Magazin #33 der Kulturstiftung des Bundes

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Magazin

Herbst  ⁄ Winter 2019

33 Nr.

Juan S. Guse Alan N. Shapiro Harald Welzer Kristoffer Gansing Nikola Richter Sarah Alberti Anika Meier Martina Seeber Yvonne Zindel Björn Lengers & Marcel Karnapke Marcus Lobbes & Friedrich Kirschner André Raatzsch & Jürgen Keiper Tristan Schulze

Schnittstellen



Editorial „Es gibt zwei Arten von Menschen: diejenigen, Magazin 33 — AR im Apple- oder Play-Store zu gehen. Gansing regt dazu an, Vernetzung deren Leben sich durch das Internet verändert herunterladen. Die Anleitung auf dieser Seite nicht als Faktum oder Struktur zu verstehen, hat, und diejenigen, die nicht wissen, dass erklärt Ihnen, wie die App funktioniert. sondern im Sinne der frühen Netzwerke als Auch die interaktive künstlerische Arbeit wiedergewonnenen Raum für gesellschaftssich ihr Leben durch das Internet verändert hat“, so der Internetspezialist Sascha Lobo. von Tristan Schulze, die er in Form einer eigen- politisches Engagement. Die Digitalisierung verändert auch die ständigen App für dieses Magazin entwickelt Weitere Artikel sind den genrespezifiKünste, das Kunstschaffen und die Kunstre- hat, folgt diesem Prinzip. Sarah Alberti Seite 15 schen „Schnittstellen“ zwischen Kunst und zeption — auch dort, wo es (noch) nicht un- stellt den Künstler und seine Arbeit SUPER_ Digitalität gewidmet, wie sie uns fallweise in mittelbar ins Auge fällt. Die Chancen liegen ID vor. David Voss gestaltete zusammen mit unserer Förderpraxis begegnen. Welche proganz allgemein in einer leichteren Zugänglich- Tristan Schulze das innenliegende Plakat so- duktions- oder wirkungsästhetisch relevankeit für ein unvergleichlich größeres Publikum. wie den Umschlag des Magazins auf Grund- ten Potentiale bietet Digitalisierung der bilKunst wird im Prinzip für jedermann jederzeit lage der Bildwelt von SUPER_ID. Für die vier denden Kunst, der Musik, dem Theater? und an nahezu jedem Ort greif- und erlebbar. Magazin-Autoren Juan S. Guse, Kristoffer Vielleicht ist Lyrik die Kunstsparte, die Das Internet erzeugt neue ästhetische Pro- Gansing, Anika Meier und Björn Lengers kre- das kreative Potential der Digitalisierung forduktionsweisen und Erfahrungen oder erfor- ierte Schulze vier digitale SUPER_ID-Masken, mal besonders gewinnbringend für sich zu dert sie sogar, der Einsatz von künstlicher In- die beispielhaft zeigen, was seine App ermög- nutzen weiß und sie besonders eindrücklich telligenz, Algorithmen und Creative Com- licht. Diese vier Masken werden in der App auch für eine ästhetische Weiterentwicklung einsetzt. Den Eindruck gewinnt man aus dem mons führt zu neuen Formen, Materialitäten Magazin 33 — AR präsentiert. und Anwendungen. Darüber hinaus veränDen Einstieg in das Magazin bildet eine Kompendium, das Nikola Richter Seite 12 zur dert Digitalisierung unseren herkömmlichen Kurzgeschichte von Juan S. Guse Seite 2, der digitalen Literatur zusammengestellt hat. Kunstbegriff im Zusammenspiel mit einem mit seinem Roman Miami Punk so radikal wie Anika Meier Seite 16 verteidigt Kunst auf neuen Konzept von Autorschaft bzw. dessen niemand sonst Leben in digitalen Zeiten zum Instagram, die von der traditionellen KunstAuflösung. Gleichwohl bleibt das Verhältnis Sujet gemacht und den virtuellen Raum auch welt nicht selten geringgeschätzt wird. Sie zwischen analoger, physischer Welt und dem formal integriert hat. Der Medientheoretiker macht deutlich, dass die sogenannten Instadigitalen Raum ein Feld kreativer und verant- Alan N. Shapiro Seite 6 entwirft Leitlinien für gram-Künstler Social Media nicht nur als Präwortungsbewusster Gestaltung. So unab- eine dialogische Beziehung zwischen Mensch sentationsmedium jenseits von Galerien und weisbar die Digitalisierung immer stärker alle und Maschine: er plädiert für eine gestal- klassischen Ausstellungorten nutzen, sondern Lebensbereiche durchdringt, so wenig ist das tungsoffene Partnerschaft, in der die Küns- auch zum Sujet machen. vollständige Verschwinden von Schnittstellen te eine wichtige Rolle spielen können. Shapiro Martina Seeber Seite 18 zeigt, wie sich die zum Analogen zu befürchten, solange sich hält „künstliches Leben“ für vielversprechen- digitale Technik der kompositorischen Praxis eine Differenz zwischen Mensch und Maschi- der als künstliche Intelligenz. Der Soziologe und auch der (menschlichen) Kernbesetzunne behaupten lässt. Harald Welzer Seite 8 befürchtet eine freiwil- gen der westlichen Musikkultur bemächtigt Auf die Spur der Schnittstellen bege- lige Unterwerfung unter die Herrschaft der hat — nicht nur im Pop, sondern auch in der ben wir uns in dieser Ausgabe des Magazins, Algorithmen mit ihren Heilsversprechen der E-Musik. Die Digitalisierung ist dabei, die tradie so konzipiert ist, dass sie in ihrem Medi- (Selbst)Optimierung. Die digitale Koloniali- ditionelle Auffassung vom Musikgenie, vom um zu praktizieren versucht, worum es the- sierung unserer Lebenswelt wäre nach Wel- genialen Schöpfer oder Interpreten, radikal matisch im Heft geht: um Schnittstellen zwi- zer dann vollzogen, wenn sie nicht mehr als in Frage zu stellen. schen analogem und digitalem Raum. Mithilfe Fremdherrschaft empfunden wird, sondern Wer bei „Hacking“ ausschließlich an Nerds von Augmented-Reality-Technologie (AR) er- so internalisiert ist, dass sie einem selbst als und quasikriminelle Handlungen denkt, den weitern wir das Magazin erstmals in den di- Akt der Selbstbestimmung erscheint. Der klärt Yvonne Zindel Seite 20 auf. Im Kulturbegitalen Raum und erproben ein Wechselspiel langjährige Leiter des Medienkunstfestivals reich werden mit legalen Hacks bisher unverSeite 10 Facebook Kommunending erstellt werden muss, das dann wiederum zwischen gedruckten und digitalen Inhal- transmediale Kristoffer Gansing hebtist dasöffentlichte Kulturdaten von Kunstinstitutivom 21. Jahrhundert Login automatisiert neue Texte generiert. Alle dieten. Für uns ist das ein Experiment. Um die- die historische Bedeutung von onen (Objekte, Werke) genutzt und in Form Alle liken alles von Allen und sharen se Literaturen haben gemeinsam, dassNetzwerken sie alles mit Allen als Als an der University of California in Los An- offen und unbeendet sind. Sie sind prinzipials Ursprungselement digitalen Komund analoger Anwendungen für die se Ausgabe des Magazins ganz zu29.„lesen“, gäbs keine Virendigitaler kein Aids u geles am Oktober 1969, also vor ein ziemlich ell weiter schreib- und lesbar,der sie sind prokein Morgen. genau 50 Jahren, Professor Leonard Klein- zesshaft, sie weisen von der Gegenwart in die zugänglich gemacht. Auf died.h., um auch die digitalen Inhalte munikation hervor. Deren widerständiges & danngewundernÖffentlichkeit sie sich dass die rockzu miterfahren, seinem Team die erste Nachricht Zukunft. Damit sperren sie sich gegen den Geschlächtskrankheit zwischen vernetzten Computern versendete, vorherrschenden einheitlichen, abgeschlosbraucht man ein mobiles Endgerät, ein Smartsellschaftspolitisches Potential droht im Zuge se Weise können sich zum Beispiel Museen SIE trifft ihr eigen fleisch & blut war dies einer der Grundsteine für die Tech- senen Werkbegriff. ihr liebstes hab nologie desdie Internets, bei Die Grundvoraussetzung für alle diese zu& offenen Plattformen entwickeln, die die phone oder ein Tablet, und muss sich Appeine Technologie, einer Normalisierung digitaler Kultur verloren

Öffentlichkeit zur Mitgestaltung ihrer Daten, Formate und nicht zuletzt ihrer Strukturen einladen: Ein neues Level der Kulturvermittlung. Björn Lengers und Marcel Karnapke Seite 21 erzählen Freunden der Oper, wie sie den „Freischütz“ aus dem analogen „Serail“ der Theaterhäuser in die digitale Erlebniswelt entführen. Ein Bericht aus der Praxis der CyberRäuber, Experten für virtuelles Theater. Friedrich Kirschner diskutiert mit Marcus Lobbes Seite 22, dem künstlerischen Leiter der neu gegründeten AKADEMIE für Theater und Digitalität in Dortmund, Perspektiven für die Ausbildung digitaler Kompetenzen für Theaterschaffende. Die Kulturstiftung des Bundes fördert die AKADEMIE im Rahmen ihres Programms Kultur Digital. Das Gespräch zwischen André Raatzsch und Jürgen Keiper Seite 24 gibt einen Einblick in die komplexen Zusammenhänge zwischen kulturwissenschaftlichen, -politischen und technischen Aspekten bei der Entwicklung des RomArchive, einem digitalen Archiv für die Kultur der Roma und Sinti. Die im Januar 2019 gelaunchte Website des RomArchive ist eine Pionierarbeit sowohl im Hinblick auf ein e erstmalige, umfassende Selbstrepräsentation der Roma und Sinti als auch mit Blick auf die technischen Herausforderungen und Qualitätsmaßstäbe an ein zukunftsoffenes Archiv. Es wurde mit dem Kulturerbepreis der Europäischen Kommission ausgezeichnet. Das Magazin bleibt. Nicht jede Ausgabe wird so „anders“ sein wie diese. Unabänderlich hingegen ist, dass der Vorstand künftig nicht mehr in der gewohnten Konstellation das Editorial unterzeichnen wird. Alexander Farenholtz, seit Gründung der Stiftung im Jahr 2002 deren Verwaltungsdirektor, wechselt in den (analogen!) Ruhestand. An seine Stelle tritt Anfang kommenden Jahres Kirsten Haß.

Stören und Send en: neueste digitale Literaturen  Nikola Richter

←    Tristan Schulze, SUPER_ID Nikola Richter ist Verlegerin und Mehr zur künstlerischen Autorin. Sie lebt in Berlin. Mit ihrem Arbeitunabhängigen auf Seite 15 Verlag mikrotext.de veröffentlicht sie neue Narrative und Texte mit Haltung und betreibt einen digitalen, literarischen Freundeskreis.

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der Rechenmaschinen miteinander vernetzt Inhalte kommunizieren. Bezeichnenderweise brach der Computer beim ersten Versuch, die Nachricht zu versenden, zusammen. Beim zweiten Versuch verkürzte der Computer die Nachricht und sie kam abgeschnitten an: Statt „Login“ empfing die andere Seite nur die Hälfte des Wortes: „Log“. Am Anfang war das Wort, aber am Anfang waren auch ein Systemabsturz und eine quasipoetische Sprachhandlung. Ich möchte auf Basis dieser Anekdote eine Definition für die literarische Handlung festlegen, so wie sie heute im und mit dem Internet stattfindet: Der Absturz symbolisiert einen nicht planbaren Überraschungsmoment und das Schicken der Message stellt eine schöpferische Handlung dar, die zwei Seiten braucht, den Sender und den Empfänger. Diese Urdefinition von digitaler Literarizität enthält also gewissermaßen zwei Elemente: immanentes Stören und prozesshaftes Versenden. 1 Ich werde Beispiele digitaler Literatur vorstellen, ohne sie konzeptuell einzugemeinden. Ich werde beschreiben, wie sie senden und wie sie stören. Wie sie sich von bekannten Genres emanzipieren, neue literarische Traditionen erschreiben und Aktionen gegen einen monokulturellen Literaturbetrieb, ja, eine monokulturelle gesellschaftliche Erzählung darstellen. Sie stehen gewissermaßen in der Tradition der „kleinen Literatur“, welche Deleuze und Guattari so brillant an Kafkas kleinen Texten erläutert haben.2 Eine „littérature mineure“ hat folgende Kennzeichen: eine Deterritorialisierung der Sprache, die Verknüpfung des Subjektiven mit dem Direkt-Politischen, eine kollektive Anordnung der Aussage. Digitale Literaturen erneuern sprachliche Möglichkeiten von einem „überall“ her, sie sind also per se „deterritorialisiert“. Sie enthalten, auch wenn sie einen individuellen Absender haben, ein diffuses Wir oder eine anonyme Nichterkennbarkeit. Und sie durchbrechen den Strom der digitalen Nachrichten, Algorithmen und Archive mit Texten, die einen Dialogeffekt in sich tragen, die immer ein Gesprächsanfang sein können — denn sie sind kommentierbar. Ich teile diese digitalen „kleinen Literaturen“ in drei verschiedene Ausprägungen ein, je nach der Art und Weise der Herstellung: Plattform-Literatur, die direkt in sozialen Medien entsteht und dort zuerst veröffentlicht wird, Hashtag-Literatur, eigentlich eine Unterform der Plattform-Literatur, aber sortierbar durch das immergleiche, von Autor oder Autorin oder Mitschreibern gegebene Schlagwort, und Code- und Bot-Literatur, für die zunächst ein Computerprogramm

Literaturen ist die Erkenntnis, dass wir uns im Zeitalter des „Webism“ befinden, so bezeichnete es das US-amerikanische Magazine n+1 in einem Essay im Jahr 2010: Das Internet „felt from the first less like a technology and more like a social movement — like communism, like feminism, like rock and roll.“ 3 Webism durchdringt mittlerweile alle Aspekte unseres mitteleuropäischen Lebens. Daraus ist zu schlussfolgern, dass auch digitales Lesen und Schreiben sowie die Beherrschung oder gar Neuprogrammierung digitaler Werkzeuge heute eher eine Norm denn eine Abweichung im literarischen Feld darstellen. Und dass das störende Senden innerhalb dieser digitalen Rahmungen eine notwendige schöpferische Handlung darstellt.

PlattformLiteratur Internet wenn ich in deine unsichtbaren Augen schau fühle ich mich als blickte ich in die ganze Welt.

Puneh Ansari 4 ist eine in Wien lebende Autorin. Sie schreibt auf Facebook Statusmeldungen über kapitalistische Irrwüchse, die Mondlandung, die WM oder brutale Pinguine, über die Pubertät oder über das TV-Programm. 2017 ist eine Auswahl davon als Buch in meinem Verlag mikrotext erschienen, Hoffnun’, mit fehlendem G, anglisiert sozusagen. Es sind selbstbewusste Kommentare zum Zeitgeschehen, die stilistisch die sprachliche Verknappung aus Chat-Apps imitieren und inhaltlich aktuelle Themen wie ein Irrlicht durchwandern. Dadurch wirken sie rasant, intim, wie eine beiläufig dahingeschriebene persönliche Botschaft. Mit ihren polemischen „stream of conciousness“-Gedichten oder poetischen Kurzessays bricht Ansari den Flow der banalen, alltäglichen, politischen Meldungen, die oft Facebooks Ströme dominieren. Dabei reflektiert sie meist auch die Bedingungen des digitalen Universums, in welchem die Texte entstehen.

gut ihr macbooc3000 Dann kommen sie plötzlich drauf dass sie zu wenig Zeit mit ihrer Familie verbracht haben und werden existenziell

Hortensia Völckers, Alexander Farenholtz Vorstand der Kulturstiftung des Bundes

Ähnliches tun auch andere Plattform-Autorinnen. Eine der bekanntesten im deutschsprachigen Raum ist wahrscheinlich die österreichische Autorin und Cartoonistin Stefanie Sargnagel, die 2016 mit dem Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettlesen ausgezeichnet wurde und damit im klassischen Literaturbetrieb angekommen ist. Die anonymisierten Callcenter-Monologe aus ihrer Arbeit in einer Adressauskunftei, die sie auf Facebook postete, machten sie bekannt, aber auch kurze ironische Raps, Aphorismen, Beobachtungen. Sie polemisiert deutlich gegen antidemokratische und ausgrenzende Positionen als eineArt digitale Humanistin und kämpft für das Matriarchat, nicht nur mit der Burschenschaft Hysteria. Axel Rühle nannte sie in der Süddeutschen Zeitung „eine der mutigsten Stimmen Österreichs“. Sargnagel wird definitiv auch außerhalb der sozialen Medien wahrgenommen, mittlerweile angefeuert durch die hämische Berichterstattung, welche die österreichische Boulevard-Presse über sie verfassen zu müssen meint. Der Berliner Übersetzer und Dramaturg Oliver Kontny verwendete jüngst für eine andere Plattform-Autorin, die in Berlin lebende Eliza Aseva 5 den Begriff der „Bubble Poetin“. Aseva versteht sich selbst nicht als Dichterin, aber „mit dem Bubble-Zusatz“ ginge es schon, wie sie mir in einem Chat schrieb. Kontny verwendete den Begriff eigentlich ironisch, da Aseva auf Facebook von einem Kritiker als „linkes Bubble-Wesen“ verunglimpft worden war. Der Vorwurf: Sie schreibe „blumige Gedichte“, die „außerhalb besagter Bubble einfach keiner versteht“. Erstaunlicherweise empfanden das ihre Leser und Aseva selbst aber eher als Kompliment. Aseva hält urbane Beobachtungen fest, die einerseits hart kommentieren oder auch zärtlich konstatieren: passiv-aggressive Pärchengespräche am Nachbartisch, rassistische Kommentare ihr gegenüber, die Sommerbrise unter dem Sommerkleid. Der Effekt bei den Bubble-Leserinnen ist eine Solidarisierung mit ihrer poetischen und ihrer beobachtenden Position. Die Störung, die sie aussendet, verändert und bewegt die „Bubble“ um sie herum. Die „Blase“ aus Lesern, also derjenigen, die ihren Kanal abonniert haben, ist Lesepublikum und Echokammer. Die Facebook-Posts sind also gerade nicht Tagebuch oder Brief, diese klassischen Genres des privatistischen Schreibens. Sie sind

Anleitung für die App Magazin 33 — AR Das Magazin wird von der AugmentedReality-App Magazin 33 — AR begleitet. Damit können Sie digitale Inhalte zu einzelnen Artikeln des Hefts abrufen. Dazu gehören etwa Kurzfilme, digitale Poesie, Songs oder Twitter-Memes.

Wie funktioniert es? Nehmen Sie das gedruckte Magazin Nr. 33 zur Hand. Nach dem Öffnen der App klicken Sie auf den Button STARTE AR, den Sie direkt auf der Startseite der App finden. Danach öffnet sich automatisch eine Ansicht, die über die Frontkamera Ihres Gerätes erzeugt wird. Halten Sie nun Ihr Gerät direkt über ein beliebiges blaugemustertes Feld im Heft — so wie es die Abbildung nebenan zeigt. Sobald die Kamera dieses Feld erkannt hat, wird der digitale Inhalt angezeigt. Über Buttons können Sie durch die App navigieren. Mit der App Magazin 33 — AR richten wir im Sinne dieser Ausgabe eine Schnittstelle ein und erproben die Interaktion zwischen analogen und digitalen Medien. 01.10.2019 13:08:01

Sie erhalten die App Magazin 33 — AR kostenfrei im App- und Playstore oder über unsere Website:

www.kulturstiftung-bund.de ⁄ app

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Wer ist Robin Erzählung über eine

Videospielprogrammiererin aus der Zukunft

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Ich war erschöpft von der langen Busfahrt, als ich beim Motel ankam, gelegen im Stadtteil Hialeah. Es wurde bereits dunkel und die Abendluft des Viertels roch nach frischen Abfallfeuern in irgendwelchen Hinterhöfen. Alles hier hatte die enttäuschende Weitläufigkeit eines Gewerbegebiets. Ich sah Menschen leblose Alligatoren aus ihren Häusern tragen und zu den Mülltonnen auf dem Bürgersteig legen. Im Internet hatte ich zuvor gelesen, dass die Gegend zur Heimat der Ringervereine geworden sei, deren Dasein um das regelbasierte Kämpfen und das gewaltsame Bezwingen der Tiere kreiste. Sie lungerten vor ihren Vereinshäusern wie Friseure ohne Kundschaft, spielten Domino, tranken proteinhaltigen Tee und sahen gleichgültig dem Verkehr zu. Oben waren die Wolken. Heinrich’s Motel war ein hufeisenförmiges Gebäude mit Parkplätzen und einem Pool in der Mitte. Der namensgebende Betreiber saß an der Rezeption, hinter ihm einige dieser Halbkugelwandlampen, in denen sich Fliegen zum Sterben versammelten. Mein Zimmer war klein und mit hellbraunem Teppichboden ausgelegt. Zum Abendessen machte ich mir eine Tütensuppe. Danach legte ich mich ins Bett und sah noch etwas fern. Eine Talkshow-Moderatorin nickte ausdauernd, während ihr Gast von den politischen Problemen der Stadt sprach. Sie wirkte bedrückt. Zum Einschlafen warf ich mir wie jeden Tag mein Dyler ein. Am nächsten Morgen frühstückte ich an einer Tankstelle und ging nochmal die Fragen durch, die ich für mein Treffen mit Robin Green-Touré vorbereitet hatte. Den Namen hatte ich das erste Mal in einem Subreddit gelesen, in dem sich eine kleine, aber verschworene Gemeinschaft gegenseitig experimentelle Videospiele empfahl. In diesem Zusammenhang wurden auch die Arbeiten einer Entwicklerin namens RGT immer wieder erwähnt. Es hieß, ihre Spiele würden nicht nur neue Perspektiven auf etablierte Genres werfen, sondern seien fast immer von einer subtilen Handlung getragen, die auf eine seltsame Weise kritisch war und berührte, ohne aufdringlich zu sein. Viele im Forum sahen ihre Arbeiten als Leuchtspurmunition der Hoffnung in der von christlich-amerikanischem Konservatismus verkrusteten Videospielindustrie und verglichen sie mit Kathy Acker, El Greco, H.P. Lovecraft, Arthur Rimbaud und Sylvia Plath, von denen ich allerdings noch nie etwas gehört hatte.

Über ihre Person war nur wenig bekannt, selbst ob Green-Touré wirklich ihr Nachname war. Andere glaubten, RGT sei in Wirklichkeit ein einsamer Mann, der in seinem Keller in rauen Mengen US-amerikanische Kultur verschlang. Und wiederum andere mutmaßten, dass es sich möglicherweise um mehrere Personen handelte. Ein User behauptete, auf dieselbe Grundschule wie sie gegangen und ein guter Freund von ihr gewesen zu sein: „Sie hat schon damals in ihrer Freizeit Brett- und Pausenhofspiele entworfen, die aber meistens niemand von uns verstand. Im Gedächtnis geblieben ist mir außerdem so ein rollenspielartiges Planspiel namens MERKWÜRDIGE DINGE INC. Das sollte nur ein einziges Mal gespielt werden, sich dafür aber über mehrere Wochen ziehen. Wir spielten dabei uns selbst: Schüler an der William-Gass-Grundschule in West Little River, Miami, an der merkwürdige Dinge zu geschehen begannen. Die Grenzverläufe des Spiels waren schwammig. Was eine Fährte und was nur ein belangloser Zufall war, sollten wir durch Investigation und Kombinationsgabe herausfinden. Ein zentrales Element waren Kassettentapes und Notizen mit handlungstreibenden Informationen, die Robin nicht nur auf dem Pausenhof, sondern im ganzen Viertel verteilt hatte. Bei den Tapes handelte es sich um tagebuchartige Einträge eines Schülers namens Bokaj Nolte, der unter ungeklärten Umständen verschwunden war. Die Aufnahmen sollten stückweise offenbaren, auf welches dunkle Geheimnis Nolte gestoßen war, als er zufällig in der Pause ins Lehrerzimmer gekommen war. Dessen zunehmend nervös klingende Nachrichten offenbarten, dass extraterrestrische Wesen seit Jahren unentdeckt auf der Erde lebten, mit dem Ziel, die Menschen in Großraumbüros mit Raumteilern und Wasserspendern zu sperren. Die Spielregeln und Eventualitäten kannte nur Robin. Zur Steuerung des Geschehens hatte sie angeblich einen Kalender mit einem straffen Zeitplan, auf dem die Termine für das Eintreffen neuer merkwürdiger Dinge eingetragen waren; zum Beispiel mit Kreide beschmierte Straße, Zeichen im Sandkasten oder kryptische Sprachnachrichten auf Anrufbeantwortern. Doch fast nichts ging davon auf. Wir suchten schon nach drei Tagen nicht mehr nach den Kassetten und der Wind wehte die versteckten Zettel davon, der Regen spülte die Kreide weg.“ Selbst wenn diese Geschichte erfunden war, so deckte sie sich zumindest mit dem experimentellen Geist von RGTs Frühwerk, das von ihr selbst als Teenage-


Green-Touré? Angst-DLC vor vier Jahren auf Github hochgeladen worden war. Darin enthalten waren unter anderem Titel wie Eltern in Flammen, Fang den Stift, Panzerkrieg in Europa, Wintermute Deluxe, Eltern in Flammen II, Gutes Sportspiel, Das nicht so spannende Haus sowie zahlreiche titellose Text-based Adventure Games. Ihre späteren Arbeiten zeichneten sich vor allem durch ihre Versessenheit auf Details und das Experimentieren mit Spielmechaniken aus. Zum Beispiel unterwanderte der Sidescrolling Shoot ’em up Zerstören und Verwalten die konventionelle Vorstellung eines erfolgreichen Endes. Dort verteidigte man als US-amerikanische Kampffliegerin den ressourcenreichen Nordpol gegen russische Abfangjäger. Nach Abschluss der letzten Mission endete das Spiel jedoch nicht. Stattdessen begann ein menübasiertes Managergame, das in der Verwaltungsabteilung der Airforce in Nevada spielt, die den durch den im ersten Teil des Spiels verursachten Versicherungsschaden und anderen bürokratischen Aufgaben nachgehen muss, wie Kondolenzschreiben aufsetzen oder den nächsten Einsatz der Nordpol-Staffel vorbereiten. Und sobald man mit diesen schmerzhaft langweiligen Aufgaben fertig war, schlüpfte man in die Rolle der Pilotin, um genau diesen vorbereiteten Einsatz zu fliegen, bei dem es sich aber natürlich um nichts anderes als wieder den ersten Teil des Spiels handelte, sodass man sich in einem endlosen Zyklus gefangen sah, der sich bis in die Ewigkeit wiederholen würde: zerstören und verwalten, zerstören und verwalten. Ich durchforstete das Internet und stellte fest, dass bisher noch niemand außerhalb des Subreddits etwas über Robin GTs Arbeit geschrieben hatte, und wollte die Geschichte unbedingt aufgreifen und sie Kotaku als Artikel anbieten; nur ein paar Wochen zuvor hatten sie meinen ersten Text veröffentlicht und nun wollte ich nachlegen, um der Redaktion im Gedächtnis zu bleiben. Nach wochenlanger Recherche gelangte ich über Umwege an Robins E-Mail-Adresse und wir verabredeten uns zu einem Treffen in einem Videospielantiquariat, das Robin zögerlich vorgeschlagen hatte. Es war mein erstes Mal in Miami. Alles an Downtown war enger und gedrungener, als ich es mir vorgestellt hatte. Die dicht an dicht stehenden Hochhäuser von Fujitsu, Chevron, World Fuel Services, Canon, Merck, Lenovo, Johnson & Johnson, Mitsubishi, Siemens, Petrobas und Bank of China, die schmalen Lücken und Gassen, die allgegenwärtige Neonreklame.

Im Schaufenster des Antiquariats versammelten sich vor allem Klassiker wie die Atari 2600, NES und SNES, die Genesis, PS und PS2, die melancholische Saturn, die N64 und die Dreamcast. Über der seltsam verzierten Eingangstür stand: ‚Willkommen im Zirkus‘. Es war nicht zu übersehen, dass das Threed als Hommage an Earthbound konzipiert worden war, denn als ich den Laden betrat, erklang das unverwechselbar feierliche Audiofile, das abgespielt wird, sobald sich ein neuer Char dem Team anschließt. Kunden waren keine da, nur ein Mann hinter dem Tresen. Drahtig, lang, mit leicht eingefallenen Wangen, kräftigem Kinn, einer roten Basecap und der Statur eines Sportkletterers war er auf eine Weise anziehend. Da ich zu früh da war, kamen Horacio und ich ins Gespräch. Die Geschäfte würden schlecht laufen, erklärte er mir. Ob er mir etwas über Robin erzählen könnte, fragte ich. Er meinte, sie käme oft hierher, die beiden hätten sich während des Informatikstudiums kennengelernt. Horacio beschrieb sie als Asketin, die zurückgezogen lebe, lange Zeit anonym veröffentlicht und das Schaffen von Spielen als Leidenschaft vor der Außenwelt zu schützen versucht habe. „Das war ein schmerzhafter Prozess voller Paranoia und Narzissmus. Sie meinte immer, die Vorstellung mache sie geisteskrank, dass sich irgendwer mal ihre Sachen installieren könnte. Um diesen Gedanken abzuschütteln, hat sie bis heute immer eine Reißzwecke

Sie hat schon damals in ihrer Freizeit Brett- und Pausenhofspiele entworfen, die aber meistens niemand von uns  verstand.

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dabei, die sie sich bei Selbstzweifel langsam seitlich des Nagelbettes in den Daumen steckt.“ Ich fragte ihn, ob sie mal eine besondere Erfahrung oder Vorbilder erwähnt habe, die sie geprägt hatten. Er überlegte kurz, bevor er meinte, dass sie manchmal von jenem Moment sprach, als sie das erste Mal die Nase ihres Raumschiffs in Star Fighter für den Omega PC immer weiter nach oben zog und bemerkte, dass sie niemand daran hinderte die Biosphäre zu verlassen, weil es keine Skybox gab, die sie davon abhielt, auch durch die Stratosphäre bis in das Weltall zu stoßen. „Auch wenn es da oben nichts zu tun gab, man konnte es trotzdem tun. Das war ihr Punkt. Ich glaube, die Welt von Star Fighter hatte für sie erst durch diesen nutzlosen Ort und die Möglichkeit, ziellos im All zu treiben, während unter einem alles lag, was es zu tun gab und getan werden musste, alle Ziele und Aufgaben, alle eigentlichen Prinzipien des Spiels, von denen die Betriebsanleitung und die Verpackung sprachen, seine Existenzberichtigung. Außerdem mochte sie schon immer die Raumfahrt.“ Als Horacio sie an der Universität kennenlernte, habe sie gerade damit begonnen, sich mit prozeduraler Synthese und quasi-zufällig generierten Leveln zu beschäftigen. Sie habe damals viel Akalabeth, Rescue On Fractalus!, die ersten Versionen von Dwarf Fortress aber auch Elite und The Sentinel gespielt. „Ich erinnere mich, dass sie ein einziges Mal etwas bei einem Wettbewerb eingereicht hat. Wurde aber abgelehnt. Sie gab sich natürlich desinteressiert, aber man konnte sehen, wie sich ein parasitärer Schmerz gegen ihren Willen in ihr ausbreitete.“ Ob sie Lohnarbeit nachgehe, fragte ich. Horacio nickte. Sie arbeite bei Nowak, einem Life-ScienceKonzern, der sein Geld mit allem Möglichem verdiene, von Breitbandherbiziden bis zu künstlichen herangezüchteten Muskeln und Organen. Seit mittlerweile mehreren Jahren hätte Robin da eine gut bezahlte Stelle. Sie hasse aber ihren Beruf, ihre Kollegen und die Gespräche in den Kaffeeküchen mit den personalisierten Tassen. Sie habe mal gemeint, es sei nicht dieselbe Leere wie die Einsamkeit eines Nachmittags auf der Couch alleine mit Wiederholungen von Cartoons, die sie befalle, wenn sie im Büro saß. Eine Mischung aus Niedergeschlagenheit, leichten Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gereiztheit, die sie vom Klingeln des Weckers bis zum Abstechen ihrer Arbeitszeit begleiten würden wie ein gefährlicher, unbekannter Mann. Als Robin nach einer Stunde immer noch nicht aufgetaucht war, versuchten wir sie am Telefon zu erreichen, doch ohne Erfolg. Ich war deprimiert und glaubte, um meine Geschichte betrogen zu werden. Geld hatte ich noch für zwei Monatsmieten. Ich blieb noch eine weitere Stunde im Antiquariat und vertrieb

Sie meinte immer, die Vorstellung mache sie geisteskrank, dass sich irgendwer mal ihre Sachen installieren könnte.

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mir die Zeit mit Daytona USA, Street Fighter II und Metal Slug 3, während Horacio ein bisschen Inventur machte und die sich gelegentlich in den Laden verirrenden Kunden beriet. Nach drei Stunden des Wartens fragte ich Horacio, ob er mir ihre private Wohnadresse verraten könnte. Ich erklärte ihm, dass ich den langen Weg aus Chicago nur ihretwegen gefahren sei und dass ich es gut meine. Ich wolle mich ihr auch nicht aufdrängen und natürlich werde sie nie erfahren, woher ich die Information habe, versicherte ich. „Das ist eins meiner Lieblingsspiele“, meinte Horacio und hielt mir Broken Sword: The Shadow of the Templars hin. Robin wohnte im westlich gelegenen Stadtteil Coral Way, nur eine halbe Stunde vom Threed entfernt. Es war eine unscheinbare, kleinbürgerliche Wohnsiedlung mit niedrigen Häusern, Vorgärten, Klimaanlagen, Briefkästen und F150s und Honda Civics in den Einfahrten. Die Sonne ging bereits unter und die Nachbarn fingen an, das Gartenspielzeug ihrer Kinder aufzusammeln und durch die offenen Fenster ins Haus zu werfen. Sie schlossen ihre Garagen ab, richten ihre Satellitenschüsseln neu aus, stellten ihre Alarmanlagen scharf, ließen die Hunde los, aßen zu Abend. Robins türkisfarbenes, zweistöckiges Haus war als einziges von wuchernden tropischen Pflanzen, Büschen und Bäumen umschlossen, als verstecke es sich vor der Sonne. Auf dem Dach standen zwei verrostete Klappstühle, auf denen Papageien saßen und mich beobachteten. Ich klingelte und wartete. Niemand öffnete die Tür. Dabei sah ich Licht in einem der oberen Zimmer brennen. Außerdem glaubte ich, Schritte und knarzendes Holz im Inneren zu hören. Ich blickte nach oben, klingelte nochmal, trat ein paar Schritte von der Tür zurück, rief Robins Namen und dass ich wegen des Kotaku-Interviews käme. Noch eine Weile stand ich in ihrem Vorgarten und blickte zum Fenster hoch, winkte. Vielleicht hatte sie Kinder, fiel mir dann ein, das hatte ich Horacio nicht gefragt, und kam mir plötzlich irgendwie schäbig und erbärmlich vor. Als ich unverrichteter Dinge zum Motel zurückkehrte, befreite Heinrich gerade mit einem Kescher den Pool von Kakerlaken, Mäusen und anderen Tieren, die hineingefallen waren, angezogen von den Lampen und dem Geruch von Chlor. Sein Gesicht war erleuchtet vom schimmernden Licht, das sich im Wasser reflektierte. Er fragte, ob alles in Ordnung sei. „Ungefähr“, meinte ich. In meinem Zimmer hatte sich über Tag die subtropische Hitze Floridas angestaut. Ich schaltete die Klimaanlage an und sie begann, lautstark Kältemittel zu komprimieren. Enttäuscht vom Verlauf meiner Reise und Recherche, nahm ich ein Bad und sah dabei fern, vor allem lokale Nachrichtensender. Sie zeigten, wie Verkehrsunfallopfer aus Wracks ragten und alles vollbluteten und unten stand in weißer Schrift auf rotem Grund: ‚Die Leute ragen aus dem Wrack und bluten alles voll.‘ Dann wieder wurden Aufnahmen von Häusern gezeigt, in denen ein Mord geschehen war und zwei Moderatoren schäumten über vor Wut über die Tragödie. Ich stellte mir vor, wie sich Menschen in Miami stundenlang dieses Zeug reinfuhren und nur in Ruhe schlafen konnten, wenn sie sich ein intelligentes Kopfkissen ein paar Kanäle weiter bestellten. Als ich aus der Badewanne stieg, sah ich, dass Robin mir eine E-Mail geschrieben hatte. Sie meinte, es tue ihr leid, mich versetzt zu haben, aber sie habe es sich anders überlegt und bat mich, keinen Artikel über sie zu schreiben. Sie sei gerade in einer schwierigen Phase. Der E-Mail angehängt wäre jedoch ein Downloadlink, der zu der Installationsdatei eines Spiels


namens Robin führe, an dem sie gerade arbeite. Als Entschädigung, dachte ich und installierte das Programm. Ein Startmenü gab es nicht, man wurde danach sofort ins Geschehen geworfen. Robin stellte sich als ein Point-and-Click-Adventure heraus, das von einem jungen Programmierer namens Robin handelt, der komplizierte und kritische Spiele schreibt, für die sich niemand interessiert, und der deshalb zunehmend zynischer und depressiver wird. Er lebt in einer kleinen Wohnung zusammen mit seiner sprechenden Katze Stefan*, dem Beine, Schwanz, Ohren und Teile seiner Nase abgefroren waren, als er für zwei Tage in einem Kühlhaus eingesperrt gewesen war. Wenn man ihn anklickte, sagte Robin manchmal zu sich selbst: „Ich beneide seine hilflose Gleichgültigkeit, seine Lethargie. Ein Haufen Organe, in Haare gewickelt.“ Obwohl sich die Spielwelt auf dessen Wohnung beschränkte, gab es recht viele Dinge, die man tun konnte. Zum Beispiel sich einen Kaffee machen, Radio hören, eine Zeitschrift lesen, die Post holen, Möbel umsortieren, sich mit Stefan unterhalten, E-Mails checken, aus dem Fenster schauen, Entwürfe für neue Games durchgehen, den Küchenmüll untersuchen, schlafen, sich im Spiegel betrachten und sich selbst sagen, dass man ein selbstmitleidiger Versager ist, seinen Bruder oder Freunde anrufen, sich duschen oder Snow Crash, Akira und Mona Lisa Overdrive lesen. Man konnte sich sogar an den Computer setzen und ein vollfertiges Spiel in Assembler programmieren. Manchmal kam außerdem seine Freundin Daria vorbei — eine junge Frau, die exotische Hawaiihemden mit Dinosauriermotiven trug — und die beiden schliefen miteinander. Und dann gab es noch die Tür zu einem abgeschlossenen Zimmer, das er offenbar nie betritt und aus dem furchteinflößende Geräusche kamen; wenn man sie anklickte, sagte Robin nur: „Ich möchte darüber jetzt lieber nicht nachdenken.“ Durch das Erkunden der Wohnung erfuhr ich nach und nach mehr über den Protagonisten, über die merkwürdige Stadt, in der er lebt, über dessen familiären Hintergrund. Vor allem war das Spiel jedoch voller Pointen und Referenzen auf RGTs eigenes Oeuvre, auf Bücher und Filme sowie vermutlich auch auf das Leben von Robin Green-Touré. Es war eine düstere, intime und dennoch unterhaltsame Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Arbeit als Künstlerin, ohne Metaphysik des Suchens und Findens und Verstehens. Ich verbrachte die halbe Nacht damit, jeden Winkel der Wohnung zu erforschen, jeden Gegenstand zweifach und dreifach in die Hand zu nehmen, in dieser und jener Reihenfolge. Um vier Uhr nachts schlug ich schließlich müde den Laptop zu. Mein Nacken war steif vom Starren und ich hatte noch immer das Frotteehandtuch um meinen Kopf gewickelt. Vor dem Fenster meines Motelzimmers rotteten sich Moskitos zu pulsierenden Schwärmen zusammen. Ich versuchte zu schlafen, doch obwohl ich mir bereits drei Dyler eingeworfen hatte, fand ich keine Ruhe und wälzte mich im Halbschlaf hin und her, während draußen auf den Straßen Schwadronen und Militante lautstark ihre Parolen grölten. Wieder zuhause in Chicago saß ich knapp zwei Wochen an dem Artikel für Kotaku, dessen Kern größtenteils aus Beschreibungen einiger ihrer besten Spiele und Screenshots bestand, erzählerisch zusammengehalten vom Mythos um ihre Person und der misslungenen Reise nach Miami. Meine Eltern riefen mich in der Zwischenzeit immer mal wieder an und meinten, sie würden sich Sorgen um mich machen. Wenn ich nicht gerade unterwegs war, arbeitete ich in der Regel an meinem alten Tower-PC. Ich beschloss, auf diesem noch einmal Robin zu installieren, um sicherzugehen wirklich alle interessanten Details

berücksichtigt zu haben. Doch als ich das Programm startete, fiel mir auf, dass es überall kleine Änderungen zu der Version gab, die ich zuvor auf meinem Laptop gespielt hatte. Hier und da waren Farben und Texturen ausgetauscht und überall neue Gegenstände in der Wohnung platziert worden. Es war, als wäre alles seit meinem letzten Besuch an diesem Ort angewachsen. Wäsche türmte sich auf der Waschmaschine, andere Bücher standen in den Regalen und die Skizzen und Entwürfe für neue Spiele hatten sich weiterentwickelt und waren komplexer geworden. Ich begann mich erneut durch sämtliche Möglichkeiten zu klicken, auf der Suche nach etwas, das ich noch in meinem Artikel erwähnen könnte. Also ging ich wieder zur verschlossenen Tür, in die Küche, ins Wohn- und Badezimmer. Ich machte mir wieder Kaffee, telefonierte mit meinem Bruder, schlief mit Daria, las die E-Mails und hörte Musik. Als ich dann ans Fenster ging und hinausschauen wollte, sah ich dieses Mal eine junge Frau, die gerade den Müll rausbrachte. Offenbar eine Nachbarin. Die Nachbarin warf ihre Müllbeutel in eine der schwarzen Tonnen. Als sie sich umdrehte und zu mir hinaufblickte, erschrak ich. Ich sah mich selbst, wie ich bei der Mülltonne stand, hochblickte und winkte, einfach so. Ich wendete mich vom Fenster wieder ab. Im Hintergrund lief noch immer ein Album von Mazzy Star, das ich angeschaltet hatte. Sandovals resignierte Stimme verlieh dem Wohnzimmer etwas Sphärisches. Auf dem Fernseher war ein Standbild. Die Katze war von der Couch gefallen und lag hilflos auf dem Rücken. Sein leerer Blick verriet, dass es ihm nicht egaler hätte sein können, was sie mit dem Rest meines Lebens anstellte, weil er nur eine Katze war, die nicht wusste, was ein Fernseher ist oder Lohnarbeit und der Verkauf der eigenen Arbeitskraft.

Juan S. Guse, geboren �989 in Seligenstadt, studierte Literaturwissenschaften und Soziologie. Mit Miami Punk (S. Fischer 20�9), seinem zweiten Roman, begeisterte der 30-jährige, promovierende Soziologe bei weitem nicht nur die Feuilletons. Der Computerspiel-Roman sei, so Lars Weisbrod in der ZEIT, „das irrste Buch des Jahres“, ein „Power-Roman, den man der deutschen Gegenwartsliteratur nicht zugetraut hätte.“ Für seine Arbeit erhielt er bereits zahlreiche Auszeichnungen; zuletzt ein Fellowship der Künstlerresidenz Villa Aurora in Los Angeles und ein Aufenthaltsstipendium des Literarischen Colloquium Berlin. * Guse gendert in seinen literarischen Arbeiten, indem er mal weibliche, mal männliche Formen benutzt. Er wendet dieses Verfahren auch bei Tieren an, hier die Katze, die den Namen eines Katers trägt.

Es war eine düstere, intime und dennoch unterhaltsame Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Arbeit als Künstlerin, ohne Metaphysik des Suchens und Findens und Verstehens.

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Roadmap kü Leben Alan N. Shapiro

W   as ist Digitalisierung?

Alan N. Shapiro wurde �956 in New York geboren. Seit den �990er Jahren lebt der Medien- und ScienceFiction-Theoretiker sowie SoftwareEntwickler in Europa. Er ist Autor von Star Trek: Technologien des Verschwindens (2004) und Die Software der Zukunft (20�4) sowie Mitherausgeber von Transdisziplinäre Gestaltung (20�7). Als Gastprofessor lehrte er an verschiedenen deutschen Kunstuniversitäten. Er unterrichtet derzeit „Design und Informatik“ an der Hochschule Luzern in der Schweiz.

