Monthly Market Monitor
Januar 2023

Januar 2023
• USA: Rezession - nicht ob, nur noch wann
• Europa: Hoffen auf einen warmen Winter
• China: Die letzte Welle
• Inflation: Zurück auf den Boden – aber wo liegt der?
• Geldpolitik: Vor dem nächsten Fehler
• Geopolitik: Keine Wahl(en), aber genügend Brennpunkte
• Aktien: Wenn alle ein Häkchen erwarten
• Fixed Income: Lieber den Spatz in der Hand…
• Währungen: Teurer Greenback
• Alternative Anlagen: Realitätscheck
USA: Rezession – nicht ob, nur noch wann
Das „R-Wort“ geht schon seit Monaten um. Falls es in den USA dieses Jahr eine Rezession gibt, würde es sich wohl um den am meisten antizipierten Wirtschaftsabschwung aller Zeiten handeln. Gemäss der Survey of Professional Forecasters der Federal Reserve Bank of Philadelphia erwarten fast die Hälfte der befragten Ökonomen eine Rezession innerhalb der kommenden 12 Monaten, in einer Umfrage der Financial Times waren es im Dezember gar 85%. Wall-Street-Analysten sehen die Wahrscheinlichkeit derweil bei rund 60%. Tatsächlich hat sich so viel statistische Evidenz angesammelt, dass es nur noch eine Frage des „wann“, nicht mehr des „ob“ zu sein scheint. Zu den prominentesten Warnindikatoren zählt die US-Zinskurve, welche bereits seit Wochen Kopf steht (die kurzfristigen Zinsen sind höher als die langfristigen Zinsen) – ein Zustand, der in der Vergangenheit mit fast 100%-iger Zuverlässigkeit eine Rezession innerhalb von 6 bis 24 Monaten angezeigt hat. Weitere Datenpunkte wie beispielsweise der Conference Board Leading Indicator, der Einkaufsmanagerindex oder die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sprechen die gleiche Sprache. Auch der trotz angespannter Versorgungslage schwache Ölpreis kann als vorauslaufendes Schwächesignal gedeutet werden.
Dass für die US-Konjunktur zunehmend Gegenwind aufkommt, liegt in erster Linie an den Auswirkungen der rapiden Zinserhöhungen der Fed. Nachdem sich
deren Effekt in den besonders zinssensitiven Bereichen der Wirtschaft bereits bemerkbar gemacht haben (z.B. am Häusermarkt), dürfte sich die restriktive Geldpolitik demnächst in die Breite bemerkbar machen. Oberflächlich betrachtet bzw. gemessen an den neu geschaffenen Stellen scheint der Arbeitsmarkt noch äusserst robust. Doch zunehmend werden Schwächezeichen erkennbar, ob im Detail bei der rückgängigen Anzahl offener Stellen oder eher offensichtlich anhand zunehmender Entlassungsmeldungen. Der Pfad für das Wunschszenario der Notenbanker – ein „soft Landing“, wenigstens aber ein „softish Landing“ – ist jedenfalls denkbar knapp. Eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit, gerade stark genug, um die Inflation zu bändigen – das wäre das Ziel. Doch bisher hat schon ein Anstieg der Arbeitslosenquote um 0.5% stets in die Rezession geführt. In ihren Dezemberprognosen erwartet die Fed nun bis Ende 2023 einen Anstieg der Quote auf 4.6% – das Tief lag bei 3.5%...
Der historischen Faktenlage kann man sich nur schwerlich entziehen, so dass auch wir eine Rezession erwarten – allerdings eher etwas später als früher, nämlich 2024. Die Verbraucher könnten die besonders konsumgetriebene US-Konjunktur zuvor noch einige Quartale über Wasser halten. So dürften die Reallöhne infolge sinkender Inflation 2023 wieder zulegen. Die Überschussersparnisse aus der Pandemie sind derweil (noch) nicht aufgebraucht. Und noch gibt es mehr offene Stellen als Stellensuchende, was den Anstieg der Arbeitslosigkeit vorerst bremsen sollte. Wenn die Rezession dann früher oder später eintritt, erwarten wir eine vergleichsweise milde Variante. Denn im Gegensatz zu den beiden letzten Rezessionsphasen 2001 (geplatzte Internetblase, hohe Konsumentenverschuldung) und 2008/2009 (geplatzte Häusermarktblase, Finanzkrise) gibt es diesmal keine ähnlich gewichtigen makroökonomischen Ungleichgewichte.
Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten ist eine Rezession in Europa eine ausgemachte Sache – zumindest in den von Energiekrise und/oder hoher Inflation besonders betroffenen Länder wie Deutschland, Italien und Grossbritannien sowie im Eurozonen-Schnitt. Die schlimmsten Befürchtungen scheinen sich aber
nicht zu erfüllen. Zumindest könnte der Abschwung schwächer ausfallen als noch im Herbst befürchtet und im Euroraum auf ein kumuliertes Wachstumsminus von weniger als -1% limitiert bleiben. Zu verdanken ist dies nicht nur der komfortablen Füllstände der Erdgasspeicher, sondern auch der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen, die in den meisten Industrien Gas einsparen können, ohne dafür Produktionseinbussen hinnehmen zu müssen. Konjunkturstützend wirken auch die umfangreichen Hilfspakete der Regierungen. Sie sorgen dafür, dass die hohen Energiepreise keine zu grossen Löcher in die Geldbeutel der Verbraucher fressen, die Arbeitslosigkeit in Schach gehalten wird und die ganz grosse Insolvenzwelle bei den Unternehmen ausbleiben sollte.
Dennoch wird sich die Laune von Konsumenten und Unternehmern wohl erst mit den steigenden Temperaturen im Frühling wieder nachhaltig aufhellen. In der zweiten Jahreshälfte könnte dann eine breite Erholung einsetzen, die neben Nachholeffekten bei Konsum und Investitionen sowie expansiver Fiskalpolitik auch wieder von der Exportindustrie getragen sein dürfte.
Der Wetterbericht wird in den kommenden Monaten aber weiterhin überdurchschnittlich relevant bleiben – nicht nur für den Small-Talk am Kaffeeautomaten.
Ein milder Winter wäre wünschenswert, um auch in die Wintersaison 2023/2024 mit guter Ausgangslage zu starten. Die Herausforderungen bleiben angesichts weiterhin sehr hoher Gas- und Strompreise auch so gross genug. Ein Zurück zum billigen russischen Erdgas wird es jedenfalls nicht geben. In der erzwungenen beschleunigten grünen Transformation liegen für Europa aber auch Chancen.
Besser spät als nie… – das Ende der chinesischen Null-Covid-Politik war am Ende unvermeidlich. Dass sie noch (zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt) im Winter rückabgewickelt wird, war dann aber doch eine kleine Überraschung. Wie so Vieles in China folgt sie ihren eigenen Regeln – in diesem Fall ungeordnet und chaotisch. Viele Regeln wurden bereits gelockert, bis Ende März könnten jegliche Corona-Restriktionen fallen. Da PCR-Tests weitgehend eingestellt wurden, widerspiegeln die offiziellen Covid-19-Fallzahlen längst nicht mehr die Realität. Aus den Erfahrungen in anderen asiatischen Ländern lassen sich aber Schätzungen ableiten: Die täglichen Fälle könnten im Januar auf bis zu 10 Millionen steigen. Der Höhepunkt wird wohl Anfang Februar – nach dem chinesischen Neujahrsfest –erreicht werden. Für die Konjunktur lässt dies im ersten
Abwärts – Wachstumserwartungen im Korrekturmodus Konsensschätzung für das Wirtschaftswachstum 2023
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Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank
Quartal nochmals eine weitere Delle erwarten. Nicht nur dürfte es in den Lieferketten erneut Disruptionen geben. Auch der Konsum dürfte leiden, weil sich viele Chinesen aus Angst vor dem Virus mit Ausgaben und Aktivitäten zurückhalten werden. Die Anzahl der Todesfälle könnte auf mehr als eine Million anwachsen, dürfte von der Regierung aber nicht transparent kommuniziert werden. Folgt die Entwicklung dem typischen Corona-Profil, dann wird diese „letzte Welle“ im April vorbeigeschwappt sein.
Für das zweite Quartal und den weiteren Jahresverlauf liegt das konjunkturelle Überraschungsmoment allerdings auf der Oberseite. Starke Nachholeffekte dürften dann zu einem kleinen Wachstumsschub führen. Goldman Sachs schätzt, dass die Null-Covid-Politik das chinesische Bruttoinlandsprodukt um 4-5 Prozentpunkte reduziert hat. Die Öffnung könnte nun fast einen gleichgrossen, positiven Effekt haben – und global ausstrahlen. Da auf China rund ein Fünftel der weltwei-
Wer nicht testet findet auch nichts Tägliche Covid-19-Fälle
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Quellen: Our World In Data, Kaiser Partner Privatbank
ten Wirtschaftsleistung entfällt, könnte das Ende von „Null-Covid“ das globale Wachstum um bis zu einem Prozentpunkt erhöhen – eine Wachstumsdividende, die in den aktuell verhaltenen Konsensprognosen nicht enthalten ist. Das Ende der pandemiebedingten Beschränkungen wird jedoch nicht alle Probleme lösen. Insbesondere der Immobilienmarkt befindet sich weiterhin in einer schwierigen Lage. Die Regierung wird die Wirtschaft in den kommenden Monaten daher – in wohldosierter Dosis – mit fiskalischen und geldpolitischen Massnahmen stützen. Beispielsweise dürften die Behörden weiterhin strauchelnden Immobilienentwicklern unter die Arme greifen. Das Kreditwachstum sollte im Jahresverlauf anziehen. Zumindest für einige Quartale könnten wir in China 2023 wieder Wachstumsraten oberhalb von 5% sehen.
