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XIV. Jhrg. | III. Quartal 2014 | Nr. 54

IT-Kundenmagazin für Sachsen-Anhalt

Digitale Welt – Fluch und Segen Seite 12-15

Aus der KITU-Praxis KITU begrüßt Stadt Zerbst/Anhalt

Über den Tellerrand Kommunalverwaltungen auf internationalem Parkett

Streiflichter Insektenharz bewahrt Töne


Editorial

Tagesgeschäft und Reflexion

Das Wimmelbild auf der Titelseite soll es andeuten: die Aspekte der kommunalen IT sind sehr vielfältig. Dem wollen wir mit diesem Heft besonders gerecht werden. Zum einen berichten wir in einigen Artikeln über den Alltag von KITU und KID. Und zum anderen behalten wir die kritische Distanz zu unserer Technik und den damit möglichen Entwicklungen. In zwei Beiträgen (Seite 12 bis 15) wird Fluch und Segen der neuen Technik reflektiert. Gerade uns, die wir uns tiefergehend mit den neuen technischen Möglichkeiten beschäftigen, kann die Verantwortung nicht abgenommen werden, zwar mit Begeisterung für die segensreichen Vorteile zu werben, aber auch dazu beizutragen, dass die Nachteile, die allem innewohnen, nicht zum Fluch werden. Die Verbindung zwischen Gegenwart und Zukunft erfolgt auf dem großen KITU-TAG am 22. Oktober 2014 in Barleben. KITU und ihre Partner werden an vielen Ständen und zahlreichen Vorträgen mit den Besuchern über die aktuellen Möglichkeiten der kommunalen IT und ihre Zukunftschancen diskutieren. Auch Sie sind eingeladen. Weitere Informationen finden Sie hier: www.kitu-genossenschaft.de

Inhalt

Barleben

Digitaler Kodex Rettungsanker im Strudel der Digitalisierung �� 12/13

Aus der KITU-Praxis

Digitale Welt – Fluch und Segen Nicht dümmer als Singapur ������������������������������14/15

KITU-Roadshow in der Wasserburg zu Gommern �����04

Über den Tellerrand Kommunalverwaltungen auf internationalem Parkett ����������������������������������16/17

10 Jahre Einheitsgemeinde Barleben �������������������������03 KITU-TAG 2014 ���������������������������������������������������������04

KITU begrüßt Stadt Zerbst/Anhalt als 30. Mitgliedskommune ���������������������������������������05

Aus der KID-Praxis Dezentrale Autoabmeldung über Internet ����06/07 Aus der KID-Praxis Qualifizierung in der Hochschule Harz – Fachbereich Verwaltungswissenschaften ��������08/09 Genossenschaft Vor 125 Jahren trat das Genossenschaftsgesetz in Kraft ����������������������10/11 2

Ausflugstipp Die Quedlinburg: Sie thront hoch über der Stadt und birgt viele Geheimnisse ��������������������18/19 Streiflichter Insektenharz bewahrt Töne ����������������������������20/21 Humor Dann doch lieber Pickel-Suppe (Teil 2) �����������������22 Rätsel | Sudoku | Impressum �����������������������������23


Barleben

10 JAHRE Einheitsgemeinde Barleben Mit einem Festakt im Gemeindesaal in der Mittellandhalle in Barleben haben die alten und neuen Gemeinderatsmitglieder, Vertreter der Verwaltung sowie Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zusammen mit dem Bürgermeister Franz-Ulrich Keindorff den 10. Jahrestag der Gründung der Einheitsgemeinde Barleben gefeiert. Zu den Gästen zählten unter anderem SachsenAnhalts Minister für Inneres und Sport, Holger Stahlknecht, Minister für Landesentwicklung und Verkehr, Thomas Webel, sowie der Landrat des Landkreises Börde, Hans Walker, und die Bürgermeister der Stadt Wolmirstedt und der Gemeinde Niedere Börde, Martin Stichnoth und Erika Tholotowsky.

Bürgermeister FranzUlrich Keindorff (Mitte) hat Dr. Michael Wandersleb (l.) und Detlef Thormeyer für ihre Verdienste ausgezeichnet.

Foto: Thomas Zaschke

In seiner Festrede erinnerte Keindorff daran, dass mit der Gründung der Einheitsgemeinde am 1. Juli 2004 ein langer Prozess des freiwilligen Zusam-

mengehens der drei Ortschaften Ebendorf, Barleben und Meitzendorf abgeschlossen wurde. Nach den Gastreden von Innenminister Holger Stahlknecht, Verkehrsminister Thomas Webel und Ortsbürgermeister Manfred Behrens zeichnete Bürgermeister Keindorff Dr. Detlev Thormeyer, Vorsitzender der Wirtschaftsakademie Otto-von-Guericke e. V., und Dr. Michael Wandersleb, Vorstandsvorsitzender der „Kommunalen IT-UNION eG“ (KITU), aus und überreichte ihnen die silberne Ehrenplakette der Gemeinde Barleben. Barleben ist eines der drei Gründungsmitglieder der KITU.

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Aus der KITU-Praxis

KITU-TAG 2014 Unter dem Motto „Eine starke Gemeinschaft“ veranstaltet die KITU nach 2012 in diesem Jahr zum zweiten Mal den KITU-TAG. Dieser findet wegen der großen Nachfrage an Ausstellungsfläche in der Mittellandhalle am 22. Oktober in Barleben statt. Die KITU sowie ihre Partnerunternehmen werden sich Ihnen an diesem Tag präsentieren.

Es wird eine Ausstellungsfläche mit einem kleinen Marktplatz zum Diskutieren, Informieren, Kontakte knüpfen und natürlich auch zum Stärken geben. In Vorträgen können sich alle über die Leistungen unserer kommunalen Genossenschaft und ihrer Partner informieren und mit Vertretern aus Mitgliedskommunen über die Möglichkeiten und Chancen einer Mitgliedschaft kommunizieren. Sie sind herzlich eingeladen. Alle Informationen finden Sie hier: www.kitu-genossenschaft.de In der nächsten Ausgabe werden wir darüber berichten.

KITU-Roadshow in der Wasserburg zu Gommern Im rustikalen Ambiente des Brauhauses der Wasserburg zu Gommern trafen sich interessierte Kommunen, die sich über eine Mitgliedschaft in der Kommunale IT-UNION eG (KITU) informieren wollten. Die Referenten, Dr. Michael Wandersleb, Vorstandsvorsitzender der KITU, Dr. Alexandra Losch, Fachanwältin für Verwaltungs-, Bau- und Architektenrecht, und Sven Hantscher, Fachbereichsleiter Zentrale Dienste der Stadt Weißenfels, gaben einen Überblick über die Vorteile der interkommunalen Zusammenarbeit und brachten mit Ihren Ausführungen den Gästen den Genossenschaftsgedanken näher. Bei einem kleinen Mittagsimbiss entwickelten sich interessante Gespräche, die im Nachgang der Veranstaltung noch vertieft werden. Es war eine gelungene Veranstaltung. Neue Mitglieder in unserer „KITU-Familie“ sind herzlich willkommen.

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Aus der KITU-Praxis

KITU begrüßt Stadt Zerbst/Anhalt als 30. Mitgliedskommune Am 21.05.2014 hat der Stadtrat von Zerbst/Anhalt den Beitritt zur Kommunalen ITUNION eG (KITU) zum 01.06.2014 beschlossen. Die Vorteile in der Genossenschaft, z. B. die praxisbezogene interkommunale Zusammenarbeit in diversen Arbeitskreisen und die gemeinsame Beschaffung, haben die Verwaltung und den Stadtrat überzeugt. Schon seit Beginn dieses Jahres findet ein intensiver Austausch zwischen der KID Magdeburg GmbH, der Betriebsgesellschaft der KITU, und der Stadt Zerbst/Anhalt statt. Die notwendige Erstellung eines zentralen Druck- und Kopierkonzeptes war durch den Zugriff auf einen bereits bestehenden Rahmenvertrag der KID Magdeburg der Beginn einer produktiven Zusammenarbeit zwischen der KITU und der Stadt Zerbst/Anhalt. Wichtig war dem Bürgermeister der Stadt Zerbst/Anhalt, Herrn Andreas Dittmann, einen messbaren Nutzen durch den Beitritt in die Genossenschaft zu erzielen. Die Erstellung des Druck- und Kopierkonzeptes, die mögliche Nutzung vorhandener Rahmenverträge unter anderem im Bereich der Hardware oder Telefonie und somit im Ergebnis die Einsparung von Haushaltsmitteln sind Argumente, die für den Beitritt der Stadt Zerbst/Anhalt in die KITU sprachen,

so dass Bürgermeister und Stadtrat für den Beitritt stimmten. Ein weiterer wesentlicher Punkt, sich für den Beitritt in die KITU zu entscheiden, war die zunehmende Komplexität beim Einsatz von IT und die steigenden Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit. Hier unterstützt die KITU die Kommunen z. B. durch fachkundiges Personal oder durch mögliche Verlagerung von Fachverfahren ins Rechenzentrum. Durch die Nutzung der vorhandenen Ressourcen und das Know-how der Genossenschaft können perspektivisch die kommunalen Kernverfahren in kleinen Schritten konsolidiert und vereinheitlicht werden, um eine größere Effizienz zu erreichen und Haushaltsmittel einzusparen. Bei der Entwicklung von Lösungskonzepten für IT-Themen der Zukunft will die Stadt Zerbst/ Anhalt in den Arbeitskreisen der KITU Genossenschaft aktiv mitwirken.