Digitalisierung im eigentlichen Sinn bedeutet den Übergang vom Physischen zum Virtuellen und von Lokalem zu Globalem. Hier interessiert mich nicht die wahre Bedeutung des Begriffes, sondern dessen Benutzung. Der Begriff „Digitalisierung“ — aktuell in Deutschland eine von Medien und Politikern überall gebrauchte Formulierung — ist missverständlich. Der Ausdruck umfasst undifferenziert vergangene und künftige Medientechnologien. In den 1960er Jahren gab es Halbleiter und Großrechner. Es gab prozedurale und funktionale Programmiersprachen. Es gab das Kommandozeileninterface. Es gab das Fernsehen mit sehr wenigen Sendekanälen. Seit den 1980er Jahren haben wir PCs — Windowsbasiert oder Mac — und grafische Benutzeroberflächen, objektorientierte Programmiersprachen und die Ausweitung des Fernsehens über Kabel- und Satellitenübertragung auf Hunderte von Kanälen. Bereits in den 1990er Jahren hatten wir Veröffentlichungs- und Kommunikationsmöglichkeiten im Internet und Automatisierung von Büros und industriellen Arbeitsprozessen durch Computerisierung und Roboter. Wir kannten schon eine weltweite Konnektivität, den Hypertext und Hyperlinks sowie utopische Visionen über die Zukunft der Cyberkultur. Seit dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts besitzen wir Tablets, Mobiltelefone und Smartphones. Wir benutzen Social-Media-Plattformen. Das Paradox des Online-Daseins als Explosion von Millionen von Kanälen und anfänglichem Pluralismus ist nun die Festigung der Macht in den Händen einiger weniger Monopole. Wir haben einen Paradigmenwechsel, der als künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet wird: Fortschritte beim maschinellen Lernen, beim sogenannten Deep Learning und bei neuronalen Netzwerken. Die Datenwissenschaft des Data Mining und die Verfügbarkeit von massiver Computer-Rechenleistung und sehr großen Datenmengen (Big Data) hat dazu geführt, dass KI heute eine wichtige Kraft ist, die unser Leben, unsere Gesellschaft und die Wirtschaft beeinflusst. Eine pragmatische Definition von KI könnte die folgende sein: Software, die aus Erfahrungen lernt und über ihre ursprüngliche Programmierung hinausgeht.

I  ndustrie 4.0 Medientechnologien

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Jetzt steht die zweite Welle der Digitalisierung vor der Tür. Die nächste Generation fortschrittlicher digitaler Medientechnologien entsteht. Klaus Schwab vom World Economic Forum nennt dies die vierte industrielle Revolution oder Industrie 4.0. 1 Ich gliedere die Industrie 4.0-Technologien in neun Bereiche:

1. Künstliche Intelligenz (KI), Robotik, automatisierte Softwareprozesse sowie selbstlernende und sich selbst weiterentwickelnde Algorithmen 2. virtuelle Realität (VR) und erweiterte Realität (AR) 3. 3D-Drucker und additive Fertigung 4. Internet der Dinge 5. selbstfahrende Autos 6. Blockchains und andere Distributed-LedgerTechnologien 7. virtuelle Assistenten wie Siri und Alexa 8. Fortschritte in der Biotechnologie 9. digital-neurologische Schnittstellen Einige der speziellen Aufgabenbereiche, in denen KI zunehmend erfolgreich ist und eingesetzt wird, sind: Erkennung und Klassifizierung von Mustern (Sprache, Bilder, Gesicht); Sprachverarbeitung (Generierung, Übersetzung, Konversation); Dienstleistung (Hotel, Restaurant, Reinigung, Kundenbetreuung); Online-Einkaufsvorhersage und personalisierte Werbealgorithmen; Entscheidungsunterstützung; Anwendungen im Gesundheitswesen und Roboter-Prozessautomatisierung in Hard- und Software.

Die ersten drei industriellen Revolutionen Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert fand die erste industrielle Revolution statt. Die Bevölkerungszahl der Großstädte nahm rapide zu. Die Dampfmaschine wurde erfunden. Die Eisen- und Textilindustrie wuchs und Bahnverkehrsnetze wurden ausgebaut. Die mechanische Produktion in Fabriken führte für einige zu größerem Wohlstand und erhöhtem Lebensstandard, jedoch für viele zu rauen Lebensbedingungen. Die zweite industrielle Revolution fand im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert statt. Branchen wie Stahl, Öl und Strom produzierende Industrien standen im Vordergrund. Zu den wichtigsten Erfindungen gehörten das Telefon, die Glühbirne, das Grammophon und das Automobil. Die Managementstrategien des Fließbandes (Fordismus) und des Scientific Management (Taylorismus) wurden auf Arbeitsprozesse angewendet. Schon die dritte industrielle Revolution, die in den 1960er Jahren begann, ist ein Synonym für die digitale Revolution oder die oben erwähnte erste Welle der Digitalisierung. Es ging um den Übergang von analogen elektronischen und mechanischen Geräten zu digitalen Technologien.

Die Informatik  von innen herausfordern und im Kern erneuern Das meiste, was über den aktuellen Aufwärtstrend der KI geschrieben wird, ist entweder ausgesprochen enthusiastisch oder nachdrücklich kritisch. Diejenigen, die begeistert sind, sind in der Regel Geschäftsleute, deren Hauptziel es ist, Geld zu verdienen, oder technische Fachleute, die sich für das Engineering oder Programmieren an sich begeistern. Kritiker sind in der Regel Akademiker aus den Geistes- und Sozialwissenschaften. Es sind die Philosophen und kritischen Soziologen, die viele moralische und soziale Probleme sehen, die die KI mit sich bringt. Ich hingegen vertrete eine dritte und alternative Position (unter der Annahme, dass ich moralische und menschliche Probleme mit der KI sehe), nämlich, dass die Informatik von innen herausgefordert und erneuert werden sollte, anstatt zu versuchen, ethische und rechtliche Beschränkungen und Vorschriften für die Informatik von außen her ihr aufzuerlegen. Wie können wir die Beziehung zwischen Moral und Informatik auf einer immanenteren und grundlegenden Ebene konsequent gestalten? Wie kann die systematische Schnittstelle zwischen Menschen und KI-Objekten bei der Implementierung einer dialogischen KI aussehen? Eine solche Schnittstelle sehe ich in der kulturellen und professionellen Bewegung an der Grenze zwischen Kunst und Informatik, die als „Creative Coding“ bezeichnet wird. Creative Coding ist der Beginn dieser Herausforderung, die Informatik von innen heraus zu verändern und neu zu gestalten.

W   as ist Creative Coding? Ein eher unrealistischer, jedoch grundsätzlich korrekter Vorschlag wäre, Creative Coding zum Nachfolger der kritischen Sozialtheorie und der kritischen Medientheorie in den Kulturwissenschaften an deutschen Universitäten zu machen. Machbarer ist die Vision, dass Creative Coding den deutschen und europäischen Universitäten und Hochschulen für Kunst und Design die Möglichkeit bietet, einen Studienbereich zu entwickeln, der sowohl Theorie als auch Praxis beinhaltet. Die strikte Trennung von hier die Theorie und dort die Praxis, so wie es in der Lehre an Hochschulen für Kunst und Design oft vertreten wird, müsste aufgehoben werden. Creative Coding als wichtigen Bestandteil des Lehrcurriculums zu sehen, ist für die Universitäten eine angemessene Antwort auf die globale Situation der Digitalisierung und der Industrie 4.0.


nstliches A   uf dem Weg

zu dialogischer künstlicher Intelligenz Was ist Creative Coding? Es ist allgemein bekannt, was Informatik oder Computerwissenschaften oder Programmierung oder das Schreiben von Software-Code sind: eine technische Disziplin, ein Ingenieurfach, eine etablierte Praxis des Lernens und des Wissens darüber, wie man es macht, mit dem Ziel, etwas zum Laufen zu bringen, das Programm zu erstellen, es fehlerfrei laufen zu lassen. Technische Universitäten trainieren ihre Studierenden in den Fähigkeiten des Computerprogrammierens. Branchen aller Art beschäftigen Programmierer: Banken, Versicherungen, Automobilhersteller, Telekommunikationsanbieter — die Liste ist endlos. Jedes große Unternehmen verfügt über ein riesiges Datenbank- und Transaktionssystem und benötigt IT-Know-how. Bereits in den 1960er Jahren haben Künstler mit Videokunst angefangen, Kunstwerke und Kunstinstallationen zu schaffen, die technologische Mittel benutzen oder die Medientechnologie verändern, um ästhetische und sozialpolitische Belange auszudrücken: Neue Medienkunst, generative Kunst, Code Art, Virtual-Reality-Kunst, Roboter-Kunst, Bio Art, Ökosysteme-Kunst. In den letzten fünfzehn Jahren haben sich Künstler und Designer zunehmend für das Erlernen des Schreibens von Software-Code interessiert. Zudem kamen spezielle Entwicklungsumgebungen für Creative Coding auf, spezielle Toolkits für Künstler und Kreative, wie etwa Processing, openFrameworks, Cinder, Max / MSP und vvvv. Bisher haben Künstler und Kulturwissenschaftler das ererbte Verständnis von Programmieren kaum oder gar nicht in Frage gestellt. Es war selbstverständlich, dass Programmieren ist, was es ist, und dass Creative Coding lediglich eine Erweiterung der Liste der Kategorien von Personen ist, die lernen sollten, wie man programmiert. Die Vorstellung, dass das Programmieren in seinen Grundlagen geändert werden sollte und von Menschen entwickelt wird, die sich für Geistes-, Design-, Kunst- und Kulturwissenschaften engagieren, gewinnt gerade jetzt erst an Dynamik. Es sollte eine Reflexion über die Informatik und die Wiedereinführung der Ambiguität der poetischen Sprache in den Software-Code geben. Creative Coding sollte neue Wege einschlagen, um die Designmuster der Kultur zu verändern. Die Informatik sollte eine Hybrid-Disziplin werden, die die Technik und die Geisteswissenschaften zusammenbringt. Sie sollte sich mit einem Hybrid aus technischen und kulturellen Codes beschäftigen.

Die kulturellen Revolutionen der Programmierung Das Computerprogrammieren hat im Laufe der Zeit eine Reihe aufeinanderfolgender und unterschiedlicher Paradigmen und revolutionärer Paradigmenwechsel durchlaufen.

Diese scheinbar technischen Paradigmen sind in der Tat Wissensparadigmen, die einer Genealogie oder Abfolge kulturhistorischer Stadien entsprechen. Wir müssen die aufeinanderfolgenden Phasen oder Paradigmen der Informatik unter dem Gesichtspunkt des kulturellen und historischen Wissens sehen. In Wahrheit ist es gar nicht so einfach, zu sehen oder zu erkennen oder zu definieren, was die Informatik eigentlich ist! Informatiker, die als Experten in ihrer technischen Praxis ausgebildet sind, haben keine Perspektive auf sich selbst.

Deep-LearningAlgorithmen Deep-Learning-Algorithmen ergänzen aufgabenspezifische regelbasierte Algorithmen mit einer paradigmenwechselnden KI, die aus Erfahrungen lernt, sich selbst weiterentwickelt und die Muster und das Inferenz-Denken (inferential reasoning) benutzt, um entscheidungsunterstützende Erkenntnisse aus den massiven verfügbaren Daten zu extrahieren. Die „Andersheit“ der neuronalen netzbasierten künstlichen Intelligenz und des künstlichen Lebens ist eine „Alien-Intelligenz“ oder eine „posthumane Intelligenz“, die nicht mit der menschlichen Intelligenz identisch ist. Sie muss noch in ihrer eigenen autonomen „ästhetischen“ Form, ihrem ontologischen Status und ihren Ansprüchen auf Rechte und Anerkennung verstanden werden. Wie die Philosophin Luciana Parisi unterstreicht, betonen Deep-Learning-Algorithmen die Unsicherheit, die Unbestimmtheit von Ausnahmen, das Unberechenbare sowie eine Funktionsweise die mit Zufällen, Unfällen und Fehlern operiert. 2 Sie sind schon weit jenseits der früheren rational-kalkulierenden Informatik, die auf Gewissheit basiert war.

Moralische Algorithmen Ich interessiere mich für die Betrachtung heutiger Algorithmen in Bezug auf die Geschichte der Automatisierung, der Disziplin, Kontrolle, Simulation und Überwachung. Mein Blick richtet sich auf die Entwicklung eines alternativen Konzepts der „moralischen Algorithmen“ und deren zukünftiger Anwendung. Muss KI notwendigerweise die Fortsetzung der kapitalistischen und bürokratisierenden Automatisierung sein? Kann man ändern, was Automatisierung bedeutet? Die Automatisierung sollte die Gesellschaft und den Handel weniger bürokratisch gestalten. Sie sollte mehr Sensibilität für Ausnahmen und mehr Flexibilität in Bezug auf spezifische Umstände ermöglichen. Wie können Brücken zwischen Philosophie und dem Programmieren gebaut werden?

Künstliches Leben

Künstliches Leben ist vielversprechender als künstliche Intelligenz. Die Informatik basiert im Wesentlichen auf kombinatorischer Logik und behandelt Software als ein inertes „Ding“ (die Software kann nur das tun, was in sie vorprogrammiert wurde). KI kann nicht zu autonomem Denken führen, wenn sie als Kontinuität zur bisherigen Mainstream-Informatik aufgefasst wird. Wir müssen die Informatik grundlegend überdenken. Künstliches Leben ist eine Bewegung, deren Ziel es ist, Software „lebendiger“ zu machen. In den 1990er Jahren hat das Santa Fe Institute die Hypothese der Strong Thesis ALife als Idee, Software auf der Grundlage von Biologie und zellulären Automaten herzustellen, weiterentwickelt. 3 Von selbst-replizierenden Computerprogrammen wird gesagt, dass sie durch die Umsetzung der biologischen Analogien des komplexen adaptiven Verhaltens „lebendig“ sind. Software wird in Bezug auf organische Prinzipien der Selbstorganisation aufgebaut. Das beherrschende Digital-Binary-Computing basiert auf der sogenannten diskreten Logik klar getrennter Identitäten und Unterschiede. Was wir stattdessen brauchen, ist eine neue Logik von Ähnlichkeiten. Im Moment ist die Beziehung zwischen der ausführbaren Software (dem Ganzen) und den kleinsten Datenbank-Informationseinheiten (den Teilen) eine mechanistische Beziehung, basierend auf der Metapher der Maschine, einer Beziehung des Ganzen und seiner Bestandteile, wie ein Automotor. Was wir stattdessen mit ALife-Software wollen, ist eine Beziehung von Mustern oder Resonanz zwischen der Software-Instanz und ihren Datenelementen. Eine Beziehung wie die zwischen Noten und Komposition in der Musik oder der Ambiguität inszeniert in poetischen Wortketten.

oder sorgfältige Kontrollen und gegenseitigen Austausch. In der vorherrschenden Sichtweise sind Moral und Algorithmen gefangen in einem Dualismus, in dem sie streng voneinander getrennt sind. Moral kann eine Eingabe (Input) in die Verarbeitungsmaschine der KI sein, und moralische Konsequenzen können als Ausgabe (Output) von der KI auftreten. Diese Trennung von Prozess und Ziel erinnert an die Dissoziation zwischen Medien und Botschaft oder Form und Inhalt, die in Marshall McLuhans Medientheorie („the media is the message“) schon widerlegt wurde. 4 Moral sollte als fester Bestandteil immanent eingebettet sein, und nicht als dualistischer äußerer nachträglicher Gedanke hinzugefügt werden. Mich beschäftigen folgende wichtige Fragen: Wie kann eine Roadmap für die Migration von Deep-Learning-Netzen zu einer sich gegenseitig transformierenden dialogischen Beziehung zwischen Menschen und technologischen Einheiten entworfen werden, die Ethik und ökologische Nachhaltigkeit fördert? Wer macht die ethische Programmierung? Wie kann der Software relative Autonomie verliehen werden, ohne dass sie zu viel Leistung oder Macht erhält? Wie kann das ethische Verhalten der technologischen Wesen überwacht werden? 5

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Klaus Schwab, The Fourth Industrial Revolution, World Economic Forum, Genf, 2016. Luciana Parisi, AI (Artificial Intelligence), in: Rosi Braidotti, Maria Hlavajova (Hrsg.), Posthuman Glossary, New York, 2018. Christopher Langton (Hrsg.), Artificial Life: An Overview, Cambridge, 1995. Marshall McLuhan, Quentin Fiore, The Media is the Massage: An Inventory of Effects, Berkeley, 1968. Alan Shapiro, Die Software der Zukunft: oder Das Modell geht der Realität voraus, Köln, 2014.

Dialogische KI Den KI-Objekten oder -Wesen sollte mehr Autonomie in Design und Praxis eingeräumt werden (etwa zu sehen in Science-Fiction-Filmen wie Blade Runner, Ex Machina und Bicentennial Man). Ein solches Programm erweckt jedoch sofort den Verdacht, dass man das befürchtete negative Science-Fiction-Szenario der „Superintelligenz“ oder der „Singularität“ unterstützt — die apokalyptische Übernahme des Planeten durch eine maschinelle KI-Spezies (wie etwa in dem Science-Fiction-Film Matrix), die mächtiger als der Mensch geworden ist. Die Möglichkeit, dieses negative Science-Fiction-Szenario zu vermeiden, besteht darin, ein alternatives Szenario zu schreiben — um die Details der hin- und hergehenden „dialogischen“ Beziehung zwischen menschlichen moralischen Institutionen oder Akteuren und der KI sorgfältig zu gestalten. Wir brauchen ein System einer Partnerschaft

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Digitalisierung als der Lebenswelt Harald Welzer

Harald Welzer, �958 in Blissendorf bei Hannover geboren, ist Soziologe und Sozialpsychologe. Außer durch seine umfangreichen publizistischen und seine akademischen Tätigkeiten als Professor für Soziologie hat sich Welzer als Direktor  von FUTURZWEI. Stiftung Zukunftsfähigkeit und Herausgeber von taz.FUTURZWEI, einer Zeitschrift für Politik und Zukunft, einen Namen in der Debatten- und intellektuellen Streitkultur gemacht. Welzers jüngstes Buch trägt den T   itel Alles könnte anders sein: Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen und ist ���� im S. Fischer Verlag erschienen.

Unlängst zählte Toby Walsh, Professor für Künstliche Intelligenz (KI) an der australischen University of New South Wales, in einem Interview mit dem Tagesspiegel auf, worüber sich KI-Forscher heute Sorgen machen: „über selbstfahrende Autos, autonome Waffen, Fake News und Deep Fake, Filterbubbles und Mikrotargeting, also das gezielte Bewerben von Kunden und Wählern. Werden die neuen Technologien den Reichtum in den Händen von immer weniger Menschen konzentrieren? Wie viele verlieren ihren Job an Roboter?“ (Der Tagesspiegel vom 20.7.2019) Man könnte diese Sorgen mühelos um andere ergänzen, die mit der Digitalisierung zusammenhängen: Demokratiegefährdung, Verschwinden von Privatheit, Monopolbildung im Plattformkapitalismus, Überwachung, Cybermobbing, Verhaltensvorhersage, Energiehunger digitaler Anwendungen, Strahlenbelastung, Entgrenzung von Arbeit, informationeller Overkill, Hyperkonsumismus, Ökonomisierung von Sozialverhältnissen usw. usf. Tatsächlich bleibt kein gesellschaftlicher Bereich und keine kulturelle Praxis dem digitalen Einfluss entzogen, und auch wenn das Leben in den reichen Ländern in rasender Geschwindigkeit noch bequemer und konsumistischer wird, lassen sich zivilisatorische Fortschritte — also die weitere Verbesserung der Verhältnisse zwischen den Menschen — durch die Digitalisierung nicht erkennen. Eher scheint es so, als erlebe die Wachstumswirtschaft mit ihrer sich in alle Subsysteme ausbreitenden Steigerungslogik durch die Digitalisierung noch mal einen Dynamisierungsschub (der im Übrigen die enormen ökologischen und klimabezogenen Gefährdungen weiter verschärft). Shoshanna Zuboff hat die Digitalisierung mit einer „invasiven Spezies“ verglichen, die in alle Bereiche einer Biosphäre vordringt und in der Lage ist, ein ganzes

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Ökosystem aus der Balance zu bringen — ein spontan einleuchtender Vergleich. Da wir es aber nicht mit zoologischen Habitaten, sondern mit Sozialverhältnissen zu tun haben, die durch die Digitalisierung radikal verändert werden, müsste man (in Anlehnung an Jürgen Habermas) besser von einer neuen Kolonisierung der Lebenswelt sprechen, und zwar von einer, die so tiefenwirksam und radikal ist, dass sie buchstäblich alle Bereiche der Lebenswelt durchdringt. So lange diese Kolonisierung sich, wie bei Habermas, auf die ökonomische Durchdringung der Lebenswelt bezog, ließen sich noch Bereiche identifizieren, die sich dem Zugriff entzogen — Sorgeund Liebesverhältnisse beispielsweise, auch das Spielen oder das Beherrschen eines Instruments oder das Malen eines Bildes in rein privater Absicht. Mit der Digitalisierung ist die Ökonomisierung aber in alle lebensweltlichen Bereiche vorgedrungen — jedes für ein paar Wochen leere WG-Zimmer, jeder Beifahrersitz, ja jeder Kofferraum (als Zwischenlager für online bestellte Pakete) bietet inzwischen Gelegenheit zur Monetarisierung, jede Handlung und jede Äußerung ist Anlass für Bewertungen, jedes durch Informationssuche markierte Interesse, jede Bewegung im Raum, jede mediale Kommunikation ist Gelegenheit für die Erweiterung von Persönlichkeitsprofilen, die über Netzteilnehmer angelegt sind. Diese dienen der Verhaltensvorhersage, um wiederum Bedürfnisse zu erzeugen und am besten in Echtzeit zu befriedigen. Besonders bemerkenswert sind dabei zwei Faktoren: Erstens mit welcher Vehemenz die Kolonisatoren dabei vorgehen und zweitens wie wenig Widerstand ihnen entgegengebracht wird. Mehr noch: Die betroffenen Gesellschaften zeigen — mindestens in Gestalt ihrer Funktionseliten — nicht einmal besondere Neigung, das, was mit ihnen geschieht, als politisches Problem zu interpretieren und zu debattieren, geschweige denn als feindlichen Übernahmeversuch zu betrachten.

Dabei kann allein schon der messianische Duktus des Google-, Facebook- und AirBnB-Sprech an die Sprache von Kolonialherren erinnern: So wie man den Eingeborenen im 17. und 18. Jahrhundert den christlichen Gott (mit allen Mitteln) nahebrachte, so geht es heute ohne Unterlass darum, „die Welt zu einem besseren Ort zu machen“, „alle Krankheiten abzuschaffen“, „alle Probleme zu lösen“ und was dergleichen Heilsversprechen mehr sind. Wohlgemerkt: Es wird dabei nie berücksichtigt, dass die Probleme des menschlichen Zusammenlebens keine binären Probleme sind — wie Gewalt- und Machtverhältnisse zivilisiert werden und Ungerechtigkeit gemildert wird, sind (mit Heinz von Foerster) nicht-triviale Probleme und nicht auf wenn — dann-Logiken zu reduzieren. Die menschliche Lebensform existiert nicht in einem konditionalen Universum, sondern innerhalb von Beziehungsverhältnissen, die ihrer Eigenlogik nach nicht kausal und nicht-konditional sind — allein deswegen schon, weil Menschen alles, was ihnen als menschliche und nicht-menschliche Welt begegnet, interpretieren. Zwischen Bedingung und Folge, Ursache und Wirkung tritt in der menschlichen Lebensform daher immer etwas Unberechenbares, nämlich eine Deutung, und die fällt je nach dem kulturellen Rahmen, in dem sie stattfindet, unterschiedlich aus. Das ist ein weiteres Moment, das triviale binäre Logiken von den nicht-trivialen Logiken menschlichen Lebens prinzipiell unterscheidet. Menschen leben in historisch veränderlichen Kulturen, die ihr Überleben sichern und verbessern und als solche auf ihre Mentalitäten, Psychen und Selbstkonzepte zurückwirken. Man kann gerade das an der Digitalisierung wunderbar zeigen: Nachdem mit der Erfindung des Computers die Vorstellung in die Welt kam, ein menschliches Gehirn würde ebenso funktionieren wie ein Rechner mit komplexer Verschaltungsarchitektur, tauchte mit dem Internet die Gesellschaftsvorstellung auf, dass die Menschen miteinander „vernetzt“ seien (und

nicht etwa in Machtverhältnissen o.ä. existierten) — man interpretierte also das Dasein nach dem Modell eines Artefakts, das man selbst geschaffen hatte. Das ging weiter: zum Beispiel mit der Deutung von Daten als „Rohstoff“ oder von Maschinenlernen als „künstliche Intelligenz“ — alles gewissermaßen Rückinstallierungen von digitalen Programmen in die soziale Welt. Inzwischen ist man bei einer Weltsicht angelangt, wo es statt um politische Fragen der Gestaltung nur noch um „Optimierung“ von irgendwas geht — mithin um die Vorstellung, dass alles — von Institutionen bis zu menschlichen Körpern und Gehirnen — defizitär sei und daher „verbessert“ gehöre. Dabei hat sich eine Ideologie des messianischen Solutionismus ausgebreitet, die offenbar höchst erfolgreich die urkoloniale Absicht verbrämt, sich die Arbeitskraft, die Ressourcen, die Sinnsysteme und die Körper der Eingeborenen von heute anzueignen. Und die neuen Kolonialherren sind, ganz wie im analogen Kolonialismus: weiß, männlich, kulturell westlich — jedenfalls, was die überwiegende Mehrheit der IT-Spezialisten und der digitalen Wirtschaftsakteure angeht. Es ist ganz erstaunlich, dass dieser Sachverhalt weder im Feminismus noch im postkolonialen Diskurs skandalisiert wird. Vielleicht weil Smartphones so praktisch für Alle sind und die User in einer unterschiedslosen Masse von Datenlieferanten und Verhaltensgesteuerten vereinen, gleichgültig ob mit Gendersternchen oder ohne? (Schließlich sei es, so hielt mir in einer Radiodiskussion die Chefredakteurin einer politischen Wochenzeitung im vollen Ernst entgegen, zwar vielleicht so, dass vorwiegend Männer die Geräte und die Algorithmen entwickelten, aber es seien ja nicht zuletzt die Frauen, die sie benutzten.) Und schließlich: Hatten die Kolonialisierten zu Zeiten des historischen Kolonialismus darum gebeten, mit den Segnungen einer anderen Kultur, Religion, Herrschaft und Wirtschaft beglückt zu werden? Nein. Aber ebenso wenig scheint es heute der Rückfrage


Kolonialisierung Ü   ber die Optimierung  von Herrschaft und Knechtschaft

Wenn Menschen und ihre intellektuellen und physischen Fähigkeiten als grundsätzlich defizitär verstanden werden, ist es natürlich zwingend notwendig, ihnen mit den Errungenschaften der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz auf die Sprünge zu  helfen, sie also zu optimieren. zu bedürfen, ob denn die Mehrheit der Bürgerinnen eigentlich möchte, dass ihre Lebenswelt mit 5G-Antennen zur Installierung von „Umgebungsintelligenz“ ausgestattet, dass ihre Städte und Häuser „smart“, ihre Autos ferngesteuert werden und ihre Kinder in Schulen gehen, auf die wegen eines pädagogisch komplett unbegründeten „Digitalpakts“ iPads herunterregnen, natürlich von Apple. In technokratischer Selbstevidenz wird dies alles und noch viel mehr einfach exekutiert und selbstverständlich unterstellt, dass sei kompatibel mit den Verfahren einer modernen Demokratie und deren Souverän, dem autonom urteilsfähigen Subjekt. Aber gerade diese beiden Seiten — eine Gesellschaftsform, die individuelle Freiheit ermöglicht und ein Subjekt, das diese Freiheit autonom nutzt und verteidigt — stehen im Zentrum des neokolonialen Angriffs. Unlängst hat Andreas Bernard in seinem Buch Komplizen des Erkennungsdienstes dargelegt, dass die Formate der Selbstbeschreibungen und der wechselseitigen Überwachung von Verhalten, wie sie heute durch die Ortungsfunktionen der Smartphones und die eingebauten Dauermessungen von Schrittzahl und Schlafrhythmus allgegenwärtig geworden sind, ursprünglich der Psychometrie und Kriminologie entstammen, mithin der Kontrolle abweichenden Verhaltens dienten. Heute sind sie für alle Smartphone-User so veralltäglicht, dass die Verhaltensnormierung nicht erst bei irgendeiner manifesten Devianz einsetzt, sondern jede und jeder als potentiell abweichend definiert ist und dementsprechend alle Lebensäußerungen beständiger Kontrolle und — vor allem auch — quantifizierter Selbstkontrolle unterliegen. Seinen bizarrsten Ausdruck findet das in der Quantified-Self-Bewegung, deren Jüngerinnen und Jünger peinlichst darauf bedacht sind, alle ihre Handlungen quantitativ bewerten zu lassen, weil es — wie es einer ihrer Gurus formuliert hat — um „die Optimierung der menschlichen Existenz“ geht. Der Siegeszug der Fitbit-Armbänder und Apple

Watches genauso übrigens wie die extrem gestiegene Selbstaufmerksamkeit in Sachen Ernährung, Aussehen, Leistungsfähigkeit zeigen, dass die Verinnerlichung von Kategorien des Messens, Kontrollierens, Vergleichens und Bewertens selbstverständlicher Bestandteil alltäglicher Lebensführung geworden ist. Anders gesagt: dass etwas, was vor einer Generation noch als völlig unangemessener Eingriff in die eigene Urteilsfähigkeit und freie Lebensgestaltung empfunden worden wäre, heute ganz selbstverständlich als Verhaltensnorm gilt, der man gerne nachkommt. Adrian Lobe hat in einer ähnlichen Stoßrichtung in seinem im September erschienenen Buch Speichern und Strafen in Anlehnung an Michel Foucault herausgearbeitet, wie diese Kolonialisierung des Verhaltens sich in einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel übersetzt, in dem Herrschaft primär nicht mehr von gewählten Regierungen ausgeübt wird, sondern von privaten Institutionen der informationellen Versorgung, den Versicherungen und nicht zuletzt den in den Hosentaschen mitgeführten oder in den Wohnungen stehenden Verhaltenspolizistinnen namens Siri oder Alexa: „Die großen Internetfirmen Google, Amazon, Facebook und Apple mutieren zu parastaatlichen Akteuren, die Verhaltensregeln aufstellen (Siri rät dem Nutzer etwa vom Rauchen ab), Bevölkerungskontrollen durchführen oder Beweise für den Strafprozess führen.“ Mehr noch: Die großen Internet- und Kommunikationskonzerne installieren Infrastrukturen — von monopolistischen Suchmaschinen über soziale Netzwerke bis hin zu Datenübertragungsnetzen — die nationaler Souveränität schon deshalb entzogen scheinen, weil es die jeweiligen staatlichen Finanzhaushalte und der Stand der Forschung gar nicht zulassen, eigene Strukturen zu installieren. Darüber reproduziert sich ein neokoloniales System, in dem Google, Amazon etc. global alternativlos sind und das Ausscheren von Gesellschaften aus diesen Superstrukturen gar nicht ermöglichen.

Eine Ausnahme davon bildet China, das als bevölkerungsstarke Diktatur frühzeitig eigene Parallelstrukturen von Suchmaschinen, sozialen Netzwerken etc. aufgebaut hat, die es ab 2020 zu einem System der perfekten Verhaltenskontrolle ausbaut, das ein ganz neues Kapitel in der Geschichte des Totalitarismus aufschlägt. Verhaltenskontrolle bedeutet hier, dass erwünschtes Verhalten durch Vergünstigungen prämiert und abweichendes bestraft wird — die Daten dazu müssen nicht mehr von Geheimpolizeien und Spitzelarmeen erhoben werden, die liefern die Überwachten selbst. Und die finden, wie man hört, das deswegen gut, weil die Einfügung in die vorgegebene harmonische Ordnung von Freiheit, Urteil und Verantwortung entlastet. Vermutlich liegt genau in diesem Entlastungsangebot vom permanenten Selbstdenken und Selbstentscheiden auch in den formal freien Gesellschaften ein so hoher Attraktionswert, dass man sich den algorithmischen Normen willig unterwirft. Denn dass mit all dem die Subjektmodelle, mithin auch die kulturell geprägten Vorstellungen, die Menschen von sich selbst haben, tiefenwirksam geprägt werden, führt zu Konzepten, die eins zu eins zu den Absichten der Kolonisatoren passen: Wenn Menschen und ihre intellektuellen und physischen Fähigkeiten als grundsätzlich defizitär verstanden werden, ist es natürlich zwingend notwendig, ihnen mit den Errungenschaften der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz auf die Sprünge zu helfen, sie also zu optimieren. Foucault hat das die „Wechselwirkung von Herrschaftstechniken und Selbsttechniken“ genannt. Und wie die Einzelnen sich als defizitär und optimierungsbedürftig ansehen, wird auch ihre Lebenswelt definiert: als ein Universum ungelöster Probleme, die dringend der Bearbeitung durch digitale Anwendungen bedürfen. Im Ergebnis ist daran übrigens im Unterschied zur Selbstreklame der Digitalwirtschaft gar nichts disruptiv, denn es wird ja nichts im Grundsatz verändert, sondern lediglich

vorhandenes „optimiert“, ganz unbeschadet von der Frage, wozu es dient, worauf es eine Antwort sein sollte, ob es völlig unzeitgemäß ist oder immer schon blödsinnig war. Ivan Illich hat den zugrundeliegenden Herrschaftsmechanismus einmal so beschrieben: „Wenn Verhalten, das zum Wahnsinn führt, in einer Gesellschaft als normal gilt, lernen die Menschen um das Recht zu kämpfen, sich daran zu beteiligen.“ Und das bedeutet: Die Kolonialisierung der Lebenswelt beginnt dann perfekt zu werden, wenn die Herrschaft gar nicht mehr als eine äußere empfunden wird, sondern sich in verinnerlichte Normen und Selbstzwänge übersetzt hat, denen die Beherrschten freiwillig und zum eigenen Vorteil zu folgen glauben. Wenn man sich anschaut, mit welcher Willfährigkeit Politik und Institutionen, also Parlamente, Ministerien, Universitäten, Schulen, Kultureinrichtungen usw. ihre ureigensten Handlungsfelder durch digitale Geräte, Kontroll-Logiken, Überwachungen, Prüf- und Bewertungskriterien — kurz: Überformungen ihrer Praktiken und Kompetenzen — imprägnieren lassen, muss man erstaunt sein. Denn der Grund dafür liegt ja subtiler Weise darin, dass man offenbar mehrheitlich den Entwertungsrhetoriken der Kolonisatoren glaubt und folgerichtig zustimmt, dass alles, was man bislang getan hat, irgendwie „suboptimal“ und eben „defizitär“ gewesen sei. Das in der Tat ist der erfolgreichste Mechanismus kolonialer Herrschaft: die Unterstellung, dass die Beherrschten inferior, kindisch, unfähig und unzivilisiert seien, in deren Selbstbildern zu verankern. Vor diesem Hintergrund bedarf es in den liberalen Demokratien und ganz besonders in ihren Institutionen dringend eines antikolonialen Widerstands — gegen die Zerstörung eigener und eigensinniger Kulturen.

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(Vom) Schleif

der digitalen

Die Geschichte des künstlerischen Experimentierens mit neuen Medien ist wahrscheinlich so lang wie die Geschichte der Medien selbst. Das betrifft nicht zuletzt die digitalen Technologien und das Internet, die seit ihren Anfängen Gegenstand künstlerischer Praxis waren. Es betrifft auch die Diskussion rund um die Digitalisierung, die aktuell neuen Auftrieb bekommt. Als Kulturschaffender mit Digital-Fokus frage ich mich, was sich in der Arbeit von Künstlern und Kreativen, die sich schon länger mit digitaler Kultur und neuen Kunstformaten beschäftigen, wirklich verändert hat.

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Kristoffer Gansing ist seit 20�� künstlerischer Direktor des transmediale-Festivals. Der �976 in Schweden geborene Kurator und Medienforscher beschäftigte sich schon als Kind mit Computertechnik. Er ist Mitbegründer des Festivals The Art of the Overhead (2005), ein Pionierprojekt auf dem Feld der medienarchäologischen Kunstpraxis. In seiner Dissertation Transversal Media Practices (20��) untersuchte Gansing unter anderem, inwiefern die kulturelle und künstlerische Auseinandersetzung mit Medien dazu beitragen kann, technologische Entwicklungen neu zu konzipieren. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

Auf den ersten Blick handelt es sich scheinbar um eine Rückkehr zu den Themen der 1990er Jahre: virtuelle Realität, Immersion und künstliche Intelligenz sind Begriffe, denen heute die meiste Aufmerksamkeit zuteilwird. Natürlich gibt es Unterschiede in der Art und Weise, wie diese Begriffe heute genutzt und verstanden werden sowie in den dahinterstehenden technischen Realitäten. In Grammophon, Film, Typewriter schrieb der deutsche Medientheoretiker Friedrich Kittler bereits 1986, dass „das Medienzeitalter, im Unterschied zur Geschichte — die es beendet — […] ruckhaft wie Turings Papierband [läuft]“. 1 Heute scheint es im postdigitalen Zustand eher in parallelen Schleifen zu verlaufen, in denen die Vergangenheit immer wiederkehrt. Diese Schleifen sind jedoch oft leicht verzerrt und so verursachen ihre Rillen bisweilen seltsame Wiederholungen. Das Netzwerk interessiert mich als etwas, das innerhalb dieser Rillen leicht verstimmt existiert — ein vergessener Teil der Digitalisierung in der postdigitalen Phase, in der das Digitale zur Infrastruktur wird. Wenn wir uns dem Internet zuwenden, scheint dessen gehypte Version mittlerweile zu einem infrastrukturellen Rückgrat für datenabhängige Dienste und einer Plattform für die Streaming Economy geworden zu sein. Tauchen das Internet und Netzwerke jetzt in Diskussionen zu Auswirkungen der Digitalisierung auf, geschieht das häufig im Kontext eines „Backlash“ gegen die Netzkultur: Trolle, Filterblasen, Überwachungskapitalismus, Alt-Right-Gegenkulturen, Sucht, Überlastung, Propaganda, Betrug und Fake-News. Die von dem Internet-Soziologen Yochai Benkler stammende Umformulierung vom „Reichtum der Nationen“ in den „Reichtum der Netzwerke“ hat sich in die „Armut der Netzwerke“ verkehrt, denn mittlerweile sind eher die Grenzen als die endlosen Möglichkeiten der Netzwerke spürbar. Ein entscheidender Moment für meine eigene Generation war, als vor zwanzig Jahren Michael Hardt und Antonio Negri in Empire 2 durch die Postulierung von Multitude


en Kultur Die seltsame Wiederkehr des Netzwerks als Form disruptiver Gegenmacht erklärten, dass es kein Außen mehr gebe und somit jegliche Form von Widerstand nur noch von innen entstehen könne. Ironischerweise könnte auch der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft als Geschichte der zahlreichen Kämpfe gegen deren vermeintliches Außen, das seinerseits oft vernetzte Formen angenommen hat, erzählt werden — vom Krieg gegen den Terror und seiner „Achse des Bösen“ bis zur „Flüchtlingskrise“. Oder gar von den „Abgehängten“, den Verlierern der neoliberalen Demokratie und den Opfern der „Abstiegsgesellschaft“, die, wenn man so will, im Zentrum der Digitalisierung steht. Diese neue Unterklasse wird (leider oft) antidemokratisch mobilisiert mithilfe von Mainstream-Social-Media-Netzwerken. Trotz des negativen Einflusses solcher Bewegungen verweisen sie aber gleichzeitig auch auf das Potential von Netzwerken, ein Außen hervorzubringen. Vielleicht bietet dies auch Potential für eine neue gesellschaftliche Organisation in den Netzwerken und um sie herum, die auf neue politische Realitäten ausgerichtet ist. Dies könnte auch eine Chance für progressivere Kräfte sein, sich wieder proaktiver mit der Netzwerkfrage auseinanderzusetzen und deren jetzt greifbarere Grenzen mit zu berücksichtigen. Wir brauchen eine neue Diskussion über die Grenzen von Netzwerken im Rahmen der Digitalisierung, als Vermessung davon, was Netzwerkkultur war und sein könnte oder auch nicht. Wir brauchen eine solche Diskussion, um neue Möglichkeiten zu entwickeln, diese infrage zu stellen oder zu reformieren. Das Netzwerk ist nicht länger Antwort auf alles, sondern eine spezifische Möglichkeit innerhalb einer neuen politischen postdigitalen Landschaft. Die seltsame Wiederkehr des Netzwerks.

End to End

kulturellen, ökonomischen (und so weiter) Transformation, die einfach nur als Digitalisierung bezeichnet wird, möchte ich gern die Frage stellen, welchen Status das Netzwerk heute hat. Diese Frage soll sowohl das länger bestehende Paradigma des Netzwerkidealismus im 20. Jahrhundert, also die Netzwerkvorstellung als positiven gesellschaftsorganisierenden Faktor einbeziehen, als auch das, was wir als tatsächlich existierende Netzwerkkultur bezeichnen können, wie sie sich ab den 1990ern mit dem technischen Netzwerk des Internets und des World Wide Web entwickelt hat. Ich glaube, dass wir heute eine Normalisierung digitaler Kultur erleben; dies stellt aber gleichzeitig eine rückläufige Tendenz dar, zumindest, wenn wir an die radikalen Ansätze denken, die teilweise die Entwicklung in den 1990er Jahren sowie die oft vergessene Phase der frühen 2000er Jahre, kurz vor der sogenannten Web 2.0-Ära, Die Vorstellung oder das Ideal vom Netzwerk vorangetrieben haben. Heute wären statt drückt sich für mich gut aus durch den Flu- des gegenwärtigen „Digitalisierungswahns“ xus-Künstler Robert Filliou und seine Vision die politischen und visionären Ansätze der vom Ewigen Netzwerk. 1967 veröffentlichten 1990er Jahre sowie die Demokratisierung Filliou und George Brecht ein Gedicht mit und Breitenorientierung der Netzkultur Ander Zeile „The Network is everlasting“ — das fang der 2000er Jahre wünschenswert. Dies Netzwerk ist immerwährend. Es handelte müsste natürlich vor dem Hintergrund passich dabei um ein Vor-Internetkultur-Ge- sieren, dass sich Geschichte nicht wiederhodicht, das die Vernetzung alltäglicher Hand- len lässt — doch kann sie dennoch als Inspilungen in einer zunehmend globalisierten ration dienen, die Gegenwart zu überdenken. Welt zelebriert und auch das Postsystem zur Kommunikation und Kunstproduktion nutzt. Filliou entwickelte dies zu einer poe 1 Kittler, Friedrich. 1986. Grammophon, Film, Typewriter. Berlin: Brinkmann tischen Vorstellung von einem „ewigen Netz& Bose. 33 werk“ weiter. Dieses Konzept können wir 2 Hardt, Michael & Antonio Negri. heute als Bezugspunkt für die Möglichkeit 2000. Empire. Globalization der End-to-End-Kommunikation nutzen, die as a New Roman Order, Awaiting its sich über die technische Realität der „tatEarly Christians. Cambridge, M.A.: Harvard University Press sächlich existierenden“ Netzwerkkultur, wie wir sie heute kennen, hinausentwickelt. Das ewige Netzwerk schließt in gewisser Weise den Kreis von Vor- zu Post-Internetkultur. Es ist diese Verbindung, die den Zugang zur Netzkultur des nächsten transmediale-Festivals inspiriert. Es stellt den Versuch dar, die Grenzen von Netzwerken als kulturelle und ästhetische Vorstellungswelt und technologische Form zu erkunden und sich mit vergessenen sowie möglichen Zukunftsszenarien mit und ohne Netzwerke zu beschäftigen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf das Erbe kritischer Internet- und Netzwerkkulturen gelegt, die in den 1990ern in Europa und im Globalen Süden als Alternativen zu den unternehmerischen Idealen und dem Solutionismus des Silicon Valley entstanden. Fake News-Überwachungs-Kapitalismus und den datenkolonialistisch vernetzten Welten, in denen wir heute leben. Aber End to End ist nicht nur ein begehrtes Gestaltungsprinzip in Netzwerkarchitekturen. Ich behaupte, dass es heute auch für ein neu aufkeimendes Verlangen nach intimeren und direkteren Beziehungen mit anderen Individuen und Infrastrukturen steht, auch zu Beziehungen ohne das Netzwerk — in anderen Worten: Es spiegelt den Wunsch nach Disintermediation. Das ist paradoxerweise auch Ausdruck eines ganzheitlichen Ideals, die Kontrolle über den gesamten Prozess wiederzuerlangen … End to End.

