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Nicht die Nase, sondern der Po

Nicht die Nase, der Busen – sondern der Po

Sein Anteil bei den Schönheitsoperationen nimmt stark zu. Warum das so ist – Klipp-Autorin Isabella Hasewend hat recherchiert.

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Hinterteil mit „Wiedererkennungswert“: Kim Kardashian 25 Millionen – man stelle sich das einmal vor – Frauen und Männer suchen weltweit jährlich (!) einen Schönheitsmediziner auf. In Österreich sind es nach Umfragen und Schätzungen knapp 100.000 Eingriffe pro Jahr. Verborgen – und zwar unter Kleidung, zumindest in der Öffentlichkeit – ist ein anderes Körperteil, dem wir uns in dieser Reportage widmen möchten. Und zwar dem Po. Was tun wir doch nicht alles für ein knackiges Hinterteil? Mühen uns im Fitnesscenter ab, um die Gesäßmuskeln zu trainieren und den Allerwertesten in Form zu bringen. Aber was, wenn das harte Trainieren nichts nützt und das gewünschte Ergebnis ausbleibt oder man den Po überhaupt größer haben möchte?

Während die 1990er-Jahre noch das Jahrzehnt der großen Brust waren – man denke nur an Pamela Anderson oder Lolo Ferrari –, so hat jetzt mit Jennifer Lopez oder Kim Kardashian die Epoche des großen Pos begonnen. Aha, ein großer Po kann also auch schön sein. Vor allem Latinas und schwarze Frauen mit ganz unterschiedlichen Wurzeln werden da in den Social-Media-Kanälen wie Instragram bejubelt. Und die junge Generation will ihren Stars nacheifern. Ein regelrechter Hype um den Po ist die Folge und auch Popstars feiern ihren XXLPopo. Je größer desto besser. Echt? Na, ja … Geschmacksache. Gut proportioniert soll er schon sein. Auch bei Männern, zumal wir Frauen ja oft als erstes auf den Knackpo des stärkeren Geschlechts gucken. Aber ob er auch so extrem groß sein soll …? Das sei einmal dahin gestellt. Bei Brasilianerinnen mag das vielleicht gut ausschauen. Doch wenn eine gertenschlanke Frau sich einen riesigen Hintern verpassen lässt …? Viele wollen ihn aber haben. Der „Brazilian Butt Lift“, also die PoVergrößerung mittels Eigenfett, ist derzeit eine der gefragtesten Schönheitsoperationen. Dabei wird Fett von anderen Körperteilen abgesaugt und in den Po „verfrachtet“. Klingt doch einfach und gut … oder? Gerade wir Frauen haben ja oft ausreichend Fett an Stellen, wo es uns zumeist nicht gefällt oder wir versuchen, es weg zu trainieren. Da wäre genug Eigenfett für einen größeren Po vorhanden – so es einem gefällt. Bei Männern – ja, auch das starke Geschlecht lässt sich seine Kehrseite vergrößern – mag das schon schwieriger sein. Wie insgesamt bei schlanken Frauen. Gerade Nordeuropäerinnen sind da klar im „Nachteil“, weil sie über wenig Eigenfett verfügen, wie ich im Zuge meiner Recherchen erfahre. Also ist für sie demnach die Po-Vergrößerung mittels Eigenfett-Methode nicht das Thema Nummer eins.

Weltweit haben sich laut der Internationalen Gesellschaft für Ästhetische Plastische Chirurgie 2019 fast eine halbe Million Menschen das

Foto: Parvizi

Bei der Herstellung des Po-Implantats (li.) wird ein robusteres Gel als bei Brustimplantaten (re.) verwendet und das m n h uch eine ndere er chenbeschaffenheit.

Nicht die Nase, der Busen – sondern der Po

Sein Anteil bei den Schönheitsoperationen nimmt stark zu. Warum das so ist – Klipp-Autorin Isabella Hasewend hat recherchiert.

Gesäß vergrößern lassen, ein Anstieg um gut 60 Prozent innerhalb von nur vier Jahren. Bei keinem anderen ästhetischen Eingriff ist die Nachfrage so gewachsen. In Deutschland wurden 2019 mehr als 5.000 Operationen durchgeführt. Weil aber beim Einspritzen des Eigenfetts Fettmoleküle in den Blutkreislauf gelangen können, die dort nicht hingehören, kann es bei der Gesäßvergrößerung zu lebensbedrohlichen Blutgerinnseln kommen. In einer Studie von 2017 ermittelten Ärzte eine höhere Todesrate als bei jeder anderen Schönheitsoperation. Dann wurden die Methoden verbessert, der Eingriff ist sicherer geworden. Dennoch warnten internationale Fachgesellschaften für plastische Chirurgie weiterhin vor der Gesäßaufpolsterung. 2018 und 2019 starb in Düsseldorf je eine Frau nach einer solchen Operation

(Quelle: „Die Zeit“ Nr. 24).

