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Ausbildung zur Pflegefachfrau

Seit September 2020 bildet das Epilepsiezentrum Kleinwachau Pflegefachkräfte aus.

Die generalisierte Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann gibt es erst seit 2020. Sie kombiniert die bis dahin bekannten Ausbildungen zur Gesundheits- und Krankenpflege, Altenpflege und Kinderkrankenpflege. Für das Epilepsiezentrum Kleinwachau war die Reform der Pflegeausbildung zugleich der Antrieb zum Start des ersten Ausbildungsjahrgangs in der Fachklinik für Neurologie. Jedes Jahr werden vier junge Menschen ausgebildet, Lena Blum ist eine davon. Im Interview verrät sie uns, was junge Menschen für die Pflege motiviert.

Frau Blum, so lange gibt es die Ausbildung zumindest in dieser kombinierten Form ja noch nicht. Was hat Sie bewogen, gerade diesen Beruf zu wählen? Bevor ich hier angefangen habe, hatte ich bereits eine Ausbildung als Sozialassistentin erfolgreich abgeschlossen. Ich wollte danach unbedingt in die pflegerische Richtung gehen, mich aber nicht auf eine Alters- oder Menschengruppe festlegen. Von einem Freund aus meiner Klasse habe ich dann von dieser Ausbildung erfahren und mich direkt in Kleinwachau beworben.

Und dann wurden Sie sofort zum Gespräch eingeladen? Ja! Und das war anders als die Gespräche, die ich vorher erlebt hatte. Es gab spezifische Fragen zu direkten Situationen und wie ich damit umgehe. Es war irgendwie viel anspruchsvoller. Das hat mich gereizt. Anscheinend bin ich den Anforderungen ja gerecht geworden.

Das sind Sie und mittlerweile haben Sie bereits anderthalb Jahre als Auszubildende die Fachklinik im Epilepsiezentrum Kleinwachau kennenlernen können. Was macht die Arbeit hier so besonders für Sie?

Lena Blum macht seit September 2020 ihre Ausbildung in Kleinwachau. Sie wünscht sich mehr positive Berichte über die schönen Seiten ihres Berufs.

Meine Kolleginnen und Kollegen sind super freundlich, aufgeschlossen und sie interessieren sich für mich. Ich erfahre hier Hilfsbereitschaft und Verständnis bei den Dingen, die ich eben noch nicht kann oder die ich noch nicht in der Schule hatte. Große Freude bereitet mir das Spazierengehen mit den Patientinnen und Patienten, mit ihnen zu reden und auch gemeinsam mit ihnen kleine Dekorationen zu basteln.

Fernsehsender wie ProSieben mit Joko & Klaas schenken der Pflege gerade Sondersendungen und es ist noch nicht lange her, da applaudierten viele von ihren Balkonen für Menschen in Ihrem Beruf. Was löst das bei Ihnen aus? Natürlich freut es mich, dass die Pflege mehr an Aufmerksamkeit gewonnen hat. Allerdings ist es traurig, dass es dafür erst eine weltweite Pandemie, Notstände und Einschränkungen gebraucht hat. Wenn Medien über Pflege berichten, dann werden meist nur negative Aspekte beleuchtet. Es wird fast nur von Stress, schlechten Arbeitsbedingungen und Burn-out gesprochen. Natürlich kann das ein Teil der Pflege sein – aber es ist nicht alles! Ich wünsche mir mehr Berichte über die schönen und positiven Seiten der Pflege. Wie es ist, Menschen zu helfen, wie viel Dankbarkeit man als Pflegekraft bekommt, wie schön die Arbeit mit alten, kranken und behinderten Menschen sein kann. Und die Frage ist doch eher: Wie können wir in Zukunft mehr Wertschätzung und bessere Verhältnisse erlangen?

EINE ERNÄHRUNG,

DIE EPILEPSIE HEILEN KANN Wolfgang Suchner (rechts) begann 2018 mit der Ketogenen Diät. Dabei betreut ihn die Diät-Assistentin Antje Böhme (Mitte) und der Mediziner Dr. Frank Brandhoff (links).

Diät-Assistentin Antje Böhme setzt im Epilepsiezentrum Kleinwachau auf die Ketogene Diät als Therapieform für Kinder, aber auch für Erwachsene. Mit Erfolg, wie das Beispiel von Patient Wolfgang Suchner zeigt.

