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Ein Magazin der Hochschule Mannheim, Fakult채t f체r Gestaltung, Ausgabe 5, September 2009



Ein Magazin der Hochschule Mannheim, Fakult채t f체r Gestaltung, Ausgabe 5, September 2009



Editorial Die Zeiten ändern sich. Im März sind auf einen Schlag sieben Redakteure aus der komma ausgeschieden, darunter die letzten beiden Gründungsmitglieder. Der Verlust bedeutet einen traurigen Einschnitt, wie ihn die komma noch nie verkraften musste. Viele neue Leute, viele Erwartungen, wenig Erfahrung. Wie geht man damit um? Instinktiv möchte man sich in der Krise an das klammern, was verloren ist. Man möchte den alten Zustand ausstopfen und ins Wohnzimmerregal stellen, um ihn bei Bedarf wieder auszupacken. Leider muss man feststellen, dass er dort nur staubig wird und langsam ausbleicht. Kreativität entsteht eben aus Bewegung. Deswegen haben wir die Möglichkeit genutzt, mit leichtem Gepäck zu reisen und uns auf den Weg ins Unbekannte gemacht. Auf der Suche nach neuen Welten. Ohne die absolute Sicherheit, auch irgendwo anzukommen. Ähnlich verhält es sich mit den Arbeiten in dieser Ausgabe. Sie stammen von Studenten, die bereits neue Welten entdeckt haben und uns an diesen Reisen teilhaben lassen möchten. Matthias Dörzbacher schenkt mit seinem Slit-Scan Experiment beispielsweise eine völlig neue Sicht auf Filmklassiker, Mirka Laura Severa hält ihre sehr persönlichen Reiseeindrücke fotografisch

fest und Martin Wojciechowski und Markus Lenz haben einen kleinen Mann im Gepäck, der wirklich nicht ganz von dieser Welt scheint. Die Absolventen dieser Ausgabe geben uns zu­­sätzlich einen Einblick in ihre persönlichen Zukunftswünsche und -perspektiven. Mit dem Problem, dass man eventuell überhaupt nicht an dem Ort ankommt, den man sich vorgestellt hatte, beschäftigt sich der Text- und Illustra­tionswettbewerb »Wer den Absprung schafft«. Außerdem verrät uns Tanja Gompf von der ZHdK im Gespräch, wie Geschichten in Zukunft erzählt werden und warum eine Massenpanik von Zeit zu Zeit gar nicht schaden kann. Willkommen in den unendlichen Weiten der Hochschule Mannheim. Aber keine Panik! Um die Reise zu den verschiedenen Arbeiten zu erleichtern, haben wir Ihnen in dieser Ausgabe eine besondere Navigation zur Seite gestellt, die verhindert, im Raum die Orientierung zu verlieren. Die Redaktion wünscht einen guten Flug! Herzlich, Annika Goepfrich


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LYRIK IN BEWEGUNG

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AV2 KURS CHRISTINE SCHMITT

URBAN SEASONS CHRISTIAN BRAND

16 FILMSZENEN, 1 PIXEL, 95 772 EINZELBILDER MATTHIAS DÖRZBACHER

Nav�gat�o� MARKUS LENZ MARTIN WOJCIECHOWSKI

KRAFTAKTE — HÖHEPUNKTE EINER LEIDENSCHAFT JEAN-PHILIPPE DEFIEBRE

NAH & FERN

MIRKA LAURA SEVERA

SEELENLIEDER MIRIAM STANKE

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ZWISCHEN TRÄUMEN UND PFLICHT STEPHAN DITGENS

STADTAFFE

SANDRA LEYENDECKER

ZEPT KON

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HELENA PRAWDA ALEXANDER WIERCINSKI

Constan le passt. die für al

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Es wird einmal...

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HEUREKA

STEGREIFKURS BERNHARD POMPEŸ

THE SPACE BETWEEN

SOPHIA STUPPERICH

CONSTANZE BRÜCKNER

warum ein Märchen in Tanja Gompf erklärt im Interview, Zukunft auf 3,5“ erzählt werden kann.

16 Filmszenen, 1 Pixel, 95 772 Einzelbilder

Ein Film als Einzelbild? Matthias Dörzbacher wagt das Slit-Scan Experiment und entlarvt dabe i die größten Filmemacher der Welt.

Die Liedermache rin

Miriam Stank e lässt sich au f ihrer Suche Zufall treiben nach Verborge und erzählt nem vom uns mit Seele 43 Etw nlieder von as mehr ihrer Reise. D Jean-Ph is zi p li n bitte! ili Kraftau ppe Defiebre ri chtet den sdrücke gestand Fokus se 46 D e iner Kam n e ie w r Kerle. era auf Es riech die Fünf S eiße Stad t nach tu t Schweiß d e nten fa zur B und Me e h lgrad tall. 49 e Des ren mit Sp ign W eed Luftp ² eek. Mirk ost a Eind Laura S rück ever 52 a Darf e von Nah macht sic h au & Fe ich Von f die rn. b Reise vers B-Boy itten und 56 ? chie ing u samm n d d Fu ene elt Kei r n C ha k n S e t Ber rakt yles P n a , ere vom h ar n S i t e k ude d P 58 rzäh Allta ! nte omp lt C nhi hris g und d Yo rne eÿ put tian er T Die u‘re nu zt i anz Bra m p nd nd i Ma Geb suc 60 find Steg n se raxis h rtin urt inem et d reifk a e Wo ine d u a An 61 Kur r b i s ck ei j jcie s n zfilm s ede den K . 62 alk Au ichte chowseuen S Me a n ssi us ki p upe n ge Hir ch rog rhe Im n sch ram lden t pr ma : mi es en lz. ere Mark su ng us m Len em ein z sam und ein dic kes Din g.

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Marc Stein nach der Qu Insel und sucht eine einsame

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Werkschau

Es sieht übel aus. In der Shell Jugendstudie von 2006 charakterisieren drei von vier Jugendlichen die eigene Generation als »nur auf ihren eigenen Vorteil aus«. Über Das Corporate Design für das 50-jährige Jubiläum 88 Prozent halten sie für »konsumorientiert«, 69 Pro- der Städtepartnerschaft zwischen Mannheim und zent für »eigennützig«. »Sozial engagiert« und »familien- Toulon wurde an der Fakultät für Gestaltung der orientiert« dümpeln dagegen irgendwo zwischen 20 Hochschule Mannheim in Kooperation mit dem Amt und 30 Prozent. Gibt es also die »Generation Egoismus«?​ für Rats- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt MannDieser Fragestellung werden vom 23. bis 25. Oktober heim entwickelt. Das Logo von Eva Sommer weist mit rund 300 Jugendliche bei den Jugendmedien­tagen be- der Verwebung der Stadtfarben auf die Verbundengegnen. Zum ersten Mal gastiert die Veranstaltung, heit der beiden Städte hin. Das zugehörige Corporate Höhe­punkt des Jugendpressejahres Baden-Württem- Design Manual wurde von Eva Sommer und Katrin Kassel erstellt. [gs] berg, an der Hochschule Mannheim.

Stadtlich

Formverrückt & Detailverliebt – das Motto der Werkschau der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Mannheim wurde den präsentierten Arbeiten der zukünftigen Kommunikationsdesigner auch dieses Jahr wieder gerecht. Neben einem inte­ressanten Vortrag von Prof. Omar Akbar, dem ehemaliger Leiter der Stiftung Bauhaus Dessau, Kapitalismuskampagnen und dem Gestalterkino lud vor allem der Bereich der interaktiven Medien den Besucher zum Mitmachen ein. Beim dem Projekt handzahm, einem Multi-Touch-Table, wurden verschiedene Spiele zum Anfassen geboten und das Jump 'n' Run Spiel Dick – Dicey De­cisions lockte im Laufe des Abends mit einer Prämie für den besten Spieler. Mit beeindruckenden Musik- und Video-Performances feierten die Gäste und Veranstalter auf der anschließenden Party noch bis in die Morgenstunden. [bk]

Ruhm & Ehre

Auch im letzten Semester wurden Preise für herausragende gestalterische Leistungen an Studierende der HS Mannheim verliehen. Ruhm und Ehre erntete Jan-Peter Oppenheimer für seine Bachelorarbeit Die Note, verliehen vom Kommunikationsverband Rheinland-Pfalz. Außerdem freuen wir uns verkünden zu können, dass die komma3 den bronzenen ED-Award in der Kategorie »magazine« sowie einen reddot design award erhalten hat. [ml]

Trainingslager

6 Aktuell

Vertreter aller Medienbereiche werden vor Ort sein und ihr Wissen zur Verfügung stellen. Medienmesse und Workshops, Livemusik und Filmvorführungen: das Programm verspricht ein arbeitsreiches Wochenende und bietet den jungen Erwachsenen alle Möglichkeiten, ihre Qualitäten zu beweisen: Fleiß (47 Prozent), Toleranz (71 Prozent) und Kreativität (75 Prozent). [ag]


Sans frontières

Lückenlos

»Wie eine OP am offenen Herzen« beschreibt Professor Axel Kolaschnik die Entwicklung der neuen Corporate Identity der Arbeiterwohlfahrt. Das Projekt, an dem sich unter seiner Leitung viele Spezialisten sowie zehn Studenten der HS Mannheim beteiligten, begann bereits im Frühjahr 2005 und konnte nun – vier Jahre später – fertig gestellt werden. Hierbei stand nicht das reine Design des neuen AWO Erscheinungsbildes im Vordergrund, vielmehr war es wichtig, den 29 Landesund Bezirksverbänden, 14 000 Einrichtungen und über 330 000 Betreuungsplätzen eine Identität zu schaffen, die die AWO als Einheit treffend und emotional ansprechend widerspiegelt. Durch die Symbiose, in der sich die Ideen der Studenten und das Know-How des IMD (Institut für Markenkommunikation und Design) gegenseitig ergänzten, entstand ein Auftritt, der trotz flexi­ blem Gestaltungsprinzip eine hohe Wiedererkennung garantiert. Die Marke AWO wird bundesweit qualitativ und trotz des 90-jährigen Jubiläums modern und zukunftsorientiert präsentiert. [cw]

Der 14. Workshop Caen-Mannheim: ein altbewährtes Rezept: Man nehme zehn deutsche und zehn französische Studenten, sperre diese zehn Tage lang in die École des Beaux-Arts in Caen/Normandie und gebe ihnen ein Thema, in diesem Falle »Borderline(s)«. Et voilà: heraus kommen ein Musikvideo, ein 20-minütiger Kurzfilm, zwei Ausstellungen und eine Werbekampagne. Als positive Nebenerscheinungen sind zu nennen: eine wunderschöne Stadt, lustige Sprachprobleme, neue FreundBeim diesjährigen Junior Agency Award drehte sich al- schaften sowie überraschende Unterschiede und les um das Thema Zahnimplantate, genauer gesagt um selbstverständliche Gemeinsamkeiten. Merci et grosses IQ:NECT, die neue Service-Marke von Heraeus Kulzer. bises! [vp] Marketing- und Designstudenten erdachten ein Semes- www.workshop14.wordpress.com

7 Aktuell

Herzenssache

ter lang Strategien und Lösungen für ein entsprechendes Kommunikationskonzept. Der GWA Junior Agency Award bietet Studenten aus den unterschiedlichsten Studien­gängen die Chance, einmal den Agenturalltag hautnah zu erleben und ihre Teamfähigkeit unter Beweis zu stellen. Insgesamt 16 Studenten der Fakultät für Gestaltung, der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre sowie der Universität Mannheim gingen für die Stadt an den Start und durften ihre Ergebnisse im Rahmen des Wettbewerbs präsentieren. [bk] Näheres zum Projekt unter www.gwa.de


Wer kommt mit ?

8 Aktuell

Am 2. Juli flattert eine Meldung in unsere Redaktion. Die Arbeiten auf der Illustrative einem internationalen PuIllustrative ist dieses Jahr wieder in Berlin. Die Illustra- blikum vorzuführen. Neben Geldpreisen, Agenturvertive? Die Rede ist von einem 2006 in Berlin gegründe- trägen und Veröffentlichungen winkt die große Chanten Festival für Illustration und Grafik. Logisch. Sagt der ce, eine eigene Swatch Uhr zu gestalten. Ausgezeichnet Name ja bereits. werden die Nominierten von einer internationalen Beim Stöbern auf der Website und im zugesendeten Jury aus Art Direktoren, Experten und Herausgebern Infomaterial wird klar: die Illustrative verspricht viel- von Design- und Grafikmagazinen. Die diesjährige fältig und spannend zu werden. In den letzten beiden Teilnahmefrist endet am 30. September 2009. Jahren fand sie in Zürich und Paris statt und kehrt 2009 wieder zu ihren Wurzeln zurück. Ausgestellt Die Redaktion ist sich einig. Die komma fährt nach Berwerden die grafischen Arbeiten von über 80 Künstlern lin zur Illustrative. Wer kommt mit? [ag] aus aller Welt. Der Kreis der Künstler wird jedes Jahr erweitert, in diesem Jahr zum Beispiel um Olaf Hajek Weitere Informationen zur Illustrative und zum Swatch oder den »Waltz with Bashir« Zeichner Tomer Hanuka. Young Illustrators Award 2009 gibt es unter Das Spektrum reicht von Illustrationen, Zeichnungen, www.illustrative.de Druckgrafiken und Malerei bis hin zu Wandcollagen und Installationen. Zusätzlich finden am ersten Wochenende der Veranstaltung, vom 15. bis 17. Oktober, ein Symposium, Workshops, Performances, Filmvorführungen und Lesungen statt. Für den Nachwuchs ist auch der Young Illustrators Award im Vorfeld interessant, der jungen Gestaltern die Möglichkeit bietet, ihre


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Peter Compernass | Werbliches Design | Prof. Jean-Claude Hamilius

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9 Aktuell

Bei Hornbach



Motor der Papierinnovation In Sachen Umweltschutz und Ökologie macht sich Deutsche Papier stark. Sie hat zahlreiche zertifizierte Papiere im Angebot und informiert Kunden ausführlich, unter anderem auch über klimaneutrale Produkte. Daniela Fitzel, Werbeassistentin bei Deutsche Papier, und Alexander Rossner, Geschäftsführer von ClimatePartner, geben im Interview Auskunft über Nachhaltigkeit im Umgang mit Papier.

