Geburtstag auf den Markt kam; unten: Prototypen (1953) der ersten M-Kamera, der Leica M3, die 1954 vorgestellt wurde

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LFI: Herr Netopil, am 15. Juni wird der der dritte Bauabschnitt des LeitzParks eröffnet. Zu dem neuen Ensemble auf dem ehemaligen Schanzenfeld gehört auch das Leica Museum. Sie beraten die Abteilung „Historisches Archiv“, die für das Museum zuständig ist. War es überhaupt vorstellbar, dass es einmal so ein Werksmuseum geben könnte? Lars Netopil: Ein Werksmuseum als Ausstellung gab es bei der Firma Leitz ab etwa 1963. Die seither noch vorhandenen Exponate tragen bis heute die Inventarsignatur von Siegfried Rösch, der das Projekt seinerzeit begann. Nach der Zerschlagung der Ernst Leitz Wetzlar GmbH und der damaligen Ausgliederung von Leica Camera war der Museumsbestand einer wechselvollen und nicht immer glücklichen Entwicklung unterworfen. Ein Tiefpunkt war sicher der Verkauf von etlichen – auch wesentlichen – Exponaten aus dem Museumsfundus im Jahr 2003 aus wirtschaftlicher Not. Kaum jemand hatte zu diesem Zeitpunkt daran geglaubt, dass Leica Camera

überhaupt überleben würde. An etwas wie den Neubau eines Museums war auf gar keinen Fall zu denken. Andererseits war das aber auch die Zeit, in der gerade die ACM bei Leica – zunächst mit einer Minderheitsbeteiligung – einstieg, was die Grundlage für die sich dann in den folgenden Jahren einstellende, fast unglaubliche Erfolgsgeschichte bildete. Das Historische Archiv und das Museum sind zwei Abteilungen, die untrennbar miteinander verbunden sind. Das Archiv ist aber nicht für das Museum zuständig, sondern die Leitung des Museums und die Kuratoren. Diese bedienen sich aus dem Museumsfundus, dessen Verwaltungseinheit das Archiv bildet. Das Archiv stellt dem Museum die Exponate zur Verfügung. Im Museumsgebäude wird zunächst die anlässlich des 100. Geburtstags der UrLeica konzipierte Ausstellung Augen auf! zu sehen sein, da die Eröffnung des Museums erst 2019 stattfindet. Wie ist der Stand der Dinge bei der Planung dieser für Leica so bedeutenden Einrichtung?

Ich halte es für wunderbar, dass die erfolgreiche Ausstellung Augen auf! von HansMichael Koetzle endlich auch nach Wetzlar kommt. Weltweit waren schon Hunderttausende Besucher von ihr begeistert und Wetzlar wird sicherlich nicht schon die letzte Station dieser Tournee sein. Das Gebäude des neuen Leica Museums bietet sich für diese große Ausstellung regelrecht an und im Rahmen der Einweihung des Leitz-Parks III wird sie ein echtes Highlight. Keinem der Gäste, der Augen auf! vielleicht schon woanders gesehen hat, wird es langweilig werden. Die Ausstellung ist, allein wegen ihres Themas, museal. „100 Jahre Leica Fotografie“ ist die eigentliche LeicaGeschichte, da die Emotionen von den Bildern transportiert werden und das ist das Wesentliche. Man fühlt zudem das Alter des Materials in den Vintage Prints. Und einige Exponate zu den jeweiligen Epochen der Leica-Fotografie sind natürlich ebenfalls integriert. Augen auf! ist ein sehr schönes Beispiel dafür, dass es nicht auf die Anzahl der Geräte ankommt, um eine Ausstel-

lung zur Leica-Geschichte besonders und erfolgreich zu machen. Ich sage daher, das Museum wird im Juni 2018 eröffnet und das gleich mit einer Sonderausstellung, die die gesamte Fläche bespielt. Und nach dem Ende der Ausstellung gibt es eine ganz normale Umbauphase – so sehe ich das. Auf welche wesentlichen Bestände können die Kuratoren des Museums heute zurückgreifen? Schon im Rahmen der Planung zum Bauabschnitt II war immer wieder von Ideen wie der „World of Leica Camera“ die Rede. Es war klar, dass – wenn alles gut gehen würde, was es bis heute tut – anschließend der dritte Bauabschnitt mit seinen Teilbereichen inklusive einer neuen Lösung für das Archiv und eine museale Darstellung der LeicaGeschichte entstehen sollte. Der Museumsfundus verfügt heute wieder über eine Sammlung, die insgesamt dem Anspruch des Weltunternehmens Leica mit seiner bedeutenden Geschichte Rechnung trägt. Die Ur-Leica wurde zum Glück nicht angetastet, das hatte →

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auch in den schlechtesten Zeiten niemand gewagt. Sie ist das zentrale und wesentliche Exponat des neuen Leica Museums. Zudem sind bis heute auch noch eine Reihe weiterer wichtiger Exponate aus der frühen Wetzlarer Zeit des LeitzWerksmuseums vorhanden. Weiterhin wurde durch den Zukauf verschiedener Sammlungen in den letzten Jahren schon ganz bewusst auf die Anforderungen eines neuen Werksmuseums hingearbeitet. Für das Museum sind auch private Sammlungen erworben worden, darunter die Sammlung Rolf Fricke. Können Sie uns etwas zu der Person dieses Sammlers berichten?