Überreichung der Beitrittserklärung zur KITU – Bürgermeister

der Stadt Zerbst/Anhalt, Andreas Dittmann (li.), und Dr. Michael Wandersleb, Vorstand KITU

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Aus der KID-Praxis

Dezentrale Autoabmeldung über Internet „Hallo Zentrale? Wir behalten lieber alles selbst in der Hand“. Es gibt wahrlich schönere Orte als Kfz-Zulassungsstellen. Jeder hat vermutlich viele Ideen, wie er seine Zeit sinnvoller verbringen könnte als beim stundenlangen Warten in der Kfz-Behörde. Die Kommunen wissen das auch und suchen deshalb vielerorts nach Lösungen. Ab 1. Januar 2015 kann man zumindest das Auto online abmelden. Das kann aber nur der Anfang von i-Kfz (so nennt sich die Offensive) sein. Schon seit Jahren suchen viele Gemeinden nach einer Lösung für die langen Warteschlangen bei der Auto-Anmeldung. Doch mehr als die Einführung bedarfsgerechterer Öffnungszeiten war bisher kaum möglich. Mancherorts setzte man auf das Medium von morgen und testete das OnlineAnmelden des Autos. Ein paar Städte sind sogar schon im Internet zu finden, über die man sein Auto anmelden kann. Doch am Weg in die Zulassungsstelle zur konkreten Abwicklung führte bisher nichts vorbei. Das ändert sich zum 1. Januar 2015 landesweit. Denn auf Initiative des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) können ab diesem Zeitpunkt Fahrzeuge mit Hilfe eines internetbasierten Verfahrens elektronisch außer

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Betrieb gesetzt werden. Und diesmal entfällt sogar der Weg zur Zulassungsbehörde. Das erspart beide Seiten viel Zeit, schließlich werden jährlich rund 9 Millionen Fahrzeuge abgemeldet. Allerdings setzt das voraus, dass die Stempelplaketten der Kfz-Kennzeichen und die Zulassungsbescheinigung (Teil I) optische und funktionelle Änderungen erfahren. Wer künftig ein Fahrzeug anmeldet, bekommt von der Zulassungsbehörde nicht nur die Kennzeichen mit Siegel- und Prüfplakette sowie Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II zugeteilt und ausgestellt. Zukünftig werden die Siegelplaketten und die Zulassungsbescheinigung Teil I mit einem Sicherheitscode versehen, der später bei der internetbasierten Außerbetriebsetzung


freizulegen ist. Die entsprechende Plattform im Internet wird vom Kraftfahrtbundesamt bereitgestellt. Soweit so gut. Doch da sich die Welt weiterdreht und die Kfz-Abmeldung nur ein Anfang sein kann, haben die Kommunalen Spitzenverbänden durchgesetzt, dass nicht nur das Kraftfahrtbundesamt einzig und allein den Schlüssel in der Hand behält. Durch eine kurzfristige Änderung der FahrzeugZulassungsverordnung (FZV) wird für die OnlineAußerbetriebsetzung zum 1. Januar 2015 auch ein dezentraler Zugang geöffnet. Für alle weiteren Zulassungsprozesse wird ausschließlich ein Zugang über Portale der Kommunen oder der Länder realisiert. Das Kraftfahrtbundesamt wird nur noch einen i-Kfz-Web-Service als reine Back-Office-Anwendung für dezentrale Portale zur Verfügung stellen. Ursprünglich hatte der Bund i-Kfz als zentrales Konzept konzipiert. Doch dies hätte im schlimmsten Fall zahlreiche zentrale, fachbezogene „Siloportale“ produziert, die den integrativen Bestrebungen des kommunalen E-Governments vollständig zuwider gelaufen wären. Mit vermutlich enormen Kosten, die durch die Integration immer

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neuer Portale in die kommunalen IT-Infrastrukturen entstanden wären. Nunmehr ist sicher, dass spätestens mit der für Mitte/Ende 2016 geplanten zweiten Stufe internetbasierter Kfz-Zulassungsprozesse (zunächst Wiederzulassung) die Kommunen oder Länder eigene Zugänge für das Portal anbieten müssen. Und das ist auch gut so, denn die eigentliche Bedeutung des i-Kfz-Projektes geht weit über das Kfz-Wesen hinaus. Deshalb hatten sich die Kommunalen Spitzenverbände und Vitako in diesem Projekt vehement für die Notwendigkeit, die Vorteile und die Machbarkeit dezentraler Lösungen eingesetzt. Vor allem, weil es im Grunde für Kommunen darum gehen muss, weiteren Zentralisierungstendenzen (u.a. bei Registern aller Art, E-Vergaben) entgegenzuwirken. Mit i-Kfz haben die Kommunen die Chance, exemplarisch unter Beweis zu stellen, dass sie in der Lage sind, „in time and budget“ organisatorisch-technische dezentrale Lösungen umzusetzen. JUJ

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Aus der KID-Praxis

Qualifizierung in der Hochschule Harz – Fachbereich Verwaltungswissenschaften mich den Herausforderungen eines kommunalen Rechenzentrums zu stellen. Meine bisherige Erfahrung zeigt, dass die Kommunikation mit IT-Verantwortlichen, Hauptamtsleitern, Kämmerern, Bürgermeistern und Landräten ein spezielles Grundverständnis der kommunalen Welt und deren Entwicklung voraussetzt. Aktuelle Themen des E-Government, die Weiterentwicklung im Public Sector und die Ansätze des New Public Managements (NPM), bzw. des Neuen Steuerungsmodells (NSM) für das kommunale Verwaltungshandeln, sind Basis für das gegenseitige Verständnis. Als Kommunikationsschnittstelle und Ansprechpartner für einen Großteil unserer KITU-Mitgliedskommunen war es mein Wunsch, mich auf diesem Gebiet fachlich fundiert weiterzubilden. Das wurde auch durch Geschäftsführung und Bereichsleitung im Rahmen meiner Entwicklung als Nachwuchsführungskraft und Stellvertreter des Bereichsleiters wohlwollend unterstützt.

Jan Petereit, Gaststudent im berufsbegleitenden Masterstudiengang „Public Management“ (PuMa)

Als sogenannter Quereinsteiger lernte ich Anfang 2013 die Welt der kommunalen Verwaltung kennen und verstärke seitdem in der KID Magdeburg GmbH das Team „Kommunikation und Marktentwicklung“. Nach über 15 Jahren verantwortungsvoller Tätigkeit bei einem großen internationalen Telekommunikationsanbieter entschied ich,

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Mit der Möglichkeit einer Gasthörerschaft an der Hochschule Harz in Halberstadt bekam ich die Chance, Neues kennen zu lernen und bereits Bekanntes aufzufrischen. Neben meiner Tätigkeit in der KID bin ich nun Gaststudent in jeweils einem frei gewählten Fach pro Semester im o.g. berufsbegleitenden Masterstudiengang „Public Manage-


ment“ und erhalte jeweils zum Semesterabschluss ein Teilnahmezertifikat und eine Bewertung meiner Leistung. Im Wintersemester 2013/2014 besuchte ich die Vorlesungen im Fach „Staats- und Verwaltungsrecht - Rechtsprobleme des New Public Management“ von Professor Beck im Modul New Public Management und schloss das Semester mit einer für Studenten üblichen Hausarbeit mit dem Titel „NPM Ansätze in der Kommunalverwaltung: Mehr Licht als Schatten?“ erfolgreich ab. Dieser wissenschaftliche Aufsatz beschäftigt sich mit Theorien, praktischen Ansätzen, Erfolgen und Misserfolgen der New Public ManagementBewegung in Kommunalverwaltungen und geht in Ansätzen auf das Konzept und die Historie der eingedeutschten Variante des NPM, dem Neuen Steuerungsmodell, sowie Theorien und deren Umsetzungsversuche in deutschen Kommunalverwaltungen ein. Schwierigkeiten, Hindernisse und Erfahrungen werden anhand von Praxisbeispielen beleuchtet. Ganz aktuell spannt sich der Bogen mit dem neuen Kommunalen Steuerungsmodell (KSM) in unsere Zeit und gibt möglicherweise eine Antwort auf die Frage: „Was bleibt von NSM in Kommunalverwaltungen?“ Im Sommersemester 2014 nahm ich an der Vorlesung „Projekt und Prozessmanagement“ bei Professor Göbel teil. Die Erkenntnisse und das Know-how werden mir bei vielen Projekten in der Kommunalen IT-UNION eG mit den über die

