Razzia band 1

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Mit einer fantastisch gewendelten neuen Treppen­ anlage machten sie das Untergeschoss – wo neu die Wechselausstellungen installiert werden – zu einem integrierenden Bestandteil des räumlichen Erlebnisses. Dieser Kraftakt ermöglichte im Erdgeschoss eine typologisch korrekte Wiederherstellung von Halle, Bibliothek und Salon – Räume, die sie mithilfe selbst entworfener Einbauten, den Objekten der Dauerausstellung sowie antiken und modernsten Mobilien und Beleuchtungskörpern in ein den Dekorationsverfahren des Fin de Siècle angepasstes kongeniales Manifest alt-neuer Einrichtungskunst verwandelten.

Pluralismus der Verfahren Man mag sich über die Vielfalt der Antworten auf eine scheinbar gleichlautende Problemstellung wundern. Oder man mag mit André Bideau aus polemischer Sicht feststellen, die zunehmende Tendenz, alles und jedes zu musealisieren, was einmal einer inzwischen ausgestorbenen Nutzung diente, reflektiere «den halboffiziellen Konsens darüber, dass Architekturereignisse antithetisch zu Zürichs Identität» seien; sichtbare Eingriffe fielen «in der Regel einer Mischung von Argwohn und allgemeinem Platzmangel zum Opfer»8. Eines dürfte feststehen: Das sinnvolle Weiterbauen an der Stadt wird auch in Zukunft auf den Pluralismus der eingesetzten Verfahren und auf die individuelle Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Fall angewiesen sein. Der Abbruch bezeichnet das eine Extrem, die Musealisierung das andere. Rezepte für den Brücken­ schlag gibt es nicht. Im Seefeld zeugen aber zahlreiche Beispiele vom architektonischen Potenzial sinnvoll umgenutzter Denkmäler in einer Stadt, die wir nicht als Museum begreifen wollen, sondern als lebendigen Ort der Erinnerung.

Zeitgenössische Interpretation einer historischen Villa: Im Johann Jacobs Museum wird die ­Sammlung als kongeniales Manifest alt-neuer ­Einrichtungskunst präsentiert (oben). Auch die ­fantastisch gewendelte Treppenanlage (unten) stammt von den Architekten Miller & Maranta.

1 Bideau, André. L’Esprit de Zurich. In: Faces Nr. 72, Infolio Editions, ­Gollion, 2013, S. 48–59. Bideau, Architekturtheoretiker, ehemaliger R ­ edaktor der Zeitschrift Werk, Bauen+Wohnen, ist Gastprofessor an europäischen und amerikanischen Hochschulen. 2 Ebd. 3 Weiss, Daniel. Bebauung Neumünsterpark. In: Sonja Hildebrand, ­Werner ­Oechslin. Haefeli Moser Steiger. Die Architekten der Schweizer Moderne. gta Verlag, Zürich 2007, S. 377f. 4 Vgl. Weiss, Daniel. Verwaltungsgebäude ASM/VSM (heute Swissmem). In: Ebd., S. 403–405. 5 Nach: Der ehemalige Villenbau Zolliker­strasse 60. Bildarchiv Dürst, www.alt-zueri.ch; vollständiger Text des Briefes bei der Denkmalpflege des Kantons Zürich. Der engagierte ­Architekt und Kunsthistoriker und -kritiker ­Peter Meyer (1894–1984) lehrte an der ETH und an der Universität Zürich. Er wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft an der Neumünsterallee 15. 6 NZZ, 3.9.2012. 7 Vgl. Schweizerisches Institut für Kunst­wissenschaft (Hrsg.). Das ­Schweizerische Institut für Kunstwissenschaft in der Villa Bleuler, Z ­ ürich. SIK/Fotorotar, Zürich, 1994. 8 Bideau, André. L’Esprit de Zurich, op. cit., S. 48.


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