Frau Fitzel, die Papierbranche hat in den letzten drei spruchnahme endlicher natürlicher Ressourcen und für Jahrzehnten stets versucht, die Ökobilanz zu verbes- die Verschmutzung der Umwelt — und hierzu gehört sern durch Maßnahmen wie zum Beispiel geschlosse- letzten Endes auch die Verbrennung fossiler Brennstoffe, ne Wasserkreisläufe, durch Papierrecycling, etc. Wo also die CO2-Thematik. steht sie ökologisch betrachtet heute? [F] Ja, Papierhersteller haben viel getan und stehen bes- Wie können Papieranwender mithelfen und selbst tens da. Es gibt kaum eine Fabrik die nicht nach ISO, Nachhaltigkeit bei der Papierbeschaffung ausüben? FSC, PEFC usw. zertifiziert ist und somit höchsten Stan- [R] Nachhaltigkeit bei der Papierbeschaffung bedeutet dards gerecht wird. Oftmals ist das Brauchwasser, das in für mich die Beachtung von fünf einfachen Grundsätzen: die Flüsse zurückgeleitet wird, von höherer Qualität, als Erstens: Papier wird sparsam verwendet. Zweitens: es zuvor entnommen wurde. Die Fabriken setzen an Tissue­papiere sind aus Recyclingpapier und tragen den sich selbst sehr hohe Ansprüche, sie haben geschlosse- Blauen Engel. Drittens: Büropapiere sind zunehmend ne Wasserkreisläufe und gehen mehr und mehr dazu aus Recyclingpapier. Viertens: Druckproduktionen werüber, eine autarke Energieversorgung zu haben. Die Pa- den bevorzugt auf Recyclingpapier oder zertifiziertem pierbranche ist mittlerweile eine der führenden, ökolo- Frischfaserpapier hergestellt. Fünftens: Papier wird saugisch handelnden Branchen. ber getrennt dem Recyclingkreislauf zurückgeführt. Herr Rossner, Deutsche Papier ließ 2008 einen »Carbon Footprint« von ClimatePartner ermitteln. Was ist darunter zu verstehen und welcher Nutzen steckt dahinter? [R] Ein »Carbon Footprint« oder CO2-Fußabdruck gibt Auskunft darüber, welches Maß an Treibhausgasen von einem Unternehmen pro Jahr oder im Lebenszyklus eines Produktes verursacht wird. Demgemäß unterscheidet man zwischen einem unternehmensbezogenen CO2-Fußabdruck und einem produktbezogenen. Letzterer gibt Aufschluss darüber, wie klimafreundlich oder klimaunfreundlich ein Produkt ist, ersterer macht sichtbar, wo in einem Unternehmen wie viele Emissionen entstehen. Dies ist eine wichtige Vorfrage, wenn es darum geht, das Unternehmen klimafreundlicher zu gestalten, denn hierzu benötigt man eine verlässliche Grundlage.

Deutsche Papier setzt sich ein in Sachen Umweltschutz, informiert Kunden über umweltfreundliche und klimaneutrale Produkte und nutzt dazu auch Werbemittel wie das Musterbuch »Musterknabe«. Was hält der Kunde damit in der Hand? Welche Hilfestellung gibt es ihm bei der Papierwahl? [F] Unsere Kunden erhalten mit dem »Musterknaben« ein Musterbuch, das als Übersicht unserer »Öko-Papiere« dienen soll. Ziel ist es, die Entscheidung für ein umweltfreundliches Recycling- oder FSC-Papier zu erleichtern und eine Auswahl, der bei Deutsche Papier erhältlichen Umwelt-Papiere, zu geben. Wir wollen informieren und nicht langweilen. Daher geben wir dem Kunden auf den Punkt gebrachtes Kompaktwissen anhand, für eine schnelle und bewusste Papierentscheidung. Als »Motor« der Papierinnovation steigert Deutsche Papier seit Jahren im Vorfeld das Angebot von Umwelt-Papieren. Als Großhändler sehen wir uns in der Pflicht, auf Fabriken Wie lässt sich nachhaltige Medienproduktion/Ökolo- umweltbewusst einzuwirken, Ökologie zu leben und gie in den Druckalltag übersetzen? Wissen an unsere Kunden weiterzugeben. Mit »9lives« [R] Nachhaltigkeit bedeutet ja zunächst einmal, dass (»Revive 50:50«) brachte Deutsche Papier vor Jahren Systeme nur in dem Umfang in Anspruch genommen das erste FSC-zertifizierte Bilderdruckpapier auf den werden sollen, dass nachfolgende Generationen durch Markt. die Inanspruchnahme nicht leiden. Positiv gewendet bedeutet das, dass mit allen Ressourcen verantwor- Erzählen Sie bitte, welche Aufgaben die Umwelt-Paten tungsvoll umgegangen werden muss. in Ihren Verkaufsbüros haben? Das wiederum impliziert, dass alle ökologischen Aus- [F] Mit unseren Umwelt-Paten bieten wir Kunden ein wirkungen einer beliebigen Tätigkeit nach Möglichkeit flächendeckendes Informationsnetz, um ihnen aktuell­ vermieden und reduziert werden müssen, um dem An- ste Informationen zur Verfügung zu stellen. Der permaspruch eines verantwortungsvollen Handelns gerecht nente Austausch trägt der rasanten Entwicklung in diezu werden. Dies gilt natürlich erst recht für die Inan- sem Segment vorab Rechnung.

←www.deutsche-papier.de | ←www.climatepartner.de


12 Stadtaffe


Stadtaffe 13

Alles ist bunt, laut und blinkt Sandra Leyendecker weiß, was es heißt, ein Stadtaffe zu sein.

Wer will schon eine weitere Geschichte über Berlin Aufwändige Gestaltung und liebevolle Gimmicks komhören? Richtig, niemand. Doch trotz des abgedrosche- men nicht nur bei Designern gut an. Sammlerstücke ernen Hauptstadt-Hypes darf man nicht übersehen, dass freuen sich gerade in der Musikszene großer Beliebtheit. es durchaus großartige Projekte und Arbeiten zum »Seit Jahren schon ist die Musikbranche in der Krise. Was Thema gibt. Dazu gehört zum Beispiel das Album auf der Strecke bleibt, ist der persönliche Wert, den Stadtaffe des berliner Hip-Hop-Musikers Peter Fox. man erhält, wenn man beispielsweise eine Schallplatte Die zwölf Songs illustrieren seine Erfahrungen mit die- in den Händen hält.« ser Stadt und geben Einblicke in seine ganz persönli- An diese Ausgangssituation kann Sandra mit ihrer Abche Beziehung zu ihr. schlussarbeit wunderbar anknüpfen. Die Songs sind inSandra Leyendecker hat Peter Fox verstanden. Als Zuge- telligent umgesetzt, wobei Inhalt und Illustration ebenzogene hat auch sie das Bedürfnis, ihrer Liebe zur neuen so stimmig miteinander verschmelzen wie die Lyrics mit Wahlheimat Ausdruck zu verleihen. Und da ihr das Al- der Stadt. Das Buch ist eine Ergänzung zur CD, so wie bum aus der Seele spricht, möchte sie ihm den Tribut Sandras Erfahrungsschatz den von Peter Fox ergänzt. zollen, der ihm gebührt — in einer Special Edition. Denn dadurch, dass hier eine zweite Sicht auf Berlin Ihr Ziel hat sich Sandra hoch gesteckt: »Ich möchte un- hinzu kommt, schafft es Sandra sogar, den Songs eine ter anderem das Wertempfinden der jungen Zielgruppe neue Ebene mitzugeben. So entstehen spannende Beder kommerziellen Musikindustrie wieder in die richtige ziehungen zwischen Wort und Bild, ohne die ursprüngRichtung lenken.« So entstand ein Buch, das in seiner liche Aussage dabei zu verfremden. liebevollen Gestaltung den Betrachter dazu bringt, zu verweilen und sich intensiv mit dem Album zu beschäf- Es lohnt sich also, sich nicht von einer schon oft behantigen. Der Hingucker ist dabei das grelle Neongrün, das delten Thematik abschrecken zu lassen. Genauso dürfte von der Gestalterin nach dem Druck eigenhändig mit es sich lohnen, Sandra Leyendecker und ihren Stadtaffen der Graffitidose aufgesprüht wurde. Neben der hohen im Blick zu behalten… [vp] Leuchtkraft konnte sie so auch eine realistische Stofflichkeit und damit eine persönliche Note integrieren.


14 Stadtaffe


betreut von Prof. Veruschka Götz sanley2000@web.de, www.sandraleyendecker.de

Sandra Leyendecker Bachelorarbeit »Stadtaffe«

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Stadtaffe


Lyrik in Bewegung 16

Gedichte in Echtzeit Bild für Bild konfrontiert Christine Schmitt im AV 2 Kurs unsere Studieneinsteiger mit den Grundlagen des Animations- und Trickfilms.

Carolin Walter

Herbst Rainer Maria Rilke Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

Mit Gedichten und Einzelbildaufnahmen Verständnis schaffen für Grundlagen der Audio-Visuellen Medien. Das war Christine Schmitts Ansatz, das 2. Semester in die Welt des Bewegtbildes zu führen. Der Lege- und der Zeichentrick, zwei ursprüngliche Prinzipien der Animation, bilden den Kern aller Arbeiten, die in diesem Semester im AV2 Kurs entstanden sind. Übungen zur Charakterentwicklung, Bewegungsstudien und Storytelling bildeten den Rahmen der Unterrichtsstunden. Um ihre Ideen dann auch in die Tat umsetzen zu können, bekamen die Studenten technische Einführungen am Tricktisch, in After Effects, Premiere, Flash und im Tonstudio. Die Ergebnisse haben uns überzeugt. Es beginnt im Kleinen – weitermachen! [kl] Alle Filme dieses Kurses gibt es zu sehen unter:

←www.komma-kino.de


Lyrik in Bewegung 17

Weltende Jakob van Hoddis Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, In allen Lüften hallt es wie Geschrei. Jonathan Frübis Arno Klein

Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei Und an den Küsten - liest man - steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken. Die meisten Menschen haben einen Schnupfen. Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Ines Doka Astrid Meier

Denise Gartner Juliane Gutschmidt Laura Setzer Gina Schöler Ashima Whitton


Gespräch mit Professor Armin Lindauer 18

Wie ich lernte, die Mauer zu lieben

Den meisten von uns Studierenden sind lediglich die Bilder der Nacht des 9. Novembers 1989 im Gedächtnis geblieben. Trotz der Nähe zu den historischen Ereignissen dieser Zeit mangelt es uns, den zu spät Geborenen, an dem Gefühl für die Brutalität der mitten durch Berlin gezogenen Mauer. Diese, die Manifestation der Abschottung zweier politischer Systeme, zwang auch die Menschen in den Systemen, sich mit der absurden Realität einer geteilten Stadt auseinander zu setzen. Armin Lindauer, Professor für Editorial Design an der Hochschule Mannheim, hat in dieser bewegten Zeit in Berlin gelebt und einzigartige Fotografien der Berliner Mauer aufgenommen. Zwanzig Jahre nach ihrem Fall werden diese Fotos nun in einem Bildband veröffentlicht. Sie zeigen die Sehnsüchte der Menschen, gebannt auf Beton.

Herr Lindauer, warum hat es fast zwanzig Jahre bis zur angefangen. Viele lange Abschnitte waren einfach nur Veröffentlichung der Bilder gedauert? leer und auch das interessierte mich nach kurzer Zeit Weil niemand den Mut hatte, dieses Projekt zu wagen. nicht mehr. Dort wo sich jedoch Parolen oder StateÜber die Jahre habe ich es mehreren, auch namhaften ments befanden, ganz gleich ob private, politische oder Verlagen in Berlin und in Westdeutschland vorgeschla- künstlerische, entstand ein Spannungsfeld zwischen gen. Alle fanden es hochinteressant und überzeugend, Ort und Inhalt, das ich als hochenergetisch empfand. An haben dann aber freundlich abgesagt und gemeint, es diesen Orten wurde alles politisch und selbst »hübsche« gäbe dafür keinen Markt. Skurrilerweise wurde ich in Graffiti wurden zur Kritik der Systeme. Sobald ich diese Mannheim fündig. Der auf Bildbände spezialisierte Ver- Tatsache erkannt hatte, konzentrierte ich mich auf dielag EditionPanorama hatte den Mut und den Glauben sen Aspekt. an dieses Projekt. Wie groß war der Aufwand, die Bilder nahtlos aneiÜber welchen Zeitraum haben Sie in Berlin gelebt? nander zu fügen? Anfang der achtziger Jahre zog ich zum Studium nach Die technischen Schwierigkeiten in der Repro waren Berlin und habe dort bis heute, obwohl der Schwer- enorm. Zunächst sind die Fotos auf unterschiedlichen punkt meiner beruflichen Tätigkeit inzwischen in Mann- Filmmaterialien aufgenommen und diese sind auch heim liegt, immer noch eine Wohnung und eine Reihe noch unterschiedlich gealtert. Auch wurden die Dias beruflicher Kontakte. Oft bin ich auch für mein persön- und Negative über die Jahre hinweg durch Benutzung liches »update« in Berlin, das heißt Museums- und Ga- beschädigt, denn es wurde bereits eine Reihe von kleileriebesuche, Typo Berlin oder Alumnitreffen der UdK. neren Objekten wie Leporellos, Lesezeichen oder Ordnerrücken von einigen Aufnahmen produziert. Letztlich Wann sind die Fotografien entstanden? war auch die Montage der Bildstrecken aus bis zu dreiDie Aufnahmen vor dem Mauerfall entstanden in den ßig Bildern eine echte Herausforderung für die FachleuJahren 1984 bis 86. Einige Reststücke am Potsdamer te der Druckvorstufe. Dies alles hat sehr viel Geld und Platz habe ich 1991 aufgenommen. Dieses müsste ein Zeit gekostet. Teil der Hinterlandmauer gewesen sein, das meines Wissens auch nicht mehr existiert. 1999 habe ich dann Worin sehen Sie die Unterschiede der Bemalungen vor noch die East Side Gallery fotografiert und 2007 das und nach dem Mauerfall? rekonstruierte Mauerstück in der Bernauer Straße. Hier gibt es einen ganz wesentlichen Unterschied. Die Mauer war, das muss man sich immer wieder vor Augen Was war vor dem Fall der Mauer ihre Motivation, die halten, eine Staatsgrenze und das Symbol der Teilung Bemalungen auf dokumentarische Weise festzuhalten, Deutschlands und der Welt. Hier trafen die politischen ohne sich über deren historische Tragweite vollends Systeme Kapitalismus und Kommunismus aufeinander. im Klaren zu sein? An einem solchen Ort Parolen niederzuschreiben, hat Das Ganze war nicht nur dokumentarisch angelegt, mit Sicherheit eine andere Relevanz als auf Brückensondern hatte auch ein künstlerisches Anliegen im Sin- pfeilern oder Lärmschutzwänden. Die Mauer stand aune konzeptioneller Fotografie. Manchmal kann aus ei- ßerdem auf dem Staatsgebiet der DDR und war somit ner Dokumentation aufgrund von Präsentation und deren Eigentum. Hieraus ergibt sich ein Spannungsfeld Aufbereitung mehr werden. Reine Dokumentation gibt aus Politik, Systemkritik und Widerstand, das vermutlich es sowieso nicht, denn alles was wir aufnehmen, wird einmalig war. von uns gefiltert. Was aus dem Material wird, weiß man vorher nicht, denn es ist nicht abzusehen, wie es sich Ein Qualitätsunterschied? darstellt. Trotz konzeptioneller Vorgehensweise passiert Das ist offensichtlich. Es erschließt sich beim vergleihier das Meiste intuitiv. Ursprünglich wollte ich eigent- chenden Betrachten der Bilder. Das sollte aber jeder für lich einen Film machen, bei dem man die Mauer mit sich klären. einer Kamera abfährt und dabei immer denselben Abstand und Ausschnitt hat. Dies war aber technisch nicht »Die Berliner Mauer« von Professor Armin Lindauer ist realisierbar. Deshalb habe ich mit der Kleinbildkamera im EditionPanorama Verlag erschienen. [ml]


Zwischen Träumen und Pflicht, the space between 19

Durch Zeit und Raum Eine Art – viele Weisen. Sich mit dem Medium Tagebuch auseinander zu setzen, kann zu spannenden Ergebnissen führen. Sophia Stupperich und Stephan Ditgens näherten sich in ihren Abschlussarbeiten dem Thema von zwei Seiten. Die Arbeiten könnten unterschiedlicher nicht sein.

