LFI Magazin 1/2019 D

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D 7,50 € A 8,50 € L 8,70 € I 8,80 € CHF 13,20

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Edouard Caupeil Homer Sykes Charlotte Schmitz Emile Ducke

L e i c a F o t o g r a f i e I n t e r n at i o n a l

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Jürgen Schadeberg


STORE Frankfurt

Ihr Spezialist fĂźr Leica, Neuware und Vintage-Produkte, Personal Coaching, fotografische Kunst, Literatur & Auktionen

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Leica Camera frankfurt GmbH GroĂ&#x;er Hirschgraben 15 60311 Frankfurt am Main Tel: 069 920 70 70 Fax: 069 131 04 54 info@leicastore-frankfurt.com www.leicastore-frankfurt.com facebook.com/leicagalleryfrankfurt


Lfi 1. 2019

p o rt f o l i o l i g h t b ox

F / s to p

110 | Lfi . Galerie

9 2 | L e i c a D - Lux 7

Über 23 000 Fotografen präsen­ tieren in der LFI-Galerie mehr als 300 000 Bilder. In dieser LFI: ein rumänischer Tänzer, bretonischer Nachthimmel und eine indische Farbenschlacht

Sie bietet mehr Gestaltungs­ möglichkeiten als eine klassische Kompakte und ist dabei viel kompakter als eine klassische Kleinbildkamera. Über die Freu­ den der Fotografie

Ph oto

9 6 | L e i c a El p r o 5 2 Die vielfältig nutzbare Nahlinse erschließt Leica-Objektiven mit M- und L-Anschluss sowie der Leica X und X Vario die Welt der Makrofotografie 100 | Leica M10-D Mit der M10-D fotografierte Tomas van Houtryve von den Dä­ chern in Paris. Ohne Display zu arbeiten, war für ihn ein Genuss und eine Reminiszenz an die kon­ zentrierte Analogfotografie 106 | Museum Leica Als herausragende Exponate aus den Schatzkammern in Wetzlar spielen in dieser Folge die Leica M2, M1 und MD die Hauptrollen

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Emile Ducke: aus der Serie Kadyrows neue Kleider

126 | bücher

Jürgen Schadeberg 6 | L e i c a H a ll o f Fa m e

Den Schwerpunkt seines umfassenden Werks bildet Südafrika. Und das seit Jahrzehnten. Nun wird Schadeberg mit dem Leica Hall of Fame geehrt

Charlotte Schmitz 30 | Cok Güzelim, Cök Güzel

Der Istanbuler Stadtteil Balat ist eher konservativ geprägt. Einblicke hinter die Kulissen zeigen eine schil­ lernde Frauenwelt voller Träume und Geschichten

Emile Ducke 4 6 | Ka dy r ows n e u e k l e i d e r Die neue Leica D-Lux 7: jetzt mit höher auflösendem Sensor und Touch-Display

Vor 15 Jahren rief Josefine Raab die Nachwuchsförderung gute aussichten ins Leben. Das Kon­ zept brachte frischen Wind in die Branche. Ein Gespräch

Vom Wiederaufbau Ost: Unermüdlich reiste der Fotograf in die tschetschenische Hauptstadt und dokumentierte ihren rasanten Imagewandel

Homer Sykes 6 2 | T h e Way w e W e r e

Neue Publikationen von Yan Morvan, Demetris Koilalous, Ruth Stoltenberg, Maria Sewcz sowie ein opulenter China-Bild­ band von Magnum Photos 1 2 8 | A u s s t e ll u n g e n Jamel Shazazz, Köln; Donata Wenders, Graz; Ann-Christine Jansson, Berlin; Sebastião Salgado, Zürich; Katja Stuke/ Oliver Sieber, Hamburg 129 | Leica Galerien Ein Überblick über das Programm der Leica Galerien welt­ weit u. a. mit Thomas Hoepker in Bangkok und Julio Bitten­ court in São Paulo 1 3 0 | m e i n B i ld Bei einem Fotowettbewerb belegte Fred Mortagne den drit­ ten Platz. Eine Ermutigung 130 | impressum

Mit höchst aufrichtigen Sozialstudien versteht sich der kanadische Fotograf als Archivar des Alltagslebens in seiner britischen Wahlheimat

Edouard Caupeil 78 | A u f d e n S p u r e n v o n J a m e s B a ld w i n

Im Süden der USA suchte Caupeil nach dem Vermächtnis des afroamerikanischen Schriftstellers. Eine atmosphärische Bestandsaufnahme

Cover: Priscilla Mtimkulu macht sich zurecht (1952) von Jürgen Schadeberg

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E i n r u n d e s J u b i l äu m D i e 5 0 0. Au s g a b e d e r L F I

Die Cover der ersten und zweiten Ausgabe der Leica Fotografie

Im August 1949, vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und genau 100 Jahre nach der Gründung der Optischen Werke in Wetzlar, in die Ernst Leitz I 1864 eintrat, erschien im Frankfurter Umschau Verlag die erste deutschsprachige Ausgabe der LFI – damals unter dem Titel Leica Fotografie. Die neue Zeitschrift der Kleinbildfotografie. Der Name knüpfte an die Tradition der von Curt Emmermann zwischen 1931 und 1942 herausgegebenen Magazine Die Leica und Kleinfilm-Foto. Hefte für Kleinfilm-Photographie und -Projektion an. „Es soll also berichtet werden über alles Neue und Wissenswerte aus dem Bereich der Kleinbildfotografie des In- und Auslandes“, hieß es im Geleitwort zur ersten Ausgabe. Heute freuen wir uns, Ihnen die 500. LFI-Ausgabe zu präsentieren. Zudem feiern wir 2019 unseren 70. Geburtstag – wir werden den Anlass nutzen, um Ihnen einige fotografische Leckerbissen zu präsentieren. Seien Sie gespannt! lfi-online.de

Contributor

Der Fotograf ist nicht nur visuell ein begnadeter Erzähler. Anlässlich der Verleihung des Leica Hall of Fame Award gab es wieder viele Gelegenheiten, Geschichten und Erlebnisse aus seinem ereignisreichen Leben zu erfahren – äußerst kurzweilige Gespräche, in denen er, wenn er von seiner Zeit als Jugendlicher im Berlin der 1930er-Jahre berichtet, gern von der englischen in die deutsche Sprache wechselt und eine feine Berliner Sprachfärbung wieder zum Vorschein kommt. 4 |

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h o m e r Sy k e s Homer Sykes ist ein schweigender Beobachter, der durch seine Fotografie spricht: „Ich schaue ich zu, wie meine Mitmenschen miteinander interagieren und erfasse das in einem Rahmen, um eine Geschichte zu erzählen“, berichtet der britische Fotograf. Diese Praxis hat Sykes im Laufe seiner Schaffenszeit perfektioniert. Sein Bildband The Way We Were ist ein Zeitdokument, das die britische Gesellschaft der letzten 50 Jahre in einzigartigen Schwarzweißaufnahmen widerspiegelt.

C h a r lot t e S c h m i tz

Sechs Sprachen spricht Charlotte Schmitz, und, zählt man die bildhafte Sprache der Fotografie dazu, sind es sogar sieben. „Türkisch habe ich erst von den Frauen in Balat gelernt. Meine türkischen Freunde aus Istanbul sagen immer lachend, dass ich mit einem Balat-Akzent spreche. Türkisch zu lernen war sehr wichtig für meine Arbeit. Anfangs habe ich viel beobachtet, mit Hilfe des Internets wurde kommuniziert – die Sprache hat aber erst tiefe Freundschaften entstehen lassen.“

Fotos: © Jürgen Schadeberg; © Emma Drabble; © Johanna-Maria Fritz

jürgen Schadeberg


Tomas van Houtryve mit der Leica M10-D

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Achtung! L e i c A H all o f Fa m e

JĂźrgen Schadeberg

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Foto links: © Ian Berry/Magnum Photos

Seine Bedeutung als leidenschaftlicher Fotograf mit humanistischem Blick ist unschätzbar. Er fotografierte in Deutschland und Europa, aber vor allem steht Südafrika im Mittelpunkt seines über sieben Jahrzehnte umspannenden Lebenswerks. Als einer der ganz großen Bildjournalisten wird Jürgen Schadeberg nun mit dem Leica Hall of Fame Award geehrt.

Ian Berry war 1955 dabei, als Jürgen Schadeberg festgenommen wurde. Neugieriger Polizist an der Berliner Mauer 1961 (rechts). Spektakulär: Hans Prignitz’ Handstand auf der Hamburger Michaeliskirche, 1948 (vorherige Seite)

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Nach seiner Ausweisung aus SĂźdafrika lebte Schadeberg in London, zahlreiche Reportagen Ăźber das Leben und den Alltag in der Metropole entstanden. In der Tasche, London 1978 (oben) und Disco, London 1980 (links)

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Der Bildjournalist als freundlicher Beobachter des skurrilen britischen Alltags: Picknick am Eton College, England 1981



Europäische Moden und Rituale, fotografiert in Südafrika: Durban July Race, 1960. Das Pferderennen war ein Höhepunkt in der weißen Gesellschaft (oben) und Ducktails bei der Rand Easter Show, Johannesburg 1960 (links)

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Haarschnitt Ăźberall, Sophiatown 1958, ab Mitte der 1950er wurden Schwarze aus ihrem Viertel zwangsumgesiedelt


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StraĂ&#x;enszene aus der Zeit der Apartheid (1955): Zwei Schwarze versuchen eine Kontrolle durch die Polizei zu vermeiden (oben); die Aufnahme des Spieler-Quartetts entstand 1955 in Sophiatown (links)

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Nelson Mandela in seiner ehemaligen Zelle auf Robben Island, in der er 18 der 27 Jahre seiner Haft absaĂ&#x;, 1994


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Zwei Szenen aus Sophiatown, kurz vor der Räumung und Zerstörung des Viertels: Fahrradbalance, 1955 (oben) und Männer beim Mühlespiel, im Hintergrund die trotzige Protestparole „Wir werden nicht gehen“, 1955 (links)

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Township Shuffle 1952: Die Szene mit dem tanzenden Paar in einem Club in Sophiatown zeigt einen ausgelassen-fröhlichen Moment unter den restriktiven Bedingungen der Apartheid, die die schwarze Bevölkerungsmehrheit brutal unterdrückt

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Mit kaum mehr als einem Koffer, darin aber auch seine günstig erworbene Leica IIIa, verließ Jürgen Schadeberg im Juni 1950 Deutschland in Richtung Südafrika. Aufgewachsen in Berlin, hatte er seine fotografische Ausbildung in Hamburg vervollkommnet und reiste nun in das ihm unbekannte Land, in dem seine Mutter und sein Stiefvater ihn bereits erwarteten. Mit seiner Leica gelang es ihm, sich in Johannesburg als Bildjournalist zu etablieren. Allerdings nicht etwa als Vertreter der weißen Minderheit, sondern sein Weg sollte ihn in die schwarze Musikszene des Landes führen. Geprägt von den Erfahrungen des europäischen Rassismus, sind seine ersten Erfahrungen in Südafrika ein Schock, trifft er doch auf ein tief gespaltenes Land, in dem die schwarze Bevölkerungsmehrheit brutal unterdrückt wird. Als kritischer Zeitzeuge und engagierter Beobachter fotografierte er die Folgen der Apartheid genauso wie die Musikszene. Durch seine Arbeit als Cheffotograf, Bildredakteur und künstlerischer Leiter des Magazins Drum wurde er zum Chronisten einer Epoche. So trug er maßgeblich zum Entstehen des „Drum-Stils“ bei, einer authentischen Mischung aus Kultur und Politik, die das Selbstbewusstsein vieler Zeitgenossen prägen sollte. 1964 musste Schadeberg Südafrika verlassen und arbeitete in den folgenden Jahrzehnten als Freelancer in Europa und den USA. Auch hier blieb er seiner empathischen Arbeitsweise treu. Erst 1985 kehrte er nach Johannesburg zurück; bis 2007 entstand das zweite südafrikanische Kapitel seines fotografischen Schaffens. Am 15. November wurde Schadeberg für sein unermüdliches, mutiges und gleichermaßen herausragendes Engagement als Fotograf mit dem Leica Hall of Fame Award geehrt. LFI sprach mit ihm über seine Erfahrungen und sein Lebenswerk.