Wolfgang Suchner hat einen großen Wunsch: Er will wieder Auto fahren. Er will wieder mobil und flexibel sein mit seiner Tuba, die er jetzt auf dem Rücken von Auftritt zu Auftritt schleppt. Falls es überhaupt Auftritte gibt. Als freiberuflicher Musiker, Regisseur und Schauspieler ist das Leben seit der Corona-Pandemie nicht gerade einfacher geworden. Darüber hinaus darf er kein Fahrzeug lenken, er hat Epilepsie. Das Fahrverbot bei Epilepsie ist für viele Betroffene nach der Diagnose Epilepsie das nächste einschneidende und den Alltag verändernde Ereignis. Fast 70 Prozent aller Epilepsie-Erkrankten dürfen später wieder ein Fahrzeug führen. Wolfgang Suchner gilt jedoch als pharmakoresistent, austherapiert. Oder besser gesagt: Medikamente schaffen es nicht, dass er anfallsfrei wird. Doch für ihn gibt es einen Lichtblick: die „Ketogene Diät“. Begonnen hat er damit vor drei Jahren. Das ZDF Morgenmagazin „Volle Kanne“ begleitete ihn beim Start der damals bei Erwachsenen noch recht neuen Therapieform im Epilepsiezentrum Kleinwachau. Jetzt – also drei Jahre später – ist sein letzter Anfall knapp sechs Monate her. Und den erlebte er auch deut-

lich abgeschwächter. „Früher brauchte ich gut zwei Tage, um mich von einem Anfall zu erholen. Aber jetzt bin ich kurz abwesend und kann nach wenigen Stunden wieder reden und arbeiten”, erzählt der Wuppertaler. Er ist sich sicher: „Die Ketogene Diät hat meinen Krankheitsverlauf positiv beeinflusst.”

2018 schlägt die Kleinwachauer Diätassistentin Antje Böhme Wolfgang Suchner vor, seine Ernährung umzustellen. „Ich bevorzuge die Terminologie ‚Ketogene Ernährungstherapie‘, um deutlich zu machen, dass es einen Unterschied zur gerade sehr modernen ‚Keto-Diät‘ gibt”, stellt Antje Böhme klar. In der Tat präsentierten in den letzten Jahren Hochglanz-Lifestyle-Magazine die Abnehmerfolge von Hollywoodstars wie Halle Barry oder Meghan Fox als „neuen Promi-Trend”. Doch so neu ist die Ernährungsweise nicht. 1921 war es der amerikanische Arzt und Wissenschaftler Russell M. Wilder, der als Erster eine Ketogene Diät an Patientinnen und Patienten durchführte und dieser Ernährungsweise den Namen gab. Antje Böhme: „Schon länger hatte man beobachtet, dass vor allem Epilepsie-Erkankte im Kindes- und Jugendalter während des Fastens mitunter eine verminderte Anfallshäufigkeit zeigten. In den 1960er Jahren erkannte man, dass Therapien wie die Ketogene Diät, aber auch die Modifizierte Atkins-Diät sich ebenso günstig auf den Verlauf der Krankheit bei Erwachsenen auswirken können.“

32 Prozent, die sich ketogen ernährten, halbierten die Anzahl ihrer Anfälle. Neun Prozent der ketogenen Diätgruppe berichtete über eine Verringerung der Anfallsfrequenz von mehr als 90 Prozent.

2014 werteten amerikanische Forscher von der Bethesda University in Kalifornien insgesamt zehn Langzeit-Studien aus und kamen zu folgendem Ergebnis: „32 Prozent der Teilnehmenden, die sich ketogen ernährten, halbierten die Anzahl ihrer Anfälle. Neun Prozent der ketogenen Diätgruppe berichtete über eine Verringerung der Anfallsfrequenz von mehr als 90 Prozent.“ Die Ketogene Diät imitiert also den Zustand des Fastens. Stehen für einen längeren Zeitraum keine Kohlenhydrate zur Verfügung, sind also die Energievorräte des Körpers aufgebraucht, beginnt in der Leber die sogenannte Ketogenese. In diesem Stoffwechselzustand wandelt der Körper Fette und Proteine zu Energielieferanten, von denen vor allem das Gehirn profitiert.

Dr. Frank Brandhoff ist Wolfgang Suchners behandelnder Arzt in der neurologischen Fachklinik des Epilepsiezentrums Kleinwachau. Brandhoff stellt fest: „Es ist wissenschaftlich nicht einfach erklärbar, wie genau die Ketogene Diät auf Gehirn und Epilepsie wirkt. Es wird davon ausgegangen, dass die durch die Diät hervorgerufene chronische Ketose die Energieproduktion im Gehirn verstärkt und vermehrt den dämpfenden Neurotransmitter Gamma-Amino-Buttersäure freisetzt, der Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit verbessert.“