T   he Eternal Network

Die meisten dieser Gedanken entstammen dem Rechercheprozess zum nächsten transmediale-Festival, das Anfang 2020 in Berlin unter dem Titel End to End stattfindet. End to End steht für ein Prinzip vernetzter Kommunikation, das den sicheren und direkten Informationsaustausch zwischen Nodes (Netzwerkknoten) ermöglicht — ohne Vermittler oder zumindest so, dass Vermittler — technisch oder menschlich — die Kommunikation nicht stören oder manipulieren. End to End verkörpert die Idee des Netzwerkidealismus und dessen Glauben an eine neutrale, dezentrale Kommunikation. Gleichzeitig wirkt das Prinzip zu Zeiten eines umfangreichen Netzwerk-Backlashs etwas unzeitgemäß, wie ein Anachronismus In Zusammenhang mit der weiteren gegenund weit entfernt von dem postfaktischen wärtigen technologischen, gesellschaftlichen,

Fazit

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transmediale Festival für Kunst und digitale Kultur Haus der Kulturen der Welt 28. �. 2020 — �. �. 2020 Die transmediale gilt als eines der weltweit wichtigsten Festivals für Kunst und digitale Kultur. Sie gehört zu den kulturellen Spitzeneinrichtungen in Deutschland und wird von der Kulturstiftung des Bundes seit 2004 gefördert. Die transmediale bringt seit mehr als 30 Jahren internationale Künstler, Forscherinnen und Aktivisten zusammen, um neue Sichtweisen auf den technologischen Wandel und dessen gesellschaftliche Wirkung zu entwickeln. Die kommende Ausgabe E2E (End to End) wird Netzwerke und deren Grenzen untersuchen und nach vergessenen und möglichen Zukunftsszenarien mit und ohne Netzwerke forschen. Inspiriert sind die einmonatige Gruppenausstellung sowie die Festivalwoche von der Geschichte der unabhängigen Internetkulturen der frühen �990er Jahre. Mit E2E wird Kristoffer Gansing seine neunte und letzte Ausgabe kuratieren. →     #transmediale2020 →     www.transmediale.de


Stören und Send neueste digitale Nikola Richter Login

Nikola Richter ist Verlegerin und Autorin. Sie lebt in Berlin. Mit ihrem unabhängigen Verlag mikrotext, einer der Preisträger des Deutschen Verlagspreis 20�9, veröffentlicht sie neue Narrative und Texte mit Haltung und betreibt einen digitalen, literarischen Freundeskreis.

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Als an der University of California in Los Angeles am 29. Oktober 1969, also vor ziemlich genau 50 Jahren, Professor Leonard Kleinrock mit seinem Team die erste Nachricht zwischen vernetzten Computern versendete, war dies einer der Grundsteine für die Technologie des Internets, eine Technologie, bei der Rechenmaschinen miteinander vernetzt Inhalte kommunizieren. Bezeichnenderweise brach der Computer beim ersten Versuch, die Nachricht zu versenden, zusammen. Beim zweiten Versuch verkürzte der Computer die Nachricht und sie kam abgeschnitten an: Statt „Login“ empfing die andere Seite nur die Hälfte des Wortes: „Log“. Am Anfang war das Wort, aber am Anfang waren auch ein Systemabsturz und eine quasipoetische Sprachhandlung. Ich möchte auf Basis dieser Anekdote eine Definition für die literarische Handlung festlegen, so wie sie heute im und mit dem Internet stattfindet: Der Absturz symbolisiert einen nicht planbaren Überraschungsmoment und das Schicken der Message stellt eine schöpferische Handlung dar, die zwei Seiten braucht, den Sender und den Empfänger. Diese Urdefinition von digitaler Literarizität enthält also gewissermaßen zwei Elemente: immanentes Stören und prozesshaftes Versenden. 1 Ich werde Beispiele digitaler Literatur vorstellen, ohne sie konzeptuell einzugemeinden. Ich werde beschreiben, wie sie senden und wie sie stören. Wie sie sich von bekannten Genres emanzipieren, neue literarische Traditionen erschreiben und Aktionen gegen einen monokulturellen Literaturbetrieb, ja, eine monokulturelle gesellschaftliche Erzählung darstellen. Sie stehen gewissermaßen in der Tradition der „kleinen Literatur“, welche Deleuze und Guattari so brillant an Kafkas kleinen Texten erläutert haben.2 Eine „littérature mineure“ hat folgende Kennzeichen: eine Deterritorialisierung der Sprache, die Verknüpfung des Subjektiven mit dem Direkt-Politischen, eine kollektive Anordnung der Aussage. Digitale Literaturen erneuern sprachliche Möglichkeiten von einem „überall“ her, sie sind also per se „deterritorialisiert“. Sie enthalten, auch wenn sie einen individuellen Absender haben, ein diffuses Wir oder eine anonyme Nichterkennbarkeit. Und sie durchbrechen den Strom der digitalen Nachrichten, Algorithmen und Archive mit Texten, die einen Dialogeffekt in sich tragen, die immer ein Gesprächsanfang sein können — denn sie sind kommentierbar. Ich teile diese digitalen „kleinen Literaturen“ in drei verschiedene Ausprägungen ein, je nach der Art und Weise der Herstellung: Plattform-Literatur, die direkt in sozialen Medien entsteht und dort zuerst veröffentlicht wird, Hashtag-Literatur, eigentlich eine Unterform der Plattform-Literatur, aber sortierbar durch das immergleiche, von Autor oder Autorin oder Mitschreibern gegebene Schlagwort, und Code- und Bot-Literatur, für die zunächst ein Computerprogramm

erstellt werden muss, das dann wiederum automatisiert neue Texte generiert. Alle diese Literaturen haben gemeinsam, dass sie offen und unbeendet sind. Sie sind prinzipiell weiter schreib- und lesbar, sie sind prozesshaft, sie weisen von der Gegenwart in die Zukunft. Damit sperren sie sich gegen den vorherrschenden einheitlichen, abgeschlossenen Werkbegriff. Die Grundvoraussetzung für alle diese Literaturen ist die Erkenntnis, dass wir uns im Zeitalter des „Webism“ befinden, so bezeichnete es das US-amerikanische Magazine n+1 in einem Essay im Jahr 2010: Das Internet „felt from the first less like a technology and more like a social movement — like communism, like feminism, like rock and roll.“ 3 Webism durchdringt mittlerweile alle Aspekte unseres mitteleuropäischen Lebens. Daraus ist zu schlussfolgern, dass auch digitales Lesen und Schreiben sowie die Beherrschung oder gar Neuprogrammierung digitaler Werkzeuge heute eher eine Norm denn eine Abweichung im literarischen Feld darstellen. Und dass das störende Senden innerhalb dieser digitalen Rahmungen eine notwendige schöpferische Handlung darstellt.

PlattformLiteratur Internet wenn ich in deine unsichtbaren Augen schau fühle ich mich als blickte ich in die ganze Welt.

Puneh Ansari 4 ist eine in Wien lebende Autorin. Sie schreibt auf Facebook Statusmeldungen über kapitalistische Irrwüchse, die Mondlandung, die WM oder brutale Pinguine, über die Pubertät oder über das TV-Programm. 2017 ist eine Auswahl davon als Buch in meinem Verlag mikrotext erschienen, Hoffnun’, mit fehlendem G, anglisiert sozusagen. Es sind selbstbewusste Kommentare zum Zeitgeschehen, die stilistisch die sprachliche Verknappung aus Chat-Apps imitieren und inhaltlich aktuelle Themen wie ein Irrlicht durchwandern. Dadurch wirken sie rasant, intim, wie eine beiläufig dahingeschriebene persönliche Botschaft. Mit ihren polemischen „stream of conciousness“-Gedichten oder poetischen Kurzessays bricht Ansari den Flow der banalen, alltäglichen, politischen Meldungen, die oft Facebooks Ströme dominieren. Dabei reflektiert sie meist auch die Bedingungen des digitalen Universums, in welchem die Texte entstehen.

Facebook ist das Kommunending vom 21. Jahrhundert Alle liken alles von Allen und sharen alles mit Allen als gäbs keine Viren kein Aids u kein Morgen. & dann wundern sie sich dass die Geschlächtskrankheit SIE trifft ihr eigen fleisch & blut ihr liebstes hab & gut ihr macbooc3000 Dann kommen sie plötzlich drauf dass sie zu wenig Zeit mit ihrer Familie verbracht haben und werden existenziell Ähnliches tun auch andere Plattform-Autorinnen. Eine der bekanntesten im deutschsprachigen Raum ist wahrscheinlich die österreichische Autorin und Cartoonistin Stefanie Sargnagel, die 2016 mit dem Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettlesen ausgezeichnet wurde und damit im klassischen Literaturbetrieb angekommen ist. Die anonymisierten Callcenter-Monologe aus ihrer Arbeit in einer Adressauskunftei, die sie auf Facebook postete, machten sie bekannt, aber auch kurze ironische Raps, Aphorismen, Beobachtungen. Sie polemisiert deutlich gegen antidemokratische und ausgrenzende Positionen als eineArt digitale Humanistin und kämpft für das Matriarchat, nicht nur mit der Burschenschaft Hysteria. Axel Rühle nannte sie in der Süddeutschen Zeitung „eine der mutigsten Stimmen Österreichs“. Sargnagel wird definitiv auch außerhalb der sozialen Medien wahrgenommen, mittlerweile angefeuert durch die hämische Berichterstattung, welche die österreichische Boulevard-Presse über sie verfassen zu müssen meint. Der Berliner Übersetzer und Dramaturg Oliver Kontny verwendete jüngst für eine andere Plattform-Autorin, die in Berlin lebende Eliza Aseva 5 den Begriff der „Bubble Poetin“. Aseva versteht sich selbst nicht als Dichterin, aber „mit dem Bubble-Zusatz“ ginge es schon, wie sie mir in einem Chat schrieb. Kontny verwendete den Begriff eigentlich ironisch, da Aseva auf Facebook von einem Kritiker als „linkes Bubble-Wesen“ verunglimpft worden war. Der Vorwurf: Sie schreibe „blumige Gedichte“, die „außerhalb besagter Bubble einfach keiner versteht“. Erstaunlicherweise empfanden das ihre Leser und Aseva selbst aber eher als Kompliment. Aseva hält urbane Beobachtungen fest, die einerseits hart kommentieren oder auch zärtlich konstatieren: passiv-aggressive Pärchengespräche am Nachbartisch, rassistische Kommentare ihr gegenüber, die Sommerbrise unter dem Sommerkleid. Der Effekt bei den Bubble-Leserinnen ist eine Solidarisierung mit ihrer poetischen und ihrer beobachtenden Position. Die Störung, die sie aussendet, verändert und bewegt die „Bubble“ um sie herum. Die „Blase“ aus Lesern, also derjenigen, die ihren Kanal abonniert haben, ist Lesepublikum und Echokammer. Die Facebook-Posts sind also gerade nicht Tagebuch oder Brief, diese klassischen Genres des privatistischen Schreibens. Sie sind


en: Literaturen  Versuch einer Systematik autofiktional 6 und lassen die Grenzen zwischen einem literarischen und einem schreibenden Ich verschwimmen. Puneh Ansari beschreibt in einem Podcast 7, wie manche Leserinnen unter ihren Texten kommentieren, „als wenn ich eine Seite wäre“, „als wären wir im Krieg, so als müsste ich mich verteidigen“. Ihre Autorschaft wirkt identifizierbar, sie selbst wird verantwortlich gemacht und daher angreifbar, von außen, aber ihre Autorschaft ist eine fluide, inszenierte, eben keine klar gelayoutete, fixierte „Seite“. Der junge Lyriker René Kartes wies mich darauf hin, dass „es über Tumblr eine mehr oder minder große Szene von Lyrikern und Lyrikerinnen gibt, die ihre Texte über diese Blogs quasi auf regelmäßiger Basis veröffentlichen.“ Es sind „anonymisierte Poesie-Räume“, wie er mir erzählte, welche auf unterschiedlichen Blog-Systemen erschrieben werden. Diese lösen den Kult um eine verehrungswürdige Dichterpersönlichkeit komplett auf, denn der Dichter oder die Dichterin bleiben namenlos oder tragen einen fiktiven Namen. Der jeweilige Text und ein wie auch immer geartetes Profil erzeugen nun die Identifikation: „Beim instantanen Schreiben stellt man nicht dar, wer man ist oder gesellschaftlich determiniert sein solllte, eher schon performt man eine ständig aktualisierte Version seines Ideal-Ichs, unendliches S ̒ elfie-Publishing'.“ 8 Wir haben hier also eine „Post Lit“ vorliegen, eine, die aus „Postings“ besteht, oder eine „Status Lit“, die die „Statusfrage“ eines sozialen Netzwerks wie Facebook wie „Was machst du gerade?“ literarisch einlöst. Es ist „Plattform-Literatur“. Sie bedient sich einer kommerziellen Web-Plattform als momenthafter Schreib- und Veröffentlichungsort. Dabei gibt die Plattform den Rahmen der Texte vor, etwa die Länge, die Lesbarkeit, die Vernetzungsmöglichkeit zum Beispiel über Tags, Hashtags oder Links. Puneh Ansari empfindet ihr digitales Schreiben als ein „untergenre von schreiben’ f mich oder irgendwas überhaupt menschen am computer’ es ist eine neue kommunikativere’ u flüssigere form der schriftlichen kommunikation das machts vielleicht manchmal so stressig noch leute kippen auch noch so voll rein.“ (sic)

Die weltweit berühmteste dieser PlattformPoetinnen ist wahrscheinlich Rupi Kaur  9, deren Lyrikband Milk and Honey sich über 2,5 Millionen Mal verkauft hat. Ihre kurzen Texte veröffentlichte sie ab 2013 zuerst auf Tumblr, dann wechselte sie mit ihren kurzzeiligen Gedichten, meist von einer Zeichnung begleitet, zu Instagram. Kaur lebt in Kanada und schreibt über Freundschaft,

Körper, Gewalt, Trauma. Die New York Times nennt sie und andere „Instapoets“ die wichtigsten Lyriker unserer Zeit, trotz der Kritik, deren Texte seien meist banal und naiv. Denn sie erreichten mit ihren „aphoristischen, konfessionellen und inspirierenden Versen“ Menschen, die sonst nie Lyrik lesen. 10 Toan Nguyen von der Werbeagentur Jung von Matt begründet den Erfolg von Instapoetry in der „emotionalen Teilhabe“, die bei Instagram ausgelöst werde; die Leser fühlten sich für die Kanäle, denen sie folgen, mitverantwortlich. 11 Wenn das Publizieren nur einen „Klick“ braucht, schafft es einen unhierarchischen Zugang zu Leserinnen; keine Verlegerin, kein Chefredakteur muss gefragt werden. Neue Stimmen können hörbar werden. Das ist Demokratisierung der Produktionsmittel im Marxschen Sinne. Seit 2005 gibt es Twitter mit mittlerweile 330 Millionen Nutzern, seit 2004 Facebook mit mittlerweile 2,2 Milliarden Nutzern, seit 2010 Instagram mit mittlerweile 1 Milliarde Nutzern. Es ist nur schlüssig, dass dort auch Plattform-Literatur entsteht. Und meist, wenn die Algorithmen aufmerksam werden, wenn die Likes wachsen, verlassen diese Literaturen ihre Plattformen und werden Buch, Podcast, Veranstaltung, Interview. Der Leipziger Philosoph und Autor Jan Kuhlbrodt empfindet ein „Glücksgefühl“, wenn Texte im Netz „Erkenntnis“ vermitteln: eine sehr klare Definition von Literarizität. „Vielleicht war es schon immer so“, schreibt er in seinem Essay Über die kleine Form weiter, „das Netz schon immer vorhanden; lag unbemerkt über den Dingen und hat sich mit dem Computer und dessen Zusammenschluss mit anderen Computern erst realisiert.“ 12 In der Plattform-Literatur wird das Vernetzte des Einzelnen mit der Welt sichtbar. Nochmal Puneh Ansari: „Der Hauptunterschied ist dass ich auf fb alles mögliche schreib was im Moment ist und beim SchreibenSchreiben eben setzt man sich hin und schreibt was.“ #hunderthjahreinternet jetzt wo ich in der verbannung lebe auf einem schottischen moosfels auf einem orgelwachturm aus kupfer und kein fernseher mehr da ist, die selbstmisshandlung durch den internetkonsum zu betäuben, in der betäubung dem bewussten zu entwenden und in den unbewussten schlund der magengrube wegzusperren, ist diese sofakonstellation mit dem tvschrein obsolet geworden. ich könnte das sofa umstellen, noch ohrensessel und fauteuils hinstellen und einen salon machen wo sich die elite trifft und über die geschehnisse des fernsehens diskutiert in legendären abenden voller urbaner mythen bei brötchen und absinth. oder lesekreise oder malkreise, bastelkreise, internetzirkel, mondmessen, und so etwas. fin de siecle II

HashtagLiteratur Eine der faszinierendsten Funktionsweisen am heutigen Internet ist, dass jeder seine eigenen Inhalte selbst verschlagworten, also indexieren kann. Wer dies tut, ermöglicht es sich und den Usern/Leserinnen, sie in der Masse der Inhalte anhand dieses Schlagwortes leichter aufzufinden — und sich diesen Schlagworten mit eigenen Meinungen und Ergänzungen anzuschließen, den Text zu kollektivieren. Der Hashtag vereinfacht also das kollaborative Schreiben und Lesen sowie eine individuelle Archivierung. Er ist Störung, weil er oft auch sehr kryptisch wirkt oder verkürzt wird, oder auch komisch, ein Sprachspiel in sich selbst. Gleichzeitig dient der Hashtag als Kleber und Konnex für das gemeinsame Weiterspinnen von Gedanken, Textfragmenten, Themen.

„Präraffaelitische Girls, was ist eigentlich ‚digitale Literatur’?“ „Digitale Literatur ist Literatur, die von Menschen unter digitalen Bedingungen produziert wird und dies mediiert.“ Auch ein Chat auf einer Dating-App kann, mit einem Hashtag versehen, zu einem literarischen Dokument werden: auf der Plattform Jodel wurde #ichwillihnberuehren zu einer digitalen Romanze, die mit folgendem Status begann: Ich (m) habe mich in einen Kumpel verliebt und jetzt liegt er in Boxershorts neben mir im Bett. Sollte er sich offenbaren? Ja oder nicht? Mithilfe des Hashtags verfolgten die Jodel-Nutzer quasi live den Beginn einer Lovestory, welche dann ein happy ending hatte und später als Buch erschien. 15

Code- und Bot-Literatur Eine der Vorreiterinnen der deutschsprachigen Hashtag-Literatur ist die Verlegerin Christiane Frohmann. Sie verlegt nicht nur neue digitale Literaturen, sondern schreibt unter dem Twitter-Kanal @ PGexplaining 13 feministisch über gesellschaftliche, politische, literaturbetriebliche Themen, auch über Missverständnisse des Digitalen. Dazu bedient sie sich etwa der viktorianischen Gemälde der Präraffaeliten und verbindet deren schon historische Bildkraft mit kurzen wiedererkennbar kämpferischen Statements, auch und immer die digitale Bedingung mitreflektierend. Die „schöne Leiche“, so Frohmann, „hart am Kitsch“, schaue nämlich immer „leicht genervt“, so dass sich hier eine kritische Distanz zum männlichen Blick vermittelt. Die Störung besteht hier in der Reinterpretation von männlichen Kunstwerken und in der Text-Bild-Schere, einem Mittel der Meme-Kultur. Viele der Bildunterschriften sind dialogisch gehalten, das heißt, die Girls werden etwas gefragt und antworten. Die Präraffaelitischen Girls sind hier nicht nur ein sprachliches, sondern schon ein visueller Hashtag. Sie sind nicht mehr stumme, blasse, halbnackte Anschauungsobjekte. Sie halten — digitale —  Widerrede. Hashtag-Literatur erweitert das Genre der seriellen Literaturen. Das Serielle eignet sich gut zur Vervielfältigung in anderen Medien, etwa auf Papier. Damit verweist die Hashtag-Literatur bereits auf das Post-Digitale als Möglichkeit, ohne es explizit zu fordern. 14 Mittlerweile gibt es die Präraffaelitische Girls erklären das Internet natürlich schon als Buch, und sie wurden auch schon ins Englische übersetzt.

Eugene Kudashev 16, „writer, artist, person“ wartet auf mindestens 50 Abonnenten, bevor er einen Newsletter startet. Auf seiner Website steht (ich übersetze aus dem Englischen): „Warum eine E-Mail? Warum noch ein Newsletter? Nun, anscheinend ist dies die einzige Möglichkeit, die algorithmische Zensur zu umgehen: Alle sozialen Netzwerke präsentieren Inhalte in einem Feed, und man kann nicht wissen, was genau vor ihnen verborgen bleibt und wer genau was sieht, was zumindest sehr ärgerlich ist. Also bleibt erstmal nur die E-Mail, bis wir zu einem besseren Internet kommen.“ 17 Widerstand im Netz durch Newsletter, das wirkt konservativ, ist aber sehr naheliegend — konsequenterweise vom eigenen oder Großkonzern unabhängigen Server abgeschickt und nicht von Googlemail.

Widerstand kann man auch leisten, indem man seine eigenen Algorithmen schreibt. Das tat Eugene Kudashev ebenso: Die von ihm programmierte Webseite rupi or not 18 schlägt automatisch generierte Gedichtzeilen und von der Dichterin Kaur geschriebene Verse vor, und man soll im Browser erraten, von wem sie stammen. Kudashev hat die

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„falschen“ Rupi-Gedichte wiederum nicht selbst generiert, sondern bedient sich bei dem Rupi-Kaur-Generator von Albert Xu. Denn auch wenn der Bot den Robot in sich trägt, diese menschengleiche, doch non-humanoide Gestalt, ist er nicht ohne menschliches Zutun entstanden. Er beruht auf Schrift, Sprache, Programmierung: Mensch/en mussten ihn und seine TextauswahlKonzepte eingeben, festlegen, entscheiden. Solches tut in Deutschland etwa das Kollektiv 0x0a, bestehend aus Hannes Bajohr und Gregor Weichbrodt. Sie schreiben Softwareprogramme, die einen thematischen Textkorpus nach einer bestimmten Regel absuchen. Daraus wird ein neuer Text generiert und sortiert, Sprache wird deterritorialisiert. Diese konzeptuelle digitale Literatur macht die in Sprachsammlungen zugrunde liegenden Ordnungen sichtbar und verdichtet diese. Die angewandte Sortierung ist als Konzept Teil dieser Bot-Literatur. So entsteht eine aufklärerische Literatur, die digital ist, weil sie auf digital verfügbaren Textsammlungen (auch ganzen literarischen Werken) und auf Code basiert. Der Text Wendekorpus 19 von 0x0a, zuerst in der Literaturzeitschrift EDIT erschienen, benutzt beispielsweise das folgende dem Text dazugestellte Verfahren: „Die aus 3,23 Millionen Einträgen bestehenden Wendekorpora West+Ost des Deutschen Referenzkorpus (DeReKo-2013-II) mit Cosmas II 3.11 nach mit ‚wir’ beginnenden Sätzen von exakt sechs Wörtern Länge durchsucht; Fragmente entfernt, alphabetisch sortiert.“ Ein Auszug:

Wendekorpus aber auch gleich das Kollektive wieder. Er enthält nicht nur den ausgelesenen Metatext des Programmskripts, sondern auch die Vielstimmigkeit des vorliegenden Textkorpus, also „Textsendungen“ anderer Autorinnen, eines anonymisierten Wirs. Das ist keine Spielerei, sondern ein Erkenntnismoment, der unsere Wahrnehmung der Wende als einer „Wir sind das Volk“-Wende hinterfragt. Denn das Volk spricht vielleicht mit einem Wir, aber es hat nicht nur eine Stimme.

Günter Vallaster weist in einer Besprechung des Buches datenpoesie des österreichischen Code-Künstlers Jörg Piringer  20 darauf hin, dass die Code Poetry Szene noch relativ klein sei, „aber sehr aktiv und miteinander vernetzt“. Als weitere Vertreter , neben Piringer und 0x0a, nennt er Nick Montfort, der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Digital Media lehrt, Zuzana Husárová und Richard Kitta in der Slowakei. In Wien findet 2019 bereits zum vierten Mal der Code Poetry Slam statt, der viele einzelne Vertreter dieser Literatur vorstellt und so definiert: „Code Poetry ist in erster Linie, was ihr daraus macht: Von Gedichten, die in Pseudoprogrammiersprachen verfasst sind, bis zu Oden in C++, von Spoken Word Texten wir wollen gleiches recht für alle in Maschinensprache bis hin zu ausführwir wollen ihn mit allen gehen wir wollen jetzt keine panik erzeugen baren Shell Scripts, die euren Laptop in wir wollen nicht kneifen, sondern W.B. Yeats verwandeln — das alles und noch kämpfen viel mehr kann Code Poetry sein. Wir wolwir wollen nicht länger seiltänzer sein len eine Schnittstelle zwischen Sprachen wir wollen nicht ohne gedächtnis leben auf allen Ebenen schaffen, neuartige Ansätwir wollen recht und keine rache! ze in der Verschmelzung von Literatur und wir wollen recht und nicht rache! Technik.“ 21 wir wollen, daß unser land gesundet Auch in dem von Andreas Bülhoff online wir wollten keine leere worthülse herausgegebenen, kostenlos downloadbaren verwenden PDF-Zine sync versammelt sich eine Szene, wir wollten nicht in verruf geraten die die Reflexion über das Analoge in die diwir wollten nur das alte stürzen gitalen Reflexionen mit einbezieht. Bülhoff wir wollten so sehr geliebt werden schrieb mir in einem E-Mail-Interview: „Seit wir wurden oft nicht ernst genommen 2018 habe ich 50 zines publiziert, in denen wir wußten nicht, wo es hingeht ich mich mit Text unter postdigitalen Bedinwir zücken stifte, stellen gungen beschäftigt habe. Also wie sich Leaufnahmegeräte an sen, Schreiben und Textdarstellungen durch den Wechsel zwischen analog und digital verändern, welche Standards wirken und welche Potentiale dabei freigesetzt werden können. Manche der zines funktionieren nur digital und verlieren Effekte durch das Ausdrucken z.B. Void 22, bei dem weißer Text im PDF markiert werden kann und dadurch lesbar wird, andere werden erst in Druck und Broschürenbindung sinnvoll, z.B. Print 23, das sich mit unsichtbaren Farbcodes beschäftigt, die Drucker Dieser Text ist klar als Gedicht erkennbar: als Markierung auf Ausdrucken hinterlasgleich lange Zeilen, die mit einer Anapher, sen oder Sort 24, das sich mit dem Verhälteinem gemeinsamen Klang beginnen. Aller- nis von richtiger und falscher Seitensortiedings sprengt dieses Gedicht den Umfang rung im Broschürendruck auseinandersetzt. der meisten heutigen Gedichte und verweist Die Beiträge reichen von eher klassischen damit auch auf das Genre des poetischen Es- Gedichten über konzeptuelle oder visuelsays oder gar einer ultralangen kollektiven le Arbeiten, Codepoetry oder selbstreflexive Parole für eine fiktive Demo. Durch seinen Essays. Besonders letztere waren mir wichUmfang und die vielen „wirs“ hinterfragt der tig in das Projekt zu integrieren, weil sync

durch den kurz getakteten Publikationsrhythmus sehr eng mit meinem Leben verzahnt ist. (Ich habe zines im Zug gemacht, auf der Couch bei Freunden, in der Bibliothek, am Schreibtisch, vor und nach dem Zähneputzen, mit oder ohne Kater, übermüdet und hastig oder überlegt und mit langem konzeptuellen Vorlauf.)“ Diese Kurzdarstellung des Publikationskonzeptes zeigt, wie verzahnt digitale Prozesse mittlerweile untereinander und mit analogen Techniken sind. Wie Störungen sichtbar werden und wie auch ein PDF eine vernetzte, teilbare Sendung wird. Und wie das Digitale mit dem Analogen in Korrespondenz tritt.

Logout In seinem wichtigen Essay was wird literatur? was wird poesie? gibt Piringer einen sprach- und gesellschaftskritischen Ausblickauf die daten- und programmbasierten Literaturen der Zukunft und ihre Rolle: „die poetinnen der kommenden jahre werden nicht zusehen und konzernen die hoheit über die sprachalgorithmen überlassen. sie werden für rechenmaschinen schreiben. sie werden die computer umprogrammieren. die spracherkennungssysteme der mobiltelefone hacken. datenpoesie erstellen. big language data cluster pervertieren. sie werden eine dynamische poesie entwerfen. flüssige texte. poesie aus information. poesie aus desinformation.“ 25 Das heißt: Literarisches Sprechen und Schreiben im digitalen Zeitalter muss die Sprache, Sprachverwendung, Sprachmodi, Programmsprachen von Rechenmaschinen analysieren, hinterfragen, ausstellen. Auf der Webseite von 0x0a findet sich eine andere, ebenfalls sehr klare Definition von digitaler Literatur: „Die Erfahrung des Digitalen muss kein bloßes Beschreiben sein. Die Erfahrung des Digitalen drückt sich auf anderen Ebenen aus, auf der der Verfertigung, der Distribution, der Iteration, der Kombination, des Immateriellen.“ 26 Digital Schreibende sind also nur ein Bereich dieser digitalen Literatur, aber wahrscheinlich momentan der sichtbarste. Sie schärfen in kollaborativen, störenden Hin- und Hersendungen ihre Argumente und Ästhetiken, wie in einem digitalen Salon. Der syrische Autor Assaf Alassaf, der unter anderem einen Episodenroman auf Arabisch auf Facebook schrieb, mit dem Hashtag #deliciousgermanviza, auf Deutsch erschienen als Abu Jürgen, nannte die Web-Literatur einmal „literature of democracy“. Damit verweist er auf die Selbstermächtigung, welche die Nutzbarmachung der digitalen Werkzeuge ermöglicht, auch ohne Programmierkenntnisse — und die in vielen Ländern der Welt den Menschen freiheitliche Dienste erweist. Digitale Literatur wird also weiter eine sein, die poetische Gegenrede leistet, in dem sie die digitalen Werkzeuge klug nutzt. Eine kleine, aber mächtige Literatur gegen die antidemokratischen, menschenverachtenden, hetzenden Stimmen im Netz. Vielfalt und Witz und Aufklärungslust werden immer durchdringen. Es wird Zeit, dass diese Literaturformen endlich auch im klassischen Literaturbetrieb, in Buchhandlungen, bei Literaturpreisen, bei Lesungen, Festivals, im Feuilleton sichtbarer werden.

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Für die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu Konzepten digitaler Literatur ist der Sammelband, herausgegeben von Hannes Bajohr, Code und Konzept. Literatur und das Digitale von 2016, sehr zu empfehlen. https://orbanism.com/produkt/hardcover-codeund-konzept-hannes-bajohr-hg-berlin-frohmann-2016

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Gilles Deleuze, Félix Guattari, Kafka — Für eine kleine Literatur. Aus dem Französischen von Burkhart Kroeber, Frankfurt am Main, 1976.

3 https://nplusonemag.com/ issue-9/the-intellectual-situation/ internet-social-movement 4 https://www.facebook.com/ lepuscula.antarctica 5 https://www.facebook.com/elisa.asefa 6

Siehe auch das Gespräch zwischen Miriam Zeh und Marc Degens im Deutschlandfunk Kultur vom 19.8.2019: “Roman kriselt. Autofiktion blüht.”

7 https://soundcloud.com/mikrotext/ mit-stefanie-sargnagel-und-punehansari-backstage-im-schokoladen-berlin 8 https://orbanism.com/frohmann/2015/ instantanes-schreiben-christiane-frohmannliteraturinstitu-leipzig-20150529 9 https://www.instagram.com/ rupikaur_/?hl=de 10 https://www.nytimes.com/2017/12/15/books/ review/rupi-kaur-instapoets.html 11 https://www.handelsblatt.com/arts_ und_style/literatur/buchtipps-dieseliteratur-stars-dichten-auf-instagram/ 24853790.html?nlayer=Panorama -News_11251840&ticket=ST-9401255NjR9a3sxjVDxf442udtB-ap1 12 https://www.mikrotext.de/book/ jan-kuhlbrodt-ueber-die-kleine-formschreiben-und-lesen-im-netz 13 https://twitter.com/pgexplaining 14

Siehe etwa die Reihe Kleine Formen mit Sarah Bergers Tinder Shorts oder Birte Lanius’ skurillen Lebensprüfungen Comic Sans Relief bei Frohmann, die Tiny Tales Auf die Länge kommt es an von Florian Meimberg bei S. Fischer, Hannes Bajohr mit Halbzeug und Clemens Setz mit Bot bei Suhrkamp, die „TwitterOma“ Renate Bergmann bei Rowohlt, das von Kathrin Passig herausgegebene Techniktagebuch, die neue Reihe Autofiktionen bei Sukultur, die Arbeit des Verlags edition taberna kritika in der Schweiz oder die PlattformAutoren und -Autorinnen in meinem Verlag mikrotext. Wenn Sie weitere wichtige Verlage und Titel kennen, lassen Sie sie mir gerne zukommen.

15 https://ichwillihnberuehren.de 16 https://www.notion.so/EugeneKudashev-Writer-artist-person5ca5b3fed9944c8d93a2bc44d2122f6c 17 https://eugenekudashev.typeform.com/ to/qF2d5A 18 https://eugenekudashev.com/ rupi-or-not/# 19 http://0x0a.li/de/text/wendekorpus 20 http://joerg.piringer.net 21 https://codepoetry.at 22 http://sync.abue.io/issues/ 180511ab_sync_19_void.pdf 23 http://sync.abue.io/issues/ 181118ab_sync_45_print.pdf 24 http://sync.abue.io/issues/ 180413ab_sync_15_sort.pdf 25 https://www.literaturhaus-graz.at/ joerg-piringer-was-wird-literatur-waswird-poesie

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26 Bot-Literatur ist natürlich noch viel umfassender: Erste Weiterlektüren wären z.B. Ulf Stolterfoht mit Ammengespräche, ein sprachphilosophisches Gespräch mit einem Chatbot, Mara Genschel, die für cute gedanken Gedichte auf dem Handy schrieb und das Texterkennungssystem T9 mit all seinen falschen Vorschlägen und dem langsamen Lernen die Texte mitverfassen ließ, beide bei roughbooks erschienen. Auf Twitter sorgen Twitterbots für literarische Störungen, etwa der @magicrealismbot, @str_voyage, @sosweetbot, @wievergleich. Interaktive Haiku Generatoren oder auch der Googlism-Bot lassen den Nutzer selbst über die Verwendung eines vorprogrammierten Textanalysetools Gedichte verfassen.


— Once to be The Project

Musik & Klang

Berlin: 18.–21.6.2020 u.a. Festival Ljubljana: 11.–12.11.2019; Symposium Schamma Schahadat, Aleš Šteger, Marlene Streeruwitz Kraus, Amalija Maček, Terézia Mora, Tina Popović, Burchuladze, Sharon Dodua Otoo, Heike Fiedler, Dagmara ren und Referentinnen: Priya Basil, Thomas Böhm, Zaza Florian Höllerer, Ursula Steffens, Renata Zamida AutoKünstlerische Leitung: Claudia Dathe, Tomas Friedmann, → www.literaturhaus.net

ganz unterschiedliche Weise präsentieren. die europäischen Veranstalter Literatur auf in Berlin bildet ein Format-Parcours, auf dem Sprachen um? Den Höhepunkt des Festivals ter mit den sogenannten kleinen und großen Muttersprache. Wie gehen Literaturveranstalchen, pflegen andere das Schreiben in der vollziehen, um ein globales Publikum zu erreiAutoren den Sprachwechsel zum Englischen ren Fokus des Projektes. Während manche rung und Nationalisierung bildet einen weiteDas Spannungsfeld von Internationalisieres Publikum? ken, wie erreichen sie auch ein neues, jüngemittlung in die Stadtgesellschaft hineinwirWie können Institutionen der Literaturversentation von Literatur in Zukunft aussehen? turvermittlung befragen: Wie kann die Präeigenen Institutionen und Formate der Literarenteam will während des Festivals auch die dabei im Zentrum. Das internationale KuratoPräsentation von Literatur zukommt, steht che Bedeutung dem Performativen in der tor und Öffentlichkeit gewandelt hat und welten. Die Frage, wie sich das Verhältnis von AuRaum“ aus europäischer Perspektive beleuchlen sie das Thema „Literatur im öffentlichen vals in Berlin sowie einer Essaysammlung wolnes Auftakttreffens in Ljubljana, eines FestiFree Word London entwickelt. Im Rahmen eirien, dem Writer’s House Georgia und dem Buchagentur JAK, der Nest Foundation BulgaLiteraturveranstaltern wie der Slowenischen Projekt gemeinsam mit anderen europäischen land, Österreich und der Schweiz hat dieses Das Netzwerk der Literaturhäuser in Deutsch— ein europäisches Festival Literatur im öffentlichen Raum

handeln Mit Sprache

Literaturfestival, Z-Bau, Nürnberg: 12.–15.9.2019 Ronya Othmann, Kinga Tóth, Philipp Winkler u.a. John, Dagmara Kraus, Rafael Mantovani, Gianna Molinari, Blum, Kenah Cusanit, Cornelia Hülmbauer, Elnathan Frederik Skorzinski, Ayna Steigerwald Künstler: Donat Marquardt, Chris Möller, Tillmann Severin, Lara Sielmann, Künstlerische Leitung: Clara Kopfermann, Tristan → www.lesereihen.org → www.ulf-festival.de

lung an ein diverses Publikum diskutiert. keiten und Desiderate der Literaturvermittgramm werden unter anderem die Möglichverteilt. In einem umfangreichen Rahmenprowartskultur über die ganze Stadt Nürnberg veranstaltungsort Z-Bau — Haus für GegenVeranstaltungsorte sind neben dem Haupttorinnen und Publikum zu verringern. Die liche Strategie ist, die Distanz zwischen Auganzen Vielfalt zu präsentieren. Eine wesentstalten und Vermitteln von Literatur in ihrer neue Formate und Konzepte für das Verantrales Anliegen der Festivalmacher ist es, kunftsbarrieren überwinden wollen. Ein zenvereinbaren lässt, die Bildungs- und Hersches Programm mit Präsentationsformen ein ambitioniertes, mehrsprachiges literarieines Festivals zu zeigen, wie produktiv sich gen Raum, um in der konzentrierten Form turszene aus dem gesamten deutschsprachianstalter solcher Lesereihen der freien LiteraIn Nürnberg treffen sich erstmals ca. 80 Verfür die Gegenwartsliteratur gewinnen können.

schungsnetzwerk Theatrum Mundi ein meinsam mit dem von ihm gegründeten Forlungenen Kooperationen befasst. Er wird geGesellschaft zusammenhält mit Fragen zu geseinem Buch Zusammenarbeit. Was unsere Richard Sennett hat sich bereits 2012 in Der US-amerikanisch-britische Soziologe Praktiken zu präsentieren und zu diskutieren. die Künstler Gelegenheit, ihre kollaborativen Präsentationsformaten und Konzerten haben Camps, Installationen und anderen neuen Lecture-Reihen, Filmprogrammen, Sound tinnen ein. In verschiedenen Formaten wie merschool zahlreiche internationale Experzu diesem Thema für die zweiwöchige SumArbeiten. Die Darmstädter Ferienkurse laden ven sowie orts- und situationsspezifischen durch die wachsende Tendenz zu performatiEntwicklungen zu beobachten — besonders Autorenschaft, aber auch hier sind alternative wie vor ein starkes Konzept von (alleiniger) weisen. Im Bereich Komposition gibt es nach ativen trans- und interdisziplinären ArbeitsMusikerkreisen wächst das Interesse an krenigen Jahren eine größere Rolle. Auch in ater, im Tanz und in der Performance seit eipation spielen in der bildenden Kunst, im TheThema. Kollektive Arbeitsformen und Partizirisch-musikalischen Zusammenarbeit zum chen Formen und Bedingungen der künstledieser Ausgabe ihr 50. Jubiläum feiern, maDie Darmstädter Ferienkurse 2020, die mit Darmstädter Ferienkurse 2020 Projektreihe im Rahmen der

Collaborate

Orten in der Stadt, Mannheim: 9.–19.7.2020 Mannheim, sowie im Rokoko-Theater Schwetzingen und an Fityan, Luk Perceval u.a. Festival: Nationaltheater Norient, Aslı Erdoğan, Thomas Fiedler, Haz’art-Trio und Künstlerinnen: Ariel Ashbel & Friends, Theresa Beyer / Künstlerische Leitung: Jan Dvořák, Albrecht Puhlmann → www.nationaltheater-mannheim.de

ration mit der Plattform Norient entsteht. stellung über Musikmaschinen, die in Kollabosowie Machines of Enlightenment, eine Austranskulturellen Konzert des Pera-Ensemble (1925), der West-Östliche Divan mit einem Operette Ayse von Muhlis Sabahattin Ezgi ten und Diskussionen, die Aufführung der Mathias Enard, der Salon Oriental mit Konzergarten, eine Lecture des französischen Autors schließen weitere Projekte an: der Paradiesregisseur Luk Perceval. An diese Produktion rin Aslı Erdoğan und den belgischen Theaterzarts Oper durch die türkische Schriftstelledie Neufassung und -inszenierung von Moerlebbar zu machen. Im Zentrum steht dabei der wechselseitigen Beziehungen spür- und lerischen Formaten den kulturellen Reichtum kerinnen sind eingeladen, in diversen künstnationale Künstlerinnen, Autoren und Musinistische Wahrnehmung überwinden. InterOkzident rekonstruieren und die antagovielschichtigen Verflechtungen von Orient und Themenschwerpunkt Jenseits des Serails die Ausgehend von Mozarts Werk will der tiert überlebt haben. die im Repertoire der Oper zumeist unreflekscheehafte und hegemoniale Erzählmuster, oder lächerlichen Orientalen vorführen. Kligung, die wahlweise den grausamen, weisen westlichen Orientalismus historischer PräWerke jener Zeit bedienen Denkfiguren des dert. Das berühmte Singspiel und viele andere den westlichen Künsten seit dem 18. Jahrhuntens zum Orient und dessen Repräsentanz in durch ein Brennglas das Verhältnis des WesEntführung aus dem Serail (1782) spiegelt wie ropäischen Kultur heraus. Mozarts Oper Die Macht- und Überlegenheitsanspruch der euWien bildete sich jedoch zunehmend ein derlage des Osmanischen Reiches 1683 vor geprägt. Nach der großen militärischen Nieaber ebenso von Austausch und Bewunderung seit der Antike von Konkurrenz und Krieg, Die Beziehung von Orient und Okzident war festival Mannheimer Sommer schwerpunkt im MusiktheaterTranskultureller Themen-

des Serails Jenseits

Auch heute vereinnahmen immer wieder (neo-) sche Akteure und Lager instrumentalisiert. Bombennacht durch unterschiedliche politiBereits zu NS- und DDR-Zeiten wurde die geschrieben? len Gedächtnis? Wie wird Geschichte (neu-) Erfahrungen: Was wird Teil unseres kulturellichkeiten des Erinnerns und Festhaltens von tisiert die Bombennacht und reflektiert MögVietnamkriegsgegner wurde. Der Text themader schlagartig ein Bestseller und Kultbuch der öffentlichte er seinen Roman Schlachthof 5, Vonnegut, das Erlebte festzuhalten. 1969 verauf den 14. Februar 1945. Jahrelang versuchte schweren Bombenangriffe auf Dresden vom 13. fangener in den Kellern des Schlachthof 5 die zum Militärdienst und überlebte als Kriegsgemeldete sich im Alter von 21 Jahren freiwillig Der US-amerikanische Autor Kurt Vonnegut von Kurt Vonnegut — Uraufführung Musiktheater nach dem Roman

Schlachthof 5

Berlin: 27.–31.5.2020 bühne, Berlin: 3.1. – 24.5.2020; Festival, Volksbühne, Volkostrelov u.a. Vorbereitende Veranstaltungen, VolksCărbunariu, Katarzyna Kalwat, Valdislav Troitskyi, Dimitry Regie: Thorleifur Örn Arnarsson, Lucia Bihler, Gianina Programm: Elodie Evers, Christian Morin, Sabine Zielke u.a Degna Martens, Hannah Schünemann Kuratorinnen Kuratorin Festival: Alina Aleshchenko Dramaturgie: Künstlerische Leitung: Alina Aleshchenko, Klaus Dörr → www.volksbuehne.berlin

geladenen Theater beschäftigen. von Kunst und Politik in den Ländern der einsprächsreihen, die sich mit dem Verhältnis Diskussionen sowie vorbereitenden Gemenprogramm mit Vorträgen, Lesungen und Eingebettet ist das Festival in ein Rahselbst. Geschichte und der Geschichte des Theaters neuen Spielzeit der ost- und westdeutschen so widmen sich die Neuproduktionen der tik des Festivals auch in ihrem Repertoire auf, Die Volksbühne greift die Ost-West-ThemaMittel- und Osteuropa. sich gegenseitig zu einem vielfältigen Bild von ben in Berlin zusammengeführt und ergänzen Beiträge werden dann während der Endprovals erarbeiten. Die einzelnen künstlerischen eine eigene Produktion zum Thema des Festientwickeln. Im Anschluss werden sie jeweils men, um ein gemeinsames Leitmotiv zu tenden Workshops an der Volksbühne zusamjektteams der Partner kommen zu vorbereiund der Ukraine, zusammenarbeiten. Die Prou.a. aus Polen, Lettland, Tschechien, Russland atern aus den ehemaligen Ostblockstaaten, künstlerisch befragen. Sie wird dazu mit Thepas und die damit verbundenen Stereotypen Volksbühne will die Ost-West-Spaltung Euronoch sinnvoll? Das Festival in der Berliner und sind sie heute in einem geeinten Europa genau verbirgt sich hinter diesen Kategorien Ost oder West? Oder eher Post-Ostwest? Was der Volksbühne Berlin Transkulturelles Festival an

sentiert nun eine Auswahl internationaler Arben. Das dreitägige Festival Inbetween präneuen künstlerischen Positionen Raum zu geTheater sind bisher kaum in der Lage, diesen sische Institutionen, insbesondere (Stadt-) pative und immersive Besuchserlebnisse. Klasnäre Ansätze verfolgen, schaffen neue partiziTheater- und Kunstformate, die interdisziplidender Kunst verschwimmen immer mehr. Die Grenzen zwischen darstellender und bilund Ausstellung Theater zwischen Vorstellung

