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FORSCHUNGSSTANDORT       KLINIKUM BIELEFELD

Die Therapie von kardiovaskulären Erkrankungen ist oftmals komplex und unterliegt in Abhängigkeit neuer Studienergebnisse einem stetigen Wandel.

Dr. med. Ekaterina Stellbrink

Studienärztin der Abteilung für klinische Forschung, Assistenzärztin der Universitätsklinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin

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In den letzten Jahren standen immer wieder die Fragen im öffentlichen Diskurs, welche Schritte medizinische Behandlungsverfahren und Medizinprodukte durchlaufen müssen und wie lang es dauert, bis diese zur Behandlung von Patient*innen eingesetzt werden können. Am Klinikum Bielefeld - Mitte widmet sich eine ganze Abteilung der klinischen Forschung.

Die klinische Forschung versteht sich als ein Teilgebiet der Medizin, welches sich mit der Prüfung von experimentellen, innovativen Therapiemöglichkeiten auseinandersetzt. Damit neue Arzneimittel oder andere Therapieformen den Patient*innen angeboten werden können, müssen sie in der klinischen Forschung alle Phasen erfolgreich durchlaufen - die sogenannten Studienphasen. Ziel solcher Studien ist es, neue Medikamente und neue medizinische Produkte auf Wirksamkeit und Verträglichkeit zu testen. Sie verfolgen das übergeordnete Ziel, eine wissenschaftliche Fragestellung zu beantworten und die medizinische Versorgung zu verbessern.

Häufig wird behauptet, dass lediglich große Forschungsinstitute in ihren Laboren Studien durchführen. Tatsächlich wird dort an den experimentellen „präklinischen“ (vor Anwendung in der Klinik) Phasen der Studien gearbeitet und geforscht. Wenn sich der Therapieansatz außerhalb eines lebenden Körpers, „in-vitro“ genannt, als effektiv und sicher erweist, beginnt die klinische Forschung zuerst mit gesunden

Dilani Narendra

Praktikantin der Unternehmenskommunikation

Proband*innen und danach mit erkrankten Menschen. Hier kommen die Krankenhäuser oder Praxen ins Spiel. Damit sich Krankenhäuser überhaupt an klinischen Forschung beteiligen können, müssen sie eine Reihe von Anforderungen erfüllen.

Weit nicht alle Häuser werden diesen gerecht. Für die klinische Forschung wird ausgebildetes Personal benötigt, das hervorragende Kenntnisse in den internationalen Leitlinien für klinische Forschung, den GCP (Good Clinical Practise), vorweisen kann, und sich stetig weiterbildet. Daneben muss das Krankenhaus eine gute Infrastruktur vorweisen und über die finanziellen Ressourcen verfügen, die Studien tragen zu können. Sowohl die Überprüfung der Voraussetzungen als auch die Implementierung klinischer Forschung sind aufwendig und benötigen präzise Dokumentation und eine enge Zusammenarbeit mit den Patient*innen. Das Klinikum Bielefeld - Mitte ist eines der Häuser, die die Anforderungen erfüllen und seit Jahren aktiv forschen.

DIE ABTEILUNG FÜR KLINISCHE FORSCHUNG

Seit 2009 existiert am Standort Klinikum Bielefeld - Mitte die Abteilung für klinische Forschung. Die Abteilung ist in der Universitätsklinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin angesiedelt und wurde von Chefarzt Univ.-Prof. Dr. med. Christoph Stellbrink initiiert. Die erste Studie, an der die Abteilung mitwirkte, war eine Medikamentenstudie mit weltweit 20.000 Proband*innen. Studien, die an mehreren Standorten durchgeführt werden, werden als multizentrische Studien bezeichnet. Für die Medizin sind Studien diesen Umfangs von wesentlicher Bedeutung, da eine große Datenlage zur Verfügung steht und somit die wissenschaftliche Aussagekraft größer ist. An solchen Studien mitzuarbeiten, war eine wesentliche Motivation für die Gründung der Abteilung.

Das Team der Abteilung besteht aus den drei Study Nurses/Studienassistentinnen Marion Iselt, Stefanie Watson und Britta Brettschneider, und der Studienärztin Dr. med. Ekaterina Stellbrink, aber auch viele weitere Stations- und Oberärzt*innen werden miteinbezogen. Bei jeder neuen Studie werden die Mitarbeiter*innen von der deutschen Ethikkommission auf ihre Eignung geprüft. Für das Team ist jede Studie ein neues Kapitel mit neuen Sicherheitsaspekten, klinischem Ansatz und Einschlusskriterien. Bei jeder Studie wird sich einem neuen klinischen Problem gewidmet.

WELCHE KLINISCHEN STUDIEN WERDEN AM KLINIKUM BIELEFELD VORGENOMMEN?

Die Abteilung versteht sich als Bindeglied zwischen Forschung und klinischem Alltag. Im Kern geht es in der Forschung um die Verbesserung der bestehenden Therapien. Man schaut, wie die schon bestehenden Therapiemöglichkeiten verbessert werden können, um somit eine bessere Versorgung der Patient*innen sicherzustellen. Die Abteilung für Klinische Forschung führt die im Klinikum initiierten klinischen Projekte durch und beteiligt sich an der Umsetzung multizentrischer Studien. Zu eigenen Forschungsprojekten gehört die Forschung im Bereich der Rhythmologie (= Lehre der elektrischen Erregung des Herzens), wie zum Beispiel die Untersuchung zu Effektivität und Sicherheit der Wiederholungseingriffe bei Vorhofflimmern im Rahmen des REMATCH-Registers.

