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Roter Reibebaum für roten Kanzler
Alfred Gusenbauer hat den steirischen SPÖ-Landeschef bei der neuen Machtverteilung in Wien kalt abblitzen lassen. Diese Vorgangsweise des roten Neokanzlers hat eine facettenreiche Vorgeschichte, denn der Steirer Franz Voves galt als Personalreserve der SPÖ für den Fall, dass Gusenbauer scheitern sollte.
weimal hat Franz Voves inZ seiner fünfjährigen Karriere als Politiker österreichweit für überraschende Schlagzeilen gesorgt. Das erste Mal, als er Waltraud Klasnic am 2. Oktober 2005 mit seinem Wahlsieg nicht nur in die Pension schickte, sondern die Steiermark erstmals nach 60 Jahren einen roten Landeshauptmann bekam. Und jüngst mit seiner Aussage „Ich bin kein Weichei!“, als er vor laufenden Kameras darüber schäumte, dass Alfred Gusenbauer ihm via Telefon erst wenige Minuten vor Bekanntgabe der SPÖ-Regierungsriege mitteilen wollte, dass für einen Mandatar der steirischen SPÖ ein Staatssekretariat im Kanzleramt „reserviert“ sei. Ob er Heidrun Silhavy oder deren Kollegin im Nationalrat Frau Grossmann wolle, wollte Gusenbauer nur wissen. Voves entschied sich bekanntlich für die Gewerkschaftsfrau Silhavy. Diese Vorgangsweise Alfred Gusenbauers hat eine facettenreiche Vorgeschichte, denn der Steirer Franz Voves galt als Personalreserve der SPÖ für den Fall, dass Gusenbauer scheitern sollte.
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Foto: SPÖ Steiermark
DIE RACHE DES ALFRED GUSENBAUER AN DEN GENOSSEN
Eintracht im Augenblick des Triumphs
ROTER REIBEBAUM FÜR ROTEN
Vo m Wa h l h e l d e n zu m Ve r l i e re r
Wäre Alfred Gusenbauer am 1. Oktober 2006 mit der Aussage in die Wahl gegangen, „ihr werdet viele meiner Entscheidungen nicht verstehen, aber wählt mich dennoch, denn (nur) ich weiß, wie die Zukunft gestaltet wird“, so würde er durch das Koalitionsabkommen mit der Volkspartei nicht als Wahllügner dastehen. So aber erklärte Alfred Gusenbauer fast gebetsmühlenartig, dass es mit ihm als Bundeskanzler in einer Regierung – wer immer dann der Partner sein werde – eine Abschaffung der Studiengebühren und einen Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag geben werde. Ohne zusätzliches Wenn und Aber. Für viele Wähler waren Studiengebühren und Eurofighter die Symbole einer nicht akzeptablen Regierungspolitik von Schüssel und Co. Schon bei seinem Start läuft Alfred Gusenbauer nun Gefahr, sich damit bereits die nächste Niederlage eingehandelt zu haben. Eben noch strahlender Held der Wahl mutierte Gusenbauer von einem Tag auf den anderen zum Verlierer. Dabei hätte Alfred Gusenbauer ein starkes Argument in den Verhandlungen gehabt. Bei der Frage der Studiengebühren und Eurofighter hätte er klar deponieren können, keinen Kompromiss eingehen zu können. Ganz sicher wäre dann die ÖVP genötigt gewesen, sich in ihren Standpunkten zu bewegen. Auch mögliche Neuwahl-Drohungen hätten sicher Alfred Gusenbauer genützt. Gusenbauer-Ersatz
Weder die professionellen Meinungsschnüffler noch die Genossen hatten damit gerechnet, dass die SPÖ mit Alfred Gusenbauer am 1. Oktober 2006 die ÖVP mit Wolfgang Schüssel als Kanzler an der Spitze ablösen werde. Franz Voves hatte ein Jahr zuvor als Quereinsteiger in der Steiermark eine historische Machtwende gegen die Klasnic-ÖVP geschafft. Das war der Auslöser für etliche SPÖ-Landeschefs, darunter auch der Wiener Bürgermeister Häupl, in Voves einen möglichen Gusenbauer-Ersatz und Kanzlerkandidaten zu sehen. Dieses „Was-wäre-wenn-Szenario“ kam logischerweise bei Gusenbauers handverlesener Schar enger Freunde – Josef Cap und Genossen – dementsprechend schlecht an. Diese sind heute Minister, wären aber bei einer Wahlniederlage weg vom Fenster gewesen. Aus der Freude über den Wahlsieg wurde Bestürzung, als Alfred Gusenbauer auch sein Wahlversprechen über die Studiengebühren gegenüber Schüssel fallen ließ. Die Landeschefs der SPÖ traten in den internen Beratungen klar gegen dieses Vorhaben auf. Die Symbolwirkung dieses gebrochenen Wahlversprechens führe zu einem gewaltigen Image-Verlust für die Partei, warnte man Gusenbauer. Doch dieser negierte bekanntlich bis heute alle Kritik. Alfred Gusenbauer hatte vor der Wahl eine Regierung der besten Köpfe angekündigt, holte sich aber mit Bures, Darabos, Schmied usw. letztlich langjährige Mitarbeiter und Schulfreunde in die Regierung. Es ist weiters bezeichnend dafür, dass Kanzler Gusenbauer im Parlament auf der Regierungsbank von ÖVP-Ministern flankiert wird und die SPÖ-Minister nur die Außenseiten besetzen dürfen.