Inflation: Zurück auf den Boden –aber wo liegt der?
Die Teuerung ist auf dem Rückzug. Nicht mehr nur in den USA (und der Schweiz), zuletzt auch im Euroraum. Dieser Prozess dürfte sich in den kommenden Monaten fortsetzen. Und dies wahrscheinlich schneller als (von der Mehrheit) gedacht. Ebenso wie die Inflation 2022 Finanzmarktteilnehmer, Unternehmen und Konsumenten negativ überraschte, könnte die Disinflation 2023 die Protagonisten positiv überraschen. Die Vereinigten Staaten geben dabei weiterhin das Tempo vor. Dort sind die Jahresteuerungsraten für viele Bestandteile des Warenkorbs (beispielsweise Energie oder langlebige Güter wie Gebrauchtwagen) bereits negativ. Die annualisierte 3-Monatsrate der Inflation liegt unter Ausklammerung der Mieten ebenfalls schon unter der Nulllinie. Das Mietpreiswachstum ist in der Statistik aktuell noch ein gewichtiger Inflationstreiber, dies allerdings nur aufgrund einer konstruktionsbedingten Verzögerung von 6 bis 12 Monaten. Tatsächlich fallen die Mieten aktuell bereits, spätestens in der zweiten Jahreshälfte dürften sie ebenfalls ein disinflationärer Faktor werden. Für Disinflation
sprechen auch Indikatoren wie Agrarpreise, Lagerbestände oder Frachtraten. Ein Szenario, in dem die Teuerung in den USA gegen Jahresende bereits nahe an das 2%-Ziel der Fed zurückkehrt, halten wir nicht für ausgeschlossen – es entspricht derzeit aber (noch) nicht dem Konsens. Auch die US-Notenbank selbst würde von einer solchen Entwicklung überrascht werden. Momentan erwartet sie für Ende 2023 eine Kerninflation von 3.5%!
In Europa dürften wir von nun an ebenfalls fortlaufend fallende Inflationsraten sehen. Gegen Jahresende könnte zumindest die 3%-Marke bei der Eurozonen-Inflation in greifbarer Nähe sein. Trotz der kurzfristig positiven Inflationsperspektive halten wir an unserer strategischen Einschätzung aber fest: Längerfristig dürften (auch im Euroraum) die Zeiten dauerhaft niedriger Teuerung unterhalb von 2% vorbei sein. Für zukünftig etwas höhere Inflation in der Spanne 2%-3% sprechen die sinkende Erwerbsbevölkerung, steigende Kosten für den Klimaschutz und eine geringere Abhängigkeit von russischen Energierohstoffen, die strukturelle Verschiebung hin zu nicht automatisierbaren Dienstleistungen (z.B. im Gesundheitswesen) sowie De-Globalisierung und vermehrte staatliche (weniger effiziente) Industriepolitik. Ob es nach der in diesem Jahr bevorstehenden Disinflationsphase in den Jahren 2024 und 2025 – vergleichbar wie in den 1970er Jahren – nochmals eine zweite Inflationswelle gibt, steht indes auf einem anderen Blatt. Zumindest ist es ein Risiko, das vor allem die US-Notenbanker derzeit beschäftigen dürfte…
Die Herbstrally an den Aktienmärkten (welche die monetären Bedingungen lockert und die Fed-Politik konterkariert) dürfte kaum nach dem Geschmack der US-Notenbanker gewesen sein. Und auch eine erneute Inflations-Achterbahnfahrt wie Ende der 1940er oder in den 1970er ist kaum in ihrem Interesse. Entsprechend falkenhaft („hawkish“) fiel die letzte Pressekonferenz der US-Notenbank aus, welche den Kurs für die nächsten Wochen vorgibt. Die Fed dürfte die Leitzinsen im ersten Quartal zunächst auf 5% oder mehr anheben und dann für längere Zeit im ultrarestriktiven Bereich belassen. Der „neutrale“ Zinssatz, der für die Wirtschaft weder zu hoch (abkühlend) noch zu tief (stimulierend) ist, liegt nach eigener Schätzung hingegen eher bei 2.5%.