Ein wichtiges Thema der multizentrischen Forschung ist die Therapie der fortgeschrittenen Herzinsuffizienz. Bei den Patient*innen mit Herzinsuffizienz ist häufig ein Ungleichgewicht zwischen der sympatischen und parasympatischen Stimulation des Herzens vorhanden. Das führt zu reduzierter Herzleistung, Arrhythmien und übersetzt sich in ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei den herzinsuffizienten Patient*innen. Die Abteilung arbeitet momentan an den multizentrischen Forschungsprojekten „CVRx BAROSTIM THERAPY“ und „ANTHEM“ mit. Zweck der CVRx BAROSTIM THERAPY- und ANTHEM-Studien besteht darin, die Wirkung von Barorezeptor-Stimulator oder N.Vagus-Stimulator bei Patient*innen mit symptomatischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) zu bestimmen.

WER KANN AN DEN STUDIEN TEILNEHMEN?

Patient*innen, die stationär in der Kardiologie des Klinikums Bielefeld behandelt werden, können mit ihrem Einverständnis an den Studien als Proband*innen teilnehmen. Die Teilnahme an den Studien kann zu jeder Zeit und ohne Angabe von Gründen von den Patient*innen zurückgezogen werden. Die Daten der Studienteilnehmenden werden vertraulich behandelt und verlassen nicht die Abteilung für klinische Forschung. Außerdem werden die Daten anonymisiert und die Mitarbeitenden sind zur Wahrung von Patient*innendaten verpflichtet. Die Sicherheit und das Vertrauen der Patient*innen stellen für das Team die obersten Prioritäten dar.

WIE LÄUFT EINE KLINISCHE STUDIE AB?

Bei einem stationären Aufenthalt oder ambulant nach Entlassung der Patient*innen kann die Möglichkeit zum Einschluss in klinische Studien geprüft werden. Nach dem Einschluss in die Studie werden die Patient*innen regelmäßig zu Kontroll-Visiten in die Forschungsambulanz einbestellt. Dabei werden die festgelegten Parameter (z.B. Ergebnisse der apparativen Diagnostik und Laborwerte), die die Sicherheit und die Effektivität der neuen Therapie prüfen, regelmäßig kontrolliert. Die Untersuchungsergebnisse werden den Patient*innen mitgeteilt und mit ihnen gemeinsam besprochen. Diese Untersuchungen sind nicht nur für das Forschungsvorhaben wichtig, sondern auch für die Sicherheitsgewährleistung der Patient*innen.

Die Teilnehmenden werden meistens von ihren behandelnden Ärzt*innen an die Abteilung weiterempfohlen. Darüber hinaus melden sich viele Patient*innen selbstständig mit der Frage, ob sie an einer Studie teilnehmen können.

Die Anzahl der Studienteilnehmenden variiert je nach Studie zwischen 1 und 80 Patient*innen. Letztendlich entscheidet der Studienaufbau und die Intensität der ambulanten Betreuung der einzelnen Studienteilnehmenden darüber, wie viele Proband*innen in einer Studie teilnehmen. Für die effektive Rekrutierung der Studienteilnehmer*innen und qualitativ hochwertige Studienergebnisse wurde die Abteilung für klinische Forschung bereits ausgezeichnet.

ZUKUNFTSPERSPEKTIVE DER ABTEILUNG FÜR KLINISCHE FORSCHUNG

Mit dem Beitritt des Klinikums Bielefeld zum Universitätsklinikum OWL im Jahr 2021 verändert sich auch für die Abteilung für klinische Forschung so einiges. Der Forschungsstandort wird gestärkt und es ergeben sich Möglichkeiten, die Abteilung weiter auszubauen. Es werden mehr eigene, in dem Universitätsklinikum Bielefeld initiierte Forschungsprojekte ermöglicht.

In der Kardiologie sind viele Erkrankungen akut und lebensbedrohlich und der Leidensdruck der Patient*innen groß. Häufig sind die Gründe für die Teilnahme an einer Studie die fehlenden oder unzureichenden verfügbaren Therapiemöglichkeiten einer schweren akuten oder chronischen Erkrankung. Die Teilnahme an einer Studie ersetzt nicht die aktuelle leitliniengerechte Therapie der Patient*innen, sondern ermöglicht eine zusätzliche Behandlungsoption. Somit haben viele Patient*innen im Rahmen einer Studie die Möglichkeit, eine ergänzende Therapie zu erhalten.

Außerdem sind einige kardiologische Erkrankungen weniger erforscht und die Patient*innen haben ein großes Interesse, bei der Erforschung dieser Erkrankungen mitzuwirken. Eine weitere Motivation für viele Patient*innen, an den Studien mitzuwirken, ist der gesellschaftliche Nutzen der Forschung. Nur mit der Forschung kann man die Behandlung von Erkrankungen verbessern und die medizinische Versorgungslandschaft innovativer gestalten.

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