Weichei, Seelenverwandtschaft
Nur 75 Prozent der Genossen stimmten in der entscheidenden Sitzung des Bundesvorstandes für das Verhandlungsergebnis und die Ressortverteilung. Was dies bei der Disziplin der SPÖ heißt –praktisch war dieses Resultat ein Misstrauensvotum gegen Gusenbauers Solo und seine einsamen
Entscheidungen in den Verhandlungen mit Schüssel. Durch seinen öffentlich ausgetragenen Konflikt mit Alfred Gusenbauer ist deutlich geworden, wie gestört die Gesprächsebene zwischen Franz Voves und Alfred Gusenbauer ist. Der rote Kanzler sieht in Franz Voves offensichtlich sehr wohl ein „Weichei“, sonst hätte er es nicht gewagt, ihn als erfolgreichen Wahlsieger bei der Berücksichtigung der Besetzung von Regierungsämtern so kalt abblitzen zu lassen. Der steirische SPÖ-Chef wiederum wird daher in Zukunft so etwas wie der inoffizielle Oppositionsführer innerhalb des SPÖBundesvorstandes gegen Gusen-
bauer – ein roter Reibebaum –sein und damit politisch an Gewicht gewinnen. Auch eine Form der Auszeichnung, denn in diese Verlegenheit kam sein Vorgänger Peter Schachner nie. Der Vollständigkeit halber muss am Rande aber auch eines vermerkt werden: Auch Franz Voves gefiel sich bei der Auswahl seiner Regierungsmitglieder vor der Landtagswahl 2005 als Geheimniskrämer, kümmerte sich nicht um die Parteigremien und informierte diese auch erst im letzten Abdruck. Also auch da fehlte es an parteiinterner Kommunikation und Vertrauen. Doch das ist eine eigene und andere Geschichte.

KANZLER
Voves liegt wirklich gut, Schützenhöfer nicht wirklich gut
Es ist belegbar, dass jene Wähler, die eine Partei mehrheitsfähig machen, nämlich die Wechselwähler, in der politischen Landschaft ein tückisches Stimmverhalten zeigen. Sie wählen nicht FÜR einen Kandidaten, sondern stets GEGEN, weil sie von ihrem letzten Favoriten enttäuscht wurden und nach einem neuen suchen. Deswegen gewann Franz Voves überraschend gegen Waltraud Klasnic und blieb auch die SPÖ am 1. Oktober 2006 Wahlsieger. Nicht die Strahlkraft von Alfred Gusenbauer war entscheidend dafür. Es ist daher richtig, dass sich Franz Voves öffentlich darüber beschwert („Ich bin kein Weichei!“), als Alfred Gusenbauer die Steirer bei der Verteilung der Regierungsämter kaum berücksichtigte. So sollte ein SPÖKanzler mit einem erfolgreichen SPÖ-Landeschef nicht umgehen, noch dazu, wo im Jahre 2010 Landtags- und Nationalratswahlen praktisch zusammenfallen. Ein Ernstnehmen der steirischen SPÖ hätte auch Alfred Gusenbauer nachhaltig Punkte bei den Stimmbürgern gebracht.