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LFI: Was bedeutet Ihnen die Ehrung mit dem Leica Hall of Fame Award? Jürgen Schadeberg: Leica stellt einfach die besten Kameras der Welt her und ich durfte sie seit über sieben Jahrzehnten benutzen. Es ist eine sehr große und bewegende Ehre für mich, von einem so angesehenen Unternehmen geschätzt zu werden. Wie hat alles begonnen? Mein erstes Bild machte ich im Alter von zehn Jahren mit einer kleinen Automatikkamera, ich brauchte einfach nur den Knopf drücken. Die Negative hatten die Größe einer Briefmarke und die Prints waren winzig. In Berlin hatte ich eine Dunkelkammer in einem Besenschrank unter der Treppe. Mein erstes Bild war von einer Katze, die ich mit Schal und Sonnenbrille ausstaffiert hatte, und mein nächstes Bild war von einem Windhund namens Cosima von der Windburg mit Pyjama und Sonnenbrille. Weitere frühe Bilder entstanden im Luftschutzkeller, später nahm ich einige Nachkriegslandschaften auf. Ein Freund der Familie war der Dokumentarfotograf Erich O. Krueger, der mich inspirierte, mich weiter mit der Fotografie zu beschäftigen. Ich wurde sein Praktikant und lernte, wie man Filme entwickelt, Fotos macht usw. 1947 ging ich nach Hamburg, um als unbezahlter Freiwilliger bei der dpa (Deutsche PresseAgentur) zu arbeiten. Der Leiter der Fotoabteilung war ein bekannter LeicaFotograf namens Walther Benser. Etwas Taschengeld habe ich verdient, indem ich am Wochenende Sportfotografien machte. Das war eine große Herausforderung, besonders im Winter, als mein Verschluss einfror! Die Auswanderung nach Südafrika hatte dann familiäre Gründe? Nicht unbedingt, meine erste Wahl wäre New York gewesen. Ein Freund und ich versuchten, als blinde Passagiere auf ein Schiff zu gelangen, aber wir wurden leider entdeckt. Meine Mutter war bereits 1947 nach Südafrika aufgebrochen und so beschloss ich dann 1950, mich ihr und meinem Stiefvater anzuschließen. →

Soziale Themen und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten stehen auch bei den Reportagen in Europa im Fokus des Fotografen. Er beobachtet den Alltag und sucht Kontakt zu den Menschen. Aus der Tradition einer humanistischen Fotografie sind seine Aufnahmen daher von großer Intensität und Anteilnahme. Hier eine Szene aus den Gorbals, einem Armenviertel im schottischen Glasgow: Sherry Drinkers, 1968. Seite 28: Miriam Makeba, 1955



Fotos: Š Jßrgen Schadeberg


Jürgen Schadeberg Geb. am 18.3.1931 in Berlin, 1946 Besuch der Schule für Optik und Phototechnik, dann in Hamburg für die dpa tätig. 1950 Umzug nach Südafrika, wohin seine Mutter mit seinem Stiefvater, einem ehemaligen Hauptmann der britischen Besatzungsarmee, ausgewandert war. Bis 1959 Mitarbeiter des Magazins Drum, des wichtigsten Forums für die schwarze Mehrheitsbevölkerung Südafrikas. Ab 1964 in London, von 1969–1972 Studium der Malerei in Spanien. Danach Dozent an verschiedenen Hochschulen. 1985 Rückkehr nach Johannesburg. Seit 2007 leben Jürgen und Claudia Schadeberg wieder in Europa. Zahlreiche Ehrungen, u. a. Bundesverdienstkreuz (2007) und Cornell Capa Lifetime Achievement Award (2014) des International Center of Photography, New York.

jurg e n s c ha d e b e rg .co m Bü c he r : (Auswahl) JÜRGEN SCHADEBERG, THE WAY I SEE IT: A MEMOIR (Picador Africa, Johannesburg 2017); Witness: 52 YEARS OF POINTING LENSES AT LIFE (Protea Boek­h uis, Pretoria 2012); ZU BESUCH IN DEUTSCHLAND (mdv Mitteldeutscher Verlag, Halle 2012); JÜRGEN SCHADEBERG (Hatje Cantz, Berlin 2008)

Was waren Ihre ersten Eindrücke? Es war, als wäre ich vom Regen in die Traufe gekommen – ich war entsetzt, als ich einen ähnlich monströsen Rassismus erlebte wie zuvor in Deutschland. In den 1950ern wurde ich von der schwarzen Welt sehr begrüßt, aber nicht von der weißen und der weißen Polizei, da man mich als gefährlichen Verräter des Status quo und des starren Systems der Rassentrennung ansah. In den Augen des weißen Regimes überschritt ich gefährliche Grenzen. Wie gelang es Ihnen, in die Musikszene Südafrikas einzusteigen? Die Welt der schwarzen Musik war stark mit der schwarzen Widerstandsbewegung verbunden, die ich bereits entdeckt hatte, sodass es einen natürlichen Übergang gab. Nur wenige Weiße interessierten sich für schwarze Musik, daher waren alle sehr zuvorkommend und einladend, als ich Jazzkonzerte, Musiker, Bluessänger und in typischen Township-Kneipen, den Shebeens, fotografierte. Alle waren erfreut, dass jemand ihre pulsierende Musikwelt dokumentierte und feierte. Sehr wichtig wurde Ihre Arbeit für das Magazin Drum. Wie erklären Sie dessen besonderen Spirit? Drum war eine Insel, auf der es keine Apartheid gab. Dort arbeiteten Journalisten und Fotografen aller ethnischen und kulturellen Hintergründe harmonisch zusammen, erst wenn man das Gebäude verließ, betrat man die reale Welt der Apartheid. Warum Ihre Rückkehr nach Europa? In Südafrika war meine dokumentarische Arbeit unmöglich geworden. Ich fühlte mich in Europa zu Hause und war erleichtert, nach dem repressiven Südafrika in einer freien Gesellschaft zu leben. In London stürzte ich mich in soziale, kulturelle und politische Themen wie Armut und Obdachlosigkeit, die Kehrseite der Swinging Sixties. Weitere Geschichten waren der Bau der Berliner Mauer, die neonazistische Bewegung in Deutschland, das Leben in Ostdeutschland und die Proteste der Provo-Bewegung in Holland.

Erst 1985 kehrten Sie nach Südafrika zurück, wie sahen Ihre ersten Erlebnisse am Ende der Apartheid aus? Bei meiner Rückkehr sah ich schwarze und weiße Polizisten zusammen auf Streifengang, die sich gegenseitig Zigaretten anzündeten. Was für mich ein Meilenstein war, seit meinem Fortgang! Das gab mir Hoffnung für die Zukunft Südafrikas und zeigte mir, dass Veränderungen möglich sind. Wie sehen Sie den Fotojournalismus heute und was wünschen Sie sich? Die dokumentarische Fotografie, die in diesen kommerziellen Zeiten als unmanipulierte Reflexion der Gesellschaft so wichtig ist, muss anerkannt, unterstützt und gefördert werden. Ich wünsche mir unabhängigere dokumentarische Fotografieprojekte, die von den Medien unterstützt werden, um der Fülle geistloser kommerzieller Arbeit entgegenzuwirken. Die neue Generation von Kuratoren braucht ein besseres Verständnis und Wissen über die Geschichte und den historischen Wert der Fotografie. Sie tragen eine große Verantwortung für die Förderung der künstlerischen Fotografie wegen ihres zeitlosen und nicht nur ihres kommerziellen Wertes. Und was raten Sie jungen Fotografen? Sie sollten die Geschichte der Fotografie und des Films sowie ihre Entwicklung verstehen, bevor sie in die digitale Welt eintreten. Sie sollten auch verstehen, dass Bilder wichtig sind, denn sie beeinflussen den moralischen Diskurs und können Akteure positiver Veränderungen sein. Junge Fotografen haben heute die Verantwortung, zu dokumentieren, zu reflektieren, die Welt um sie herum festzuhalten und Ungerechtigkeiten aufzudecken. Herr Schadeberg, danke für das Gespräch und Gratulation zur Ehrung mit dem Leica Hall of Fame Award! Interview: ulrich rüter

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Charlotte Schmitz Çok güzelim, çok güzel

Mehr als zwei Jahre lebte Charlotte Schmitz im Stadtteil Balat in Istanbul. Beim Durchstreifen der kleinen Gassen interessierte sie sich vor allem für das Leben hinter den Gardinen – und entdeckte dort eine fast märchenhafte Traumwelt.

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„Ich arbeite nur mit einem Aufsteckblitz und überbelichte die Bilder damit bewusst. Die Farben in Balat sind bunt, der Blitz unterstreicht sie lediglich. Ich mag das Format 4:5 lieber als 3:2, wahrscheinlich weil ich viel analog (Mittelformat, 4:5) fotografiert habe.“

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„Das vermeintlich Konservative ist nicht stets so konservativ wie wir oft erwarten. Ich habe mich natürlich auch bei den Frauen versichert, welche Fotografien ich zeigen kann. Die Frauen kennen meine Fotos, gucken sie sich an oder ich schicke sie ihnen.“

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„Ich arbeite immer mit den Räumlichkeiten, die ich vorfinde. Meine Fotografien sind zwar zum Teil komponiert, aber entstehen immer aus einem Moment heraus – ich suche mir nicht mit Absicht Hintergründe, sie sind da in diesem einen Moment.“

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„Viele der Frauen träumen von einem unabhängigeren Leben, weniger patriarchalischen Strukturen, weniger Konformität. Die neue Generation ist jedoch schon anders. Der Zusammenhalt und die Freundschaft unter den Frauen sind groß, sie besuchen sich viel untereinander“

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C h a r l o t t e S c h m i tz Insgesamt sechs Sprachen spricht Charlotte Schmitz, und – zählt man die bildhafte Sprache der Fotografie – dazu, sind es sogar sieben. Diese Kenntnis zeugt von einer großen Neugier auf die Welt. An der Hochschule in Hannover studierte die 30-jährige Fotojournalismus und Dokumentarfotografie. Ihre Arbeiten, die sich oft um die Themen Frauen und Migration drehen, werden international ausgestellt, Schmitz lebt in Berlin.

www.c ha r lot te sc h m itz .co m LF I -O nl i n e .D E / B log : Drei Fragen an Charlotte Schmitz

Equipment: Leica M9 und Leica M240, Summilux 1:1.4/35 mm Asph

„Çok güzelim, çok güzel“, das war der erste Satz, den Charlotte Schmitz auf Türkisch lernte. Çok güzelim, çok güzel, so heißt auch ihre Fotoserie und „Ich bin so schön, so schön“, so heißt es auch in einem Songtext, der im Istanbuler Stadtteil Balat gern gehört wird. In Balat, jenem historischen Viertel am Goldenen Horn, lebte die Fotografin mehr als zwei Jahre. 2014 hatte sie dort ein Haus gemietet und blieb. Sie wollte das Land ihrer türkischen Nachbarn und Freunde kennenlernen. Wollte erfahren, wie die Welt, der Alltag, das Leben dort aussehen. In Istanbul angekommen, entdeckte sie das Viertel. „Schnell wurde mir klar, hier möchte ich leben, hier möchte ich Türkisch lernen“, berichtet sie. Und fraglos haben ihr ihre Sprachkenntnisse viele Türen geöffnet. Türen zu einer Welt unter Frauen, einer intimen und privaten Welt, einer, die Außenstehenden verborgen bleibt – und doch einer Welt voller Glitzer und Glamour. Voller Geschichten und Träume. Einst das jüdische Viertel Istanbuls, leben heute in Balat vor allem traditionelle türkische, kurdische und Roma-Familien. Ein Irrgarten. Enge Straßen schlängeln sich steil bergan, alte, schmale Häuser stehen dicht an dicht, quer über die Gassen gespannte Wäscheleinen scheinen sie vor dem Einstürzen zu bewahren. Kleine Geschäfte, Cafés und Bars verstecken sich hier, genauso wie streunende Katzen. Es ist ein vergessenes Viertel, abseits der Touristenmassen, und damit ein authentisches und hoffnungslos ehrliches. „Mich interessierte vor allem, was sich hinter den Gardinen verbarg. Mich faszinierten die Innenwelten, ich fing an, ihre Bewohner, den Geist und Zusammenhalt der Nachbarschaft zu fotografieren“, beschreibt Schmitz ihren Ansatz. Erst nach und nach entstand daraus eine Arbeit, die ausschließlich von Frauen erzählt. Die meisten ordnen sich den patriarchalischen Strukturen unter, nahezu alle leben systemkonform. „In Balat wählt die Mehrheit AKP und ist Erdogan treu, und doch gehen nicht alle mit seiner Politik so konform, wie man oft annimmt“, glaubt Schmitz. Das Private und

das Öffentliche ist hier deutlich getrennt. Die Welten der Männer und Frauen begegnen sich nur selten, oft auch innerhalb einer Familie nicht. Die Einblicke, die Schmitz mit ihren Aufnahmen ermöglicht, sind nahezu einzigartig. Mit ihren Leica-Kameras M9 und M240 und einem 35-mmObjektiv fotografiert sie die Frauen. Ohne Kopftuch. Bei der Hand- oder Küchenarbeit, in ihren Wohnzimmern, auf Sofas und Betten. Mal posieren sie, mal räkeln sie sich, mal spielen sie, mal rauchen sie, mal sind sie aufreizend zurechtgemacht. Und immer sind sie unter sich. Schmitz arbeitete mit einem Aufsteckblitz. Mit einer absichtlichen Überbelichtung unterstreicht sie die bunten Farben von Kleidern und Umgebung und erzählt schillernd von einem unsichtbaren Privatleben: „Für mich unterstreicht das Blasse, Schrille die märchenhafte Traumwelt, die ich vorfand – voller Manierismen der Lust, des Schönen und der Selbstvorführung.“ Schmitz schätzt die US-amerikanische Fotografin Nan Goldin: „Ich mag ihre Fotografien sehr, ihre Intimität.“ Eine intime Bildsprache hat Schmitz ebenfalls. Leicht und zugewandt sind ihre Aufnahmen außerdem. Sie erzählen nicht nur von Träumen, Freundschaft und Zusammenhalt, sondern auch – durch ihre Privatheit – etwas Politisches. Mit dem Slogan „Das Private ist politisch“ eröffnete die Frauenbewegung im westlichen Europa und in den USA in den 1970er-Jahren ein neues Aktionsfeld, der Paternalismus wurde abgelehnt, politische Aktionen sollten von den Betroffenen selbst ausgehen. Für Türkinnen ist das noch ein weiter Weg. Aber, „um tiefer zu ergründen, wie autokratische Parteien an die Macht kommen, und wie schwer der Weg zurück ist, und zwar für alle, müsse man auch die Strukturen des Privaten verstehen“, bemerkt Schmitz, „und das Private in der türkischen Gesellschaft ist natürlich so privat wie überall.“ katrin ullmann

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Emile Ducke

KADYR OWS NEUE KLEIDER

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Wiederaufbau Ost: Die tschetschenische Hauptstadt Grosny befindet sich im Umbruch. Mit finanzieller Unterstützung aus Moskau entstehen Prachtbauten und Prestigeprojekte, die der in zwei Kriegen zerstörten Stadt und ihren Bewohnern ein neues, patriotisches Selbstverständnis geben sollen. Doch was verbirgt sich hinter der Fassade?