Rolf Fricke zählt zu den Pionieren auf dem Gebiet des Sammelns von Leica-Kameras, -Objektiven und -Zubehörteilen. Er ist Gründungsmitglied der Leica Historical Society of America und von Leica Historica e. V. Als Student hatte er Günther Leitz in Midland (Kanada) kennengelernt und wurde ein Freund der Familie sowie der Firma Leitz und ihrer Produkte. Aufgrund seiner späteren beruflichen Tätigkeit für Kodak in Rochester war er nicht nur für die Zeit seines gesamten Erwerbslebens in der Fotobranche tätig. Auch bei Leitz in Wetzlar hatte Fricke in diesem Zusammenhang laufend dienstlich zu tun. Frühe Kontakte zu leitenden, teilweise zu dieser Zeit auch bereits

pensionierten Leitz-Mitarbeitern machten es ihm möglich, hier in Wetzlar ein regelrechtes Netzwerk aufzubauen, was die Beschaffung von teilweise sehr spannenden Exponaten betraf. Im Laufe der Jahrzehnte entstand daraus eine weltbedeutende Sammlung. Rolf Fricke und Leica Camera sind glücklich darüber, dass diese Dinge nun Teil des neuen Werksmuseums von Leica werden. Welche wichtigen Bestände stehen für das Museum zur Verfügung? Sehr spannend ist zum Beispiel die Belegmustersammlung bei Elcan. Das im Jahr 1952 von Günther Leitz in Midland (Kanada) gegründete Werk war eigentlich

für die Endmontage von Komponenten aus Wetzlarer Fertigung gedacht, um US-Strafzölle auf deutsche Produkte zu umgehen. Dort entstand allerdings innerhalb kürzester Zeit ein Hightech-Zentrum, was zunächst in erster Linie die Objektiventwicklung inklusive eigenem Rechenbüro (Dr. Walter Mandler) und die Objektivfertigung betraf. Zahlreiche berühmte Objektive wie etwa das Summilux-M 1:1.4/35 mm oder das Noctilux-M 1:1/50 mm sind in Kanada entstanden und wurden über lange Zeit ausschließlich dort gefertigt. Diese Kompetenz führte auch zu Sonderaufträgen, beispielsweise für das USMilitär. Darunter sind ebenfalls einige Berühmtheiten

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wie das Elcan-M 1:2/66 mm, die heute – auch aufgrund ihrer Rarität – in Sammlerkreisen besondere Faszination auslösen. Das Unternehmen heisst heute Elcan (eigentlich für Ernst Leitz Canada) und fertigt keine Leica-Objektive mehr. Lange nachdem das letzte Noctilux von Typ 1:1/50 mm an Leica Camera in Solms geliefert worden war, lagerte bei Elcan immer noch eine beeindruckende Sammlung mit Belegstücken quasi aller seinerzeit gefertigter →

Das Leica Digital-Modul-R, angepasst an eine M7. Bei diesem Funktionsmuster handelt es sich also um die digitale Ur-Leica M. Das Serienmodell kam schließlich 2006 als M8 auf den Markt

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Leitz-Canada-Produkte aus dem Fotografiebereich. Dass diese Dinge ebenfalls nach Wetzlar geholt werden konnten, ist ein sehr glücklicher Umstand und rundet die Sammlung des neuen Werksmuseums auf fantastische Weise ab. Was bedeutet das Museum für die im Foyer des LeicaHauptgebäudes ausgestellten Kamera- und Objektivstammbäume? Sollen sie in das neue Museum integriert werden?

Oben li.: Korelle mit Leitz-Elmar aus dem Kochmann-Werk; oben re.: Luxusversion der Pupille mit Leitz-Elmar aus dem Nagel-Werk; unten: Mitarbeitervorschlag „Leica Box“ (1950er-Jahre)

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Der Leica-Stammbaum ist schon eine Institution an sich. Er war bereits Teil der musealen Darstellung im alten Verwaltungsgebäude der damaligen Ernst Leitz GmbH (heute Neues Rathaus Wetzlar) und ist – auch aufgrund der gedruckten Poster seines Motivs, die es von ihm als Werbemittel immer wieder gab, – weltberühmt. Bei Leica in Solms war er im Foyer ausgestellt und wurde dort auch einmal neu gestaltet; zum Umzug nach Wetzlar im Jahr 2104 entstand dann der Kamera- und Objektivstammbaum. Die Darstellung der Kameras und der jeweiligen Objektive miteinander wurde höchste Zeit. Die besonders hohe Abbildungsleistung der Objektive zur Leica

haben von Anfang an maßgeblich zu dem Erfolg dieser Kamera beigetragen. Auch nach Eröffnung des Bauabschnitts III im Leitz Park wird der Leica Stammbaum eine bedeutende Rolle spielen. Auf der anderen Seite wird im Rahmen dieser permanenten Installation „Leica Stammbaum“ die technische Entwicklung der Leica und des Leica-Systems anhand von Seriengeräten gezeigt. Wirklich spannend wird es in einer musealen Darstellung der Leica-Geschichte im Hinblick auf die Geräte dann, wenn wir es mit besonderen, teilweise eben gerade nicht serienmäßigen Exponaten zu tun haben. Hier sei etwa das weite Feld der Prototypen nur beispielsweise genannt.