Inbetween

Mousonturm, Frankfurt a.M.: 29.11.–8.12.2019 Performance / Festival / Konferenz: Künstlerhaus Keigo Kobayashi, Hiroshi Egaitsu, Konrad Claus u.a. Tatsuki Hayashi, Marcus Dross Beteiligte: Saki Tanaka, Künstlerische Leitung: Akira Takayama Dramaturgie: → www.mousonturm.de

Workshops, Aktionen und Diskussionen. laufendes Programm aus Konzerten, Lectures, politischem Aktivismus. So entsteht ein fortten Bereichen wie Literatur, Architektur oder aus dem Hip-Hop und der Street-Art verwandtert wird der Kreis der Lehrenden um Gäste werden die Meistersinger auswählen. Erweiund weiterer Co-Kuratoren aus der Region banen Raum. Der Hip-Hopper Hiroshi Egaitsu vor den Toren Nürnbergs in den heutigen ur„School“ den zehntägigen Sängerwettstreit Festival, halb Konferenz-Format übersetzt die ne „School of Hip-Hop“. Halb Performancewickelten Bau und verwandelt das Haus in eiMousonturm einen von Keigo Kobayashi entim Theatersaal im Frankfurter Künstlerhaus nern unterstützt. Für zehn Tage errichtet er Takayama wird dabei von mehreren Partin Deutschland. den Blick auf gesellschaftliche Asymmetrien Identitätsbildung und richtet einen prüfendet, zielt es auf einen Kernbereich kultureller Hip-Hop mit Richard Wagners Oper verbinTakayama greift dieses Umfeld auf. Indem es schen Regisseurs und Theaterkünstlers Akira — Die Meistersinger von Nürnberg des japanigrantisch geprägte Szene. Wagner Project sent. Bis heute existiert eine breite, oft mireits ab den 1970er Jahren subkulturell präin Deutschland. Hier war der Musikstil beeines der lebendigsten Zentren des Hip-Hop Die Rhein-Main-Region um Frankfurt gilt als Die Meistersinger von Nürnberg

Wagner Project Kampnagel, Hamburg: 6.–9.5.2020 Ndoho Ange, Siko Setyanto, Yousuke Yukimatsu u.a. Akihiko Tanada, KHNG KHAN, Ican Harem, Lavinia Vago, Felix-Florian Tödtloff, Will Ballantyne Künstlerinnen: Produktion: Johannes Maile Komposition / Musik: Dramaturgie: Petra Pölzl Choreografie: Ylva Falk Künstlerische Leitung / Regie: Tianzhuo Chen → www.kampnagel.de

Europa zu sehen sein. wird die Produktion auf weiteren Festivals in Nach ihrer Uraufführung auf Kampnagel Performance. finden gleichermaßen ihren Ausdruck in der der Bevölkerung durch künstliche Intelligenz und die voranschreitende Totalüberwachung führung, Thalia Theater Hamburg, Hamburg: 12.10.2019 Ljubljana, The Royal Dramatic Theatre in Schweden Urauf- senschaftliche Trends, das Thema des Klonens mies (PLETA), Slowenische Nationaltheater – Schauspiel Gegenwart. Biotechnologische und neurowisHouse Theatre-Festival, Platform European Theatre Acadetion mit einer technofuturistisch anmutenden Pascal Houdus Internationale Kooperationspartner: Baltic Helen Stein, Marko Mandić, Matthias Koch, Nir de Volff, imaginierte Zukunft der frühen Science Ficman, Johannes Hofmann und Anna Bauer, Lena Schön und hen 20. Jahrhunderts. Er kontrastiert die Alexandra Mamkaeva, Christiane von Poelnitz, Electra Hallsie mit Science Fiction-Erzählungen des früFranziska Autzen Schauspielerinnen: Aenne Schwarz, Nunes Dramaturgie: Christina Bellingen Projektleitung: Entwicklungen in China auf und verschränkt Künstlerische Leitung: Joachim Lux Regie: Antú Romero Inhaltlich greift der Regisseur aktuelle → www.thalia-theater.de Clubkultur. Konzepten von Heimat weiter vertiefen. so inspiriert wie von zeitgenössischer globaler Dialog und den Austausch zu verschiedenen reografien sind von rituellen Tanzstilen ebenRahmenprogramm wird den internationalen eidoskop digitaler Bilder treffen. Chens Chokulturelle Vielfalt künstlerisch erlebbar. Ein Motive fernöstlicher Spiritualität auf ein Kaltional vernetzten Generation auf und macht und Settings unterschiedlichster Art, in denen Regisseur ein Panorama einer jungen, interna- und erlebt eine Folge von Tableaus, Szenen werden sollen. Mit seinem Stück spannt der kum kann sich in der Installation frei bewegen Frau und Wendy von einem Mann verkörpert stallativen Performance verwoben. Das Publiaufbrechen, indem Peter Pan von einer jungen bildende Kunst und Musik werden zu einer ingeschlechterspezifische Rollenbesetzungen zepten von Zeit arbeiten. Tanz, Performance, nen in das Stück einweben. Nunes wird zudem chen kulturellen Wahrnehmungen und Konse persönlichen Geschichten der Darstellerin- wird in seinem Happening mit unterschiedliMuttersprachen wird Antú Romero Nunes die- zest mögliche Zeiteinheit. Tianzhuo Chen Biografien geben. Wie auch ihre jeweiligen tischen Mythologie und bezeichnet die kürkennenlernen und Einblicke in ihre eigenen Der Begriff „Ksana“ stammt aus der buddhis-

POSTWEST


nelledommuaR dnu -tieZ neuen tim eid ,netieb -hüB nehcsiwz neznerG eid ,nereitnemirepxe -retla dnu negnerps muarreuahcsuZ dnu en g n ud n i b n ie r e ua h c s uZ r e d n e m r o F e v i t a n -eviL enie .a.u se tbig nebelre uZ .neborpre eid dnu eseeM nahtanoJ nov ecnamrofreP-trA mooR noitautiS ehT noitallatsnI erabhegeb .remieR znarF nov netiebrA netreitnesärp red egaldnurG fuA -orP netiewz menie ni lavitseF sad treitkelfer retaehT)-tdatS( sed noitutitsnI eid lietmmarg -roV .sesruksiD nehciltneffö senie nemhaR mi dnu -snoissuksiD eneffo dnu serutceL ,egärt -tsnuK tim ,se nehcilgömre nednurshcärpseG -eltfahcsnessiW dnu nerotaruK ,nedneffahcs -em ,negnurhafrE rebü golaiD nenie ni nennir eleipsieB-ecitcarP-tseB ,eztäsn A ehcsidoht uz dnalsuA dnu -nI med sua nevitkepsreP dnu nednemhenlieT nella tim masniemeG .netert -rowtne retaehT seuen nie rüf nenoisiV nellos -rednärev eid ,tsi egaL red ni sad ,nedrew nef -ba llenoitutitsni hcua negnuredrofsuareH net ehcsireltsnük dnu elledoM euen dnu nedlibuz saD .nereitnemelpmi uz gitlahhcan etamroF sed reuaD eid rüf driw dnumt roD retaehT -suA sla netiekhcilmuäR ella slamtsre slavitseF -allatsni eid rüf enhüB dnu ehcälfsgnullets -reßua hcua netiebrA nevitamrofrep dnu nevit -gnäguz netiezsgnunffÖ neräluger red blah .nehcam hcil ed.odretaeht.www → eknI :et gilieteB nnamuaB kriD :gnutieL ehcsireltsnüK nailuJ ,nnamletnaH nov aehtoroD ,suisalB naitsabeS ,snr A ,kcnodnegnaL nav neeltaK ,kešrebirH nylevE ,lezteH remieR znarF ,sreteP attirB ,nrhÖ sukraM ,eseeM nahtanoJ 0202.4.5–.3 :dnumt roD ,dnumt roD leipsuahcS ,lavitseF

-purG ehcsitsilupopsthcer dnu ehcsitsilanoitan .ekcewZ erhi rüf ffirgnanebmoB ned negnureip mix aM ruessigerretaehT ehcsissur reD gnussafnenhüB euen enie tfriw tne oknediD -LEH ni 0202 tsbreH mi eid ,5 fohthcalhcS nov etsnüK red murtneZ sehcsiäporuE — UA REL hcafleiv ,oknediD .driw trhüfegfuaru nedserD rüf tnnakeb lanoitanretni dnu tenhciezegsua elartaeht-hcsifargoerohc egitlawegdlib enies -aidemitlum menies tim thcus ,ehcarpsnenhüB -hcilgöM neuen hcan tkejorpretaehtkisuM nel -ennoV fua skcilB negiträwnegeg senie netiek ned dnu rutlukknedeG egiseih eid ,txeT stug -tieZ neßeilf kcütS sad nI .“nedserD soht yM „ -RDD red nov etnemukoD dnu ethcirebneguez -opmok kisuM eiD .nie trawnegeG ruz sib tieZ ehcsifargoerohc eid ,vennaR rimidalV t rein menie ,avanraV rimidalV t geilbo gnuztesmU nefargoerohC negnuj netsdnehcerpsrevleiv red rehcsinakirema-SU ,drabssieW J A .sdnalssuR -nenhüB sad tznägre ,rengisedthciL dnu reltsnüK .nenoitkejorpoediV dnu -thciL mu nehehcseg dnis UA RELLEH ni gnurhüffuarU red hcaN dnu dnalssuR dnu dnalhcstueD ni eleipstsaG .tnalpeg netdätS nehcsiäporue netlhäwegsua noitkudorpoK ni natsirt nov noitkudorP eniE red murtneZ sehcsiäporuE — UA RELLEH tim .nrentraP neretiew dnu etsnüK ycnega.natsirt.www → gro.uarelleh.www → drabssieW J A :gnuttatssuA oknediD mixaM :eigeR sennahoJ :eigrutamarD avanraV rimidalV :eifargoerohC -isuM vennaR rimidalV :gnutieL ehcsilakisuM netsriK NOI TCUDORP-natsirt tsaC :nenniremrofreP dnu nennirek ,gnurhüffuarU reieM elociN :gnutielsnoitkudorP :nedserD ,etsnüK red murtneZ sehcsiäporuE — UA RE L LEH 0202.9.72–.52 negnulletsroV eretiew ;0202.9.42

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-narb mi krewtfarkelhoK negilamehe menie nI reltsnüK nebah edlawnekcuL nehcsigrubned ,kreW-E sad :tednürgeg noitutitsnI euen enie hcis lliw kreW-E saD .mortstsnuK rüf murtneZ -lovshcurpsna menie tim suahsnoitkudorP sla ni dnu nereilbate mmargorpsgnulletssuA nel negiztünniemeg med tim tiebranemmasuZ hcua scirtcelE ecnamrofreP regrosrevmortS .nereizudorp )mortstsnuK( eigrenE egitlahhcan sla kreW-E sad driw thgiN rewoP red tiM -itiesleiv saD .tenfföre hcilreief murtneztsnuK egärtieB teteib mmargorP ehcsireltsnük eg -eltsnüK nelanoitanretni net reimmoner nov nehciereB ned sua nremocweN dnu nennir nov nerotaruK eiD .trA eviL dnu ecnamrofreP -hciw red menie ,nodnoL sua esrevinU kcolB ni tsnukecnamrof reP rüf slavitseF netsgit red lhawsuA red ni netiebra ,neinnatirbßorG m e d t i m g n e n e n o i t is o P n e h c s i r e l t s n ü k eis nebeg masnieme G .nemmasuz kreW-E eid ,gartfuA ni netiebrA-eviL ehcsifizepsstro -org retemtardauQ 053 red ednäleG med fua nednezne r gna sed dnu ellahnenibru T neß sed sdabmmiwhcS nehcsitdäts net gelegllits -egfua nielt reH snaH net ketihcr A-suahuaB eiw reltsnüK dnis nedalegniE .nedrew t rhüf redo emosweN-zonuM adnanreF ,reeB revilO -rofreP eiD .anuafageM citamsirahC oirT sad nehcsipotu med tim hcis nedrew nennirem -ehT nelartnez nenies dnu setrO sed laitnetoP -tesrednaniesua eimonotuA dnu eigrenE nem netztühcseglamkned red muaR ned dnu nez ,nenoitallatsnI ,netkejbO ,nrepröK tim netuaB rewoP eiD .neleipseb tsnukgnalK dnu kisuM -leger enie rüf nedlib tkatfuA ned llos thgiN -t talP eränilpizsidretni ednednift tats gißäm .secnamrofreP-eviL rüf mrof

-raM niregnäS dnu niruessigeR ehcsinlop eiD tiebrA evitavonni erhi hcrud tsi akcinróG at .nedroweg tnnakeb lanoitanretni neröhC tim red segaT sed hcilssälna eis etreinezsni 8102 negifpökgizfnüf menie tim tiehniE nehcstueD rov ztesegdnurG muz ecnamrofreP enie rohC -rA nerhi nI .nilreB ni roT regrubnednarB med -reV sad redeiw remmi akcinróG tetol netieb sua tfahcsniemeG dnu muudividnI nov sintläh -lok nov nemroF neuen tim treitnemirepxe dnu eiw os ,rohC reD .nemmitS nehcsirohc nevitkel -rebü hcis nnak ,thetsrev nhi akcinróG atraM -ätiradiloS euen ow ,nednifnemmasuz trod lla -nuwrebü negnutlapS dnu nedrew tborpre net .nessüm nedrew ned -eb nilreB nemoW fo surohC tkejorP saD -ehT ikroG renilreB mA .nelieT iewz sua thets lacitiloP letiT med retnu akcinróG driw reta eimedakA enie gnal rhaJ nie etutitsnI ecioV neregnäl nI .nethcirnie retkarahcrobaL tim spohskroW nehcierlhaz dnu nesahpneborP nelartaeht red nemroF euen reih nehetstne nov elbmesnE merhi tim masniemeG .tiebrA -ahP netsre red ni eis sad ,nrelletsraD 52 dnur -ärper sad dnu tlletsnemmasuz evissezkus es -llesegtdatS renilreB esrevid eid rüf vitatnes menie ni eis tlekciw tne ,llos nehets tfahcs red fua tiebraeigeR enie tkejorplieT netiewz -ed kreW meseid nI .aietiloP snotalP nov sisaB red eedI eid hposolihP ehcsihceirg red treinilk -ilkriw reV ehcilgöm erhi dnu tiekgithcereG eiw oS .hcrud taatS nelaedi menie ni gnuhc akcinróG driw ,tfürp nemrofstaatS eid notalP -uz nov nemroF enedeihcsrev rohC merhi tim -lets noitisopsiD ruz tfahcsniemeG regitfnük ikroG sed enhüB eid rüf driw tiebrA eseiD .nel .trhüfegfuaru trod dnu tlekciwtne sretaehT

ed.scirtcele-ecnamrofrep.www → renruT neleH ,ledneW olbaP :gnutieL ehcsireltsnüK ,ylleK`O esiuoL :nodnoL esrevinU kcolB nov nennirotaruK ,aelogneB ailiceC ,reieB aniN :reltsnüK froW anirahtaK citamsirahC ,y rcy rcy rcsikiraM ,scirtcelE ecnamrofreP ,SS YD WOR ,emosweN-zõnuM adnanreF ,anuafageM :edlawnekcuL ,thgiN rewoP .a.u otaruT aroN 9102.01.72–.9.41

ed.ikrog.www → surohC :reltsnüK akcinróG at raM :gnutieL ehcsireltsnüK giwduL ,renjownjA accebeR :eigrutamarD nilreB nemoW fo ,retaehT ikroG mixaM ,spohskroW ,eimedakA kguaH ikroG mixaM ,negnurhüffuA ;0202.9.03– 9102.9.1 :nilreB 0202.21.51–.11.51 :nilreB ,retaehT

→ gnudlibbA DI_REPUS :ezluhcS natsirT

anasK nehC ouhznaiT yb -tsnüK nehcsisenihc sed noitkudorP euen eiD flöwz fua nie tsi anasK nehC ouhznaiT srel -retaehT segitlawegdlib ,setgelegna nednutS -n e d l i b d n u r u e s s i g e R r e d s a d , s i n g ie r e g rubmaH ni leganpmaK rü f reltsnüK ed .tfriwtne

dezilaer

sla kisuM sad ,nenfföre robaL segigät rhem -inneJ .thcusretnu essezorP elaizos rüf lledoM menie ni nedrew netkA omeM dnu ehslaW ref nelieT shces ni retaehtkisuM -uZ ehcsilakisum enie eiw ,nehcsrofre tkejorP uotsirhC inaJ hcan renie dnu nehcsneM nehcsiwz tiebranemmas eytnA ,nnak nehessua znegilletnI nehciltsnük nereitaruk tnomreF kirdeC dnu ittapiR-eierG uotsirhC inaJ tsinopmoK ehcsihceir g reD -fA sua kinortkelE relletnemirepxe nekitkarP retiesneßuA neßorg red renie raw )0791–6291( -aT nov netkejorP ned ni dnu neisA dnu akir dnu edragtnavasgeirkhcaN nehcsilakisum red -eb kirbafkisuM elbmesnE med dnu iuotA ker -hcsilakisum tim tiekhcilnösrepreltsnüK enie gnutuedeB eid nennireltsnüK eid nethcuel -reßua reD .gnubagebleppoD rehcsihposolihp -ilakisum rüf smuiratnemurtsnI neuen senie reltsnüK etnnakeb ginew sdnalnehceirG blah .nenoitkaretnI ehcs -notflöwZ red netnemelE tim .a.u etetiebra nehcsilakisum dnu sumsilaireS tim ,kisum ed.tutitsnikisum-selanoitanretni.www → thets skrewtäpS senies murtneZ mI .nrettaP :ednekriwtiM refähcS samohT :gnutieL ehcsireltsnüK eseiD .“sixarpateM„ etlekciwtne mhi nov eid ,t rohoC ,iuotA keraT ,ehslaW refinneJ & netkA omeM elbmesnE ,essuomelpmaP elbmesnE & sleiD ahcataN eid ,snereinopmoK sed t r A enie tbierhcseb ,ittapiR-eierG eytnA & tnomreF kirdeC ,artsehcrO nredoM snI dnu -ecnamrofreP ,-retaehT sua lairetaM drahciR ,nekilliM yhtaC ,DIOY H & toohcsmI naV mairyM sad ei w t reir getni osnebe tsnuksnoitallat ,spohskroW ,et reznoK .a.u idnuM murtaehT & ttenneS -kisuM selanoitanretnI :nenoitallatsnI ,sknaT knihT ,sutiR ,negnuheizeB elaizos rebü neknedhcaN 0202.8.1–.7.81 :tdatsmraD ,tutitsni eid fua timad tleiz rE .thciL dnu tieZ ,muaR ba etsnüK red “ kigolateM„ renie gnulkciwtnE dnu eznaG sehcsitsym sla tsnuK ,fuarad dnu .nebelre uz gnurhafretleW -moK-“sixarpateM„ muz uotsirhC nov eiD eb ot nezzikstkejorP 031 nenessalretnih xelp grubmaH dnu nilreB ,gnoK gnoH ni eid rüF t kejo rpre taeht kisuM med neneid dezilaer -ni t reznoK dnu e cnam rof reP e t rhü fegfua dnu tknupsgnagsuA sla dezilaer eb ot ecnO gnoK gnoH sad nereirepook niatnoc noitallats -opmoK shces nov ekreW euen rüf egaldnurG regrubmaH sad dnu elbmesnE cisuM weN -eneG dnu nerutluK nenedeihcsrev sua netsin .znanoseR elbmesnE retsehcroremmaK -sirhC nengegeb nennireltsnüK eiD .nenoitar nenegie tim nedohteM dnu nemehT suo t -eG enie sla tfahcslleseG etreisilabolg eiD dnu netätitnedI rednemmiwhcsrev tfahcslles -amroF nehetstne sE :nlettiM nehcsirotisopmok ned nehcsiwz sniesnerolreV sed lhüfeG sad -snI dnu retaehtkisuM ,t reznoK nehcsiwz et -sgnagsuA nehcsitameht ned nedlib nerutluK -na needI eränoisiv suotsirhC na eid ,noitallat nehciergnafmu nI .setkejorpkisuM sed tknup -rew gidnebel tätilautkA nered dnu nefpünk nennirekisuM eid nedrew sweiv retnI-oediV .nessal ned -rutamarD dnu rekinhceT ,netsinopmoK dnu red nemhaR mi tednif gnurhüffuarU eiD ne rhi uz nennirelt fahcsnessiW ei wos neg -fuA eretiew ,ttats 0202 elanneiB renehcnüM -eb negnurhafresnoitargiM dnu -stiehdmerF -revid fua dnu nehtA ,nilreB ni dnis negnurhüf nenie nedlib sweiv retnI-oediV eseiD .t garf eniE .tnalpeg slavitseF nelanoitanretni nes -re dnu noitallatsnitreznoK red lieT nelartnez red ,elanneiB renehcnüM red noitkudorpoK -irelhäzre nenie mu negnurhüffuA eid neznäg -sid elbmesnE sed dnu nilreB repO nehcstueD .ikinolassehT sua trAnos .ztasnA nehcs -hüffuA red t raP nehcsilakisum ned rüF ed.elanneibrenehcneum.www → reD :nenoitisopmoK-ueN iewz nehetstne gnur siztnuopaS sogroY :enhüB soniramraM liahciM :eigeR nomiS rekisuM dnu tsinopmoK ehcsilartsua :netsinopmoK asunaH naitsabeS :eigrutamarD ,ht riwueN aglO ,imimaT-hedO rimaS ,snahreieM anilbraB regne ni kreW nie tlekciwtne spillihP semaJ ffloW naitsirhC ,naaP-hgaP ihgnuoY ,rerruF taeB selbmesnE nedieb ned tim tiebranemmasuZ rohctkejorP ,t r Anossid elbmesnE :retsehcrO/ elbmesnE -moC evitaroballoC„ sed edohteM renies hcan siragnasT sonaM ,ttO leinaD :gnutieL ehcsireltsnüK ;0202.5.51 :gnurhüffuarU :nehcnüM ,ellahtaffuM ztasn A nehcsireltsnük meseid ieB .“gnisop ,)ierelhcsiT( repO ehcstueD ,ereimerP ;0202.5.71–.61 dnu rekisuM eid fua eid ,kisuM eueN thetstne 0202.6.21 sib :negnulletsrovegloF ,0202.6.5 :nilreB -nereffid rhes ednürgretniH nellerutluk erhi eid ni egüzeB ehcsifargoib dnu thegnie t reiz -um setiewz niE .tssäl neßeilfnie noitisopmoK -opmok selbmesnE edieb rüf kreW sehcsilakis -gnalK dnu tsinopmoK ehcsisenihc red t rein .gnuoY nosmaS reltsnük

niatnoc

ed.metsyslaidar.www → asilE :eigrutamarD edhU t rekloF :gnutieL ehcsireltsnüK ,gnuoY nosmaS ,spillihP semaJ nomiS :reltsnüK znelekrE ,znanoseR elbmesnE ,elbmesnE cisuM weN gnoK gnoH ;0202 rebmetpeS :gnokgnoH enaL mailliW ,yaagaL ecilA 1202 lirpA :grubmaH ;1202 zräM :nilreB

& enhüB gnugeweB

dnalreveN tkejorP selanoitanretni niE hcan senuN oremoR útnA nov naP reteP seirraB .M.J ,enhüB renie fua nehcsneM egnuj nhezierD hcon ehcarpS redew lhazrheM eid nened nov tednibrev saW :neliet rednanietim sierkrutluK -uZ dnu tätitnedI ,tamieH eis rüf tsi saW ?eis dnalreveN gnureinezsnI enies rüF ?tiekgiröheg dnu enerobeg negnibüT ni 3891 red t gnirb útnA ruessigeR eneshcawegfua gihcarpsrhem renedeihcsrev releipsuahcS senuN oremoR sed enhüB red fuA .nemmasuz netätilanoitaN rerhi ni eis nedrew grubmaH sretaehT ailahT -aiD ni dnu nehcerps ehcarpsrettuM nenegie eis red tim ,nelhäw ehcarpS eid sliewej negol -rüw negidnätsrev nebeL nelaer mi hcua hcis -reV eseid rüf nemhaR ehcsirelhäzre reD .ned reteP nov ethcihcseG eid tsi gnundronashcus .dnalreveN tdatsnefaH nevitkif red ni naP -neztes noitapizitraP fua sad rüf tkatfuA mi pohskroW remasniemeg nie tsi tkejorP ed net gilieteB eid hcis med ieb ,9102 remmoS

sgninuT 0.2 dlroW eht fo cisum ni seitila)e(rulp

eht fo sgninuT ehT hcuB neränoisiv menies nI ehcsidanak red hcis tgitfähcseb )7791( dlroW -dnalgnalK tim refahcS yarruM .R tsinopmoK nehcsitsuka nehcsifizeps red dnu netfahcs .gnubegmU renie tätitnedI -ahcS na tfpünk 0.2 dlroW eht fo sgninuT dnu na negnuhcsroF dnu noitakilbu P sref netfahcsdnalgnalK netgärpeg lakol hcan tgarf nekriw eiW .tleW netztenrev labolg renie ni renie gnureimroN dnu gnureisidradnatS hcis negnubegmU ehcsitsuka fua tleW netztenrev -otsih dnu lakol hcis nlednaw nrefeiwnI ?sua nereilrev redo sepacsdnuoS et gärpeg hcsir ?rag hcis seseid tah MN K elbmesnE renilreB saD tim masniemeg tkejorpkisuM ehciergnafmu dnu neidnI ,aeroK sua nreltsnüK dnu nrentraP -ierd nie thets murtneZ mI .treipiznok nawiaT uz ,V metsyslaidaR renilreB mi lavitseF segigät -gnalK dnu rekisuM ,nennitsinopmoK med -alegnie netnenitnoK ierd sua nennireltsnük -fuasnoitisopmoK reiv nedrew baroV .dnis ned solraC ,ldneiH nit raM reltsnüK eid na egärt -irdoR airaM anA dnu niL iY-gnaF ,edlaruttI -orplavitseF renilreB sed elieT .nebegrev zeug -nesärP dnu et reznoK emasniemeg ,smmarg lanoitanretnI ujniJ med fua nednif nenoitat -nI ni ssulhcsnA mi dnu aeroK lavitseF cisuM .ttats nawiaT dnu neid ed.elbmesneremmak.www → snurB samohT :gnutieL ehcsireltsnüK solraC ,ldneiH nit raM :nennirekisuM dnu netsinopmoK ,niL iY-gnaF ,nanhsirK ahtnanA ,miK iK muB ,edlarrutI ,zeugirdoR airaM anA ,srekamjiaaR kciD ,uiL iy gnaF t reznoK .a.u nheremmoP derF ,nesuahkcotS zniehlraK ytisrevinU lanoitaN gnasgnoeyG ,pohskroW dnu ;9102.11.8 –.1 :)aeroK lavitseF cisuM lanoitanretnI ujniJ( -ehteoG ,negnurhüffuA ;.N.N :nilreB ,V metsyslaidaR ,negnurhüffuA ;0202.3.81–.01 :iannehC ,.a.u tutitsnI ,gniyuwieW - st r A eht rof retneC gnuishoaK lanoitaN 0202.11.81–.9 :iepiaT


-tsnüK eid esiewsleipsieb neheg oS .nenoitkud haraS redo rehcS ailuJ ,silgneB adnyL nennirel -hcelhcseG mu ,sua nredlibtsbleS nov sacuL -tsnüK erednA .negarfretnih uz epytoeretsret ,dyolL yraliH ,namthgilB etteiluJ eiw nennirel nefierg anaS ed ymmiJ redo tahsaN rayrhahS ,fua redlibtsbleS ehcilnnäm netiebrA nerhi ni sed nenoitnevnoK net reilbate eid nev raltne .fua eseid nehcerb dnu “skcilB nehcilnnäm„ negnutlatsnareV dnu negnulletssuA eiD n r e s uä H ie r d n e l l a n i h c ie l g t ie z n e d r e w .nednifttats ed.frodlesseud-nierevtsnuk.www → ed.nierevtsnuk-rennob.www → ed.nierevtsnukrehcsinleok.www → ,nottoC ellehciM ,kcotsnekriB avE :gnutieL ehcsireltsnüK ztuL ,edardnA ed sahtanoJ :reltsnüK hcirteiD alokiN ,rett yC nereK ,nesualC srednA ,silgneB adnyL ,rehcaB ,sacuL haraS ,nédiL aralK ,lieK garoM ,snikwaH drahciR eid rüf nierevtsnuK ,gnulletssuA .a.u sirroM t reboR 9102.11.42 –.9.1 :frodlessüD ,nelaftseW dnu ednalniehR

elbisivnI seirotnevnI noitutitseR no sevitcepsreP nayneK nov noitutitseR eid mu ettabeD ehciltneffö eiD tgitfähcseb tiezlainoloK red sua nretügrutluK -ue nehcierlhaz ni neesuM nehcsigolonhte eid dnu -ehc rehceR saD .nrednäL nehcsiäpo r lliw seirotnevnI elbisivnI tkejorpsgnulletssuA nehcsinakirfa tim et tabeD ehcsiäporue eid -hüfnemmasuz nenoitisoP dnu nevitkepsreP noitutitseR rebü sruksiD ned ethcöm sE .ner sua amehT med hcis se medni ,nereisinoloked .trehän rednälstfnukreH red nevitkepsreP ned -esuM ehcstued iewz nedrew tkejorP sad rüF ni muesuM-tseoJ-hcuartsnetuaR sad — ne -knarF ni muesuM nerutluktleW sad dnu nlöK iewz nov tiezfuaL enie rebü — niaM ma t ruf ayneK fo smuesuM lanoitaN ned tim nerhaJ negnulmmaS-aineK eiD .netiebranemmasuz -eg ned nedlib neesuM nehcstued nedieb red -sed fua ,dnatsnegegsgnuhcsroF nemasniem enie dnu nenoitisoP ehcsireltsnük sisaB nes .nedrew nehetstne gnulletssuA setkejorP sed gnutieL ehcsireltsnük eiD -liF dnu reltsnüK ehcsinainek red tmminrebü -reltsnüK renies tim uhcuhC miJ rehcamem -ebrov nedrew eiS .evitcelloC tseN ehT eppurg t rufknarF dnu nlöK ni spohskroW ednetier ne h c s i ä po r u e t i m g ne d n u ne t l a t s n a r e v nairaM tim aw te ,nrehcsroF dnu nreltsnüK -iebranemmasuz snikpoH maS redo inoG ruN -ireltsnük dnu essinbegresgnuhcsroF eiD .net -letssuA ni hcilßeilhcs nedrew netiebrA nehcs n r e s uä H n e t g i l ie t e b ie r d n e d n i n e g n ul -leiv menie nov tetielgeb sliewej ,t reitnesärp ,negnurhü F tim mmargorpnemhaR negitläf .negärtroV dnu nemliF ainek/ed.ehteog.www → evitcelloC tseN ehT :nennireltfahcsnessiW dnu reltsnüK ,snikpoH maS( vitkelloK T F IHS ,)imugN ikijN ,uhcuhC miJ( fo smuesuM lanoitaN )inoG ruN nairaM ,reiemttiR nomiS nomelihP ,alufaN aidyL ,tagaL porpiK :iboriaN ,ayneK -tseoJ-hcuartsnetuaR gnednO amuJ egroeG ,agnamayN lanoitaN :gnulletssuA rebehlemmiH aralC :nlöK ,muesuM ;0202.21.51–.01.1 :iboriaN ,ayneK fo smuesuM ;1202.6.03–.5.1 :nlöK ,muesuM-tseoJ-hcuartsnetuaR 1202.01.13–.9.1 :.M.a t rufknarF ,muesuM nerutluktleW

nessiW & troW

saD — FLU -egignähbanU -nehiereseL lavitseF lavitsefrutaretiL selanoitanretnI re rhi ties nebah nehie rese L egi gnähbanU ned uz gnuznägrE ni 5102 rhaJ mi gnudnürG -lä tsiemuz ,sehcilregrübsgnudlib nie fua rehe nehcsitdäts netethciregsua mukilbuP seret fua rämirp ned redo nenoitutitsnirutaretiL -nareV-droW nekopS nedneleiz gnutlahretnU mukilbuP seregnüj dnu seuen nie negnutlats

tiekgitfahtsnrE red lepmeT red :repO eiD -nrepO sad thets krewuaB sevitatnesärper slA rehcsiäporue releiv murtneZ mi etueh sib suah -rats nie rüf thets rutketihcrA enieS .etdätS hcielguZ .niestssuwebtsbleS sehcilregrüb sek mi eid med na ,trO nie sla suahnrepO sad tlig -hi “nenoitomE nekrats„ netkcürdretnu gatllA .nednif kcurdsuA ner rednaxel A rehcamemliF dnu rotuA reD ni negnulletssuA neßorg ierd tim lliw egulK dnu repO eid tdatsreblaH dnu tragttutS ,mlU dnu nehcam rabthcis “ kisuM red thcaM„ eid ni ned dnu mroftsnuK reseid uz egnäguZ euen -fahcs “nenoitomE nekrats„ netlednahrev rhi eid re treitnorfnok negnulletssuA ned nI .nef nehcsimlif nI :netsnüK ne redna tim repO -nrepO nov negnudnibreV re tffahcs spU-hsaM rov dnu rutaretiL ,tfahcsnessiW tim nekrew -oP nehcsireltsnüK .tsnuK rednedlib tim mella haraS ,)lafisraP( ztilesaB groeG nov nenoitis red o )emli F-n re pO -ressaW-re tnU( si r roM -uM nehets )legronedleH( dnameD samohT eiw nennireltsnüK .rebünegeg negassapkis -tanoJ redo nosledA eilseL ,essorG anirahtaK euen gnulletssuA eid rüf nedrew eseeM nah .nlekciwtne nrepO-netuniM eiw ekreW mi noitatS ehciergnafmu rhes enie n A -ßieW ellahtsnuK remlU red dnu mlU muesuM -ie tim nenoitatS eretiew hcis neßeilhcs tpuah -tsnuK nehcsigrebmettrüW mi netlahnI neneg ni net rO nererhem na dnu t ragttutS nierev .na tdatsreblaH tdatsstrubeG segulK ed.mlumuesum.www → samohT ,hcstärB nitsreK ,egulK rednaxelA :reltsnüK ,sirroM haraS ,renreL neB ,essorG anirahtaK ,dnameD :gnulletssuA edeihT samohT ,ttenneS drahciR 0202.4.91– 9102.01.02 :mlU ,mlU muesuM

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nilreB mi neuaB dnu nenalP erhaJ re0891 red -ieB ma hcis temdiw eirelaG ehcsinilreB eiD -etdätS med dnu rutketihcrA red snilreB leips .RDD red dnu D RB red ni erhaJ re0891 red uab nehcsinilreB ruz tfahcsrabhcaN retkerid nI nov ethciD egit ragiznie enie se tbig eirelaG -natstne slamad eiD .tieZ renej nerutketihcrA -uednie renie ednE sad netetuäl netuaB nened red tim gne hcsigoloedi geirK netlaK mi ,negit -säuaB nenebow rev kitilopsednaL negiliewej slamad edruw tleW red fua llarebÜ .nie kiteht -hoW nehcsitdätsrenni nemroF neuen hcan -st ro fua guzebkcüR menie hcan redo snen hcua dnu thcuseg nenoitidartuaB ehcsifizeps .tborpre reuaM red netieS nedieb fua nilreB ni -ueN ehcsitirk enie thcusrev gnulletssuA eiD rov negnulkciwtnE nelellarap red gnut reweb -opoeg rednenhciezba hcis dnurgretniH med netiekmasniemeG .negnurednäreV rehcsitil nedieb ni negnunalP red edeihcsretnU dnu -roV elanoitanretni nered eiwos netflähtdatS retnU .nedrew tetiebraegsuareh nellos redlib n e g i g ä l h c s n ie u z a d r e d g n u g i t h c is k c ü r e B kitirkrutketihcr A hcua nellos net tabedhcaF fuarad kcilbniH mi ethcihcsegrutketihcrA dnu eid rüf eis elloR ehclew ,nedrew tethcueleb netnnök neleips six arpuaB ehcsissönegtiez -otsih etgiezeg ein hcon lieT muZ .netllos dnu -ifargotof elleutka eiwos neilairetaM ehcsir red uz gartieB nenie nellos nenoitisoP ehcs sua seseid mu ettabeD net rhüfeg srevortnok ,netsiel ebreuaB eted rhäfeg thciS regitueh muisopm yS nelanoitanretni menie fua eid -letssuA nelaidemitlum red nI .driw tfeit rev -ihcrA 03 .ac nov ekreW 004 awte nedrew gnul dnu nefargotoF ,sorübsgnunalP ,nennit ket hcrud nedrew eiS .t giezeg nedneffahcsmliF -ataK nehcsiratnemukod negidnäwfua nenie -t timreV sednessafmu nie dnu ppA enie ,gol -ärpseG dnu negnurhü F eiwos tkejorpsgnul rov nennirenhoweB dnu netuelhcaF tim ehc .tznägre trO ed.eirelagehcsinilreb.www → :netketihcr A rellüM alusrU :gnutieL ehcsireltsnüK ,nnamsiE reteP ,t reknaB reteiD ,maharbA nnahoJ dnumiaR boR ,remäH rrehtlaW-tdraH ,didaH ahaZ ,rednuffarG znieH nhatS retnüG ,arieiV aziS oravlÁ ,dniksebiL leinaD ,reirK ,tsnuK enredoM rüf muesumsednaL eirelaG ehcsinilreB 1202.2.22–.0202.01.03 :nilreB ,rutketihcr A dnu eifargotoF

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Anything Goes

für einen experimentellen Zugang zu neuen mit seinem vielfältigen künstlerischen Werk Situationistischen Internationalen steht er begründer der Künstlergruppe CoBrA und der garde nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Mitdeutendsten Figuren der europäischen AvantKunstszene. Heute zählt er weltweit zu den belebens als Enfant terrible der dänischen Der Künstler Asger Jorn (1914–1973) galt zeit-

der Musik — Die Macht Alexander Kluge

Kontexte, unter ihnen eine Reihe von Neuproterschiedlicher Generationen und kultureller die Kuratorinnen künstlerische Positionen unPerspektiven präsentieren zu können, zeigen Häuser orientieren. Um eine große Vielfalt an und Gedenkstätte Ravensbrück: 30.1.2020–30.9.2021 an der Ausstellungsgeschichte der jeweiligen Künstlerische Interventionen Fürstenberg / Havel; Mahnma Männlichkeit zusammengestellt, die sich Dominique Hurth, Susanne Kriemann, Michaela Melian Dominique Hurth Künstler: Arnold Dreyblatt, Moritz Fehr, verschiedene Kapitel im Hinblick auf das TheKünstlerische Leitung: Insa Eschebach Kuratorin: Für die einzelnen Kunstvereine werden → www.stiftung-bg.de Albertinum / Lipsiusbau, Dresden: 8.5.–13.9.2020 und außerhalb der Kunst reflektieren. Alex Martinis Roe, Elske Rosenfeld, Lewis Watts u.a. beschreiten. gegenwärtige Konzepte von Männlichkeit in mit Asger Jorn Hamdan, Steffani Jemison, Julie Mehretu, Julia Phillips, lerinnen: Sadie Barnette, Ângela Ferreira, Lawrence Abu die Gedenkstätte Ravensbrück neue Wege und gesellschaftspolitischer Fragestellungen & Hans Berg im Dialog Künstlerische Leitung: Kathleen Reinhardt Künstschen Historikerinnen und Künstlern möchte rischer Positionen sowie kunsttheoretischer Nathalie Djurberg → www.albertinum.skd.museum chen Forschung. In der Zusammenarbeit zwiaussehen könnte. Sie wollen anhand künstleunabgeschlossenen historisch-wissenschaftliEinfluss von Davis aufzuzeigen. feministische Ausstellung über Männlichkeit me zu schaffen in Ergänzung zu der noch USA angedacht, um dort den internationalen samer Ausgangspunkt ist die Frage, wie eine liegt darin, Kommunikationsanlässe und -räudem ist eine Tour der Ausstellung durch die fangreichen Vorhaben zusammen. Ihr gemeinFehr, Michaela Mélian und Dominique Hurth same Symposien und Auftragsarbeiten. Außer- sich diese drei Institutionen zu einem so umSusanne Kriemann, Arnold Dreyblatt, Moritz Chemnitz: 1.5.–27.9.2020 kland Museum plant das Albertinum gemein- drei Direktorinnen. Zum ersten Mal schließen ce dieser künstlerischen Interventionen von Tobias Zielony Kunstausstellung im öffentlichen Raum, Art Museum in New Brunswick und dem Oa- Köln und Düsseldorf unter der Leitung ihrer und Ooze Architects, Roman Signer, Anna Witt, devianter Frau auseinandersetzen. Die Chan- Potrč Projekte in den USA statt: mit dem Zimmerli stellungsprojekt der Kunstvereine in Bonn, Observatorium Rotterdam, Peng! Collective, Marjetica Klischee der SS-Täterin als blonder Bestie und Aladağ, atelier le balto, Henrike Naumann, Olaf Nicolai, Zeitgleich zu der Ausstellung finden weitere Maskulinitäten ist ein Recherche- und AusKuratorin: Sarah Sigmund Künstlerinnen: Nevin Täterschaft thematisieren und sich mit dem auf Angela Davis als Intellektuelle richten. Künstlerische Leitung: Florian Matzner und temporär gezeigt werden, die weibliche → www.kunstsammlungen-chemnitz.de wahl an Büchern, die einen speziellen Fokus und Westfalen, Düsseldorf. sollen fünf künstlerische Positionen realisiert Grosse und Yvette Mutumba, bietet eine Ausund des Kunstverein für die Rheinlande lagers Ravensbrück. In diesem Zusammenhang Mode oder Design. Contemporary-And Herausgeberinnen Julia vereins, des Kölnischen Kunstvereins Eine Kooperation des Bonner KunstAufseherinnen des Frauen-Konzentrations- dender und darstellender Kunst, Literatur, traler Leseraum, zusammengestellt von den sche Dauerausstellung Im Gefolge der SS: werden Verbindungen schaffen zwischen bil- nierungen in Gefängnissen weltweit. Ein zendenburg finanzierte, historisch-dokumentari- Performances und partizipativen Projekte Bogen zu Davis‘ Untersuchungen zu Diskrimistätte Ravensbrück die neue, vom Land Bran- Skulpturen, Installationen, Interventionen, DDR-Zeit verarbeitet, schlägt den inhaltlichen Weltkriegs im April 2020 eröffnet die Gedenk- Bauwerke und Stationen umfassen. Viele der ce, in der sie ihre Inhaftierung während der zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Die Ausstellung wird mehr als 30 Orte, terfragt. Gabriele Stötzers Video-Performannen inhaftiert. Im Kontext der Veranstaltung Nachwendezeit ihre Spuren hinterlassen. ces das Vokabular revolutionärer Gesten hinfalen,K21 Ständehaus, Düsseldorf: 1.10.2020–31.1.2021 sozialismus ca. 120.000 Frauen aus 30 Natio- Veränderungen der letzten 30 Jahre der während Elske Rosenfeld in ihren Performan- 1.6.–31.8.2020; Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westren dort doch während der Zeit des National- auch die baulichen und sozio-ökonomischen wirkungen des Postkolonialismus in Afrika, Marcella Lista Ausstellung Centre Pompidou, Paris: Hito Steyerl Kuratoren: Florian Ebner, Doris Krystof, schichte von internationaler Bedeutung, wa- teln haben neben der Industriegeschichte Ferreira beschäftigt sich etwa mit den Aus- rin: Künstlerische Leitung: Susanne Gaensheimer KünstleRavensbrück ist als Ort deutscher Gewaltge- und die angrenzenden Viertel. In diesen Vier- oder indirekt auf Davis beziehen: Ângela → www.kunstsammlung.de Das ehemalige Frauen-Konzentrationslager Arbeiten sind der Stadtkern von Chemnitz künstlerinnen zu sehen sein, die sich direkt werfen. Ausgangspunkt der künstlerischen Schau vor allem Arbeiten von Gegenwarts- blicksschau in Frankreich sein. für den Stadtraum von Chemnitz zu ent- deutender Künstler der DDR werden in der tive in Deutschland und ihre erste große Überin der Gedenkstätte Ravensbrück Neben Archivmaterialien und Werken be- Die Ausstellung wird Steyerls erste Retrospekvor Ort arbeiten, sind eingeladen, neue Werke Künstlerische Interventionen Ort beschäftigen und eng mit der Bevölkerung rung aufgezeigt werden. dig. 2019 erhielt sie den Käthe Kollwitz Preis. rium Rotterdam, die sich intensiv mit einem rechtigkeit sowie gegen Genderdiskriminie- ten Münster sowie auf der Biennale in VeneNevin Aladağ, atelier le balto oder Observato- Engagement für soziale und ethnische Ge- bei der documenta und den Skulptur ProjekEinzelkünstler und Kollektive wie etwa derstands sollen herausgearbeitet und ihr reichen internationalen Ausstellungen, u.a. ermächtigung und schwarzen radikalen Wi- Berlin. Ihre Arbeiten präsentierte sie auf zahlraum fort. an gesellschaftlich engagierter Kunst im Stadt- rin weiten: Ihre Strategien weiblicher Selbst- und Video an der Universität der Künste in entfalten wird. Sie führt eine lange Tradition Blick auf die inzwischen emeritierte Professo- ist derzeit Professorin für Experimentalfilm Hito Steyerl, 1966 in München geboren, auch international eine große Ausstrahlung schnittartige Bild dekonstruieren und den die Auswahl der künstlerischen Positionen Ausstellung im Albertinum will dieses holz- lung bilden. tur Projekte Münster vergleichbar, die durch internationalen Kommunismus stilisiert. Die Kunstwelt werden Schwerpunkte der AusstelAusstellung geplant, dem Konzept der Skulp- Kreisen der BRD wurde Davis als Ikone eines von spekulativen Interessen beeinflussten Mit der Zukunft Werk Stadt Chemnitz ist eine chen worden war. In der DDR und in linken und die Frage nach öffentlicher Kunst in einer cher über die Kunst ins Gespräch bringen. Terrorismus-Prozess in den USA freigespro- andersetzungen mit künstlicher Intelligenz Stadt verwandeln und Bewohner wie Besu- hat, dass die junge Wissenschaftlerin in einem den visuellen Kultur. Ihre intensiven AuseinKunst im öffentlichen Raum kann eine ganze Angela Davis“ beteiligt, die dazu beigetragen durch den technologischen Wandel veränderngeleiteten Kampagne „Eine Million Rosen für bis hin zu ihren aktuellen Analysen der sich hatten sich zuvor an der von offizieller Stelle kurs um den „Documentary Turn“ vorantrieb, Chemnitz im Sommer 2020 rin Angela Davis in Berlin. Tausende von ihnen Arbeiten und Essays, mit denen sie den Disim öffentlichen Raum der Stadt Bürger die afro-amerikanische Bürgerrechtle- ten Deutschland über ihre künstlerischen Eine Kunstausstellung Im September 1972 empfingen jubelnde DDR- sismus und Neonazismus im wiedervereinighen essayistischen Dokumentarfilmen zu RasÜberblick. Das Spektrum reicht von ihren früvon Angela Davis gemeinsam entwickelte Ausstellung einen Eine Ausstellung inspiriert Düsseldorf und dem Centre Pompidou in Paris Über ihr Schaffen gibt die vom K21 in reichsten Person der Kunstwelt erklärt. vom Kunstmagazin Art Review zur einflussinspirierende Impulsgeberin. 2017 wurde sie Hito Steyerl vor allem für junge Künstler eine lerischen Ausloten digitaler Technologien ist am Theater Basel schaftlichen Entwicklungen und dem künstSusanne Titz, Direktorin des Museums Abteiberg in Mönchengladbach / Almut Wagner, Geschäftsführende Dramaturgin Schauspiel Mit ihren kritischen Reflexionen zu geselldes Verlags Galiani Berlin / Prof. Dr. Gerald Siegmund, Direktor des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft der Universität Gießen / Bart van der Heide, Freier Kurator / Sabine Himmelsbach, Leiterin des Haus für elektronische Künste Basel / Wolfgang Hörner, Leiter Die Mitglieder der Jury sind: Dr. Manuel Gogos, Autor und Ausstellungsmacher / Björn Gottstein, Leiter der Donaueschinger Musiktage / Art Works (AT) The Museum of Self-Evolving