Nach dem ersten geldpolitischen Fehler – der viel zu späten Anhebung des Zinsniveaus erst Anfang 2022 –droht auf diese Weise gleich der zweite: ein „Over-Tightening“, welches an der kleinen Chance auf eine sanfte Landung vorbei, direkt in eine harte Rezession steuert. Sanfte Landungen sind ohnehin schwierig, insbesondere aufgrund der langen Verzögerung zwischen Ursache (Zinserhöhungen) und Wirkung (schwächere Konjunktur). Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs endeten
9 von 12 Zinserhöhungszyklen in einer Rezession. Die vielen übergrossen Zinsschritte der Fed von Sommer und Herbst 2022 kommen somit frühestens im Frühling/Sommer in der breiten Wirtschaft an. Erst dann wird auch der verursachte „Schaden“ am Arbeitsmarkt in Form einer höheren Arbeitslosenquote und schwächerem Lohnwachstum zu sehen sein. Eigentlich sollte sich US-Notenbankchef Jerome Powell daher nun zurücklehnen, die Zinsen auf dem derzeitigen Niveau belassen und die Zeit für sich arbeiten lassen. Viel eher dürfte er aber die Zinsschraube überdrehen. Auch der Finanzmarkt glaubt nicht, dass die Fed einen geldpolitischen Fehler 2.0 vermeidet oder ihr die sanfte Landung gelingt. Ganz im Gegenteil preisen die Zinsterminkontrakte für die zweite Jahreshälfte bereits wieder Zinssenkungen ein. Damit dies Realität wird, müsste sich das Makrobild in den nächsten Wochen rapide verschlechtern. Zumindest was das Timing der nächsten Rezession angeht, sind wir wie weiter oben beschrieben etwas optimistischer.
Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte im Dezember eine ungewohnt harsche Botschaft an die Märkte. Nicht nur gab sie den Startschuss für einen (passiven) Abbau des riesigen Anleihebestandes auf der Notenbankbilanz. Auch signalisierte sie, dass angesichts des Inflationsdrucks demnächst mehrere weitere Zinsschritte von 50 Basispunkten auf der Agenda stehen – deutlich mehr als vom Markt erwartet. Erst ganz am Ende des Prognosehorizonts im vierten Quartal 2025 sieht die Europäische Zentralbank die Teuerung wieder beim Zielwert von 2%. Entsprechend viel Arbeit – sprich ein noch restriktiveres Umfeld – ist nötig, um dorthin zu gelangen. Lässt die EZB den Worten auch entsprechende Taten folgen, so würde dies die von uns skizzierte Erholung im Euroraum im zweiten Halbjahr abschwächen oder ganz ausfallen lassen. Vergleichsweise weniger volatil als bei den Kollegen in Frankfurt, verhält sich indes der geldpolitische Kurs der Schweizerischen Nationalbank – zugegebenermassen hat sie auch ein kleineres Inflationsproblem. Nach einem weiteren Zinsschritt könnte das Ende der Zins-Fahnenstange in der Schweiz schon im März erreicht sein. Mit der Möglichkeit weiterer Devisenverkäufe zur Stärkung des Schweizer Franken hat die SNB jedoch den Luxus über ein weiteres potentes Mittel zur Inflationsbekämpfung zu verfügen.
2023 stehen erstmals im 21. Jahrhundert in keinem G7-Land Wahlen an. Genügend Schauplätze und Risikoherde gibt es aber allemal. In den USA ist die politische Unsicherheit nach den „Midterms“ zwar erst einmal verflogen. Doch nach den (Zwischen)-wahlen ist vor den (Präsidentschafts-)Wahlen – schon dieses Jahr dürfte das Wahlkampfrennen um den Sitz im Weissen Haus Fahrt aufnehmen. Bis dahin ist
US-Präsident Biden nicht unbedingt eine „lahme Ente“. Dafür war das Abschneiden der Demokraten bei den Zwischenwahlen zu gut. Dennoch sind seine Zustimmungswerte tief und der innenpolitische Spielraum ab diesem Jahr aufgrund der Pattsituation im Kongress begrenzt, so dass Biden vor allem versuchen dürfte in der Aussenpolitik Akzente zu setzen bzw. Erfolge zu präsentieren. Eine schwierige Mission, bei der vor allem die drei Brennpunkte Ukraine, China und Iran weiterhin im Fokus stehen werden. Nirgendwo dürften einfache Erfolge gefeiert werden.