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Ein Schüler der Koranschule von Grosny betet in einer Moschee. Duckes Fotografie ist ruhig und unaufgeregt; sie gibt dem Einzelnen Platz in einer Gesellschaft, in der sich das Individuum oftmals den Herrschenden und ihren Prinzipien unterordnen muss

Vorherige Seite, im Uhrzeigersinn von links oben: Das Zentrum von Grosny bei Nacht – Leuchtreklamen vermitteln Botschaften wie „Achmat ist stark“ oder „Danke Ramsan für Grosny“; Hochzeitsgäste warten im Foyer eines Hochzeitspalasts auf die Ankunft der Braut; Militär- und Polizeieinheiten gedenken des Endes des zweiten Tschetschenienkrieges

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Eine Schulklasse besucht am Tag der Trauer des tschetschenischen Volkes das AchmatKadyrow-Museum, das des früheren tschetschenischen Präsidenten gedenkt. Im Hintergrund hängt das Porträt seines Sohnes und gegenwärtigen Staatsoberhauptes Ramsan Kadyrow

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Oben: Sicherheitsbeamter am Rande eines Kickbox-Wettkampfs. Unten: Soldaten demonstrieren milit채rische St채rke im Zentrum von Grosny. Rechte Seite oben: Teilnehmer einer Milit채rparade tragen Portr채ts von Veteranen. Rechte Seite unten links: Publikum bei den Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag von Grosny. Rechte Seite unten rechts: Aufzeichnung einer Sendung des islamischen Fernsehsenders Der Weg

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Adam, der elfjährige Sohn von Ramsan Kadyrow, gewinnt eine Kickbox-Meisterschaft. Das Banner im Hintergrund erinnert an Achmat Kadyrow, der 2004 bei einem Attentat umgekommen ist. Porträts von ihm, Ramsan Kadyrow und Wladimir Putin sind in Tschetschenien allgegenwärtig

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Frauen auf einer Hochzeit warten darauf, von den M채nnern auf der anderen Seite des Saales zum Lesginka-Tanz aufgefordert zu werden. Bei diesem traditionellen kaukasischen Tanz d체rfen sich Frau und Mann unter keinen Umst채nden ber체hren

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Die Tschetschenen bringen den Stolz auf ihr Wachstum durch groĂ&#x; angelegte Bauprojekte zum Ausdruck

E m il E D u c ke 1994 in MĂźnchen geboren, begann Emile Ducke 2013 sein Studium der Dokumentarfotografie in Hannover und verbrachte 2016 ein Auslandssemester in Tomsk. Seine fotografische Arbeit setzt sich vor allem mit postsozialistischen Gesellschaften in Osteuropa auseinander. Seit 2017 arbeitet er von Moskau aus an Reportagen, die ihn durch die Taiga, nach Transnistrien und in abgelegene Winkel von Sibirien fĂźhrten.

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Nachdem die tschetschenische Hauptstadt Grosny nach dem Ende des zweiten Tschetschenienkrieges Anfang des Jahrtausends weitgehend zerstört war, gibt sich ihr neues Erscheinungsbild im Jahr 2018 unter der autoritären Führung von Ramsan Kadyrow fortschrittlich und modern. Emile Ducke gewann einen intensiven Einblick in eine Region, die ihren Wiederaufbau lieber heute als morgen abgeschlossen hätte, um die Wunden der Vergangenheit möglichst schnell vergessen zu lassen. LFI: Tschetschenien ist ein Gebiet, das fotografisch bisher noch nicht übermäßig oft erkundet wurde. Woher kommt Ihr Interesse für diese Region? Emile Ducke: Meine ersten Assoziationen zu Tschetschenien sind durch die Bilder des zweiten Tschetschenienkrieges geprägt, die damals um die Welt gingen; später durch die Bücher der russischen Journalistin Anna Politkowskaja, die bis zu ihrer Ermordung 2006 über Tschetschenien berichtet hat. Obwohl der Krieg schon länger zurückliegt, kommen von dort auch heute noch verstörende Nachrichten über Entführungen, Folterungen und Verhaftungen durch tschetschenische Sicherheitskräfte. Mich hat interessiert, wie der Alltag in solch einer autoritären Gesellschaft aussieht. Wie lange haben Sie sich in Tschetschenien aufgehalten und wie haben Sie diese Zeit erlebt? Ich bin innerhalb eines Jahres fünfmal, jeweils für ein bis zwei Wochen, aus Moskau nach Tschetschenien gereist. Das wiederaufgebaute Grosny mit dem Putin-Boulevard als VorzeigePrachtstraße und den vielen PrestigeBauprojekten habe ich als extrem surreal aufgefasst. Es existiert ein großer Personenkult, der sich um Wladimir Putin und die von ihm installierten Machthaber, den ersten Präsidenten Achmat Kadyrow und seinen Sohn

Ramsan, das aktuelle Oberhaupt der Tschetschenischen Republik, dreht. Ramsan Kadyrow, ein ehemaliger Rebell, dessen Familie im zweiten Tschetschenienkrieg auf die Seite Moskaus wechselte, beweist dem Kreml gegenüber große Loyalität mit dem Zelebrieren von Feiertagen wie dem Tag des Sieges, dem Tag Russlands oder Putins Geburtstag. Diese Feierlichkeiten unterliegen hohen Sicherheitsvorkehrungen: Schwerbewaffnete Einheiten patrouillieren entlang der Veranstaltungsorte, Panzerwagen riegeln die Straßen ab. Das dient nicht nur dem Schutz vor Attentätern, sondern kann auch als Machtdemonstration gegenüber dem Volk verstanden werden. Wie haben Sie die Auswirkungen der Kriege im Stadtbild Grosnys und der Gesellschaft wahrgenommen? Das Regime hat hart daran gearbeitet, die Spuren des Krieges aus dem Stadtbild zu entfernen. Nicht nur die Ruinen sind verschwunden, man findet nicht einmal mehr Einschusslöcher oder dergleichen. Auch im offiziellen Narrativ fehlt der Krieg: In den Museen in Grosny kommen die beiden Unabhängigkeitskriege lediglich als Randnotiz vor. Erst in Gesprächen mit Einwohnern wird klar, dass jeder seine eigenen Erinnerungen an dieses düstere Kapitel in sich trägt. In nahezu jeder Familie ist jemand im Krieg umgekommen. Das alte Grosny lebt in den Köpfen vieler Einwohner weiter. Wie macht sich Kadyrows Politik konkret bemerkbar? Auch wenn Kadyrow stets seine Loyalität gegenüber Putin betont, ist unter ihm ein Staat im Staate entstanden. Föderale Behörden sind in Tschetschenien nahezu machtlos, Kadyrow herrscht nach seinem eigenen Willen. So hat unter ihm eine starke Islamisierung stattgefunden, in der die Autoritäten nicht nur in politischen, sondern auch in religiösen Fragen weit in das Private eingreifen. Für Frauen gilt in staatlichen Institutionen eine strikte Kleiderordnung, der sich die meisten auch sonst unterwerfen, um Konflikte zu vermeiden.

Wie schätzen Sie die Zukunft Tschetscheniens ein? Für einen großen Teil der Bevölkerung bedeuten die aktuellen Verhältnisse in erster Linie Stagnation, denn Tschetschenien ist trotz der glänzenden Fassaden eine der ärmsten Regionen Russlands. Dennoch haben viele Bürger Angst vor einem abrupten Ende von Kadyrows Herrschaft, bedeutet sie doch nach Jahrzehnten des Krieges relativen Frieden und Stabilität. Hatten sie im Voraus bestimmte fotografische Zielsetzungen? Ich habe versucht, meine Wahrnehmung der gesellschaftlichen Realität Tschetscheniens mit all ihren Widersprüchen in Bilder zu übersetzen. So entstanden weitläufige Architekturaufnahmen der Prestigebauten und Prachtpaläste, in denen sich das Individuum unterordnen muss, aber auch Szenen, in denen der Einzelne Platz hat, hervorzutreten. Welche Herausforderungen mussten Sie als Fotograf meistern? Zu vielen Orten war der Zugang schwierig, es dauerte oft lange, bis man Fotogenehmigungen erhielt. Zudem ist kaum jemand bereit, offen über kritische Themen zu sprechen – zu groß ist die Angst vor möglichen späteren Konsequenzen. Wie kam es zu Ihrer Präferenz für das eher unübliche 4 × 5-Format? Durch das häufige Arbeiten mit einer Großformatkamera. Ich finde, das 4 × 5-Format verleiht den Bildern eine gewisse Ruhe, die es für eine nüchterne Dokumentarfotografie braucht. Interview: Danilo Rössger

emileduc ke .de LF I-Online.DE /B lo g: Slideshow mit weiteren Bildern aus Grosny Equipment: Leica M10 mit Summilux-M 1:1.4/35 mm Asph und Summicron-M 1:2/50 mm

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Homer Sykes T h e Way W e W e r e

Seit 50 Jahren dokumentiert Homer Sykes die soziologischen Schichten, Klassen und Kulturen in Großbritannien. Die Aufnahmen in seinem neuen Bildband geben einen umfassenden Einblick in das pulsierende Herz einer Gesellschaft, die in ständiger Bewegung ist.

Homer Sykes’ Bilder entdecken das Spannende im Alltäglichen und machen ihn zum Chronisten eines halben Jahrhunderts britischer Geschichte

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Homer Sykes hat unzählige Menschen abgelichtet. Soziales Umfeld, Habitus, und vor allen Dingen die Kleidung verrieten dabei viel über ihren gesellschaftlichen Status. Die Möglichkeit, seine Herkunft, Einstellungen und Schicht- oder Klassenzugehörigkeit dadurch auszudrücken, begeistert den Fotografen noch heute.

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Oben: Besucher des jährlichen Cricketspiels Eton gegen Harrow, das bereits seit 1805 stattfindet (St Johns Wood, London 1975). Unten: Kinder spielen auf der Straße (Wandsworth, London 1970) Links Seite: Ein älteres Ehepaar genießt einen sonnigen Samstagnachmittag im Liegestuhl (Southend-on-Sea, Essex 1974) lFI

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Bevor das Pferderennen beginnt, genieĂ&#x;t eine Besucherin ihren Cupcake bei Gin und Tonic auf dem RĂźcksitz ihres Jaguars (Epsom Downs, Surrey 1970) Mit seiner Fotografie erschafft Homer Sykes einen Querschnitt durch alle Gesellschaftsschichten

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Von links oben im Uhrzeigersinn: Samstagnacht im Byker & St. Peters Working Men’s Club. Eine Nonne serviert an der Klosterpforte Bedürftigen Tee. Im Ausschank: Newcastle Brown Ale – ein Bier das mit der Arbeiterklasse assoziiert wird. Arbeitslose Frauen halten sich mit Second-Hand Verkäufen über Wasser lFI

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Frauen suchen Schutz vor dem Regen während des jährlichen Sommerfests der Baptisten an der St. JohnKirche (Cirenchester, Gloucestershire 1974). Sykes ist stets auf der Suche nach Motiven, die britische Identitäten der jeweiligen Dekade vermitteln

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Oben: Katholische Jugendliche mit Glasflaschen fĂźr Molotowcocktails (Belfast, Nordirland 1981) Rechts: Tartan-Hosen, Leder-Trenchcoats und Bomberjacken waren Erkennungszeichen einer Subkultur in den 1970ern


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Im London der 1980er-Jahre pulsiert das Leben (von links oben im Uhrzeigersinn): Backstage beim Schönheitswettbewerb Alternative Miss World. Kellerdisco an der King’s Road. George O’Dowd, später bekannt als Boy George mit einem Freund im Blitz Club. Gäste beim jährlichen Berkeley Square Ball lFI

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H o m e r Sy k e s 1949 in Kanada geboren und fünf Jahre später nach England gezogen, liebte Homer Sykes bereits als Jugendlicher die Fotografie und entwickelte seine Aufnahmen in der eigenen Dunkelkammer. Während des Studiums am London College of Printing and Graphic Arts entwickelte er ein reges Interesse an der Dokumentation seiner Mitmenschen. Zu seinen größten Einflüssen zählen David Hurn, Henri Cartier-Bresson und Bert Hardy.

Th e way w e w e r e : 1 968 –1 98 3

Nachdem Sykes im Jahr 1977 seinen ersten Bildband veröffentliche, folgten über 15 weitere. Sein aktuelles Werk The Way We Were erscheint Anfang Dezember. LF I -O nlin e .D E / B log : Homer Sykes — One Photo, One Story

Nur wenige humanistische Fotografen können auf ein so ausführliches und detailverliebtes Lebenswerk zurückblicken wie Homer Sykes. Seit 50 Jahren dokumentiert der 1949 geborene Fotograf aufmerksam das Alltagsleben seiner Zeitgenossen in seinem Heimatland Großbritannien. Seine Motive sind als ehrliche, aufrichtige Sozialstudien zu verstehen: Denn wie die Menschen agieren, sich verhalten und kleiden, sagt viel über die jeweiligen gesellschaftlichen Umstände aus. Als Street Photographer sieht er sich jedoch nicht – ihm geht es eher um den soziologischen Aspekt der Zusammenkunft, als um zufällig entstandene Kompositionen. Von Sportereignissen, über wilde Partys in Untergrundclubs bis hin zu Demonstrationen reicht sein Interessengebiet. Doch das war nicht schon immer sein Traum: Nachdem er bereits als Jugendlicher die ersten Aufnahmen in der eigenen Dunkelkammer entwickelte, wollte Sykes zunächst Modeund Werbefotograf werden – schließlich geben diese Jobs die Möglichkeit, spannende Frauen kennenzulernen oder zumindest viel Geld zu verdienen. Es war der britische Magnum-Fotograf David Hurn, der während Sykes’ Studienzeit regelmäßig das London College of Printing and Graphic Arts besuchte und sein Denken in eine andere Richtung lenkte: Fasziniert von Hurns Arbeit und Techniken besorgte sich Sykes eine Leica M3, um an seinem ersten Projekt über verschiedene Aspekte der britischen Gesellschaft zu arbeiten. Besonders die Mode war in diesem Zusammenhang das größte Distinktionsmerkmal und zugleich Ausdruck der jeweiligen Lebensweise: Von den Punks in ihren karierten Tartan-Hosen bis hin zu den Vertretern der Upper Class mit ihren Zylindern hatte jedes Mitglied der britischen Gesellschaft seine eigenen Mittel, um sich auszudrücken und darzustellen. So direkt wie in den vergangenen Jahrzehnten sind diese Merkmale heute jedoch nicht mehr wahrzunehmen, erzählt der Fotograf, wenn er über die Veränderungen in der britischen Gesellschaft in

letzter Zeit nachdenkt. Doch auch die fotografischen Techniken haben sich für Sykes nachhaltig geändert. Obwohl im digitalen Zeitalter jeder denke, ein guter Fotograf zu sein, ohne dabei wirklich viel zu sagen, fotografiere er seit 2005 selbst gerne digital. Da er mehr und bessere Kontrolle über das Motiv habe, empfinde er die digitale Fotografie und Weiterverarbeitung der Bilder komfortabler als die Arbeit in der fahlen, feuchten Dunkelkammer vor 40 Jahren. Wie er an seine Motive herangeht, hat sich indes nicht verändert: Sykes sieht sich noch immer als stillen Beobachter, der lediglich seiner Fotografie eine Stimme verleihen möchte. Das gelingt ihm durch die Auswahl kraftvoller, authentischer Szenerien und kommt am stärksten zum Ausdruck, wenn man einen Einblick in das Privatleben der fotografierten Personen bekommt. Sein beobachtendes, interessiertes Vorgehen hat sich für Sykes schon oft ausgezahlt: „Ich freunde mich schnell mit fremden Menschen an, in der Hoffnung, zu ihnen nach Hause, an den Arbeitsplatz oder in Clubs eingeladen zu werden, um noch interessantere Aufnahmen zu machen, die weitere Aspekte ihres Lebens offenbaren.“ Mit großer Intensität erzählen Sykes’ Bilder Geschichten, die den Zeitgeist der jeweiligen Epoche deutlich widerspiegeln und mehr über die gesellschaftlichen Umstände verraten, als es Nachrichtenbilder je könnten. Auch wenn er in seinem Beruf als Dokumentarfotograf zahlreiche Länder besucht hat, findet er seine Lieblingsmotive noch immer zu Hause. „Großbritannien ist meine Heimat, es ist ein Land, das ich liebe und respektiere, wo meine interessantesten Arbeiten entstehen“, schwärmt er. Sein neuer Bildband The Way We Were unterstreicht das eindrucksvoll. Spätestens mit diesem Werk erweist sich Sykes endgültig als der Seismograf für die Verfasstheit der britischen Bevölkerung. Danilo Rössger

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Edouard Caupeil au f d e n S p u r e n vo n J a m es B a l d w i n

James Baldwin schrieb sich seine Befindlichkeiten von der Seele und wurde zu einer Ikone im Kampf gegen die Diskriminierung von Afroamerikanern und Homosexuellen. Edouard Caupeil suchte im Sßden der USA nach dem Vermächtnis des Schriftstellers.