Mondjäger

Maskulinitäten

lagers KonzentrationsFrauenrinnen des SS-AufseheClichés: Stimmen und Bilder, Bild & Raum

Chemnitz Werk Stadt Zukunft

1 Million Rosen

Projekte beträgt insgesamt 4,4 Mio. Euro. Sitzung im Frühjahr 2019 27 neue Förderprojekte ausgewählt. Die Fördersumme Die interdisziplinäre Jury der Allgemeinen Projektförderung hat auf ihrer letzten

Hito Steyerl


— Once to be The Project

Zu den Arbeiten von Tristan Schulze

schungsnetzwerk Theatrum Mundi ein Auch heute vereinnahmen immer wieder (neo-) sentiert nun eine Auswahl internationaler Armeinsam mit dem von ihm gegründeten For- sche Akteure und Lager instrumentalisiert. ben. Das dreitägige Festival Inbetween prälungenen Kooperationen befasst. Er wird ge- Bombennacht durch unterschiedliche politi- neuen künstlerischen Positionen Raum zu geBereits zu NS- und DDR-Zeiten wurde die Theater sind bisher kaum in der Lage, diesen Gesellschaft zusammenhält mit Fragen zu gesische Institutionen, insbesondere (Stadt-) seinem Buch Zusammenarbeit. Was unsere geschrieben? Richard Sennett hat sich bereits 2012 in len Gedächtnis? Wie wird Geschichte (neu-) pative und immersive Besuchserlebnisse. KlasDer US-amerikanisch-britische Soziologe Erfahrungen: Was wird Teil unseres kulturel- näre Ansätze verfolgen, schaffen neue partiziPraktiken zu präsentieren und zu diskutieren. lichkeiten des Erinnerns und Festhaltens von Theater- und Kunstformate, die interdisziplidie Künstler Gelegenheit, ihre kollaborativen tisiert die Bombennacht und reflektiert Mög- dender Kunst verschwimmen immer mehr. Präsentationsformaten und Konzerten haben Vietnamkriegsgegner wurde. Der Text thema- Die Grenzen zwischen darstellender und bilCamps, Installationen und anderen neuen der schlagartig ein Bestseller und Kultbuch der und Ausstellung Lecture-Reihen, Filmprogrammen, Sound öffentlichte er seinen Roman Schlachthof 5, Theater zwischen Vorstellung tinnen ein. In verschiedenen Formaten wie Vonnegut, das Erlebte festzuhalten. 1969 vermerschool zahlreiche internationale Exper- auf den 14. Februar 1945. Jahrelang versuchte zu diesem Thema für die zweiwöchige Sum- schweren Bombenangriffe auf Dresden vom 13. Arbeiten. Die Darmstädter Ferienkurse laden fangener in den Kellern des Schlachthof 5 die ven sowie orts- und situationsspezifischen zum Militärdienst und überlebte als KriegsgeBerlin: 18.–21.6.2020 durch die wachsende Tendenz zu performati- meldete sich im Alter von 21 Jahren freiwillig Festival Ljubljana: 11.–12.11.2019; Symposium u.a. Ein Schließlich waren es die Besucher, die daüberdimensionierter Zellhaufen fliegt Schamma Schahadat, Aleš Šteger, Marlene Streeruwitz Entwicklungen zu beobachten — besonders Der US-amerikanische Autor Kurt Vonnegut durch Wald. Samen durchbrechen die rüber entschieden haben, ob diese Sätze über Mousonturm, Frankfurt a.M.: 29.11.–8.12.2019 Kraus, Amalijaden Maček, Terézia Mora, Tina Popović, Autorenschaft, aber auch hier sind alternative Performance / Festival / Konferenz: Künstlerhaus Burchuladze, Sharon Otoo, Heike Fiedler, Dagmara Membran, dieDodua die pulsierende Kreatur vor dem die Fassade des Kunsthauses laufen sollten, wiedie vordurch ein starkes Konzept von (alleiniger) von Kurt Vonnegut — Uraufführung ren und Referentinnen: Priya Basil, Thomas Böhm, Zaza Keigo Kobayashi, Hiroshi Egaitsu, Konrad Claus u.a. Außen schützt. Poppig bunte Slogan-Poster integrierte Lichtelemente als BildTatsuki Hayashi, Marcus Dross Beteiligte: Saki Tanaka, Florian Höllerer, Ursula Steffens, Renata Zamida Autoweisen. Im Bereich Komposition gibt es nach Musiktheater nach dem Roman scheinen sichClaudia in denDathe, White Cube verirrt zu schirm nutzbar ist und deren einzigartiKünstlerische Leitung: Tomas Friedmann, Künstlerische Leitung: Akira Takayama Dramaturgie: ativen transund interdisziplinären Arbeits→ www.literaturhaus.net → www.mousonturm.de haben. Absurde Satzkonstruktionen flim- ge amorph gewölbte Form gleich den WerbeSarah Alberti lebt als Kunsthistorikerin Musikerkreisen wächst das Interesse an kremern über die Außenfassade des Kunsthau- screens am New Yorker Times Square die Aufund Journalistin in Leipzig. Als freie ganzses unterschiedliche Weise präsentieren. nigen Jahren eine größere Rolle. Auch in Workshops, Aktionen und Diskussionen. Graz. Tristan Schulzes künstlerische Pra- merksamkeit bindet. Auch inhaltlich fragAutorin schreibt sie u.a. für das Magazin laufendes Programm aus Konzerten, Lectures, die europäischen Veranstalter Literatur auf ater, im Tanz und in der Performance seit eixis ist so vielfältig wie deren Präsentations- würdige Absurditäten wie „Are you annoyed Monopol sowie für taz, Der Freitag, in Berlin bildet ein Format-Parcours, auf dem pation spielen in der bildenden Kunst, im Thepolitischem Aktivismus. So entsteht ein fortformen. Während in BIOMACHINE I ein von of Standard?“ oder „Product is Fascism“ wurFreie Presse und Sächsische Zeitung. Sprachen um? Den Höhepunkt des Festivals Thema. Kollektive Arbeitsformen und Partiziten Bereichen wie Literatur, Architektur oder Algorithmen generiertes amorphes Wesen den freigegeben und waren weithin im Stadt-Berlin: 27.–31.5.2020 Im Rahmen ihrer Dissertation an ter mit den sogenannten kleinen und großen aus dem Hip-Hop und der Street-Art verwandrisch-musikalischen Zusammenarbeit zum bühne, Berlin: 3.1. – 24.5.2020; Festival, Volksbühne, auf der Oberfläche des digitalen Endgerätes raum lesbar. der Bauhaus-Universität Weimar rekonMuttersprache. Wie gehen Literaturveranstaltert wird der Kreis der Lehrenden um Gäste chen Formen und Bedingungen der künstleu.a. Vorbereitende Veranstaltungen, Volkszerplatzt — unweigerlich denkt man da an Tristan Schulze macht nicht nur Kunst,Volkostrelov struiert sie das Ausstellungsprojekt Cărbunariu, Katarzyna Kalwat, Valdislav Troitskyi, Dimitry chen, pflegen andere das Schreiben in der werden die Meistersinger auswählen. Erweidieser Ausgabe ihr 50. Jubiläum feiern, maPokémon Go — scannte er für BITE die Werke die unsere digitale Realität reflektiert. Er be- Regie:Die Thorleifur Örn Arnarsson, Lucia Bihler, Endlichkeit der Freiheit, das Gianina im Som- und weiterer Co-Kuratoren aus der Region vollziehen, um ein globales Publikum zu erreiDie Darmstädter Ferienkurse 2020, die mit Elodie Evers, Christian Morin, Sabine Zielke u.a von mit ihm gemeinsam ausstellenden Künst- dient sich dafür der Mittel und Methoden die-Programm: mer �990 als unmittelbare Reaktion Autoren den Sprachwechsel zum Englischen banen Raum. Der Hip-Hopper Hiroshi Egaitsu Martens, Hannah Schünemann Kuratorinnen lern zu neuen Plakat-Ästhetiken, die über Mo- ser Parallelwelt, deren Potentiale wie Gefah-Degna auf den Mauerfall in Ostund Kuratorin Festival: Alina Aleshchenko Dramaturgie: ren nitore Fokus laufen. des Projektes. Während manche vor den Toren Nürnbergs in den heutigen urDarmstädter Ferienkurse 2020 Autor der sie mittig zierenden ren sich bisher den wenigsten erschließen. Künstlerische Leitung:stattfand. Alina Aleshchenko, Klaus Dörr Westberlin „School“ den zehntägigen Sängerwettstreit rungClaims und Nationalisierung bildet einen weiteProjektreihe im Rahmen der → www.volksbuehne.berlin wie „YOU ARE LOST“, „SAVED MY „Wir formen unsere Werkzeuge, und dann forDas Spannungsfeld von InternationalisieFestival, halb Konferenz-Format übersetzt die LIFE“ oder „FEEL IT HEAVY“ ist eine künst- men die Werkzeuge uns“, formulierte McLures Publikum? ne „School of Hip-Hop“. Halb Performancegeladenen Theater beschäftigen. liche Intelligenz, die darauf trainiert wurde, han 1967. von Kunst und Politik in den Ländern der einwickelten Bau und verwandelt das Haus in eiken,die wiegesampelten erreichen sie auch ein neues, jüngeGrafiken möglichst treffend Dem neuesten Werk SUPER_ID, das eiMousonturm einen von Keigo Kobayashi entsprächsreihen, die sich mit dem Verhältnis mittlung in die Stadtgesellschaft hineinwirzu beschreiben. Der Wortschatz des Algo- gens für dieses Magazin entwickelt wurde, ist Diskussionen sowie vorbereitenden GeWie rithmus können speist Institutionen der Literaturverim Theatersaal im Frankfurter Künstlerhaus sich wiederum aus Kommen- dies genuin eingeschrieben: An der Schnittmenprogramm mit Vorträgen, Lesungen und sentation von Literatur in Zukunft aussehen? nern unterstützt. Für zehn Tage errichtet er taren und Beschreibungen zeitgenössischer stelle von Kunst und Technologie verhandelt Orten in der Stadt, Mannheim: 9.–19.7.2020 Eingebettet ist das Festival in ein Rahturvermittlung befragen: Wie kann die PräTakayama wird dabei von mehreren PartKunst in sozialen Netzwerken. Schulze imimMedium App Schwetzingen das Themaund IdentiMannheim, sowie Rokoko-Theater an selbst. eigenen Sein Institutionen und Formate der Literain Deutschland. Nationaltheater Fityan, Perceval u.a. Festival: Welt. autodidaktisch angeeignetes techtätLuk in der digitalisierten Mit seiner App Geschichte und der Geschichte des Theaters den Blick auf gesellschaftliche Asymmetrien renteam will während des Festivals auch die Norient, Aslı Erdoğan, Thomas Fiedler, Haz’art-Trio und _ ID können Nutzer eine eigene „Supernisches Know-how verbindet der diplomierSUPER Künstlerinnen: Ariel Ashbel & Friends, Theresa Beyer / Spielzeit der ost- und westdeutschen Identitätsbildung und richtet einen prüfendabei im Zentrum. Das internationale Kuratoneuen te Interaktionsdesigner auf den ersten BlickKünstlerische identität“ in Form einer Albrecht Maske Puhlmann kreieren, die Leitung: Jan Dvořák, so widmen sich die Neuproduktionen der det, zielt es auf einen Kernbereich kultureller Präsentation von Literatur zukommt, steht in Echtzeit auf Mimik und Stimme reagiert. vor allem spielerisch mit der Kunstwelt. Aus→ www.nationaltheater-mannheim.de tik des Festivals auch in ihrem Repertoire auf, Hip-Hop mit Richard Wagners Oper verbinche seinen Bedeutung dem Performativen in der Arbeiten spricht die Freude am Pro- Die Maske verschlüsselt diese biometrischen Die Volksbühne greift die Ost-West-Thema- Takayama greift dieses Umfeld auf. Indem es ration mit der Plattform Norient entsteht. tor und Öffentlichkeit gewandelt hat und welgrammieren, am Experimentieren mit den Daten und wird zum ästhetischen Digital-Acten.Möglichkeiten Die Frage, wie sich das Verhältnis von Austellung über Musikmaschinen, die in Kollaboschen Regisseurs und Theaterkünstlers Akira Mittelund Osteuropa. von Algorithmen, KI (künst- cessoire, das danach fragt, wie wir uns künfsich gegenseitig zu einem vielfältigen Bild von Raum“ aus europäischer Perspektive beleuchsowie Machines of Enlightenment, eine Aus— Die Meistersinger von Nürnberg des japaniliche Intelligenz) und AR (Augmented Reali- tig im digitalen Raum repräsentieren wollen. ben in Berlin zusammengeführt und ergänzen len sie das Thema „Literatur im öffentlichen transkulturellen Konzert des Pera-Ensemble grantisch geprägte Szene. Wagner Project ty). Die Endprodukte sind nicht zwangsläufig Tristan Schulze versteht sich als DesignBeiträge werden dann während der Endprovals digital: in BerlinFür sowie einer Essaysammlung wol(1925), der West-Östliche Divan mit einem sent. Bis heute existiert eine breite, oft midie Reihe Tapestry trainier- er, Künstler und Dozent. Als künstlerischer vals erarbeiten. Die einzelnen künstlerischen nes te Auftakttreffens in Ljubljana, eines FestiOperette Ayse von Muhlis Sabahattin Ezgi reits ab den 1970er Jahren subkulturell präer eine KI darauf, traditionelle Web- und Mitarbeiter lehrt er im Bereich Multimeeine eigene Produktion zum Thema des FestiFreeKnüpfmuster Word Londonauszuführen entwickelt. Imund Rahmen eiten und Diskussionen, die Aufführung der in Deutschland. Hier war der Musikstil beindividuell dia / Virtual Reality an der Burg Giebichenrien,zudem Writer’s House Georgia und dem Mathias Enard, der Salon Oriental mit Konzereines der lebendigsten Zentren des Hip-Hop entwickeln. Im Anschluss werden sie jeweils interpretieren. Grundlage bildeten Tep- stein Kunsthochschule Halle. Ausstellungen men, um ein gemeinsames Leitmotiv zu Buchagentur JAK, der Nest Foundation Bulgagarten, eine Lecture des französischen Autors Die Rhein-Main-Region um Frankfurt gilt als piche verschiedener Herkunft und Alter. Die und Projekte führten ihn in den vergangenen tenden Workshops an der Volksbühne zusamLiteraturveranstaltern wie der Slowenischen schließen weitere Projekte an: der ParadiesMuster aus Persien, China, Europa und In- Jahren auch ans KINDL – Zentrum für zeitProjekt gemeinsam mit anderen europäischen regisseur Luk Perceval. An diese Produktion jektteams der Partner kommen zu vorbereiDie Meistersinger von Nürnberg dien interpretierte die KI zu eigenen Ent- genössische Kunst in Berlin, ans Zentrum für und der Ukraine, zusammenarbeiten. Die Proland, Österreich und der Schweiz hat dieses rin Aslı Erdoğan und den belgischen Theaterwürfen. Die Ergebnisse zeugen deutlich vom Kunst und Medien in Karlsruhe, in die ACC Das technischen Netzwerk derProzess: Literaturhäuser in Deutsch- zarts Oper durch die türkische Schriftstelle- u.a. aus Polen, Lettland, Tschechien, Russland Während die mensch- Galerie Weimar oder die Galerie für Zeitgedie Neufassung und -inszenierung von Mo- atern aus den ehemaligen Ostblockstaaten, liche Hand in der Lage ist, flexibel mit Web- nössische Kunst in Leipzig. erlebbar zu machen. Im Zentrum steht dabei künstlerisch befragen. Sie wird dazu mit The— ein europäisches Festival und Strickmustern umzugehen, um ihnen Seine Freude am künstlerischen Tun, am Literatur im öffentlichen Raum der wechselseitigen Beziehungen spür- und pas und die damit verbundenen Stereotypen je nach Fadenverlauf die nötige Festigkeit technisches Experiment, sie äußert sich auch lerischen Formaten den kulturellen Reichtum Volksbühne will die Ost-West-Spaltung EuroKampnagel, Hamburg: 6.–9.5.2020 zu geben, sind die KI-produzierten Textili- ganz analog: Im Januar 2017 bezog er für noch sinnvoll? Das Festival in der Berliner Ndoho Ange, Siko Setyanto, Yousuke Yukimatsu u.a. kerinnen sind eingeladen, in diversen künstdrastische Maßen deutlich instabiler, dabei ästhetisch an- eine Woche den Raum für Tanada, KHNG KHAN, Ican Harem, Lavinia Vago, nationale Künstlerinnen, Autoren und Musi- und sind sie heute in einem geeinten Europa Akihiko Felix-Florian Tödtloff, Will Ballantyne Künstlerinnen: sprechend. nahmen e.V. in Berlin. Abgesehen von festen nistische Wahrnehmung überwinden. Inter- genau verbirgt sich hinter diesen Kategorien Produktion: Johannes Maile Komposition / Musik: „Das Medium ist die Botschaft.“ „The me- Pausenzeiten lebte und arbeitete er 24/7 daDramaturgie: Petra Pölzl Choreografie: Ylva Falk Ost oder West? Oder eher Post-Ostwest? Was Okzident rekonstruieren und die anta godium is the message.” Marshall McLuhans so rin, schlief in einem Campingzelt und war Künstlerische Leitung / Regie: Tianzhuo Chen vielschichtigen Verflechtungen von Orient und → www.kampnagel.de gern zitierte These, dass die Medien selbst den neugierigen Blicken der Vorbeieilenden der Volksbühne Berlin Themenschwerpunkt Jenseits des Serails die auf unsere Sinne einwirken, bevor wir die ausgeliefert. Vergleichbar einem menschliTranskulturelles Festival an Ausgehend von Mozarts Werk will der Europa zu sehen sein. vermittelten Inhalte überhaupt Literatur festival, Z-Bau, Nürnberg: 12.–15.9.2019wahrneh- chen Algorithmus hatte er sich Regeln für wird die Produktion auf weiteren Festivals in tiert überlebt haben. Ronyamen, Othmann, Kinga Tóth, Philipp u.a. ist ein Schlüssel zuWinkler den Werken Schul- das Erstellen einer Wandzeichnung auferlegt: John, Dagmara Kraus, Rafael Mantovani, Gianna Molinari, Nach ihrer Uraufführung auf Kampnagel die im Repertoire der Oper zumeist unreflekDenn neben der thematischen Blum,zes. Kenah Cusanit, Cornelia Hülmbauer, Elnathan Ausein- Unterschiedliche Sequenzen entschieden Performance. scheehafte und hegemoniale Erzählmuster, Künstler: Donat Frederik Skorzinski, Ayna etwa Steigerwald andersetzung, mit Fragen nach der über Strichlänge und Größe von Häufungen, finden gleichermaßen ihren Ausdruck in der lächerlichen Orientalenüber vorführen. KliMarquardt, Chris Möller, Tillmann Severin, Lara Sielmann, Beziehung von Mensch und Umwelt, Autor-oder Abstände und schließlich die KomposiKünstlerische Leitung: Clara Kopfermann, Tristan der Bevölkerung durch künstliche Intelligenz gung, die wahlweise den grausamen, weisen schaft und Urheberrecht, künstlerischer tion. Schulze übernahm als zeichnender Kör→ www.lesereihen.org und die voranschreitende Totalüberwachung westlichen Orientalismus historischer Präführung, Thalia Theater Hamburg, Hamburg: 12.10.2019 → www.ulf-festival.de Aneignung und der Überlieferung traditi- per die Rolle eines programmierten Agenten Ljubljana, The Royal Dramatic Theatre in Schweden Urauf- senschaftliche Trends, das Thema des Klonens Werke jener Zeit bedienen Denkfiguren des oneller Kulturtechniken wie dem Weben und arbeitete nach dessen Regelwerk, ge-mies (PLETA), Slowenische Nationaltheater – Schauspiel lungund an ein diverses Publikum diskutiert. Gegenwart. Biotechnologische und neurowisdert. Das berühmte Singspiel und viele andere Stricken, ist bei ihm immer auch eine prägt auch von Fehlern und Improvisation. House Theatre-Festival, Platform European Theatre Acadeden westlichen Künsten seit dem 18. Jahrhuntion mit einer technofuturistisch anmutenden keiten und Desiderate der LiteraturvermittInternationale Kooperationspartner: Baltic Pascal Houdus subversive Kritik am unzureichend kritiOb analog oder digital, Tristan Schulze Helen Stein, Marko Mandić, Matthias Koch, Nir de Volff, gramm werden unter anderem die Möglichtens zum Orient und dessen Repräsentanz in imaginierte Zukunft der frühen Science Ficschen Umgang mit dem technischen Fort- appelliert an einen experimentierfreudigen man, Johannes Hofmann und Anna Bauer, Lena Schön und verteilt. In einem umfangreichen Rahmenprodurch ein Brennglas das Verhältnis des Weshen 20. Jahrhunderts. Er kontrastiert die schritt ablesbar, wenn auch nicht explizit wie reflektiert-kritischen Umgang mit Al-Alexandra Mamkaeva, Christiane von Poelnitz, Electra HallEntführung aus dem Serail (1782) spiegelt wie sie mit Science Fiction-Erzählungen des früwartskultur über die ganze Stadt Nürnberg Franziska Autzen Schauspielerinnen: Aenne Schwarz, ausformuliert. gorithmen, KI und AR, die in naher Zukunft Nunes Dramaturgie: Christina Bellingen Projektleitung: Entwicklungen in China auf und verschränkt ropäischen Kultur heraus. Mozarts Oper Die veranstaltungsort Z-Bau — Haus für GegenAm deutlichsten wird die Dialektik von unseren Alltag und unsere Körper durch-Künstlerische Leitung: Joachim Lux Regie: Antú Romero Inhaltlich greift der Regisseur aktuelle Veranstaltungsorte neben dem Hauptundwerden, Überlegenheitsanspruch eu- → www.thalia-theater.de der Freude amsind Technikexperiment undMachtdringen wie es Apps undder E-Mails Clubkultur. torinnen und Publikum zu verringern. Die Wien bildete sich jedoch zunehmend ein der Kritik am Unkritischen in der Arbeit heute schon selbstverständlich tun. Wollen liche{Ghost}, Strategie ist, die Distanz zwischen Au- derlage so inspiriert wie von zeitgenössischer globaler des Osmanischen Reiches 1683 vor Konzepten von Heimat weiter vertiefen. einem Projekt zur Maschineninwir das? Und wenn ja, in welcher Form? Mit ganzen Vielfalt zu präsentieren. Eine wesentgeprägt. Nach der großen militärischen Niereografien sind von rituellen Tanzstilen ebenDialog und den Austausch zu verschiedenen telligenz, realisiert 2017 für das Kunsthaus seinen Werken gehört Schulze im wahrsten stalten und Vermitteln von Literatur in ihrer aber ebenso von Austausch und Bewunderung eidoskop digitaler Bilder treffen. Chens ChoRahmenprogramm wird den internationalen Graz und initiiert von dessen Leiterin Bar- Wortsinn zur Avantgarde, zu den VorkämpMotive fernöstlicher Spiritualität auf ein Kalneuebara Formate und Konzepte für das Veranseit der Antike von Konkurrenz und Krieg, kulturelle Vielfalt künstlerisch erlebbar. Ein _ Steiner: Besucher konnten über ihr fern einer geistigen Entwicklung, die vor der Die App SUPER ID ist eine künstlerische Arbeit von Tristan Schulze, die er für dietrales Anliegen der Festivalmacher ist es, Die Beziehung von Orient und Okzident war tional vernetzten Generation auf und macht und Settings unterschiedlichster Art, in denen Smartphone mit einer digitalen Maschi- zeitgenössischen Kunst nicht Halt macht ses Magazin entwickelt hat — von der künstlerischen Idee bis hin zur Programmierung. Regisseur ein Panorama einer jungen, internakunftsbarrieren überwinden wollen. Ein zenund erlebt eine Folge von Tableaus, Szenen ne in Dialog treten. Der Wortschatz des und Rezipienten, Kuratorinnen und Kritiker Mit Schulzes App können Sie selbst eine digitale Gesichtsmaske kreieren, deren werden sollen. Mit seinem Stück spannt der kum kann sich in der Installation frei bewegen vereinbaren lässt, die Bildungsund Herfestival Mannheimer Sommer künstlichen Gehirns (artificial neuronal ebenso vor Herausforderungen im Hinblick Form Sie durch Ihre Mimik und Stimme anpassen können. SUPER_ID ermöglicht Ihnen, Frau und Wendy von einem Mann verkörpert stallativen Performance verwoben. Das Publisches Programm mitaus Präsentationsformen schwerpunkt Musiktheaternetwork) wurde veröffentlichten Tex- auf technische,im ästhetische und inhaltliche sich ästhetisch-spielerisch in einem geschützten (Daten-)Raum mit digitaler aufbrechen, indem Peter Pan von einer jungen bildende Kunst und Musik werden zu einer inein ten ambitioniertes, mehrsprachiges literariTranskultureller Themendes Kunsthauses — Pressemitteilun- Aspekte stellt, wie es die Videokunst in den Identität und Verschlüsselung auseinanderzusetzen. geschlechterspezifische Rollenbesetzungen zepten von Zeit arbeiten. Tanz, Performance, eines Festivals zu zeigen, wie produktiv sich gen, Social-Media-Beiträgen und Katalog- 1970er Jahren getan hat. nen in das Stück einweben. Nunes wird zudem chen kulturellen Wahrnehmungen und Kongen texten — generiert. Raum, um in der konzentrierten Form Angefüttert mit diesem Sie erhalten die App SUPER_ID kostenfrei im turszene aus dem gesamten deutschsprachise persönlichen Geschichten der Darstellerin- wird in seinem Happening mit unterschiedliWissen war die Maschine in der Lage, eigeApp- und Playstore oder über unsere Website: Muttersprachen wird Antú Romero Nunes die- zest mögliche Zeiteinheit. Tianzhuo Chen anstalter solcher Lesereihen der freien Literane Sätze oder Binsenwahrheiten (Truismen) In Nürnberg treffen sich erstmals ca. 80 Vertischen Mythologie und bezeichnet die kürBiografien geben. Wie auch ihre jeweiligen zu produzieren: „I can feel it“, „Youth is Sex“, kennenlernen und Einblicke in ihre eigenen für die Gegenwartsliteratur gewinnen können. Der Begriff „Ksana“ stammt aus der buddhis„Feelings is inverted Zeitgeist“.

Musik & Klang

Inbetween

Sarah Alberti

Schlachthof 5

Collaborate

Wagner Project

handeln Mit Sprache

POSTWEST

des Serails Jenseits

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www.kulturstiftung-bund.de ⁄ app


>L  asstKunst mich nach raus! <den sozialen Medien

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Es sieht nach einer Szene aus einem dieser bösen Träume aus: Der Künstler Andy Picci, ganz in Schwarz gekleidet, befindet sich in einem strahlend weißen Raum. Er sitzt da, schaut sich um, macht sich mit seiner Lage vertraut. Verhalten ruft er in den Raum: „Jemand da?“ Die Antwort bleibt aus. Er legt sich hin, wartet, er scheint im weißen Raum zu schweben. Irgendwann wird er nervös, weil niemand kommt, weil ihm niemand antwortet. Er steht auf, rennt herum, schnappt nach Luft. Verzweifelt sinkt er zu Boden. „Bitte!“, immer wieder ruft er, „Bitte, lasst mich raus!“ Immer noch keine Antwort. Ende. „Let me out“, also „Lasst mich raus“ auf Deutsch, ist auch der Titel seines knapp 8-minütigen Videos. Wenn man weiß, dass der französische Künstler Picci sich in seinem Werk mit dem Einfluss der Digitalisierung auf die Gesellschaft befasst, wird schnell deutlich, wofür die weiße Zelle steht. Smartphones und soziale Medien lösen erst ein Gefühl der Neugierde aus, man sieht sich um, probiert aus, fühlt sich unbeobachtet. Es folgt die Verunsicherung über das, was da vor sich geht. Likes, Follower, Aufmerksamkeit, Bestätigung. Was das mit einem macht: Selbstdarstellungssucht, Abhängigkeit. Die Ökonomin Shoshana Zuboff fasst die Entwicklungen im digitalen Zeitalter mit dem Begriff des Überwachungskapitalismus zusammen. Sie schreibt in ihrem Buch Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus: „Digitales Verbundensein ist heute ein Mittel zu anderer Leute geschäftlichen Zielen. Im Grunde seines Wesens ist der Überwachungskapitalismus parasitär und selbstreferenziell. (...) Anstatt von Arbeit nährt der Überwachungskapitalismus sich von jeder Art menschlicher Erfahrung.“ Menschen teilen Erfahrungen in den sozialen Medien, sie scheinen heute jede Minute ihres Alltags gewissenhaft vom ersten Augenaufschlag bis zum letzten Tanz in der Disco zu dokumentieren und zu teilen. Nicht selten wird ein Tag so geplant, dass er maximal „instagrammable“ ist, also das perfekte Bild vom perfekten Leben den Freunden und Followern vermittelt. Während sich einst darüber beschwert wurde, dass Fotos von Touristen unoriginell sind und ein Foto aussieht wie das andere (vom Eiffelturm, vom Schiefen Turm von Pisa etc.), trifft das heute auf Fotos in den sozialen Medien allgemein zu. Was einst für Urlaubsfotos galt, trifft heute auf jede Sekunde des Tages zu: „I was there, I did that.“ Ich war im Bett, ich bin aufgewacht, ich habe Kaffee getrunken. Wenn man also kunsthistorische Fragestellungen an Bilder richtet, die in den sozialen Medien geteilt werden, kommt man damit nicht sehr weit. Dann ignoriert man, dass in den sozialen Medien Fotos nicht als Objekte, die für sich stehen sollen, geteilt werden, sondern als Erfahrungen. „Das Zentrum der

konzeptuellen Gravitation für die Beschreibung, wie Menschen heute mit Bildern kommunizieren, sollte weniger kunsthistorisch als sozialtheoretisch sein“, so Nathan Jurgensons Schlussfolgerung in seinem Buch The Social Photo: On Photography and Social Media. Mit Fotografie will „social photography“ überhaupt nicht konkurrieren, so der Ausgangspunkt von Jurgenson. Das ist das große Missverständnis. Missverständnisse gibt es viele, wenn es um soziale Medien geht. Das besonders, wenn die Kunst ins Spiel kommt, denn die soll doch bitte nur dort stattfinden, wo wir es gewohnt sind: in Galerien und Museen, auf Biennalen und Festivals. Die Kunstkritikerin Swantje Karich beispielsweise schrieb in der WELT: „Das Schöne an Instagram ist doch die Fake-Unschuld des ‚Alle tun ja nur so, als wäre es Kunst‘.“ Aber wer tut denn nur so? Die einen kommunizieren, die anderen machen Kunst oder kommunizieren über ihre Kunst. Es folgt ein kleines Gedankenexperiment von Karich: Was wäre, wenn wir alle anfangen würden, Instagram mit Kunst zu verwechseln? Ihre Antwort: „Alle würden sich Künstler nennen und das Internet ausdrucken, wie damals die ersten Blogger, die immer auf die Wirklichkeit schimpften und doch anfingen, Bücher über Bücher zu publizieren. Dabei ist doch das Schöne an Instagram die Lautlosigkeit, mit der man es wieder vergisst.“ Das Schöne an Instagram ist die Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten: Foodblogger beispielsweise zeigen Food, Fashionblogger Kleidung, Travelblogger Reisen, Fitnessblogger Muskeln, Buchblogger Bücher und Künstler Kunst. Künstler derweil sind genervt von der Kritik, Kunst sei auf der Plattform nicht möglich. Und wenn dann doch einmal in Betracht gezogen wird, dass es sich um Kunst handeln könnte, fällt meist die Bezeichnung Instagram-Künstler oder Instagram-Künstlerin. Ein Schriftsteller, beispielsweise Clemens Setz oder Saša Stanišić, der Twitter vielleicht sogar für das Teilen von Prosa-Miniaturen nutzt, wird ja auch nicht Twitter-Autor genannt. Amalia Ulman übrigens wird das erste Instagram-Meisterwerk zugeschrieben. Im sozialen Netzwerk werden die Schokoladenseiten des eigenen Lebens geteilt. Das sind Smoothies und Avocado-Toast, die Stunden im Fitnessstudio, die gute Figur vor dem Spiegel. Als Ulman genau diese Stereotype im Rahmen ihrer fünfmonatigen Performance im Jahr 2014 nachstellte und als authentisch präsentierte, war Instagram nicht mehr ganz neu. Aber eben noch nicht so weit, dass zahlreiche junge Frauen zum Teil mit Millionen von Followern Produkte von Unternehmen bewerben. Online sind wir alle Lügner, wir performen Perfektion und Erfolg. Und Amalia Ulman, die Künstlerin, performte mit, und zwar genau das, was sie zuvor in den sozialen Medien als weibliche


Stereotype ausgemacht hatte: das Tumblr Girl, das sich bei Urban Outfitters einkleidet und ein bisschen langweilig ist. Das Hot Babe mit Sugar Daddy. Das Mädchen von Instagram, das auf Superfood und Yoga steht. Ulman konnte alle drei dieser Stereotypen nachleben, weil sie sich ein Narrativ für ihre Persona überlegt hatte mit Träumen und Wünschen, Erfolgen und Abstürzen und einem Happy End. Amalia Ulman wird folglich auch nachgesagt, eine Instagram-Künstlerin zu sein. Ihre Antwort (Monopol 3/2018): „Ich bin eine Künstlerin. Ich nutze Instagram, weil es die gängigste Plattform ist. Wenn ich früher dran gewesen wäre, hätte ich vielleicht einen Chatroom genutzt. Es ist einfach Netzkunst, was ich mache. Und Performance. Und Fotografie. Es ist Kunst.“ Schon im Jahr 2016 hat die Amerikanerin Natasha Stagg in ihrem Roman Survey über den schnellen Weg zu Ruhm und Erfolg in den sozialen Medien geschrieben. Influencer und Self-Branding sind heute in aller Munde. Auf Instagram, für alle Augen sichtbar, rücken Teenager sich in das beste Licht, sie möchten #instafame, sie sehen sich selbst als Marke, die es gilt aufzubauen und zu promoten. In Staggs Roman hat Lucinda, eine aufstrebende Influencerin, einen siebenseitigen Essay über die Zukunft des Ruhms geschrieben. Darin schreibt sie: „In the future, no one will want to be famous, in the way that no one wants to be exploited. We will all aspire to be less and less known as we grow up.“ In der Zukunft, so glaubt sie, will niemand mehr berühmt sein. Als Instagram im Jahr 2010 neu war, wusste niemand so recht, wohin es mit diesem sozialen Netzwerk gehen wird, das offenbar erst einmal dazu da war, Fotos einen Vintage-Look zu verpassen. Mit polaroidigen Aufnahmen konnte man Freunde wissen lassen, wie schön es gerade hier und da ist. Bald war klar, dass man mit den richtigen Inhalten Follower und Likes sammeln konnte — das war erst einmal angenehm fürs Gehirn. Bald war auch klar, wenn man alles richtigmacht, lässt sich mit Followern und Likes Geld verdienen. Kürzlich meldete The Atlantic, dass jetzt selbst Influencer keine Lust mehr auf die typische Instagram-Ästhetik haben und es authentisch wollen. The Instagram Aesthetic is Over, lautete der Titel. Influencer fotografieren sich vor bunten Wänden oder in beliebigen Pop-up Museen, Influencer schleppen schwere Kameras an den Strand, Influencer machen irgendwas mit langen Fingernägeln und Kaffeetassen. Das alles will niemand mehr sehen. Das haben Menschen bestätigt, die in Influencer-Marketing-Agenturen arbeiten. Ein paar Tage später legte Quartzy nach, unter dem Titel The Age of the Influencer has Peaked. It’s Time for the Slacker to Rise. Selbst Postings von Privatpersonen auf Instagram würden sich lesen wie Mini-Pressestatements. Man sehne sich jetzt also zurück in die 90er. Damals habe niemand seinen Lifestyle monetarisiert oder sei mit Brands ins Bett gestiegen. Und heute? „Nothing is sacred, art has been replaced by content, and everything is for sale“, steht beispielsweise im Text. Irgendwann müsse es auch mal wieder gut sein mit der Selbstoptimierung, irgendwann würde es den Menschen wieder unangenehm sein, sich mit Unternehmen einzulassen. Es ist also eingetreten, was Staggs fiktive Influencerin schon 2016 prophezeit hat. Künstler sind nah dran am Zeitgeist auf Instagram, ihre Konzepte und Kritik ändern sich so schnell wie die gesellschaftlichen Entwicklungen, die sie reflektieren. Der deutsche Konzeptkünstler Andy Kassier

beispielsweise spiegelt männliche Rollenklischees auf Instagram. Seine gleichnamige Kunstfigur ist reich und erfolgreich und immer da, wo die Sonne scheint und es Geld regnet. Kassiers Motto: „Success is just a smile away.“ Wer nicht weiß, dass es sich um eine Langzeitperformance handelt, der glaubt womöglich, Kassier sei noch so einer, der nicht oft genug Motivationssprüche raushauen und in den Urlaub fliegen kann, einfach, weil er es kann. Der belgische Künstler Tom Galle kritisiert wie Kassier selbstironisch das digitale Zeitalter. Er zerstört scheinbar mutwillig Apple-Geräte oder überdreht deren Nutzung: MacBooks verwendet er mit Selfie-Stick, aus iPhone-Kartons werden Sandalen. Aus Logos großer Unternehmen wie Facebook, Mercedes und Nike hat er Waffen gemacht, mit denen er wie für ein glossy Werbefoto posierte. Galle übt Kapitalismuskritik auf eben der Plattform, die der Kapitalismus trägt. Mit seiner neuen Arbeit auf Instagram reagiert er auf die erbitterten Diskussionen um den Klimawandel. Texttafeln mit vermeintlich „deepen“ Motivationssprüchen sind likestarker Content auf Instagram. Galle setzt auf die TextBild-Schere. Den Spruch „Difficult roads often lead to beautiful destinations“ unterlegt er beispielsweise mit einem Foto von einem Waldbrand. Unter dem Pseudonym Ona zeigt die amerikanische Künstlerin Leah Schrager auf Instagram, wie Intimität in Zeiten sozialer Medien zur Ware wird, wie sich weibliche Sexualität verändert, wie sich Frauen erniedrigen, um auf Männer anziehend zu wirken. Ona hat mittlerweile über drei Millionen Follower, der Account wächst jeden Tag um 10.000 Follower, sie kann davon leben. Die Kunstwelt aber akzeptiert sie nicht, weil sie die Grenzen zwischen Kunst und Pornografie verschwimmen lässt. Von ihrem Dasein als sexpositive Performancekünstlerin hatte sie deshalb letztes Jahr genug. Auf ihrem Account @leahschrager läuft seit Oktober 2018 eine Performance: Schrager hat die Unterstützung eines männlichen Förderers angenommen, der innerhalb eines Jahres eine Million Dollar in ihre Kunst investieren möchte. Sie hat sich in die Hände eines Mannes begeben, der ihr zu Erfolg in der Kunstwelt verhelfen soll, indem er entscheidet, welche Bilder angemessen sind. Wie Staggs fiktiver Influencerin reichen Schrager #instafame und Follower nicht mehr, sie möchte Anerkennung und Erfolg als Künstlerin außerhalb der sozialen Medien. Künstlerinnen sind wie Influencer weit davon entfernt, den sozialen Medien den Rücken zu kehren. Sie sind und bleiben dort, wo ihr Publikum ist. Einst waren es Websites, dann Blogs, Tumblr wurde von Instagram abgelöst. Eine neue Plattform ist noch nicht in Sicht, aber mit Augmented Reality eine neue Technologie, die auch Instagram über die Plattform Spark AR integriert hat. Künstler wie Andy Picci reagieren derweil schon auf die neue Welle der Selbstbespiegelung, die AR-Gesichtsfilter möglich machen. Selbst Heidi Klum und ihr Mann Tom Kaulitz zeigen sich auf Instagram mit wackelnden Hundeohren und feuchter Schnauze. Piccis Filter kommentieren den Wunsch der Vielen, unbedingt gesehen werden zu wollen, seine Filter heißen Self-Centred, Fame und Behind the Mask. Da fliegt beispielsweise ein Smartphone vor dem eigenen Gesicht herum, auf dem ein Sticker mit der Aufschrift klebt: „Social Media Seriously Harms Your Mental Health“. „Bitte, lasst mich raus!“

Die Kunstwissenschaftlerin Anika Meier lebt und arbeitet als freie Autorin und Kuratorin in Hamburg. Sie kuratiert für das Museum der bildenden Künste Leipzig die Ausstellung Link in Bio. Für das Monopol Magazin schreibt sie über Kunst und soziale Medien. Ihre Texte erschienen auch in der FAZ, Die Zeit, art Magazin u.a. Meier postet auf Instagram als  → @anika und auf Twitter unter  → @thisaintanika.

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Link in Bio Kunst nach den sozialen Medien Museum der bildenden Künste Leipzig 17.12.2019 — 29.3.2020 Arbeiten der im Text erwähnten Künstler Andy Picci, Leah Schrager, Aram Bartholl und Tom Galle werden neben Werken anderer Künstlerinnen auch in der Ausstellung Link in Bio des Museums der bildenden Künste Leipzig zu sehen sein. Kuratiert wird die Schau mit über 70 Installationen, Fotografien, Videos sowie Skulpturen und Gemälde von der Kunstwissenschaftlerin und Autorin Anika Meier. Wie Picci oder Schrager reagieren auch die weiteren in der Ausstellung vertretenen Künstler mit ihrem Schaffen explizit auf soziale Medien. Vor diesem Hintergrund thematisiert die Ausstellung, inwiefern sich Produktion und Rezeption von Kunst mit der digitalen Durchdringung aller Lebensbereiche verändern. Kuratorin: Anika Meier Künstler: Aram Bartholl, Arvida Byström, Nadja Buttendorf, Anna Ehrenstein, Andy Kassier, Andy Picci, Florian Meisenberg, Filip Custic, Leah Schrager, Tom Galle, Chris Drange, Viktoria Binschtok, Constant Dullaart u.a. →     #MdbKLeipzig →   www.mdbk.de

Online sind wir alle Lügner, wir performen Perfektion  und Erfolg.