Aber gehen Frauen das Risiko ein, im schlimmsten Fall für einen übergroßen Hintern zu leiden oder gar zu sterben? Manche Frauen und Männer offensichtlich schon, denn auch bei uns in der Steiermark ist die Po-Vergrößerung im Kommen. Daryousch Parvizi ist plastischer Chirurg in Graz und bei ihm machen die Povergrößerungen heute – nach Brust, Nase und Gesichtsstraffungen sowie Lidkorrekturen – bereits einen Anteil von 15 bis 20 Prozent aus. „Die erhöhte Nachfrage kommt eben einerseits durch Hollywood Stars wie die Kardashians und andererseits wird der Po immer mehr zum Schönheitsideal. Die OP-Techniken haben sich enorm weiterentwickelt und das Komplikationsrisiko wird immer geringer.“

Faltenunterspritzung ist die Nr. 1

Laut einer Umfrage der Plattform www. schoenheitsklinik.info ist die Hälfte der Schönheitsoperationen weltweit nicht chirurgische Eingriffe – wie etwa Botox-Behandlungen. An erster Stelle steht die Glättung der Haut durch Faltenunterspritzung. Verschönerungsobjekt Nummer zwei ist sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern die Brust. Frauen wollen sie zumeist vergrößern, Männer möchten dies verhindern, denn ein vergrößertes Brustgewebe gilt als sehr unmännlich. In den letzten Jahren vermerken wir Plastische Chirurgen zunehmend, dass der Po an „Bedeutung“ gewonnen hat. Generell hat man das Gefühl, dass „Rundungen“ wieder mehr gefragt sind. Bei uns am LKH-Univ. Klinikum hat sich das Operationsspektrum aber kaum bis gar nicht geändert. Zu uns kommen nämlich nur sehr selten Patienten mit Anfragen nach Povergrößerungen, da wir unsere Hauptaufgabe nämlich v.a. in der modernen Rekonstruktiven Chirurgie sehen und hierfür überregional als Referenzzentrum auch gefragt und verantwortlich sind. Ich persönlich würde aber jedem Pat. empfehlen, der mit dem Gedanken spielt, sich den Hintern vergrößern zu lassen, sich umfangreich von einem Plast. Chirurgen aufklären zu lassen: Und das nicht nur in Bezug auf die Möglichkeiten, sondern v.a. auch in Bezug auf die damit vergesellschafteten bzw. möglichen Komplikationen.

Foto: Parvizi

Daryousch Parvizi, plastischer Chirurg in Graz, operiert seit 2015 Po-Vergrößerungen mit Eigenfett, seit zwei Jahren aufgrund des erhöhten Risikos aber nur noch die Implantat-Methode. Bei vielen Frauen ist die Po-Vergrößerung auch nicht die erste Schönheitsoperation. Die lassen sich dann zuerst die Nase richten oder das Gesicht straffen und dann kommt der Po dran. Dr. Parvizi führt seit 2015 auch Po-Vergrößerungen durch. „Zu Beginn auch mit Eigenfett, aber eben aufgrund des erhöhten Risikos einer Fettembolie bieten wir seit zwei Jahren nur noch die Implantatsmethode an.“ Das habe er beim Kollegen Francois Petit in Paris „gelernt“. „Die Technik der Povergrößerung mit Implantat lehnt sich an bekannte Verfahren wie die Brustvergrößerung an. In beiden Fällen werden Implantate aus Silikon eingesetzt, wobei bei der Herstellung des Po-Implantats ein noch robusteres Gel als bei Brustimplantaten verwendet wird und das Implantat auch eine an ere er chen eschaffenheit hat“, erklärt Dr. Parvizi im KLIPP-Telefonat. „Das Implantat wird direkt unter den Muskel eingesetzt. Mit dieser speziellen OP-Technik kann der Patient direkt nach dem Eingriff auf dem Implantat sitzen und auch am Rücken liegen. Die Nähte sind in der Po-Falte versteckt und ca. 5 cm lang.“

Und was sind nun die Gründe, warum sich Frau bzw. Mann den Po vergr ern m chte m h figsten erreichen uns Anfragen von Frauen mit dem Wunsch zur Po-Vergrößerung“, erläutert Dr. Parvizi. Meist leiden diese Damen an einem eher achen o ie z m eispiel rch Gewichtsverlust. „Die Möglichkeiten bei einer Po-Vergrößerung hängen dann auch immer vom Gewebe der Patienten ab.“ Klarerweise haben die Patienten entsprechende Wünsche, wenn sie in die Praxis eines Schönheitschirurgen kommen. „Natürlich möchten wir unsere Patienten glücklich machen, allerdings wird beim Beratungsgespräch ausführlich der Wunsch und die Möglichkeiten besprochen.“

„Rundungen wieder gefragt“

Foto: HTH

Univ.-Prof. Dr. Lars Kamolz, Leiter der Klinischen Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, LKH Univ.-Klinikum Graz.