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Genossenschaft verbundenen Kommunen helfen, denn die verständliche Visualisierung von Projektplänen, das Managen und Organisieren von logischen Abläufen, vom Projektstart bis zur Implementierung eines IT-Services, sind Grundlagen eines erfolgreichen, mit ITIL V3 Standards arbeitenden IT-Dienstleisters. Grundsätzlich entwickelt sich die Kooperation und Zusammenarbeit der KID Magdeburg GmbH und der Kommunalen IT-UNION eG (KITU) mit der Hochschule Harz seit Jahren positiv. Es gab Praktikanteneinsätze zu speziellen Themen in der KID, Besuche von Studenten in unserem Rechenzentrum und gemeinsam organisierte Workshops. Die Hochschule Harz unterstützt das Genossenschaftsmodell der KITU zur interkommunalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der IT aktiv in ihrer Kommunikation mit Kommunen und plant aktuell zum KITU-TAG 2014 in Barleben die Vorstellung eines semesterübergreifenden Projektes von Bachelorstudenten mit der KITU. Einige Studenten des berufsbegleitenden Masterstudienganges fragen aktuell für das kommende Wintersemester 2014/2015 mögliche Themen für ein Praxissemester in der KID an. Auch für mich standen für das kommende Wintersemester wieder viele interessante Themen zur Auswahl, und ich habe mich für die Vorlesung „eGovernment-IT-induzierte Verwaltungsreform“ entschieden. Die Kombination aus Arbeiten und Lernen ist eine überaus anspruchsvolle aber auch interessante Erfahrung und ich bin sehr dankbar, dass die KID mir dies ermöglicht. Jan Petereit

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Genossenschaft

Die Dividende des kleinen Mannes: Rabattmarken

Vor 125 Jahren trat das Genossenschaftsgesetz in Kraft Der Kaufmann und Fabrikbesitzer Robert Owen veränderte 1799 in seiner schottischen Baumwollspinnerei das bis dahin karge Leben und schwere Arbeiten der Menschen radikal. Seine Idee: Gemeinsam kann man mehr erreichen. Owen wies mit seinem Experiment nach, dass die Lohnsklaverei und Unterdrückung der Arbeiter keine Voraussetzung für eine effektive Produktion ist.

Er verkürzte die Arbeitszeit von 14 auf 10,5 Stunden, richtete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein, ließ erträgliche BehauRobert Owen (1771-1858) sungen bauen und räumte Mietvergünstigungen war ein britischer Unterein. Die Güter des täglichen Bedarfs handelte er nehmer und Frühsozialist. zu niedrigen, aber rentablen Preisen. Der Handel Er gilt als der Begründer von Alkohol wurde auf dem Fabrikgelände eindes Genossenschaftswesens. geschränkt. Die Maßnahmen zeigten auch für ihn große Erfolge: Die Produktivität in der Fabrik erhöhte sich drastisch, die Zahl der Diebstähle ging zurück, Bestrafungen innerhalb der Fabrik waren nicht mehr nötig. Owen bewies, dass sich gewinnorientiertes Wirtschaften und soziales Handeln nicht aus-

überwinden, sondern es zum Wohle der Genossenschaftsmitglieder nutzen.

Konsumgenossenschaften etwa verteilten an ihre Mitglieder Rabattmarken. Je größer der Einkauf, desto mehr Marken gab es. Und: Je mehr Rabattmarken, desto höher die jährliche Rückvergütung - vergleichbar mit Dividenden der Aktiengesellschaften. Man musste um Kunden werben und gegenüber anderen Anbietern auf dem Markt konkurrenzfähig bleiben. Wichtig dabei war, sich vor Insolvenzen zu schützen. Jede Genossenschaft sollte sich regelmäßig, aber auf freiwilliger Basis beraten und prüfen lassen - eine Selbstverpflichtung, wie sie 1889 im Genossenschaftsgesetz festgeschrieben wurde.

schließen. Die Gewerkschaften griffen später Owens Modell der Genossenschaften auf.

Doch erst 25 Jahre später wurden die Ideen des Begründers des Genossenschaftswesens mit dem Genossenschaftsgesetz in Stein gemeißelt. Man schrieb das Jahr 1889, also vor exakt 125 Jahren, als das Genossenschaftsgesetz in Deutschland in Kraft trat. Owens Idee der Genossenschaft als Antwort auf menschenunwürdige Lebensbedingungen und gesellschaftliche Entwurzelung im Zuge der industriellen Revolution wurde in Deutschland von Männern wie Hermann Schulze-Delitzsch, Friedrich-Wilhelm Raiffeisen und Adolph von Elm aufgegriffen. Die drei wichtigsten Gründungsväter wollten das kapitalistische Wirtschaftsmodell, das auf Wachstum und Gewinn basierte, keineswegs

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Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung zeichneten die Genossenschaften aus - im Kaiserreich und während der Weimarer Republik. Den Nationalsozialisten waren sie ein Dorn im Auge. Die Nationalsozialisten druckten Plakate und Aufkleber mit der Aufschrift „Kauft nicht beim Konsum“. Die Rückvergütung schränkten die Nationalsozialisten auf maximal drei Prozent ein und verboten obendrein den Konsumgenossenschaften, die Spareinlagen ihrer Mitglieder zu verwalten. Viele Mitglieder, die gleichzeitig Kunden waren, wandten sich ab, die Umsätze brachen ein. Entsprechend schlecht fielen die Jahresabschlussprüfungen aus.

Die Genossenschaftsnovelle von 1934 erhob die bislang freiwillige Prüfung zur Pflichtprüfung. Regimetreue Prüfer erklärten un-


liebsame Genossenschaften kurzerhand für nicht mehr überlebensfähig; der Staat löste sie auf und überschrieb ihr Vermögen der Deutschen Arbeitsfront. Die gleichgeschalteten Genossenschaften stellten sich in den Dienst des Vierjahresplans, der ab 1936 den Weg in den Krieg bereiten sollte: Aufrüstung, Vernichtungskrieg, bedingungslose Kapitulation. Wenige Monate nach dem Krieg ließ die sowjetische Militäradministration die Genossenschaften in ihrer Besatzungszone wieder aufleben - nach altem Muster wie zu Kaiserzeiten und während der Weimarer Republik, also mit freiwilliger Prüfung. Der Prüfungszwang, wie die Nationalsozialisten ihn einführten, hatte indes in der Bundesrepublik weiterhin Bestand.

Die soziale Not, aus der heraus die Genossenschaften im 19. Jahrhundert entstanden waren, ist längst passé. Der genossenschaftliche Gedanke hat aber an Attraktivität nicht eingebüßt. Menschen, die im Alter zusammen wohnen wollen oder Mehrgenerationshäuser gründen, schließen sich in Genossenschaften zusammen. Es gibt Assistenzgenossenschaften für behinderte Menschen,

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Kommunale IT-Genossenschaften von Kommunen, Energiegenossenschaften oder auch eine Historikergenossenschaft, in der freiberufliche Historiker ihre wissenschaftlichen Dienstleistungen anbieten. Heute sind mehr als 800 Millionen Menschen rund um den Globus Mitglied einer Genossenschaft. Allein in Deutschland gründeten sich zu den bereits bestehenden rund 7.500 Genossenschaften im Jahr 2012 mehr als 750 neu, über 20 Millionen Deutsche sind gegenwärtig Genossenschafter. Das ist fast jeder Vierte im Land. Sie alle vertrauen auf eine andere, eine sichere und selbstgestaltete und zukunftsfähige Wirklichkeit. Sie leben Wünsche und Träume in Solidarität und Selbsthilfe, in Selbstverantwortung und Sicherheit. Der Gedanke:

„Gemeinsam kann man mehr erreichen“ steht nicht nur für das Geschäftsmodell jeder einzelnen Genossenschaft, sondern auch für gemeinsame Aktivitäten zum Nutzen aller. JUJ

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Digitaler Kodex

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atürlich können wir in unserer schönen Internet-Welt weitermachen wie bisher. Technisch funktioniert fast alles, die Möglichkeiten scheinen grenzenlos zu sein. Abhörorgien, Wirtschaftsspionage, Cybermobbing? Ich war noch kein Opfer, wird mancher denken. Doch das ist falsch. Viele Nutzer ahnen nicht, in welchem Umfang sie längst Opfer sind. Denn den meisten Menschen bleiben die Mechanismen der Macher verborgen. Gemeint sind damit beileibe nicht nur Geheimdienste, die Überwachung und Beobachtung stets als ihren Job begriffen haben. Vielmehr verarbeiten auch Unternehmen personenbezogene Daten inzwischen in großem Stil, erstellen digitale Profile, deren Existenz den Betroffenen meist unbekannt ist. Für unsere Gesellschaft kann diese Tendenz zu Transparenz und Ohnmacht der Beginn einer folgenschweren Entwicklung sein. Wer schützt uns? Der Staat, das Grundgesetz? National vielleicht. Doch das Internet ist international. Unternehmen mit Sitz im Ausland sind nationalen Regulierungen im digitalen Raum kaum zugänglich. Den Grundgedanken eines möglichen Rettungsankers hat der frühere Bundespräsident und DIVSI-Schirmherr Prof. Dr.