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Bildungselite unter sich: Diese Gruppe von Balletteleven probt im Ăśffentlichen Raum – in Montgomery wirken sie wie Aliens (oben); Held und Heiliger: das Konterfei von Martin Luther King auf einem Wandteppich in einer Bar in der Nähe seines Wohnhauses (links)

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Hotspot der Musik: Im Royal Peacock Club in Atlanta spielten in den 1950ern und 60ern alle Soulgrößen. Heute ist der Hauptgroove Reggae (oben); Groove der Straße: Dieser junge Mann erinnerte Caupeil an den legendären Soulmusiker Isaac Hayes, der mit Shaft Furore machte (links)

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Ehrwürdiger Ort: die Florida Agricultural and Mechanical University in Tallahassee, Florida, hat die meisten afroamerikanischen Studenten (oben); James Kimble, Friseur aus Birmingham, Alabama: „Es herrscht weniger Gewalt als früher, aber die Angst ist immer noch da.“ (links)

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Zeitlos schick: Kirchgänger im Sonntagsdress, deren Garderobe auf Caupeil wie den 1960ern entsprungen wirkte (oben); Weiß als Maske: Jugendliche schminken sich für einen Auftritt in der Baptistenkirche in Montgomery. Warum wissen nur sie selbst (links)

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Männerfreundschaft: Diese beiden Freunde amüsieren sich im Royal Peacock Club (oben); Civil Rights Memorial Center, Montgomery: Dieses Museum wird ausschließlich von Afroamerikanern oder Touristen besucht (links)

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Im Süden der USA ist die Luft schwül und die Atmosphäre getränkt von der dunklen Vergangenheit, die von vielen US-Amerikanern immer noch gerne unter den Teppich gekehrt wird: Rassentrennung – bis vor gut 50 Jahren noch vor dem Gesetz bittere Realität. Der von Präsident Lyndon B. Johnson initiierte Civil Rights Act von 1964 machte dem ein Ende – auf dem Papier. Die Köpfe der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung bahnten den Weg dafür, darunter Malcolm X, Rosa Parks, Martin Luther King und auch der im New Yorker Stadtteil Harlem geborene James Baldwin (1924–1987): vielfach ausgezeichneter Schriftsteller, bekennend homosexuell und Ikone der Gleichberechtigung. Als erster Afroamerikaner war er am 17. Mai 1963 auf dem Cover der Time abgebildet. Der Autor, der auf beklemmende Weise die Wundmale auf dem Weg seiner Menschwerdung als Afroamerikaner protokolliert und offengelegt hat, bot mit Erscheinen seiner Werke (allem voran in seinem Debüt Go Tell it on the Mountain (1966), gerade auf Deutsch in einer Neuübersetzung unter dem Titel Von dieser Welt herausgekommen) den Lesern wahlweise eine moralische Stütze an oder hielt ihnen den Spiegel vor – je nach Standpunkt. James Baldwins Werk ist auch mehr als 30 Jahre nach seinem Tod präsent: Raoul Peck rückte ihn in seinem Dokumentarfilm I Am Not Your Negro in den Fokus. Baldwin ist auf den Plakaten der Menschenrechtsbewegungen zu sehen, vor allem bei Black Lives Matter, 2013 in den USA gegründet. Hip-Hop-Stars wie Jay Z und Beyoncé zitieren den Schriftsteller in ihren Musikvideos. Auch in Edouard Caupeils Bewusstsein geistert Baldwin schon lange herum. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2008 war der Fotograf für Le Monde im Süden der USA unterwegs, um zu visualisieren, wie die Stimmung unter Afroamerikanern

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kurz vor der Wahl eines Staatsoberhaupts ihrer Hautfarbe war. Barack Obama war dann von 2009 bis 2017 der 44. Präsident der USA. Caupeils Reise führte ihn unter anderem durch Mound Bayou, eine Kleinstadt im US-Bundesstaat Mississippi, die eine gewisse Berühmtheit dadurch erlangte, eine 1887 von ehemaligen Sklaven gegründete durch und durch afroamerikanische Siedlung zu sein – mit Afroamerikanern in der Administration. Caupeil hatte sich zuvor intensiv mit den Werken Baldwins beschäftigt und festgestellt: „Seine Schriften deckten sich ziemlich genau mit dem, was ich im tiefen Süden der USA erlebte. Wenn man Baldwin liest und er dich genau das fühlen lässt, was damals Alltag war, um dann festzustellen, dass sich in der Haltung Schwarzen gegenüber bis zum heutigen Tag absolut nichts verändert hat, ist das schockierend.“ Caupeil wollte mit seiner Leica SL sichtbar machen, was in Baldwins Büchern zwischen den Zeilen zu lesen ist, und schauen, wie und ob sich 50 Jahre nach Abschaffung der Segregation das Leben, die Atmosphäre und die Stimmung im Süden der USA wirklich nicht verändert hat. Im März 2017 reiste Caupeil an Schauplätze aus Baldwins Werken und an Orte, die Aktivisten wie er oder Martin Luther King geprägt haben: Atlanta in Georgia, Montgomery und Selma in Alabama. Für seine urbanen Landschaften und Porträts arbeitet er auf 6 × 6, aus alter Gewohnheit zum früheren Arbeiten mit der Rolleiflex und Liebe zum Format. „Mit der SL kann ich die Bilder direkt im Sucher beschneiden.“ In Farbe und nur mit natürlichem Licht und Rahmen im Idealzuschnitt erzählt er in teils sehr ungewöhnlichen Perspektiven vom Leben, das für Afroamerikaner Alltag ist, aber allen anderen wie eine unbekannte Parallelwelt erscheint. Seine nüchterne Bilanz: „Es hat sich seit Baldwin nichts verändert. Mit Barack Obama gab es politisch gesehen eine Ausnahme. Seit Trump sind die meisten wieder in den alten Trott gefallen. Ein Weißer an der Macht, das ist für sie normal.“ Carla Susanne Erdmann

E d o ua r d C au p e i l 1971 in Paris geboren. Mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn reiste er von 1995 bis 1997 durch Afrika, Madagaskar und Indien, um historische Schulgebäude zu katalogisieren. In Mali nahm ihn ein Bekannter zu Malick Sidibé (1936–2016) mit. Der Fotograf brachte Caupeil das Medium noch näher – nicht zuletzt deshalb, weil seine Frau Sidibé eine Rolleiflex abkaufte, um sie ihm zu schenken.

edouardcau peil.com LFI-On lin e.DE /B log: Slideshow mit weiteren Bildern aus der Serie

Equipment: Leica SL mit Apo-Summicron-SL 1:2/35 Asph und Summilux-SL 1:1.4/50 Asph


f/ s top – L e i c a D - L u x 7 – L e i c a El p r o 5 2 – L e i c a M 1 0 - D –

D i e n e u e L e i c a D - Lux 7: To u c h - D i s p l ay, b e s s e r e B i ld q ua l i tät Da n k h ö h e r au f lö s e n d e M 2 2 M e g a p i x e l-S e n s o r

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Perfekte Balance Le i c a d - l u x 7

Früher galten Kameras wie die D-Lux 7 als „Edel-Kompakte“, was eine gewisse Nutzlosigkeit suggeriert. In Wirklichkeit verbindet sie eine sehr hohe Bildqualität und Gestaltungsoptionen mit der Möglichkeit, sie immer dabei zu haben.

Immerhin vier Jahre hielt sich die Leica D-Lux im Programm, was für eine digitale Kompaktkamera eine außergewöhnlich lange Zeitspanne ist. Nun endlich gibt es in Form der D-Lux 7 eine neue Version, die nicht revolutionär anders, sondern einfach nur eine konsequente Weiterentwicklung ist. Es dürfte sogar schwierig sein, von außen überhaupt einen Unterschied zu erkennen, wenn man einmal von der farblichen Gestaltung absieht. Die wesentliche Neuerung – neben einigen anderen Dingen – ist ein verbesserter Sensor. DER SENsor. Die D-Lux

war immer schon so etwas wie ein Gegenentwurf zu anderen Kompaktkameras – und heutzutage versucht sie entsprechend, ein Konterpart für Smartphones zu

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sein. Letztere bieten heutzutage hohe Auflösungen und statt des bei ihrem begrenzten Bauraum technisch nicht machbaren Zoomobjektivs bieten sie gleichmehrere Objektive mit eigenen, eher winzigen Sensoren, die diverse Bildeffekte nicht auf optische Weise, sondern durch Rechenleistung ermöglichen. Dem setzt die D-Lux einen für Kompaktkameras sehr großen Sensor und ein optisches Zoom mit hoher Lichtstärke entgegen. Selektive Schärfe, ja Schärfe überhaupt entsteht so auf natürliche, optische Weise und nicht im Prozessor. Der Sensor der D-Lux 7 ist wie zuvor im Four-ThirdsFormat gehalten, hat also etwa ein Viertel der Fläche und etwa die Hälfte der Diagonale im Vergleich zum Kleinbild. Diese Größe ist unter digitalen Kompakt-

kameras nach wie vor sehr groß. Und die D-Lux erlaubt sich noch einen Luxus: Über einen Schiebeschalter lässt sich das Bildverhältnis von 16:9 über 3:2 und 4:3 bis 1:1 einstellen und abgesehen vom quadratischen Format ändert sich dabei der diagonale Bildwinkel und damit die äquivalente Brennweite gegenüber dem Kleinbild nicht. Das ist nur möglich, weil die D-Lux 7 immer nur einen Ausschnitt des Sensors nutzt. Brutto bietet der Sensor knapp 22 MP, nutzbar sind jedoch nur etwa 17. Die Vorgängerin kam hier auf knapp 13 MP und damit kaum über die Auflösung heute üblicher Smartphones hinaus. Allerdings ist die Sensorauflösung eine eher theoretische Größe, die sich umso schlechter in reale Bildschärfe umsetzen lässt, je kleiner der Sensor und

das Objektiv sind. In Smartphones müssen Bilder normalerweise kräftig digital geschärft werden, was den Bildern unmittelbar anzusehen ist. Den Aufnahmen der D-Lux 7 hingegen ist eine wesentlich natürlichere Schärfe zu eigen. das to u c h - di sp lay. Das

Objektiv der D-Lux 7 wurde im Prinzip nicht angetastet. Das DC Vario Summilux 1:1.7–2.8/10.9–34 mm Asph entspricht vom Bildwinkel her einem 24–75-mm-Zoom und ist dabei so lichtstark, dass keine Rechentricks notwendig sind, um selektive Schärfe als Gestaltungsmittel einzusetzen. Natürlich nicht so gut wie das eine Leica mit Vollformatsensor kann, aber es reicht immer, um bei einem Porträt den Hintergrund sichtbar unscharf werden zu →


Wäre das – im Gebrauch noch weiter herausfahrende – Objektiv etwas dezenter, könnte man der D-Lux 7 ein ganz klassisches Erscheinungsbild attestieren. Der von Tasten eingerahmte Bildschirm auf der Rückseite ist nun ein Touchscreen, der die Bedienung der Kamera deutlich vereinfacht

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Vom Start weg gibt es ein umfangreiches Zubehörprogramm mit Gurten, Handschlaufen, Bereitschaftstaschen und Protektor

lassen Auch im WeitwinkelBereich ist eine Betonung des Hauptmotivs möglich. Auch die praktischen Eigenschaften der Kamera haben sich im Grunde nicht geändert, die D-Lux 7 bleibt eine Kreuzung aus Tradition und Moderne. Einerseits bietet sie die klassischen Bedienelemente und sieht mit der charakteristischen Stufe auf der Oberseite wie eine klassische Leica aus, andererseits finden sich viele winzige Knöpfe auf der Rückseite, die jede Menge Funktionen von Belichtungsreihen bis hin zu Verschlusszeiteneffekten auslösen. Das ist natürlich typisch für Kompaktkameras, aber für viele Fotografen vielleicht nicht ganz so wichtig. Zudem die D-Lux

die elektronischen Helfer eigentlich kaum nötig hat, denn bei ihr reichen die Zeit, Blende, Empfindlichkeit und das Raw-Format vollkommen aus, um hervorragende Ergebnisse zu erzielen. Zwar lässt sich die Brennweite nur elektrisch über den Ring um den Auslöser verstellen, doch das lässt sich verschmerzen, zumal der wenige Platz am Objektiv vom Blendenund Fokusring eingenommen wird. Eine technische Änderung gegenüber der bisherigen D-Lux gibt es aber doch und die betrifft das Display. Es hat nicht nur eine etwas höhere Auflösung als vorher, sondern es reagiert nun auf Berührungen. Das vereinfacht nicht nur das un-

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vermeidliche Wühlen in den schier unerschöpflichen Menüs, aber vor allem kann man durch simples Tippen den Fokuspunkt für den AF bestimmen. Und das klappt erstaunlich gut, selbst wenn man durch den elektronischen Sucher blickt. Ein Blitzgerät ist nicht eingebaut, aber zum Lieferumfang gehört ein Aufsteckblitz, der seine Energie aus der Kamera bezieht und mit Leitzahl 6 keine Bäume ausreißen kann. Aber er passt in jede Hosentasche und hilft sehr gut aus, wenn das Licht einmal nicht ausreicht. d ie bil dqual ität. Was

die Bildqualität betrifft, hat die D-Lux 7 durchaus einen kleinen, aber feinen Sprung gemacht. Der Schärfeein-

druck spiegelt die höhere Auflösung des Sensors wider und die Aufnahmen zeigen genau diese natürlich wirkende Schärfe, die man bei Smartphone-Bildern vermisst. Andereseits bleibt die D-Lux 7 natürlich eine Kompaktkamera, bei der man die Blende schon sehr weit öffnen muss, um die Schärfenebene einigermaßen klar herauszuarbeiten. Gegenüber klassischen Kompaktkameras muss die D-Lux 7 auch hohe Empfindlichkeiten nicht fürchten. In eher synthetischen Tests vom Stativ aus wird es wirklich schwierig, bei Einstellungen zwischen ISO 200 und 3200 überhaupt Unterschiede zwischen den Aufnahmen zu entdecken. Selbst Aufnahmen mit

Die l eic a D- Lux 7 bietet mehr mögl ic hk eit en d er g e sta lt u n g a l s e i n e k l as s i s c h e Ko m pa kt e u n d s ie ist v iel kom pa kt er a l s ein e klassische Kleinb il d ka m era .