Die eigene Zeit ist das Kostbarste, was wir besitzen. Sie ist ein Geschenk, das wir nur allzu häufig missachten; aber nichtsdestotrotz ist jeder Moment unseres Lebens erinnerungswürdig. Uns bleibt leider nur wenig im Gedächtnis hängen. Deshalb müssen wir sie festhalten. Man kann das mit Tonbändern, Filmkameras oder Fotos lösen. Aber unsere Gedanken kann man am besten in einer Form aufnehmen: durch Schreiben. Auch wenn es noch so belanglos erscheint, was man in ein Buch mit leeren Seiten kritzelt, dem Schreibenden kann es helfen, seine Gedanken zu ordnen – und somit sein Leben. Wenn man die Einträge aus einigem zeitlichen Abstand erneut liest, ist es vielleicht manchmal beschämend, aber immer wieder interessant, was einen dazu bewegte, sich beispielsweise damals ausgerechnet in den Vollidioten der Parallelklasse zu verlieben. Aber diese Dokumente sind oft nicht nur für den Verfasser selbst wichtig. Nicht umsonst existiert das DTA, das deutsche Tagebucharchiv, mit einer Sammlung von über 6 000 Einzelstücken. Wer dort sein Tagebuch hinterlässt, gibt anderen viel Aufschluss über sich; es ist gleichzeitig Dokument der eigenen Persönlichkeit und der Zeitgeschichte. Tagebücher helfen dabei, die persönliche Geschichte zur kollektiven zu machen. Im Gegensatz zu Quellenanalysen, die nur eine einseitige Sicht auf Geschichte liefern, haben Tagebücher der Bevölkerung einen entscheidenden Vorteil: Authentizität.


Zwischen Träumen und Pflicht, the space between 20

Mit diesem Aspekt beschäftigte sich auch Stephan Ditgens in seiner Arbeit Zwischen Träumen und Pflicht. In seinem Ausstellungskonzept will er Geschichte nicht an Tafeln hängen und bloße Fakten auftischen, sondern Tagebücher ihre Version der Vergangenheit erzählen lassen. Durch Tagebücher erhält Geschichte ein Gesicht, mit dem jeder sich identifizieren kann, womit ein Vielfaches an Spannung erzeugt wird. Zeitlich beschränken sich seine Exponate auf die NS Zeit, aus persönlichen Gründen. Seine Großeltern haben alles miterlebt, aber nie darüber gesprochen. Nun will er für andere erfahrbar machen, was ihm verwehrt wurde. Stephans Begeisterung für Ausstellungsgestaltung zeigte sich erst spät in seinem Studium, aber dafür umso verheißungsvoller, denn vor kurzem hat er einer realen Ausstellung in Luxembourg zum Start verholfen. Ihn reizt die Vielfältigkeit, mit der man Ausstellungen gestalten kann und dass jeder Besucher sein eigenes Erkundungstempo festlegt. So war schnell klar, welche Form sein Diplomthema haben sollte. Er selbst schreibt seit seinem 13. Lebensjahr Tagebuch, daher bestand bei ihm schon immer Interesse an diesem Medium. Dass genau in seinem Wohnort das DTA seinen Sitz hat, war wohl so etwas wie der finale Wink mit dem Zaunpfahl. Dort recherchierte er mehrere Wochen im Archiv nach brauchbarem Material. Gefunden hat er Berichte von Soldaten, Witwen und Krankenschwestern. Gegenübergestellt hat er Dokumente aus Geschichtsbüchern oder Wehrmachtsberichten. Tagebücher erzählen auf mehreren Ebenen etwas über den Verfasser. Einmal die reinen Texte, die mit Worten die Gedanken des Autors wiedergeben. Des Weiteren ist die Handschrift ein wichtiges Indiz des Gemütszustands. Eine dritte Ebene ist die Wahl des beschriebenen Materials. Denn keineswegs müssen es immer nur Bücher im herkömmlichen Sinne sein. Besonders in Notzeiten nahm man, was zur Hand war: Morserollen, Zigarettenschachteln oder Papierfetzen, die erst im Nachhinein zusammengenäht wurden. Tagebücher kann man nur als Original begreifen. Sobald sie publiziert werden, zerfällt ihr multivisueller Kontext. In seiner Ausstellung be-

schäftigt sich Stephan auch mit dem Konflikt der Intimität. Denn anders als bei therapeutischen Tagebüchern, die, wie ihr Name verrät, zur psychotherapeutischen Behandlung eingesetzt werden, sind autobiografische Tagebücher meistens mit der Absicht erstellt, gelesen zu werden. Am schnellsten lässt sich das heutzutage mit Weblogs bewerkstelligen, dessen Offenbarung an eine anonyme Masse gleichsam den Eindruck vermittelt, sich an jeden und niemanden gewandt zu haben. Aber gleich welche Art des Tagebuchs man vorfindet, eines haben alle gemeinsam: sie beschreiben Zeit. Ein Zitat aus einem der Exponate: »Die Tage fließen alle so gleichbleibend schnell und dienstlos dahin. Wie leicht kommt man durch diese Gewohnheit selbst ins Nichtstun und lässt die kostbare Zeit, die auf ewig dahin ist, nutzlos verstreichen, man muss sich immer wieder gegen diese Trägheit auflehnen: Ich könnte aber auch nicht einfach so in den Tag hinein leben. Man kann es gar nicht verantworten, die kostbare Zeit zu vergeuden.«


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betreut von Prof. Jürgen Berger mail@stephan­ditgens.com, www.stephan­ditgens.com

Stephan Ditgens Diplomarbeit »Zwischen Träumen und Pflicht« links oben Der große Saal ist der Endpunkt der Ausstellung. Er enthält einen gläsernen Kubus in dem temporär Exponate angeleuchtet und somit sichtbar werden. Der Besucher spiegelt sich bei Dunkelheit im Glas – und erkennt sich somit selbst als Teil der Geschichte. mitte Ein Weihnachtskalender aus MDF Platten verbirgt hinter seinen Türen Exponate. Der Weihnachtsbaum erinnert an das »auf den Kopf gestellte« Weihnachtsfest in der Kriegszeit, als Soldaten nicht bei ihren Familien daheim sein konnten, sondern ihre Pflicht zu erfüllen hatten. unten Erstes Stockwerk des DTA.


Zwischen Träumen und Pflicht, the space between 22

Dass Zeit kostbar ist, spürt man auch in Sophia Stupperichs Arbeit the space between. Sie gestaltete ein Tagebuch über Zeit und Raum. Jede der 53 Doppelseiten bietet Platz für eine Woche im Jahr. Der Kreis ist ihr zentrales Gestaltungsmittel. Er kann sowohl als Zeitpunkt, also das Endliche, als auch als das Unendliche, die Zeit an sich, stehen. Der Titel, den sie einem Dave Matthews Band-Song entlehnt, beschreibt in seiner Doppeldeutigkeit treffend Sophias Thema, denn the space between steht nicht nur für den Zwischen-, sondern auch für den Zeitraum. Sophia interessiert sich besonders für die von Menschen individuell wahrgenommene Zeit. Mal kommt sie uns besonders lang vor, die allseits bekannte Langeweile tritt ein und ein anderes mal empfinden wir, als renne die Zeit. So beginnt ihr Buch mit der rein objektiv wahrgenommenen Zeit, die sie als graue Zeitpunkte darstellt. Diese teilen sich von einem wahrgenommen Jahr über Monate, bis hin zu Sekunden auf. Am Ende bleibt die qualitative Zeit, die jeder anders nutzt. Die Zeit vergeht und was bleibt, sind einzelne Erinnerungen, wie Inseln im Meer oder Punkte auf einem weißen Blatt Papier. Der Raum wird durch Buchstaben und Zahlen eingeteilt, die für sich schon einen gewissen Raum beanspruchen. Des Weiteren kommen noch Aussparungen in Form von Weißraum oder Stanzungen zum Einsatz. Der Umschlag bis hin zur ausgesparten Typografie sind in mühevoller

Handarbeit entstanden. Die eingestreuten und typografisch illustrierten philosophischen Zitate berühmter Dichter und Denker wie Albert Einstein, Paulo Coelho, Platon und Aristoteles geben verschiedene Einsichten zum Thema Zeit und Raum. Sie sollen den Leser anregen, über die eigene sinnvoll oder nicht genutzte Zeit nachzudenken. Es scheint wie ein Poesiealbum. Aber der Leser soll selbstverständlich nicht nur passiv bleiben, sondern zum Autor werden, indem er die vorhandenen Zwischenräume mit Inhalt füllt. Aber wer hat heutzutage noch Zeit für sich selbst? Man sollte sie sich nehmen. Denn: »Time is a gift, given to you, given to give you the time you need, the time you need to have the time of your life.« (Norton Juster) [evm]


Sophia Stupperich Bachelorarbeit »the space between« betreut von Prof. Veruschka Götz sophia.stupperich@web.de

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Zwischen Träumen und Pflicht, the space between


Wer den Absprung schafft…

Die ganze Geschichte »Helena Prawda« gibt es unter

←komma-mannheim.de/files/documents/helena_prawda.pdf

sonsational@gmx.de, www.sonsational.de

alexander.wiercinski@gmail.com, www.mightymole.de

Son Do Minh Textlast trifft Bildgewalt »Skydiver«

»Willst du nicht weiter erzählen?« Richtung lenken. Doch sie bezahlte einen hohen Preis »Hat dein alter Vater etwa dein Interesse für die Familie dafür«, antwortete mein Vater traurig. »Was sie nicht geweckt?«, fragte er gönnerhaft. wusste, dieser Deutsche, Klaus hieß er, hatte sich, kurz »Jetzt erzähl einfach weiter«, drängte ich. bevor er sie kennen lernte, scheiden lassen. Dement»Ist ja gut. Deine Tante setzte also nochmal zum finalen sprechend waren seine Finanzen ähnlich desolat wie Sprint an, um sich von deinen Großeltern zu emanzipie- die deiner Tante. In ihrer gemeinsamen Anfangszeit, ren, wie man so schön sagt. Ich weiß nicht, ob ich ihr da hatte er noch groß versprochen, seine Frau müsse nicht als schlechtes Beispiel gedient habe, indem ich, mit dei- arbeiten, denn er könne für die Familie sorgen. Kurz ner schwangeren Mutter unterm Arm, nach Deutsch- danach hatte er sie schon putzen geschickt, weil das land aufbrach, aber zum Teil gebe ich mir die Schuld Geld vorn und hinten nicht reichte. Wir erfuhren erst dafür, was sie getan hat. Jahre später von den Zuständen. Helena war einfach zu Nun, jedenfalls, hatte deine Tante da doch diese Freun- stolz, um eine weitere Niederlage vor deinen Großeltern din, die ständig über die Grenze fuhr und Kleidung ins einzugestehen. Zudem hatte sie es schon immer geLand schmuggelte. Wie ich schon sagte, hatte sie schafft, Dinge die wir nicht erfahren sollten, gut vor uns jede Menge Bekannte und auch ein wenig Familie in abgeschirmt zu halten. Aber sie kam alle in Polen minDeutschland. Irgendwann kam sie auf die Idee, einige destens einmal im Jahr besuchen. Ungefähr immer zur von denen zu sich nach Polen einzuladen. gleichen Zeit, in der deine Mutter und ich, und auch du Deine Tante war auch dabei. Und ich weiß nicht, ob es als kreischendes Bündel, deine Großeltern besuchten. pure Verzweiflung war, der alte Teufel Trotz oder der Und wir waren ja nicht alle bescheuert. Zwar schafften schiere Wille, ihrem Jungen ein besseres Leben bieten sie es, stets den Anschein zu wahren, alles würde reizu können, aber zwei Monate nach diesem Besuch er- bungslos funktionieren, aber jedes mal, wenn ich meine klärte sie, dass sie einen der deutschen Bekannten ihrer kleine Schwester zur Begrüßung umarmte, und sei es Freundin heiraten wolle. Wir waren natürlich alle mehr noch so früh am Tage gewesen, nahm ich den leichten als überrascht und alles andere als erfreut. Ich weiß Geruch von Schnaps in ihrem Atem wahr, den die Pfefnicht, ob sie sich wirklich verliebt hatte, ob sie verzwei- ferminzdrops, die sie andauernd lutschte, einfach nicht felt einen Vater für ihr Kind suchte oder ob sie einfach zu überdecken vermochten. Klaus war selbstverständnicht hinter die Fassade des Mannes aus dem Westen lich immer ein lieber Kerl, sobald er zu Besuch war. Der blicken konnte. Du musst wissen, Anton, damals war ein kleine Olek verstand damals noch zu wenig vom Leben, Besucher aus dem Westen kein richtiger Mensch für legte jedoch eine kreatürliche Angst vor seinem Stiefuns. Er schien einer anderen Welt, einem Film, einer vater an den Tag.« Zeitschrift, einem anderen Raum-Zeit-Kontinuum ent- Sich nachdenklich am Kopf kratzend, hielt Vater kurz sprungen. Wenn er Geschenke brachte, sahen wir nur inne, um meinem Gesicht eine Reaktion auf alles abledas Glitzern und Glänzen neuer Dinge. sen zu können. »Nachdem deine Großeltern starben, Irgendwie war der Westen damals wie das Land von Oz stellte sich heraus, dass Hela aus dem Testament gestrifür uns. Ich weiß das klingt kläglich, als wären wir eine chen worden war. Andrzej bekam das Haus, in dem wir Horde Bauern gewesen, doch Tatsache war, dass, wenn alle aufgewachsen waren. Der Kontakt brach vollkomjemand aus dem Westen vor uns stand, wir nur die gute men ab. Ich weiß nicht, ob das daher rührte, dass HeleKleidung sahen, die Geschenke die er brachte, und ein- na gekränkt war, aus dem Testament gestrichen worden fach keinen Gedanken daran verschwenden wollten, zu sein, oder ob ihr Mann glaubte, es sei bei uns schlicht dass dieser Besucher Probleme und Sorgen haben nichts mehr zu holen, aber wir hörten lange Zeit nicht könnte wie du und ich. Traurig. Wie ein paar Trottel, die viel von ihr. Was ich weiß, ist, dass sie die letzten zwansich von ein paar Zaubertricks beeindrucken ließen. zig Jahre ihres Lebens wohl täglich putzen ging. Die Im Grunde findet man so etwas noch heute in Filmen. Strapazen kosteten sie die Gesundheit ihres Rückens. Nach dem Abspann sieht man nie, was aus dem Paar Zwei Bandscheibenvorfälle. Und ich kann mir vorstellen, wird, nachdem es sich einmal gefunden hat. Wir dass sie, jeden Tag den Schwamm wie ein kaputtes Mebesaßen eine ähnliche Denkblockade, die wir gedank- tronom über irgendwelche Toilettenböden bewegend, lich nicht zu überschreiten wagten. Schließlich kannten darüber nachsann, wie es gewesen war, vor einer Schuldie meisten von uns den Westen auch nur aus Filmen.« klasse zu stehen und über Literatur zu sprechen.« »Heiratete Tante Helena den Deutschen auch?« Mein Vater blickte zu seiner Linken und kniff die Augen »Klar tat sie das. Damit schaffte sie endgültig den Ab- zusammen. Ich weiß nicht, ob es nur an der Sonne lag, sprung und nabelte sich von deinen Großeltern ab. He- die nun tiefer sank. lenas Willen konnte nichts und niemand in eine andere »Eine traurige Geschichte«, gestand ich ein.

