UFA-Revue 05/19

Page 67

Landleben

Timeout Frauenfeld Die Timeoutklasse Frauenfeld bietet Jugendlichen, die sich nicht mehr in der Klasse zurechtfinden, den Sinn der Schule aus den Augen verloren haben oder in eine persönliche Notsitua­tion geraten sind, die Chance für einen Neuanfang. Der Aufenthalt in der Timeoutklasse ist eine Gelegenheit, Geschehenes zu verarbeiten, eigenes Verhalten zu überdenken und neue Werte zu entwickeln. Aus der Distanz zum gewohnten Schulalltag erwächst die Chance, Energien und Ressourcen freizusetzen, so dass eine positive Entwicklung einsetzen kann. Dank der übersichtlichen Gruppengrösse ist ein indivi­dueller Unterricht möglich, das Hauptziel der Reintegration in die Regelklasse soll durch gezielte Förderung gewähr­leistet werden.

Auf dem Menüplan stehen vegetarische Gerichte. Bild: Ruth Bossert

Stefano führt ebenfalls eine Timeoutklasse, wo täglich gekocht wird. Der Geniesser, wie er sich bezeichnet, ist skeptisch: «Schmeckt das den Jugendlichen?» Was ihnen sicher schmecken werde, sei Crispy-Tofu, erklärt der Koch und reicht die nächsten Häppchen. Die marinieren Tofustückchen werden mit Sojadrink, Mehl und Cornflakes knusprig paniert , dazu wird ein delikates Mango-Apfel-Chutney serviert. Die Lehrerinnen und Stefano sind begeistert, sie geben dem Kursleiter Recht: «Mit diesen Häppchen könnten wir bei den Schülern punkten.» Selbstbestimmung ist wichtig Während im ersten Teil die Kursteilnehmer degustieren durften, wird nun in der Gruppe gekocht. Während es in der modern eingerichteten Kursküche brutzelt , dampft und zischt, beginnt es verführerisch zu riechen. Paprika-Geschnetzeltes mit Spinatnudeln, Gemüse Paella mit

Onion Rings, Züri Geschnetzeltes mit Rösti, Kartoffel-Hallumi-Plätzchen mit Peperoni-Apfel-Gulasch und weitere Gerichte werden gekocht. Monika Neidhart erklärt, weshalb sie es richtig findet, den «Greentopf» in die Schulen zu bringen. «Seit über drei Jahrzehnten kochen wir mit «Tiptopf», in dieser Zeit hat sich die Welt verändert.» Individualisiertes Essen sei heute Alltag und immer öfter, und aus unterschiedlichen Gründen, wollen vermehrt Schülerinnen und Schüler kein Fleisch mehr essen. «Dieses Anliegen müssen wir ernst nehmen und ihnen ein Instrument in die Hand geben, damit sie selbstbestimmt und unabhängig von der Industrie, Influencern und der Werbung lernen, dass es nicht reicht, einfach das Fleisch wegzulassen, um sich gesund zu ernähren.» Fremde Zutaten ersetzen Für Monika Neidhart bleiben Milch und Milchprodukte ein wesentlicher

Teil der Schweizer Ernährung. «Ernähren wir uns möglichst mit einheimischen Produkten, fallen viele ökologische und soziale Probleme weg. Zudem sichern wir Arbeitsplätze und die Existenz der Schweizer Bauern.» Franziska Stöckli weiss, dass bei einigen der 210 Rezepten der multikulturelle Ursprung spürbar ist. «Schliesslich haben auch ein paar Schüler aus fremden Ländern bei der Entstehung mitgewirkt», sagt sie dazu. Bei jedem Rezept werde aber beschrieben, welche einheimischen Zutaten ebenso gut verwendet werden können. Zudem habe man darauf geschaut, dass die Zutaten auch im Laden um die Ecke und ebenso im entlegenen Bergtal gekauft werden können. Der sechsstündige Kurs neigt sich dem Ende entgegen. Die Lehrerinnen sind von den Menüs begeistert und freuen sich auf das neue Lehrmittel. Stefano äussert sich positiv: «Ich durfte meinen Horizont erweitern und freue mich, dass unsere Jugendlichen sowohl bei der Entstehung des Buches wie hoffentlich auch in Zukunft bei der Nutzung im n Mittelpunkt stehen.»

Autorin Ruth Bossert, freie Journalistin, 8360 Wallenwil

UFA-REVUE  5|2019 67


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.