ISO 12 500 – das reicht in Verbindung mit dem lichtstarken Objektiv wirklich für jede Situation – lassen sich noch hervorragend vorzeigen, womit die D-Lux 7 auch ihre Vorgängerin übertrifft. Die D-Lux 7 besetzt keine Extreme, sondern stellt einen Kompromiss dar – aber eben einen sehr guten. Sie übertrifft einfache Kameras und Smartphones bei weitem und bietet klassische Gestaltungsmöglichkeiten. Gleichzeitig ist sie aber viel kleiner und leichter als große Systemkameras, sodass man sie auch mal über die Schulter wirft, wenn man eine große Kamera eher zu Hause lassen würde. So steht die D-Lux 7 vor allem für die pure Freude an der Fotografie. holger sparr

Für die anspruchsvolle Fotografie Michael Schär mit Leica M und Summilux 50 mm

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n ä h e r ra n a n s m ot i v elpro 52

Der neue Elpro 52 ist eine vielfältig nutzbare Nahlinse, die Leica-Objektiven mit M- und L-Anschluss sowie den älteren APS-C-Kameras X und X Vario die Welt der Makrofotografie erschließt.

Mit dem Elpro 52, einem auf das Filtergewinde eines Objektivs aufzuschraubenden Makrokonverter, bringt Leica eine Lösung auf den Markt, um die Naheinstellgrenze bereits vorhandener Objektive zu verkürzen. Die Zahl 52 bezieht sich auf das Filtergewinde des jeweils verwendeten Objektivs – 52 Millimeter sind ein verbreiteter Gewindedurchmesser, aber da M-Objektive für gewöhnlich ein kleineres Gewinde haben, gehören zwei Adapterringe für 46 und 49 Millimeter zum Lieferumfang des Elpro 52. Adapter für noch geringere Durchmesser als 46 Millimeter sind im Handel erhältlich – so lange der Durchmesser 52 Millimeter nicht übersteigt, lässt sich der Elpro 52 adaptieren und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er auch optisch passt. 96 |

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N a hlin s en in d er T h eorie. Der Elpro 52 ist ein Achromat, besteht also aus zwei verkitteten Linsen, die die chromatische Aberration weitgehend eliminieren. Er reduziert die Naheinstellgrenze des jeweiligen Objektivs auf ca. 200 Millimeter – je nach der Brennweite sind es wenige Zentimeter mehr oder weniger. Anstelle eines speziellen Makro-Objektivs kann man auch vorhandene Ob-

Mit den zwei Step-up-Ringen (links), passt der Elpro 52 auf Objektive mit einem Filtergewinde von 52, 49 und 46 Millimetern

jektive für die Makrofotografie nutzbar machen. Zwischenringe oder ein Balgen sind allerdings nur für Systemkameras geeignet, da sie ja zwischen Kamera und Objektiv montiert werden. Eine Nahlinse wie der Elpro 52 ist nicht so beschränkt.

Eine Nahlinse hat auch in optischer Hinsicht Vorteile. Wenn man auf sein Motiv scharfstellt, entsteht ein scharfes Bild in der Sensorebene. Tatsächlich entstehen jedoch viele Bilder hinter dem Objektiv – Bilder vor dem Sensor sind auf eine größere Distanz fokussiert, während Bilder hinter dem Sensor – wenn dieser nicht im Wege wäre – Objekte in kürzerer Distanz scharf abbilden. Indem man den Abstand von Objektiv und Sensor vergrößert, kann dieser Bilder auffangen, die Motive unterhalb der Naheinstellgrenze abbilden. Das Problem dabei ist, dass das Objektiv damit außerhalb seiner Spezifikation arbeitet. Eine Objektivrechnung wird so optimiert, dass die Abbildungsfehler minimiert sind, idealerweise im ganzen Entfernungsbereich. →


Fotos: Leslie Gleim

Leslie Gleim erzeugte den fßr ihre Makrofotografie charakteristischen träumerischen Look mit dem Elpro 52 mit einem Vario-Elmar-TL 1:3.5-5.6/18-56 Asph an einer Leica CL. Das Zoom in Telestellung war auf Blende 5.6 abgeblendet, wie von Leica empfohlen

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Wenn Zwischenringe oder ein Balgen eingesetzt werden, stimmt die Position des Fokussierrings nicht mehr mit der Entfernung überein, auf die man tatsächlich scharfgestellt hat, und darunter kann die Abbildungsqualität leiden. Der Sensor fängt nicht das Bild auf, das die Objektiventwickler mit großem Aufwand optimiert haben, sondern ein anderes an einer anderen Position. Das ist insbesondere dann ein Problem, wenn das Objektiv die Abbildung im Nahbereich mit Floating Elements korrigiert. Eine Nahlinse arbeitet anders. Sie reduziert die Brennweite, was übrigens auch die Methode ist, mit der unsere Augen auf nahe Motive scharfstellen. Das menschliche Auge tritt nicht hervor, wenn wir Zeitung lesen, und es zieht sich nicht in den Schädel zurück, um auf den Horizont zu fokussieren. Stattdessen wird die Brennweite der Linse zur Fokussierung verändert, und wenn das nicht mehr funktioniert, braucht man eine Brille. Eine Nahlinse funktioniert genauso wie eine Brille für Weitsichtige. de r E l pro 52 i n d e r

Objektiventwickler Peter Karbe beweist, dass der Elpro 52 auch mit der X Vario harmoniert (oben). Leslie Gleib blieb bei der CL mit dem Vario-Elmar TL bei 56 mm (unten)

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Website lässt sich eine Liste kompatibler Objektive herunterladen. Die meisten der 19 dort aufgeführten Objektive sind solche mit M-Bajonett, dazukommen einige TL-Objektive und die Objektive der Leica X und ihrer Nachfolger. Einige der Objektive wie das Summicron-M 1:2/35 mm Asph haben ein Filtergewinde mit 39 Millimeter und erfordern einen zusätzlichen Adapterring. Die Liste ist keines-

Fotos (von oben): Peter Karbe, Leslie Gleim

praxi s. Von der Leica-


wegs vollständig; viele weitere Objektive mit einem Filtergewinde bis 52 mm sind durchaus einen Versuch wert. Peter Karbe, der die Objektiventwicklung bei Leica leitet, hat selbst unter Beweis gestellt, dass der Elpro 52 auch mit dem Zoom der X Vario harmoniert. Leica empfiehlt, für optimale Bildergebnisse um zwei bis drei Stufen abzublenden, was aber aufgrund der geringen Schärfentiefe bei Makroaufnahmen meist ohnehin nötig ist. Zudem ist die Kombination aus Elpro 52 und Objektiv lichtstärker, als die gewählte Blende suggeriert. Der Elpro verkürzt die Brennweite und vergrößert die Eintrittspupille, und beides erhöht die effektive Lichtstärke.

Bei Verwendung des Elpro 52 ändert sich die Entfernungseinstellung nur wenig, dreht man den Fokussierring. Die Naheinstellgrenze liegt meist nahe bei 20 Zentimetern; die Extreme sind 14 beim Summilux-X 1:1.7/23 Asph und 28 beim ApoTelyt-M 1:3.4/135 mm. Mit Letzterem erzielt man auch den größten Abbildungsmaßstab von 1:1; das wohl verbreitetere Summarit-M 1:2.4/90 mm liegt mit 1:1.1 dicht dahinter. Tendenziell wächst der Abbildungsmaßstab mit der Brennweite des Objektivs wie auch die Naheinstellgrenze, wenn auch in viel geringerem Maße. Für einen großen Abbildungsmaßstab und eine komfortable Distanz zum Motiv ist ein Teleobjektiv die beste

der E l p ro 52 ist ein e kom pa kt e E rweit eru n g der Ausrüstung und e rö f f n e t d i e W elt der M a k rofotografie einem b r e i t e n Ka m era- u n d O b j ekt iv-s p ekt ru m .

Wahl. Weil der Fokussierring ohnehin nicht viel ändert, stellt man am besten scharf, indem man die Distanz verändert. Bei einer M funktioniert das natürlich nur im Live-View-Modus. Verglichen mit Zwischenringen, Balgen oder auch Makro-Objektiven ist der Elpro 52 eine kompakte Erweiterung der Ausrüstung, die die Welt der Makrofotografie mit einem breiten Spektrum an Objektiven und Kameras eröffnet. Die damit erzielbaren Resultate sind oft hervorragend – aufgrund der optischen Rechnung, die die chromatische Aberration weitgehend korrigiert, aber auch der Mehrschichtvergütung, die Einbußen an Kontrast vermeidet. michael j. hussmann

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über den dingen leica m10-d

Für Tomas van Houtryve kam die Leica M10-D genau richtig – als Statement zum konzentrierten Akt des Fotografierens angesichts der Allgegenwart von Menschen, die auf Bildschirme starren.

Muss eine Digitalkamera ein Display haben? Die M10-D hat keines – und ermuntert so dazu, dem reinen Fotografieren zu frönen

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Wer sonst außer Leica könnte schon auf die Idee kommen, eine Digitalkamera zu kreieren, bei der man auf ein entscheidendes digitales Element verzichten soll? Erwartungsgemäß sorgt die M10-D denn auch für Kontroversen. Wobei Kritik sich aber vor allem gegen die Behauptung richtet, die Kamera bringe das „analoge Erleben“ zurück, und gar nicht so sehr gegen die Abwesenheit des Displays. Vielleicht müsste man eher sagen, die Kamera fördere einen Stil der fotografischen Praxis, der in der digitalen Ära aus der Mode gekommen ist, aber im Interesse des besseren Bildes durchaus Vorzüge hat. So ähnlich sieht das auch der in Belgien geborene Reportagefotograf Tomas van Houtryve, der bereits mit der M10-D arbeitet – und sie nicht mehr missen will. Seine ersten Erfahrungen mit der Kamera hat er im Zuge einer privaten Passion gemacht: unterwegs auf den Dächern von Paris. LFI: Warum steigen Sie den Parisern aufs Dach? Tomas van Houtryve: Meine erste Wohnung in Paris war nicht mehr als ein kleines Zimmer im Dachgeschoss – so klein, dass ich bald gar nicht anders konnte, als durch das Fenster aufs Dach zu klettern. Und ich entdeckte eine faszinierende andere Welt: eine Landschaft aus Zinkdächern, mit der Spitze des Eiffelturms in der Ferne und dem Duft aus dem Ofen einer Bäckerei in der Nachbarschaft. Seitdem ging ich eigentlich immer aufs Dach, wenn das Wetter gut war, oft mit der Kamera. Zu der Zeit war ich häufig unterwegs in Konfliktregi-

onen, und die Dachausflüge waren eine willkommene Gelegenheit, zu entspannen und nachzudenken nach einem anstrengenden Auftrag. Später zog ich in ein besseres Apartment, wieder unter dem Dach, und dort war die Aussicht noch besser: Saint Sulpice, das Pantheon, Sacre Coeur … Nach ein paar Jahren in Paris lernte ich Leute kennen, die aus dem gleichen Grund wie ich unter dem Dach wohnten – und mich an ihrer Aussicht teilhaben ließen. Erst vor Kurzem allerdings habe ich beschlossen, aus dem Thema ein systematisches Fotoprojekt zu machen. Das Sie mit der M10-D umsetzen werden? Auf jeden Fall – sie ist ab jetzt meine Haupt-Digitalkamera und die M240 dient nun als mein Backup-Body. Was ist es, das Sie an der M10-D reizt? Immerhin fehlen ihr wesentliche Attribute einer Digitalkamera, im Gegensatz zur M240. Als ich von der analogen auf die digitale Fotografie umstieg (vornehmlich, weil der Workflow als Auftragsfotograf es erforderte), merkte ich: Meine Bilder wurden irgendwie schlechter. Ich brauchte eine Weile, um mir das erklären zu können. Ich denke, es war so: Analog, etwa mit der M6, spürte ich stets eine gewisse Unsicherheit, ob ich genau das Bild hinbekommen habe, das ich mir vorgestellt hatte. →

Die Leica M10-D besitzt zwar kein Display, doch im Prinzip bietet sie alle digitalen Optionen, die auch die M10 bietet, nur eben ausgelagert in die App Leica Fotos


Fotos: © Tomas van Houtryve; Porträt auf Seite 105: Brian Sokol

Über den Dächern des 6. Arrondissements von Paris: Van Houtryve fotografierte mit dem Summicron-M 1:2/35 mm Asph

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„Anfangs wohnte ich in Paris in einem winzigen Zimmer im Obergeschoss – ich konnte gar nicht anders, als aufs Dach zu klettern“, erzählt van Houtryve. „Das war nicht nur entspannend, sondern offenbarte …

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‌ auch eine neue Welt. “ Durch die Schornsteinlandschaft betrachtet wirken weltbekannte Pariser Monumente auf einmal ganz anders. Oben und links unten: Notre Dame

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Dieser Zweifel ließ mich oft lange in einer Situation verweilen, einfach um mehr Bilder zu machen. Mit der Digitalkamera änderte sich das: Ich checkte auf dem Display, ob das Ergebnis okay war, und entschied: fertig. Aber irgendwann merkte ich: Meine besten

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Fotos entstanden gerade dann, wenn ich viel Zeit in einer Situation verbracht hatte. Daraufhin trainierte ich mich selbst, einfach gar nicht auf das Display zu schauen, bis ich das Gefühl hatte, eine Motivsituation wirklich komplett ausgereizt zu haben. Natürlich:

Mit einer Digitalkamera ist die Versuchung immer da, aber mit der M10-D eben nicht. Ich finde das gut. Zudem erschien die M10-D zu einem Zeitpunkt, als ich grundsätzlich darüber nachdachte, was es mit den vielen Bildschirmen in unserem Alltag auf sich hat. Das elektronische Display hat eine Omnipräsenz erreicht, die es von einer Lebenserleichterung geradezu zu einem Suchtmittel werden ließ. Ständig auf Bildschirme starren – was für eine Ablenkung von dem, was uns wirklich umgibt. Ich hatte irgendwann genug davon, seit letztem Jahr benutze ich sogar wieder ein echtes Notizbuch. So kam die M10-D für mich zur richtigen Zeit, sie hilft mir dabei, mich

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02.10.11 11:35

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Welche Rolle spielen für Sie ästhetische Aspekte, auf das Instrument bezogen? In dem Sinne, dass die äußerliche Zuspitzung auf Zeit, Blende, Entfernung und vielleicht noch ISO ja auch ein gestalterisches Statement ist, das eine „Reinheit“ propagiert, die der digitalen Welt sonst durchaus fremd ist? In der Tat ist es leicht, sich in die Kamera zu verlieben als ein Objekt, das für feinste Handwerkskunst steht. Aber das ist es gar nicht mal, was die Qualitäten der M10D für mich ausmachen. Mich interessiert viel mehr, wie sehr die Kamera zu mei-

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auch in meiner fotografischen Arbeit von digitaler Ablenkung freizuhalten.