Alex Wiercinski Textlast trifft Bildgewalt »Helena Prawda«, betreut von Steffen Herbold

24 • Helena Prawda

Möchte man in die Zukunft starten, ist es der erste Schritt aufzubrechen, alles Alte zurückzulassen, den Absprung zu schaffen. Aber was geschieht danach? Landet man am Ziel seiner Träume, oder unsanft in einem Kakteenfeld? Und hat sich in diesem Fall der Absprung überhaupt gelohnt? Mit diesen Fragen setzt sich der Wettbewerb Textlast trifft Bildgewalt, der in komma5 erstmalig stattfindet, auseinander. Das Thema »Wer den Absprung schafft, weiß noch lange nicht, wo er ankommt« wurde unabhängig voneinander im Textkurs, unter der Leitung von Steffen Herbold, und von interessierten Illustratoren der Fakultät bearbeitet. Die zwei überzeugendsten Arbeiten treffen sich auf dieser Doppelseite. Aber wer gewinnt, Text oder Bild?


25 • Skydiving


Sonderformat

Maßgeschneidert

betreut von Prof. Veruschka Götz zerostanzi@gmx.de

Constanze Brückner Bachelorarbeit »Der Verlag Sonderformat«

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Formate quetschen ein, schlabbern rum oder bestehen sogar aus dem falschen Stoff. Das wird bei Sonderformat nicht passieren, denn hier bekommt der Student einen Anzug nach Maß – und wenns kein Anzug sein soll – dann eben Schuhe!

An der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Mannheim entstehen jedes Semester eine Vielzahl innovativer Projekte und Abschlussarbeiten, die ein breites Spektrum unterschiedlicher Themen behandeln. Sie finden ihre Plattform im Internet, auf der Werkschau, die einmal im Jahr stattfindet, und in der komma. Die Nachteile hierbei: die Zweidimensionalität, das Fehlen des haptischen Erlebnisses, sowie die zeitliche und räumliche Einschränkung der ausgestellten Arbeiten. Oft kommt es noch nicht einmal zur Umsetzung ursprünglicher, vielleicht etwas zu extravaganter Ideen. Der finanzielle Aufwand ist einfach zu groß, von einer Vervielfältigung ganz zu schweigen. Hier beginnt der Grundgedanke zu greifen: »Sonderformat – der Name entspricht seinem Programm – Abschlussarbeiten können bei dem Verlag in ihrer individuellen Form präsentiert werden, um den Inhalt auch so zur Geltung zu bringen, wie es ihm gebührt.« »Mit der Arbeit wollte ich etwas schaffen, das möglicherweise auch nach meinem Verlassen der Hochschule bleiben wird«, schreibt Constanze Brückner in dem Vorwort ihrer Bachelorarbeit. So wie ihre Arbeit bleiben soll, sollen es auch viele andere – und nicht in den Tiefen der Hochschularchive und in den verstaubten privaten Schubladen verschwinden. Sie hinterlässt ein detailliertes und klar gestaltetes Konzept für die Umsetzung eines Hochschulverlages. Constanze Brückner erfindet in ihrem Konzept Sonderformat eine neue Plattform: ein Verlag, der in kleineren Auflagen Semester- und Abschlussarbeiten publiziert. Das Unternehmen gliedert sich räumlich direkt an die Hochschule an und verschafft damit der Öffentlichkeit jederzeit Zugang zu den entsprechenden Arbeiten – mit der Option, diese direkt vor Ort oder über das Internet zu erwerben. Sonderformat ist nicht nur allein Präsentationsplattform und Werbeorgan, sondern bekommt einen fast pädagogischen Charakter durch die Intention, es als Projekt in den Hochschulalltag zu integrieren. Studenten können so Wissen und Fertigkeiten in einem praxisnahen Projekt vertiefen.

In ihrer theoretischen Ausarbeitung vergleicht sie bestehende Verlage, wägt Rechtsformen ab, schlägt Personalstrukturen vor, verweist bei den Finanzierungsmöglichkeiten auf Förderer und Sponsoren und bietet das ganze Spektrum an Corporate Design, das benötigt wird. Kurzum: sie trifft jede gedankliche, konzeptionelle und gestalterische Vorbereitung für eine Realisierung. In ihrem Fazit beantwortet sie ihre eingangs gestellte Frage: »Ist ein Hochschulverlag an der Fakultät für Gestaltung möglich und wie kann er umgesetzt werden?« mit »ja«. Das Gelingen sei jedoch abhängig von einigen Faktoren und Überlegungen, die erst während der Arbeit im Verlag geklärt werden könnten. Damit diese Fragen tatsächlich im Verlag geklärt werden können, muss er ins Leben gerufen werden! Und, wer macht´s? Hände hoch! [kl]


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Sonderformat


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Lord of the Flies

Das Ende der Unschuld Simon‘s head was tilted slightly up. His eyes could not break away and the Lord of the Flies hung in space before him. »What are you doing out here all alone? Aren‘t you afraid of me?« Simon shook. »There isn‘t anyone to help you. Only me. And I‘m the Beast.«

Ein tiefes Dröhnen scheint die Luft zum Vibrieren zu bringen. Die schwarze, irisierende Masse aus unzähligen Insektenkörpern wälzt sich über die Buchdeckel, bewegt sich wie ein einziges Geschöpf, erneuert sich surrend immer wieder von Innen. Sie umschlingt die Seiten, nimmt ihnen den Atem, frisst sich unaufhaltsam hinein in die Geschichte auf der Suche nach ihrem Anführer – dem Herrn der Fliegen. Schon das Cover der von Marc Steiner gestalteten Version des Klassikers Lord of the Flies erfüllt den Betrachter mit diesem merkwürdigen, wenig greifbaren Gefühl, irgendwo zwischen Ekel und Faszination. Marc hat sich für seine Bachelorarbeit schwere Kost ausgesucht. Der 1954 von William Golding veröffentlichte Roman erzählt die Geschichte einer Gruppe Schuljungen, die sich nach einem Flugzeugabsturz auf einer einsamen Insel wiederfindet. Was für die sechsbis zwölfjährigen Kinder als Abenteuer beginnt, wird zunehmend zum Alptraum. Schwankend zwischen Vernunft und dem Drang sich gesellschaftlichen, von Erwachsenen diktierten Konventionen zu entledigen, bilden sich zwei rivalisierende Lager. Ihr Konflikt spitzt sich immer mehr zu und gipfelt schließlich in Gewaltausbrüchen und Mord. Zuletzt werden die Jungen von der Insel gerettet, aber nur um in die Erwachsenenwelt zurückzukehren, in der ein noch größerer Krieg herrscht. Goldings Robinsonade wurde immer wieder kontrovers diskutiert, stellt er mit seinem Werk doch nicht weniger als die kindliche Unschuld selbst in Frage und lässt den Leser mit dem unguten Gedanken zurück, ob das Böse wirklich von außen kommt oder nicht eher in der

menschlichen Natur liegt. Dieser Thematik nähert sich Marc sehr persönlich. Um Bilder für ein Buch zu finden, das ihn schon lange fasziniert, wählt er auch eine Technik, die ihm vertraut ist. Die Ölmalerei, mit der er sich seit einigen Jahren beschäftigt, liefert ihm die Mittel, mit starken Farben und Strukturen zu arbeiten. Der manchmal grobe Pinselstrich lässt die Geschichte nah an den Leser heran, ist Indiz für die aktuelle Gefühlslage der Protagonisten. Den Feinschliff erhalten die meisten Bilder digital, die eingescannten Ölskizzen werden farblich bearbeitet, Kontraste verstärkt und Details herausgearbeitet. Marc geht beim Illustrieren fast analytisch vor, konstruiert zu dem stark mit Symbolen durchsetzen Text vielschichtige Szenarien. Die Illustration steht immer am Anfang eines Kapitels, um den Lesefluss nicht zu unterbrechen. Diese Tatsache verleitet jedoch dazu, immer wieder zurückzublättern, das Bild zum gerade Gelesenen noch einmal genau zu betrachten, Neues zu entdecken. Hinter dem ersten Eindruck verbirgt sich meist noch eine zweite inhaltliche Ebene, die sich erst mit wachsendem Verständnis für den Text erschließt. Ein Fels hinter dem Kopf eines der Jungen wird bei genauerem Hinsehen zum Totenkopf und weist auf seine bevorstehende Ermordung hin, ein anderer Junge erscheint auf den ersten Blick mutig und furchtlos, bekommt aber nach der Lektüre des Kapitels einen verschlagenen, hochmütigen Ausdruck. Parallel zur Handlung bricht schließlich auch in den Bildern immer mehr Chaos aus. Die Szenarien werden zunehmend dunkler, verlieren an Farbe, werden zerkratzt und deformiert. Die Gesichter der Kinder verziehen sich zu unmenschlichen Fratzen.


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Lord of the Flies


30 Lord of the Flies


betreut von Prof. Thomas Duttenhoefer marc.steiner@gmx.de

Marc Steiner Bachelorarbeit »Lord of the Flies«

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Lord of the Flies

Bedrückend, schön, aggressiv, ekelerregend, friedlich, spannend, beängstigend, kraftvoll – Lord of the Flies thematisiert eine enorme Bandbreite des Menschseins und Marc geht diesen Weg mit. Er konfrontiert uns mit Schrecklichem, enthält jedoch auch Schönes nicht vor. Die Szenen, die er für seine Illustrationen ausgewählt hat, sind nicht immer die naheliegenden, manchmal wählt er für ein gewalttätiges Kapitel ein friedliches Bild, doch sie werden zu Mosaiksteinen, die seine persönliche Sicht auf die Geschichte zeigen. Er nimmt uns an die Hand und lässt uns teilhaben an seinem besonderen und sehr intimen Blickwinkel auf Goldings Roman. Und was könnte eine Illustration mehr geben? [ag]


INTERNATIONALES FESTIVAL FÜR JETZTMUSIK UND MEDIENKUNST

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Gespräch mit Tanja Gompf

20. MÄRZ BIS 27. MÄRZ 2010, MANNHEIM BALLETT, TANZ, MUSIK UND IMPROVISATION SYMBIOTISCH VERBUNDEN CINEMIX EIN STUMMFILMKLASSIKER NEU VERTONT UND NEU GESEHEN MUSIKALISCHE EXPERIMENTE FEATURES UND VISUALS ENTFÜHREN IM PLANETARIUM IN ANDERE DIMENSIONEN LAB BILDET WEITER ALLES WISSENSWERTE RUND UM MUSIK UND TECHNOLOGIE WWW.TIME-WARP.DE


Wenn man e-tale googelt, erfährt man alles über ein attraktives Skigebiet in Frankreich. Wir meinen aber eines der neuesten Phänomene der modernen Markenkommunikation: das electronic tale. Es handelt sich hierbei um ein Märchen, von dem erst ganz am Ende verraten wird, dass es ein solches ist. Die Zuhörer, neudeutsch »Viewser« (weil Viewer und User), werden in seinen Bann gezogen, da sich merkwürdige Ereignisse und geschickt gepostete Internetbeiträge zu einem Handlungsstrang verdichten, in den sie selbst miteinbezogen werden. Diplom-Designerin Tanja Gompf, Projektleiterin am idt der ZhdK, hat Ende letzten Jahres ein bemerkenswertes e-tale realisiert. Für den Kunden »Die Mobiliar«, die größte Versicherungsgesellschaft der Schweiz, wurde ein Märchen inszeniert, das insgesamt 200 000 Zuhörer fand. Digitale Kommunikation ist ein weites Feld mit schier unerschöpflichen Möglichkeiten zur Interaktion, und genau das macht sich das neue Genre zu Nutze. Crossmedial ist das Stichwort, erzählt wird via youtube, Handy und Blog. Ebenso können surreale Guerilla-Aktionen im urbanen Raum platziert werden, um Zuhörer zu erreichen. So stehen irritierte Passanten auf einem öffentlichen Platz, wo plötzlich alle Telefonzellen gleichzeitig klingeln. »Got balls, got money, got everything! www. got-balls.ch« ist die einzige Information, die aus den Hörern schallt. Und das an 11 000 Apparaten in der gesamten Deutschschweiz. Besucht man die genannte Website, sieht man 13 Countdowns ablaufen. Am Ende jedes Timecodes kann man Zeuge einer neuen Aktion werden. So beispielsweise nach einem Stars-for-freeKonzert, bei dem Blingster vor 14 000 Zuschauern scheinbar illegal die Bühne entert: nach dem Konzert steht vor dem Eingang plötzlich ein von einer riesigen goldenen Kugel zerschmettertes Auto. And that's where the story begins…

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Vergangenen April reiste Tanja Gompf nach Mannheim, um einer Schar gebannter Studenten die Geschichte eines elektronischen Märchens zu erzählen. Wir wollten mehr wissen und trafen sie zum Gespräch in München.

