Kinki Magazine - #5

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figaro

die dauerwelle Herkunft die frühen 20er Jahre, als sich auch glatthaarige Frauen eine flot­ te Lockenpracht herbei sehnten Mindset jung gebliebene Retrofans, alt gewordene Ewig-Gestrige Geschlecht weiblich und (in ganz seltenen und meist peinlichen Ausnah­ men) auch männlich Passt gut zu Leggins, Miniröcken, 70er Leder­ jacken mit Wildlederfransen an den Armen, Overkneestiefeln

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ie 50er Jahre hatten so manche gemeine Modesünde zu bieten, die damals natürlich noch nicht als solche erkannt wurde. Ganz im Gegenteil: Wer als informierte Dame etwas auf sich hielt, liess sich dank einer fiesen und extrem übel riechenden chemischen Reaktion die langweiligen glatten Haare in eine freche Lockenfrisur umwandeln. Wo seit den frühen 20ern die Haare noch mühselig mit Spiralwicklern aufgedreht wurden, gab es ab den Fünfzigern eine andere Lösung. Das chemische Wunder vereinfachte alles – obwohl es Haare und Kopfhaut verätzte. Man konnte nur hoffen, dass die Damen beim Coiffeur auf das Trockenföhnen der Haare bestanden. Denn das Lufttrocknen sorgt für einen Afrolook, der den Peinlichkeitsgrad rapide in die Höhe schraubt. Der Trend hielt an: selbst noch in den späten 80er Jahren trugen HollywoodIdole wie Jennifer Grey in ‹Dirty Dancing› oder Hitparadenheldinnen wie Kylie Minogue die Welle auf dem Kopf. Und natürlich Madonna, die jede haarige Modesünde mit Bravour über-

stand. Und als in den Achtzigern die Ölmillionäre zwischen Dallas und Denver noch jeden Dienstagabend um die Gunst der Zuschauer buhlten, waren nicht nur die weiblichen Hauptdarsteller dem Dauerwellenwahn verfallen, sondern auch die Fans vor den TV-Bildschirmen. Joan Collins war eine

gewellte Stil-Ikone! Und nicht nur für die daheim Gebliebenen. Vor jedem Discobesuch verbrachten junge Frauen Stunden mit den Lockenwicklern, welche die Dauerwellen noch einmal schön in Schuss brachten. Sie zwangen sich in enge Leggings und Overkneestiefel, bevor sie zu Tanzlokalen

pilgerten, die Namen wie ‹Lipstick›, ‹Roxy› oder ‹Calypso› trugen, um sich dann zu den Klängen von ‹Like a virgin› oder ‹Holiday› zum Tanz auffordern zu lassen. Wieso irgendwann die gewellten Haare an Beliebtheit verloren haben, weiss heute niemand mehr genau. Denn schon ab den Neunzi-

gern war die Dauerwelle wieder aus dem Standardprogramm der Frisörläden verdammt worden. Es schadet Haaren wie Kopfhaut und führt doch nur zu einer Frisur, die auch bei Joan Collins nur eine Staffel von ‹Denver Clan› überlebt hat. Text: Adriana Popescu Illustration: Lina Müller

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