Rettungsanker im Strudel der Digitalisierung Plädoyer für ein Instrument, das viele für nicht realisierbar hielten (halten). Matthias Kammer Direktor des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI)

Roman Herzog ins Spiel gebracht. Er sagte, dass „in unserem digitalen Zeitalter Fragen der Ethik einen zunehmend größer werdenden Raum einnehmen“ würden. In die Diskussion brachte Herzog „Leitplanken, die uns auf dem richtigen Weg halten. Ein Digitaler Kodex, von allen Verantwortlichen getragen, könnte ein Weg dahin sein.“

Offene Fragen. In diesem Jahr ist es 25 Jahre her, dass Tim Berners-Lee und Robert Cailliau am Forschungszentrum CERN das World Wide Web entwickelten. Seitdem verändert die Digitalisierung unseren Alltag. Viele, die Jüngeren zumal, sind ständig online. Die Technik wird ohne Wenn und Aber angenommen. Dafür bleiben Fragen anderer Art bis heute offen – wie so oft, wenn eine Gesellschaft von einer neuen Errungenschaft überrollt wird: Wie entstehen

Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will. Jean-Jacques Rousseau

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in diesem rasanten Änderungsprozess anerkannte, verbindliche Spielregeln? Welche Regeln gelten überhaupt? Wer übernimmt die Verantwortung dafür, dass das Internet ein Raum wird, in dem jeder vertraulich und sicher kommunizieren kann? Wer kümmert sich jenseits des sich oft hilflos ausgeliefert fühlenden Verbrauchers darum, dass mit dessen Daten nicht Schindluder getrieben wird? Die digitale Umwälzung wird unaufhaltbar fortschreiten. Doch wie? Wir dürfen der Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Das Internet ist eine Kulturleistung der Menschheit von historischer Bedeutung. Es gilt, das Gute des Netzes weiterzuentwickeln, aber gleichzeitig im Herzog‘schen Sinne Leitplanken zu installieren.

Heterogene Interessen. Deutschland braucht einen Digitalen Kodex. Er wäre ein Instrument, das nicht durch staatliche Regulierung in die Welt kommt, sondern durch Diskurs und Aushandlung. Wobei sich zeigt, dass die Interessenlagen von Unternehmen, Internetnutzern und Staaten sehr heterogen sind. Vor gut 250 Jahren veröffentlichte der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau seine Schrift „Vom Gesell-


Vordenker. Rousseau (1712-1778) beeinflusste die Pädagogik und die politische Theorie in ganz Europa wesentlich.

schaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes“; dort vertrat er die Auffassung, dass Voraussetzung für eine funktionierende menschliche Gemeinschaft ein Pakt ist, der das Gemeinwohl garantiert. Diese Schrift wurde eines der Grundwerke der Aufklärung. Angesichts der tief greifenden Umwälzungen im digitalen Zeitalter benötigen wir nun im Rousseau’schen Sinne einen neuen Gesellschaftsvertrag.

Grundverständnis von Fairness. Ein solcher Kodex könnte der Rettungsring im Strudel der Digitalisierung sein. Wir brauchen ihn, um ein gemeinsames Grundverständnis von Fairness zu entwickeln. Denn sonst werden die Nutzer irgendwann defätistisch und fatalistisch und verlieren jedes Vertrauen in das Internet und in die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten. Ein Digitaler Kodex kann nicht alle offenen Fragen des Verhaltens von Institutionen und Personen im Netz klären, er wird nicht allumfassend sein können. Er muss sich jeweils auf konkrete Probleme beziehen und entsprechend in einer jeweils geeigneten Form erstellt werden. Wer wie mit wem und in welcher Form sich diesen Aufgaben stellt, darüber besteht noch Diskussionsbedarf. Insgesamt wird ein breiter Aushandlungsprozess in der Gesellschaft stattfin-

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den müssen, damit der Digitale Kodex ein wirksames Instrument wird. Zahlreiche Themenfelder bräuchten eine solche Vereinbarung, bräuchten übergeordnete Spielregeln: • Wie gehen wir künftig seriöser mit persönlichen Daten in sozialen Netzwerken um? • Wie lässt sich verhindern, dass im Schutz der Anonymität im Internet Aggressionen ausgelebt werden, die sich vis-à-vis kaum entfalten würden? • Wie lassen sich Benimmregeln entwickeln, auch um Cybermobbing zu verhindern? • Wie ist zu gewährleisten, dass Daten überforderter Verbraucher, die das Kleingedruckte weder verstehen noch lesen, sondern rasch weiterklicken, nicht länger schonungslos als Handelsware genutzt werden? • Was ist zu beachten, um Transparenz zu schaffen und gleichzeitig Datenschutz zu gewährleisten? • Wie soll mit dem Hausrecht – oder auch der Zensur – auf privaten Plattformen umgegangen werden? Das Netz ist längst ein sozialer, wirtschaftlicher und auch politischer Raum, in dem neue Rahmenbedingungen gelten. Individuelle und institutionelle Kommunikation

laufen in Echtzeit mit globaler Reichweite ab. Die Historien von Kommunikationsund Interaktionssträngen werden gespeichert und durch Datenverarbeitungsprozesse ausgewertet und monetarisiert. Netzwerkeffekte fördern die Ausbildung von Monopolen und Oligopolen. Auch deshalb ist eine andere Form des Miteinanders im Internet erforderlich. In diesem Kommunikationsraum gibt es keine physische Präsenz. Menschliches Handeln ist hier nach neuen Maßstäben zu messen. Es liegt an uns, diese festzulegen.

Positiv gestalten. Auf den ersten Blick scheint die Entwicklung der digitalen Welt hin zum globalen Kulturraum bereits sehr weit fortgeschritten zu sein; viele Nutzer fühlen sich deshalb ohnmächtig anonymen Mächten ausgeliefert. Tatsächlich befinden wir uns erst in der zweiten, höchstenfalls dritten Dekade einer historischen Entwicklung. Das Internet ist jung, es lässt sich noch eine Menge positiv gestalten. Und wo steht geschrieben, dass die Masse der Nutzer durch ihr Verhalten nicht auch mächtige Internet-Giganten dazu bringen kann, einen Kodex zu akzeptieren und einzuhalten?

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Digitale Welt – Fluch und Segen

Nicht dümmer als Singapur Von Mega-Städten, smarten Citys und intelligenten Dörfern Als George Orwell 1949 sein Buch „1984“ veröffentlichte, reagierte die Öffentlichkeit verstört. Viele Jahrzehnte lang wurde sein Name oder der Romantitel zitiert, wenn es darum ging, staatliche Überwachungsmaßnahmen kritisch zu kommentieren. Was lange als Fiktion galt, ist inzwischen zum Teil überholt. Zwar will auch heute niemand vom Konzept der totalen Überwachung etwas wissen, doch die moderne Welt kommt diesem Zustand immer näher. Womöglich bleibt ihr auch gar nichts anderes übrig, um den Menschen ein Überleben zu sichern. „Totale Überwachung“ nennt es heute niemand. Das wäre ja auch zu dumm. Die Begriffe klingen viel freundlicher, moderner, weniger beängstigend. Heute nennen wir es „Smart“, was soviel wie intelligent bedeutet. Und wer möchte nicht intelligent sein? „Smart City“ – das klingt doch gut. Das Herz von „Smart City“ ist ein riesiges Computersystem, sozusagen ein „Big Brother”. Das klingt Ihnen zu einfach? Gut, formulieren wir es etwas akademischer und nennen es „Die intelligente Stadt der Zukunft“. Klingt schon besser, es klingt nach Vision und Zukunft und hat was von frischer Morgenluft. Und es stimmt ja auch: Technologische Lösungen für städtische Probleme haben Konjunktur. Weltweit bewerben Elektronikkonzerne ihre Produkte: vom intelligenten Stromnetz über das Smarte Haus bis hin zur schlüsselfertigen Siedlung. Prof. Ina Schieferdecker vom Zentrum für Smart Cities, Fraunhofer FOKUS, bringt es so auf den Punkt: „Smart City ist die Vision, bei der es darum geht, mit Informations- und Kommunikationstechnologien die Arbeits- und Lebensqualität in der Stadt zu verbessern.“ Da kann man doch nicht dagegen sein. Oder doch? Tragen wir zunächst ein paar Argumente zusammen. Bereits heute lebt mehr als die Hälfte der Menschheit in den Städten, 2050 werden es vermutlich 14

70 Prozent sein. Städte verbrauchen jetzt bereits 75 Prozent der Energie und produzieren einen Großteil der Treibhausgase. Die im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellte Untersuchung „Umweltschutzpotentiale durch Green IT“ macht deutlich, dass gerade „die hohe Dichte des Lebens im urbanen

„Smart City ist die Vision, bei der es darum geht, mit Informations- und Kommunikationstechnologien die Arbeits- und Lebensqualität in der Stadt zu verbessern.“ Raum“ große Chancen für eine neue Effizienz beim Energie- und Materialverbrauch bietet. Die Autoren glauben. dass Green IT das Potenzial hat, bis 2020 weltweit die CO2-Emissionen auf jährlich 7,8 Gigatonnen zu reduzieren. Die Zahl der Menschen wird nach aktuellen Prognosen bis 2050 auf 9,2 Milliarden anwachsen. Und damit wächst der Verkehr, besonders in den 27 Megastädten der Erde mit jeweils 10 Millionen Einwohnern. Schon heute haben 75 Prozent der Treibhausemmissionen ihren Ursprung in Städten. Tendenz steigend. Vieles spricht dafür, dass wir bis 2030 global eine jährliche Zuwachsrate von 1,6 Prozent im Personenverkehr und

von 2,5 Prozent im Güterverkehr haben werden. Bietet sich den Menschen keine Alternative, so werden statt 700 Millionen Pkw (Stand 2000) im Jahr 2030 auf der Erde 1,3 Milliarden Pkw unterwegs sein. Der Güterverkehr wird sich gar von 15 Billionen Tonnenkilometer auf 30 Billionen verdoppeln.