Gespräch mit Tanja Gompf

Es wird einmal…


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Gespräch mit Tanja Gompf

Zuerst scheint alles darauf hinzuweisen, dass der Newcomer Blingster in feinster Guerilla-Manier in die Charts gebracht werden soll, was sogar funktioniert. Nach und nach verstrickt sich jedoch seine Geschichte mit der von Nina, einer Versicherungsagentin von »Die Mobiliar«, die mit der Aufklärung des Vorfalls mit der goldenen Kugel betraut ist. Es wird klar: Blingster ist für den Schaden verantwortlich. Auf dem stark frequentierten Videoblog der Agentin, auf dem die Viewser gemeinsam mit ihr versuchen, Blingster dingfest zu machen, findet einer bei Xing heraus, dass Nina den Rapper aus Schulzeiten kennt. Der Showdown ist eröffnet: Blingster, eigentlich Joris Berg, will seine Ex Nina zurück, was ihr aktueller Freund Kevin verhindern möchte. Eine Verfolgungsjagd entbrennt und schlussendlich – wie im Märchen – erobert der Prinz die Prinzessin und die beiden leben glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.

Dipl. Des. Tanja Katharina Gompf studierte Produkt­ design an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und an der Rhode Island School of Design, USA. Seit 1995 beschäftigt sie sich mit Interface-Design und interaktiven Medienkonzepten. Ausgewählte Kunden sind u.a. Audi, Phaidon Press, UN, Vitra Design Museum, Reed Elsevier, Siemens, Swisscom und Vodafone. Nach fünfjähriger Selbstständigkeit in New York ist sie seit Juni 2005 an der ZHdK Zürich als Dozentin und Projektleiterin für diverse Forschungsprojekte der ZHdK mit der Wirtschaft tätig. Im Wintersemester 2009/2010 wird sie zusätzlich als Gastdozentin Kurse an der HS Mannheim geben. Projektcredits Dipl. Des. Tanja Gompf (Leitung) Prof. Dr. Gerhard Blechinger, Leiter Institut für Design und Technologie, ZHdK, (Schirmherr) Stefan Fraefel, Wirz/Fraefel Production AG, Zürich Forschungspartner Bundesamt für Berufsbildung und Technologie, Förderagentur für Innovation KTI, Bern Institut für Design und Technologie der Zürcher Hochschule der Künste Swisscom AG, Bern Alcatel-Lucent AG, Zürich & Stuttgart Wirz/Fraefel Productions AG, Zürich

←www.zhdk.ch ←www.cast.zhdk.ch ←www.schmitt-fumian.com

Ihr Projekt heißt e-tale, erzählt man Märchen im 21. Jahrhundert also elektronisch? Ich finde es gehört dazu. Das gute alte Fairytale im Print oder im Buch ist genauso wertvoll, aber im 21. Jahrhundert kommen neue Medien dazu und dafür muss es auch Geschichten geben. Wie entstand die Idee eines crossmedialen Märchens? Alles hat aufgebaut auf ein Projekt, das wir davor gemacht haben. Erzählungen für kleine Formate, für Handys oder kleine Endgeräte. Wir haben damals im Institut für Design und Technologie überlegt, dass wir das doch ausweiten sollten. Nicht nur die Technologie im Sinne von Crossmedia, sondern auch die Erzählweise. Dass wir mediengerecht erzählen, sämtliche Medien miteinbinden. Wie sind Sie auf die Geschichte an sich gekommen? Gute Frage. Ich glaube, die Findung der Geschichte hat länger gedauert als die komplette Produktion. Wir hatten vier unterschiedliche Drehbuchautoren, mit denen wir gearbeitet haben, auch nicht immer alle zufriedenstellend, weil es ihnen manchmal schwer fiel, sich vorzustellen: Oh, jetzt wird es crossmedial. Es ist jetzt auch keine klassisch interaktive Geschichte, denn wir hatten ja eine Dramaturgie, wir hatten ja einen Anfang und einen Schluss. Aber der User spielt eine extrem wichtige Rolle, das ist ein wichtiger Punkt. Und wir haben mit Aktionen gearbeitet, die nur am Rande passiert sind, die schon irgendwie mit der Geschichte zusammenhingen aber nicht unbedingt im ersten Moment logisch erschienen. Viele hatten damit Schwierigkeiten, nicht ihren logischen, normalen Pfad gehen zu können. Außerdem hatten wir natürlich auch einen Kunden. Dem Kunden musste die Geschichte gefallen und es musste auch zeitgemäß sein. Es musste auf die Medien zugeschnitten und umsetzbar sein. Das war natürlich eine Schwierigkeit. Wenn man merkt, man hat tolle Einfälle, aber es mangelt an der Technik oder an den Finanzen. So dass man sie nicht umsetzen kann, wie man es gerne möchte. Wie war der Ablauf? Hat man erst Ideen für Aktionen oder beginnt man bei der Geschichte? Es kommt beides vor. Manchmal ist man verliebt in eine Aktion. Bei uns war es der Fall, dass wir diese riesigen Goldkugeln hatten, die herunterfallen in der Schweiz.


Gab es im Laufe des Projektes Entwicklungen, die überraschend waren? Generell haben wir den User ein bisschen unterschätzt. Wir hatten diverse Aufgaben gestellt und überlegt: kriegt man das überhaupt raus? Haben Leute Lust, daran teilzunehmen? Und da waren wir eigentlich sehr überrascht, mit welcher Genauigkeit die User agiert haben. Sie haben natürlich auch Fehler von uns gefunden. Muss ich ganz ehrlich sagen. Das andere Überraschende war, dass wir die kleinen Dinge unterschätzt haben. Der billigste produzierte Spot, der mit der japanischen Touristin [ www.youtube. com/watch?v=BRXqXC5GNeE], den ein Student im fünften Semester mit einer Handykamera hätte machen können, war mit Abstand der erfolgreichste. Der hatte innerhalb von drei Tagen 15 000 Clicks. Ich meine wir reden hier von der Schweiz. Das ist ein kleines Land. Das war für uns überraschend, weil wir natürlich dachten, die aufwendig produzierten Sachen, die werden auch am meisten belohnt. Das war ein Trugschluss.

Wieviel Raum für Spontanität bestand im Prozess? Manchmal waren wir dazu gezwungen. Natürlich haben wir einen Kunden, das heißt, wir tragen eine gewisse Verantwortung. Es war kein Kunstprojekt, das heißt es gab Dinge, an die wir uns hal-

ten mussten. Wir hatten allerdings hier und da ein Zeitproblem, weil die Timecodes ja immer abgelaufen sind. Und sobald die auf Null waren, haben die User ja gewartet. Manchmal hat es einfach einen Moment gedauert, bis die Footage von der Realisation auf die Website kam. Wir haben dann zum Beispiel sehr schnell mit dem Handy Sachen gedreht, per MMS verschickt und hatten dann in fünf Sekunden das Video oben, nur damit die User nicht gleich wieder meckern: da kommt noch nichts. Deswegen mussten wir die Timecodes zum Teil um ein paar Sekunden oder auch Minuten zurückdrehen. Da hatten wir auch nicht mit gerechnet.

Inwieweit waren Studenten in das Projekt involviert? Leider nicht so, wie wir es uns ursprünglich gewünscht hätten. Wir waren fünf technische Mitarbeiter der ZHDK, das war der Kern, hatten aber auch insgesamt sechs Personen, die fest von den Wirtschaftspartnern hinzukamen. Dazu kam das ganze Produktionsteam, wir haben ja auch einen Videoclip produziert. Der lief ja auch eine Weile auf Viva. Dann die Schauspieler, Maske, Textschreiber… Irgendwann waren wir schon eine Gruppe von 30 Leuten, die mitgearbeitet haben, schätze ich mal. Und den Song haben wir ja auch noch produziert. Wir als Hochschule versuchen natürlich, Lehre und Forschung miteinander zu verbinden. Aber Studenten, die von CAST in Frage gekommen wären, waren leider auch noch nicht weit genug, was das Semester betrifft. Ein anderer Faktor war, dass wir alles sehr kurzfristig produzieren mussten. Da kann man kein Risiko eingehen. Vor allem wegen dem Kunden. Als Institut haben wir damit natürlich keine Probleme. Das nächste Projekt ist auch von vornherein direkt mit Studenten angelegt und wir planen ein Modul in CAST anzubieten, das sich mit crossmedialem Storytelling befasst. Denn die Studenten wissen immer Bescheid, was passiert. Es ist zwar schön und gut, wenn man eine Marktrecherche macht, aber Studenten wissen einfach ganz genau, welches Social Network überhaupt angesagt ist. Das heißt, es ist auf jeden Fall ein Geben und Nehmen, es ist ja nicht so, dass man Studenten als billige Arbeitskraft nimmt. Im Nachhinein wurde das Projekt so positiv von unseren Studenten angenommen, dass wir dachten: na, wärt ihr doch mal früher gekommen. Wir hätten euch gerne eingebaut. Es gab ja auch ganz viel zu tun und wir mussten ja darauf gefasst sein, dass mal etwas schief geht. Ist denn etwas schief gegangen? Es wurde leider relativ früh ein Artikel veröffentlicht, der einen Projektpartner in Zusammenhang mit der Telefonzellenaktion erwähnt hat, der dort nicht hätte erwähnt werden können. Weil sie natürlich keine Nummern herausgeben dürfen. Da gab es ein bisschen Ärger. Ansonsten, kleine Dinge sind schon schiefgelaufen. Der Blog war auch zwölf Stunden zu spät online, da gab es ein technisches Problem. Einmal haben wir zuviele SMS an ein paar User rausgeschickt, aber richtig schlimm schief gelaufen ist nichts.

Gespräch mit Tanja Gompf

Steht man nicht unter einem unglaublichen Zeitdruck? Kann man so sagen. Wir hatten insgesamt 13 Aktionstage. Ohne Skype wäre das wohl alles nicht zu managen gewesen, weil wir alle ja zum Teil auch auf verschiedene Städte verteilt waren.

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Das war unsere erste Idee, da gab es noch keine Geschichte. Wir haben einfach gesagt: es geht um eine Versicherungsgesellschaft, eine Versicherung kommt für Schaden auf, da macht es Sinn, eine solche Aktion zu machen. Im Laufe des Projektes mussten wir dann feststellen, dass es gar nicht mehr so unbedingt passt. Der Kunde war jedoch so verliebt in diese Sache, dass wir sie nicht mehr streichen konnten und so haben wir es dann in die Geschichte über »Got Balls?«, also über die Musik, wieder eingefädelt. Andere Dinge sind zum Beispiel entstanden, indem wir überlegt haben: Was könnte unser Hauptdarsteller für Unfug machen? Manchmal hat uns unsere Geschichte die Ideen geliefert, manchmal waren wir verliebt in Aktionen, wie zum Beispiel unsere Telefonklingelaktion, das war übrigens auch meine persönliche Lieblingsaktion. Das Hauptproblem dabei, 11 000 Telefonzellen zeitgleich klingeln zu lassen, war übrigens 11 000 Nummern zu bekommen. Die Technik, mit der man gleichzeitig anrufen kann, stand nach ein paar Tagen. Aber wie kommt man an die Nummern? Wir wollten schon Studenten losschicken, um die Nummern von Telefonzellen aufzuschreiben, dann haben wir aber doch einen Weg gefunden, dieses Problem zu lösen.


Gespr채ch mit Tanja Gompf 36

Auf Ninas Videoblog Dossier360 konnten die Viewer aktiv helfen, Blingster dingfest zu machen. Zu diesem Zweck wurden diverse Spiele geschaltet, die zus채tzlich mit Geldpreisen dotiert waren.


Gab es eigentlich Beschwerden? Es gibt natürlich immer notorische Nörgler, das gehört dazu, das ist wichtig. Aber diese Personen heizen dann auch die ganze Diskussion auf, es muss einfach jemanden geben, der alles blöd findet. Das gab es bestimmt, vielleicht haben wir es auch einfach nicht mitbekommen, weil es dann auch nicht unbedingt die Zielgruppe war, die auf den Blog gegangen ist. Wurde die Idee schon aufgegriffen? Gibt es bereits ähnliche Projekte? Schön wärs. Wir haben extrem gutes Feedback bekommen, auch von großen Agenturen, die mich gezielt angesprochen haben mit der Bitte, ähnliche Dinge zu entwickeln. So, wie wir Werbung in der Vergangenheit gemacht haben, da fehlt etwas, da ändert sich etwas. Gerade TVoder Print-Werbung, das wird einfach nicht mehr so funktionieren, wie es jahrelang gut funktioniert hat. Da muss man umdenken. Wir arbeiten bereits mit großen Firmen zusammen, die überlegen, nochmal ein Forschungsprojekt zu machen oder direkt eine Umsetzung, und die sagen: wir möchten das gerne ausprobieren, das interessiert uns.

Die Medien verändern sich ja auch ständig. Genau, schauen Sie sich Brockhaus an. Innerhalb von einer Generation ist Brockhaus, das früher in jedem Wohnzimmer stand, tot. Darauf muss man reagieren. Das ist sogar in der laufenden Geschichte spontan möglich. Wir hatten zum Beispiel eine Posteraktion aus Kundengründen, weil man auch gerne etwas Klassisches haben wollte. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Hat aber überhaupt keine Rolle gespielt für die Geschichte. Weil der User letztendlich einfach nichts davon mitbekommen hat. Wir haben es dann einfach wegfallen lassen. Planen Sie schon das nächste e-tale? Ja. Wieder in der Schweiz, oder mal in Deutschland? Wenn wir Schweizer Fördergelder nutzen, muss es leider in der Deutschschweiz sein, aber wir planen vielleicht auch etwas, für das man internationale Studentennetzwerke einbinden könnte. Mal sehen ob das Zukunft hat. Wir machen auf jeden Fall weiter. [ag, vp]

←www.got-balls.ch ←www.blingster.ch ←www.dossier360.ch ←www.myspace.com/theblingster

Auf Ninas Blog kann man den Showdown mit klassischem Happy End verfolgen

Gespräch mit Tanja Gompf

Ein Projekt wie E-Tale greift natürlich stark in die Realität ein. Sollte man dabei irgendwo Grenzen setzten? Solche Grenzen gibt es natürlich in allem, was wir tun, ob das jetzt eine Demonstration, eine Werbeaktion oder ein Footballmatch ist. Da gibt es natürlich ethische und moralische Grenzen, Bereiche, in denen man Schaden zufügt, körperlich oder geistig. Es braucht etwas Political Correctness, wie die Amerikaner es sagen. Das gibt es schon immer, ich denke nicht, dass sich hier etwas ändert. In der Werbung spielt man schon jahrelang mit diesen Grenzen. Trotzdem ist man hier im realen Leben, da gelten vielleicht schon andere Regeln. Es ist wichtig, sich zu überlegen, welche Aktion in welcher Location geplant ist. Wir haben schon drauf geachtet, dass wir keine Massenpanik auslösen. Gut, bei der ein oder anderen Aktion hätte es uns nicht gestört. Wie in »Krieg der Welten«, der berühmten H.G. Wells Geschichte. Aber diese Grenzen gibt es überall, ich halte das nicht für eine neue Debatte.