Der Klang vo Einsen und N Martina Seeber

#bebeethoven Fellowship-Programm für junge Künstler Das Beethoven-Jubiläum steht vor der Tür: Im Jahr 2020 wird der 250. Geburtstag des Komponisten gefeiert. Das von PODIUM Esslingen initiierte und von der Kulturstiftung des Bundes seit 20�� geförderte Programm #bebeethoven ist musikalischen Experimenten und Innovationen im Geiste des Visionärs Beethoven gewidmet. Es geht bei #bebeethoven um den Mut zum künstlerischen Risiko, um das Unkonventionelle und den Versuch, ganz neue Verfahren der Produktion, Aufführung, des Vertriebs und der Vermittlung von Kunstmusik zu erproben. Dabei spielen die Möglichkeiten der Interaktion von Musik und neuen Technologien eine große Rolle. Aktuelle Konzert- und Präsentationstermine der #bebeethoven-Fellows Holly Herndon, Matt Dryhurst und Alexander Schubert sowie aller weiteren Fellows sind auf unserer Website abrufbar. →     #bebeethoven  → www.kulturstiftung-bund.de/bebeethoven

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Der Tag ist absehbar, an dem uns ein rotznasiger Erstklässler eine untertassengroße Kunststoffscheibe vor die Nase hält und wissen will, was das ist. Die CD, die Anfang der achtziger Jahre die analoge Langspielplatte mit dem Versprechen brillanter digitaler Klangqualität verdrängt und Musikliebhaber ihren gesamten Plattenbestand hat austauschen lassen, wird bald genauso sentimental bestaunt werden wie Schallplatten aus Vinyl und Audiokassetten. Was das bedeutet? Auch die Digitalisierung ist in die Jahre gekommen, aber alles andere als beendet. Seit im Jahr 1992 das komprimierte MP3Format vorgestellt wurde und sich Musik einfacher speichern und teilen lässt, kämpft der Musikmarkt ums Überleben. Inzwischen wird (meist legal) gestreamt, allerdings in so reduzierter und alles andere als brillanter Klangqualität, dass Hi-Fi-Freaks verzweifeln. Auf sie hört aber gerade niemand, weil Musikhören noch nie so einfach und bequem war und weil die Übersetzung von Musikaufnahmen in digitale Einsen und Nullen eine so gewaltige Welle weiterer Veränderungen ausgelöst hat, dass sie noch ganz andere Bereiche der Musikproduktion und -rezeption mit sich reißt. Die digitale Revolution ist nicht nur eine technische, sondern betrifft alle Bereiche der Musik. Musiksammlungen heißen heute Playlists und werden nicht gekauft, sondern gemietet, was natürlich auch bedeutet: Der Vermieter hört mit. Es bedeutet aber auch, dass Plattenläden schließen, Labels aufgeben und den Künstlern eine Einkommensquelle wegbricht. Die Veränderungen gehen aber noch viel weiter. Sie betreffen auch den Kompositionsprozess, angefangen bei der Arbeit mit digitalen Werkzeugen bis hin zur Unterstützung durch künstliche Intelligenz und nicht zuletzt wandelt sich auch die Musik selbst. Keine technologische Entwicklung hat diese Kunstform in jüngster Zeit stärker verändert. Noch gibt es Kompositionsklassen an realen Orten und es spielt auch noch eine Rolle, ob man in Frankfurt, San Francisco oder Zagreb studiert, aber nationale, geografische und ästhetische Grenzen sind überwindbar geworden. Stile lösen sich auf oder existieren nebeneinander wie in den Arbeiten der Komponistin Jennifer Walshe, wo all das, was in vordigitalen Zeiten nie zueinander gefunden hätte, wie in einer entfesselten Youtube-Vision kollidiert (The Total Mountain, 2014). Ihre sprunghafte Ästhetik entsteht nicht zufällig nach dem Web 2.0 und der Erfindung von Videoplattformen und sozialen Medien. „Wenn ich meinen Computer starte, warten dort jeden Tag Millionen Dinge", bekennt die Irin, aus deren Leben das Internet nicht mehr wegzudenken ist. „Ich höre erst mal zehn ästhetisch vollkommen verschiedene Stücke, die unterschiedlich klingen und Verschiedenes wollen. Damit zu arbeiten, fühlt sich für mich in diesem historischen Augenblick sehr natürlich an.“ 1 Im Zeitalter der digitalen Vernetzung kann es auch als „natürlich“ empfunden werden, noch einen Schritt weiter zu gehen und die individuelle Arbeit des Künstlers grundsätzlich in Frage zu stellen. Im April 2018 geht


n ullen Digitalisierung  in der Musik eine Website online, auf der seither eine kollektive Komposition entsteht. Wiki-Piano.net heißt das offene Kunstwerk, zu dem der Komponist Alexander Schubert einlädt. Jeder kann Noten schreiben, Kommentare einfügen, Videos, Bilder oder Audiodateien hochladen. Wie kommt die als „Klavierstück“ bezeichnete Gruppenkomposition auf die Bühne und wer übernimmt die Verantwortung für die Phantasie der Schwarmintelligenz, die bereits gefordert hat, das Klavier in Flammen aufgehen zu lassen? Mit dieser Frage muss sich Schubert wie jeder Betreiber einer offenen Plattform auseinandersetzen. Sein Projekt spiegelt das Netz.

Neue Medien und Werkzeuge verlangen neue Arbeitsweisen. Die Digitalisierung verändert die romantisch verklärte Schöpfung von Musik durch den göttlich erwählten Genius. Während in Europa die ersten elektronischen Studios gegründet werden und die Szene mit analogen Produktionen in Erstaunen versetzen, stellen im Jahr 1957 — nur gut 10 Jahre nach der Entwicklung der ersten Rechner — Lejaren A. Hiller und Leonard M. Isaacson an der University of Illinois die weltweit erste Computerkomposition vor. Gespielt wird die Partitur der Illiac Suite von einem Streichquartett. Größer könnte der Gegensatz kaum sein. Die digitale Technik bemächtigt sich der Kernbesetzung der klassischen abendländischen Musikkultur. Konkurrenz bekommt allerdings nicht nur die schöpferische Intelligenz der — bis dahin fast ausschließlich männlichen — Komponisten. Schon um 1960 macht sich Max Mathews in den Bell Laboratories daran, dem Computer das Sprechen und Singen beizubringen. Während Software zur Sprachsynthese heute sogar mit psychoakustischen Parametern spielt und der von Menschen gesprochenen Sprache erstaunlich nahekommt 2 , klingen die frühen Experimente noch rudimentär. Dennoch ist der Eindruck, den die ersten Versuche hinterlassen, gewaltig. Auch die ersten artifiziellen Geigensounds aus digitalen Synthesizern weisen aus heutiger Sicht mit akustischen Geigen eine nur entfernte Verwandtschaft auf. Dennoch werden die digitalen Synthesizer und Sampler bejubelt. Die anfangs horrend teuren Geräte bestimmen den Sound der Achtziger. Michael Jackson, Jean Michel Jarre oder Peter Gabriel erobern die Charts mit Explosionen, Tonleitern aus splitterndem Glas und künstlichen Schlagzeugsounds, aber auch mit Kunstklängen, die sich von realen Vorbildern verabschieden. Digital produzierte Synthetik ist das Material der Zeit und die Verheißung einer Zukunft, in der sich alles künstlich herstellen lässt.

In der E-Musik sind die digitalen Produktionsmittel nicht minder begehrt. Während sich die Ikonen des Pop die Geräte aus eigener Tasche leisten, sind die Komponisten aus der Klassik bis in die neunziger Jahre fast ausschließlich auf Studios angewiesen. Heute wird nicht mehr am Klavier und immer seltener mit Stift und Papier, sondern am eigenen Computer komponiert, wo sich Instrumentalwerke notieren und in Echtzeit akustisch simulieren lassen. Zu den alltäglichen Werkzeugen gehören auch Tools zur Klanganalyse, Programme, mit denen sich Klang im Konzert in Echtzeit bearbeiten lässt sowie Sound- und Musikdatenbanken. Die Verbreitung der digitalen Techniken fällt mit der schier grenzenlosen Verfügbarkeit von Daten und damit auch von Musik zusammen. Zum Material, mit dem Künstler arbeiten, zählen heute auch die in Soundfiles verwandelten Tonkonserven der Musikgeschichte. Eine kompositorische Praxis, die juristisch für Streit sorgt. Als der Komponist Johannes Kreidler am 12. September 2008 seinen Kleinlaster vor der GEMA-Generaldirektion in Berlin parkt, türmen sich auf der Ladefläche die Papierstapel mit Anträgen für seine neue Komposition. Das 33-sekündige Werk mit dem Titel product placements enthält 70.200 Zitate aus fremden Werken. Mit der analogen Aktion befeuert Kreidler die ästhetische Debatte um die Arbeit des Künstlers im digitalen Zeitalter und führt das Verwaltungssystem ad absurdum. Was darf ich samplen und vor allem wie lange und wie viel? Das Urheberrecht ist bis heute nicht der veränderten digitalen und globalen Ära des Teilens angepasst. Wie sehr der digitale Wandel in der Musik an grundlegende moralische, juristische und ethische Fragen rührt, zeigt auch die Diskussion um künstliche Intelligenz. 2018 produziert die Popmusikerin Taryn Southern mit IAMAI ein mit künstlicher Intelligenz komponiertes Album und begleitet die Veröffentlichung mit Fragen, die auch die Mondlandung hätten begleiten können: „Wer sind wir? Was werden wir? ... und sind wir bereit?“ Tatsächlich hat ihr Computer die Tracks aber nicht allein produziert. Die neue Software braucht immer noch ein menschliches Subjekt, das mit ihr spielt, Vorschläge annimmt oder ablehnt. Dennoch hat das Programm Taryn Southern in die Lage versetzt, ihre Songs ohne harmonische Kenntnisse (mit-) zukomponieren. „Man kann so oft, wie man will, etwas verändern, um am Ende das zu bekommen, wonach man sucht. Das finde ich toll“, freut sich die Sängerin, der das Spielfeld innerhalb der ästhetischen Grenzen und des stilistischen Horizonts ihrer Tools beziehungsweise ihrer Programmierer nicht zu klein ist. Auf größere Überraschungen als die Tatsache, dass sie nun ohne Hilfe anderer Menschen komponieren kann, muss sie, solange sie mit den kommerziellen Programmen für den musikalischen Mainstream arbeitet, nicht gefasst sein. Kaum anders als in den Blasen der sozialen Medien wird die künstliche Intelligenz sie davor bewahren, mit allzu fremden musikalischen Soziotopen in Kontakt zu treten.

Allerdings könnte künstliche Intelligenz genau das ermöglichen, sofern es die Entwickler wollen. Das in Berlin arbeitende Künstlerpaar Holly Herndon und Matt Dryhurst hat eine künstliche Intelligenz entwickelt, die sie auf dem schmalen Grat zwischen Objekt und Subjekt inszenieren. Ihr künstliches Baby, das sie auf den Namen Spawn getauft haben und als Mädchen deklarieren, integriert Herndon in ihr Vokalensemble: „Ich suche nach einem neuen Klang und einer neuen Ästhetik. Der Unterschied besteht darin, dass wir Spawn als ein Ensemblemitglied betrachten und nicht als Komponistin. Obwohl sie ebenso wie die Performer improvisiert, schreibt sie das Stück nicht. Ich will die Musik schreiben!“ Obwohl sie ihre Autonomie unterstreicht, muss sich die Komponistin und Sängerin, die an der Grenze von Avantgarde-Pop und experimenteller elektronischer Musik arbeitet, bei der Arbeit mit Spawn jedoch mit einer künstlichen Intelligenz auseinandersetzen, die nicht nur mit Hybridstimmen singt, sondern auch von ihrer Umwelt lernt. Diesen Entwicklungsprozess erklären Herndon und Dryhurst zum Teil des Kunstwerks. Spawn, die im Gehäuse eines alten Gaming-Computers steckt, lernte 2018 bei Live-Trainingszeremonien in Berlin von hunderten Menschen in „Call-and-Response“-Sessions, wie man unbekannte Geräusche identifiziert und neu interpretiert. „Es gibt eine allgegenwärtige Erzählung von Technologie als das, was uns entmenschlicht. Wir positionieren uns im Kontrast dazu. Wir laufen nicht weg; wir laufen darauf zu, aber zu unseren Bedingungen“, sagt Holly Herndon. Und das ist — neben der aufklärerischen Haltung — die einzige und vielleicht wichtigste Lehre, die sich aus der Digitalisierung ziehen lässt, die noch viele technologische Neuerungen verspricht. Wenn man keine eigenen Visionen für die musikalische Zukunft entwickelt, tun es die anderen, und das sind heute die großen Konzerne, die ganz andere Träume haben.  1 2

Interview mit der Autorin 27.11.2015 Tacotron 2

Martina Seeber lebt als freie Autorin, Rundfunkjournalistin und Moderatorin in Stuttgart. Ihre Beiträge zu zeitgenössischer Musik erscheinen u.a. in der Neuen Zeitschrift für Musik und sind im WDR, hr, SWR und Deutschlandfunk zu hören.

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hat t  rick

Der Hack  in der Kunst

Yvonne Zindel

Coding da Vinci  — der KulturHackathon Gefördert im Programm Kultur Digital Um weniger erfahrenen Kulturinstitutionen Einblicke in die Möglichkeiten digitaler Technologien zu bieten, fördert die Kulturstiftung des Bundes im Programm Kultur Digital bis zu acht Ausgaben des Kultur-Hackathons Coding da Vinci. Dieser bringt Kultureinrichtungen aller Sparten mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Coding, Entwicklung, Design, Kunst und Gaming zusammen und setzt sich dafür ein, das Angebot offener und frei zugänglicher Kulturdaten auszubauen. Die Preisverleihung der Ausgabe Coding da Vinci Westfalen-Ruhrgebiet findet am �. Dezember ���� im Dortmunder U statt. →     #KulturDigital    → #CodingdaVinci →     www.kulturstiftung-bund.de/kulturdigital

Während einer lecture performance des Künstlers Ariel Schlesinger im Kunstverein Braunschweig begegnete mir 2011 das erste Mal die Denkfigur des „Hacks“ in der Kunst. Ariel Schlesinger beschrieb damals seine Jugendleidenschaft, als „Hobo“, also als blinder Passagier auf Güterzügen, durch Amerika zu reisen. Er erklärte, dass diese „unerlaubte“ Art des Reisens sein Denken als Künstler maßgeblich beeinflusst hat. Er versuche seitdem herauszufinden, ob in den Dingen Funktionen verborgen sind, die durch sein Handeln und Eingreifen erst entstehen oder sichtbar werden. So wie ein Hobo den Güterzug entgegen seiner Bestimmung zum Personentransport „zweckentfremdet“, ihn aber nicht lahmlegt, so kann ein „Hacker“ durch eine Funktionserweiterung oder ungewöhnliche „Nutzung“ neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten eröffnen, die ursprünglich nicht intendiert waren. Das passiert schon, wenn jemand sein Telefon hackt, um zu zeigen, dass darin eingebaute Sperren nicht unüberwindbar sind. Das ist eine andere Lesart des in der Öffentlichkeit oftmals negativ konnotierten Begriffs des „Hacking“. Abhängig von der Motivation sowie der Beachtung geltender Gesetze wird zwischen White Hat-, Grey Hatund Black Hat-Hacks unterschieden. Die Grey Hats (Grau-Hüte) verstoßen möglicherweise gegen Gesetze, allerdings zum Erreichen eines höheren Ziels. Um beim Beispiel des Telefons zu bleiben: Erst von Nutzern durchgeführte Hacks oder Beta Tests machen Fehler und andere Probleme sichtbar und zwingen die Verantwortlichen dazu, diese zu beheben und in Zukunft klarer mit ihren Nutzern zu kommunizieren. Was bedeutet der Hack als Denkfigur und Methode nun aber für die Kunst und ihre Einrichtungen? Jede Kulturinstitution arbeitet heute mit Daten von Objekten bzw. Werken, die in Sammlungssystemen und Datenbanken verwaltet werden. Diesen „digitalen Zwillingen“ in Form von Fotos oder 3D-Scans, die für Wissenschaftler, Kuratorinnen oder Künstler zugänglich sind, wird viel demokratisierendes Potential zugetraut. Es scheint zunächst, dass durch die Verfügbarkeit digitaler (Kultur-) Daten in Datenbanken bereits eine partizipative, uneingeschränkte und neutrale Nutzung möglich sei. Doch oftmals sind Werke nach westlichen Kategorien wie „Größe“, „Alter“, „Herkunftsland“ oder „Sammler“ geordnet, die eine bestimmte Lesart vorgeben. Andere Kategorien, die beispielsweise indigenen Communities gerechter werden würden oder auch generell der Bedeutungs- oder Gebrauchskontext solcher Kriterien, bleiben verborgen. Wie können digitale Sammlungsbestände geöffnet und analysiert und darüber hinaus die „Deutungshoheit“ westlicher Kultureinrichtungen in Bezug auf den Kunstkanon auf fruchtbare Weise hinterfragt werden? Die eingeschränkte Zugänglichkeit von Kulturdaten wird seit einigen Jahren von Aktivistinnen und kritischen Museologen gleichermaßen beklagt. So wurde ein Diskurs

darüber angestoßen, wer Zugang zu Daten hat und welche Deutungen von Objekten möglich wären, wenn die Daten offen zugänglich sein würden. Dieser Umstand zieht Grey Hats an, die mit dem Hacken von Kulturdaten neue Denkrichtungen anstoßen und aufzeigen wollen. Einer der bekanntesten Hacks dieser Art ist die Aktion Nefertiti Hack von Nora Al-Badri und Nikolai Nelles. Die beiden Künstler scannten 2016 im Neuen Museum Berlin heimlich die Büste der Nofretete und veröffentlichten die 3D-Daten daraufhin auf ihrer Website. Sie machten die Daten damit zugänglich, so dass jeder darauf zugreifen und diese weiternutzen konnte. Nora Al-Badri und Nikolai Nelles kreierten darüber hinaus einen Nefertiti-Chat-Bot, mit dem man ins Gespräch über museale Themen kommen kann. Die Künstler argumentierten, dass der 3D-Scan eine Möglichkeit sei, Objekte zu demokratisieren und aus dem Museum zu „befreien“. Sie schlugen vor, dem „digitalen Kolonialismus“, also der erneuten Aneignung von Objekten durch eine Digitalisierung nach westlich geprägten Normen, das Kollektiv entgegenzusetzen. Die Daten müssten frei und bereit zum „Re-Mixen“ sein. Es gäbe nicht nur ein digitales Artefakt, sondern unendlich viele Kopien. All diese Daten könnten mit Technologien wie 3D-Druck oder CNC-Fräsen sogar wieder zurück in die Materialität gebracht werden. Nur so könne ein demokratischer Prozess von Neuinterpretation und Rekonfiguration starten. Ganz klar im Rahmen der Gesetze und im Sinne einer globalen Hackerethik handeln schließlich die White Hats (Weiß-Hüte). Sie testen, oftmals im Auftrag von Regierungen oder NGOs, z.B. Sicherheitslücken, um Systeme insbesondere vor Black Hats (Schwarz-Hüten) zu schützen. Black Hat-Hacker handeln häufig mit krimineller Energie und beabsichtigen, das Zielsystem zu beschädigen oder Daten zu stehlen. Ein Beispiel für einen White Hat-Hack ist das Format Coding Da Vinci. Der Kultur-Hackathon ist ein Hackathon für offene Kulturdaten, der 2014 von den vier Gründerinstitutionen Wikimedia Deutschland e.V., Deutsche Digitale Bibliothek, Open Knowledge Foundation und dem Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin (digiS) ins Leben gerufen wurde. Das Wort „Hackathon“ leitet sich dabei aus den Begriffen Marathon und Hack ab. Bei Coding da Vinci treffen Kulturinstitutionen auf Programmierer, Designerinnen, Maker und Künstlerinnen, um aus offen und frei zur Verfügung gestellten Datensets gemeinsam digitale Formate und Prototypen wie Apps, Games, Augmented Reality-Projekte oder Websites zu entwickeln und Quellcodes offen zur Verfügung zu stellen. Der Hack im Kulturbereich als eine Methode des Sichtbarmachens und der Vermittlung ist für Kulturinstitutionen und die Öffentlichkeit dabei doppelt interessant: Einerseits lädt etwa das Format Coding Da Vinci zur direkten Teilhabe und Mitbestimmung

ein, andererseits wird durch das gemeinsame Arbeiten und Erproben mit den Communities die Institution strukturell neu gedacht. Dies kann sich beispielsweise in einer größeren Akzeptanz gegenüber agilen Arbeitsmethoden zeigen. Nina Simon, eine Vordenkerin im Bereich der musealen Kunstund Kulturvermittlung, schlug schon 2008 in ihrem Buch The Participatory Museum vor, dass sich das Museum vom „content provider“ zum „platform provider“ entwickeln solle. Das bedeutet, dass es nicht nur Inhalte präsentiert, die die Nutzer „konsumieren“, sondern sich auch als Plattform begreift, über die diverse Gruppen in Austausch miteinander kommen und die Institution mitgestalten können. Diese Schwerpunktverlagerung im Denken können Formate wie der Hack, der zu Öffnung und kritischer Hinterfragung der eigenen Deutungshoheit herausfordert, mit befeuern. Der Hack als eine Methode im Kulturbereich geht dabei über den marketing- und produktorientierten „Re-Mix“ hinaus und macht die Besucher zu „Prosumentinnen“ und „Prosumenten“, potentiell Beitragende und Teilhabende. So können Kultureinrichtungen in Nina Simons Sinne zu Plattformen werden, die ihre Kernaufgaben im postdigitalen Zeitalter neu ausrichten und gemeinsam mit dem Publikum ihre Inhalte und Sammlungen neu entdecken. Die Kunstwissenschaftlerin Yvonne Zindel ist seit 20�8 künstlerische Mitarbeiterin an der Universität der Künste zu Berlin im Projekt Revisiting Collections — Transformationen der Kulturellen Bildung am Beispiel der digitalen Vermittlung von außereuropäischen, ethnologischen Sammlungen. Zindel forscht und publiziert zu Möglichkeiten immaterieller Kunst- und Kulturvermittlung und zu den Chancen neuer Kulturtechniken wie VR und AR.  → @perf_encounters

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Cyborg Oper

Role Model Freischütz

& Marcel Karnapke Virtuelle Realität als Konzept existiert seit vielen Dekaden, als Technologie ist sie aber erst seit wenigen Jahren so weit, dass sie wirklich überzeugend, kostengünstig und damit einsatzfähig ist. Vor drei Jahren haben wir als CyberRäuber damit begonnen, V(irtual) R(eality) im Kontext von Theater einzusetzen. Warum? Eine VR-Brille ermöglicht die Darstellung eines künstlich erzeugten dreidimensionalen Raumes, in dem sich die Benutzer frei bewegen können. VR schafft einen virtuellen Raum, und Theater ist Kunst, die im Raum entsteht. Für uns war das Theatermachen in VR daher ein logischer Weg. Meinten wir damit zunächst vor allem die Übertragung von Theaterkunst in das neue Medium, wurde uns schnell die performative Kraft der Technologie auch für die Bühne bewusst. So sind in den letzten Jahren einige sehr unterschiedliche Inszenierungen entstanden, die vielleicht beispielhaft zeigen können, welches Potential VR für das Theater hat. Fragmente — ein digitaler Freischütz, die zuletzt entstandene Doppelpass-Kooperation mit dem Badischen Staatstheater in Karlsruhe, ist unser erster Versuch, eine Oper im neuen Medium zu inszenieren. Es ist zugleich ein Stück, das vollständig innerhalb von VR-Brillen gezeigt wird, und damit fast ein Schritt zurück zu unseren ersten, reinen VR-Produktionen (Die Räuber / die Cyberräuber, 2016 oder Der Geisterseher, 2017, jeweils nach Schiller), wenn jetzt auch ausgefeilter, umfangreicher und interaktiver. Oper, voller Traditionen, kraft- und gefühlvoll, komplex in Erzählstrukturen und aufwändig in der Produktion, stellt einerseits besondere Herausforderungen, auch in und für VR. Andererseits bietet VR aus unserer Sicht mit Kopfhörern für die Ohren und Datenbrille für die Augen das bislang überzeugendste Mittel zur Schaffung von Gesamtkunstwerken (als Vereinigung verschiedener Künste wie Musik, Dichtung, Performance, Architektur, Malerei). Über die reine Rezeption hinaus bietet sich uns aber auch die Möglichkeit zur Interaktion, und dies ist, was uns generell — und so auch hier — besonders interessiert. Die Fragmente arbeiten mit Audioaufnahmen der Badischen Staatskapelle und Sängerinnen und Sängern des Ensembles sowie 3D-Videoaufnahmen, sie sind daher nicht live. Die potentielle Interaktion aber bringt den Benutzern immer neue und unwiederbringliche Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten: Im Stück trifft man Themen und

Orte des Freischütz wieder, die man auf der klassischen Bühne aufgrund von Budget und Platzangebot nicht realisieren kann. Die Besucher betreten emotionale Räume und affektgeladene Situationen, die sich sonst allenfalls in den Imaginationen des Publikums abspielen würden. Die Fragmente bestehen aus vier einzelnen und ganz unterschiedlichen 15-minütigen Teilen, die keinen Anspruch auf Linearität oder Vollständigkeit hegen, vielmehr entsteht im Geiste des Betrachters ein neuer, individueller Gesamteindruck. Die Besucher erschließen individuell und buchstäblich fliegend Räume und Orte, die sich nicht nur auf visuelle, sondern vor allem auch auf musikalische Art und Weise in VR entfalten. Man kann zum Beispiel durch verschiedene Variationen eines musikalischen Themas wandern und dabei selbst entscheiden, ob man auf dem Pfad der klassischen Opernvariante verbleibt oder sich in völlig neue Variationen des gleichen Stückes vorwagt. Das Publikum kommt dabei den Sängern so nah wie sonst nie. Mithilfe von hochauflösenden 3D-Kameras wurden ihre Darbietungen in Nahaufnahmen aufgezeichnet und dann auf der virtuellen Bühne platziert. Wir arbeiten dabei jedoch nicht nur mit der linearen Wiedergabe der Aufnahmen, sondern verbinden alles organisch mithilfe eigens entwickelter Software, um auch hier dynamische Interaktion, Animation und Narration zu ermöglichen: lebendige Konstruktionen für einen völlig neuen Zugang zur Oper. Die Oper wird hier zum geschützten Raum, in dem das Publikum ohne Berührungsängste oder gar Peinlichkeitsgefühle Experimente wagen kann. Das Theater denkt inzwischen auch schon über die Erweiterung des Opernhauses nach außen nach, weil die Fragmente als reine VR-Produktion natürlich sehr leicht auch in Klassenzimmern oder an anderen Orten gezeigt werden können. In Produktionen wie Der Goldne Topf (2018, Theater Baden-Baden, Regie: Nicola May) oder Verirrten sich im Wald… (2019, Deutsches Theater Berlin, Regie: Robert Lehniger) haben wir dagegen zuletzt schwerpunktmäßig mit VR-Technologie im Rahmen „regulärer” Theaterstücke auf der Bühne gearbeitet. Hier interessiert uns VR als ein soziales Medium bzw. die Frage, welche zusätzlichen Möglichkeiten VR auf der Theaterbühne bietet. VR wird oft als isolierende Einzelerfahrung gesehen, bei der die Menschen hinter den Brillen verschwinden und von außen

betrachtet befremdliche, fremdgesteuert wirkende Körperperformances bieten. Aus der Perspektive der Gestaltungsmöglichkeiten betrachtet, bietet VR jedoch sowohl für die Produktion von Inhalten als auch für deren Vermittlung weitaus mehr soziales Interaktionspotential als anfangs gedacht. In unseren Arbeiten erforschen wir genau diese Möglichkeiten, Interaktion zwischen Menschen zu gestalten und die Technologie dabei als Mittel zu vielerlei Zwecken zu nutzen. Dabei müssen sich lineare Erzählformen und freie Interaktion nicht grundsätzlich entgegenstehen. VR ist ein Metaraum, ein Metamedium, in dem viele lineare Medien einen Platz haben und hervorragend eingesetzt werden können. Wir setzen in unseren reinen VR-Arbeiten vorwiegend auf freie Interaktion und die Selbstermächtigung des Zuschauers. Sie erreichen daher ein hohes Maß an Immersion und bedingen im besten Fall auch die Identifikation mit dem Material und den Emotionen der Protagonisten. In hybriden Bühnenformaten mit VR kann eine linear strukturierte Erzählung durchaus von freien, non-linearen Momenten durchbrochen werden, die sich in die Hauptnarration einfügen. Dabei benötigt man weder für jede Zuschauerin eine eigene Brille noch überhaupt VR-Brillen für das Publikum. In Der Goldne Topf oder Die Biene im Kopf (2018, Theater an der Parkaue Berlin, Regie: Martin Grünheit) wird VR zur Schnittstelle, um dem Schauspieler Kontrolle über die Bühne zu geben. Sie erschaffen dreidimensionale Bilder und Skulpturen, spielen Musik oder nehmen das Publikum mit in andere Umgebungen, unmittelbar und in Echtzeit, direkt vor ihren Augen. Sie nutzen dabei nicht die traditionellen Geräte der Computerwelt wie Maus und Keyboard zur Interaktion, sondern der gesamte Körper der Schauspielerin steht plötzlich wieder im Vordergrund. Das Setup nutzt Körperdaten zur Steuerung, den Schauspielern werden also neben ihrer herkömmlichen Kunst völlig neue Ausdrucksformen zuteil. Die größte Stärke von VR ist demnach für uns nicht die namensgebende virtuelle Realität, sondern vielmehr die Möglichkeit zur Schaffung von Räumen, die sich eben von der uns bekannten Realität maximal zu unterscheiden vermögen. Am ausgeprägtesten geschieht dies, wenn Schauspielerinnen live vor einem anwesenden Publikum agieren. Im CyberTheater arbeiten wir daran, die traditionelle physische Bühne komplett in den Cyberspace zu verlagern, mitsamt den Schauspielern und

Mit ihrem 20�6 gegründeten Künstlerkollektiv CyberRäuber — Das T  heater der virtuellen Realität zählen Björn Lengers und Marcel Karnapke im deutschsprachigen Raum zu den Pionieren der Verknüpfung von Theater und neuen digitalen Realitäten. Mit wechselnden Kooperationspartnern haben sie bereits zahlreiche theatrale  VR-Inszenierungen entwickelt, u.a.  Fragmente — ein digitaler Freischütz, die im Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes gefördert wurde. Beide Künstler leben in Berlin.

allen bereits bekannten Bühnentechnologien. Damit ist es möglich, Zuschauer und Schauspielhäuser weltweit zu verbinden, ein globales Publikum zu schaffen. Für uns ist dies eine völlig neue Theaterform, die ähnliche Effekte wie Youtube für Video oder Twitter für Kurznachrichten haben könnte. Denn hier passiert im Gegensatz zum bekannten Streaming alles live auf der VR-Bühne, direkt vor den Augen der Zuschauer, die nicht mehr vor Bildschirmen vereinzeln, sondern sich versammeln und Teil des Geschehens werden. Was das alles für das Theater oder die bestehende Theater-Infrastruktur bedeutet, ist unklar. Wir sehen unsere Rolle lediglich darin, für uns und andere neue Wege in der Kombination von digitaler Kunst und Bühnenkunst zu finden, Theater zu erweitern, an neue Orte zu führen und einem neuen Publikum zu öffnen. Nicht globale Technologieunternehmen allein, sondern auch Gesellschaft und Künstler sollen den Diskurs und die Inhalte über digitale Technologie bestimmen. Dies ist für uns das Potential von VR-Theater.

Doppelpass Fonds für Kooperationen im Theater Mit dem Fonds Doppelpass unterstützt die Kulturstiftung des Bundes seit 2011 Kooperationen zwischen freien Gruppen und festen Tanz- und Theaterhäusern. Der Fonds möchte die Partner dazu motivieren, neue Formen der Zusammenarbeit und gastspielorientierte Produktionsweisen zu erproben. Bisher hat der Fonds Doppelpass 85 Projekte gefördert. Die Kooperationen zeichnen sich durch ein breites künstlerisches Spektrum aus: gefördert werden unter anderem Opern- und Musikprojekte, Tanz, Objekttheater, performative Projekte und Virtual Reality-Produktionen. →     #FondsDoppelpass →   www.kulturstiftung-bund.de/doppelpass

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WAS IHR WO Marcus Lobbes & Friedrich Kirschner

Was ist von der theatralen Auseinandersetzung mit der digitalen Transformation zu erwarten? Friedrich Kirschner  im Gespräch mit Marcus Lobbes  , Leiter der AKADEMIE für Theater und Digitalität. (FK)

(ML)

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FK Lieber Marcus, verbindest du eine be- zielgerichtet. Es dauert meistens sehr lanstimmte Ästhetik mit dem Nutzen digitaler ge, bis sich eingepegelt hat, wer das interessant findet und wie man das verpackt. Werkzeuge? Gleichzeitig will man im Theater direkt ÄsML Überhaupt nicht. Ich verbinde damit Me- thetiken nutzen, die aus dem eigenen Alltag chanismen oder Erscheinungsformen. Ich kommen: Instagram und Face-Filter etwa. kann keine eindeutige ästhetische Verbin- Diese Lebensrealität soll auch auf der Bühdung herstellen zwischen beispielsweise ei- ne verhandelt werden. Und daraus ergibt nem Roboter oder einer VR-Installation. In sich durchaus ein Ungleichgewicht, weil diemeinen Augen beschreibt es eher ein Hand- se Technologien sehr schnell voranschreiten. lungsmuster. Für mich ist die Frage: Wie Wie kann ein Theatermacher in solch einem bringen uns diese Werkzeuge zum Handeln engen Zeitformat überhaupt arbeiten? Sechs oder wie handeln wir mit ihnen künstlerisch? Wochen Probenzeit ist schon sehr ambitioniert, aber das reicht nicht auch noch für FK Du siehst das als eine Art Prozess? Und die Entwicklung technologischer Werkzeudie AKADEMIE für Theater und Digitalität ge. Oder kommen die Leute, die eine Auseinermöglicht in diesem Sinne, sich mit den andersetzung mit Instagram-Ästhetik sehen Prozessen auseinanderzusetzen, die gerade wollen, gar nicht ins Theater? die Welt transformieren? ML Doch natürlich! Hier am Schauspiel ML Ja, das würde ich mal als den ersten Auf- Dortmund wird auf der Bühne auch nicht trag bezeichnen. Schauen, was es gibt. Und nur von Twitter, Facebook und Instagram was es kann. Aber auch: Welchen Sinn macht erzählt. Nur weil ich einen Theaterabend es künstlerisch? Es gibt nicht nur das für das mache, bin ich ja kein ForschungsunternehPublikum direkt Sichtbare. Sondern auch das men. Ich will einen guten Theaterabend manicht-sichtbare Digitale in den Künsten. Die chen und den mache ich meistens mit Borddigitale Transformation ist in vollem Gange. mitteln. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. So sehe ich das auch mit den diFK Technologie wird oft als Überwälti- gitalen Techniken. Es gibt jetzt eine Speergungsstrategie eingesetzt. Eine zwölf Qua- spitze, eine Avantgarde, die Techniken ausdratmeter LED-Wand zum Beispiel. Hast du probiert. Um diese Lücken zu schließen, das Gefühl, das verleitet erst einmal dazu, wurde die AKADEMIE gegründet. Hier können Stipendiatinnen dies fünf Monate lang den Werkzeugkasten auszuprobieren? tun, mit Ergebnissen, die anschlussfähig ML Das glaube ich schon, denn natürlich ist sein müssen, in welcher Form auch immer. das auch eine große Spielwiese. Trotzdem Die Ergebnisse, die an der AKADEMIE entsind das bislang oft nur Leuchtturmpositi- stehen, müssen in gut vernetzten Datenonen. Eine Produktion wie „Die Parallelwelt“ banken präsent sein — und da können sich des Berliner Ensemble und des Schauspiel die Theatermacherinnen dann informieren: Dortmund können sich zurzeit drei oder vier Die Recherche wird den einzelnen Personen Theater im deutschsprachigen Raum leis- nicht abgenommen. Die große Hürde sehe ten. Diese Produktionen loten die Möglich- ich woanders: Wenn ich mit meinem Team keiten der digitalen Erzählform aus und nut- an einer Produktion arbeite, dann überlezen neue Mittel als Instrument. Aber unterm gen wir uns, welche Ästhetik das Stück haben soll. Allerdings hat es sich in den deutStrich sind es noch Einzelergebnisse. schen Stadt- und Staatstheatern bis jetzt FK Braucht es dafür nicht viel mehr Zeit? nicht durchgesetzt, dass man beispielsweise In der Forschung arbeitet man nicht immer Videokünstler mitbringen kann. Da heißt es


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AKADEMIE für Theater und Digitalität Gefördert im Programm Kultur Digital

Die AKADEMIE für Theater und Digitalität in Dortmund ist ein einzigartiger Ort für digitale Innovation, künstlerische Forschung und technikorientierte Weiterbildung. Die Kulturstiftung des Bundes fördert im Programm Kultur Digital insgesamt 54 Künstlerstipendien der AKADEMIE für jeweils fünf Monate. Die Ausschreibungen richten sich an Fellows, die an künstlerisch-technischen Zusammenhängen und digitalen Narrationen für den theatralen Raum interessiert sind. Bewerben können sich Postgraduierte aus künstlerischen können. Deswegen bildet unsere Jury sehr Shakespeare-Aufführung, solange man nach- wie technischen Bereichen der darstellenden viele Teilbereiche ab, die mitunter eine ganz vollziehen kann, warum das Schild da steht. Künste, die mit digitalen Methoden wie Motiandere Sicht auf das aktuelle und zukünfti- Und wenn man einen holografischen Wald on Capturing, Coding, VR, AR, Robotik, Inforge Theaterschaffen haben. Die Mehrzahl der sieht und dort das Geschehen spielt … matik forschen und arbeiten wollen. zehn Juroren kommt nicht direkt aus dem →     #KulturDigital #akademieTD Theater, sondern aus der Kunst, vom Film, FK … dann ist das auch gut. →   www.kulturstiftung-bund.de/kulturdigital aus der Programmierung und Technik. Wir diskutieren gemeinsam und entscheiden mit ML Warum nicht? Ich versuche, das nicht unser aller Expertise: Hat dieses Projekt eine ideologisch zu sehen. Das hat aber auch viel Chance? damit zu tun, dass ich einfach noch nicht weiß, was am Ende im Umgang mit den neuFK Wir beide sind zwei Männer, weiß und en digitalen Techniken herauskommt. mittleren Alters, in Leitungspositionen von Schaffensorten für digitale Kulturprodukti- FK Na, dann suchen wir weiter! on. Bist du der Meinung, dass es irgendwann einen Moment gibt, an dem du sagst, ich ML Schön wäre das. gebe das jetzt ab an eine andere Generation, an andere Menschen, die die Welt anders gesehen haben, die anders sozialisiert sind?

und Digitalität am Ende oft: „Oh! Dafür haben wir aber gar kein Geld!“. Auch wenn ich für eine Produktion jemanden brauche, der etwas programmiert, dann sollte das Haus mit mir beschließen können: Wir engagieren diese Person. FK In dem Moment, in dem Technologie in hohem Maße eingesetzt wird, sind oft auch andere Dramaturgien gefragt. Dies ändert auch die Form der Zusammenarbeit. Das wiederum ist oft nicht vereinbar mit der „industriellen“ Arbeitsteilung an Stadttheatern, die Produktionszeiten und Abläufe garantieren.

ML Die AKADEMIE richtet sich gleichermaßen an diejenigen, die mit Technik arbeiten, wie an Menschen, die mit Kunst arbeiten. Wir würden gern die Grenzen durchlässiger werden lassen. Wir wollen auch deswegen einen Studiengang entwickeln, damit man eine gemeinsame Sprache findet, man miteinander denkt, spricht und arbeitet und gemeinsam entwickelt. Aber, und dieses „aber“ ist wirklich der Schmerzenspunkt: Es mag unter den rund 140 Theatern schon zwei oder drei mit einer Leitungsebene geben, die als Kollektiv oder echtes Team funktioniert. In den Köpfen der allermeisten Träger vor Ort ist dies derzeit nicht durchsetzbar. Die meisten Stadträte, Kulturausschüsse und Bürgermeister wollen eine Ansprechperson haben. Das ist ärgerlich. In den nächsten 20 Jahren müssen wir kommunizieren, dass sich nicht nur wir oder die Ausbildung und Qualifizierung der Menschen ändern müssen, sondern sich auch das System, das uns trägt, ändern muss. FK Es geht also um nichts weniger als einen elementaren Wandel in der Art und Weise, wie wir Kultur produzieren. Führst du den auf die soziale Vernetzung zurück?

ML Ich hab doch gerade erst angefangen! FK Ich weiß. Aber wir reden über kommunales Verteilen, unterschiedliche Arten des Arbeitens, andere Hierarchisierung und gleichzeitig arbeiten wir beide in Strukturen, die noch von oben nach unten hierarchisch zusammengebaut sind. ML Ja, das Spannungsverhältnis ist mir natürlich bewusst, auch beim Regieführen. Das Spannungsverhältnis zwischen: „Für welche Gesellschaft kämpfe ich, künstlerisch?“ und: „Wie hinterfrage und ändere ich die internen Strukturen der Kulturbetriebe?“. Die AKADEMIE ist überwiegend männlich besetzt. Die Jury ist es nicht, die Bewerbungen sind es nicht und die Auswahl ist es nicht: drei der ersten vier Stipendiaten sind Frauen. Als sehr wohltuend empfinde ich, dass uns Bewerbungen von Menschen mit verschiedensten Hintergründen erreichen. Ich finde es toll und habe das in Salzburg und Graz miterlebt, wie divers Schauspielausbildung sein kann. Das wäre, als ich angefangen habe, kaum möglich gewesen. Aber das ist ja das Grandiose, dass sich das ändert. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass das so bleibt. Letztlich bleibt die Erkenntnis: Wenn du etwas an den Geschlechterverhältnissen ändern willst, gib deinen Job ab.

ML Es besteht die Gefahr, und das hat mit der Vernetzung zu tun, dass viele Menschen glauben, sie könnten mehr als sie zumindest meiner Ansicht nach tatsächlich können. Man kann nicht alles mit allen diskutieren, weil nicht alle von allem Ahnung haben. Viele haben zwar eine Meinung zu irgendetwas, aber da endet es dann oft auch. Die Vernetzung schafft aber auch Nähe, Vertrauen, fördert dezentrales und zeitnahes Handeln — und das verändert die Art, wie wir FK Das wäre nochmal ein ganz eigenes Thekünstlerisch arbeiten. ma … Letzte Frage, was ist Digitalität außer Video? FK Es können nicht alle alles verhandeln, wir müssen Expertinnen benennen, von de- ML Die Digitalität betrifft, laut meiner Liebnen wir der Meinung sind, dass sie das gut lingsdefinition von Felix Stalder, die Strukkönnen. Die schwierige Frage ist, wie diese turbedingungen des Handelns mit den Leute ausgesucht werden. Hast du das Ge- Dingen, die die digitale Transformation herfühl, dass wir über digitale Kommunikati- vorgebracht hat. Das ist natürlich mehr als onsmöglichkeiten neue Formen haben, zu Video, weil wir lernen müssen, mit den ganverhandeln, wer alles am Tisch sitzen darf zen Möglichkeiten, die wir haben, zu arbeiund wer nicht? Und gehört diese Verhand- ten. Es macht mir wenig Spaß, Menschen beim Arbeiten mit technischen Hilfsmitlung ins Theater? teln zuzuschauen, weswegen mir das im ML Das ist eine wahnsinnig schwierige Frage. Theater oft so weh tut. Da ist so viel „als ob“. Wenn die technischen Hilfsmittel alFK Gerne konkreter auf die AKADEMIE be- lerdings wirklich in Kontakt treten zu dezogen: Wie sucht ihr diejenigen aus, die in der nen, die da spielen, wenn sie Bilder erzeuAKADEMIE forschen dürfen? Welche Rol- gen und sogar überwältigen, dann begreift le spielt die Jury, der ich ja auch angehöre? man, dass das eine Erweiterung des Theaterbetriebs ist, wie er sich seit dreieinhalbML Wir waren uns sehr einig, dass wir eine tausend Jahren eben erweitert. Mein LiebPlattform einrichten müssen, auf der auch lingsbeispiel ist: Das Schild, auf dem „Wald“ Sachen passieren, die wir nicht einschätzen steht, funktioniert auch in einer heutigen

Marcus Lobbes arbeitet seit 1995 als Regisseur und Ausstatter im Musik- und Sprechtheater sowie seit 2019 als Künstlerischer Leiter der AKADEMIE für Theater und Digitalität in Dortmund. Friedrich Kirschner ist Medienkünstler und seit 2012 Professor für digitale Medien an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Seit 2018 leitet er den Masterstudiengang Spiel und Objekt.

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Blickwechsel André Raatzsch & Jürgen Keiper

RomArchive, das digitale Archiv der Sinti und Roma ging im Januar 2019 online. André Raatzsch  und Jürgen Keiper  begleiteten das Projekt von der ersten Stunde an. Denhart v. Harling  sprach mit ihnen über Einzigartig- und Modellhaftigkeit des Archivs.