Kein Wunder also, dass besonders die in Schwellenländern boomenden Mega-Metropolen große Hoffnungen auf technologische Lösungen ihrer schier überbordenden Probleme setzen: Staus und Smog, Energieknappheit und Entsorgungsprobleme, Armut und soziale Ausgrenzung. Doch auch EU und Bundesregierung fördern die intelligente Aufrüstung von Städten mit hohen Millionenbeträgen. Längst haben daher auch Großkonzerne die „Smarte Stadt“ als Riesenmarkt erkannt: Das Forschungsinstitut der Deutschen Bank schätzt, dass bis 2030 weltweit 40 Billionen Dollar in Smart-City-Technologien investiert werden müssten, um Städte zukunftsfähig zu machen. Kommen da Ideen aus der japanischen Stadt Fujisawa nahe Tokio nicht wie gerufen? Dort sollen unzählige Solarzellen, leistungsfähige Stromspeicher und ein smartes Verteilungssystem die Stadt praktisch energieautark machen. Alle Geräte – von der Waschmaschine über den Fernseher bis zum Haus als Ganzem – sind an ein intelligentes


Energiemanagement-System angeschlossen. Ein ambitioniertes Projekt: Spezielle Sharing-Programme für Elektroautos und Fahrräder sind an die Infrastruktur angepasst, Häuser, Garagen, öffentliche Parkplätze und Einrichtungen sind so entworfen, dass sie eine komfortable, gemeinschaftliche Nutzung von Elektrofahrzeugen sowie ein einfaches Aufladen der Batterien erlauben.

Singapur will Bushaltestellen, Parkanlagen und Straßenkreuzungen mit Sensoren diverser Behörden ausrüsten. Sie registrieren die Zahl der wartenden Fahrzeuge an einem Taxistand, überwachen die Sauberkeit öffentlicher Plätze, zeigen unerlaubtes Parken an. Ziel ist, die öffentlichen Dienstleistungen auf ein antizipatorisches Modell zuzuschneiden, um auf diese Weise die üblichen kommunalen Probleme komplett zu vermeiden. Anders gesagt: Die Stadtreinigung taucht nur dort auf, wo es tatsächlich schmutzig ist, die Politesse nur da, wo es sich lohnt, die Straßenlaterne erstrahlt nur, wenn jemand auf der Straße ist. Die intelligente Stadt funktioniert demnach effizient und reibungslos. Was so furchtbar vernünftig klingt, birgt aber die Gefahr einer detaillierten digitalen Überwachung durch IT-Konzerne. Kritiker merken sorgenvoll an, dass smarte Planung und Betrieb von Städten Probleme ignorieren könnten, die sich technisch nicht lösen lassen: Armut, soziale Ausgrenzung.

Stadtplaner Anthony Townsend von der New York University sagt: „Je mehr Städte intelligente Infrastrukturen von Konzernen betreiben lassen, umso mehr geraten Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in private Hände.“ Auch Adam Greenfield weist in seiner Streitschrift „Against the Smart City“ darauf hin, dass mit dem Etikett „intelligente Stadt“ nur die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen kaschiert werde. Der renommierte US-Soziologe Richard Sennett erhebt schon warnend den Finger davor, dass Menschen verlernen könnten, mündige Stadtbürger zu sein, wenn ihnen die Technik zu viel an Aufgaben abnehme.

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Kritiker wie Townsend, Greenfield oder Sennett stellen im Grunde Aspekte städtischen Lebens heraus wie Zufallsbegegnungen, Spontanität, Gemeinschaft. Townsend: „Wirklich intelligent ist nicht die Stadt, die mit weniger Aufwand mehr leistet, sondern die Stadt, die sich ihrer Grenzen und Mängel bewusst ist. In einer solchen Stadt werden Minderheiten toleriert und die Rechte der Einwohner nicht beschnitten.“ Er mahnt, dass Technologie den Menschen nicht dominieren darf. Statt Herrschaftswissen müsse die Stadt der Zukunft auf möglichst viel frei fließende Information setzen, die vom Bürger je nach Bedürfnissen abgerufen werden kann. Rettungsdienste, Nahverkehr oder Entsorgung könnten durchaus zeitnäher und effizienter ausgerichtet werden. So könnten Stadtbewohner beispielsweise via Smartphone-App, wie der „MD-Melder“ in Magdeburg, eine vermüllte Ecke oder ein Schlagloch melden. Probleme würden damit transparent - aber auch, was die Verwaltung wann und wie zu ihrer Beseitigung unternimmt.

Aber wie verlockend würde erst eine Küchenwand im Design des iPhone auf Menschen wirken, die bequem das Leben organisiert und bei Bedarf das Licht und die Heizung an und ausschaltet? Wenn also niemand mehr zu spät zur Arbeit kommt, weil die Smart City sofort weiß, wo jemand zu lange an der Matratze horcht. Doch spätestens dann, wenn man sich zu wenig bewegt, zu fettig isst und sich der Medi-Chip an die eigene Krankenkasse wendet, die daraufhin mehr Sport verordnet und die Kühlschrank-Bestellungen auf gesunde Lebensweise umstellt, sind die Ängste vor dem Missbrauch wieder da. Und diese sind mindestens genauso groß wie die Sehnsucht nach der analogen Stadt verständlich ist. Erst recht nach dem NSA-Skandal.

Untergrundbahnen, wie der Historiker Steven Conn in seinem Buch „Americans Against the City, Anti-Urbanism in the Twentieth Century“ aufzeigt. Er hat herausgefunden, dass die Beziehung zwischen Technologie und Urbanismus schon immer ambivalent war. Einerseits brachte die technische Entwicklung Lärm, Enge und Überbevölkerung mit sich, andererseits boten viele Neuerungen – von Elektrizität bis zum Kraftfahrzeug – die Aussicht, dass man die Stadt auch ohne nennenswerte Einschränkungen an Lebensqualität hinter sich lassen konnte. Dennoch ist „Zentralität immer interessant für potenzielle Angreifer oder auch für Unfälle. Im schlimmsten Fall könnte man mit einem Klick eine ganze Smart City ausschalten“, wie Sandro Gaycken, Experte für Cyber-Sicherheit an der FU Berlin, warnt. Wenn schon nicht „smarte Stadt“ dann also vielleicht „intelligentes Dorf“? Sozusagen die entschleunigte Version. Weniger allumfassend, weniger angreifbar, weniger perfekt. Kleine, überschaubare Einheiten, vernünftig dosiert, lokal definierbar, nicht komplett kommerziell. Weihnachtsmärkte auf dem Dorfplatz und Straßenfeste im Viertel. Ich wünschte mir eine Stadt, die Platz lässt für derlei Angebote und dennoch nicht dümmer ist als Singapur. JUJ

Doch darf eine technikfreie Stadt wirklich als Vorbild dienen? Nein, das darf sie nicht! Städte waren schon immer Versuchsfelder für revolutionäre Neuerungen, ob Kanalisation, Impfstoffe oder 15