Museum Leica, Ihr neuer Bildband, versammelt Hunderte Preziosen aus über 100 Jahren Kamerageschichte. Können Besucher all das auf einmal sehen oder kann immer nur eine Auswahl öffentlich präsentiert werden? Das Museum wird keine bloße Geräteshow. Es wird darum gehen, dem Besucher die Geschichte von Leica in emotionaler Weise zu vermitteln. Geräte sind dazu notwendig, klar, aber gerade die punktuelle Beleuchtung einzelner Themen in wechselnden Sonderausstellungen werden erneute Besuche immer wieder attraktiv machen. Dazu zählt auch, dass bestimmte Exponate nur zu bestimmten Anlässen und Themen zu sehen sein

werden. Museum Leica ist – wie schon meine bisherigen Publikationen – bewusst als Bildband konzipiert und bietet dem Betrachter quasi einen Vorgeschmack auf das, was er als Besucher im neuen Werksmuseum in den kommenden Jahren zu sehen bekommen wird. Interview: bernd Luxa

Museum Leica: 672 Seiten, über 600 großformatige Farbabbildungen, zwei Bände im Schuber, 21 × 30 cm, deutsch, englisch Book launch am 15. Juni 2018 zur

Einweihung des Leitz-Parks III

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„Ein Angenehmes Em p f i n d e n vo n U r b a n i tät. ” D e r L e i t z- Pa r k III

Seit 2014 befindet sich die Schaltzentrale der Leica Camera AG wieder in Wetzlar, im neuen Leitz-Park. Im Juni wird nun der dritte Bauabschnitt eröffnet.

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Als der Feinmechaniker Oskar Barnack im Jahr 1914 zum ersten Mal den Auslöser der Liliput – wie er die heute als Ur-Leica bekannte Kamera ursprünglich nannte – betätigte, begann in Wetzlar eine neue Ära der Fotografie. War die Stadt in Mittelhessen vorher als Sitz des Reichskammergerichts bekannt, an dem sogar Goethe ein viermonatiges Praktikum absolvierte, verband sich der Name Wetzlar im zu Ende gehenden 19. Jahrhundert

Das Schanzenfeld-Gelände wird durch den Leitz-Park III um ein Hotel, Museumsund Erlebnisflächen, die Produktion von CW Sonderoptic und einen repräsentativen Büroturm ergänzt

weltweit mit den optischen Instrumenten aus dem Hause Ernst Leitz, zu denen schließlich auch die ab 1925 in Serie gefertigte Leica zählte. Nachdem das Unternehmen in den 1980er-Jahren in das benachbarte Solms umgezogen war, schien es lange so, als sei Leica in Wetzlar Geschichte.

Doch es sollte anders kommen. Im Jahr 2007 erfolgte auf dem Schanzenfeld der erste Spatenstich für den Leitz-Park I, in dem sich dann die Unternehmen Viaoptik und Uwe Weller Feinwerktechnik ansiedelten. Das Schanzenfeld liegt am nordöstlichen Stadtrand Wetzlars und wurde bis ins späte 20. Jahrhundert militärisch genutzt. Auch für die Leica Camera AG bot sich ein Umzug auf das 18 Quadratkilometer große Areal an. →

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Unten links: Blick auf den Leitz-Park II; unten rechts: Der großzügige Vorplatz des Hotels ist auch für Autos befahrbar; oben: Der Leitz-Park III soll ein angenehmes Empfinden von Urbanität ermöglichen

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Rück k e hr nach W etzla r. Die Frankfurter Architekten Martin Gruber und Helmut Kleine-Kraneburg entwarfen ein multifunktionelles Gebäude für die Produktion, mit Raum für Büros, Ausstellungen und einen Leica Store, das mit seinen runden Formen an ein Fernglas und ein Objektiv erinnert. 2014 war der Leitz-Park II bezugsfertig und das Unternehmen kehrte 100 Jahre, nachdem Oskar Barnack den Prototyp seiner ersten Kamera fertig gestellt hatte, nach Wetzlar zurück – dorthin, wo Carl Kellner mit dem Optischen Institut, in das später Ernst Leitz I eintrat, 1849 den ersten Vorläufer der heutigen Leica Camera AG gegründet hatte. Bei der Entwicklung des Schanzenfelds verfolgte Dr. Andreas Kaufmann, der Mehrheitseigner und Aufsichtsratsvorsitzende der Leica Camera AG, schon früh die Idee, nicht nur einen Produktionsstandort, sondern eine Leica Erlebniswelt zu schaffen, die nun mit dem Bauabschnitt III, wieder unter Federführung von Gruber und Kleine-Kraneburg, verwirklicht wurde. Das neue Ensemble setzt sich aus einem Hotel, einem Büroturm, dem Produktionsgebäude für das Leica-Schwesterunternehmen CW Sonderoptic und dem sogenannten Leica Gebäude mit dem neuen Werksmuseum zusammen. Bei der Planung nahm man Abschied von den streng geometrischen Rechteck- und Kreisformen der Bauabschnitte I und II. Als Vorbild diente vielmehr die Architektur der italienischen Renaissance. „Dort sind Städte erfahrbar, deren Wege immer wieder auf einen Platz führen, mit Gebäuden die man gern betritt, die auch nicht ganz rechteckig sind, sondern deren Struktur dem Platzempfinden angepasst ist. Der LeitzPark III will ein angenehmes Empfinden von Urbanität ermöglichen“, erläutert Dr. Kaufmann. L e it ide e Foto gra f ie. Dass der

Leitz-Park III keine beliebige Erlebniswelt ist, sondern der Fotografie verpflichtet, werden die Gäste des