Besteht in diesem Bereich nicht auch schnell eine Marktüberflutung? Das ist lustig. Diese Frage kommt sehr oft, fast immer. Wir haben eine Antwort parat. Stellt euch vor, jemand hat einen ersten Krimi geschrieben. Danach funktionieren Krimis immer noch, obwohl sie alle relativ gleich aufgebaut sind. Genauso sehen wir e-tale als ein Genre, das mit gewissen Elementen arbeitet, inhaltlich aber immer anders ist. Genau wie eine Kriminalgeschichte. Da gibt es immer einen Mörder und immer ein Opfer. Wir sind natürlich ein bisschen frech, dass wir direkt sagen: wir sind ein neues Genre, das funktioniert so, da gibt es gewisse Mechanismen. Wir wollen das allerdings nicht dogmatisieren. Es gibt auch Dinge, die sich verändern sollen. Wir wollen zum Beispiel in das nächste Projekt auch IP-TV einbauen. Das ist eine Technologie, die zu dem Zeitpunkt einfach noch nicht so weit war. Es muss sich ja auch immer weiterentwickeln. Aber wir sind überzeugt, dass es im Kommunikationsdesign ein Genre sein wird.

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Was genau ist eigentlich CAST? CAST ist ein neuer Bachelor bei uns, der Leiter ist Dr. Martin Zimper. Es geht darum, darauf einzugehen, dass Storyteller eine wichtige Rolle einnehmen, gerade im modernen Kommunikationsdesign, hinter dem ich ja auch stehe. Ich denke, Kommunikationsdesign ist ein Dialog. Als gute Gestalter erzählen wir auch Geschichten. Und man muss auf die neuen Medien eingehen. Der Schwerpunkt von CAST ist es, Geschichten für kleine Screens zu erzählen. Es hat auch einen journalistischen Schwerpunkt. Das heißt, unterrichtet werden nicht nur die Tools, sondern auch Storyboard, aber alles unter dem Deckel Gestaltung. Es wäre meines Erachtens auch interessant, das Ganze als Master anzubieten. Dass man schon mit ausgebildeten Gestaltern arbeiten kann. Es ist immer schwierig, von vorne anzufangen. Es gibt manchmal tolle Geschichtenerzähler, bei denen die Gestaltung flach fällt. Meines Erachtens wäre es als Master optimal.


16 Filmszenen, 1 P�el, 95 772 Einzelbilder

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16 Filmszenen, 1 Pixel, 95 772 Einzelbilder

Wer schon einmal mit einem Scanner oder einem Kopiergerät gespielt hat, dürfte wissen, was passiert, wenn man während des Kopierens sein Gesicht in Scanrichtung oder entgegen bewegt. Das Abbild wird länger oder kürzer. Was geschieht, wenn man diese Scantechnik auf eine filmende Kamera überträgt, zeigt Matthias Dörzbacher in seiner Semesterarbeit.

Eine digitale Filmkamera beginnt ihre Aufnahme. Etwa 25 Bilder in der Sekunde. Nun wird jedes Einzelbild um ungefähr 99,9% auf solche Weise beschnitten, dass in der Mitte jedes Frames ein 1 Pixel breiter senkrechter Streifen übrig bleibt. Logischerweise erhalten wir nach einer Sekunde 25 dieser Pixel-Streifen. Diese werden nun in chronologischer Reihenfolge, von links nach rechts, zu einem einzelnen Bild wieder zusammengefügt. Das ist das Prinzip der Slit-Scan Technik. Eigentlich ja ganz einfach. Je länger die Filmkamera ihre Aufnahme macht, umso breiter wird schließlich das Endbild. Matthias Dörzbacher hat im Rahmen seines Studiums ausgiebig mit Slit-Scans experimentiert. Anfangs noch mit einer analogen großformatigen Fotokamera, die vor dem Shutter mit einem Karton mit sehr schmal ausgeschnittenen Schlitz ausgestattet war. Hinter diesem zog er per Hand während der Belichtungszeit einen Fotofilm entlang. Freilich sehr aufwendig. Vor allem unflexibel. Daher stieg Matthias auf digitale Technik um, auf die Kamera an seinem Laptop. Doch wie sich herausstellte, war auch hier das Ergebnis und vor allem die Handhabung für Matthias nicht zufriedenstellend. Noch immer viel zu unflexibel und das Ergebnis war qualitativ immer von der Technik abhängig. Daraufhin kam die Idee, die ganze Sache einfach umzudrehen. Anstatt selbst Material aufzunehmen, das technisch bedingt nicht die erwünschte Qualität aufzeigen konnte, entschloss sich Matthias bereits vorhandenes, qualitativ hochwertiges Material zu verwenden. Einen Spielfilm. Im Prinzip dieselbe Funktionsweise wie einleitend beschrieben. Das Endergebnis lag diesmal jedoch gewissermaßen in den Händen des Kameramanns des jeweiligen Filmes. Aber es kam ein weiterer Effekt hinzu. Denn die üblichen Spielfilme bestehen nicht nur aus einer einzigen, sondern meistens aus sehr

vielen und schnell aufeinanderfolgenden Szenen. Diese sind mit Hilfe der Slit-Scan Technik genau erkennbar. Das Endbild weist an den jeweiligen Stellen einen harten Schnitt auf. Es erfolgt gewissermaßen eine Entblößung der zeitlichen Struktur des Filmes. Dem Betrachter wird Einblick gewährt auf die Art und Weise, wie der Film gedreht und geschnitten wurde. Schnittmuster und der eventuell mathematisch geplante Rhythmus, wie auch die zeitliche und räumliche Struktur lassen sich deutlich wiedererkennen und analysieren. Außerdem entsteht eine völlig neue Bilderzeugung, die komplett ohne Effekthaftigkeit auskommt. Matthias durchstöberte etliche Spielfilme, auf der Suche nach den bestimmten Filmszenen, die ideal für sein Vorhaben erschienen. Er wurde schließlich mit insgesamt 16 Film­ szenen fündig, extrahierte aus 95 772 Einzelbildern jeweils einen 1 Pixel breiten Streifen und schafft es mit seinen spannenden Ergebnissen die Aufmerksamkeit auf seine Werke zu lenken. Aus den Ergebnissen lässt sich erkennen, welche Bedeutung diese Technik für Film und Fotografie einnimmt. Das Foto, welches ursprünglich eine Momentaufnahme war, bekommt durch die Slit-Scan Technik eine völlig neue Bedeutung. Denn es wird nicht nur ein Moment, sondern, entweder mittels eines Filmes oder einer Live Aufnahme, gleich eine ganze Zeitspanne, welche völlig flexibel einzustellen ist, auf einem einzigen Bildträger abgebildet. Matthias Haupt­interesse liegt heute darin, die Zeitachse als Einzelbild wiederzugeben. Somit wird er bei der Weiterentwicklung dieser Technik seinen Teil dazu beitragen und fleißig experimentieren. Zugleich verbindet er die Interessen des Technikers mit denen des Gestalters. Wir dürfen also auf weitere Ergebnisse mit Sicherheit gespannt sein. In diesem Sinne: Matthias, halte uns bitte auf dem Laufenden. [mk]


»Pulp Fiction« - Quentin Tarantino, USA 1994

(Jack Rabbit Slims Twist Contest)

betreut von Prof. Kai Beiderwellen und Prof. Armin Lindauer mail@bildertexter.de, www.bildertexter.de

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16 Filmszenen, 1 Pixel, 95 772 Einzelbilder

Matthias Dörzbacher Semesterarbeit »16 Filmszenen, 1 Pixel, 95 772 Einzelbilder«


40 • Seelenlieder

Die Liedermacherin In ihrer Semesterarbeit »Seelenlieder«, einem offenen Projekt im Fach Fotografie, beschäftigte sich Miriam Stanke mit dem Finden von Verborgenem. Und mit Latexschneiderei.


Miriam Stanke hat eine Schwäche für das Mittelformat. Und für Menschen. Jeder hat so seine eigene Art, sich inspirieren zu lassen. Miriam macht sich gedanklich gerne frei, wechselt das Umfeld oder spricht einfach mit Menschen. Und so lässt sie sich auch eher treiben, wenn es darum geht, eine bestimmte Idee zu konkretisieren.

Nach einigen gewagten Experimenten mit selbstgeschneiderten Latexmasken und Typo-Projektionen gelangte sie schließlich zu der Methode der Mehrfachbelichtung. Alle sieben großformatigen Abzüge in Farbe sind analog entstanden. Der Film wurde direkt im Studio zweimal belichtet und nachträglich nicht mehr bearbeitet. Darauf legt Miriam großen Wert. Bei dieser experimentellen Arbeitsweise bleibt natürlich viel dem Zufall überlassen, da die entstehenden Überschneidungen kaum vorhersehbar sind.

betreut von Prof. Frank Göldner schreibmiri@gmx.de

Miriam Stanke Semesterarbeit »Seelenlieder«

»Die Doppelbelichtungen haben mich sofort fasziniert, weil sie etwas Traumhaftes haben…« Miriam Stanke schafft es so auf ihre ganz spezielle und einfühlsame Art eine andere, jedoch nicht minder wichtige Ebene der Fotografie sichtbar zu machen. Es geht ihr nicht um das rein ästhetische Abbilden einer Sache, sondern um das individuelle Sehen, die ganz persönlichen und intimen Eindrücke, die ein Foto dem Betrachter vermitteln kann. Eben etwas einzufangen, das Ausdruck der Seele ist, sei es nun die des Betrachters oder die des Abgebildeten. So fühlen wir uns auch beim Betrachten von Seelenlieder. Wie in eine andere Welt entführt, in der sich Farben und Formen neu sortieren. Bis die Seele leise singt. Und wir wollen gar nicht mehr wegschauen. [bk]

41 • Seelenlieder

»Dann kommen plötzlich irgendwelche Assoziationen, mit denen man dann weiterarbeiten kann.«


42 • Seelenlieder


Der Fernseher läuft lautlos. Was da gerade über den Bildschirm flimmert, spielt keine Rolle. Ich sitze auf einem Stift kauend vor meinem Rechner und versuche mit halber Kraft Textfragmente in eine Reihenfolge zu bringen. Es klopft an meiner Tür: »Ich bin dann mal trainieren, bis später!« Mein Blick fällt auf die Kugel, die sich über die Jahre zwischen mich und meinen Schreibtisch gedrängt hat und ich denke, dass mir etwas mehr Disziplin gut tun würde. Ich schalte den Ton ein: Es läuft eine Doku über eine Blondine aus Ludwigshafen. Ihr Name spielt keine Rolle. Sie strebt eine Karriere als Playboyhäschen in den USA an, ihr Traummann ist groß, muskulös und Beschützer. Wir beide ahnen, dass in einer Welt der Oberflächen ein schlaffer, von schlechter Ernährung zugerichteter Körper das eindeutigste Indiz für Disziplinlosigkeit und den Mangel an Zielstrebigkeit ist. Nicht nur für sich, sondern vor allem für die kritische Umwelt. Der Gang ins Fitnessstudio ist der letzte Ausweg, dieser Umwelt unmissverständlich zu vermitteln: Ich besitze Disziplin! Der getrimmte Körper verspricht Anerkennung, die unabhängig von Arbeitslosigkeit, schlechter Haut und Idio­ tie bestehen bleibt. Selbst Schweißgeruch wird dem Athleten noch eher verziehen als demjenigen, dessen Schweißdrüsen schon auf das Steigen weniger Treppen reagieren. Also ab in den Fitnesstempel.

Kraftakte – Höhepunkte einer Leidenschaft

Wer hässlich sein will, muss leiden. Jean-Philippe Defiebre hält das Leid in seinen Kraftakten fest und holt es damit aus verklärten Welten auf den Erdboden zurück.

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Etwas mehr Disziplin bitte !


Das Sportstudio im Jungbusch ist das älteste Kraftsportstudio Mannheims. Zu größerer Bekanntheit gelangte es, durch die 2006 gedrehte Dokumentation »Die Muckibude«. zeichnet es sich durch ein besonders familiäres Umfeld aus.