Unmittelbar relevant bleibt nach wie vor der Ukraine-Konflikt. Militärische Schockstarre im Winter, ein erneuter Angriff Russlands auf Kiew oder weitere Erfolge des ukrainischen Militärs – viele Szenarien sind denkbar. Joe Biden dürfte daran gelegen sein, dass sowohl in den USA als auch innerhalb der Nato weiterhin eine breite Zustimmung für die Unterstützung der Ukraine bestehen bleibt und die Einheit nicht aufbricht. Auf der Zeitachse ist zumindest in der ersten Jahreshälfte keine Lösung, wohl nicht einmal ein Waffenstillstand, zu erwarten. Gegen Jahresende rücken für Wladimir Putin dann aber die Präsidentschaftswahlen im März 2024 immer näher. Er dürfte vorher darum bemüht sein dem russischen Volk einen „Sieg“ präsentieren zu können – wie auch immer dieser aussehen mag. Aus heutiger Sicht am wahrscheinlichsten ist eine graugefärbte „Lösung“ vor dem Jahresende, welche keinen offiziellen Sieger oder Verlierer kennt, zumindest aber mit einer (vorübergehenden) Einstellung der Kampfhandlungen einhergeht. Der diplomatische Weg zu einer nachhaltigen friedlichen Beendigung des Konflikts – sofern er 2023 bereits beschritten wird – dürfte aber eher in Quartalen als in Wochen gemessen werden.
Auf der Relevanzskala ebenfalls weit oben liegt der Brennpunkt Iran. Die Chance dafür, dass das Nuklea -
Noch nicht am Ende – Weitere Zinserhöhungen sind in Sicht Leitzinsen
Partner
Keine Entspannung
– Die (politische) Unsicherheit bleibt hoch
(schwache Wirtschaft, ungleiche und schrumpfende Gesellschaft, sich stetig verschlechternde Aussenhandelsbeziehungen) dürfte der Appetit von Xi Jinping, sich Taiwan einzuverleiben kurzfristig gering sein. Dies auch weil der Misserfolg Russlands in der Auseinandersetzung mit der Ukraine und die für Putin verheerenden Konsequenzen als abschreckendes Beispiel dienen sollte. Die langfristige strategische Rivalität zwischen den beiden wirtschaftlichen Grossmächten USA und China dürfte sich 2023 aber weiter intensivieren.
rabkommen von 2015 demnächst wiederbelebt wird, schätzen wir auf deutlich weniger als 50%. Sollte der Iran sein Atomprogramm temporär einfrieren, so würde dies den USA, Israel und den anderen Kontrahenten im Mittleren Osten zumindest etwas Zeit kaufen. An den langfristigen atomaren Ambitionen dürfte aber festgehalten werden. Ohne „Deal“ könnte der Iran hingegen schon innerhalb der kommenden zwei Jahre einsetzbare Atomwaffen konstruieren. Der Countdown für präventive militärische Aktionen seitens Israel/USA läuft damit bereits. Um seinerseits einen Warnschuss zu setzen, könnte der Iran wiederum geneigt sein, die regionale Energieinfrastruktur im Mittleren Osten anzugreifen – auch um von den Unruhen im eigenen Land abzulenken. Das Risiko von Fehlkalkulationen dürfte bei allen Beteiligten künftig weiter zunehmen.
Auf der Zeitachse weiter hinten liegt das Risiko China, zumindest was den baldigen Einsatz von Militär angeht. Angesichts der vielen Probleme zu Hause
Europa wird derweil weiterhin einen Spagat machen und versuchen die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu verringern, gleichzeitig aber mit dem riesigen Absatzmarkt im Geschäft zu bleiben.
Aktien: Wenn alle ein Häkchen erwarten
Gemessen an den Kurszielen für den S&P500 Index sind die Analysten jedenfalls nicht sonderlich optimistisch. In der Regel wird – alle Jahre wieder – ein Anstieg des US-Blue-Chip-Index von plus/minus 10% erwartet, was angesichts der Tendenz langfristig steigender Kurse durchaus nachvollziehbar ist. Im Dezember 2022 sah es für einmal anders aus. Im Schnitt rechnete die Analystengemeinde nur mit stagnierenden Kursen – aus antizyklischer (Sentiment-)Sicht eher ein gutes Omen. Und so ist es durchaus denkbar, dass das Häkchen-Szenario ausbleibt und die Wunschkurse der Mehrheit, also Kurse zwischen 3'100 und 3'400 Punkten, nicht erreicht werden – zumindest nicht so schnell. Trotz kurzfristig etwas weniger negativer Einschätzung sind wir aber der Meinung, dass wir uns in einem noch länger andauernden Bärenmarkt befinden, dessen endgültiges Tief erst noch bevorsteht. Typischerweise wird der Tiefpunkt erst in der Rezession erreicht. Im positiveren Makroszenario könnte dies also auch erst 2024 sein.