Das „arcona Living Ernst Leitz Hotel“ mit seinen 129 Zimmern, Appartements und Suiten ist ebenso wie das angeschlossene Restaurant Weinwirtschaft durch ein künstlerisches Gesamtkonzept geprägt

„arcona Living Ernst Leitz Hotel“ auf Schritt und Tritt bemerken: Durch das gesamte Gebäude mit seinen 129 Zimmern, Appartements und Suiten zieht sich ein künstlerisches Gesamtkonzept bis in die architektonischen Details. Am deutlichsten zeigt sich das natürlich an den vielen Bildern bekannter Leica-Fotografen. In der Konzeption verbirgt sich große Liebe zum Detail,

um die Arbeiten von Klassikern wie Peter Cornelius und Joel Meyerowitz oder von Könnern einer neuen Fotografengeneration wie Matt Stuart und Fulvio Bugani zu würdigen. Insgesamt präsentieren die Kuratoren Aufnahmen von mehr als 60 Fotografen auf über 250 Bildern. An das Hotel ist das Restaurant Weinwirtschaft angeschlossen, das über eine große Sommerterrasse verfügt. Die Veranstaltungsräume des Hotels bieten Platz für bis zu 300 Personen. Und im Fitness- und Sau→ nabereich kann man dann

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Ein Hauch von Italien in Wetzlar: Der Grundriss des Leitz-Parks III erinnert an urbane Konzepte im Stil der Renaissance

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Aus der Vision einer Leica Erlebniswelt ist Realität geworden: Rund elf Jahre nach dem ersten Spatenstich für den LeitzPark I kann der Leitz-Park III im Juni 2018 seine Eröffnung feiern

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doch einmal vergessen, dass man sich in der Nachbarschaft eines Produktionsstandorts befindet. Die im Leitz-Park II verfügbare Ausstellungsfläche lässt bisher nur die Präsentation einer relativ kleinen Auswahl historischer und moderner Kameras zu, die der Bedeutung der Leica-Historie nicht im vollen Umfang gerecht werden kann. Deshalb wird das neue Leica Museum einer der wichtigsten Orte im Leitz-Park III werden. Von Mikroskopen über Kameras bis hin zu Sportoptiken wird dort die gesamte Leica-Geschichte thematisiert. Los geht es aber mit der Ausstellung Augen auf! 100 Jahre Leica Fotografie (siehe dazu das Interview mit Lars Netopil ab S. 132). Das Leica Gebäude, in dem sich das Werksmuseum befindet, wird auch das Historische Archiv, die Leica Akademie, ein befahrbares Fotostudio und einen neuen Leica Store beherbergen. In den Räumlichkeiten des Stores werden bei Eröffnung des Leitz-Parks III zunächst noch Ausstellungen mit Arbeiten der Fotografen Mathieu Bitton (siehe S. 72), Ray Barbee und Tine Acke zu sehen sein.

In den repräsentativen Büroturm zieht neben Unternehmen aus der Umgebung auch die Verwaltung der Leitz-Park GmbH ein. Im Erdgeschoss arbeitet eine Entwicklungsabteilung an neuen Leica-Produkten

Architektur-Visualisierungen: © Michael Kisselbach / www.kiframes.de

Platz für das W e s en tl iche.

Inmitten der urbanen Strukturen des Leitz-Parks III repräsentiert das Produktionsgebäude der CW Sonderoptic industrielle Funktionalität. Die Belegschaft hat als erste ihr neues Gebäude bereits bezogen, in dem sie die unter dem Leica-Signet vermarkteten Optiken für Filmkameras fertigt. Das 2008 von Dr. Kaufmann gegründete Unternehmen hat sich in der relativ kurzen Zeit seiner Existenz bereits ein großes Renommee erworben. So trugen etwa die Summilux-C-Objektive der CW Sonderoptic im Jahr 2015 dazu bei, dass der Film Birdman vier Oscars erhielt. Das bescherte dem Entwicklerteam nicht nur weltweite Bekanntheit, sondern auch den Scientific and Engineering Award der Academy of Motion Picture Arts and Science, oft auch als „Technik-Oscar“ bezeichnet.

Der repräsentative Büroturm bietet in seinen fünf Stockwerken viel Fläche für unterschiedliche Gewerbe. Neben Unternehmen aus dem Wetzlarer Raum zieht auch die Verwaltung der LeitzPark GmbH in den markanten Bau ein. Im Erdgeschoss hingegen wird an einer Erweiterung des Leica-Produktportfolios gearbeitet. Worum es sich handelt, unterliegt derzeit noch der Verschwiegenheit. Während die Entwickler und Konstrukteure in Zukunft also mit Sicherheit für neue Überraschungen sorgen werden, hält Leica an den bewährten Nachhaltigkeitsstrukturen fest: Die etablierten energetischen Konzepte – von Geothermiesonden unter den Parkplätzen bis hin zu nachrüstbaren Photovoltaikelementen auf den Dächern – werden auch in den neuen Gebäuden umgesetzt, sodass sich das Gelände zum größten Teil selbst versorgt.

