LAT-Magazin 2011

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Umwelt

Lateinamerika investiert in Wasser- und Abfallwirtschaft

In Lateinamerika werden 2025 voraussichtlich 85% der ­Bevölkerung und damit 570 Mio. Menschen in Städten ­leben. Um die Herausforderungen der Mega-Cities und der Städte mittlerer Größe zu bewältigen, werden um­ fangreiche Inves­titionen auf lokaler und regionaler Ebene erforderlich sein. Die größten Probleme bereitet der zu­ nehmende Wassermangel. Zersiedelung, Armut, anwachsende Müllhalden und Druck auf die Wasserver- und -entsorgung - das sind die Probleme, mit denen sich alle lateinamerikanischen Mega­ städte zunehmend auseinandersetzen müssen. Laut dem McKinsey Global Institute lebten 2007 circa 95 Mio. Perso­ nen in den zehn größten Städten der Region, die trotz der hohen sozialen Diskrepanz ein durchschnittliches Bruttoin­ landsprodukt (BIP) pro Kopf von rund 18.000 US$ erwirt­ schafteten. Gegen 2025 werden in 198 Großstädten schätzungs­ weise 315 Mio. „Latinos“ zu Hause sein. Bis dahin brauchen allein die fünf größten Städte Investitionen von 400 Mrd. US$ für Wasser, Kanalisation sowie Strom- und Gasversorgung. Für alle 198 Ballungszentren nannte das McKinsey Global Institute einen Bedarf von mindes­tens 3,0 Bill. US$. Bislang zählen in Lateinamerika lediglich Buenos Aires, Mexiko-Stadt, Rio de Janeiro und São Paulo zu den Me­ gastädten mit mehr als 10 Mio. Einwohnern. Bis 2020 kom­ men voraussichtlich Bogotá und Lima hinzu, die momentan bei 9 bis 10 Mio. Einwohnern liegen. Caracas und Santiago de Chile sind von dieser Marke weit entfernt. Doch auch dort ist eine umfangreiche Projekttätigkeit zu beobachten. In Mexiko-Stadt dürfte nach Presseberichten 2011 und 2012 die Instandsetzung von mindestens zehn Trinkwasser­ aufbereitungsanlagen und 20 km an Wasserleitungen aus­ geschrieben werden. Für weitere Anlagen sind Machbar­ keitsstudien geplant und etliche Gemeinden sollen Wasserzähler erhalten. Insgesamt sind für die Projekte 120 Mio. US$ vorgesehen. Die Kläranlage „El Caracol“ steht be­ reits vor der Ausschreibung. Vier weitere Wasseraufberei­ tungsanlagen mit einer Gesamtkapazität von etwa 10 qm/s benötigen Investitionen von etwa 384 Mio. US$. Die mexi­ kanische Wasserbehörde Conagua (Comisión Nacional del Agua) hat bis 2030 einen Investitionsbedarf von etwa 86 Mrd. US$ für die Wasserver- und -entsorgung festgestellt. Brasilien will im Rahmen des „Programa de Aceleração do Crecimento“ (PAC 2) bis 2014 etwa 16,6 Mrd. US$ in die Wasserversorgung investieren. Insbesondere Zonen mit ei­ ner vorwiegend ärmeren Bevölkerung sollen davon profitie­ ren. Im Zuge der Fußball-WM sollen knapp 8 Mrd. US$ in die Wasserwirtschaft der zwölf Austragungsorte fließen. Vor

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allem in Metropolen wie São Paulo oder Rio de Janeiro herrscht Wassermangel und die Gewässer sind stark ver­ schmutzt, wie die Weltbank feststellt. Für die Entsorgung des Festmülls benötigt Brasilien jedes Jahr durchschnittlich 550 Mio. US$. Damit finanziert das Land die bestehenden Deponien, Müllumschlagsplätze, Re­ cycling-Anlagen und sonstige Ausrüstungen. Bis 2015 sol­ len Beobachtern zufolge die vielen wilden Müllkippen ver­ schwinden. Pro Tag fallen landesweit 150.000 bis 160.000 t Müll an. Im Großraum Buenos Aires will das Unternehmen AySA 1,1 Mrd. US$ für den Ausbau der Wasserversorgung ausge­ ben. Weitere 1,6 Mrd. US$ sind für den Bau von Wasser­ fernleitungen vorgesehen. In Santiago de Chile investiert die dortige Aguas Andinas 2011 rund 250 Mio. US$, einen Großteil davon in den Bau der dritten Kläranlage für die Re­ gion Metropolitana. Im Lima beabsichtigt das peruanische Wasserwerk Servi­ cio de Agua Potable y Alcantarillado (Sedapal), für etwa 585 Mio. US$ die Infrastruktur in der Hafenstadt Callao so­ wie im Norden der Metropole zu modernisieren. Dabei wird Sedapal eine Vielzahl von Wasserzählern austauschen und das seit langem debattierte Projekt Marcapomacocha II in Angriff nehmen. Das geplante Trinkwassertunnelsystem soll gut 250 Mio. US$ kosten. Bis zur Jahresmitte 2011 ha­ ben sich zudem acht Konsortien um den Zuschlag für den Bau einer Meerwasserentsalzungsanlage im Süden von Lima beworben („Aguas de Lima Sur II“; 155 Mio. US$). Das Budget für die Wasser- und Abwasserwirtschaft in Bo­ gotá beläuft sich Rahmen des Entwicklungsplans 2008 bis 2012 auf insgesamt 830 Mio. US$. Im venezolanischen Ca­ racas sollen 2011 und 2012 etwa 380 Mio. US$ in die Ver­ besserung der Infrastruktur investiert werden. Laut Luis Alberto Moreno, Präsident der Interamerikani­ schen Entwicklungsbank (IADB), gibt es rund 500 Städte in Lateinamerika und der Karibik mit 0,1 Mio. bis 2,0 Mio. Ein­ wohnern. Von diesen wiesen 143 ein rapides Wachstum mit guten wirtschaftlichen Chancen und einer steigenden Zahl an Arbeitsplätzen auf. Diese Städte liegen meist in der Nähe regionaler Land­ wirtschafts-, Bergbau- und Industriestandorte oder gelten als Zentren für Dienstleistungsbranchen wie den Tourismus. In der Regel wachsen diese Städte nahezu dreimal so schnell wie die Megastädte. Alberto Moreno geht davon aus, dass sich die Expansion von Buenos Aires und Rio de Janeiro in der laufenden Dekade ihrem Ende nähere. Vor besonderen Herausforderungen stehen viele „aufstrebende Städte“ im Einzugsbereich der Anden. Das absehbare Ab­ schmelzen von Gletschern entzieht vielen Orten die Grund­


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