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HOGEFORSTERS WORTE ie internationale Finanzkrise und weltweite Wirtschaftsrezession sind Folgen einer Systemkrise, in der wir uns bereits seit einigen Jahren befinden. Hamburgs Erster Bürgermeister, Ole von Beust, hat kürzlich im Hamburger Abendblatt das Scheitern des puren Kapitalismus festgestellt. Recht hat er! Das System muss erneuert werden, Konjunkturprogramme allein können uns nicht retten. Dies bestätigen Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft zwar nicht in der Öffentlichkeit, jedoch in persönlichen Gesprächen. Dagegen beweist der Bürgermeister Führungsstärke, Mut und Ehrlichkeit – also Eigenschaften, die heute wichtiger denn je sind.
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Das System ist krank Schade nur, dass die Journalisten des Abendblatts den Bürgermeister in die Nähe von Karl Marx rückten. Es ist einfältig, jede Kritik am System, jedes Forschen nach den tatsächlichen Ursachen als das Schlachten einer heiligen Kuh zu verdammen, um den Nachdenklichen mit linken Etikettierungen möglichst den Mund zu verschließen. Denn es geht nicht um Kommunismus oder Sozialismus, sondern um neues Denken, um die soziale Marktwirtschaft überhaupt erst wieder herzustellen. Die Krankheit hemmungsloser Habgier führt zu einer Selbstzerstörung des Systems. In der Finanzwirtschaft haben beispielsweise die Verkäufer von Papieren den Gewinn bei sich gesichert und das Risiko allein dem Käufer aufgehalst. Also müssen wir das System so ändern, dass derartiges Verhalten erschwert und ökonomisch bestraft wird. Die Ratingagenturen, die den Wert von Papieren oder Krediten feststellen, dürfen nicht finanziell von den Banken abhängen, müssen vielmehr unabhängig und neutral urteilen. Es muss strikt verboten werden, dass risikoreiche Geschäfte außerhalb der Bilanzen abgewickelt werden. Das Erfolgshonorar für Investmentbanker, das bis zu zweistellige Millionenbeträge jährlich ausmacht, muss sich an den langfristigen, nachhaltigen Ergebnissen orientieren und darf nicht bereits nach drei Monaten ausgezahlt werden, wenn noch gar kein Erfolg feststeht,. Banker und Manager sollen sehr gut verdienen. Aber in den Vergütungssystemen müssen auch Haftungen für Misserfolge eingeschlossen werden.
Wiederherstellung der sozialen Marktwirtschaft
Habgier zerstört das System
Krise als Chance Mehr Verantwortung muss ein Systemumbau ebenso beinhalten wie das Wissen, dass es keine Alternative gibt. Die Zeit ist günstig. Jürgen Hogeforster fordert, die Zeit zu nutzen. den ausgelöst haben. Eine grundlegende Voraussetzung der Marktwirtschaft ist, dass der Staat durch sein Verhalten den Wettbewerb nicht verfälschen darf. Davon haben wir uns aber weit entfernt und die soziale Marktwirtschaft längst verlassen. Unser staatliches und soziales System wird zu 75 bis 80 Prozent durch Steuern und Abgaben, die am Arbeitseinkommen gekoppelt sind, finanziert. Damit wird der Wettbewerb zwischen den drei Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden bzw. Umwelt völlig verfälscht und die Marktwirtschaft weitgehend außer Kraft gesetzt. Nicht die Löhne sind zu hoch, sondern die am Lohn gebundenen Zwangsabgaben haben Arbeit so sehr verteuert, dass Arbeitsplätze, wo immer möglich, abgebaut oder in Länder mit geringen Arbeitskosten verlagert wurden. Die Folge ist hohe Arbeitslosigkeit. Kapital wurde im Verhältnis dazu sehr viel geringer belastet, sodass es lohnender ist, irgendwelche Papiere zu kaufen als selbst zu arbeiten. Ein mittelständisches Unternehmen muss mit einer Rendite von zwei oder drei Prozent zufrieden sein. Ein System ist krank, wenn der Kauf von dubiosen Papieren höhere Renditen als Investitionen in das eigene Unternehmen erbringt. Durch die Besserstellung des Faktors Kapital im Verhältnis zum Faktor Arbeit hat sich eine Scheinwelt des Kapitals entwickelt, die immer weniger etwas mit der Realwirtschaft zu tun hat. Diese weltweite Blase einer Scheinwirtschaft ist jetzt geplatzt.
Diese und weitere Systemänderungen werden diskutiert und befinden sich bereits auf Bau eines Systems den Weg. Aber es geht nicht nur um die der Verantwortung Banken, die sich eigentlich betriebswirtschaftlich rational verhalten, damit aber Wir müssen erst wieder eine soziale Marktsystemkonform gesamtwirtschaftlich Scha- wirtschaft schaffen, in dem alle drei Pro-
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duktionsfaktoren in gleichem Maße unser System finanzieren. Damit würde Arbeit für Arbeitgeber und -nehmer preiswerter und zu höheren Investitionen und höherem Konsum führen. Kapital würde dagegen mehr belastet. Wie dies geschehen kann, zeigt ein Beispiel aus der Schweiz. Dort beträgt der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung acht Prozent, dagegen in Deutschland rund 20 Prozent. In der Schweiz werden aber ohne Berücksichtigung von Obergrenzen alle Einkommen, auch Kapitaleinkommen, zur Finanzierung der Rentenversicherung herangezogen. In Deutschland werden solche Überlegungen damit abgetan, dass sie sozialistisch seien und eine Kapitalflucht auslösen würden. Nun ist die Schweiz bestimmt nicht sozialistisch und erlebt auch keine Kapitalflucht – im Gegenteil! Gleichzeitig würden auch Umweltgüter stärker belastet. In der Marktwirtschaft soll die Knappheit der Güter den Preis bestimmen. Gemessen an den Knappheitsverhältnissen sind aber Arbeit viel zu teuer und Umweltgüter zu billig. Eine Verteuerung der kostbaren Umweltgüter bezieht sie in wirtschaftliches Handeln ein und eröffnet damit riesige neue Marktchancen und zugleich höhere Qualitäten. Umwelt- und Sozialkosten müssen soweit möglich in wirtschaftliches Handeln einbezogen werden und in den Produktpreisen zum Ausdruck kommen. Damit wird im Gegensatz zum heutigen System derjenige ökonomisch belohnt, der sich einzelwirtschaftlich rational verhält und damit zugleich das Gesamtsystem fördert. Das neue System wird ein System der Verantwortung sein. Dies ist nicht allein durch moralische Appelle zu erreichen, erfordert vielmehr entsprechende betriebswirtschaftliche Signale. Der dazu erforderliche Systemumbau ist sehr weitreichend und wird viele Jahre beanspruchen. Die aktuelle Systemkrise zeigt aber, dass es dazu keine Alternative gibt und wir die Chance jetzt nutzen müssen. Autor: juergen@hogeforster.de · www.kloenschnack.de
ZUR PERSON Dr. Jürgen Hogeforster war von 1983 bis 2003 Hauptgeschäftsführer der Hamburger Handwerkskammer und ist heute als Präsident des Hanse-Parlaments im Ostseeraum aktiv. Mit HOGEFORSTERS GEDANKEN stellt der Blankeneser regelmäßig Nachdenkliches, Provokatives und Aufrüttelndes im HAMBURGER KLÖNSCHNACK vor.