G u t e Aussi c h t e n. Als Dr. Kaufmann das Schanzenfeld vor mehr als zehn Jahren erwarb, um der Viaoptic, der Feinwerktechnik und nicht zuletzt der Leica Camera AG selbst einen optimalen Standort zu verschaffen, existierte eine Leica Erlebniswelt allenfalls im Kopf oder auf dem Papier. Nun wird die Vision Realität: Im Leitz-Park III gehen Forschung, Kunst, Kultur und Hotellerie eine Symbiose ein, die Touristen und Foto-Enthusiasten aus aller Welt anziehen wird. Die Eröffnungsfeierlichkeiten finden vom 15. bis zum 17. Juni statt. Während sich an den ersten beiden Tagen Kunden und Journalisten in aller Ruhe ein Bild von der neuen Leica Erlebniswelt machen können, ist das Gelände am Sonntag dann für die Öffentlichkeit zugänglich. Rund 10 000 Besucher aus der Region werden erwartet, wenn der Leitz-Park III zum Sehen, Staunen und Verweilen einlädt. Leica hat viel zur Entwicklung von Wetzlar als Wirtschaftsstandort beigetragen. Der Leitz-Park III wird der Region noch mehr Aufmerksamkeit bescheren. Man darf jetzt schon gespannt sein, was die Zukunft bringt – Platz für weitere Innovationen ist auf dem Schanzenfeld noch zur Genüge vorhanden. danilo rössger

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Foto: © Jane Evelyn Atwood

– b ü c h e r – Au s s t e l l u n g e n – f e s t i va l s – Awa r d s –


Das bekannteste und renommierteste Fotofestival der Welt wird einmal mehr die internationale Foto-Community unter der südfranzösischen Sonne versammeln: Vom 2. Juli bis zum 23. September 2018 präsentieren Direktor Sam Stourdz und sein Team die 49. Ausgabe des Festivals Rencontres d’Arles. In einer unübersichtlichen Welt voller Kriege, Cyborgs und den unberechenbaren USA blickt Arles in Sektionen wie America Great Again mit Robert Franks Sidelines und Raymond Depardons USA 1968–1999 sowie Run comrade, the old world is behind

you über die Pariser Unruhen 1968 in die Vergangenheit. In der Sektion Augmented Humanity versuchen die Festivalmacher daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Hier werden mit Matthieu Gafsous Serie H+ über Transhumanismus und Körpermodifikation und Jonas Bendiksens Serie The Last Testament dystopische Zukunftsszenarien entworfen. In der Sektion Dialogues werden unter anderem die Arbeiten der beiden Fotografinnen Jane Evelyn Atwood und Joan Colom gegenübergestellt, die mit 20 Jahren zeitlichem

Abstand Menschen in Paris respektive Barcelona auf ähnliche Weise porträtiert haben. Candida Höfer erschließt mit ihren großformatigen Bildern menschenleerer öffentlicher Plätze das Carré d’Art, die von dem britischen Architekten Norman Foster entworfene Bibliothek in Nîmes, als neuen Ausstellungsort. Als spezielle Gäste des Festivals erhalten mit dem Palais de Tokyo und der Opéra National de Paris zwei kulturelle Leuchttürme die Gelegenheit, ihre Sicht auf Fotografie darzustellen. www.rencontres-arles.com

L e s R e n c o n t r e s d ’A r l e s

Fotos: © William Wegmann, © Raymond Depardon, © Paul Graham, © Candida Höfer

Zurück in die Zukunft

Im Uhrzeigersinn von links: Jane Evelyn Atwood Pigalle, Paris, Frankreich 1978–1979; William Wegman Casual, 2002; Raymond Depardon Manhattan, New York, 1981, Paul Graham New Orleans, aus der Serie A Shimmer of Possibility, 2003–2006; Candida Höfer Elbphilharmonie Hamburg; Herzog & de Meuron, Hamburg VIII, 2016

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i n g e m o rat h DA S VERB O RGENE M U S EU M ,

Der Schriftsteller Arthur Miller sagte, dass Inge Moraths Fotografien eine „sentimentale Zärtlichkeit“ in sich tragen. Die Fotografin dokumentierte Menschen und Orte in Europa, China, Russland, Iran, den USA. Aus einem fotografischen Kosmos würdigt sie als stille Beobachterin des alltäglichen Lebens. 26. April — 26. August 2018; Foto: Mrs. Eveleigh Nash, London, 1953

VIVIAN M AIER W e s t L i c h t, W i e n

Man könnte es als den fotografischen Fund des neuen Jahrhunderts bezeichnen: 2009 erwarb der Immobilienmakler John Maloof einen Karton mit Negativen der Amerikanerin Vivian Maier. Über die Plattform Flickr gingen die Fotografien um die Welt – und wurden berühmt. Ein Karton für 400 Dollar mit Bildern für die Ewigkeit. Oder aber: vom Kindermädchen zur Visionärin. „Die vielfach kolportierte – und ja tatsächlich fantastische – Erzählung einer ,Mary Poppins mit Kamera‘ darf nicht den Blick auf Maiers Werk verstellen“, sagt die Chef-Kuratorin bei Westlicht, Rebekka Reuter. „Ihr Platz in der Fotogeschichte gebührt ihr wegen der Qualität ihrer Fotografie.“ Erstmals sind die Aufnahmen Maiers, die einen österreichischen Vater hatte, nun in dessen Heimat zu sehen. Ausgestellt werden etwa 100 Arbeiten, die zwischen den frühen 1950er- und den späten 1970er-Jahren entstanden sind, Schwarzweißbilder mit der Rolleiflex und Farbbilder mit der Leica fotografiert. Die Aufnahmen zeigen die Straßen von New York und Chicago, das Leben dort, alltägliche Szenen, die wirken, als wären sie nur für den Moment erschaffen. Maier komponierte ihre Bilder wie ein guter Autor sein Werk. Und wie dieser schmuggelte sie sich mitunter selbst in die Erzählung, die nun endlich nicht mehr nur ihr allein gehört. 29. Mai — 19. Aug. 2018, Foto: Vivian Maier: New York, 10. April 1955