In jedem Fall werden sich diverse Makroindikatoren zunächst noch deutlich verschlechtern müssen, bevor der finale Ausverkauf konstatiert werden kann. In den vergangenen fünf Rezessionen lagen beispielsweise die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe bei mindestens 400'000 (heute: 220'000) und der ISM-Einkaufsmanagerindex bei unter 44 Punkten (heute: 48.4 Punkte). Die Zinskurve war mit mindestens +50 Basispunkten bereits wieder positiv (heute: negativ bei -70bp) und die Fed hatte die Leitzinsen um mindestens 2% gesenkt (heute: das Leitzinshoch steht er noch bevor). Dies zeigt wie weit der Weg bis zum Ende des Bärenmarktes noch sein könnte… Für Anleger bedeutet dies ein weiteres Jahr mit viel Volatilität und unter dem Strich höchstwahrscheinlich nur einer bescheidenen Rendite – „fat und flat“ also. Ein Umfeld, das noch für mehrere Jahre bestehen bleiben könnte. Eine gute Diversifikation der Regionen und Branchen – ohne grosse Einzelwetten –und ein Fokus auf Qualitätsaktien ist die richtige Strategie um diesem wirschen Umfeld zu begegnen. Vom Versuch den Markt „timen“ zu wollen sollten Anleger auch weiterhin Abstand nehmen, auch wenn die Verlockung angesichts der hohen Schwankungen hoch ist. Denn auch 2023 gilt: Hin und her macht Taschen leer.
…als die Taube auf dem Dach. 2023 können Anleger mit „langweiligen“, dafür aber sicheren festverzinslichen Anlagen wieder Geld verdienen. Waren Staatsanleihen im Sommer 2021 noch ein zinsloses Risiko, sind sie heute eine kaufkraftsteigernd verzinste Versicherung (positive Realrendite) gegen einen Wirtschaftsabschwung. Der schnellste Zinserhöhungszyklus seit mehr als 40 Jahren hat die Renditelandschaft innerhalb weniger Quartale komplett auf den Kopf gestellt. Investoren müssen die Attraktivität der verschiedenen Anlageklassen nun nochmals völlig neu
bewerten – und können die Risikoleiter wieder hinunterklettern. Um solide Anlagerenditen zu erzielen, muss es nicht mehr unbedingt eine riskante Technologieaktie sein, auch Anleihen von Qualitätsunternehmen mit gutem Rating können in den nächsten 12 bis 18 Monaten aktienähnliche Erträge generieren.
In einer Zeit, in der Anleger zuletzt immer stärker in Richtung der Privatmärkte streben, erlebt nicht nur der klassische öffentliche Anleihemarkt ein Comeback. Auch ihren risikomindernden Einfluss auf ein gemischtes Anlageportfolio sollten (Staats-)Anleihen demnächst zurückerlangen. Nachdem die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen im vergangenen Jahr positiv war und es somit in beiden Anlageklassen zu herben Verlusten kam, sollten die Korrelationen – zumindest im Rezessionsszenario – wieder negativ werden. Und damit sollten sichere Anleihen auch wieder ihre hilfreiche Pufferwirkung auf das Gesamtportfolio erzielen. Auch die spekulativste Anleihevariante – der High-Yield-Bereich – wird in diesem Jahr wieder interessant.
Tatsächlich zeichnet sich hier eine ausserordentlich asymmetrische Opportunität ab: aktienähnliche Renditen bei nur einem Drittel der Volatilität. Zwar befinden sich die Kreditaufschläge derzeit – in den USA circa 450bp – noch nicht auf dem Level vorheriger Krisen. Doch schon auf dem aktuellen Niveau werden Anleger für eine erhöhte implizite Ausfallquote entschädigt. Steigen die Spreads in den kommenden Monaten weiter an und erreichen ein Level von 600bp oder mehr, so steigt die historisch erzielte minimale 12-Monats-Rendite auf knapp 10%.