Die aktuelle Ausgabe der LFI – und alle anderen seit 2003 –, News aus der Welt der Fotografie, Videos zu den Reportagen und ausgewählte Bereiche der Lesergalerie: die LFI-App für iOS und Android.


nem Arbeitsstil passt. Fotografiere ich zum Beispiel Menschen in spontanen, ungestellten Situationen, brauche ich ein Instrument, das einfach bloß schnell, diskret und zuverlässig ist. Ich kann nichts gebrauchen, das darüber hinaus geht – das wäre mir im Weg. Die meisten Kamerahersteller neigen dazu, die Fundamente guter Fotografie aus dem Blick zu verlieren, sie investieren stattdessen jede Menge Mühen darin, so viele Zusatzfeatures wie nur möglich zu integrieren. In diesem Sinne denke ich, dass Leica tatsächlich für den Mut zu loben ist, gegen den Strom zu schwimmen, und auch zukünftig darin bestärkt werden sollte, das Prinzip der Simplizität zu pflegen.

Nun bietet die M10-D im Prinzip ja alle digitalen Optionen, nur eben ausgelagert in eine App. Wie fühlt sich das für Sie an? Mit digitalen Einstellungen halte ich es so: Ich mache detaillierte Tests, dann stelle ich alles so ein, wie es mir am besten gefällt, und lasse es so. Der Weißabgleich etwa steht bei mir immer auf „Tageslicht“. Das hängt sicher damit zusammen, dass ich lange Zeit mit Diafilm fotografiert habe. Was mir an dem Ansatz der App Leica Fotos gefällt, ist, dass ich eigentlich nur dann auf sie zugreifen muss, wenn ich gerade nicht fotografiere. Etwa wenn ich im Zug einen Blick auf den Ertrag des Tages werfe. Oder wenn ich eine enge Deadline

habe und einem Auftraggeber sehr schnell Ergebnisse schicken muss.

Der vielfach ausgezeichnete Reportagefotograf Tomas van Houtryve ist auch Konzeptkünstler und Philosoph. tomasvh.com

Gibt es denn etwas, das Ihnen fehlt bei der M10-D? Oder etwas, das Sie für nicht so gelungen halten? Ich vermisse gar nichts, nein. Ich war sehr erfreut, dass es wieder den Leuchtrahmenwahlhebel gibt – der fehlt mir an der M240. Denn er ist sehr hilfreich, will man mal eine Komposition testen, ohne gleich das Objektiv zu wechseln. Und dieser Daumenhebel – ich halte ihn für eine sehr gute Designentscheidung. Eine bessere Lösung, die Kamera ermüdungsfrei zu halten und auszubalancieren, kann ich mir nicht vorstellen. interview: olaf stefanus

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22.02.2017 16:19:05 Uhr

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D r e i D e r i vat e d e r M 3 museum leica

Die zweite Folge unserer Serie mit herausragenden Exponaten aus dem neuen Leica Museum in Wetzlar widmet sich drei Kameras, die als Varianten der ersten Leica M, der M3, entstanden: der Leica M2, M1 und MD.

Mit der auf der Photokina 1954 vorgestellten Messsucherkamera M3 haben die damaligen Leitz-Werke eine Produktlinie begründet, die sich auch heute noch erstaunlicher Beliebtheit erfreut. Die aktuelle M-Portfolio umfasst neben den weiterhin produzierten analogen Kameras und der Leica M Monochrom die Leica M10, die M10-P und die displaylose M10-D. Während die Modelle der Barnack’schen Kleinbildkamera, der Schraubleica, rund 35 Jahre hergestellt wurden, kann die M-Leica nun schon auf einen Produktionszeitraum von weit über 60 Jahren zurückblicken. Erste Überlegungen für eine solche Kamera reichen noch viel weiter zurück: Bereits aus den 30erJahren datieren Patente, die auf Überlegungen von Lud106 |

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wig Leitz, Sohn von Ernst Leitz II, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung und später Geschäftsführer der Leitz-Werke, und von LeitzKonstrukteur Willi Stein zu folgenden Problemen zurückgehen: Integration von Sucher und Entfernungsmessfeld in nur einem Fenster, Einspiegelung von Bildbegrenzungsrahmen und ihre Abdeckung mit Masken je nach verwendetem Objektiv, die Vereinigung von Kurz- und Langzeiten in einem per zentralem Zeitenrad zu steuernden Mechanismus, Steigerung der Präzision des Ablaufs der Verschlussvorhänge mit einem komplexen Gefüge aus Steuerkurven und Antriebsfedern, ohne das Gehäuse zu sehr zu vergrößern. Auch über die Kupplung mit einem Belichtungsmesser hatte Ludwig Leitz bereits

nachgedacht. Da sich dazu das Zeitenrad nicht mehr wie bei der Schraubleica beim Verschlussaufzug drehen durfte und zudem Kurzund Langzeiteneinstellung nicht getrennt erfolgen konnte, sprach auch das für eine Neukonstruktion des Verschlusses. Ein als Leica IV bezeichneter Prototyp aus dem Jahr 1936 weist schon eine Reihe dieser Neuerungen auf, inklusive Parallaxenausgleich. Vo n de r M 3 zu r M 2 .

Gegenüber den frühen Prototypen zeichnet sich die M3 noch durch diverse Detailänderungen aus; die auffälligsten sind die erhabenen Rahmen um die drei das Gesicht der Kamera prägenden Fenster – die Öffnung für den Messstrahl, den Lichtdurchlass für die Leuchtrahmen und den

Sucherausblick –, mit denen Stein ein „wertiges“ Aussehen schaffen wollte. Die Leica M3 – M wie Messsucher, 3 wie Leuchtrahmen für drei Brennweiten (50, 90 und 135 mm) – wurde mit 100 000 verkauften Exemplaren in drei Jahren ein grandioser Erfolg, denn in der Summe ihrer Eigenschaften bot sie genau das, was gefragt war: Komfort, Präzision und Geschwindigkeit der Handhabung. Die Einstellgenauigkeit des Messsuchers, der Blick durch den hellen Sucher mit seiner 0,91-fachen Vergrößerung, das Schnellwechselbajonett, das gegenüber der Schraubleica erleichterte Filmeinlegen, der Schnellspannhebel (zunächst mit zwei Hebelschwüngen), das alle Zeiten in geometrischer Reihe vereinigende Einstellrad – alles →


Abbildungen aus MUSEUM LEICA, mit freundlicher Genehmigung von Lars Netopil Classic Cameras, Wetzlar

Oben: Die Leica M2 #926007, die siebte Kamera aus dieser Baureihe. Links: Eine Leica MD – nur die ersten zehn Exemplare besaßen diese Hammerschlaglackierung

Eine weitere Ansicht der Leica M2 #926 007. Bei dem Objektiv handelt es sich um den Prototyp eines Summaron 1:3.5/35 mm #0 000 121 mit M-Bajonett (zuerst 1948)

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Ingredienzen eines ziemlich vollständig im Sinne der Praxis zu Ende gedachten Konzepts. Kurz bevor die M3 nach langjähriger Entwicklungszeit auf den Markt kam, hatte Ludwig Leitz noch Heinrich Janke, der in Hannover Bildhauerei und Design studierte, gefragt, ob er sich vorstellen könne, an der Konzeption einer Kamera mitzuwirken. Janke sagte zu, aber sein Gipsmodell, das er auf Basis bestehender Entwürfe ausgearbeitet hatte, fand nicht die Zustimmung von Konstrukteur Stein. Jankes Zeit war noch nicht gekommen, aber das sollte sich schnell ändern. Noch 1954 trat er in das Unternehmen ein – und blieb bis zu seiner Pensionierung als Chefdesigner 1989.

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Vo n de r M 2 zu r MD.

D i e Le i c a MD wa r d i e e rste M, d ie d e n Bu c h stab en „D “ i m N am e n f ü h rt e u n d b eg rü n d e t e e i n e R e i h e vo n M- L eicas ohne Sucher fü r spez i e ll e A n wendungen.

Ein erster Entwurf für die MD: Die Leica M1 Betriebskamera #2070 ohne Sucher mit dem Prototyp eines Telyt 1:8/400 mm

Stein hatte Jankes Ideen für das Design der M3 vor allem abgelehnt, weil Janke auf die erhabenen Rahmen um die drei Fenster auf der Vorderseite der M3 verzichten wollte, aber bei der ab 1958 produzierten M2 konnte er sich dann mit seinen Ideen durchsetzen. Technisch unterschied sich die M2 von der M3 durch einen leicht vereinfachten Messsucher, der eine Suchervergrößerung von 0,72 aufwies und damit die Einspiegelung eines 35-mm-Rahmens ermöglichte – eine Brennweite, auf die Bildreporter bevorzugt setzten. Dafür fiel der 135er-Rahmen weg. Die M2 bildete die Basis für alle folgenden M-Modelle. 1959 kam die M1 auf den

Markt, eine vereinfachte Version der M2, die zwar mit einem eingebauten Sucher mit automatischem Parallaxenausgleich ausgestattet war, dieser war jedoch nicht mit einem Entfernungsmesser kombiniert. Die M1 war in erster Linie für die wissenschaftliche Arbeit mit Mikroskopen und Reproduktionsgeräten wie dem Reprovit IIa bestimmt. Die M1, die sich auf Wunsch zur M2 aufrüsten ließ, wurde schließlich durch die Leica MD ersetzt, bei der gänzlich auf Sucher und Entfernungsmesser verzichtet wurde. Die MD war das letzte Modell einer Kamerareihe, die in der M3 ihren Ursprung hatte. Mit der Leica M4 begann dann 1967 eine neue Ära. Die Leica MD war die erste M, die den Buchstaben „D“ im Namen führte, und begründete eine Reihe von M-Leicas ohne Sucher für spezielle Anwendungen. Zu ihr gehören das M4-Derivat MDa von 1966 oder die MD-2 von 1980, eine Variante der M4-2. 2016 hat Leica die D-Tradition wieder aufgenommen, doch bei der Leica M-D (Typ 262) und jetzt der M10-D (siehe S. 100) steht der Buchstabe nicht mehr für eine analoge Kamera ohne Sucher, sondern für eine digitale ohne Display – wobei insbesondere das Design der M10-D mit ISO-Rad auf der Rückseite und dem nunmehr ergonomischen Zwecken dienenden „Spannhebel“ an die Zeit der analogen M-Leicas erinnert. ann effes


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b e s t o f L F I . G a ll e r y

J a pa n i s c h e s neujahr „Schon seit meiner Kindheit nehme ich alljährlich an den Neujahrsfeierlichkeiten im ShintōSchrein in der Präfektur Ōita teil. Allerdings nur als Zuschauer. Je älter ich werde, umso wichtiger werden mir Traditionen wie diese Trommelkonzerte auf den Instrumenten meiner Vorfahren.“ Ikuo Inoue Leica M Monochrom mit ApoMacro-Elmarit-R 2.8/100 mm

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l ig h t box


D e r r i c h t ig e Moment „Ich befand mich auf einem Streifzug durch ein Viertel in Seoul, das für traditionelle Handwerkskunst bekannt ist, als eine Parade von Tänzern auftauchte. Ich fotografierte sie zunächst von der Seite. Als sie kurz anhielten, machte ich schnell ein paar Aufnahmen von hinten.“ James Kuan Leica M240 mit Voigtländer Nokton 1.4/35 mm

Am f r ü h e n morgen „An diesem Tag bin ich schon um 5 Uhr morgens zum Ganges gekommen. Ich wollte sehen, wie die Menschen den Tag beginnen. Einige beteten, andere badeten im Fluss. Die Augen der Frau erregten meine Aufmerksamkeit und ich musste die Szene fotografieren.“ Rui Caria Leica X, Summilux 1:1.7/ 23 mm Asph

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N at ü r li c h e Schönheit „Es ging mir bei diesem Bild darum, die Blume, in diesem Fall eine Gerbera, aus verschiedenen Blickwinkeln einzufangen. U. a. fotografierte ich sie eingeschlossen in einen Wassertropfen. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten sowie die Farben entfalten eine beruhigende Wirkung.“ Ikuo Inoue Leica M10 mit Noctilux-M 1:0.95/50 mm Asph

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Bad In der Menge „Ich hatte das große Glück, ein Jahr meines Lebens in Tokio verbringen zu können. Wann immer ich kann, kehre ich dorthin zurück. Wie hier zum Sanja Matsuri Festival. Für dieses Foto nutzte ich die Zonenfokussierungstechnik, um die Teilnehmer der vorbeiziehenden Parade einzufangen.“ Jasen Reyes Leica MP mit Elmarit-M 1:2.8/28 mm Asph

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Fli e g e n d e Fa r b e n Das Holi-Fest ist eines der ältesten Feste Indiens. Jedes Jahr im Frühling feiern die Einwohner von Vrindavan und viele Touristen ausgelassen das Fest der Liebe und Fruchtbarkeit. Das Besondere daran ist, dass man sich gegenseitig mit gefärbtem Pulver, das Gulal heißt, bestreut. Bob Chiu Leica SL mit VarioElmarit-SL 1:2.8–4/24–90 mm Asph

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Rumänisches Fl a i r

Bretonische N ac h t

Der Junge auf dem Foto stammt aus dem Dorf Leorda im Norden Rumäniens. Er trägt das traditionelle Kostüm eines Calusar, eines Tänzers, der in einer größeren Gruppe von Jungen den Neujahrstanz aufführt. Ihre Kostüme fertigen die Jungen selbst an.