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C h r i s to p h e r Williams K e s t n e r g e s e lls c h a f t, H a n n ov e r

Es sind die alltäglichen Sujets wie Autos, Kinder, Pflanzen oder Möbel, die den Fotografen interessieren. In der Serie Normative Models hebt Williams aus seinen Motiven die Details so genau und messerscharf heraus, dass sie wie Kunstelemente auf einer großen Leinwand erscheinen. 5. Mai — 29. Juli 2018, Foto: Christopher Williams: Δd = df - dn (Harvest Season) 2016/2017

[ SPAC E ] STREET. LIFE . PHOTOGRAPHY DEICHT O RHA L L EN , HA M BURG

Das Leben spielt sich auf der Straße ab. Unendlich viele Fotografien sind dort entstanden. Die Straße ist nicht nur ein Ort der Bewegung, sondern auch ein Bauchladen voll mit Kuriositäten. Im Rahmen der Triennale der Photographie präsentiert das Haus der Photographie in den Deichtorhallen Street Photography aus sieben Jahrzehnten. Über 50 fotografische Positionen mit 350 Arbeiten werden

in sieben thematischen Gruppen präsentiert, darunter Klassiker der Street Photography wie Diane Arbus, Lee Friedlander, Martin Parr oder Robert Frank. 8. Juni — 21. Okt. 2018; Fotos: Andreas Herzau: Girl, aus Moscow Street, Moskau 2008; Dougie Wallace: aus The Age Of Wealth, 2001–2017

Fotos: © estate of Vivian Maier, courtesy of Maloof Collection and Howard Greenberg Gallery, NY; © Magnum Photos/Inge Morath Foundation/Fotohof archiv; Christopher Williams, courtesy of the artist, Galerie Gisela Capitain, Cologne and David Zwirner, New York/London/Hong Kong; © Andreas Herzau/courtesy Galerie SOIZ; © Dougie Wallace/Institute; © Erik Madigan Heck

berlin


Erik Madigan Heck Christophe Guye Galerie, zürich

Die Modefotografie ist längst keine reine Gebrauchsfotografie mehr. Spätestens seit den Bildern von Horst P. Horst, Irving Penn oder Helmut Newton wurde sie in die Kunst erhoben: als ästhetisches, poetisches und schönformes Genre, das moderne Märchen erzählt. Der erst 35-jährige Amerikaner Erik Madigan Heck bereichert dieses Kunstfach auf besonders innovative Weise: „Er lotet mit seiner Fotografie neue Grenzen aus und schafft Bilder, die über die traditionelle Modefotografie hinausgehen“, schreibt die Kunsthistorikerin Nathalie Herschdorfer in einem Essay über ihn. „Sorgfältig konstruiert und mit leuchtenden Farben veredelt, die Grenzen zwischen Kleidung und Hintergrund verwischend, spielen seine Gemälde mit der Idee der zukünftigen Silhouetten.“ Heck ist ein Lyriker unter den Modefotografen. Er fasst den Modebegriff gleichsam in metaphorische Verse, nicht das Model oder die Kleidung stehen bei ihm im Vordergrund, sondern der Umgang mit Farbe und Form, mit Bild und Rahmen, mit Vergangenheit und Zukunft. Wohl nicht umsonst heißt seine Serie Old Future. Seine Fotografien erinnern an die Gemälde der Impressionisten, in denen Licht und Schatten die Atmosphäre schufen. 3. Mai — 25. August 2018 Foto: Erik Madigan Heck: Katie Ledecky, 2016

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Kac p e r Kowa l s k i O VER

D. P. R . KO REA GRAND T O UR

Ungewöhnlich ist das neue Buch des belgischen Magnum-Fotografen (*1958). Denn es ermöglicht einen seltenen Einblick in ein abgeschottetes Land. Nordkorea gilt als Land mit dem restriktivsten politischen System auf der Welt. An eine freie Berichterstattung durch einen Bildjournalisten wie de Keyzer ist also nicht zu denken. Und doch gelang es ihm 2015 auf einer 42-tägigen Reise an rund 200 Orten zu fotografieren. Dieses Privileg verdankte de Keyzer einer Agentur, die sich auf Reisen spezialisiert hat, aber auch humanitäre und kulturelle Projekte ausländischer Hilfsorganisationen unterstützt. Ganz offiziell war der Fotograf nun beauftragt, Aufnahmen für die Homepage der Agentur zu finden. Zwar musste sich auch de Keyzer der allgemeinen Kontrolle unterwerfen. Trotzdem geht seine Grand Tour weit über den zu erwartenden Motivkanon hinaus; neben den choreografierten Aufmärschen, den ewigen Konterfeis der Diktatoren und lächelnden Kindern in Uniform gelang es ihm auch Motive zu finden, die einen überraschenden Einblick in den Alltag geben. Und so scheinen eben auch kleine Oasen der Freiheit und Spontaneität in dem sonst so versiegelten und kontrollierten Land auf. Das Durchblättern des Bildbandes erfordert Disziplin und Aufmerksamkeit, denn beim Aufschlagen des Buches teilt sich der Bildblock in zwei lange fragile Leporellos, die – beidseitig bedruckt – in die Bildwelten einführen. Ein zusätzlicher schmaler Indexband liefert knappe Informationen zu den Bildern. 2 × 132 Seiten, 258 Abb., 18 × 24,5 cm, englisch, Lannoo Publishers