„Major Cities of Europe IT“

Über den Tellerrand

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Kommunalverwaltungen auf internationalem Parkett Vor 32 Jahren gründeten kommunale IT-Experten die „Major Cities of Europe IT USERS GROUP“ Wer im eigenen Saft schmort, muss sich nicht wundern, wenn an ihm als Eigenbrötler vorbeigeht, wie sich die Welt weiter dreht. Selbst gewählte Isolation ist ziemlich sicher kein Ort, an dem Neues, Besseres oder einfach auch nur Praktischeres vorbeischaut. Kommunalverwaltungen wissen nur zu gut: Wenn sie effektiv verwalten und zeitgemäßen Bürgerservice bieten wollen, dann kommen sie an Innovation nicht vorbei. Und die beginnt mit dem Wissen, was anderswo schon gut funktioniert. Oder eben noch nicht. Das war vor 32 Jahren das Motiv von kommunalen Experten für Informationstechnologie (IT), in London den Verein „Major Cities of Europe IT User’s Group (MCE)“ aus der Taufe zu heben. Die Non-Profit-Organisation will als europäisches Netzwerk von Repräsentanten aus den meisten Teilen Europas und sogar nichteuropäischen Ländern und Städten wie Tel Aviv und Boston eben nicht im eigenen Saft schmoren. Eine Idee, die seit 1982 in vielen Städten auf offene Ohren stößt – mittlerweile sind CIOs und IT-Manager aus 35 Mitgliedsstädten dabei. Zu ihnen gehört Lars Greifzu, Mitglied der Geschäftsleitung der Leipziger Lecos GmbH, bei der sich 178 Mitarbeiter um Beratungs- und Dienstleistungen für Informationstechnologien im kommunalen Umfeld kümmern. Seit 2004 arbeitet Greifzu im MCE-Organisationskomitee mit: „MCE bietet seinen Mitgliedern eine wertvolle Gelegenheit der Standortbestimmung, auch über die nationale Ebene hinaus. Man erfährt, wo die eigene Kommune im europäischen Vergleich steht. Durch die Konferenz genauso wie durch thematische Workshops erhält man wichtige Denkanstöße und Vergleiche, etwa dazu, warum in der einen Kommune ein großes Open-Source-Vorhaben mit relativ überschaubaren finanziellen Mitteln gelingt, nicht aber in einer anderen. Den Gründen auf die Spur zu kommen, Erfahrungen zu auszutauschen, Schlussfolgerungen für sich zu ziehen – das alles kann am Ende für den Erfolg eines Vorhabens entscheidend sein und eine Unmenge Zeit und Geld sparen.“

Die Lecos GmbH steht z.B. vor dem Abschluss der Einführung von Open Office bei einem Großkunden. Lars Greifzu:

„Zu hören, wie das andere gemacht haben und mit welchem Erfolg, ist da sehr spannend.“ „Irland ist dafür ein weiteres interessantes Beispiel. Als die Wirtschaft durch die Finanzkrise einbrach, mussten öffentliche Verwaltungen etwa ein Viertel ihres Personals entlassen und massiv die Ausgaben vermindern. Die Verwaltungsaufgaben aber blieben. Dieser Druck hat zu umfassendem Open-Source-Einsatz im Serverbereich geführt. Ohne MCE-Aktivitäten hätten wir davon nichts erfahren.“ Ohnehin sei der wachsende Anteil europaweit geltender Vorschriften ein Thema für alle: „Dass Europa zusammenrückt, ist ja nicht nur ein Spruch von Politikern, sondern Realität in unserem Alltag. Es bemerkt nur nicht gleich jeder.“ Wenn sich Städte gegenseitig austauschen, sei das für niemanden von Schaden. Ganz im Gegenteil. Auf den Jahreskonferenzen werden stets Schwerpunktthemen gesetzt, die aktuell sind und in vielen Städten besonders im Fokus stehen. Beispiele gefällig? 2013 ging es in Ljubljana unter anderem um das Management von Rechenzentren der Zukunft, um GIS als Treiber für standortbezogene Dienste, um Big Data als Methode zur Gewinnung von Information


Mitglieder von „Major

Cities of Europe IT“

Bosnien und Herzegowina: Banja Luka Deutschland: Berlin, Bremen, Bremerhaven, Hamburg, Leipzig, Saarbrücken, VITAKO Frankreich: Grand Lyon Griechenland: Trikala Irland: Cork City Council, County Cork, Dublin, Dún Laoghaire Rathdown, Fingal County Israel: Tel Aviv Italien: Genua, Livorno, Modena, PIN Scrl (Prato), Prato, Rom, Triest, Venedig, Bocconi-Universität (Mailand) Kroatien: Pula, Rijeka, Zagreb Niederlande: Eindhoven, Zoetermeer Norwegen: Oslo Österreich: Wien Rumänien: Bukarest Schweden: Uppsala Schweiz: Genf, Zürich Slowenien: Koper, Ljubljana Spanien: Barcelona Vereinigtes Königreich: Birmingham, Aberdeen Vereinigte Staaten: Boston, Center for Technology in Government (Albany)

für neue Stadtinitiativen, um die Nutzung Sozialer Netzwerke durch Kommunen oder um Praxiserfahrungen bei der Umsetzung von Cloud-Computing. Dieses Jahr in Zürich hieß das Motto „Cities managing complexity in the digital world – prepared for the upcoming challenges?“. Vorträge und Workshops behandelten Themen wie Cloud-Computing, Open Government, IT-Sicherheit für Städte, IT und Politik, Open Data oder Smart Cities. Und für jene, die nicht dabei sein können, werden die Ergebnisse der Workshops auf der Website der MCE veröffentlicht. Lars Greifzu:

„Das Ziel ist aber stets die Förderung von Innovationen und die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der lokalen Verwaltungen mit Hilfe modernster Informations- und Kommunikationstechnologien.“

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Wer über die aktuellen Innovationen europäischer Städte (derzeit insbesondere in den Bereichen Web 2.0, Open Data, Soziale Netzwerke, Apps und Standortbezogene Dienste) auf dem Laufenden bleiben möchte, kommt um die MCE nicht herum. JUJ

www.majorcities.eu Weitere Partner: Die MCE IT-Users Group kooperiert mit Organisationen und Universitäten. Universität Bocconi (Mailand, Italien) Universität Albany, Center for Technology in Government (Albany, USA) VITAKO (Berlin, Deutschland) Public Technology Institute, (Alexandria VA, USA)

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Ausflugstipp

Die einstige Morgengabe ist eine Attraktion für Touristen aus aller Welt

Die Quedlinburg: Sie thront hoch über der Stadt und birgt viele Geheimnisse Es ist die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit der Weltkulturerbestadt Quedlinburg: das Schloss. Zigtausende Menschen pilgern jedes Jahr durch die malerische Altstadt mit ihren vielen kleine, verwinkelten Gassen und putzigen Fachwerkhäusern hinauf zur Burg. Dort warten viele kleine Geheimnisse auf die Besucher. Geheimnisse, von denen wir hier berichten wollen. Dabei geht es um eine Morgengabe, einen Mordversuch, den Untergrund, vergessene Gärten oder ein Kloster für höhere Töchter. Kommen Sie mit uns auf die Quedlinburg. Es lohnt sich …

Aus Halle: A14 Richtung Magdeburg bis Abfahrt Bernburg. Dann auf der B85 über Aschersleben Richtung Quedlinburg. Aus Magdeburg den Ring stadtauswärts Richtung Harz fahren, dann auf der B81 bis Kroppenstedt und über die L 66 bis Quedlinburg. Tipp: Suchen Sie sich vor der Altstadt einen Parkplatz und laufen zur Burg hoch. Ein wunderbarer Spaziergang.

Infos Anschrift: Schlossberg 1, 06484 Quedlinburg Gaststätte: Hotel Restaurant zum Schlosskrug am Dom, Anschrift wie oben. Telefon/Fax: 03946 2838. Geöffnet Mai bis Oktober: 11 bis 22 Uhr, November bis April: 11 bis 20 Uhr. Montag ist Ruhetag. Dom und Domschatz: Anschrift wie oben. April bis Oktober: 10 bis 18 Uhr, Feiertags 12 bis 18 Uhr, November bis März: 10 bis 16 Uhr, Feiertags 12 bis 16 Uhr, montags geschlossen. Eintritt: Dom und Schatz 4,50 EUR, mit Krypta 6 EUR

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922 wird die Quedlinburg erstmals urkundlich erwähnt als „Villa, die Quitlingaburg“ genannt wurde. Erbaut hatte König Heinrich I. (876 bis 2. Juli 932) das imposante Gemäuer. Und er schenkte es seiner 13-jährigen Frau Mathilde als Morgengabe nach der Hochzeitsnacht. Was Heinrich der Vogler (volkstümlicher Name Hienrichs I.) damals nicht ahnte: Die Quedlinburg wurde auf Sand erbaut. Deshalb mussten in den letzten Jahren Sicherheitsmaßnahmen an den Stützmauern vorgenommen werden, damit ein Abrutschen des Schlossbergs verhindert werden konnte. Die Stützmauern werden nun von Ankern gesichert, die tief in den Sandstein eingeschoben wurden. Das reicht zwar vorübergehend, aber es sind noch weitere, teure Sicherungsmaßnahmen notwendig. Zurück zu Mathilde: Die junge Frau engagierte sich nicht nur für die kleine Stadt Quedlinburg, sondern war auch derart in der Kirche engagiert, dass sie als Heilige und Schutzpatronin der Stadt in die Geschichte einging. Dies geschah nach dem Tod ihres Gatten 936. Heinrich I. wurde in der Pfalzkapelle auf dem Schlossberg beigesetzt. Nun übernahm sein Sohn, Otto I., die Macht. Von ihm erhielt Mathilde

die Genehmigung, in der Quedlinburg ein Damenstift zu gründen, mit der Aufgabe die Totenmemorie (rituales Totengedenken) für ihren Gatten durchzuführen. Dem Menschen des Mittelalters war es wichtig, zu Lebzeiten für seine Memoria zu sorgen. Das konnte durch Gebetsgedächtnis, Gaben, Almosen, einmalige Schenkungen oder dauerhafte Stiftungen bewirkt werden. 30 Jahre stand Mathilda dem Stift vor, ohne je Äbtissin gewesen zu sein. Sie erhielt viele Schenkungen, die das Stift reich machten.

