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Die Geburt in Zeiten von Corona
© 2020 unsplash.com / Irina Murza
Interview mit Frau Sabine Pargfrieder BSc.
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Frau Sabine Pargfrieder BSc., Hebamme, erzählt in einem Interview mit Frau Dr. Brigitte Schimpl, wie sich ihre Arbeit in der Linzer Kinderklinik (Med Campus IV.) und als freie „Kassen-Hebamme“ durch Corona verändert hat. In ihrer Tätigkeit ist sie es gewöhnt, mit Veränderungen jeglicher Art professionell umzugehen und sich schnell auf andere Bedingungen einzustellen. Dennoch müssen sich Hebammen, so wie das gesamte medizinische Personal, mit vermehrten Ängsten, sowohl bei Müttern als auch Vätern, auseinandersetzen. Auch die ersten Monate mit dem neugeborenen Baby haben sich verändert.
Dr. Brigitte Schimpl: Wie hat sich Ihre Arbeit als Hebamme in der Corona-Zeit verändert? Sabine Pargfrieder BSc.:
Im Wesentlichen gar nicht, denn eine Betreuung mit Abstand ist in der Hebammenarbeit schlicht nicht möglich. Allerdings ist es noch wichtiger als zuvor geworden, immer am Laufenden zu bleiben und sich über die gel-

tenden Bestimmungen zu informieren, um sich und seine Tätigkeit danach richten zu können.
Das Tragen des Mund-NasenSchutzes während des gesamten 12 Stunden Dienstes ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Als Schlüsselpersonal ist man nicht ersetzbar und die Arbeit kann auch nicht einfach eingestellt werden, darum lastet eine gewisse erhöhte Verantwortung auf meiner Berufsgruppe.
Dr. Brigitte Schimpl: Was sind die häufigsten Ängste der Mütter vor, während und nach der Geburt? Sabine Pargfrieder BSc.:
Zu Beginn des Lockdowns erreichten mich viele verzweifelte Anrufe von Schwangeren, die sich Sorgen machten, ob die Versorgung für sie und ihr Ungeborenes allgemein gefährdet wäre. Vorsorgetermine beim Arzt oder der Hebamme wurden verschoben oder ganz abgesagt, je nach Situation und persönlichem Ermessen des Arztes.
Partner dürfen seither keinem Vorsorgetermin mehr beiwohnen. Natürlich verunsichert das die Schwangeren, die sich ohnehin in einer sehr sensiblen Phase ihres Lebens befinden. Die Angst alleine entbinden zu müssen, ist bei vielen Frauen natürlich groß. Zum Glück war dies nie der Fall, solange die Frau oder ihr Partner nicht selbst erkrankt sind. Ab dem Zeitpunkt des Eintreffens der Frau im Kreißzimmer, wenn die Geburt absehbar ist, darf ihr Partner dabei sein, um die werdende Mutter zu unterstützen.
Auch die Wochenbettvisiten, die ich als Hebamme zur Nachsorge tätige, waren zu jedem Zeitpunkt nötig und somit möglich. Denn auf diese wertvolle Hilfe sollen die Frauen natürlich auch trotz Corona nicht verzichten müssen.
Wenn möglich, werden Beratungen nun telefonisch oder virtuell durchgeführt, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren.

Dr. Brigitte Schimpl: Wie gestalten sich die ersten Lebenswochen nach der Geburt für Mutter und Baby zum Unterschied vor Corona?
Sabine Pargfrieder BSc.:
Mit einem Wort: Ruhiger. Bedingt durch die Besucherregeln in den Krankenanstalten, hat sich der Besuch im Wochenbett drastisch reduziert. Natürlich ist dies nicht unbedingt erfreulich für alle Beteiligten. Allerdings kann man dadurch auch einen positiven Effekt für Mutter und Kind erkennen. Viele meiner Kollegen, die im Wochenbett tätig sind, berichten von weniger Still- und Rückbildungsproblemen. Die jungen Familien haben mehr Zeit, um sich in Ruhe von der Geburt zu erholen sowie das Kind und den Umgang damit ungestört kennenzulernen.
Dr. Brigitte Schimpl: Können Sie vermehrt Ängste bei den Müttern feststellen, die Sie auf die Corona - Epidemie zurückführen können?
Sabine Pargfrieder BSc.:
Natürlich machen sich besonders Schwangere viele Gedanken und haben oft auch Zukunftsängste. Aber da die Grundversorgung zu keinem Zeitpunkt gefährdet war, gibt ihnen das auch eine gewisse Sicherheit.
Auch scheinen die Arbeitsbedingungen in den verschiedensten Berufen für Schwangere nicht immer ganz ideal zu sein. Einige wurden natürlich gleich zu Beginn der Pandemie freigestellt und verbringen ihre Zeit vorwiegend zur Sicherheit zu Hause. Andere arbeiten unter schwierigen Bedingungen und fürchten sich vor Ansteckung oder sitzen ihre Zeit mehr oder weniger „ab“, weil es keine geeignete, sichere Arbeit für sie in ihrem Bereich gibt.
Das normalerweise sehr große Angebot für Schwangere kam beinahe vollständig zum Erliegen, wie zum Beispiel Schwangerenturnen, Geburtsvorbereitungskurse, Säuglingspflegekurse usw. So manche Schwangere hat Angst, die Geburt alleine und unzureichend vorbereitet meistern zu müssen.
Dr. Brigitte Schimpl: Wie erleben Väter während der Pandemie die spannende Zeit kurz vor, während und nach der Geburt?
Sabine Pargfrieder BSc.:
Wie zuvor erwähnt, dürfen die Partner nun keinen Vorsorgeuntersuchungen mehr beiwohnen. Auch wenn dieses Angebot vor der Krise nicht von allen Familien genutzt wurde, denke ich, dass dies eine gute Möglichkeit für die Partner ist, diese spannende Zeit noch intensiver miterleben zu können.
Oft berichteten mir die jungen Väter, dass sie ein starkes Gefühl der Nutzlosigkeit gefühlt haben, während ihre Frauen unter Schmerzen die Geburt meisterten. Nun gesellt sich für die Männer die Sorge dazu, gar nicht dabei sein zu dürfen oder zu spät gerufen zu werden.
Selbst wir Hebammen hatten zu Beginn der Corona-Krise die Sorge, dass die Männer nicht mehr bei der Geburt dabei sein dürfen, denn auch für uns ist der Partner im Kreißzimmer eine sehr wichtige Unterstützung, da eine Eins-zu-eins-Betreuung aufgrund von Personalmangel nicht möglich ist und die Frauen beim Gebären nicht alleine gelassen werden sollten.
Natürlich sind die strengen Besucherregeln ebenso ein Schutz für das Personal und dafür sind wir wirklich dankbar. Auch deshalb müssen die Partner während der Anwesenheit im Krankenhaus immer einen Mund-Nasen-Schutz tragen.
Dr. Brigitte Schimpl: Herzlichen Dank für das Interview.
Sabine Pargfrieder BSc.
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