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98 Seiten, 46 Abb., 23,5 × 31 cm, englisch, Selbstverlag

Samantha Dietmar MExico

Die deutsche Fotografin (*1978) begleitete 2006 im mexikanischen Wahlkampf „La Otra Campaña“ der Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung. Die Reportage im politisch heißen Klima der Wahlen entwickelte sich zur persönlichen Serie, die in ihrer widersprüchlichen Vielfalt treffend die Situation spiegelt. 144 Seiten, 114 Abb., 24 × 22 cm, deutsch/englisch, Kehrer Verlag

G u i l l au m e S i m o n e au E x p e r i m e n ta l L a k e

Die auf den ersten Blick betörend schönen Landschaftsbilder entfalten im Kontext des Buchs eine ernste zweite Ebene. Der kanadische Fotograf (*1978) zielt nicht nur auf die Dokumentation der scheinbar unberührten Natur, sondern es geht um Forschung und Wissenschaftsgeschichte. Im Zentrum steht das Gebiet von 58 Seen im Nordwesten von Ontario, das als Naturlabor ELA (Experimental Lakes Area) Bedeutung erlangt hat. Dort wurden seit den 60erJahren sogenannte GanzseeExperimente durchgeführt, die von unschätzbarer Bedeutung für die Wissenschaft, aber daraus resultierend auch für ökologische Entscheidungen und Gesetzgebungen sind. Aktuell konnte die drohende Einstellung der Projektfinanzierung abgewendet werden. Schade nur, dass dieser Bildband keinen Text enthält, der die Erkenntnisse über Naturdenkmal und Forschungsstätte vertiefen könnte. 80 Sei­ten, 48 Abb., 22 × 29 cm, englisch, Mack Books

Fotos: © Carl de Keyzer/Magnum Photos; © Kacper Kowalski; © Samantha Dietmar; © Guillaume Simoneau

Carl De Keyzer

Eigentlich wollte er Architekt werden, aber der polnische Fotograf (*1977) widmete sich dann doch seinen wahren Leidenschaften: Fliegen und Fotografieren. Das neue Buch Kowalskis, der 2011 Finalist des Leica Oskar Barnack Awards war, zeigt Luftaufnahmen von Landschaften als abstrakte Strukturen, die doch von Mensch und Natur geschaffen wurden. Großartig.


S MAGAZIN AUSGABE 9 20

Leica Galerien Ba n g ko k

Prag

Ralph Gibson: Nude and Muses

Robert Vano: My name is Robert Vano

THA  |  10330 Bangkok, 2nd Floor Gaysorn Village, 999 Ploenchit Road 8. Mai — 26. Juni 2018

Salzburg

Ekaterina Sevrouk: Last Paradise

GER  |  60311 Frankfurt am Main, Großer Hirschgraben 15 7. Juni — September 2018 i s ta n b u l

BRA  |  01240–000 São Paulo, Rua Maranhão, 600 Higienópolis 5. April — 15. Juni 2018

Singapur

Jason Peterson SIN  |  Singapur, The Fullerton Hotel, 1 Fullerton Square, #01–07 22. Mai — 22. August 2018

JPN  |  Kyoto, 570–120 Gionmachi Minamigawa, Higashiyama-ku 7. April — 28. Juni 2018

Tokio

Los Angeles

JPN  |  Tokio, 6-4-1 Ginza, Chuo-ku 13. April — 1. Juli 2018

USA  |  West Hollywood, CA 90048, 8783 Bever­l y Boulevard Mailand

PhotoVogue 2018 When Ethics Meets Aestethics

Kenichi Kakimoto: Knock

wa r s c h a u

Bogdan Konopka: Leçons de Ténèbres

Wetzlar

NRW

GER  |  35578 Wetzlar, Am Leitz-Park 5 15. Juni — 9. September 2018 wien

Nürnberg

AUT  |  1010 Wien, Walfischgasse 1 18. Mai — 4. September 2018

O K · 2

Nadja Gusenbauer: Verschwunden 1999. Sperrzone Tschernobyl

GER  |  90403 Nürnberg, Obere Wörthstr. 8 24. März — 23. Juni 2018

Zingst

Porto

GER  |  18374 Zingst, Am Bahnhof 1 27. Mai — 13. August 2018

Bei Drucklegung nicht bekannt

O

Bruce Davidson: Leica Hall of Fame

GER  |  59302 Oelde-Stromberg, Mies-van-der-Rohe-Weg 1 5. Mai — 30. Juni 2018

Norbert Rosing

B

POL  |  00–496 Warschau, Mysia 3 8. Juni — 21. Juli 2018

ITA  |  20121 Mailand, Via Mengoni 4 4. Juni — 26. Juni 2018

Ellen von Unwerth: Wild, Wild West

K

Wilfried Hedenborg

TUR  |  34381 Şişli/İstanbul, Bomontiada – Merkez, A Birahane Sk. No:1 11. Mai — 2. Juni 2018

Bei Drucklegung nicht bekannt

O

Sc h l o s s A r e n b e r g AUT  |  5020 Salzburg, Arenbergstr. 10 10. Juni — November 2018