„Während meiner Ferien im Finistère in der Bretagne fand ich mich an einem schönen Abend im Juni an der Küste beim kleinen Dorf Meneham wieder. Ich wollte unbedingt testen, wie die Leica SL nachts fotografiert. Dazu legte ich mich einfach in die Dünen und ‚Klick‘ – das Bild war im Kasten.“

Mioara Chiparus Leica M10 mit Noctilux 1:0.95/50 mm Asph

Jérôme Meunier Leica SL mit Summilux M 1:1.4/24 mm Asph

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e n g e l im Schnee „Neuschnee in der Hohen Tatra: Dieses Foto entstand während eines Shootings, bei dem Aufnahmen für eine Charity-Gala gemacht wurden. Mir gefiel die Idee von wohltätigen Engeln, die den unberührten Schnee in der wunderschönen Landschaft meiner Heimat durchqueren.“ Martin Krystynek Leica Q, Summilux 1:1.7/28 mm Asph

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p h o to – b ü c h e r – Au s s t e l l u n g e n – f e s t i va l s – Awa r d s –

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„E i n F ü l l h o r n a n P räs e n tat i o n s f o r m e n .“ i n t e rv i e w

Vor 15 Jahren rief die Kunsthistorikerin und freie Kuratorin Josefine Raab die Nachwuchsförderung gute aussichten – junge deutsche fotografie ins Leben. Ein Gespräch über die Entwicklung des Projekts, neue Techniken und Konzepte.

Foto links: © André Hemstedt; Fotos rechts: © Ute Klein, © Miia Autio

LFI: Vor 15 Jahren war die Situation für Fotografie, insbesondere für Nachwuchstalente, eine andere. Josefine Raab: Eine qualitätvolle Arbeit zu machen, als Künstler wie als Kurator, reicht nicht für den großen Wurf. Es bedurfte einer anderen Strategie, um junge Kunst in den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit zu rücken und es war Zeit für frischen Wind im Kulturbetrieb. LFI: Sie wollten etwas ändern und haben gute aussichten ins Leben gerufen. Was war die Idee dahinter? Raab: Bei der Gründung des Nachwuchsförderungsprojekts gute aussichten – junge deutsche fotografie

im Jahr 2004 wollten mein Geschäftspartner Stefan Becht und ich das herrschende „Betriebssystem“ auf den Kopf stellen. Wir wollten vor allem Veranstaltungsorte für noch kaum etablierte Fotografen auftun, die Hierarchien aufbrechen. Es war ja damals nicht üblich – und ist es heute immer noch nicht – „unbeschriebene Blätter“ auszustellen, da war viel Aufbauarbeit nötig. Und auch potente Mitstreiter, die wir gleich zu Beginn mit Andreas Gursky als Juror und Ingo Taubhorn fanden, der als Kurator in den Deichtorhallen die „heiligen“ Hallen kurzerhand einer Bande von „no names“ zur Verfügung stellte. Das war Glück! Und unser Konzept wurde ein Erfolg. Damit haben wir eine Marke gesetzt, langsam ziehen andere Häuser nach. Seit 2015 sind wir eine gemeinnützige Organisation. LFI: Was ist für Sie der größte Erfolg? Raab: In 15 Jahren gute aussichten

Oben: Miia Autio, Preisträgerin gute aussichten 2016/17, aus ihrer Serie Variation of White; links: Ute Klein, Preisträgerin gute aussichten 2009/10, aus ihrer Serie Resonanzgeflechte; linke Seite: André Hemstedt, Preisträger gute aussichten 2010/11, aus seiner Serie Konstruktion von Bewegung

haben wir in mehr als 140 Ausstellungen in über 45 Orten weltweit den oft zitierten roten Teppich für über 130 Preisträgerinnen und Preisträger ausgerollt. Ein weiterer großer Erfolg ist gute aussichten Deluxe, deren Auftakt 2017 im Rahmen des deutschen Jahres in Mexiko-Stadt stattfand. →

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Bianca Gutberlet (1973–2014), Preisträgerin gute aussichten 2004/05, aus ihrer Serie Paris

LFI: Einmal im Jahr kürt eine Jury des Wettbewerbs die besten Arbeiten von Hochschulabsolventen. Wer kann an diesem Wettbewerb teilnehmen? Raab: gute aussichten wendet sich an künstlerisch arbeitende Fotografinnen und Fotografen. Einmal im Jahr laden wir die Hochschulen in Deutschland dazu ein, fünf der aussichtsreichsten Abschlussportfolios einzureichen. Am Ende liegen etwa 115 Projekte auf unserem Tisch, von denen im Schnitt sieben bis zehn ausgezeichnet werden.

Im Uhrzeigersinn von links: Vanessa Jack, Preisträgerin gute aussichten 2006/07, aus ihrer Serie Reroofing; Henning Bode, Preisträger gute aussichten 2012/13, aus seiner Serie Die Kinder des King Cotton; Kamil Sobolewski, Preisträger gute aussichten 2015/16, aus seiner Serie Rattenkönig

Im Januar 2018 war die Ausstellung mit über 300 neuen Werken von 25 Preisträgerinen und Preisträgern 2004 bis 2015 im Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen. Zur Vernissage und der Langen Nacht der Fotografie erschienen nahezu 5000 Gäste und in knapp vier Monaten besuchten mehr als 42 000 Fotografie-Interessierte die Ausstellung. Besucherrekord! 124 |

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LFI: Die Genres bei gute aussichten sind ungemein vielfältig. Was kann in Ihren Augen überhaupt alles zum Genre Fotografie gehören? Raab: Fotografie ist ein lebendiges Medium, dessen ästhetische Entwicklung und Gebrauchsweisen eng mit technologischen Entwicklungen verknüpft sind, darunter analoge oder digitale Kameratechnik sowie Druckund Herstellungsverfahren. In ihrer relativ jungen Geschichte hat die Fotografie immer wieder überraschende Kapitel aufgeschlagen, indem sie ihre Gesetze, Grenzen und Bildkonventionen befragt und gesprengt hat. LFI: Zum Beispiel?

Raab: Gerade der aktuelle Jahrgang

2018/2019, bei dem sich drei von neun Fotografen mit neuartigen Bild-erstellungsverfahren beschäftigen,

Fotos: © Bianca Gutberlet, © Vanessa Jack, © Henning Bode, © Kamil Sobolewski

„ F oto g ra f i e h at i m m e r B i l d ko n v e n t i o n e n h i n t e r f rag t u n d g e s p r e n g t. “

LFI: Ein Preis ist das eine. Wie können sich Fotografierende trotz widriger ökonomischer Umstände gut aufstellen? Raab: Eminent wichtig ist nach wie vor eine profunde Ausbildung. Heute wird von Studierenden erwartet, dass sie sich vernetzen und internationalisieren. Engagement, soziale Kompetenz und „soft skills“ sind ebenso wichtig wie Fach- und Sachkompetenz. Die Grundkenntnisse sollten möglichst breit aufgestellt sein und dafür schadet es nicht, in andere Disziplinen hineinzuschnuppern.


ist ein wunderbares Beispiel dafür: Patrick Knuchel schlägt eine Brücke zwischen Fotografie und Siebdruck. Robert ter Horst erschafft Kompositionen, indem er filmische und fotografische Bildwerke mit mathematischen Algorithmen bearbeitet. Benjamin Kummer operiert mit handgefertigten Modellen in der Dunkelkammer. Ich beobachte ganz bewusst die Ränder der etablierten Fotografie und gute aussichten spiegelt über die Jahre hinweg die stilistische wie ästhetische Vielfalt in diesem weiten Feld.

Leica Rope Straps Alles, was für die Berge gemacht wird, muss robust sein. In der jüngsten Zusammenarbeit zwischen Leica und COOPH wurden Bergsteigerseile genommen und daraus Tragriemen entwickelt. Ein Zubehör mit Charakter, um Ihre Kamera sicher und bequem zu transportieren.

LFI: Jedes Jahr tourt die Ausstellung gute aussichten und die Präsentationsformen scheinen immer anspruchsvoller zu werden. Raab: Eine Entwicklung in der Präsentation fotografischer Werke, die sich aktuell verstärkt, ist sicherlich das installative Moment. Fotografie erobert zunehmend den Raum, inkorporiert Objekte, Projektionen, Screens, Sound, liegt auf dem Boden, ist Tapete, Teppich, Banner oder bekleidet ganze Fassaden. Das Spannende daran ist, dass es einerseits Fotografinnen und Fotografen gibt, die wieder analog arbeiten, Unikate anfertigen, mit Passepartouts arbeiten, rahmen und andererseits solche, die digitale Slideshows entwickeln, die auf Smartphones laufen, im Internet nach digitalen Schnipseln fischen oder eben Werke mit Rechenprogrammen generieren. So gesehen ist gute aussichten ein Füllhorn an ganz unterschiedlichen Präsentationsformen. Interview: Carla Susanne Erdmann

Jo s e f i n e Raa b Studierte Kunsthistorikerin

und Diplomübersetzerin. 1993 Assistentin von Thomas M. Messer, Dir. Emeritus, Guggenheim Museum New York, für die Retrospektive Antoní Tàpies in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Von 1995 bis 2004 aktives Vorstandsmitglied des Nassauischen Kunstvereins in Wiesbaden. 2004 Gründung von gute aussichten gemeinsam mit Stefan Becht. g u te aus s i c ht en 2 0 1 8/ 1 9 : Premiere: Technische Sammlungen Dresden, bis 17. März 2019; Deichtorhallen Hamburg, 11. Juli bis 29. September 2019; weitere Ausstellungsorte unter www.guteaussichten.org

j e tz t Be st e lle n :

l f i- onl ine. d e/Sh o p


M a r i a S e wcz T R 3 4 ; I S TA N B U L

B o bb y S an d s , B e l fast 1 9 8 1

Wieder hat der französische Bildjournalist (*1954) eine komplexe Reportage aus seinem Archiv für einen bewegenden Bildband aufbereitet – die Straßenkämpfe im Nordirland der frühen 1980er-Jahre. Damals war Yan Morvan Fotograf bei Sipa, damals einer der drei großen Pariser Fotopresseagenturen. Er galt als Draufgänger, der zur Situation der Unruhen in Nordirland passte. In Londonderry blieb er im April 1981 zunächst drei Wochen, kehrte aber mehrmals zurück: „In diesen Wochen lebte ich in Derry und Belfast, lebte mit den Randalierern in den katholischen Vierteln, fotografierte die Spannung und Verzweiflung, den Glauben und Mut der Iren und benutzte die Kamera als Waffe für ihre Sache, überzeugte mich für immer von der Gültigkeit des fotografischen Zeugnisses als Instrument der Erinnerung, der Emotion, der Reflexion, der Versprechen einer freien und demokratischen Welt“, erinnert er sich. Seine Bilder sind grobkörnig, direkt und dicht an den Menschen – sie bewegen bis heute. Der Titel gebende IRA-Kommandant Bobby Sands war zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt worden, der Hungerstreik gegen die Haftbedingungen und für die Anerkennung als politischer Gefangener endete mit seinem Tod am 5. Mai 1981. Der Nordirlandkonflikt scheint weit entfernt, nur sollte man Morvans Arbeit nicht als „alte Geschichte“ verstehen, gibt es doch genügend aktuelle Verweise, dass Europas Staatengemeinschaft bis heute nicht konfliktfrei zusammensteht. 236 Seiten, 135 Duoton-Abbildungen, 24 × 30 cm, französisch/englisch, Éditions André Frère

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136 Seiten, 121 Farbabb., 30 × 22 cm, deutsch/englisch, Hartmann Books

R u t h S t o lt e n b e r g schengen

In dem luxemburgischen Winzerdorf Schengen, an der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich, wurde 1985 das erste Schengener Abkommen unterzeichnet. Wie der Ort heute aussieht, hat die deutsche Fotografin (*1962) in einem wunderbaren Bildband untersucht, der charmant-ironisch das vermeintlich Typische des Ortes präsentiert. 112 Seiten, 71 Abb., 16,5 × 22,5 cm, deutsch/engl./franz./luxemb., Kehrer

M AGNU M C h ina

Kaum ein Land hat in den letzten 80 Jahren vergleichbare Umbrüche erlebt wie China – Magnum-Fotografen haben diesen Weg bis heute begleitet. Bereits 1947, noch vor der Agenturgründung, fotografierte Robert Capa ein Land im Bürgerkrieg; als Henri Cartier-Bresson zehn Jahre später nach China kam, war bereits Mao Zedong an der Macht. Der opulente Bildband zeigt ausgewählte Reportagen von vierzig Magnum-Mitgliedern, darunter natürlich weitere Leica-Fotografen wie Patrick Zachmann (oben) oder René Burri (unten). Vier Buchkapitel zeigen eine visuelle Chronologie

Chinas vom rückständigen Vielvölkerstaat zur heutigen Weltmacht. Der Bildband präsentiert die Vielfalt ungewöhnlicher Einblicke, brisanter politischer Situationen oder Szenen des Alltags – inklusive bedeutender Bildikonen des 20. Jahrhunderts. 376 Sei­ten, 364 Abb., 24,5 × 29,5 cm, deutsch, Schirmer Mosel

Fotos: © Yan Morvan; © Maria Sewcz; © Ruth Stoltenberg; © Patrick Zachmann/Magnum Photos; © René Burri/Magnum Photos

Ya n M o rva n

Istanbuls Autos tragen die 34 im Kennzeichen. Doch zu sehen sind sie ebenso wenig wie die Bewohner der Stadt in der aufregenden Serie der deutschen Fotografin (*1960). Maria Sewcz liefert keinen touristischen Bildband, sondern eine spannende und zugleich kritische Fotoerzählung, die sich auf die Widersprüche der Metropole konzentriert.