Wenn der Bruder die Macht wilL Otto I. besuchte die Burg hin und wieder, mal zu Ostern, mal an den Gedenktagen seines Vaters. 941 entging er bei einem dieser Besuche nur ganz knapp einem Mordanschlag – sein jüngerer Bruder Heinrich wollte an die Macht … Am 14. März 968 starb Mathilde und wurde neben ihrem Gatten beigesetzt. Interessant: Ihr Grab und ihr steinerner Sarkophag sind erhalten geblieben, Heinrichs Grabgelege ist leer. Und wie ging es mit der Quedlinburg weiter? Wir überspringen kurz 100 Jahr und landen bei 1070: Da wurde die Burg komplett zerstört. Es

Fotos (3): Thomas Pfundtner

ANFAHRT


Vom Schloss hat man einen fantastischen Ausblick

Schlossmuseum vergingen weitere 60 Jahre, ehe im 12. Jahrhundert die Quedlinburg in ihrem vollen Glanz erstrahlte. Übrigens: Über Jahrhunderte gehörte die Quedlinburg dem Adelsgeschlecht der Ludolfinger, zu dem auch Heinrich der I. gehörte. Dann, 1802, wurde das Reichsstift als Fürstentum Quedlinburg von Preußen in Besitz genommen und das Damenstift aufgelöst. Von 1807 bis 1814 gehörte die Quedlinburg zum Königreich Westfalen. Seit 1926 gehört die Quedlinburg der Stadt, die hier ein Museum einrichtete. Schwerpunkte der Ausstellung: Die Geschichte der Burg und des Stiftes.

Die Gärten, ein Traum Viele Geheimnisse haben wir bis jetzt gelüftet. Doch, was ist mit den Gärten der Quedlinburg? Was ist das Besondere an ihnen? Es sind kleine Schmuckstücke, die jeden Besucher zum Verweilen und Entspannen einladen. Außerdem eröffnen sich aus jedem Garten wunderbare Blicke über den Harz und die Quedlinburg. Seit einiger Zeit sind wieder alle Gärten der Quedlinburg zu begehen. Jahrelang waren die Stützseiten an der Ost- und Südseite riesige Baustellen, sodass niemand in die Gärten konnten.

Der Fruchtgarten Die letzte wieder hergestellte Fläche war der Fruchtgarten neben der Südterrasse. Hier stehen fast ausschließlich niedrige Obstgehölze, aber es gibt auch vereinzelt Stauden und Blumen. Der Fruchtgarten wurde nach einem Konzept von 1928 umgesetzt, das nach dem Abriss der damaligen Propstei entwickelt wurde. Er ist leider noch nicht zugänglich, da die Schlossverwaltung nicht möchte, dass

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auf die Häuser unterhalb des Gartens Steine oder Gegenstände geworfen werden. Somit kann der Fruchtgarten nur vom Kräutergarten aus angeschaut werden. Doch dass ist nicht weiter schlimm, denn der Kräutergarten ist eine wahre Pracht.

Der Kräutergarten In großen Beeten wachsen hier die herrlichsten Kräuter: Rosmarin, Lavendel, Thymian, Bohnenkraut und viele andere mehr. Es duftet nach Küche und leckerem Essen. Kleine Steinbänke laden zum Verweilen ein. Ein Blick über die Burgmauer eröffnet einen einmaligen Panoramablick auf Wälder, Berge und die sich eng aneinander schmiegenden alten Stadthäuser.

Der Jägergarten Nur mit einem Museumsbesuch ist es auch möglich den Jägergarten zu betreten. Der Weg hindurch verbindet verschiedene Teile des Schlosses. Traubenkirschen dominieren die kleine Anlage. Dieser kleine Garten fasziniert weniger durch die sparsame aber effektive Bepflanzung, als dadurch, dass ein ganz besonderer Blick auf den Münzberg möglich ist. Natürlich empfehlen wir Ihnen einen Besuch des Museums. Dort können Sie in die Vergangeneheit reisen: gut erhaltene, alte Möbel. Prunkgemächer, die an den Pomp und Luxus erinnern. Ölgemälde porträtieren die Äbtissen von 1539 bis zur Auflösung des Stiftes. Ein besonderes Highlight ist der Raubgrafenkasten, in dem angeblich 1337 Albrecht II. von den Quedlinburger Bürgern gefangen gehalten wurde. Schön, dass das heute nicht mehr möglich ist. Thomas Pfundtner

Das Schlossmuseum gibt einen hervorragenden Überblick über die Ur- und Frühgeschichte sowie die frühmittelalterlich Besiedlung des Gebietes. Außerdem wird die Entwicklung der Burg, von der Königspfalz bis zum Damenstift dargestellt. Und natürlich werden wichtige Aspekte der Geschichte der Stadt Quedlinburg beleuchtet. Die liebevoll restaurierten Prunkgemächer, geben einen Einblick in die Wohnkultur des Barock bzw. des Klassizismus. Das Museum ist außer Montag von April bis Oktober täglich von 1018 Uhr, von November bis März von 10-16 Uhr geöffnet. Anschrift: Schlossberg1, 06484 Quedlinburg. Telefon: 03946 905681, Fax: 03946 905689 Eintritt: Erwachsene 4,50 EUR, Familienkarte: 9,50 EUR, kombiniert mit der Stiftskirche: 7 EUR. Führungen sind möglich. Anmeldung vorab unter 03946 905681 oder 905684 (circa eine Stunde). Es gibt auch Spezialführungen zu ausgewählten Zeiten oder Kostümführungen. Rufen Sie einfach an und fragen.

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Streiflichter

Insektenharz bewahrt Töne Emile Berliner erfand die Schellackplatte und das Grammophon Zahlreiche Erfindungen in den vergangenen Jahrhunderten haben die Welt verändert. In einer Serie erinnert der Server an Erfindungen, die das Leben der Menschen nachhaltig beeinflusst haben. In der 23. Folge erzählen wir die Geschichte von Emile Berliner (* 20. Mai 1851 in Hannover; † 3. August 1929 in Washington, D.C.). Mit der Erfindung einer flachen Scheibe und einem entsprechenden Abspielgerät konservierte er Töne für einen Massenmarkt. entwickeltes Mikrofon für 75.000 Dollar an die „Bell Telephone Company“. Mit diesem Geld richtete er sich ein eigenes Labor ein. Nun verbrachte er Tage und Wochen in seinem Reich und beschäftigte sich mit allerlei Entwicklungen. Eine davon brachte ihm einen Platz in den Geschichtsbüchern ein: die Erfindung der Schallplatte.

Emile Berliner, Erfinder der Schallplatte und des Grammophons

Emile Berliner konnte als Kind keine großen Sprünge machen. Das kleine Textilgeschäft von Vater Samuel (1813–1872) und Mutter Sally Friedmann brachte nur ein bescheidenes Auskommen ein. Darüber hinaus war das Paar sehr kinderreich – insgesamt bekam es elffachen Nachwuchs. Emile war der Drittgeborene. Nach Schulbesuch in Wolfenbüttel und Kaufmannslehre musste er mit Hilfsarbeiten in einer Druckerei und später in einem Krawattengeschäft zum Unterhalt der Familie beitragen. Wer weiß, was aus seinem Erfindungsreichtum geworden wäre, hätte er nicht mit 19 Jahren seinen Koffer gepackt, um der preußischen Einberufung zu entgehen. So aber begleitete er 1870 einen Freund seines Vaters, Nathan Gotthelf, nach Washington und arbeitete drei Jahre in dessen Kurzwarengeschäft. Dann zog er nach New York, wo er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hielt, 1875 als Flaschenspüler im Labor von Constantin Fahlberg. Der ehrgeizige junge Mann studierte nachts am Cooper Institute und wandte sein neues Wissen bei zahllosen privaten Experimenten an. So entwickelte er ein Mixgetränk aus Sirup, Kaffee und Schokolade, bevor er sich mit physikalischen Überlegungen – insbesondere mit Telefonen – beschäftigte. Doch erst 1877 konnte Berliner Kapital aus seinem Hobby schlagen. Er verkaufte ein selbst 20