NIGO: Metropolis

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Alain Laboile

Hellen van Meene

Kyoto

L

AUT  |  5020 Salzburg, Gaisbergstr. 12 24. Mai — 7. Juli 2018 S ão Pau l o

LOBA-Preisträger + Fotografien aus der Sammlung

13. April — 17. Juni 2018

Maggie Steber: The Secret Garden of Lily LaPalma

Frankfurt

SEITEN · 9,90

TCH  |  110 00 Prag 1, Školská 28

Boston

USA  |  Boston, MA 02116, 74 Arlington St. 3. Mai — 8. Juli 2018

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FOTOGRAFEN

Gideon Mendel: Drowning World

0

STATE-OF-THE-ARTFOTOGRAFIE VON

Enrique Badulescu Joachim Baldauf Brix & Maas Bil Brown Arved Colvin-Smith Anna Daki Rui Faria Christian Geisselmann Esther Haase Marie Hochhaus Benjamin Kaufmann James Meakin Monica Menez Hector Perez Elizaveta Porodina René & Radka Christian Rinke Tristan Rösler Takahito Sasaki SPECIAL

GUEST

Ellen von Unwerth

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POR  |  4000-427 Porto, Rua d. Sá da Bandeira, 48/52

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L e i c a Fo t o g r a f i e I n t e r n at i o n a l

F ra n ç o i s F o n ta i n e mein Bild

Fontaines Vision des zeitgenössischen China zeigt dieses vielschichtigen Porträt. Es spielt zugleich darauf an, dass das Leben – nach Calderón – ein Traum ist.

70. Jahrgang | Ausgabe 4.2018

LFI PHOTOGR A PHIE GMBH Springeltwiete 4, 20095 Hamburg Telefon: 0 40/2 26 21 12 80 Telefax: 0 40/2 26 21 12 70 ISSN: 0937-3969 www.lfi-online.de, mail@lfi-online.de Chefredaktion Inas Fayed, Frank P. Lohstöter (V.i.S.d.P.) A rt Direction Brigitte Schaller REDA KTION Michael J. Hußmann, Denise Klink, Bernd Luxa, Edyta Pokrywka, Danilo Rößger, David Rojkowski bildredaktion Carol Körting layout Thorsten Kirchhoff MITA RBEITER DIESER AUSGA BE Katja Hübner, Edward Lucie-Smith, Ulrich Rüter, Holger Sparr, Katrin Ullmann Geschäftsführung Frank P. Lohstöter, Anja C. Ulm A nzeigenleitung & M arketing Kirstin Ahrndt-Buchholz, Samira Holtorf Telefon: 0 40/2 26 21 12 72 Telefax: 0 40/2 26 21 12 70 E-Mail: buchholz@lfi-online.de holtorf@lfi-online.de Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 46 vom 1.1.2018 REPRODUKTION: Alphabeta, Hamburg DRUCK: Optimal Media GmbH, Röbel/Müritz PA PIER: Igepa Profimatt

Wei, Guangzhou 2005

Diese Aufnahme entstand während meiner Künstlerresidenz am Guangdong Museum of Art in Guangzhou im Sommer 2005. Ich hatte Wei, eine junge Frau von zeitloser Schönheit, gebeten, sich vor eines der Museumsfenster zu stellen. Dort wollte ich ihre Spiegelung fotografieren. Die Gebäude und Wolkenkratzer im Hintergrund überlagerten sich auf eigenartige Weise mit der Spiegelung ihres Gesichts. Die Museumsarchitektur mündete in ihrem Dekolleté, die chinesischen Schriftzeichen erschienen auf ihren Augenlidern wie kleine goldene Tattoos. Die Fassadenöffnung auf der Höhe ihres Munds verlieh ihrem Gesicht etwas Marionettenhaftes. Dieses Porträt von Wei vereint das China von einst mit dem von heute. François Fontaine, geboren 1968 in Paris. Reisen und das Kino haben Fontaines Fotografie inspiriert. Seit 2008 wird er von der Agentur VU’ vertreten. Die Aufnahmen aus Asien erschienen 2015 in dem Bildband Rêve d'Orient bei Filigranes Éditions.

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A BO-Bezugsbedingungen LFI erscheint achtmal jähr­lich in deutscher und englischer Sprache. Jahresabonnement (inkl. Ver­sandkosten): Deutschland: 58 € Belgien, Österreich, Luxemburg, Niederlande, Schweiz: 63 € weltweit: 69 € LFI gibt es auch als kostenlose App im Apple iTunes Store und bei Google Play. Ältere Hefte sind als dort als In-App-Käufe erhältlich LFI-A boservice Postfach 13 31, D-53335 Meckenheim Telefon: 0 22 25/70 85-3 70 Telefax: 0 22 25/70 85-3 99 E-Mail: lfi@aboteam.de Für unverlangt eingesandte Fotos und Texte übernimmt die Redak­tion keine Haftung. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber­ rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla­ges unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Leica – eingetragenes Warenzeichen.


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Foto aus der Serie „Parkour Motion“, © Ben Franke


BETWEEN ART & FASHION Paolo Roversi, Meg, Alaïa Dress, 1987 Copyright Paolo Roversi

PHOTOGRAPHS FROM THE COLLECTION OF CARLA SOZZANI

HELMUT NEWTON FOUNDATION MUSEUM FÜR FOTOGRAFIE 2. JUNI - 18. NOVEMBER 2018 JEBENSSTRASSE 2, 10623 BERLIN DI, MI, FR, SA, SO 11-19, DO 11-20 UHR


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