An den Währungsmärkten war der US-Dollar im letzten Jahr der König – zumindest für die ersten 9 Monate. Stärkster Treiber für seinen Auftrieb waren die signifikant steigenden Zinsdifferenzen gegenüber an -
Zurück zur Normalität – Es gibt wieder Zins(en) Rendite Bloomberg Global Aggregate Government TR Index
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deren Währungen. Ende September resultierte der Höhenflug dann schliesslich in einer (finalen) Kaufpanik bzw. in einem spiegelbildlichen Ausverkauf bei Euro (Energiekrise) und britischem Pfund (Regierungskrise). Seitdem hat der Greenback allerdings einiges an Boden verloren. Dies nicht nur weil die Inflation in den USA bereits im Herbst ihren Höhepunkt überschritten hatte, sondern auch weil sich die europäischen Notenbanken in den letzten Monaten zunehmend dem Kampf gegen die Inflation verschrieben haben und das geldpolitische Momentum nun auf ihrer Seite liegt. Der möglicherweise im Herbst zu Ende gegangene Dollar-Bullenmarkt hat die US-Währung auf ein stark überteuertes Bewertungsniveau getrieben. Je nach Modell lag diese auf dem Top bei 20% bis 30% über dem „fairen“ Wert. Derartige Abweichungen können lange anhalten, doch bei solch hohen Werten wird die Luft historisch betrachtet mit hoher Zuverlässigkeit dünn und die Kräfte der „Mean Reversion“ – der Rückkehr zu einem Mittelwert innerhalb der langfristigen Bandbreite – setzen ein.
Eine solche Gegenbewegung hält typischerweise längerfristig an. Der Euro könnte gegenüber dem Dollar in den nächsten drei Jahren zumindest wieder auf ein Level von 1.20 bis 1.25 USD ansteigen. Mögliche Treiber für eine Verfestigung der wahrscheinlich bereits eingeleiteten Trendwende wäre eine Bodenbildung bei den globalen Wachstumserwartungen, nachlassende geopolitische Spannungen (insbesondere im Ukraine-Konflikt) sowie schliesslich Zinssenkungen der Fed, welche die Zinsdifferenzen zu Ungunsten des Greenback verringern würden. Jahrelang bestehende Trends kehren sich allerdings nicht innerhalb von wenigen Wochen um. Es ist durchaus möglich, dass der Dollar vorher – im Zuge einer weiteren Eintrübung der kurzfristigen globalen Wachstumsperspektiven bzw. lokal auftretender Rezessionen –nochmals einen Anlauf auf die Höchststände nimmt um dort im Bestfall ein Doppel-Top auszubilden.
Der Schweizer Franken präsentierte sich 2022 einmal mehr äusserst robust und verlor gegenüber dem US-Dollar am Ende nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Auch in diesem Jahr dürfte er stark bleiben. Zwar bleibt die SNB im globalen Vergleich mit Leitzinsen unterhalb von 2% ein Sonderling unter den Notenbanken (mit Ausnahme der Bank of Japan). Doch mit Blick auf den Franken sind allein die (Nominal-)Zinsen nicht matchentscheidend, relevanter sind die Realzinsen. Unter diesem Aspekt ist der Franken zumindest keine Tiefzinswährung. Die tiefe Inflation ist es dann auch, welche den „fairen“, nominellen Wert des Franken gemäss Kaufkraftparität gegenüber Euro und Dollar langfristig stetig steigen lässt. Eher kurzfristig betrachtet ist es wiederum seine Tendenz in Rezessionsphasen outzuperformen, die für den Franken spricht. Einen nachhaltigen Anstieg von EUR/CHF bzw. USD/CHF über die Parität erwarten wir 2023 daher nicht.
Privatmarktanlagen wurden ihrem Ruf nach stabilen Erträgen und geringerer Volatilität im letzten Jahr einmal mehr gerecht. Mit Ausnahme von „Venture Capital“ und „Growth“ nahmen Private-Equity-Manager bei ihren Portfoliounternehmen im Schnitt kaum Abwertungen vor. Dies trotz der hohen zweistelligen Verluste an den Aktienmärkten. Immobilienstrategien konnten in der ersten Jahreshälfte sogar nochmals deutlich zulegen und wurden damit Opfer ihres eigenen Erfolgs – diverse Anlagevehikel mussten die Rückgabe von Anteilsscheinen limitieren als zu viele Anleger Gewinne realisieren wollten. Mit Blick auf 2023 zeigen sich viele Privatmarktmanager zuversichtlich, dass die Diskrepanzen zwischen öffentlichen und privaten Märkten bestehen bleiben können. Wir rechnen jedoch damit, dass das schwierige makroökonomische Umfeld zu einer weiteren Trennung von „Spreu und Weizen“ unter den Managern führen wird.
Viele Fonds dürften an Wertberichtigungen nicht vorbeikommen.