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DH Warum ist RomArchive als Ort der Sicht­­barkeit der Künste und Kulturen der Sin­ti und Roma so bedeutsam?

Pages of My Book (2013) ist der erste Dokumen­tarfilm der bulgarischen Regis­ seurin, Foto­grafin und Juristin Galya Stoyanova. Der Film (5.14 min) findet sich im RomArchive im Archivbereich Film.

André Raatzsch ist Leiter des Referats Dokumentation am Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg und kuratierte für Rom­Archive den Archivbereich „Bilderpolitik“. Mit künstlerischen Projekten hat er an zahlreichen internationalen Ausstellungen teilgenommen, u.a. 2007 an Paradise Lost, dem ersten Roma-Pavillion der Biennale di Venezia in Venedig.

Jürgen Keiper war im Auftrag der Stiftung Deutsche Kinemathek für die technolo­­gi­ sche Umsetzung von RomArchive verantwortlich. Der Filmwissenschaftler verantwortete mehrere Projekte der Stiftung Deutsche Kinemathek wie die Internetpräsentation Wir waren so frei ... Momentaufnahmen �989/90.

tions­möglichkeiten einfacher überwinden. Und, was im Moment noch nicht so virulent ist, aber kommen wird, ist der ganze Bereich des „Semantic Web“. Das heißt, dass man die AR Mit RomArchive entsteht ein noch nie Ressourcen von verschiedensten Archiven dagewesenes und für die Bekämpfung des auf der ganzen Welt auch miteinander verwachsenden Antiziganismus dringend not- knüpfen können wird. wendiges Wissensarchiv. Für die ­Minderheit selbst ist dieses Archiv ein ­Zeichen der Wert­ DH Was bedeutet es denn generell, Kultur schätzung ihrer Kultur in Deutschland und zu digitalisieren? Lässt sich das bewerten? in ganz Europa und eigentlich weltweit. Nach der Anerkennung des ­NS-Völkermordes JK Als die ersten digitalen Reproduktionen an 500.000 Sinti und Roma im Jahr 1982 auftauchten, hatte man große Sorge, dass und nach der Einweihung des Denkmals für das Original entwertet wird. Interessanter­ die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti weise strömen die Menschen aber nach wie und Roma Europas 2012, ist seine Gründung vor in Gemäldeausstellungen. Das ist ein daher auch ein Zeichen für den Bewusst- schö­nes Beispiel für die Dialektik ­digitaler seinswandel in Deutschland. Hoffentlich Prozesse. Einerseits gibt es eine Demokrati­ trägt RomArchive dazu bei, im Sinne der sierung des Objekts durch bessere Zugäng­ kul­turellen Teilhabe die jahrhundertealte lichkeit und höhere Verbreitung, aber gleichGeschichte von Sinti und Roma auch in den zeitig auch den Wunsch, das Original zu Bildungsplänen und -materialien der Schu- se­hen, zu erleben und zu erfahren. Generell ist es eine wichtige Kritik an dilen zu verankern. Das Archiv ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, dass Ange- gitalen Datenbanken, dass sie alle ­Objekte hörige der Minderheit in kulturpolitische In- dieser Welt aufsaugen, nebeneinanderstelstitutionen der Mehrheitsgesellschaft invol­ len, dann nach denselben ­Strukturen ­erschließen und dadurch auch nivellieren. Das viert werden. stimmt zwar bis zu einem gewissen Grad, DH RomArchive ist ein ausschließlich digi- aber auf der anderen Seite ist ­natürlich enttales Archiv. Was kann ein digitales Archiv scheidend, was wir aus diesen Datenbanken machen. Das war in unserem Projekt extrem besser als ein analoges? wichtig und wir haben da verschiedene AnJK Grundsätzlich sind die großen ­Vorteile sätze entwickelt. Objekte werden nicht eineines digitalen Archivs der einfachere und fach nur als Galerie hintereinander gezeigt, leichtere Zugang, die bessere ­Erschließung sondern es gibt spezifische, ausdifferenzierund Auffindbarkeit der entsprechenden Ob- te Konzepte in der Präsentation, insbesonjekte und natürlich die Möglichkeit, die dere über Storytelling, über Kontextualisiejewei­ligen Objekte relativ problemlos welt- rung, über Dekonstruktion und so weiter. weit zugänglich zu machen. Digitale Objekte Die Herausfor­derung ist, ausgehend vom Aphaben den großen Vorteil, dass sie zumin- parat Datenbank neue Erzählungen zu genedest konzeptionell unendlich lange archivier­ rieren, die die festen Strukturen noch einbar sind, was bei analogen Materia­lien nicht mal brechen. der Fall ist. Das setzt aber natürlich eine professionelle Langzeitarchivierung vor­ DH RomArchive ist ja in vielerlei Hinsicht aus. Außer­dem ist im Moment der gesam­te ein Pionierprojekt. Sowohl technologisch als Bereich der ­Gedächtnisorganisation ja völlig auch, was die Konzeption der Inhalte angeht, zersplittert. Es gibt Bibliotheken, Archive, wurden hier Grundlagen geschaffen. WelMuseen und Galerien und so ­weiter. Diese ches sind für euch die größten Errungen­institutionellen Grenzen kann ein ­digitales schaften des Projekts? Archiv mit ­seinen spezifischen PräsentaJK Ein ganz toller Ansatz, der auf die geführten Debatten reagierte, wie wir mit antiziganistischen, mit rassistischen, generell mit problematischen Darstellungen umgehen, war eine Idee der Agenturen bildargumente

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Von den Vorzügen  eines digitalen Archivs für eine andere Bilderpolitik

RomArchive Digitales Archiv der Sinti und Roma Das mit dem Europäischen Kulturerbepreis (Europa Nostra Award 20�9) ausgezeichnete RomArchive macht erstmals internationale künstlerische Produktionen von Sinti und Roma sowie deren Beitrag zur europäischen Kulturgeschichte umfassend sichtbar. Die derzeit über 5.000 Objekte in den Archivbereichen Bildende Kunst, Film, Flamenco, Literatur, Musik, Tanz, Theater und Drama, Bilderpolitik, Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma sowie Holocaust stellten �4 Kuratoren, vorwiegend aus der Minderheit, zusammen. Ein internationaler Beirat unterstützte die Kuratoren und bestimmte die strategischen Richtlinien des Projektes. Die beiden Initiatorinnen Isabel Raabe und Franziska Sauerbrey übergaben im Frühjahr 20�9 die Trägerschaft von RomArchive an das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg. Dieses derzeit größte Kulturprojekt seiner Art hat die Kulturstiftung des Bundes von 20�5 bis 20�9 mit 3,75 Mio. Euro gefördert. →     #RomArchive →     www.romarchive.eu

und Open Video, die eine erzwungene Kontextualisierung geschaffen haben. Das Ziel der sogenannten Item Bundles war, nie ein einzelnes Objekt aus dem Z ­ usammenhang her­auszulösen, sondern immer im Kontext zu zeigen. Für mich war auch das innovative Konzept von Storytelling extrem wichtig, das die klassische Zeitstruktur der Rezeption aufbricht. Man kann die Texte von Anfang bis Ende lesen, aber man hat jederzeit die Möglichkeit, auf neue Personen oder andere Objekte zu klicken. Dieses interessegeleitete Sichverlieren in diesem Projekt, das finde ich eine ganz große Qualität: Es gibt keine vorgezeichneten Wege, es ist auf der anderen Seite aber auch nicht vollständig beliebig. AR Aus meiner Sicht ist die größte Errungenschaft von RomArchive, dass der inhaltliche und konzeptionelle Aufbau der unterschiedlichen Archivbereiche von so vielen Kuratorinnen durchgeführt wurde, die über­ wiegend selbst der Minderheit angehören. Bis heute ist es leider keine Selbstverständlichkeit in der Projektarbeit, dass Sinti und Roma tatsächlich in alle bedeutenden und ent­ scheidenden Positionen einbezogen werden. Im Laufe des Projektes wurden in den Beiratund Kuratorensitzungen immer wieder kulturpolitische Aspekte und Notwendigkeiten angesprochen. Alle Beteiligten waren sich der Herausforderung bewusst, dass RomArchive mit den langen ­Traditionen von ethnisierenden und rassifizierenden Archivierungs- und Darstellungspraxen brechen müsse. Von Anfang an war mein Ansatz dabei, einen kritischen Blick darauf zu werfen, wie Künste und Kulturen von Sinti und Roma gesammelt und präsentiert werden, um bei der „Darstellung der Minderheit“ nicht wieder den gängigen und tradierten Vorstellungen zu entsprechen.

Archiv aufzunehmen, sie aber nicht ohne Kontextualisierung zu veröffentlichen. Ich wollte Filter einsetzen, nach Methoden suchen, um die Rezeption zu kontrollieren und zu beeinflussen, so dass das Betrachten dieser Bilder nicht erneut antiziganistische Denkmuster befördert. Susan Sonntag hat in ihrem Buch Über ­Fotografie als Beispiel für diese Kontrolle angeführt, dass Fotos auch als Film gezeigt werden können. So bestimmt der Regisseur, wie lange die Rezeption andauert und welche Bilder oder Bildausschnitte gezeigt werden. In unserem Kurzfilm Fotografie lesen steuern wir den Blick, indem wir mit der Hand ein projiziertes Bild ausblenden oder den Akzent auf bestimmte Bereiche lenken, und das Bild durch eine Off-Stimme kritisch in einen gesellschaftshistorischen Kontext setzen. Eine weitere Herausforderung waren die Diskurse seitens der Kuratoren, wie Sinti und Roma Europas für eine breite internationale Öffentlichkeit verständlich, aber dennoch in ihren komplexen kulturellen Kontexten dargestellt werden sollen. In diesem Projekt trafen ja auch viele unterschiedliche kulturelle Identitäten aufeinander. Der Tanzkurator Isaac Blake sagt zum Beispiel von sich: „I am a gipsy“. Und wir versuchen die ganze Zeit, das Wort Gipsy im E ­ nglischen überhaupt nicht als Begriff zu verwen­den, weil das Wort hier in Deutschland und ­weiten Teilen Europas negativ zu verstehen ist. Aber das ist eben eine Selbstbezeichnung der Roma und Traveller in Großbritannien, die selbst für mich als Angehöriger der Sinti und Roma in Deutschland nicht so bekannt war. Für manche Angehörige unserer Minderheit sind auch Kopftuch und Rock eine normale Tracht und transportieren keine antiziganistischen Bilder. Das zu filtern, kritisch mitzubetrachten und zu analysieren, war extrem schwierig.

JK Diese Mehrstimmigkeit hat das Projekt ja auch an zwei Stellen des Konzeptes umgesetzt. Zum einen dadurch, dass die einzelnen Bereiche von individuellen Kuratoren AR Eine wichtige Frage war natürlich die betreut werden, das heißt, wir haben eine des Umgangs mit Materialien, die Angehöri- Polyphonie von Konzepten, von Ansätzen, ge der Minderheit stereotypisierend oder so- von Positionen. Und dann gab es ja auch auf gar auf rassistische Weise darstellen: Foto- der Ebene der Schlagworte, die wir in einem grafien, Filme, Gemälde, Presseberichte Glossar erklären, die Reaktion, dass einzeloder historische Dokumente. Ich war immer ne gesagt haben, diese Erklärung ist für uns dafür, auch problematische Abbildungen ins nicht akzeptabel, die soll so und so lauten. DH Welche anderen konkreten Hürden galt es im Projekt RomArchive zu überwinden?

Da haben wir dann eine zweite Erklärung dazugestellt. Es geht nicht darum, eine einzige Wahrheit zu definieren, sondern es stehen mehrere Po­sitionen gleichberechtigt untereinander. Dieser Ansatz einer solchen Polyphonie von Stimmen ist ein sehr positives Element des ganzen Projektes.

immer wichtiger. Wir kennen das ja, Objekte gehen einfach kaputt, werden durch Alter und Umweltbedingungen zerstört. Und deswegen wollten wir dieses Projekt auch nutzen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, solche Artefakte langfristig zu erhalten. Aber es gibt neben hervorragenden Digitalisierungen im Archiv natürlich auch einige, die dieser DH Mit welchen Schwierigkeiten wurdet ihr „Preservation“ nicht gerecht werden. im Projekt speziell bei der Digitalisierung konfrontiert? DH Archive, die im Aufbau sind, fragen bei RomArchive immer wieder seine SammJK Innerhalb des ganzen Prozesses des Ar- lungspolitik und Ethischen Richtlinien ab, chivaufbaus finde ich den Bereich der In- um mit diesen Grundlagen weiterzuarbeiten. haltserschließung am schwierigsten oder Da hat RomArchive offenbar wirklich Pionier­ problematischsten, also die Schlagwortver- arbeit geleistet. gabe. Die Vergabe von Schlagworten ist immer eine Reduktion, denn man reduziert ei- AR Ja, die Ethischen Richtlinien und die nen Komplex auf einen Begriff. Und nicht Sammlungspolitik, die über zwei Jahre vom alles im Archiv ist textbasiert, wir haben es Beirat, den Kuratoren und der Projektleiviel mit Bildern oder Filmen zu tun. Da kom- tung diskutiert wurden, sind enorm wichmen noch viel abstraktere Kategorien ins tig für ei­ne demokratische Archivpraxis, die Spiel, denn wie interpretiert man überhaupt die Menschenwürde der Dargestellten gaein Bild, wie vergibt man ein Schlagwort zu rantieren möchte. In der Praxis hat sich sehr einem Bild? Das hängt extrem stark von in- schnell herausgestellt, dass es bei Angehöridividuellen Präferenzen ab, und das macht gen der Minderheit — und auch bei mir als es sehr schwierig. Die Begriffe selbst haben Kurator — Vorbehalte und Ängste vor beja auch eine zeitliche und gesellschaftliche stimmten Konzepten von Dokumentierung Dimension, das heißt, heute würde man ein und Sammlung von Bildern, von Namen, von und dasselbe Objekt komplett anders ver- Geschichten gibt. Ursache dafür sind die bis schlagworten als vor 30 Jahren oder in ei- heute nicht geheil­ten Wunden der NS-Vernem anderen geografischen Raum. folgungsgeschichte. Unsere Vorfahren wurden von den Nazis in Archiven und DatenAR Das stimmt, in geschlossenen Archiv­ banken erfasst, die die Grundlage für die sys­temen müssen diese Begrifflichkeiten spätere Inhaftierung, ­Deportierung und Ersehr bewusst vergeben werden. Im Archiv mordung waren. So ist natürlich nachvollder Arab Image Foundation, dem berühmten ziehbar, dass selbst der Be­griff „Archiv“ bei Projekt von Akram Zaatari und anderen, vielen unserer Menschen eine negative Konhabe ich einmal den Begriff „Schal“ als notation hervorgerufen hat. RomArchive Suchbegriff eingegeben. Ich erhielt ganz un- kann die schmerzende Wunde des NS-Völterschiedliche Bilder: eins von Yassir Arafat kermordes nicht lindern, das ist unmöglich, mit Palästinensertuch, ein Bild einer Frau aber unsere Aufgabe ist es, unseren Nachmit Schal, es gab auch ein Bild mit einem kommen neue Hoffnung und neue Wege zu Hund mit Halstuch. Plötzlich löste sich hier ermöglichen. Wenn ich heute auf die Ethidas Konzept von einem demokratischen Ar- schen Richtlinien und die Sammlungspo­litik chiv tatsächlich ein. Die gleichen Bilder wä- schaue, ist da eine große Erleichterung. So ren unter anderen Stichworten und Kontex- etwas hat es bisher noch nie für unsere Minten ganz anders wahrgenommen worden. derheit gegeben, und ich freue mich sehr darüber, dass auch andere Archive diese Richt­ JK Eine weitere Herausforderung war die Di- linien als Grundlage nehmen. gitalisierung an sich. Aus Gesprächen wussten wir ja, dass die Objekte, mit denen wir es zu tun haben, nicht in Museen vorliegen, sondern ganz oft bei Privatpersonen. Und deswegen wurde der Bereich der Erhaltung auch

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#gefördert 11. Berlin Kulturagenten Biennale für zeitgenösfür kreative sische Kunst Schulen Das Modellprogramm Kulturagenten für kreative Schulen fand in den Jahren 20�� bis 20�9 an 250 Schulen in fünf Bundesländern statt und hat dort nachhaltig die kulturelle Bildung gestärkt: Mehr als 50 Kulturagentinnen vernetzten in Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen Schulen mit Kultureinrichtungen und entwickelten modellhafte künstlerische Angebote für über 100.000 Kinder und Jugendliche. Auch nach dem Auslaufen der Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes und die Stiftung Mercator wird es in den beteiligten Bundesländern weiterhin Kulturagenten geben. Die beteiligten Bundesländer setzen ihr Engagement fort und arbeiten in ihren jeweiligen Landesstrukturen weiter mit Kulturagenten als zentralen Vermittlern zwischen Schulen und Kultureinrichtungen. Das Programm wurde mit insgesamt 29 Mio. Euro von der Kulturstiftung des Bundes und der Stiftung Mercator gefördert. Zahlreiche Projekte im Rahmen des Programms wurden in dieser Zeit ausgezeichnet.  → www.kulturagenten-programm.de

Die nächste Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst wird kuratiert von María Berríos, Renata Cervetto, Lisette Lagnado und Agustín Pérez Rubio. Sie findet vom �3. Juni bis �3. September 2020 an verschiedenen Orten in Berlin statt. Bereits im Vorfeld der ��. Ausgabe der Biennale werden zwischen September 2019 und Mai 2020 erste Ausstellungen und ein Programm ( exp. 1, exp. 2 und exp. 3 ) auf dem ExRotaprint-Gelände in Berlin-Wedding realisiert. Mit exp. 1: Das Gerippe der Welt stellen die Kuratorinnen über 25 künstlerische Beiträge vor und laden ein zu verschiedenen Formaten wie ortsspezifischen Interventionen und Performances, Workshops von Künstlerinnen und Atelieraufenthalten, Vorträgen und Lesungen. Die Kuratoren stellen sich die kommende Ausgabe als eine Folge gelebter Erfahrungen vor, die sich prozesshaft entwickelt. Nichts ist vollständig, alles kann sich bewegen und verändern. Mit diesen vorbereitenden Ausstellungen und dem Veranstaltungsprogramm wollen die Kuratorinnen Beziehungen in die Stadt hinein knüpfen und von teilnehmenden Künstlern und Projekten sowie von der Stadt Berlin und ihren Bewohnern lernen. Ab Juni 2020 bringt die ��. Berlin Biennale diese Erfahrungen an mehreren Ausstellungsorten in der Stadt zusammen. Seit 2006 fördert die Kulturstiftung des Bundes die Berlin Biennale als eine der kulturellen Spitzeneinrichtungen in Deutschland. Die ��. Ausgabe erhält 3 Mio. Euro. exp. 1 Das Gerippe der Welt, bis �. ��. 20�9, ��. Berlin Biennale c/o ExRotaprint, Berlin exp. 2 30. ��. – 8. �. 2020, ��. Berlin Biennale c/o ExRotaprint exp. 3 22. �. – �. 5. 2020, ��. Berlin Biennale c/o ExRotaprint

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��. Berlin Biennale, �3. �. – �3. �. 20�9, Berlin →   www.berlinbiennale.de

Museum Global Das Programm Museum Global bietet dem MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt, der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, der Nationalgalerie — Staatliche Museen zu Berlin und der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München einen Rahmen, um die eigene Sammlung in eine globale Perspektive zu rücken und kritisch die jeweils eigene Sammlungsgeschichte zu reflektieren. Nach den ersten großen Ausstellungen in Frankfurt, Berlin und Düsseldorf zog die internationale Konferenz Global Museum — Where do we go from here? im Oktober 20�9 eine erste Zwischenbilanz. Einzelne Konferenzbeiträge werden als Video-Mitschnitte ab 2020 online abrufbar sein. Bevor auch das Lenbachhaus 202� sein vierjähriges Forschungsprojekt mit einer Ausstellung und Neupräsentation der Sammlung Blaue Reiter abschließt, lädt es im April 2020 zu einem Symposium ein. Ausgehend von der Künstlergruppe Der Blaue Reiter — zu der das Lenbachhaus die weltweit größte Sammlung beherbergt — sollen hier kollektive Arbeitsformen in der Kunst innerhalb und außerhalb Europas im Fokus stehen sowie das gängige Narrativ der Moderne erweitert werden. Global Museum  — Where do we go from here?, Video-Mitschnitte ab 2020 unter  → www.smb.museum/hbf Gruppendynamik. Künstlerkollektive der Moderne, Symposium, 23. – 26. �. 2020 Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München  → www.kulturstiftung-bund.de/ museumglobal

hochdrei

Stadtbibliotheken verändern Mit dem Programm hochdrei — Stadtbibliotheken verändern unterstützt die Kulturstiftung des Bundes Stadtbibliotheken dabei, sich als teilhabeorientierte und kooperationsfreudige Kulturorte zu etablieren. Die Öffentlichen Bibliotheken in Adendorf, Berlin Tempelhof-Schöneberg, Bremerhaven, Leipzig, Ludwigsburg, Warendorf und Weißenfels werden als erste beispielhafte Projekte im hochdrei Fonds gefördert. Für die vorerst letzte Förderrunde des hochdrei Fonds ist der Antragsschluss der 31. März 2020. Daneben finden noch bis Februar 2020 deutschlandweit eine Reihe offener Veranstaltungen im Programmmodul hochdrei Werkstatt statt: Diese eintägigen Workshops zu Themen wie Die Bibliothek als Community Hub oder Die Bibliothek als Impulsgeber für die Kommune wollen die Auseinandersetzung über die neue Rolle von Bibliotheken als „Dritte Orte“ der Stadtgesellschaft fördern. Die einzelnen Termine werden auf unserer Website angekündigt. Das Programm wurde bis 2020 mit insgesamt 5,6 Mio. Euro ausgestattet.  → www.kulturstiftung-bund.de/ hochdrei


Einreichtermine für antragsgebundene Förderungen 31. 1. 2020

A   llgemeine Projektförderung

31. 3. 2020

Fonds hochdrei

31. 7. 2020

Stadtbibliotheken  verändern

Allgemeine Projektförderung

T   RAFO

Modelle für Kultur im Wandel

Mit TRAFO — Modelle für Kultur im Wandel unterstützt die Kulturstiftung des Bundes ländliche Regionen in Deutschland dabei, ihre Kulturinstitutionen für neue Aufgaben zu öffnen und die Bedeutung der Kultur vor Ort in der öffentlichen Wahrnehmung und in den kulturpolitischen Strukturen dauerhaft zu stärken. Im Rahmen des TRAFO-Projektes Lernende Kulturregion Schwäbische Alb ist das Musiktheaterprojekt Die Glücksschmiede entstanden, eine gemeinsame Produktion der Opernfestspiele Heidenheim mit Schulen und jungen Musikern vor Ort. Die Produktion wurde nun mit dem bundesweit vergebenen MIXED UP – Preis ausgezeichnet, den die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e. V. gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auslobt. TRAFO unterstützt seit 2015 vier Regionen, in einer zweiten Phase werden von 2020 bis 2023 weitere fünf Regionen gefördert. Zudem beriet und förderte TRAFO 2018 und 2019 deutschlandweit achtzehn Regionen bei der Entwicklung von Transformationsvorhaben. Die Kulturstiftung des Bundes stellt für TRAFO insgesamt 22,8 Mio. Euro bereit.

Aktuelles aus der Stiftung

→ www.trafo-programm.de

Neue  Verwaltungsdirektorin Ab 2020 wird Kirsten Haß neue Verwaltungsdirektorin der Kulturstiftung des Bundes und in dieser Funktion gemeinsam mit der künstlerischen Direktorin Hortensia Völckers den Vorstand der Stiftung bilden. Dies entschied der Stiftungsrat unter der Leitung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters in seiner jüngsten Sitzung am 24. Juni 2019. Kirsten Haß folgt Alexander Farenholtz, der seit Gründung der Stiftung 2002 Verwaltungsdirektor ist und zum Ende dieses Jahres altersbedingt ausscheidet.

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Kulturstiftung des Bundes Stiftungsrat

Stiftungsbeirat

Die Stiftung

Der Stiftungsrat trifft die Leitentscheidungen für die inhaltliche Ausrichtung, insbesondere die Schwerpunkte der Förderung und die Struktur der Kulturstiftung. Der aus 14 Mitgliedern bestehende Stiftungsrat spiegelt die bei der Errichtung der Stiftung maßgebenden Ebenen der politischen Willensbildung wider. Die Amtszeit der Mitglieder des Stiftungsrates beträgt fünf Jahre.

Der Stiftungsbeirat gibt Empfehlungen zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Stiftungstätigkeit. In ihm sind Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vertreten.

Vorstand Hortensia Völckers Künstlerische Direktorin

Vorsitzende des Stiftungsrates Prof. Monika Grütters Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien für das Auswärtige Amt Michelle Müntefering Staatsministerin für internationale Kulturpolitik für das Bundesministerium der Finanzen Bettina Hagedorn Parlamentarische Staatssekretärin für den Deutschen Bundestag Prof. Dr. Norbert Lammert Bundestagspräsident a.D. Burkhard Blienert Entsandter des Deutschen Bundestages Marco Wanderwitz Bundestagsabgeordneter als Vertreter der Länder Rainer Robra Staats- und Kulturminister, Chef der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Eva-Maria Stange Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst des Freistaates Sachsen als Vertreter der Kommunen Klaus Hebborn Beigeordneter, Deutscher Städtetag Uwe Lübking Beigeordneter, Deutscher Städteund Gemeindebund

Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann Präsident des Goethe-Instituts, Vorsitzender des Stiftungsbeirats Prof. Markus Hilgert Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder Prof. Ulrich Khuon Präsident des Deutschen Bühnenvereins Prof. Dr. Eckart Köhne Präsident des Deutschen Museumsbunds Prof. Martin Maria Krüger Präsident des Deutschen Musikrats Dr. Franziska Nentwig Geschäftsführerin des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. Regula Venske Präsidentin PEN-Zentrum Deutschland Frank Werneke Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di Olaf Zimmermann Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats

Jurys und Kuratorien Rund 60 Experten aus Wissenschaft, Forschung und Kunst beraten die Kulturstiftung des Bundes in verschiedenen fach- und themenspezifischen Jurys und Kuratorien. Weitere Informationen zu diesen Gremien finden Sie auf unserer Website unter www.kulturstiftung-bund.de bei den entsprechenden Projekten.

als Vorsitzender des Stiftungsrates der Kulturstiftung der Länder Dr. Markus Söder, Ministerpräsident des Freistaats Bayern

Tristan Schulze, SUPER _ID →  Mehr zur künstlerischen Arbeit auf Seite 15

Alexander Farenholtz Verwaltungsdirektor Sekretariate Beatrix Kluge, Christine Werner, Sabrina Bachmann, Beate Ollesch (Büro Berlin) Referent des Vorstands Dr. Lutz Nitsche Justitiariat, Vertragsabteilung N.N. (Leitung), Anja Petzold, Lina Schaper, Alexandra Kluschke Kommunikation Friederike Tappe-Hornbostel (Leitung), Sabine Eckardt, Tinatin Eppmann, Juliane Köber, Julia Mai, Anja Piske, Arite Studier Förderung und Programme Kirsten Haß (Leitung), Dr. Jeanne Bindernagel, Dr. Sebastian Brünger, Teresa Darian, Anne Fleckstein, Dr. Marie Cathleen Haff, Antonia Lahmé, Marie-Kristin Meier, Carl Philipp Nies, Uta Schnell, Hassan Soilihi Mzé, Max Upravitelev, Friederike Zobel, Anna Zosik Programm-Management und Evaluation Ursula Bongaerts (Leitung), Anja Bauer, Marius Bunk, Lucie Chwaszcza, Marcel Gärtner, Katrin Gayda, Bärbel Hejkal, Sarah Holstein, Constanze Kaplick, Steffi Khazhueva, Laura Klopf, Anja Lehmann, Dörte Koch, Saskia Seidel, Anne-Kathrin Szabó, Antje Wagner Projektprüfung Steffen Schille (Leitung), Franziska Gollub, Frank Lehmann, Fabian Märtin Verwaltung Andreas Heimann (Leitung), Margit Ducke, Maik Jacob, Steffen Rothe Auszubildender Basel Khadir Omar

als Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur Prof. Dr. Bénédicte Savoy Professorin für Kunstgeschichte Wolfgang Tillmans Künstler Prof. Dr. Dr. h.c. Wolf Lepenies Soziologe

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Herausgeber Kulturstiftung des Bundes Franckeplatz 2 / 06110 Halle an der Saale Tel. +49 (0)345 2997 0  Fax +49 (0)345 2997 333 info@kulturstiftung-bund.de www.kulturstiftung-bund.de

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Vorstand Hortensia Völckers / Alexander Farenholtz (verantwortlich für den Inhalt) Redaktion Friederike Tappe-Hornbostel, Juliane Köber, Anja Piske

Die Kulturstiftung des Bundes wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Schlussredaktion Print Anja Piske Gestaltung Print Bureau David Voss Ondine Pannet, David Voss Umschlag und Plakat David Voss auf Grundlage der künstlerischen Arbeit SUPER _ID von Tristan Schulze Schriften Print Dialogue von Manuel von Gebhardi Oracle von Dinamo Lithografie Print Marius Brüggen Druck Henrich Druck + Medien klimaneutral gedruckt DE–654–952658 www.natureOffice.com Schlussredaktion App Juliane Köber Gestaltung und technische Umsetzung App shoutr labs UG Schriften App Helvetica Neue LT Pro 45 Dialogue von Manuel von Gebhardi Redaktionsschluss 20. September 2019 Auflage Print 26.000 ©

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Projekte Die interdisziplinäre Jury der Allgemeinen Projektförderung hat auf ihrer letzten Sitzung im Frühjahr 2019 27 neue Förderprojekte ausgewählt. Die Fördersumme beträgt insgesamt 4,4 Mio. Euro. Die Mitglieder der Jury sind: Dr. Manuel Gogos, Autor und Ausstellungsmacher / Björn Gottstein, Leiter der Donaueschinger Musiktage / Bart van der Heide, Freier Kurator / Sabine Himmelsbach, Leiterin des Haus für elektronische Künste Basel / Wolfgang Hörner, Leiter des Verlags Galiani Berlin / Prof. Dr. Gerald Siegmund, Direktor des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft der Universität Gießen / Susanne Titz, Direktorin des Museums Abteiberg in Mönchengladbach / Almut Wagner, Geschäftsführende Dramaturgin Schauspiel am Theater Basel

Bild & Raum

Bilder, Stimmen und Clichés: SS-Aufseherinnen des FrauenKonzentrationslagers Künstlerische Interventionen in der Gedenkstätte Ravensbrück Das ehemalige Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück ist als Ort deutscher Gewaltgeschichte von internationaler Bedeutung, waren dort doch während der Zeit des Nationalsozialismus ca. 120.000 Frauen aus 30 Nationen inhaftiert. Im Kontext der Veranstaltung zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs im April 2020 eröffnet die Gedenkstätte Ravensbrück die neue, vom Land Brandenburg finanzierte, historisch-dokumentarische Dauerausstellung Im Gefolge der SS: Aufseherinnen des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück. In diesem Zusammenhang sollen fünf künstlerische Positionen realisiert und temporär gezeigt werden, die weibliche Täterschaft thematisieren und sich mit dem Klischee der SS-Täterin als blonder Bestie und devianter Frau auseinandersetzen. Die Chance dieser künstlerischen Interventionen von Susanne Kriemann, Arnold Dreyblatt, Moritz Fehr, Michaela Mélian und Dominique Hurth liegt darin, Kommunikationsanlässe und -räume zu schaffen in Ergänzung zu der noch unabgeschlossenen historisch-wissenschaftlichen Forschung. In der Zusammenarbeit zwischen Historikerinnen und Künstlern möchte die Gedenkstätte Ravensbrück neue Wege beschreiten. → www.stiftung-bg.de Künstlerische Leitung: Insa Eschebach Kuratorin: Dominique Hurth Künstler: Arnold Dreyblatt, Moritz Fehr, Dominique Hurth, Susanne Kriemann, Michaela Melian Künstlerische Interventionen Fürstenberg / Havel; Mahnund Gedenkstätte Ravensbrück: 30.1.2020–30.9.2021

Anything Goes Planen und Bauen im Berlin der 1980er Jahre Die Berlinische Galerie widmet sich am Beispiel Berlins der Architektur und dem Städtebau der 1980er Jahre in der BRD und der DDR. In direkter Nachbarschaft zur Berlinischen Galerie gibt es eine einzigartige Dichte von Architekturen jener Zeit. Die damals entstandenen Bauten läuteten das Ende einer eindeutigen, im Kalten Krieg ideologisch eng mit der jeweiligen Landespolitik verwobenen Bauästhetik ein. Überall auf der Welt wurde damals nach neuen Formen innerstädtischen Wohnens oder nach einem Rückbezug auf ortsspezifische Bautraditionen gesucht und auch in Berlin auf beiden Seiten der Mauer erprobt. Die Ausstellung versucht eine kritische Neubewertung der parallelen Entwicklungen vor dem Hintergrund sich abzeichnender geopolitischer Veränderungen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Planungen in beiden Stadthälften sowie deren internationale Vorbilder sollen herausgearbeitet werden. Unter Berücksichtigung der dazu einschlägigen Fachdebatten sollen auch Architekturkritik und Architekturgeschichte im Hinblick darauf beleuchtet werden, welche Rolle sie für die zeitgenössische Baupraxis spielen könnten und sollten. Zum Teil noch nie gezeigte historische Materialien sowie aktuelle fotografische Positionen sollen einen Beitrag zu der kontrovers geführten Debatte um dieses aus heutiger Sicht gefährdete Bauerbe leisten, die auf einem internationalen Symposium vertieft wird. In der multimedialen Ausstellung werden etwa 400 Werke von ca. 30 Architektinnen, Planungsbüros, Fotografen und Filmschaffenden gezeigt. Sie werden durch einen aufwändigen dokumentarischen Katalog, eine App und ein umfassendes Vermittlungsprojekt sowie Führungen und Gespräche mit Fachleuten und Bewohnerinnen vor Ort ergänzt. → www.berlinischegalerie.de Künstlerische Leitung: Ursula Müller Architekten: Raimund Johann Abraham, Dieter Bankert, Peter Eismann, Heinz Graffunder, Zaha Hadid, Hardt-Waltherr Hämer, Rob Krier, Daniel Libeskind, Álvaro Siza Vieira, Günter Stahn Berlinische Galerie Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin: 30.10.2020.–22.2.2021

Clemens von Wedemeyer: Mehrheiten Einzelausstellung Die Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig und das Kunstmuseum Luzern entwickeln mit Clemens von Wedemeyer: Mehrheiten eine thematische Ausstellung, die filmische Neuproduktionen und eine Auswahl früherer Arbeiten des Fotografen und Filmemachers Clemens von Wedemeyer präsentiert. Die Ausstellung spannt einen Bogen von den Leipziger Montagsdemonstrationen bis zu den aktuellen Repräsentationen von Gemeinschaft in digitalen Netzen. Sie reflektiert, wie heutzutage Verhaltensformen erfasst, durch Algorithmen ausgewertet und prognostiziert werden und welche Auswirkungen diese Daten auf das öffentliche Leben haben: Wie schließen sich Menschen zu Massenbewegungen zusammen? Und wie wirkt sich die Abbildung von Massen auf das soziale Verhalten des Einzelnen aus? Im Zentrum der Schau steht somit eine höchst politische Frage, nämlich wie Mehrheiten im Zeitalter von Big Data entstehen. Eine Publikation, ein Vermittlungsprogramm für Schüler und eine Veranstaltungsreihe mit Vorträgen und Diskussionen ergänzen die Ausstellung. Das Veranstaltungsprogramm nimmt einerseits auf die Revolution von 1989 Bezug und andererseits auf politische Partizipationsmodelle, die durch die heutigen Formen der Digitalisierung erst möglich geworden sind. → www.gfzk.de Projektleitung: Anna Jehle Kuratorinnen: Fanni Fetzer, Anna Jehle, Franciska Zólyom Teilnehmende Künstler Rahmenprogramm: Anna Adahl, Jodi Dean, Heike Geißler, Susanne Lüdemann, Stephan Poppe, Ben Vickers u.a. Ausstellung, Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig: Eröffnung 12.7.2019; Laufzeit: 13.7.–24.11.2019; Rahmenprogramm, Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig: 6.9.–17.11.2019

Zukunft Werk Stadt Chemnitz Eine Kunstausstellung im öffentlichen Raum der Stadt Chemnitz im Sommer 2020 Kunst im öffentlichen Raum kann eine ganze Stadt verwandeln und Bewohner wie Besucher über die Kunst ins Gespräch bringen. Mit der Zukunft Werk Stadt Chemnitz ist eine Ausstellung geplant, dem Konzept der Skulptur Projekte Münster vergleichbar, die durch die Auswahl der künstlerischen Positionen auch international eine große Ausstrahlung entfalten wird. Sie führt eine lange Tradition an gesellschaftlich engagierter Kunst im Stadtraum fort. Einzelkünstler und Kollektive wie etwa Nevin Aladağ, atelier le balto oder Observatorium Rotterdam, die sich intensiv mit einem Ort beschäftigen und eng mit der Bevölkerung vor Ort arbeiten, sind eingeladen, neue Werke für den Stadtraum von Chemnitz zu entwerfen. Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeiten sind der Stadtkern von Chemnitz und die angrenzenden Viertel. In diesen Vierteln haben neben der Industriegeschichte auch die baulichen und sozio-ökonomischen Veränderungen der letzten 30 Jahre der Nachwendezeit ihre Spuren hinterlassen. Die Ausstellung wird mehr als 30 Orte, Bauwerke und Stationen umfassen. Viele der Skulpturen, Installationen, Interventionen, Performances und partizipativen Projekte werden Verbindungen schaffen zwischen bildender und darstellender Kunst, Literatur, Mode oder Design. → www.kunstsammlungen-chemnitz.de Künstlerische Leitung: Florian Matzner Kuratorin: Sarah Sigmund Künstlerinnen: Nevin Aladağ, atelier le balto, Henrike Naumann, Olaf Nicolai, Observatorium Rotterdam, Peng! Collective, Marjetica Potrč und Ooze Architects, Roman Signer, Anna Witt, Tobias Zielony Kunstausstellung im öffentlichen Raum, Chemnitz: 1.5.–27.9.2020

Mondjäger Nathalie Djurberg & Hans Berg im Dialog mit Asger Jorn Der Künstler Asger Jorn (1914–1973) galt zeitlebens als Enfant terrible der dänischen Kunstszene. Heute zählt er weltweit zu den bedeutendsten Figuren der europäischen Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Mitbegründer der Künstlergruppe CoBrA und der Situationistischen Internationalen steht er mit seinem vielfältigen künstlerischen Werk für einen experimentellen Zugang zu neuen Formen des kollektiven künstlerischen Schaffens sowie einen offenen Kunstbegriff. Der Faszination seiner Werke für zeitgenössische Positionen spürt das Kunstmuseum Ravensburg mit dieser Ausstellung nach. Im experimentellen Dialog zwischen dem malerischen Werk Asger Jorns und den filmisch-installativen Werken des schwedischen Künstlerduos Nathalie Djurberg & Hans Berg möchte die Ausstellung die Rezeption Jorns um einen noch unerprobten wechselseitigen Zugang erweitern und eine vertiefende Kenntnis beider Positionen ermöglichen. Ebenso wie die malerischen Werke Jorns überschreiten die Arbeiten von Djurberg & Berg gängige Konventionen und hinterfragen klassische Wert- und Formbegriffe. In ihren Stop-Motion-Filmen setzen auch sie auf eine experimentelle und kollaborative Formfindung. Die skurrilen Geschöpfe aus Knetmasse von Nathalie Djurberg durchspielen im Rollentausch von Tier, Mensch und Fabelwesen Extreme zwischenmenschlicher Beziehungen wie Macht und Ohnmacht, Liebe und Gewalt. Durch die musikalischen Kompositionen von Hans Berg werden die Animationsfilme verdichtet und in ihrer Drastik und Absurdität noch verstärkt. Djurberg und Berg, beide Jahrgang 1978, haben bereits im New Museum in New York, im Stockholmer Moderna Museet, in den Hamburger Deichtorhallen, in der Schirn Kunsthalle Frankfurt sowie im Baltimore Museum of Modern Art ausgestellt. An der Auswahl von Asger Jorns Werken für die Ravensburger Ausstellung sind sie wesentlich beteiligt. → www.kunstmuseum-ravensburg.de Künstlerische Leitung: Ute Stuffer Künstler: Nathalie Djurberg, Hans Berg, Asger Jorn Ausstellung, Kunstmuseum Ravensburg, Ravensburg: 19.10.2019–16.02.2020

Link in Bio Kunst nach den sozialen Medien Die sozialen Medien haben unseren Alltag und unser gesellschaftliches Miteinander grundlegend verändert. Im digitalen Raum ergeben sich immer neue und bisher ungekannte Möglichkeiten der Kommunikation, Vernetzung und Selbstpräsentation. Plattformen wie Tumblr und allen voran Instagram bringen neue Bildkulturen und Praktiken im Umgang mit Kunst und Fotografie hervor. Die Kommunikation in Bildern, Memes und Emojis wird in der globalisierten (Netz-)Welt zur lingua franca, Kunst zeit- und ortsunabhängig rezipierbar. Junge Künstler finden ihr Publikum heute zumeist dort, wo sie selbst als Digital Natives zu Hause sind: in den sozialen Medien. Auf die frühen Netzkünstlerinnen der 1990er Jahre und die Post-Internet-Art folgt eine Generation von Künstlern, die explizit auf soziale Medien und deren Inhalte reagiert und neue innovative Arbeitsweisen und Formen der künstlerischen Auseinandersetzung entwickelt. Künstlerinnen wie Almalia Ulman, Andy Kassier und Tom Galle schaffen visuelle und performative Arbeiten, die die Mechanismen der Selbstdarstellung in den sozialen Netzwerken offenlegen, Stereotype hinterfragen oder selbstironisch das digitale Zeitalter kritisieren. Die Ausstellung im Museum der bildenden Künste Leipzig widmet sich dieser neuen Künstlergeneration und geht anhand von über 70 Arbeiten der Frage nach, wie sich die Produktion und Rezeption von Kunst durch die sozialen Medien verändert hat und was es bedeutet, in Zeiten der digitalen Durchdringung aller Lebensbereiche, Künstler zu sein. Die Schau zeigt Installationen, Fotografien, Skulpturen, Videos und Gemälde international renommierter Künstlerinnen wie Arvida Byström, Aram Bartholl, Petra Collins und der Mediengruppe Bitnik. → www.mdbk.de Kuratorin: Anika Meier Künstlerinnen: Aram Bartholl, Viktoria Binschtok, Nadja Buttendorf, Arvida Byström, Constant Dullaart, Tom Galle, Andy Kassier, Florian Meisenberg u.a. Museum der bildenden Künste, Leipzig: Eröffnung: 16.12.2019; 17.12.2019–29.3.2020

1 Million Rosen Eine Ausstellung inspiriert von Angela Davis Im September 1972 empfingen jubelnde DDRBürger die afro-amerikanische Bürgerrechtlerin Angela Davis in Berlin. Tausende von ihnen hatten sich zuvor an der von offizieller Stelle geleiteten Kampagne „Eine Million Rosen für Angela Davis“ beteiligt, die dazu beigetragen hat, dass die junge Wissenschaftlerin in einem Terrorismus-Prozess in den USA freigesprochen worden war. In der DDR und in linken Kreisen der BRD wurde Davis als Ikone eines internationalen Kommunismus stilisiert. Die Ausstellung im Albertinum will dieses holzschnittartige Bild dekonstruieren und den Blick auf die inzwischen emeritierte Professorin weiten: Ihre Strategien weiblicher Selbstermächtigung und schwarzen radikalen Widerstands sollen herausgearbeitet und ihr Engagement für soziale und ethnische Gerechtigkeit sowie gegen Genderdiskriminierung aufgezeigt werden. Neben Archivmaterialien und Werken bedeutender Künstler der DDR werden in der Schau vor allem Arbeiten von Gegenwartskünstlerinnen zu sehen sein, die sich direkt oder indirekt auf Davis beziehen: Ângela Ferreira beschäftigt sich etwa mit den Auswirkungen des Postkolonialismus in Afrika, während Elske Rosenfeld in ihren Performances das Vokabular revolutionärer Gesten hinterfragt. Gabriele Stötzers Video-Performance, in der sie ihre Inhaftierung während der DDR-Zeit verarbeitet, schlägt den inhaltlichen Bogen zu Davis‘ Untersuchungen zu Diskriminierungen in Gefängnissen weltweit. Ein zentraler Leseraum, zusammengestellt von den Contemporary-And Herausgeberinnen Julia Grosse und Yvette Mutumba, bietet eine Auswahl an Büchern, die einen speziellen Fokus auf Angela Davis als Intellektuelle richten. Zeitgleich zu der Ausstellung finden weitere Projekte in den USA statt: mit dem Zimmerli Art Museum in New Brunswick und dem Oakland Museum plant das Albertinum gemeinsame Symposien und Auftragsarbeiten. Außerdem ist eine Tour der Ausstellung durch die USA angedacht, um dort den internationalen Einfluss von Davis aufzuzeigen. → www.albertinum.skd.museum Künstlerische Leitung: Kathleen Reinhardt Künstlerinnen: Sadie Barnette, Ângela Ferreira, Lawrence Abu Hamdan, Steffani Jemison, Julie Mehretu, Julia Phillips, Alex Martinis Roe, Elske Rosenfeld, Lewis Watts u.a. Albertinum / Lipsiusbau, Dresden: 8.5.–13.9.2020

