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Neue ambulante Hilfen in Radeberg
NEUE AMBULANTE
HILFEN IN RADEBERG
Begleitete Elternschaft und Elternassistenz für Menschen mit Behinderungen in Radeberg gestartet.
Korina Barwanietz und ihr Team helfen Menschen mit Behinderung, die Eltern sind oder bald Eltern werden.
Korina Barwanietz ist eine Pionierin. Auch wenn sich die junge Dresdnerin als solche nicht bezeichnen lassen will, hat sie für das Epilepsiezentrum Kleinwachau Neuland betreten. Im Herzen von Radeberg, zwischen den beiden Wahrzeichen Rathaus und Schloss Klippenstein gelegen, ist unter der Leitung der studierten Rehabilitationspsychologin eine „Ambulante Hilfe für Eltern und Kinder“ entstanden. Idee und Initialzündung kamen von Elke Kupferschmidt, der Leiterin der Ambulanten Wohnangebote in Radeberg.
„Das Projekt soll Menschen mit Behinderungen, welche bereits ein oder mehrere Kinder beziehungsweise einen Kinderwunsch haben, die Möglichkeit bieten, ihre Rolle als Eltern mit Unterstützung wahrzunehmen, auszuüben oder zu ermöglichen”, erklärt Korina Barwanietz. Viele Familien seien zwar gut vernetzt, so Barwanietz weiter, „jedoch steht natürlich die eigene kognitive oder psychische Beeinträchtigung im Vordergrund sowie Vorbehalte seitens des Helfersystems, wie zum Beispiel der Ämter, die diesen Menschen ein selbstbestimmtes Leben nicht zutrauen.” Die Folge formulierte ein Forschungsbericht der Universität Bremen: „Eltern, die in sozialer Isolation leben, haben es schwerer, elterliche Kompetenzen zu verwirklichen, als sozial gut integrierte Eltern.”
Fundament ist die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die mittlerweile von 182 Staaten und der Europäischen Union unterzeichnet wurde. Das Vertragswerk, das im Dezember 2006 in New York beschlossen wurde und am 1. Januar 2009 in Deutschland in Kraft trat, manifestiert die Gleichberechtigung für Menschen mit Behinderungen auch in Fragen von Ehe, Familie, Eltern- und Partnerschaft. „Sie haben das Recht“, heißt es in Artikel 23, „eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen“ und eine „Entscheidung über die Anzahl ihrer Kinder und die Geburtenabstände“ zu fällen.
Menschenrecht statt Medizin
Die Bochumer Jura-Professorin Theresia Degener, die für die Bundesregierung die Konvention mit verhandelte, unterstrich später in einem Aufsatz die historische
Bedeutung des internationalen Abkommens: „Behindertenpolitisch markiert die Behindertenrechtskonvention den Paradigmenwechsel vom medizinischen zum menschenrechtlichen Modell von Behinderung auf internationaler Ebene.”
Der Mensch im Mittelpunkt – das ist auch die Philosophie von Korina Barwanietz, die im westlausitzer Leppersdorf aufwuchs, in Stendal (Sachsen-Anhalt) studierte, dann die Welt bereiste und jetzt in der Heimat Eltern oder werdenden Eltern ein neues Beratungsangebot bietet.
Eltern, die in sozialer Isolation leben, haben es schwerer, elterliche Kompetenzen zu verwirklichen als sozial gut integrierte Eltern. Dabei sollen sie selbstbestimmt und selbstständig leben können.
Sie sagt: „In der heutigen Zeit darf das nicht vorkommen, was lange Realität war: dass Mutter und Kind getrennt werden. Wir bieten Menschen, die eine kognitive, körperliche oder seelische Behinderung haben, die nötige Unterstützung an – wenn sie es brauchen und wollen.“ Zurzeit betreuen Korina Barwanietz und ihre beiden Kolleginnen – ausgebildete Sozialpädagoginnen – zwei Familien: eine Mutter mit drei und eine Mutter mit zwei Kindern. Die Hilfe erstreckt sich von der Einkaufsbegleitung, Unterstützung bei Korrespondenz und Kommunikation bis hin zur Beratung bei Haushalts- und Erziehungsfragen. Korina Barwanietz: „Aber natürlich geht es hier um Hilfe zur Selbsthilfe. Schließlich sollen die Familien selbstbestimmt und selbstständig leben können.“
Finanziert wird das Kleinwachauer Projekt von der „Aktion Mensch“ mit 300.000 Euro bis zum Sommer 2025. Die 1964 von einem ZDF-Journalisten gegründete Initiative, der sich mittlerweile auch Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Caritasverband, Deutsches Rotes Kreuz, das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland angeschlossen haben, sieht hier selbst großen Handlungsbedarf. Es gebe noch viele Vorbehalte, „vor allem was die Elternschaft von Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischer Krankheit angeht”, so der Verein in einer Stellungnahme.
Und weiter: „In der Realität sehen Behörden die Behinderung von Vater oder Mutter oft als eine Kindeswohlgefährdung an und geben die Kinder in Pflegefamilien – gegen den Willen der Eltern. Dabei gibt es Angebote, die ein Familienleben möglich machen.” Allerdings gibt es in Deutschland noch viel zu wenig Plätze und Beratungsangebote.
In Radeberg sind dagegen noch Kapazitäten vorhanden. Korina Barwanietz: „Aktuell könnten wir noch weitere fünf bis sechs Familien betreuen. Und unser Vorteil ist natürlich auch, dass wir mit dem Kleinwachauer Hintergrund eine Expertise bei geistiger Behinderung und zugleich Epilepsie haben.” Kein Zweifel – ob sie es will oder nicht – Korina Barwanietz ist eine Pionierin.
UNSERE HILFEN
Sie sind Eltern oder werden bald Eltern? Sie benötigen Unterstützung? Wir beraten Sie gern! Gemeinsam schauen wir, wie wir Ihnen konkret helfen können.
Ambulante Hilfen für Eltern und Kinder in Radeberg TEL (03528) 22 99 18 MAIL familien-hilfe@kleinwachau.de WEB www.kleinwachau.de
