POLEN und wir Heft 1-2019

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GEDENKJAHR

Polnischer Botschafter brüskiert bei Jubiläumskonferenz

Deutsch-Polnische Nachbarschaft „nicht zufriedenstellend“ Deutsche Polenpolitik war „eine Katastrophe“ Von Karl Forster Zwei interessante Konferenzen zu Geschichte und aktuellem Stand der deutschpolnischen Beziehungen fanden aus Anlass des 100. Jahrestags des Wiedererstehens Polens Ende vergangenen Jahres in Berlin statt. Einer der Höhepunkte dabei war ein Festkonzert mit dem Philharmonischen Orchester aus Poznań, bei dem die Veranstaltung knapp an einem Eklat vorbeigeschrammt ist. Aber bei einer Konferenz im Auswärtigen Amt kam es noch dicker: Die 100 Jahre deutscher Polenpolitik „waren eine Katastrophe“, auch die Zeit der Ostpolitik sowie nach 1989. Zum 19. Mal fand das Deutsch-Polnische Forum statt, das seit 2014 die Stiftung Deutsch-Polnische Zusammenarbeit auf Wunsch und mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes und des polnischen Außenministeriums ausrichtete. Leitthema war die Frage nach der Zukunft und Bedeutung der EU. Ziel war es, knapp 300 Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Zivilgesellschaft aus beiden Ländern zusammen und miteinander in Gespräch zu bringen. Ihnen allen rief der polnische Staatssekretär im Außenministerium Szynkowski vel Sęk in seinem Grußwort eingangs in Erinnerung, was in den vergangenen 27 Jahren in den deutsch-polnischen Beziehungen vor allem auf zivilgesellschaftlicher Ebene erreicht worden ist und sich zum Positiven hin entwickelt hat. Gleichzeitig betonte er aktuell bestehende Meinungsverschiedenheiten in bilateralen und europapolitischen Fragen und ermunterte die versammelten Gäste, sich auch über diese beim Forum auszutauschen.

und stetig, dass der deutsche Direktor der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit, Cornelius Ochmann, scherzte, vielleicht solle man das diesjährige Treffen in „Nord Stream II Forum“ umbenennen. Auch auf einer parallel laufenden Pressekonferenz mit den beiden Staatspräsidenten Steinmeier und Duda verlangte der polnische Präsident, Deutschland müsse das Projekt aufgeben. Brexit gegen EU-Fremdherrschaft Im Anschluss daran kamen die beiden Präsidenten zu den Beratungen des Fotums im Weltsaal des Auswärtigen Amtes. Hier erging sich Duda, trotz des eigentlichen Anlasses 100 Jahre Wiedererstehen Polens, in Vorwürfen gegen Deutschland und die Europäische Union. Während

Steinmeier noch den wichtigen geschichtlichen Anlass hervorhob, dass vor hundert Jahren Polen nach mehr als 120 Jahren der Aufteilung zwischen den damaligen Großmächten Österreich, Preußen und Russland seine Eigenstaatlichkeit wieder erlangte und Deutschland 1918 die Monarchie beendete und sich in Demokratie versuchte, suchte Duda die Konfrontation. Er vermittelte den Eindruck, die EU sei nach den polnischen Teilungen, der Naziherrschaft und der Zugehörigkeit zum Ostblock nur eine Fortsetzung von Fremdherrschaft. Das gipfelte in der Feststellung, dass die Briten aus gleichen Gründen aus der EU austreten wollen: „Die Briten lassen sich keine Fremdherrschaft gefallen“, so Duda. Das war den meisten Zuhörern im Saal doch zuviel. Ein kollektiver Aufschrei aus dem Publikum, gegen diese Darstellung. Doch Duda setzte noch eins drauf: Die EU-Vorgabe, dass man in Polen jetzt keine alten Glühbirnen sondern nur noch energiesparende Leuchtmittel kaufen könne, sei ein weiterer Beweis für die EU-Diktate. Deutlich genervt, versuchte Bundespräsident Steinmeier dem polnischen Kollegen zu entgegnen. „Schon die Art, wie Duda die Pressekonferenz für die Forderung nach einem Aus für die Gaspipeline Nord Stream II instrumentalisiert hatte, hat ihn aufgebracht, hört man von Mitarbeitern.“ berichtete später die Berliner Tageszeitung „Tagesspiegel“. Steinmeier unterstrich, die EU sei ein freiwilliger Zusammenschluss und nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Rechtsgemeinschaft. „Niemand darf überrascht sein, dass europäische

Nord Stream 2 - Forum Dabei fiel auf, dass die anwesenden polnischen Vertreter in ihren Ansichten gespalten waren. Da waren wie bei früheren Konferenzen unabhängige Vertreter der Zivilgesellschaft, aber auch Journalisten, die sich um eine Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Ländern bemühten. Fast alle Vertreter offizieller Institutionen warfen jedoch der deutschen Seite vor, Polen unter Druck zu setzen und in den Medien ein falsches Bild zu zeichnen. Immer wieder wurde Deutschland die Beteiligung an der Gaspipeline Nord Stream 2 vorgeworfen. Die Vorwürfe waren so massiv

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POLEN und wir 1/2019

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier bei seiner Rede vor dem Jubiläumskonzert zum 100jährigen Wiedererstehen Polens im Berliner Konzerthaus.


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