Antje Böhme, seit 2016 Diätassistentin in Kleinwachau, erklärt: „In der klassischen Ketogenen Diät planen wir 60 bis 90 Prozent der Kalorienmenge als Fett ein und dementsprechend 40 bis 10 Prozent an Nicht-Fett, also Kohlenhydrate und Eiweiß. Wir beachten dabei ein festes Nährstoffverhältnis, die sogenannte ketogene Ratio. Je nach Alter und Verträglichkeit bestimmen wir den individuellen Energie- und Eiweißbedarf der Patientinnen und Patienten.“ Zum Vergleich: Eine normale und nicht ketogene Ernährung besteht aus 49 Prozent Kohlenhydrate, 35 Prozent Fett und 16 Prozent Eiweiß. „Bei der Modifizierten Atkins-Diät, die vor allem bei Jugendlichen und Erwachsenen ihren Einsatz findet, wird mit nur zehn Gramm an Kohlenhydraten pro Tag begonnen. Wenn man bedenkt, dass ein Apfel 17 Gramm Kohlenhydrate hat, müssen gerade Patientinnen und Patienten, die früher große Mengen gegessen haben, sich umstellen, dass es in Zukunft auf dem Teller nur noch recht übersichtlich aussehen wird“, führt Antje Böhme aus. Sie stellt aber auch klar: „Die Hungergefühle der ersten Tage lassen aber schnell nach.“

Wolfgang Suchner hat gut und gerne gelebt. In den 1980er Jahren brachte er es mit seiner politischen Band „Fortschrott“, als Trompeter bei Hubert Kah und als

Schauspieler beim „Theatre Du Pain“ zu einer gewissen Berühmtheit. Auf Tour sein, frei sein – das machte ihn aus. Doch dann kam dieser Tag im Sommer 1991. Er probte mit Musikerkollegen. An einer Stelle kam die Band nicht weiter. Plötzlich hatte Wolfgang Suchner eine Idee. „Ich habs, rief ich, und dann verlor ich das Bewusstsein”, erinnert er sich. Die Ärzteschaft diagnostizierte in der linken Hirnhälfte einen Blutschwamm – und eine Epilepsie. Wolfgang

Suchner: „Letztlich hat mich die Epilepsie gerettet, denn nur so wurde der Blutschwamm, der zu bluten begonnen hatte, auch entdeckt.“ Der Blutschwamm konnte operiert, geklebt und bestrahlt werden – die Epilepsie blieb.

„Die ersten Ärztinnen und Ärzte, die ich konsultierte, wollten, dass ich mein Leben als freiberuflicher Musiker und Künstler aufgebe. Ich bräuchte Regelmäßigkeit und Sicherheit, hieß es. Doch das war das Letzte, was ich wollte“, erzählt er heute lachend. Dann traf er Dr. Thomas Mayer, damals Oberarzt im Epilepsiezentrum Bethel in Bielefeld.

Wolfgang Suchner: „Dr. Mayer war der Einzige, der zu mir sagte: Bleiben Sie bloß Musiker und freiberuflich tätig.“ Eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Bindung entstand.

Wir dürfen stolz darauf sein, dass die Ketogene Ernährungstherapie so gut angeschlagen hat. Hundertprozentig vorhersagen konnten wir das nicht.

Als Dr. Thomas Mayer 2003 Chefarzt in Kleinwachau wurde, folgte ihm auch Wolfgang Suchner als Patient. Der Patient aus dem Bergischen Land nahm den weiten Weg in die Westlausitz auf, um weiter von Chefarzt Dr. Mayer behandelt zu werden. Heute noch. Zur Einstellung der Ketogenen Ernährungstherapie haben sich im Epilepsiezentrum Kleinwachau nun Dr. Brandhoff und

Diätassistentin Antje Böhme seiner angenommen. „Wir dürfen stolz darauf sein, dass die Ketogene Ernährungstherapie so gut bei Herrn Suchner angeschlagen hat. Hundertprozentig vorhersagen konnten wir das nicht”, sagt Mediziner Brandhoff. Und Wolfgang Suchner ist sehr diszipliniert, wenn es um die Ketogene Diät geht. Das Wiegen und das Achten auf Zutaten gehören jetzt zu seinem Alltag. Zehn Kilo hat er bereits abgenommen. „Das Wichtigste aber ist, dass die Anfälle weniger werden und ich bald auch wieder Autofahren kann, damit ich die Tuba nicht mehr in Taxis oder die Wuppertaler

Schwebebahn quetschen muss,” wünscht sich Wolfgang Suchner. Und wir wünschen es ihm auch!

LEICHTE SPRACHE

Herr Suchner hat Epilepsie. Epilepsie ist eine Krankheit im Gehirn. Gegen Epilepsie gibt es Medikamente. Bei Herrn Suchner helfen aber keine Medikamente.

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