←www.diemuckibude.de

betreut von Prof. Kai Beiderwellen www.jot-pe.de, info@jot-pe.de

Jean-Philippe Defiebre Semesterarbeit »Kraftakte«

44 • Kraftakte – Höhepunkte einer Leidenschaft

Anders als bei den großen Ketten

Als Jean-Philippe Defiebre im Juni 2008 im Rahmen des Master-Projektmoduls im Sportstudio Jungbusch seine Fotos macht, geht es ihm jedoch darum, zu zeigen, »wie scheiße man aussieht, wenn man schön aussehen will. Es geht um die Eitelkeit, den Narzissmus. Ziel meiner Fotoarbeit war es, die Sportler während ihres Trainings zu portraitieren, um die Momente der höchsten Anstrengung, Qual und Leidenschaft festzuhalten. Ein weiterer Aspekt der Arbeit war für mich die reine Reduktion auf das Gesicht in einer Sportart, die sich ausschließlich durch eitle Körperlichkeit definiert.«

Der Titel der Bilderserie meint den Akt auch als die künstlerische Darstellung eines nackten, menschlichen Körpers. Jean-Philippes Bilder zeigen Momente, in denen der gesamte Alltag in den Hintergrund gedrängt wird. Der Athlet konzentriert sich ausschließlich auf das Hier und Jetzt. All die Kraft, die sich sonst in den Banalitäten des Alltags verliert, wird gebündelt und auf das eine Ziel ausgerichtet. Es ist das Zusammenspiel von Leid und Erlösung, archaisch und nackt. So nackt wie Britney, wenn sie sich die Haare abrasiert. Nackter, als sie auf der Coverseite eines Magazins jemals dargestellt werden könnte. Auf diesen wird der menschliche Körper ausschließlich in seiner Blüte gezeigt. Die gereizten Schleimhäute brechsüchtiger Models und die zerfressenen Scheidewände gepuderter Managernasen passen ebenso wenig in eine erfolgsorientierte, ästhetische Bilderwelt wie Athleten mit schmerzverzerrtem Gesicht. Dass sich hinter Schönheit und Erfolg oft Schmerz, Entbehrung und unter Umständen auch das Opfer der eigenen Gesundheit versteckt, ist bekannt und doch hallt jedes Mal, wenn ein Abweichen von der gewohnten Ästhetik stattfindet, ein entrüstetes »Muss das sein?« durch den medialen Raum. Ja, es muss sein, und sei es der Absicht geschuldet, dem Betrachter ein weiteres Stück seiner Aufmerksamkeit abzuverlangen. Jean-Philippes Kraftakte thematisieren die vom Leid geprägte Auseinandersetzung des Menschen mit dem Zwang, schön und erfolgreich zu sein. Wenn wir strebsam auf unser Ziel hinarbeiten und auf unserem Weg allen Entbehrungen diszipliniert gegenübertreten, dann wartet am Ende der Erfolg. So verspricht man es uns. Also: etwas mehr Disziplin bitte! [ml]


Nikon D80; Nikon AF D 50mm/1,8 Nikkor; 1/200 Sek.; Graulichtfilter; Blende 2,5; ISO 100

45 • Kraftakte – Höhepunkte einer Leidenschaft


Die weiße Stadt

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Belgrade Design Week

Donnerstag. Und wir wissen immer noch nicht, ob es auf Reisen geht. Dienstag fährt der Bus. Für jede finanzielle Unterstützung von außerhalb ist es bereits zu spät. Dennoch. Es muss klappen.


Belgrade Design Week 47

Wir wollten unbedingt nach Belgrad. Doch selbst die Sekretärin unserer Bundeskanzlerin hatte uns finanzielle Unterstützung entsagt. Auch für die Hochschule war unser Vorhaben zu spontan. Aber von bürokratischen Hürden wollten wir uns nicht aufhalten lassen. Dann ging alles sehr schnell. Ersparnisse wurden zusammengekratzt, Telefonate geführt, Unterkunft organisiert und Reisepässe mussten im Eilverfahren erstellt werden. Verschnaufpause war uns erst durch die 22 Stunden lange Busfahrt gegönnt, welche sich keineswegs als erholsam herausstellte. Mit Gliederschmerzen und steifem Nacken fuhren wir von Mannheim über Ulm und München, durch Österreich und Ungarn. Dann folgte Niemandsland. Ein öder Landstreifen zwischen der ungarischen und serbischen Grenze. Komisches Gefühl, so weit fahren zu müssen, um in das nächste Land zu gelangen. Als würde man einen alten Sicherheitsabstand überqueren und währenddessen von beiden Seiten beobachtet werden. Auf dem serbischen Land standen vereinzelt Ruinen vor den Ortschaften. Vielleicht landwirtschaftlich genutzte Gebäude. Viel war nicht zu erkennen. Die Dörfer waren klein, und nur gelegentlich gab es neu errichtete Gebäude zu sehen. Meistens waren dies jedoch Supermärkte oder industriell genutzte Grundstücke. Schließlich kam Belgrad. Hochhäuser, viele Autos, grüne Rasenflächen, ein großes neues Stadion mit einem großen Banner davor, welches als nächstes Konzert Slipknot ankündigte. Madonna sollte auch bald kommen. Hier spürte man den Wiederaufbau und die zumindest äußerliche Erholung der Strapazen der Vergangenheit. Hier stand alt neben neu. Die Menschen waren modisch gekleidet. Ganz anders als im Land drumherum. Die Geschwindigkeit zog wieder an. Am nächsten Morgen begann der erste von insgesamt drei Konferenztagen, an welchen Präsentationen von Designern aus Agenturen von internationalem Rang und Namen folgten: e-Types aus Dänemark, airside und Poke aus London, das grafik magazine, Tony Chambers, Chefredakteur des Wallpaper Magazins, und viele mehr.

Währenddessen konnte man auf den Etagen unter dem Konferenzraum den Design-Park besuchen, wo verschiedenste Werke und Produkte ausgestellt wurden. Nach jedem Konferenztag gab es abends eine Party mit Live-Musik, auf welcher man den einen oder anderen Gestalter treffen konnte. Dabei kamen wir ins Gespräch mit Nick, von Poke London, Simon Jacomet, Gründer der schweizer Skimarke Zai Ski, und mit Organisatoren der Dutch Design Week, die uns auf dieselbe in Eindhoven im Oktober eingeladen haben. Leider blieb nur wenig Zeit, das Land außerhalb der Stadtgrenzen kennenzulernen. Doch die gesammelten Erfahrungen waren durchweg positiv. Kaum ein anderes Land kann mit solch gastfreundlichen und lebensfrohen Menschen glänzen wie Serbien. Man spürt, dass sie sich vom langen Schatten der Vergangenheit losreißen wollen. Sie strahlen eine Lebensfreude aus, dessen Funke hoffentlich bald auf das ganze Land, am besten zugleich auf dessen Nachbarländer überspringt. Wir verließen Belgrad, zu deutsch die weiße Stadt, nur wehmütig und freuten uns gar nicht auf den bevorstehenden 22 Stunden langen Bustrip. Doch wir kamen ohne Hindernisse heil in Mannheim wieder an. Mit Gliederschmerzen, steifem Nacken und dem gewissen Funken im Herzen. [mk, cw]

Carolin Wanitzek, Predrag Vargovic, Yasemin Çenberoglu, Paul Brenndörfer, Markus Köninger


48 • Nah & Fern

Zündende Ideen im Kopf?

Lange Rötterstraße 11 · 68167 Mannheim · T 0621-33 974-140


Luftpost

49 • Nah & Fern

Mirka Laura Severa ist selten ohne ihre Kamera unterwegs. Spontane Momente, Stimmungen oder Situationen fängt sie auf wunderbare Weise mit ihrer Linse ein und lässt sie zur Ewigkeit werden.


betreut von Prof. Frank Göldner und Prof. Armin Lindauer mirka.laura.severa@googlemail.com

Mirka möchte mit ihren Bildern den Menschen mehr geben, als nur ein Bild. Sie transportieren Gefühle und regen den Betrachter zum Nachdenken an, und doch bleibt ihm die Freiheit, die Bilder für sich selbst zu interpretieren. Sie wecken Erinnerungen, Sehnsüchte oder auch Wünsche. So entdecke ich zwischen den glitzernden Kugeln, die die zarten kleinen Blätter des Baumes durchbrechen, die Erinnerung an eine laue Sommernacht und in den Augen des alten Mannes die Sehnsucht nach seiner verstorbenen Frau. Um ihre Idee noch deutlicher zu visualisieren, gestaltete Mirka ein Mobile, das sie im Hochschulgebäude aufgehängt hat. Die Gedanken der Betrachter sind somit frei und jeder kann in den Fotos sehen, was er will. Auch sind sie ständig in Bewegung — mal nah — mal fern. [cw]

Mirka Laura Severa Semesterarbeit »Nah & Fern«

50 • Nah & Fern

Es geschieht an den unterschiedlichsten Orten, mit vertrauten wie auch fremden Menschen. Mit ihren Bildern, die ausschließlich analog fotografiert sind, schafft Mirka Laura Severa es, die Stimmung der Momentaufnahme echt wirken zu lassen. Für ihre Semesterarbeit vereint sie genau diese Art von Bildern zu einem Gesamtwerk. Es sind Bilder aus Israel, Tschechien oder Deutschland. Die Akteure sind Personen, die ihr nahe sind und mit denen sie viel zu tun hat. Bei diesem Projekt kam die Gestaltung eines klassischen Buches für Mirka nicht in Frage. Ihre Wahl fiel somit auf ein Postkartenbüchlein und eine 5er Poster­ serie. Das Schöne an dieser Arbeit ist, dass man die perforierten Postkarten heraustrennen und an Freunde, die einem nah sind, in die Ferne schicken kann.


51 • Nah & Fern


Darf ich bitten?

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Urban Seasons

Mit B-Boying und Funk Styles, zwei Tanzstilen, die sich Anfang der 70er Jahre an der Ost- und Westküste der USA entwickelt haben, lässt Christian Brand alias Kristo Novo die Stadt Mannheim in neuem Glanz erstrahlen.

Musikmetropole Mannheim – dieser Gedanke liegt seit dem Erfolg von Künstlern wie Xavier Naidoo, den Söhnen Mannheims und dem Bestehen der renommierten Popakademie nicht mehr fern. In seiner Bachelorarbeit, dem Kurzfilm Urban Seasons, zeigt uns Christian Brand, wie Tänzer ihren Alltag meistern und unterstreicht dabei das Gefühl, dass in Mannheim musikalisch noch viel mehr passiert, als man auf den ersten Blick vermuten mag. Damit richtet sich der

Film an jeden, der sich für Musik, Tanz und Film begeistert und weckt auch bei Laien das Interesse, mehr über die Tanzstile und das Leben der Tänzer zu erfahren. In sieben Kapitel unterteilt, erzählt Urban Seasons von den Herausforderungen, denen die Akteure täglich ausgesetzt sind. Damit gelingt es Christian Brand, eine übergreifende Dramaturgie als Basis zu entwickeln, sowie die verschiedenen Tanzcharaktere innerhalb der Kapitel einzeln auszuarbeiten.


Wie eine »Aufforderung zum Tanz« animiert der Film die nisten motiviert. So fällt es auch dem von der Musik Menschen und lässt dabei keine Trübsal aufkommen, beflügelten Zuschauer leicht, sich in die Situationen sei die Situation noch so ausweglos. einzufühlen und automatisch wippt man mit im RhythDie innere Trägheit ist für jeden ein häufig auftretendes mus der Musik. Hindernis und jeder lässt sich von schlechten Gedanken Einen kleinen Verweis auf die Straßenkultur, der die bisweilen auf falsche Pfade locken. Die Leitsätze, die Tanzrichtungen entsprungen sind, stellen die eher als Christian Brand als Kapiteltitel ausgearbeitet hat, lassen menschenunfreundlich empfundenen Schauplätze dar. sich auf alle Bereiche des Lebens, und nicht nur für Tän- Trotzdem weckt das urbane Umfeld ein Gefühl von zer, adaptieren. Untermalt durch die animierende Musik Vertrautheit, denn die Szenerien sind solche, die man und durch die warmen Bilder wird beim Zuschauer eine überall findet. Unterführungen, Parkbänke, die Straße. durchweg positive Stimmung erzeugt, die hoffen lässt, Kein noch so abwegiger Ort kann die Künstler davon alle Probleme mit optimistischer Einstellung meistern abhalten, sich auszuleben und zu zeigen was sie könzu können. nen. So wird ein Zeichen für die Energie und SpontaDer Film kommt dabei ganz ohne Sprache aus. Er wird nität der Tänzer gesetzt, die sich immer und überall allein von der Musik getragen, die auch die Protago- entfalten kann.

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Urban Seasons


54 Urban Seasons


Urban Seasons 55

←www.urbanseasons.de

Christian Brand Bachelorarbeit »Urban Seasons« betreut von Prof. Dr. Jürgen Berger info@KristoNovo.de, www.kristonovo.de

Doch nicht allein Musik und Tanz tragen die Stimmung. Vor allem die zu Rhythmus und Bewegung agierende Kameraführung fängt die Atmosphäre reizvoll ein. Musik und Schnitt, perfekt aufeinander abgestimmt, lassen nicht ahnen, dass Christian sich erst am Anfang seines Weges befindet. Die farbliche Nachbearbeitung des Films ist an Farbschemata von Fotografien aus den 70er Jahren angelehnt. Naturtöne geben dem gesamten Film eine sehr warme und einladende Stimmung. Für die Entwicklung einer eigenen Versalienschrift orientierte sich Christian Brand an Proportionen des Kleidungsstils der damaligen Zeit. Oben kurz und unten lang. Den Mittelpunkt verlagert er in die Oberlänge, so wie damals oft der Gürtel oberhalb des Bauchnabels getragen wurde. Eingesetzt wurde die Schrift für den Vorspann, die Kapiteltitel und das DVD-Cover sowie eine Website, die Christian Brand hauptsächlich als Plattform für den Trailer kreierte. Zusätzlich bietet sie Links zu den Tänzern und zu Seiten, die sich mit deren Tanzkultur befassen. So kann sich jeder vom Film Inspirierte noch weiter über das Gesehene informieren. [gs]


Martina Wagners zusammenfassende Abschlussarbeit bringt es auf den Punkt.

Keine Panik ! Heureka! Die Suche nach guten Ideen ist ein elementarer Bestandteil der Arbeit als Kommunikationsdesigner. Die Angst, keine Idee zu finden, begegnet dem Designstudenten spätestens im Praxissemester, wenn er die Nestwärme der Hochschule verlässt. Bernhard Pompeÿ liefert mit seinem Stegreifkurs ein Überlebenskit für die Herausforderungen der Außenwelt. Ein Schweizer Taschenmesser für Ideenfindung.