Foto: © Demetris Koilalous

Eine ganze Reihe von Bildbänden befasst sich mit der europäischen Flüchtlingstragödie. Die Fotografen versuchen Aufmerksamkeit und Empathie zu erzeugen, geben den Namenlosen ein Gesicht, erzählen vom unfassbaren Drama. Der griechische Fotograf Demetris Koilalous (*1962) zeigt eher stille Aufnahmen. Er vereint starke Einzelporträts mit Orten und Landschaften der Flucht und unterbricht die Bildfolge mit Aufnahmen von Fundstücken: ein Schuh, ein Ausweis, eine Tasche stehen dann stellver-

D e m e t r i s Ko i l a lo u s Ca e sura . T h e Durati o n o f S i g h

tretend für die unzähligen Biografien der Unbekannten. Caesura (lat. für Zäsur) bezeichnet in Verslehre und Musik einen Einschnitt, ein Atemholen, ein Innehalten: Das versucht der berührende Bildband einzufordern, wenn er Menschen zwischen zwei Welten zeigt, die sich aus Afrika und Asien auf eine lebensgefährliche Reise

über die Ägäis nach Griechenland aufgemacht haben. Die Porträtierten in Caesura haben eine flüchtige Identität angenommen; sie posieren auf Bildern, die von Übergang und Unsicherheit zeugen. Die meist anonym medial vermittelte Flucht bekommt hier eine individuelle Ansicht. Zwar bleiben die Personen auch bei Koilalous namenlos, doch der Band versammelt Bilder, die umso stärker nachwirken. 132 Seiten, 85 Farbabbildungen; 22 × 23 cm, englisch/griechisch, Kehrer

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Ja pa n e s e L e s s o n M KG , H a m b u r g

Fotogalerie friedrichshain, berlin

Es war einer der größten Umbrüche der deutschen Geschichte: Als vor 29 Jahren die Mauer fiel, die DDR verschwand und Ost und West wieder zusammen gehörten, stand das Land vor neuen Möglichkeiten – und vor neuen Herausforderungen. Die Bevölkerung bildete dabei die ganze Facette aus Emotionen ab. Es gab Freude und Schmerz, Aufbruchstimmung und Verlustängste, Sehnsüchte und Desillusionierung. Kuratiert von Harald Hauswald, Gründungsmitglied von Ostkreuz – Agentur der Fotografen, spiegelt die Ausstellung Umbrüche: Fotografien 1980 – 1995 der Schwedin Ann-Christine Jansson die Ereignisse aus jener Zeit wider. Von den Protestbewegungen in den 1980er-Jahren bis zur Wende und den darauf folgenden Umwälzungen, porträtiert sie das Leben der Menschen auf beiden Seiten der einst geteilten und dann wiedervereinten Stadt. Mauerfall am Checkpoint Charlie, Währungsunion auf dem Alexanderplatz, Hausbesetzungen in Kreuzberg oder die erste Love Parade auf dem Kurfürstendamm – mit einem offenen Blick schaut die Fotografin von außen auf Orte und Leute und bringt dem Betrachter den Wandel der jüngeren Geschichte und dessen Auswirkungen dokumentarisch und erzählerisch nahe. Im Mittelpunkt ihrer Fotografien stehen immer die Menschen. Sie sind es, die diese historischen Ereignisse mitgeprägt haben, an denen die Umbrüche am meisten sichtbar werden. In ihren Gesichtern liest man, was in ihnen vorgeht, wie die Chance auf eine neue Zukunft einhergeht mit Angst, Sorge und Ungewissheit. Eine Veränderung bedeutet immer auch einen Abschied. 30. November 2018 — 26. Januar 2019, Foto: Ann-Christine Jansson, DDR Währungsunion, Berlin Alexanderplatz, 1. Juli 1990

7. Dezember 2018 — 2. Juni 2019 Foto: Higashi Sumida, Tokyo 2017 aus Japanese Lesson

S e b as t i ão Sa lg a d o Museum für G e s ta lt u n g , Z ü r i c h

Genesis erzählt von den letzten unberührten Winkeln unserer Erde. Von noch intakter Flora und Fauna, indigenen Völkern, Ursprünglichkeit und faszinierender Diversität. Majestätische Dokumentation und zugleich Appell, die Orte überwältigender Schönheit in bewusstem Umgang mit der Natur zu bewahren. 16. Nov. 2018 — 23. Juni 2019 Foto: Sebastião Salgado, Eisberg aus Genesis, Antarktik 2005

D o n ata W e n d e r s At e l i e r J u n g w i r t h , G r a z

Das Licht, so Wenders, sei nicht nur Stilelement, sondern ein wesentlicher Protagonist ihrer Arbeiten. Und so durchbricht es in ihrer Serie Gestures of Light die Dunkelheit, bringt Körper und Schleier hervor. Die schattenhaften Darstellungen, das Spiel mit Schärfe und Unschärfe, verleihen den Fotografien etwas Geheimnisvolles. 21. Nov. 2018 — 16. Feb. 2019; Foto: Donata Wenders: The Gesture, 2018

Ja m e l S h a b az z G a l e r i e B e n e Ta s c h e n , Kö l n

Die Lebensader New Yorks verbindet Viertel und Bewohner: die City Metro. Im Schlauch des „Big Apple“ treffen verschiedene Nationalitäten und Kulturen unmittelbar aufeinander. Shabazz hat seit Anfang der 80er-Jahre das Leben des „Undergrounds“ eingefangen, 30 Arbeiten werden nun präsentiert. 6. Dez. 2018 — 2. Februar 2019 Foto: Jamel Shabazz, Untitled, Spanish Harlem, New York 1980

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Fotos: © Ann-Christine Jansson; © Katja Stuke und Oliver Sieber; © atelierjungwirth.com/Donata Wenders; © Sebastião Salgado/Amazonas images; © Jamel Shabazz, courtesy Galerie Bene Taschen

A n n - C h r i s t i n e Ja n s s o n

Katja Stuke und Oliver Sieber sehen sich als Vermittler zwischen japanischer und deutscher Kultur. In Japanese Lesson porträtieren sie seit zwölf Jahren Jugendliche der japanischen Subkultur – neue Formen von Protest und Aktivismus. Im Fokus der aktuellen Arbeit: politische Landschaften, die Bedeutung und Veränderung von Stadtteilen.


Leica Galerien Ba n g ko k

Porto

Thomas Hoepker: Wanderlust

Robert Nilreed: Code of Silence

Boston

Prag

Alan Schaller: Metropolis

Stanislav Tuma: Years numbered by light

THA  |  10330 Bangkok, 2nd Floor Gaysorn Village, 999 Ploenchit Road 12. Dezember 2018 — 3. Februar 2019

USA  |  Boston, MA 02116, 74 Arlington St. 10. Januar — 27. Januar 2019 Frankfurt

Michael Friedel: Reportagen 1950 bis 1990

TCH  |  110 00 Prag 1, Školská 28 10. Januar — 3. März 2019 Salzburg

Jürgen Wassmuth, Benedict Fernandez: Eternity

AUT  |  5020 Salzburg, Gaisbergstr. 12 18. Oktober 2018 — 13. Januar 2019

i s ta n b u l

S ão Pau l o

TUR  |  34381 Şişli/İstanbul, Bomontiada – Merkez, A Birahane Sk. No:1 6. Dezember 2018 — 16 Februar 2019 Kyoto

Shoji Ueda: Still Life in Landscape JPN  |  Kyoto, 570–120 Gionmachi Minamigawa, Higashiyama-ku 6. Oktober 2018 — 21. Februar 2019 Los Angeles

David Darby, Charlie Lieberman, Mandy Walker: Islands USA  |  West Hollywood, CA 90048, 8783 Beverly Boulevard 6. Dezember 2018 — 13. Januar 2019 Mailand

Bruce Davidson: Leica Hall of Fame 2018

ITA  |  20121 Mailand, Via Mengoni 4 3. November 2018 — 26. Januar 2019 MEl b o u r n e

Bruce Gilden: Untitled AUS  |  Melbourne, VIC 3000, Level 1 St Collins Lane, 260 Collins Street 1. November 2018 — 31. Januar 2019 NR W

Lars Beusker: Maasai Land

GER  |  59302 Oelde-Stromberg, Mies-van-der-Rohe-Weg 1 6. Oktober 2018 — 30. März 2019 Nürnberg

Patrick Ludolph: Seefahrer

GER  |  90403 Nürnberg, Obere Wörthstr. 8 23. November 2018 — 9. März 2019

Archivsichere Premium FineArt Papiere von MOAB

POR  |  4000-427 Porto, Rua d. Sá da Bandeira, 48/52 12. Januar — 30. März 2019

GER  |  60311 Frankfurt am Main, Großer Hirschgraben 15 2. November 2018 — 12. Januar 2019

Ali Taptik: 5–7–9

Denken Sie Ihr Bild zu Ende. Sehen. Fühlen. Staunen.

Julio Bittencourt: Plethora

BRA  |  01240–000 São Paulo, Rua Maranhão, 600 Higienópolis 29. November 2018 — 26. Januar 2019 Sc h l o s s A r e n b e r g

Josef Pausch: Sichtbares und Unsichtbares

AUT  |  5020 Salzburg, Arenbergstr. 10 17. November 2018 — Mai 2019 Singapur

Thomas Hoepker: Wanderlust

SIN  |  Singapur, Raffles Hotel Arcade, #01-20/21, 328 North Bridge Rd., 188719 7. Dezember 2018 — 5. März 2019 Tokio

Shoji Ueda: People on the Seashore JPN  |  Tokio, 6-4-1 Ginza, Chuo-ku 3. Oktober 2018 — 3. Februar 2019

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wa r s c h a u

Dominik Tarabański: Roses for Mother POL  |  00–496 Warschau, Mysia 3 14. Dezember 2018 — 9. Februar 2019 Wetzlar

Jürgen Schadeberg: Leica Hall of Fame 2018

GER  |  35578 Wetzlar, Am Leitz-Park 5 16. November 2018 — 17. Februar 2019 wien

Peter Hetzmannseder: Donaukanal

AUT  |  1010 Wien, Walfischgasse 1 24. Januar — 26. März 2019 Zingst

Norbert Rosing: Blick in die Wildnis GER  |  18374 Zingst, Am Bahnhof 1 4. Oktober 2018 — 28. Februar 2019

Grünbergstrasse 41, D 47445 Moers Kostenlose Hotline: 0 800 / 60 92 210

www.LifeFoto.de


L e i c a F o t o g r a fi e I n t e r n at i o n a l

F r e d M o rtag n e m e i n Bil d

Mit diesem Foto belegte der französische Fotograf bei einem Wettbewerb den dritten Platz. Das ermutigte ihn sehr, zumal kein Geringerer als René Burri der Jury vorsaß.

71. Jahrgang | Ausgabe 1. 2019

LFI PHOTOGR A PHIE GMBH Springeltwiete 4, 20095 Hamburg Telefon: 0 40/2 26 21 12 80 Telefax: 0 40/2 26 21 12 70 ISSN: 0937-3969 www.lfi-online.de, mail@lfi-online.de Chefreda ktion Inas Fayed, Frank P. Lohstöter (V.i.S.d.P.) A rt Direction Brigitte Schaller REDA KTION Michael J. Hußmann, Denise Klink, Bernd Luxa, Edyta Pokrywka, Danilo Rößger, David Rojkowski bildreda ktion Carol Körting layout Thorsten Kirchhoff MITA RBEITER DIESER AUSGA BE Ann Effes, Carla Susanne Erdmann, Katja Hübner, Ulrich Rüter, Holger Sparr, Olaf Stefanus, Katrin Ullmann Gesch ä ftsführung Steffen Keil, Frank P. Lohstöter A nzeigenleitung & M arketing Kirstin Ahrndt-Buchholz, Samira Holtorf Telefon: 0 40/2 26 21 12 72 Telefax: 0 40/2 26 21 12 70 E-Mail: buchholz@lfi-online.de holtorf@lfi-online.de Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 47 vom 1.1.2019

Ali Boulala, Campus of La Doua, Villeurbanne, Frankreich 2004

Diese Aufnahme war für meinen fotografischen Werdegang sehr wichtig. 2004 sagte irgendetwas in mir ganz laut, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich reichte das Foto bei einem Schwarzweißwettbewerb ein. Juryvorsitzender war René Burri. Meine Aufnahme kam auf Platz drei und diese Anerkennung war für mich enorm ermutigend, noch dazu weil sie von einem so legendärem Fotografen kam. Das Bild entstand spontan, ich hatte eigentlich etwas anderes vor, etwas, das sich auf dem Dach dieses brutalistischen Gebäudes abspielen sollte. Aber dann fielen mir die Fenster auf. Dort hochzuklettern und diesen Sprung so perfekt und so fotogen auszuführen, wäre für die meisten zu gefährlich gewesen. Aber nicht für Ali Boulala, einen mutigen und talentierten Skateboarder. Für mich war er eine Art Muse, wir arbeiteten viel zusammen. Fred Mortagne, 1975 in Lyon geboren, kam über das Skateboarden zur Fotografie. In der Szene hatte er sich mit Videos einen Namen gemacht. Seit 2004 widmet er sich auch anderen fotografischen Themen, vornehmlich der Street Photography.

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REPRODUKTION: Alphabeta, Hamburg DRUCK: Optimal Media GmbH, Röbel/Müritz PA PIER: Igepa Profimatt A BO-Bezugsbedingungen LFI erscheint achtmal jähr­lich in deutscher und englischer Sprache. Jahresabonnement (inkl. Ver­sandkosten): Deutschland: 58 € Belgien, Österreich, Luxemburg, Niederlande, Schweiz: 63 € weltweit: 69 € LFI gibt es auch als kostenlose App im Apple iTunes Store und bei Google Play. Ältere Hefte sind als dort als In-App-Käufe erhältlich LFI-A boservice Postfach 13 31, D-53335 Meckenheim Telefon: 0 22 25/70 85-3 70 Telefax: 0 22 25/70 85-3 99 E-Mail: lfi@aboteam.de Für unverlangt eingesandte Fotos und Texte übernimmt die Redak­tion keine Haftung. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber­ rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla­ges unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Leica – eingetragenes Warenzeichen.




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