Dazu hatte Berliner wochenlang mit Edisons Phonograph experimentiert und einige Verbesserungsmöglichkeiten gefunden. Die entscheidende Neuerung war die Möglichkeit, den Tonträger einfach und preisgünstig zu vervielfältigen. Dies war möglich durch die Veränderung des Winkels zwischen der Nadel und der Trägerfolie um 90 Grad. Berliner hatte so die laterale (auch Seitenschrift genannte) Schallaufzeichnung erfunden. Dieses Verfahren ermöglichte das Abspielen eines flachen Tonträgers. Das war die wesentliche Neuerung gegenüber der Phonographenwalze Edisons, mit der das Vervielfältigen einer Aufnahme wesentlich schwieriger war. Während Edisons Walze für eine große Stückzahl an Kopien viel zu teuer war, war es Berliners Traum, einen neuen Industriezweig aufzubauen, der das tausendfache Kopieren seines neuen Produktes ermöglichte. Am 8. November 1887 meldete er sein Patent „Verfahren und Apperat für das Registrieren und Wiederhervorbringen von Tönen“ beim Kaiserlichen Patentamt an, nachdem er seine Erfindung bereits am 29. September 1887 in Washington hatte patentieren lassen. Bestandteil des Patents war auch ein Aufnahme- und Abspielgerät, der Vorläufer des Grammophons. Er selbst bezeichnete die Scheibe in seiner deutschen Muttersprache als „Schallplatte“. Mit der flachen Scheibe stand Berliner ein völlig neuer Tonträger zur Verfügung. Seine erste Schallplatte bestand allerdings noch aus Zinkblech, hatte einen Durchmesser von zwölf Zentimetern und lief mit 150 Umdrehungen pro Minute. Das brachte eine Spieldauer von etwa einer Minute. Das dafür geeignete Abspielgerät nannte er Grammophon. Im Mai 1888 stellte Emil Berliner seine Erfindung im Franklin-


Institut in Philadelphia vor. Im darauffolgenden Jahr brachte er das Grammophon nach Deutschland und betraute die Spielzeugfabrik Kämmerer & Reinhardt in Thüringen mit der Fertigung. Der große Vorteil der Scheibe gegenüber dem von Edison 1877 erfundenen und patentierten zylinderförmigen Tonträger war ihre Reproduzierbarkeit. Edisons Zylinder mussten einzeln bespielt werden und waren dadurch für den Normalverbraucher unerschwinglich.

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die ersten in Europa. In London die Gramophone Company und in Hannover die Deutsche Grammophon Gesellschaft. Die Deutsche Grammophon Gesellschaft war die erste Firma, die ausschließlich Schallplatten herstellte. Ein neuer Industriezweig war geboren. Am 3. August 1929 starb Emil Berliner in Washington D.C. JUJ

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Ab 1890 wurden die Schallplatten nicht mehr aus Zinkblech, sondern aus Hartgummi hergestellt. Da aber die Nebengeräusche dieser Platten sehr stark waren, wurde die Schallplatte zunächst als Medium zur Musikkonservierung nicht ernst genommen. Das änderte sich 1895. Emil Berliner begann mit einem Gemisch aus Baumwolleflocken, Schieferpulver, Ruß (daher die schwarze Farbe) und Schellack (daher die Zerbrechlichkeit) zu experimentieren. Bei der heißen Pressung drückte sich der Schellack an die beiden Oberflächen und versiegelte damit die Rillen. Das ermöglichte die industrielle Fertigung großer Mengen, die Berliner 1889 aufnahm und bis etwa 1910 nach und nach perfektionierte, z. B. durch das Aufkleben von Papier-Etiketten und das Beschreiben beider Seiten. Als „Geheimmittel“ galt dabei Schellack. Schellack ist eine harzige Substanz, die von Insekten (Cocus lacca) auf einer ostindischen Pflanze, meist Ficus religiosa, produziert wird. Durch Auswaschen und Umschmelzen entsteht ein roter Rohstoff, der sich für die Herstellung von Lacken, Firnissen und eben Schallplatten hervorragend eignet. Zwischen 1883 und 1895 gründete Emile Berliner zwei Grammophon- und Schallplatten-Firmen in den Vereinigten Staaten, 1898

Teil der Patentschrift Nr. 372786, datiert 8. November 1887

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Humor

Dann doch lieber Pickel-Suppe Die kuriosesten Gesetze der Welt (Teil 2) In Deutschland gibt es rund 2.300 Gesetze, nicht mehr zählbare Verordnungen, Durchführungsbestimmungen, Paragrafen und Vorschriften. Niemand hat da mehr den Überblick und dennoch kommen nahezu täglich neue hinzu. Es scheint, dass Politiker, Parlamente und Verwaltungen nichts lieber tun als etwas per Orda de Muffti zu regeln. Das ist weder typisch deutsch noch ein Phänomen unserer Zeit. Schon sehr viel früher haben Herrschende zuweilen ziemlich unsinnige Gesetze verabschiedet. Ein paar dieser Kuriositäten haben wir einmal zusammengetragen. Vermutlich wegen des Begleichens von Geldbußen ist es in Pensacola/Florida nicht erlaubt, weniger als zehn Dollar bei sich zu führen. Das Geld könnten spontane Bürger des Staates North Carolina gut gebrauchen, die in Gegenwart einer Leiche fluchen. Denn das kostet laut eines 2001 vom Senat beschlossenen Gesetzes ein saftiges Bußgeld. Für ein sittensauberes Siena (Italien) setzt sich seit rund 100 Jahren der dortige Stadtrat ein. Er hat per Verordnung allen Frauen mit dem Vornamen Maria verboten, als Prostituierte zu arbeiten. Frauenfeindlich geben sich zuweilen auch die Briten, die dem „schwachen Geschlecht“ pauschal verboten haben, in öffentlichen Verkehrsmitteln Schokolade zu essen. In Michigan (USA) geht alternativ nicht einmal ein zuckersüßer Kuss: Dort ist es nämlich

Frau

strafbar, seine Frau an einem Sonntag zu küssen. Dazu passt, dass der französische Staat seiner liebestollen Nation verboten hat, auf Bahnübergängen zu knutschen. Ebenso ist das in Zügen strengstens verboten. Beides aus Sicherheitsgründen vermutlich. Kulanter sind da die New Yorker. Dort haben die Behörden allen Frauen erlaubt, in der U-Bahn oben ohne zu fahren. Natürlich nicht, weil die Abgeordneten sich an solchen Anblicken ergötzen, sondern offiziellen Verlautbarungen zufolge wegen der Gleichberechtigung: Was Männern zugestanden wird, darf Frauen nicht verwehrt bleiben. Ganz anders sieht das der von Männern dominierte Senat von Kentucky: Dort darf keine Frau im Badeanzug einen Highway betreten, ohne nicht von mindestens zwei Polizisten eskortiert zu werden oder sich selbst

Herr

mit einem Knüppel zu bewaffnen. Es gibt nur eine Ausnahme: Das Gesetz tritt nicht in Kraft, wenn die Frau entweder weniger als 90 oder mehr als 200 Pfund wiegt. Warum es allerdings in Devon, Connecticut, verboten ist, nach Sonnenuntergang rückwärts zu laufen, wissen wir nicht. Vielleicht weil das immer noch sinnvoller ist als die israelische Vorschrift, nachdem samstags das Ausdrücken von Pickeln auf der Nase verboten ist. Ich ahne, warum in Trenton, New Jersey, untersagt ist, seine Suppe zu schlürfen. Wahrscheinlich, weil man nach dem Drücken keine Suppe mehr mag. Und wer in diesem Atemzug nach Singapur jettet, um dort angeekelt die Toilette zu besuchen, darf keineswegs vergessen, die Spülung zu betätigen. Andererseits kostet das 500 Euro. Dann doch lieber PickelJUJ Suppe ...

Bitte frankieren, wenn möglich.

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Rätsel und Impressum

Lösungswort gesucht! ein türk. Staatspräsident

Jungsteinzeit

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Viel Spaß beim Rätseln! Einsendeschluss ist der 31. November 2014 Vergessen Sie nicht den Absender. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Redaktionsbeirat Dr. Michael Wandersleb, Geschäftsführer KID Magdeburg GmbH; Andrea Pape, Kommunikation und Marktenwicklung KID Magdeburg GmbH; Jens-Uwe Jahns, Journalist; Georg Rieger, Geschäftsführer Spectrum Wirtschaftswerbung GmbH; Viola Nebelung, Spectrum Wirtschaftswerbung GmbH Gesamtherstellung Spectrum Wirtschaftswerbung GmbH Breiter Weg 31, 39104 Magdeburg www.spectrumww.de „Server“ erscheint quartalsweise. Nachdruck nur bei Nennung der Quelle. Themengerechte Fotos und Manu­skripte sind stets willkommen, doch können wir eine Veröffentlichung nicht garantieren.

SUDOKU

Schreiben Sie das Lösungswort auf die beigefügte Postkarte oder senden Sie uns eine E-Mail: info@kid-magdeburg.de Das Lö­sungs­wort unseres letzten Rätsels hieß: INFORMATIK Unsere Gewinner sind: Christina Hofmann aus Goseck, Volkmar Nitschke aus Coswig und Dr. Roderich Schöllner aus Magdeburg. Herzlichen Glückwunsch!

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