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Heureka

Ein Kurs, der direkt auf die Anforderungen in der Praxis zugeschnitten ist. Der neben Gestaltung auch ihre inhaltliche Begründung lehrt. Das ist der Grundgedanke des Stegreifkurses von Bernhard Pompeÿ, der in diesem Sommersemester zum ersten, aber nicht zum letzten Mal stattfand. Er zielt thematisch direkt auf das elementarste Kapital eines Kommunikationsdesigners: die Idee.

umgesetzt werden soll. Das konstant hohe Arbeitspensum und die immer neuen Briefings und Aufgaben sorgen für eine neue Locker­heit im Kopf. Arbeitet man ein Semester lang an nur einem Projekt, nimmt dieses einen extrem hohen Stellenwert ein. Funktioniert etwas nicht, steigt sofort die Panik auf, zu versagen und mit nichts dazustehen. Man denkt sich fest. Blockiert. Der Stegreifkurs spült das Hirn mal wieder durch und putzt auch aus den hintersten Windungen den Kalk. Die Ideen fließen. Läuft ein Projekt nicht perfekt, warten neue. Dadurch weicht der Druck und Vertrauen in den persönlichen Ideenpool baut sich auf. Mit diesem Vertrauen im Rücken verlieren auch große Aufgaben und Ausflüge in die Praxis ihren Schrecken. Am Ende des Semesters sitzt man nicht nur auf einem Haufen interessanter, zum Teil realisierter Projekte, sondern hat auch eine wichtige Lektion gelernt: Weniger reden. Machen. [ag, md]

Leider findet man sie nur sehr selten in der Badewanne oder unter einem Apfelbaum. Und gerade unter Zeitdruck neigt der unerfahrene Suchende dazu, sich zu verlaufen oder komplett zu blockieren. Hier setzt der Kurs an. Einerseits gibt es einen Theoriecrashkurs, das Wichtigste zu Ideenfindungstechniken wie Brainwriting, 6-3-5 Methode oder Synektik, sowie kleine Exkurse in Marketing und Branding. Andererseits einen strengen Zeitplan, der alle zwei Wochen ein neues Miniprojekt vorsieht. Der Ablauf bleibt immer gleich: Teams bilden, Ideen und Moodboards skizzieren, im Kurs besprechen, Bernhard Pompeÿ hat 2007 seinen Master an der ausarbeiten, präsentieren. Auf diese Art und Weise ent- Hochschule Mannheim gemacht. Momentan arbeitet er stehen in einem Semester Konzepte für drei Start-Up- im Bereich Projektmanagement für die Fakultät und Agenturen, vier Guerillaaktionen gegen mieses Mensa- organisiert Events wie die »Glaube, Liebe, Design« Aus­ essen, drei Typodemonstrationen und über 40 Logos. stellung in der Mannheimer Kunsthalle (siehe komma3) Nach der Präsentation entscheidet der Kurs gemeinsam oder den Redaktionstag 2008 (siehe komma4). Mit dem über Sieg und Niederlage und welches Konzept real Stegreifkurs gibt er 2009 sein Debüt als Dozent.


Bei der Guerilla Aktion »Wie bei Mutti« wurde von den Studenten ein alternatives Studententcafé, das in Konkurrenz mit der ansässigen Hochschulmensa treten sollte, propagiert. Getreu dem Motto: Bei Mutti schmeckts am besten!

Gesundes Konzept: das Take-Away Bistro »kostbar« setzt

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Heureka

auf erschwingliche Feinkost mit nachhaltigem Charakter.


You‘re such a Dick!

58 • Dick – Dicey Decisions

Die Werkschau war in vollem Gange. Doch genau dann, als ich von den gesammelten Eindrücken eine Pause machen wollte, traf mich der Schlag. Mein Herz schlug schneller, mein Blick schärfte sich, meine Killerinstinkte waren geweckt. Ein Spielautomat! Mitten auf der Werkschau. Ein heimisches »Des gibts doch nit!«, quoll aus mir hervor, worauf ich mir sofort einen Weg zum Automaten bahnte, um meine schwitzigen Hände auf Tastatur und Maus zu klatschen. Moment. Tastatur und Maus? Ein Computerspiel? »Geil«, und ein Blick zum gelben Holzfällerhemd, dem Gewinn für den Highscore-Ersten, folgten, bevor es hieß: »Außenwelt adieu!« Dick – Dicey Decisions heißt das Spiel und erinnerte mich schon mit seiner jazzigen Anfangsmelodie an alte Adventure Abenteuer. Klick auf »Play« und es ging los. Das Spiel handelt von der wunderschönen und idyllischen Baumsiedlung Birkenstoeck, welche kurz vor der Zerstörung durch ein profitorientiertes Unternehmen steht. Ausgerechnet Dick, eine Mischung aus Doug (»King of Queens«), Earl (»Mein Name ist Earl«) und Super Mario, soll Valery, der durchaus attraktiven Auftraggeberin, behilflich sein, diese schwierige Rettungsaktion durchzuführen. Auf dem Weg zum Ziel spielt man stets gegen die Zeit, erfüllt Geschicklichkeitsaufgaben und bahnt sich sogar seinen Weg durch eine U-Bahn Station, wo man Hindernissen und rücksichtslosen U-Bahn Passagieren geschickt aus dem Weg gehen muss. Der Aufwand, der in das Spiel gesteckt wurde, ist deutlich zu spüren. Durch die unterschiedlichen Aufgaben, die auf den Spieler warten, bleibt die Motivation bis zum Ende stets erhalten, wo man gespannt dem Endpunktestand entgegenfiebert. Glücklicherweise hatte Martin Wojciechowski, gemeinsam mit Markus Lenz Entwickler des Spiels, Zeit, mir noch ein paar Fragen zu ihrem Werk zu beantworten. Im Abspann des Spiels ist zu lesen, dass ihr zu Spielentwicklungsbeginn überhaupt keine oder zumindest nur geringfügige Kenntnisse in Flash hattet. Eine DVD mit Tutorial. Sechs Monate Arbeit. Warum dieser verrückte Aufwand? Flash wollte ich früher oder später ohnehin lernen und der beste Lerneffekt entsteht bei realen Projekten. Ein reales Projekt bringt gleich einen ganzen Haufen an Problemen mit sich, die gelöst werden müssen. Anders als wenn man sich von Tutorial zu Tutorial hangelt. Außerdem waren zu wenige flashprogrammierfreudige Informatikerfreunde verfügbar. Kam etwa eine Valery auf euch zu, ein Flash-Spiel zu entwickeln? Was war die Motivation? Der kleine Junge und Gamer im Inneren musste endlich ruhiggestellt werden. Wer träumt nicht vom eigenen Game? Wenn der Spieler Gott sein kann, weil er die Spielfigur steuert, was sind dann erst die Entwickler?


59 • Dick – Dicey Decisions

Martin Wojciechowski & Markus Lenz Semesterarbeit »Dick – Dicey Decisions« betreut von Prof. Hartmut Wöhlbier martin.wojciechowski@gmx.de, oni.lenz@gmail.com »Dick – Dicey Decisions« gibts online unter www.onisan.de

Warum die Mischung von 2D und 3D? Gab es andere Spiele als Vorbilder? Wenn ja, welche? Dick wurde als 3D-Charakter erschaffen, da er, wenn Zwar keine anderen Spiele, aber die Serie »My Name Is fertig, relativ einfach in alle möglichen Positionen ge- Earl« war zur Entstehungszeit definitiv prägend für den bracht werden kann. Das vereinfacht z.B. die Erstellung Stil und die Optik des Games. eines Walkcycles. Zudem hat sich Markus Lenz (visuelle Umsetzung und mitverantwortlich für Konzept und Wird es eine Fortsetzung geben? Sound) die Programmkenntnisse in Softimage eigens Sie ist bereits in der Mache. dafür angeeignet. Wann kommt Dick für das iPhone? Weshalb die Entscheidung, ohne Synchronstimme zu Sobald das iPhone Flash Appl(e)ications unterstützt. arbeiten? Die Stimme, die der Männlichkeit des Hauptdarstellers Gab es zuerst Dick oder das zu gewinnende Hemd? gerecht wird, wurde leider noch nicht geboren bzw. Dick gab‘s zuerst in der Hose. Dann im Hemd. müsste noch durch intensivsten Konsum von Whisky Der Spielautomat ist super. Im vornherein geplant? und Zigarren modifiziert werden. Die Idee kam auf halber Strecke, als klar war, dass wir Was soll Dick – Dicey Decisions den Spieler lehren Dick auf der Werkschau vorstellen. An dieser Stelle vielen Dank an die Werkstatt der Hochschule. oder mitteilen? Der Schnauzbart und das gelb karierte Holzfällerhemd Vielen Dank für das Interview. Ich freue mich bereits wecken Daddy-Komplexe. riesig auf die Fortsetzung. Der erste Teil ist zudem online auf Markus Lenz Website spielbar. And why is dick such a dick? Übrigens: Das Holzfällerhemd ist mein! [mk] If you‘re a dick, you don‘t have to behave like one!


Ansichten …gibt es viele. Hier eine davon zum Thema Familienfeste. Und Design.

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Ansichten

Ich mag Familienfeste nicht. Besonders die, bei denen man die lieben Verwandten schon etwas länger nicht mehr gesehen hat. Denn dann wird sofort das Thema Ausbildung und Beruf, das wohl das einzige ist, was Verwandte so zu interessieren scheint, mit der gefürchteten Frage: »Und was studierst du noch mal?« in den Mittelpunkt des Gesprächs gerückt, das sich vorher noch mit einem »Mein Gott ich hätte dich ja fast nicht wiedererkannt, aus dir ist ja eine junge Dame geworden!«, begnügt hatte. Auf meine Antwort, die ich meistens wiederholen muss, weil eigentlich alle aus meiner Sippe schwerhörig sind, ernte ich erst mal ein stutziges: »Aha. Kommunikations – was? Was macht man damit? Design – ist das nicht so Künstlerkram?« Ja, wo soll ich nur anfangen? Da ich das mit dem Sich-Selbst-Verkaufen noch eifriger üben muss, klappt das auch bei meiner ungläubigen Verwandtschaft nicht sonderlich gut. Also winke ich ab und sage: »Eigentlich kann man so ziemlich alles damit machen.« Gerettet. Darauf gibt‘s keine Gegenfrage. Höchstens noch ein angeblafftes: »Oh da hast du dir aber was Unsicheres ausgesucht.« Ich werde gern daran erinnert, dass mein Studienfach etwas vermeintlich Brotloses ist. Dafür werde ich mitleidig angeschaut und bald auf ihre Liste der armen schwarzen Schafe der Familie gesetzt. Wie kommt es aber überhaupt, dass ältere Generationen mit diesem Sujet nichts anfangen können? Sicher, Design als Studi-

enfach kann noch nicht auf eine ähnlich lange Tradition zurückschauen wie Medizin oder Jura. Aber meine Verwandten dürften keinesfalls länger auf der Welt sein und müssten daher mit allen Anfängen und Hochzeiten der Designära vertraut sein. Vielleicht liegt es aber auch an der Reputation. Denn seit es Design gibt, existiert auch das Klischee eines Designers: exzentrisch, narzisstisch, unsozial, arrogant. Ich kann diese Vorurteile noch nicht bestätigen. Designstudenten sind eigentlich sehr umgänglich. Nein, der Grund mag darin liegen, dass Design keine großen Menschheitsbeglückungen hervorbringt. Sicher freut man sich über schön gestaltete neue Supermarktlogos, weil die alten einen vorher durch ihre grellen Farben fast erblinden ließen, aber das sind nicht die Errungenschaften, die Geschichte schreiben! Ärzte retten die Menschen, Astronomen erkunden das Universum und Designer gestalten das Plakat zum 100. Jahrestages der ersten Mondlandung. Designer sind eben nicht die Entdecker der Weltformel, sondern operieren im Kleinen. Ihre Arbeit hilft vielleicht nicht, den Krebs zu erforschen, treibt aber die Mittel dafür durch gute Werbung ein. Aber obwohl ich mich manchmal vielleicht weniger wichtig fühle und denke, dass die großen Taten woanders begangen werden, bin ich am Ende froh, das machen zu dürfen, was mir Spaß macht. Das behaupten zwar alle, aber ich zweifle an der geistigen Verfassung eines Pathologen, der eine Autopsie ernsthaft als Spaß bezeichnet. Außer er heißt Gunther von Hagens. Wahrscheinlich rührt daher das Unverständnis der Leute. Denn instinktiv spüren sie, dass dieses Studium nicht zwangsläufig die Ernsthaftigkeit eines BWL – Studiums mit sich führt. Aber hat die Welt nicht schon genug Wirtschaftsexperten? Wenn ich mir aber meine Umgebung so anschaue, hat sie offensichtlich noch nicht genügend gute Designer. [evm]


Aussichten Nach dem Studienende scheinen einem Gestalter alle Wege offen zu stehen. Doch wo wird man wirklich landen? Zwei Fragen an die Absolventen in der komma5: Was wünschst du dir für die Zukunft? Und ist das eigentlich realistisch?

»Ein geregeltes Einkommen wäre schön, dann könnte ich mich wieder öfter in mein Atelier verkriechen und komische Bilder malen. Ist das realistisch? Ich glaube schon.« [ Marc Steiner ]

»Für die Zukunft wünsche ich mir einen abwechlungsreichen Job, der viele Bereiche des Kommunkationsdesign vereint: Konzept, Grafik, Film und Kontakt zum Kunden. Vielleicht mache ich mich aber auch selbstständig. Ich glaube als Selbstständiger hat man es im Moment einerseits schwer, da überall gespart wird und zu allererst natürlich bei den freien Mitarbeitern, andererseits kann man als Freelancer flexibler reagieren und sich auch einfacher umorientieren. Was einen abwechslungsreichen Arbeitsplatz betrifft, glaube ich, dass zukünftig immer mehr Allrounder gesucht werden und weniger Spezialisten auf nur einem Gebiet. Von daher bleibe ich einfach optimistisch.« [ Constanze Brückner ]

»Ein Haus am See! Nur das mit den 20 Kindern halte ich für sehr unrealistisch.« [ Sandra Leyendecker ]

Aussichten

»Vollkommene Glückseligkeit, ziemlich unrealistisch.« [ Sophia Stupperich ]

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»Eine schwere Frage. Aber ein Bleistift und gute Musik würden erstmal genügen. Realistischer als Weltfrieden allemal!« [ Christian Brand ]

»Einen Job der mir Freude macht, interessante Projekte, aber immer noch Zeit für mich und eigene Sachen zu haben, z.B. reisen... Wenn man darauf hinarbeitet, mit diesem Ziel vor Augen, dann klappt das auch.« [ Stephan Ditgens ]


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Herausgeber Hochschule Mannheim Fakultät für Gestaltung komma Redaktion Paul-Wittsack-Straße 10 68163 Mannheim

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Beide Sorten sind exklusiv erhältlich bei Deutsche Papier

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Schriften KofiPure (erhätlich bei Fontfarm) www.fontfarm.de Theorem (erhätlich bei veer)

Druck WDW Druck-GmbH, Leimen-St.Ilgen Engelhardt und Bauer-Gruppe Wir danken Moritz Nolting, unseren Professoren und Mitarbeitern, Kristoffer Kicherer, Edward Tylkowski, Eva-Maria Stein, Marten Scheibel, Sabine Gerscher, Helga Eva Kanig, dem Personal des Flughafen Neuostheim, K.F. Oetzbach, Natascha Dell, Steffen Herbold, Chris Hartmann, Sascha May, Verena Goepfrich Anzeigen anzeigen@komma-mannheim.de

Feedback und Mediadaten www.komma-mannheim.de

komma beruht auf einer Diplomarbeit von Moritz Nolting. Die in komma enthaltenen Artikel spiegeln die Meinung der Redaktion und nicht die der Hochschule Mannheim wider.



Ein Magazin der Hochschule Mannheim, Fakult채t f체r Gestaltung, Ausgabe 5, September 2009



Ein Magazin der Hochschule Mannheim, Fakult채t f체r Gestaltung, Ausgabe 5, September 2009


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