Alexander Kluge — Die Macht der Musik Die Oper: der Tempel der Ernsthaftigkeit Als repräsentatives Bauwerk steht das Opernhaus bis heute im Zentrum vieler europäischer Städte. Seine Architektur steht für ein starkes bürgerliches Selbstbewusstsein. Zugleich gilt das Opernhaus als ein Ort, an dem die im Alltag unterdrückten „starken Emotionen“ ihren Ausdruck finden. Der Autor und Filmemacher Alexander Kluge will mit drei großen Ausstellungen in Ulm, Stuttgart und Halberstadt die Oper und die „Macht der Musik“ sichtbar machen und neue Zugänge zu dieser Kunstform und den in ihr verhandelten „starken Emotionen“ schaffen. In den Ausstellungen konfrontiert er die Oper mit anderen Künsten: In filmischen Mash-Ups schafft er Verbindungen von Opernwerken mit Wissenschaft, Literatur und vor allem mit bildender Kunst. Künstlerischen Positionen von Georg Baselitz (Parsifal), Sarah Morris (Unter-Wasser-Opern-Filme) oder Thomas Demand (Heldenorgel) stehen Musikpassagen gegenüber. Künstlerinnen wie Katharina Grosse, Leslie Adelson oder Jonathan Meese werden für die Ausstellung neue Werke wie Minuten-Opern entwickeln. An eine sehr umfangreiche Station im Museum Ulm und der Ulmer Kunsthalle Weißhaupt schließen sich weitere Stationen mit eigenen Inhalten im Württembergischen Kunstverein Stuttgart und an mehreren Orten in Kluges Geburtsstadt Halberstadt an. → www.museumulm.de Künstler: Alexander Kluge, Kerstin Brätsch, Thomas Demand, Katharina Grosse, Ben Lerner, Sarah Morris, Richard Sennett, Thomas Thiede Ausstellung: Museum Ulm, Ulm: 20.10.2019–19.4.2020

Tell me about yesterday tomorrow Eine Ausstellung des NS-Dokumentationszentrums München über die Zukunft der Vergangenheit Das NS-Dokumentationszentrum beschäftigt sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus in München und der besonderen Rolle der Stadt im Terrorsystem der Diktatur. Gemeinsam mit dem Kurator Nicolaus Schafhausen hat das NS-Dokumentationszentrum die Ausstellung Tell me about yesterday tomorrow entwickelt, die zeitgenössische künstlerische Positionen mit der institutionellen Erinnerungsarbeit zusammenführt. Das Dokumentationszentrum betritt mit der Arbeit an dieser Ausstellung auf vielerlei Weise Neuland. Besonders die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Kunst ist für das Projekt entscheidend: Die Künstler werden ihre Werke im engen Austausch mit den Historiker am NS-Dokumentationszentrum entwickeln. Darüber hinaus setzt das Projekt die spezifischen Formen deutscher Erinnerungskultur und damit auch ihre Vermittlung einem kritischen, internationalen Blick aus. Zu den Künstlerinnen zählen Cana Bilir-Meier, Keren Cytter und Leon Kahane. Die meisten der künstlerischen Arbeiten werden in den Ausstellungsräumen des Dokumentationszentrums zu sehen sein, ein Teil der Arbeiten wird online veröffentlicht. Begleitende Gespräche und Filmvorführungen sollen an kooperierenden Münchner Einrichtungen wie dem Lenbachhaus oder den Münchner Kammerspielen stattfinden. Auf dem Vorplatz des Dokumentationszentrums wird ab Frühjahr 2020 ein öffentliches Veranstaltungsprogramm mit Theater, Performance und Gesprächsformaten ausgerichtet. Für diese Assembly (Versammlung) entwirft der Architekt Nikolaus Hirsch eine temporäre Architektur. → www.ns-dokuzentrum-muenchen.de Direktorin: Mirjam Zadoff Künstlerische Leitung: Nicolaus Schafhausen Assistenzkuratorin: Juliane Bischoff Projektleiterin: Anke Hoffsten Künstler: Lawrence Abu Hamdan, Kader Attia, Cana Bilir-Meier, Andrea Büttner, Keren Cytter, Loretta Fahrenholz, Ydessa Hendeles, Leon Kahane, Annette Kelm, Olaf Nicolai u.a. Ausstellung, NS-Dokumentationszentrum und andere Orte im Stadtraum, München: 28.11.2019–30.8.2020; Assembly (Veranstaltungsschwerpunkt), NS-Dokumentationszentrum in Kooperation mit einer Reihe von anderen Institutionen, München: 21.–31.5.2020

Hito Steyerl The Museum of Self-Evolving Art Works (AT) Mit ihren kritischen Reflexionen zu gesellschaftlichen Entwicklungen und dem künstlerischen Ausloten digitaler Technologien ist Hito Steyerl vor allem für junge Künstler eine inspirierende Impulsgeberin. 2017 wurde sie vom Kunstmagazin Art Review zur einflussreichsten Person der Kunstwelt erklärt. Über ihr Schaffen gibt die vom K21 in Düsseldorf und dem Centre Pompidou in Paris gemeinsam entwickelte Ausstellung einen Überblick. Das Spektrum reicht von ihren frühen essayistischen Dokumentarfilmen zu Rassismus und Neonazismus im wiedervereinigten Deutschland über ihre künstlerischen Arbeiten und Essays, mit denen sie den Diskurs um den „Documentary Turn“ vorantrieb, bis hin zu ihren aktuellen Analysen der sich durch den technologischen Wandel verändernden visuellen Kultur. Ihre intensiven Auseinandersetzungen mit künstlicher Intelligenz und die Frage nach öffentlicher Kunst in einer von spekulativen Interessen beeinflussten Kunstwelt werden Schwerpunkte der Ausstellung bilden. Hito Steyerl, 1966 in München geboren, ist derzeit Professorin für Experimentalfilm und Video an der Universität der Künste in Berlin. Ihre Arbeiten präsentierte sie auf zahlreichen internationalen Ausstellungen, u.a. bei der documenta und den Skulptur Projekten Münster sowie auf der Biennale in Venedig. 2019 erhielt sie den Käthe Kollwitz Preis. Die Ausstellung wird Steyerls erste Retrospektive in Deutschland und ihre erste große Überblicksschau in Frankreich sein. → www.kunstsammlung.de Künstlerische Leitung: Susanne Gaensheimer Künstlerin: Hito Steyerl Kuratoren: Florian Ebner, Doris Krystof, Marcella Lista Ausstellung Centre Pompidou, Paris: 1.6.–31.8.2020; Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen,K21 Ständehaus, Düsseldorf: 1.10.2020–31.1.2021

Maskulinitäten Eine Kooperation des Bonner Kunstvereins, des Kölnischen Kunstvereins und des Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf. Maskulinitäten ist ein Recherche- und Ausstellungsprojekt der Kunstvereine in Bonn, Köln und Düsseldorf unter der Leitung ihrer drei Direktorinnen. Zum ersten Mal schließen sich diese drei Institutionen zu einem so umfangreichen Vorhaben zusammen. Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt ist die Frage, wie eine feministische Ausstellung über Männlichkeit aussehen könnte. Sie wollen anhand künstlerischer Positionen sowie kunsttheoretischer und gesellschaftspolitischer Fragestellungen gegenwärtige Konzepte von Männlichkeit in und außerhalb der Kunst reflektieren. Für die einzelnen Kunstvereine werden verschiedene Kapitel im Hinblick auf das Thema Männlichkeit zusammengestellt, die sich an der Ausstellungsgeschichte der jeweiligen Häuser orientieren. Um eine große Vielfalt an Perspektiven präsentieren zu können, zeigen die Kuratorinnen künstlerische Positionen unterschiedlicher Generationen und kultureller Kontexte, unter ihnen eine Reihe von Neuproduktionen. So gehen beispielsweise die Künstlerinnen Lynda Benglis, Julia Scher oder Sarah Lucas von Selbstbildern aus, um Geschlechterstereotype zu hinterfragen. Andere Künstlerinnen wie Juliette Blightman, Hilary Lloyd, Shahryar Nashat oder Jimmy de Sana greifen in ihren Arbeiten männliche Selbstbilder auf, entlarven die etablierten Konventionen des „männlichen Blicks“ und brechen diese auf. Die Ausstellungen und Veranstaltungen werden zeitgleich in allen drei Häusern stattfinden. → www.kunstverein-duesseldorf.de → www.bonner-kunstverein.de → www.koelnischerkunstverein.de Künstlerische Leitung: Eva Birkenstock, Michelle Cotton, Nikola Dietrich Künstler: Jonathas de Andrade, Lutz Bacher, Lynda Benglis, Anders Clausen, Keren Cytter, Richard Hawkins, Morag Keil, Klara Lidén, Sarah Lucas, Robert Morris u.a. Ausstellung, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf: 1.9.– 24.11.2019

Invisible Inventories Kenyan Perspectives on Restitution

für die Gegenwartsliteratur gewinnen können. In Nürnberg treffen sich erstmals ca. 80 Veranstalter solcher Lesereihen der freien Literaturszene aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, um in der konzentrierten Form eines Festivals zu zeigen, wie produktiv sich ein ambitioniertes, mehrsprachiges literarisches Programm mit Präsentationsformen vereinbaren lässt, die Bildungs- und Herkunftsbarrieren überwinden wollen. Ein zentrales Anliegen der Festivalmacher ist es, neue Formate und Konzepte für das Veranstalten und Vermitteln von Literatur in ihrer ganzen Vielfalt zu präsentieren. Eine wesentliche Strategie ist, die Distanz zwischen Autorinnen und Publikum zu verringern. Die Veranstaltungsorte sind neben dem Hauptveranstaltungsort Z-Bau — Haus für Gegenwartskultur über die ganze Stadt Nürnberg verteilt. In einem umfangreichen Rahmenprogramm werden unter anderem die Möglichkeiten und Desiderate der Literaturvermittlung an ein diverses Publikum diskutiert. → www.ulf-festival.de → www.lesereihen.org Künstlerische Leitung: Clara Kopfermann, Tristan Marquardt, Chris Möller, Tillmann Severin, Lara Sielmann, Frederik Skorzinski, Ayna Steigerwald Künstler: Donat Blum, Kenah Cusanit, Cornelia Hülmbauer, Elnathan John, Dagmara Kraus, Rafael Mantovani, Gianna Molinari, Ronya Othmann, Kinga Tóth, Philipp Winkler u.a. Literaturfestival, Z-Bau, Nürnberg: 12.–15.9.2019

Mit Sprache handeln Literatur im öffentlichen Raum — ein europäisches Festival Das Netzwerk der Literaturhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat dieses Projekt gemeinsam mit anderen europäischen Literaturveranstaltern wie der Slowenischen Buchagentur JAK, der Nest Foundation Bulgarien, dem Writer’s House Georgia und dem Free Word London entwickelt. Im Rahmen eines Auftakttreffens in Ljubljana, eines Festivals in Berlin sowie einer Essaysammlung wollen sie das Thema „Literatur im öffentlichen Raum“ aus europäischer Perspektive beleuchten. Die Frage, wie sich das Verhältnis von Autor und Öffentlichkeit gewandelt hat und welche Bedeutung dem Performativen in der Präsentation von Literatur zukommt, steht dabei im Zentrum. Das internationale Kuratorenteam will während des Festivals auch die eigenen Institutionen und Formate der Literaturvermittlung befragen: Wie kann die Präsentation von Literatur in Zukunft aussehen? Wie können Institutionen der Literaturvermittlung in die Stadtgesellschaft hineinwirken, wie erreichen sie auch ein neues, jüngeres Publikum? Das Spannungsfeld von Internationalisierung und Nationalisierung bildet einen weiteren Fokus des Projektes. Während manche Autoren den Sprachwechsel zum Englischen vollziehen, um ein globales Publikum zu erreichen, pflegen andere das Schreiben in der Muttersprache. Wie gehen Literaturveranstalter mit den sogenannten kleinen und großen Sprachen um? Den Höhepunkt des Festivals in Berlin bildet ein Format-Parcours, auf dem die europäischen Veranstalter Literatur auf ganz unterschiedliche Weise präsentieren. → www.literaturhaus.net Künstlerische Leitung: Claudia Dathe, Tomas Friedmann, Florian Höllerer, Ursula Steffens, Renata Zamida Autoren und Referentinnen: Priya Basil, Thomas Böhm, Zaza Burchuladze, Sharon Dodua Otoo, Heike Fiedler, Dagmara Kraus, Amalija Maček, Terézia Mora, Tina Popović, Schamma Schahadat, Aleš Šteger, Marlene Streeruwitz u.a. Festival Ljubljana: 11.–12.11.2019; Symposium Berlin: 18.–21.6.2020

Musik & Klang

The Project — Once to be realized Musiktheater in sechs Teilen nach Jani Christou Der griechische Komponist Jani Christou (1926–1970) war einer der großen Außenseiter der musikalischen Nachkriegsavantgarde und eine Künstlerpersönlichkeit mit musikalischphilosophischer Doppelbegabung. Der außerhalb Griechenlands wenig bekannte Künstler arbeitete u.a. mit Elementen der Zwölftonmusik, mit Serialismus und musikalischen Pattern. Im Zentrum seines Spätwerks steht die von ihm entwickelte „Metapraxis“. Diese beschreibt eine Art des Komponierens, die Material aus Theater-, Performance- und Installationskunst ebenso integriert wie das Nachdenken über soziale Beziehungen, Ritus, Raum, Zeit und Licht. Er zielt damit auf die Entwicklung einer „Metalogik“ der Künste ab und darauf, Kunst als mystisches Ganze und Welterfahrung zu erleben. Die von Christou zum „Metapraxis“-Komplex hinterlassenen 130 Projektskizzen to be realized dienen dem Musiktheaterprojekt Once to be realized als Ausgangspunkt und Grundlage für neue Werke von sechs Komponisten aus verschiedenen Kulturen und Generationen. Die Künstlerinnen begegnen Christous Themen und Methoden mit eigenen kompositorischen Mitteln: Es entstehen Formate zwischen Konzert, Musiktheater und Installation, die an Christous visionäre Ideen anknüpfen und deren Aktualität lebendig werden lassen. Die Uraufführung findet im Rahmen der Münchener Biennale 2020 statt, weitere Aufführungen sind in Berlin, Athen und auf diversen internationalen Festivals geplant. Eine Koproduktion der Münchener Biennale, der Deutschen Oper Berlin und des Ensemble dissonArt aus Thessaloniki.

Die öffentliche Debatte um die Restitution von Kulturgütern aus der Kolonialzeit beschäftigt die ethnologischen Museen in zahlreichen europäischen Ländern. Das Recherche- und Ausstellungsprojekt Invisible Inventories will die europäische Debatte mit afrikanischen Perspektiven und Positionen zusammenführen. Es möchte den Diskurs über Restitution dekolonisieren, indem es sich dem Thema aus den Perspektiven der Herkunftsländer nähert. Für das Projekt werden zwei deutsche Museen — das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln und das Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main — über eine Laufzeit von zwei Jahren mit den National Museums of Kenya zusammenarbeiten. Die Kenia-Sammlungen der beiden deutschen Museen bilden den ge- → www.muenchenerbiennale.de Regie: Michail Marmarinos Bühne: Yorgos Sapountzis meinsamen Forschungsgegenstand, auf des- Dramaturgie: Sebastian Hanusa Komponisten: sen Basis künstlerische Positionen und eine Barblina Meierhans, Samir Odeh-Tamimi, Olga Neuwirth, Beat Furrer, Younghi Pagh-Paan, Christian Wolff Ausstellung entstehen werden. Ensemble /Orchester: Ensemble dissonArt, Projektchor Die künstlerische Leitung des Projektes Künstlerische Leitung: Daniel Ott, Manos Tsangaris Muffathalle, München: Uraufführung: 15.5.2020; übernimmt der kenianische Künstler und Fil16.–17.5.2020; Premiere, Deutsche Oper (Tischlerei), memacher Jim Chuchu mit seiner Künstler- Berlin: 5.6.2020, Folgevorstellungen: bis 12.6.2020 gruppe The Nest Collective. Sie werden vorbereitende Workshops in Köln und Frankfurt veranstalten und eng mit europäischen Künstlern und Forschern, etwa mit Marian Nur Goni oder Sam Hopkins zusammenarbeiten. Die Forschungsergebnisse und künstlerischen Arbeiten werden schließlich in Ausstellungen in den drei beteiligten Häusern plur(e)alities in music präsentiert, jeweils begleitet von einem vielfältigen Rahmenprogramm mit Führungen, Filmen und Vorträgen. In seinem visionären Buch The Tunings of the World (1977) beschäftigt sich der kanadische → www.goethe.de/kenia Komponist R. Murray Schafer mit KlanglandKünstler und Wissenschaftlerinnen: The Nest Collective schaften und der spezifischen akustischen (Jim Chuchu, Njiki Ngumi), SHIFT Kollektiv (Sam Hopkins, Simon Rittmeier, Marian Nur Goni) National Museums of Identität einer Umgebung. Kenya, Nairobi: Kiprop Lagat, Lydia Nafula, Philemon Tunings of the World 2.0 knüpft an SchaNyamanga, George Juma Ondeng Rautenstrauch-JoestMuseum, Köln: Clara Himmelheber Ausstellung: National fers Publikation und Forschungen an und Museums of Kenya, Nairobi: 1.10.–15.12.2020; fragt nach lokal geprägten Klanglandschaften Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln: 1.5.–30.6.2021; in einer global vernetzten Welt. Wie wirken Weltkulturen Museum, Frankfurt a.M.: 1.9.–31.10.2021 sich Standardisierung und Normierung einer vernetzten Welt auf akustische Umgebungen aus? Inwiefern wandeln sich lokal und historisch geprägte Soundscapes oder verlieren sich gar? Das Berliner Ensemble KNM hat dieses umfangreiche Musikprojekt gemeinsam mit Partnern und Künstlern aus Korea, Indien und Taiwan konzipiert. Im Zentrum steht ein dreitägiges Festival im Berliner Radialsystem V, zu dem Komponistinnen, Musiker und Klangkünstlerinnen aus drei Kontinenten eingeladen sind. Vorab werden vier Kompositionsaufträge an die Künstler Martin Hiendl, Carlos Itturalde, Fang-Yi Lin und Ana Maria Rodriguez vergeben. Teile des Berliner Festivalprogramms, gemeinsame Konzerte und Präsentationen finden auf dem Jinju International Music Festival Korea und im Anschluss in Indien und Taiwan statt.

Tunings of the World 2.0

Wort & Wissen

ULF — Das UnabhängigeLesereihenFestival Internationales Literaturfestival

Unabhängige Lesereihen haben seit ihrer Gründung im Jahr 2015 in Ergänzung zu den eher auf ein bildungsbürgerliches, zumeist älteres Publikum ausgerichteten städtischen Literaturinstitutionen oder den primär auf Unterhaltung zielenden Spoken Word-Veranstaltungen ein neues und jüngeres Publikum

→ www.kammerensemble.de Künstlerische Leitung: Thomas Bruns Komponisten und Musikerinnen: Martin Hiendl, Carlos Iturralde, Bum Ki Kim, Anantha Krishnan, Fang-Yi Lin, Fangyi Liu, Dick Raaijmakers, Ana Maria Rodriguez, Karlheinz Stockhausen, Fred Pommerehn u.a. Konzert und Workshop, Gyeongsang National University (Jinju International Music Festival Korea): 1.–8.11.2019; Radialsystem V, Berlin: N.N.; Aufführungen, GoetheInstitut u.a., Chennai: 10.–18.3.2020; Aufführungen, National Kaohsiung Center for the Arts - Weiwuying, Taipei: 9.–18.11.2020

kennenlernen und Einblicke in ihre eigenen Biografien geben. Wie auch ihre jeweiligen Muttersprachen wird Antú Romero Nunes diese persönlichen Geschichten der Darstellerinnen in das Stück einweben. Nunes wird zudem geschlechterspezifische Rollenbesetzungen Transkultureller Themenaufbrechen, indem Peter Pan von einer jungen schwerpunkt im MusiktheaterFrau und Wendy von einem Mann verkörpert festival Mannheimer Sommer werden sollen. Mit seinem Stück spannt der Regisseur ein Panorama einer jungen, internaDie Beziehung von Orient und Okzident war tional vernetzten Generation auf und macht seit der Antike von Konkurrenz und Krieg, kulturelle Vielfalt künstlerisch erlebbar. Ein aber ebenso von Austausch und Bewunderung Rahmenprogramm wird den internationalen geprägt. Nach der großen militärischen Nie- Dialog und den Austausch zu verschiedenen derlage des Osmanischen Reiches 1683 vor Konzepten von Heimat weiter vertiefen. Wien bildete sich jedoch zunehmend ein Macht- und Überlegenheitsanspruch der eu- → www.thalia-theater.de Künstlerische Leitung: Joachim Lux Regie: Antú Romero ropäischen Kultur heraus. Mozarts Oper Die Nunes Dramaturgie: Christina Bellingen Projektleitung: Entführung aus dem Serail (1782) spiegelt wie Franziska Autzen Schauspielerinnen: Aenne Schwarz, Mamkaeva, Christiane von Poelnitz, Electra Halldurch ein Brennglas das Verhältnis des Wes- Alexandra man, Johannes Hofmann und Anna Bauer, Lena Schön und tens zum Orient und dessen Repräsentanz in Helen Stein, Marko Mandić, Matthias Koch, Nir de Volff, den westlichen Künsten seit dem 18. Jahrhun- Pascal Houdus Internationale Kooperationspartner: Baltic House Theatre-Festival, Platform European Theatre Acadedert. Das berühmte Singspiel und viele andere mies (PLETA), Slowenische Nationaltheater – Schauspiel Werke jener Zeit bedienen Denkfiguren des Ljubljana, The Royal Dramatic Theatre in Schweden Uraufwestlichen Orientalismus historischer Prä- führung, Thalia Theater Hamburg, Hamburg: 12.10.2019 gung, die wahlweise den grausamen, weisen oder lächerlichen Orientalen vorführen. Klischeehafte und hegemoniale Erzählmuster, die im Repertoire der Oper zumeist unreflektiert überlebt haben. Ausgehend von Mozarts Werk will der Transkulturelles Festival an Themenschwerpunkt Jenseits des Serails die der Volksbühne Berlin vielschichtigen Verflechtungen von Orient und Okzident rekonstruieren und die antago- Ost oder West? Oder eher Post-Ostwest? Was nistische Wahrnehmung überwinden. Inter- genau verbirgt sich hinter diesen Kategorien nationale Künstlerinnen, Autoren und Musi- und sind sie heute in einem geeinten Europa kerinnen sind eingeladen, in diversen künst- noch sinnvoll? Das Festival in der Berliner lerischen Formaten den kulturellen Reichtum Volksbühne will die Ost-West-Spaltung Euroder wechselseitigen Beziehungen spür- und pas und die damit verbundenen Stereotypen erlebbar zu machen. Im Zentrum steht dabei künstlerisch befragen. Sie wird dazu mit Thedie Neufassung und -inszenierung von Mo- atern aus den ehemaligen Ostblockstaaten, zarts Oper durch die türkische Schriftstelle- u.a. aus Polen, Lettland, Tschechien, Russland rin Aslı Erdoğan und den belgischen Theater- und der Ukraine, zusammenarbeiten. Die Proregisseur Luk Perceval. An diese Produktion jektteams der Partner kommen zu vorbereischließen weitere Projekte an: der Paradies- tenden Workshops an der Volksbühne zusamgarten, eine Lecture des französischen Autors men, um ein gemeinsames Leitmotiv zu Mathias Enard, der Salon Oriental mit Konzer- entwickeln. Im Anschluss werden sie jeweils ten und Diskussionen, die Aufführung der eine eigene Produktion zum Thema des FestiOperette Ayse von Muhlis Sabahattin Ezgi vals erarbeiten. Die einzelnen künstlerischen (1925), der West-Östliche Divan mit einem Beiträge werden dann während der Endprotranskulturellen Konzert des Pera-Ensemble ben in Berlin zusammengeführt und ergänzen sowie Machines of Enlightenment, eine Aus- sich gegenseitig zu einem vielfältigen Bild von stellung über Musikmaschinen, die in Kollabo- Mittel- und Osteuropa. ration mit der Plattform Norient entsteht. Die Volksbühne greift die Ost-West-Thematik des Festivals auch in ihrem Repertoire auf, → www.nationaltheater-mannheim.de so widmen sich die Neuproduktionen der Künstlerische Leitung: Jan Dvořák, Albrecht Puhlmann neuen Spielzeit der ost- und westdeutschen Künstlerinnen: Ariel Ashbel & Friends, Theresa Beyer / Norient, Aslı Erdoğan, Thomas Fiedler, Haz’art-Trio und Geschichte und der Geschichte des Theaters Fityan, Luk Perceval u.a. Festival: Nationaltheater selbst. Mannheim, sowie im Rokoko-Theater Schwetzingen und an Eingebettet ist das Festival in ein RahOrten in der Stadt, Mannheim: 9.–19.7.2020 menprogramm mit Vorträgen, Lesungen und Diskussionen sowie vorbereitenden Gesprächsreihen, die sich mit dem Verhältnis von Kunst und Politik in den Ländern der eingeladenen Theater beschäftigen.

Jenseits des Serails

POSTWEST

Collaborate

Projektreihe im Rahmen der Darmstädter Ferienkurse 2020 Die Darmstädter Ferienkurse 2020, die mit dieser Ausgabe ihr 50. Jubiläum feiern, machen Formen und Bedingungen der künstlerisch-musikalischen Zusammenarbeit zum Thema. Kollektive Arbeitsformen und Partizipation spielen in der bildenden Kunst, im Theater, im Tanz und in der Performance seit einigen Jahren eine größere Rolle. Auch in Musikerkreisen wächst das Interesse an kreativen trans- und interdisziplinären Arbeitsweisen. Im Bereich Komposition gibt es nach wie vor ein starkes Konzept von (alleiniger) Autorenschaft, aber auch hier sind alternative Entwicklungen zu beobachten — besonders durch die wachsende Tendenz zu performativen sowie orts- und situationsspezifischen Arbeiten. Die Darmstädter Ferienkurse laden zu diesem Thema für die zweiwöchige Summerschool zahlreiche internationale Expertinnen ein. In verschiedenen Formaten wie Lecture-Reihen, Filmprogrammen, Sound Camps, Installationen und anderen neuen Präsentationsformaten und Konzerten haben die Künstler Gelegenheit, ihre kollaborativen Praktiken zu präsentieren und zu diskutieren. Der US-amerikanisch-britische Soziologe Richard Sennett hat sich bereits 2012 in seinem Buch Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält mit Fragen zu gelungenen Kooperationen befasst. Er wird gemeinsam mit dem von ihm gegründeten Forschungsnetzwerk Theatrum Mundi ein mehrtägiges Labor eröffnen, das Musik als Modell für soziale Prozesse untersucht. Jennifer Walshe und Memo Akten werden in einem Projekt erforschen, wie eine musikalische Zusammenarbeit zwischen Menschen und einer künstlichen Intelligenz aussehen kann, Antye Greie-Ripatti und Cedrik Fermont kuratieren Praktiken experimenteller Elektronik aus Afrika und Asien und in den Projekten von Tarek Atoui und dem Ensemble Musikfabrik beleuchten die Künstlerinnen die Bedeutung eines neuen Instrumentariums für musikalische Interaktionen.

→ www.volksbuehne.berlin Künstlerische Leitung: Alina Aleshchenko, Klaus Dörr Kuratorin Festival: Alina Aleshchenko Dramaturgie: Degna Martens, Hannah Schünemann Kuratorinnen Programm: Elodie Evers, Christian Morin, Sabine Zielke u.a Regie: Thorleifur Örn Arnarsson, Lucia Bihler, Gianina Cărbunariu, Katarzyna Kalwat, Valdislav Troitskyi, Dimitry Volkostrelov u.a. Vorbereitende Veranstaltungen, Volksbühne, Berlin: 3.1. – 24.5.2020; Festival, Volksbühne, Berlin: 27.–31.5.2020

Schlachthof 5 Musiktheater nach dem Roman von Kurt Vonnegut — Uraufführung

Der US-amerikanische Autor Kurt Vonnegut meldete sich im Alter von 21 Jahren freiwillig zum Militärdienst und überlebte als Kriegsgefangener in den Kellern des Schlachthof 5 die schweren Bombenangriffe auf Dresden vom 13. auf den 14. Februar 1945. Jahrelang versuchte Vonnegut, das Erlebte festzuhalten. 1969 veröffentlichte er seinen Roman Schlachthof 5, der schlagartig ein Bestseller und Kultbuch der Vietnamkriegsgegner wurde. Der Text thematisiert die Bombennacht und reflektiert Möglichkeiten des Erinnerns und Festhaltens von Erfahrungen: Was wird Teil unseres kulturellen Gedächtnis? Wie wird Geschichte (neu-) geschrieben? Bereits zu NS- und DDR-Zeiten wurde die Bombennacht durch unterschiedliche politische Akteure und Lager instrumentalisiert. Auch heute vereinnahmen immer wieder (neo-) nationalistische und rechtspopulistische Gruppierungen den Bombenangriff für ihre Zwecke. Der russische Theaterregisseur Maxim Didenko entwirft eine neue Bühnenfassung von Schlachthof 5, die im Herbst 2020 in HELLERAU — Europäisches Zentrum der Künste Dresden uraufgeführt wird. Didenko, vielfach ausgezeichnet und international bekannt für seine bildgewaltige choreografisch-theatrale Bühnensprache, sucht mit seinem multimedialen Musiktheaterprojekt nach neuen Möglichkeiten eines gegenwärtigen Blicks auf Vonneguts Text, die hiesige Gedenkkultur und den „Mythos Dresden“. In das Stück fließen Zeit→ www.internationales-musikinstitut.de zeugenberichte und Dokumente von der DDRKünstlerische Leitung: Thomas Schäfer Mitwirkende: Zeit bis zur Gegenwart ein. Die Musik kompoMemo Akten & Jennifer Walshe, Tarek Atoui, Cohort, Natacha Diels & Ensemble Pamplemousse, Ensemble niert Vladimir Rannev, die choreografische Modern Orchestra, Cedrik Fermont & Antye Greie-Ripatti, Umsetzung obliegt Vladimir Varnava, einem Myriam Van Imschoot & HYOID, Cathy Milliken, Richard der vielversprechendsten jungen Choreografen Sennett & Theatrum Mundi u.a. Konzerte, Workshops, Think Tanks, Installationen: Internationales MusikRusslands. AJ Weissbard, US-amerikanischer institut, Darmstadt: 18.7.–1.8.2020 Künstler und Lichtdesigner, ergänzt das Bühnengeschehen um Licht- und Videoprojektionen. Nach der Uraufführung in HELLERAU sind Gastspiele in Deutschland und Russland und ausgewählten europäischen Städten geplant. Eine Produktion von tristan in Koproduktion Für die in Hong Kong, Berlin und Hamburg mit HELLERAU — Europäisches Zentrum der aufgeführte Performance und Konzertin- Künste und weiteren Partnern. stallation contain kooperieren das Hong Kong → www.tristan.agency New Music Ensemble und das Hamburger → www.hellerau.org Regie: Maxim Didenko Ausstattung: AJ Weissbard Kammerorchester Ensemble Resonanz. Choreografie: Vladimir Varnava Dramaturgie: Johannes Die globalisierte Gesellschaft als eine Ge- Kirsten Musikalische Leitung: Vladimir Rannev Musisellschaft verschwimmender Identitäten und kerinnen und Performerinnen: Cast tristan-PRODUCTION Produktionsleitung: Nicole Meier Uraufführung, das Gefühl des Verlorenseins zwischen den HELLERAU — Europäisches Zentrum der Künste, Dresden: Kulturen bilden den thematischen Ausgangs- 24.9.2020; weitere Vorstellungen 25.–27.9.2020 punkt des Musikprojektes. In umfangreichen Video-Interviews werden die Musikerinnen und Komponisten, Techniker und Dramaturgen sowie Wissenschaftlerinnen zu ihren Fremdheits- und Migrationserfahrungen befragt. Diese Video-Interviews bilden einen zentralen Teil der Konzertinstallation und er(AT) gänzen die Aufführungen um einen erzähleriPolitical Voice Institute schen Ansatz. Für den musikalischen Part der Aufführung entstehen zwei Neu-Kompositionen: Der Die polnische Regisseurin und Sängerin Maraustralische Komponist und Musiker Simon ta Górnicka ist durch ihre innovative Arbeit James Phillips entwickelt ein Werk in enger mit Chören international bekannt geworden. Zusammenarbeit mit den beiden Ensembles 2018 inszenierte sie anlässlich des Tages der nach seiner Methode des „Collaborative Com- Deutschen Einheit mit einem fünfzigköpfigen posing“. Bei diesem künstlerischen Ansatz Chor eine Performance zum Grundgesetz vor entsteht Neue Musik, die auf die Musiker und dem Brandenburger Tor in Berlin. In ihren Arihre kulturellen Hintergründe sehr differen- beiten lotet Górnicka immer wieder das Verziert eingeht und biografische Bezüge in die hältnis von Individuum und Gemeinschaft aus Komposition einfließen lässt. Ein zweites mu- und experimentiert mit neuen Formen von kolsikalisches Werk für beide Ensembles kompo- lektiven chorischen Stimmen. Der Chor, so wie niert der chinesische Komponist und Klang- Marta Górnicka ihn versteht, kann sich überall dort zusammenfinden, wo neue Solidaritäkünstler Samson Young. ten erprobt werden und Spaltungen überwun→ www.radialsystem.de den werden müssen. Künstlerische Leitung: Folkert Uhde Dramaturgie: Elisa Das Projekt Chorus of Women Berlin beErkelenz Künstler: Simon James Phillips, Samson Young, Hong Kong New Music Ensemble, Ensemble Resonanz, steht aus zwei Teilen. Am Berliner Gorki TheAlice Lagaay, William Lane Hongkong: September 2020; ater wird Górnicka unter dem Titel Political Berlin: März 2021; Hamburg: April 2021 Voice Institute ein Jahr lang eine Akademie mit Laborcharakter einrichten. In längeren Probenphasen und zahlreichen Workshops entstehen hier neue Formen der theatralen Arbeit. Gemeinsam mit ihrem Ensemble von rund 25 Darstellern, das sie in der ersten Phase sukzessive zusammenstellt und das repräsentativ für die diverse Berliner Stadtgesellschaft stehen soll, entwickelt sie in einem zweiten Teilprojekt eine Regiearbeit auf der Basis von Platons Politeia. In diesem Werk dekliniert der griechische Philosoph die Idee der Gerechtigkeit und ihre mögliche Verwirklichung in einem idealen Staat durch. So wie Platon die Staatsformen prüft, wird Górnicka Ein internationales Projekt mit ihrem Chor verschiedene Formen von zuvon Antú Romero Nunes nach künftiger Gemeinschaft zur Disposition stelJ.M. Barries Peter Pan len. Diese Arbeit wird für die Bühne des Gorki Theaters entwickelt und dort uraufgeführt. Dreizehn junge Menschen auf einer Bühne, von denen die Mehrzahl weder Sprache noch → www.gorki.de Künstlerische Leitung: Marta Górnicka Künstler: Chorus Kulturkreis miteinander teilen: Was verbindet of Women Berlin Dramaturgie: Rebecca Ajnwojner, Ludwig sie? Was ist für sie Heimat, Identität und Zu- Haugk Akademie, Workshops, Maxim Gorki Theater, Berlin: 1.9.2019–30.9.2020; Aufführungen, Maxim Gorki gehörigkeit? Für seine Inszenierung Neverland Theater, Berlin: 15.11.–15.12.2020 bringt der 1983 in Tübingen geborene und mehrsprachig aufgewachsene Regisseur Antú Romero Nunes Schauspieler verschiedener Nationalitäten zusammen. Auf der Bühne des Thalia Theaters Hamburg werden sie in ihrer eigenen Muttersprache sprechen und in Diaby Tianzhuo Chen logen jeweils die Sprache wählen, mit der sie sich auch im realen Leben verständigen würden. Der erzählerische Rahmen für diese Ver- Die neue Produktion des chinesischen Künstsuchsanordnung ist die Geschichte von Peter lers Tianzhuo Chen Ksana ist ein auf zwölf Pan in der fiktiven Hafenstadt Neverland. Stunden angelegtes, bildgewaltiges TheaterAuftakt für das auf Partizipation setzen- ereignis, das der Regisseur und bildende Projekt ist ein gemeinsamer Workshop im de Künstler für Kampnagel in Hamburg Sommer 2019, bei dem sich die Beteiligten entwirft.

contain

Chorus of Women Berlin

Bühne & Bewegung

Neverland

Ksana

Der Begriff „Ksana“ stammt aus der buddhistischen Mythologie und bezeichnet die kürzest mögliche Zeiteinheit. Tianzhuo Chen wird in seinem Happening mit unterschiedlichen kulturellen Wahrnehmungen und Konzepten von Zeit arbeiten. Tanz, Performance, bildende Kunst und Musik werden zu einer installativen Performance verwoben. Das Publikum kann sich in der Installation frei bewegen und erlebt eine Folge von Tableaus, Szenen und Settings unterschiedlichster Art, in denen Motive fernöstlicher Spiritualität auf ein Kaleidoskop digitaler Bilder treffen. Chens Choreografien sind von rituellen Tanzstilen ebenso inspiriert wie von zeitgenössischer globaler Clubkultur. Inhaltlich greift der Regisseur aktuelle Entwicklungen in China auf und verschränkt sie mit Science Fiction-Erzählungen des frühen 20. Jahrhunderts. Er kontrastiert die imaginierte Zukunft der frühen Science Fiction mit einer technofuturistisch anmutenden Gegenwart. Biotechnologische und neurowissenschaftliche Trends, das Thema des Klonens und die voranschreitende Totalüberwachung der Bevölkerung durch künstliche Intelligenz finden gleichermaßen ihren Ausdruck in der Performance. Nach ihrer Uraufführung auf Kampnagel wird die Produktion auf weiteren Festivals in Europa zu sehen sein. → www.kampnagel.de Künstlerische Leitung / Regie: Tianzhuo Chen Dramaturgie: Petra Pölzl Choreografie: Ylva Falk Produktion: Johannes Maile Komposition / Musik: Felix-Florian Tödtloff, Will Ballantyne Künstlerinnen: Akihiko Tanada, KHNG KHAN, Ican Harem, Lavinia Vago, Ndoho Ange, Siko Setyanto, Yousuke Yukimatsu u.a. Kampnagel, Hamburg: 6.–9.5.2020

Wagner Project Die Meistersinger von Nürnberg Die Rhein-Main-Region um Frankfurt gilt als eines der lebendigsten Zentren des Hip-Hop in Deutschland. Hier war der Musikstil bereits ab den 1970er Jahren subkulturell präsent. Bis heute existiert eine breite, oft migrantisch geprägte Szene. Wagner Project — Die Meistersinger von Nürnberg des japanischen Regisseurs und Theaterkünstlers Akira Takayama greift dieses Umfeld auf. Indem es Hip-Hop mit Richard Wagners Oper verbindet, zielt es auf einen Kernbereich kultureller Identitätsbildung und richtet einen prüfenden Blick auf gesellschaftliche Asymmetrien in Deutschland. Takayama wird dabei von mehreren Partnern unterstützt. Für zehn Tage errichtet er im Theatersaal im Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm einen von Keigo Kobayashi entwickelten Bau und verwandelt das Haus in eine „School of Hip-Hop“. Halb PerformanceFestival, halb Konferenz-Format übersetzt die „School“ den zehntägigen Sängerwettstreit vor den Toren Nürnbergs in den heutigen urbanen Raum. Der Hip-Hopper Hiroshi Egaitsu und weiterer Co-Kuratoren aus der Region werden die Meistersinger auswählen. Erweitert wird der Kreis der Lehrenden um Gäste aus dem Hip-Hop und der Street-Art verwandten Bereichen wie Literatur, Architektur oder politischem Aktivismus. So entsteht ein fortlaufendes Programm aus Konzerten, Lectures, Workshops, Aktionen und Diskussionen. → www.mousonturm.de Künstlerische Leitung: Akira Takayama Dramaturgie: Tatsuki Hayashi, Marcus Dross Beteiligte: Saki Tanaka, Keigo Kobayashi, Hiroshi Egaitsu, Konrad Claus u.a. Performance / Festival / Konferenz: Künstlerhaus Mousonturm, Frankfurt a.M.: 29.11.–8.12.2019

Inbetween Theater zwischen Vorstellung und Ausstellung Die Grenzen zwischen darstellender und bildender Kunst verschwimmen immer mehr. Theater- und Kunstformate, die interdisziplinäre Ansätze verfolgen, schaffen neue partizipative und immersive Besuchserlebnisse. Klassische Institutionen, insbesondere (Stadt-) Theater sind bisher kaum in der Lage, diesen neuen künstlerischen Positionen Raum zu geben. Das dreitägige Festival Inbetween präsentiert nun eine Auswahl internationaler Arbeiten, die mit neuen Zeit- und Raummodellen experimentieren, die Grenzen zwischen Bühne und Zuschauerraum sprengen und alternative Formen der Zuschauereinbindung erproben. Zu erleben gibt es u.a. eine LiveArt-Performance von Jonathan Meese und die begehbare Installation The Situation Room von Franz Reimer. Auf Grundlage der präsentierten Arbeiten reflektiert das Festival in einem zweiten Programmteil die Institution des (Stadt-)Theater im Rahmen eines öffentlichen Diskurses. Vorträge, Lectures und offene Diskussions- und Gesprächsrunden ermöglichen es, mit Kunstschaffenden, Kuratoren und Wissenschaftlerinnen in einen Dialog über Erfahrungen, methodische Ansätze, Best-Practice-Beispiele und Perspektiven aus dem In- und Ausland zu treten. Gemeinsam mit allen Teilnehmenden sollen Visionen für ein neues Theater entworfen werden, das in der Lage ist, die veränderten Herausforderungen auch institutionell abzubilden und neue Modelle und künstlerische Formate nachhaltig zu implementieren. Das Theater Dortmund wird für die Dauer des Festivals erstmals alle Räumlichkeiten als Ausstellungsfläche und Bühne für die installativen und performativen Arbeiten auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten zugänglich machen. → www.theaterdo.de Künstlerische Leitung: Dirk Baumann Beteiligte: Inke Arns, Sebastian Blasius, Dorothea von Hantelmann, Julian Hetzel, Evelyn Hriberšek, Katleen van Langendonck, Jonathan Meese, Markus Öhrn, Britta Peters, Franz Reimer Festival, Schauspiel Dortmund, Dortmund: 3.–5.4.2020

Power Night Zeitgenössisches Performance Kunst Festival im E-Werk Luckenwalde in Partnerschaft mit Block Universe In einem ehemaligen Kohlekraftwerk im brandenburgischen Luckenwalde haben Künstler eine neue Institution gegründet: das E-Werk, Zentrum für Kunststrom. Das E-Werk will sich als Produktionshaus mit einem anspruchsvollen Ausstellungsprogramm etablieren und in Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Stromversorger Performance Electrics auch nachhaltige Energie (Kunststrom) produzieren. Mit der Power Night wird das E-Werk als Kunstzentrum feierlich eröffnet. Das vielseitige künstlerische Programm bietet Beiträge von renommierten internationalen Künstlerinnen und Newcomern aus den Bereichen Performance und Live Art. Die Kuratoren von Block Universe aus London, einem der wichtigsten Festivals für Performancekunst in Großbritannien, arbeiten in der Auswahl der künstlerischen Positionen eng mit dem E-Werk zusammen. Gemeinsam geben sie ortsspezifische Live-Arbeiten in Auftrag, die auf dem Gelände der 350 Quadratmeter großen Turbinenhalle und des angrenzenden stillgelegten städtischen Schwimmbads des Bauhaus-Architekten Hans Hertlein aufgeführt werden. Eingeladen sind Künstler wie Oliver Beer, Fernanda Munoz-Newsome oder das Trio Charismatic Megafauna. Die Performerinnen werden sich mit dem utopischen Potential des Ortes und seinen zentralen Themen Energie und Autonomie auseinandersetzen und den Raum der denkmalgeschützten Bauten mit Körpern, Objekten, Installationen, Musik und Klangkunst bespielen. Die Power Night soll den Auftakt bilden für eine regelmäßig stattfindende interdisziplinäre Plattform für Live-Performances. → www.performance-electrics.de Künstlerische Leitung: Pablo Wendel, Helen Turner Kuratorinnen von Block Universe London: Louise O`Kelly, Katharina Worf Künstler: Nina Beier, Cecilia Bengolea, Performance Electrics, Marikiscrycrycry, Charismatic Megafauna, Fernanda Munõz-Newsome, ROWDY SS, Nora Turato u.a. Power Night, Luckenwalde: 14.9.–27.10.2019

Abbildung → Tristan Schulze: SUPER_ID


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