Stumm geblieben
Eine Große Koalition könne er sich praktisch nicht vorstellen, befand ÖVP-Landeschef Hermann Schützenhöfer nach der Niederlage von Wolfgang Schüssel. Seine Wortmeldung war die lauteste aus den Bundesländern. Jetzt gibt es sie, Schützenhöfer spricht von keiner Liebesheirat – als wenn es in der Politik je um Liebe ginge – und beurteilt die Chancen als sehr gut. Aufgrund der Ressort-Verteilung? Mag sein. Doch mit Wilhelm Molterer als Vizekanzler steuert die ÖVP auf ein Waterloo zu. Nur eine echte perso-
nelle Erneuerung an der ÖVP-Spitze könnte dies verhindern, doch dem Landesparteichef fällt zu diesem Thema öffentlich nichts ein. Mag sein, dass er auch da in sich selbst gefangen ist, weil er in seiner persönlichen Laufbahn – man denke da an seine Zeit als ÖAAB-Chef – persönlich noch kein Erfolgserlebnis à la Voves in der Politik geschafft hat, also noch nie eine Wahl erfolgreich schlagen konnte. ❖
VP-Chef Schützenhöfer: Kein offenes Wort zur VP-Krise
Foto: Steirische Volkspartei
E i n e p o l i t i s c h e N u l l - L ö s u n g
„Wolfgang Schüssel – einfach der Bessere“ wollten die ÖVP-Strategen den Österreichern klarmachen. Diese verpassten jedoch Wolfgang Schüssel eine bittere Niederlage. Vordergründig ist es aber für die ÖVP bei den Koalitionsverhandlungen viel, viel besser gelaufen als befürchtet. Den-
noch ist die Partei unglaublich weit weg von einem zukunftsträchtigen Szenario, der Zustand der Partei alles andere als gut. Da verliert ein Wolfgang Schüssel mit den von ihm ausgewählten Ministern eindeutig und klar die Wahl. Und was passiert? Praktisch alle aus der Führungsmannschaft bleiben, wechseln nur die Sessel. Eine politische Null-Lösung, die einer Bankrotterklärung in Sachen ÖVP-Nachwuchs gleicht. Der engste Vertraute Schüssels, Wilhelm Molterer – ein routinierter Technokrat, guter Klubobmann, kompetenter Minister, aber ohne die nötige Strahlkraft für die Nummer eins in einer politischen Bewegung – wird zu seinem Nachfolger gemacht. Schüssel schlägt mit Karl-Heinz Grasser jenen Mann vor, der trotz (oder gerade) wegen seiner Eskapaden, privat und auch als Politiker, hohe ImageWerte aufweist, dessen PolitikVerständnis einigen Wohlhabenden in Österreich nützt, nicht aber der Mehrheit der Österreicher. Das hat die Basis der ÖVP mit Recht und untrüglich verspürt, deshalb lehnte sie Grasser ab. Das war für Schüssel absehbar und so gesehen ein geschickter Schachzug von ihm. Denn damit blieben
er und seine alte Regierungsrunde im Rennen. Schüssel dachte daher nicht an die Wähler, auch nicht an die Zukunft der Partei, sondern nur an sich und seine Partie. Eine in die Zukunft gewandte ÖVP hätte beide – Schüssel und Molterer – mit allen Ehren verabschieden müssen. Nur so hätte die ÖVP eine gute Chance entwickeln können, bei den nächsten Nationalratswahlen klar zur Nummer eins zu werden. Die Partei stecke in einer Identitätskrise, die Person Schüssel decke diese nur zu, heißt es in einem Kommentar in der Kleinen Zeitung. Nachfolger Wilhelm Molterer, der auf die Strahlkraft des Ersten verzichten muss, ist jetzt Vizekanzler, Finanzminister und Parteichef zugleich, und er soll auch noch den Menschen die Herzen wärmen. Er wäre ein Übermensch, würde er daran nicht scheitern. So ist es.
Foto: ÖVP/Markus Hammer
Molterer als Nummer 1, Schüssel die Nummer 2. Der Exkanzler hat die Erneuerung blockiert, seiner Partei damit einen Bärendienst erwiesen.