Gleichzeitig dürfte es 2023 sehr gute Opportunitäten am Sekundärmarkt geben. Viele institutionelle Anleger sind aufgrund der Outperformance ihrer Private-Equity-Anlagen nämlich übergewichtet und daher gezwungen ihr Exposure abzubauen. Diese Sekundärmarkt-Transaktionen dürften in den nächsten Quartalen zu erheblichen Discounts stattfinden und eröffnen Käufern attraktive Einstiegsniveaus. Besonders interessant dürften in diesem Jahr auch Private-Credit-Strategien sein. Sie profitieren aufgrund ihrer variablen Verzinsung nicht nur ein zu eins von höheren Leitzinsen, sondern auch von gestiegenen Risikoaufschlägen. Zudem haben sie in früheren Wirtschaftsabschwüngen ihren defensiven Charakter bewiesen.
Hohe Inflation und multiple (geo-)politische Krisen – für den Goldpreis sollte dieses schwierige Umfeld eigentlich eine Zeit zum Glänzen sein. In der Endabrechnung 2022 verbuchte das gelbe Edelmetall jedoch nur eine Nullnummer (zumindest in US-Dollar, in anderen Währungen sah es besser aus). Dabei war die Nachfrage nach Gold letztes Jahr rekordverdächtig hoch. Allein die Notenbanken kauften im dritten Quartal 400 Tonnen – so viel wie nie zuvor seit Beginn der quartalsweisen Aufzeichnungen im Jahr 2000. Auch das Interesse für Münzen und Barren unter den Privatanlegern nahm zu, ob in den Industrie- oder Schwellenländern. Doch all dies gab kaum Auftrieb. Auch der Absturz der Kryptowährungen – die vermeintliche Alternative zum Gold – half wenig. Das letzte Jahr zeigte vielmehr nochmals deutlich, was die stärksten Treiber des Goldpreises sind:
Kaufgelegenheit? – Fondsmanager finden Gold zu billig Goldpreis
Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank
der US-Dollar und die (Real-)zinsen. Beide zogen in den ersten drei Quartalen merklich an und machten Gold nicht nur rein (US-Dollar-)rechnerisch günstiger, sondern auch unattraktiver gegenüber verzinslichen Anlagen. In der neuen „TARA“-Welt („there are reasonable alternatives“) ist die Zinslosigkeit des Edelmetalls schliesslich sein grösstes Manko. Genau aus diesem Grund blieb eine wichtige Käuferschicht dem Gold in letzter Zeit fern: die institutionellen Anleger. Seit mehr als einem halben Jahr verzeichneten Gold-ETFs grössere Abflüsse. Mit Blick auf 2023 könnten sich die Gold-Perspektiven nun aber aufhellen. Gemäss der Fondsmanagerumfrage der Bank of America erachtet eine Vielzahl der Institutionellen den Goldpreis als unterbewertet. Sollte sich dieses Jahr das denkbar negativste Makro-Szenario einer Rezession inklusive Kehrtwende der Fed realisieren, könnte Gold für einmal wieder glänzen. In früheren Abschwüngen war es häufig ein Stabilisator im Anlageportfolio. In fünf der letzten sieben Rezessionen lieferte es positive Erträge.
Der Reifeprozess der ESG-Industrie wird sich auch im neuen Jahr fortsetzen. Wir verfolgen diese Entwicklungen wachsam und schauen voraus, welche Themen 2023 unter anderem im Fokus stehen werden.
Performance-Erwartungen
Während 2021 ESG-Strategien noch zu den Gewinnern gezählt hatten, sah es im vergangenen Jahr deutlich düsterer aus. Das Jahr 2022 wird in dieser Hinsicht wohl als Jahr der relativen Underperformance von ESG-Strategien in Erinnerung bleiben. Diese Diskrepanz in der Wertentwicklung gegenüber einer ESG-neutralen Strategie ist zu einem grossen Teil darauf zurückzuführen, dass der Energie-Sektor ein besonders profitables Jahr verzeichnen konnte. Genau dieser Sektor wird nämlich in der Vermögensallokation von ESG-Strategien, wenn überhaupt, nur minimal berücksichtigt. Auch für die Zukunft tun Investoren gut daran keine Outperformance von „grünen“ Anlagen zu erwarten. Die Motivation für „grüne“ Investitionen sollte woanders liegen. Allerdings bewegt die Frage ob „grün“ outperformt weiterhin die akademische Welt. Einer aktuellen Studie von Pástor, Stambaugh, & Taylor (2022) nach sollten „grüne“ Anlagen eine geringere erwartete Rendite als „braune“ Anlagen haben, und zwar aus zwei Gründen: Anleger haben eine gewisse Vorliebe für „grüne“ Anlagen und „grüne“ Anlagen sind gegen Klimarisiken besser abgesichert. Die geringeren erwarteten Renditen spiegeln demnach
sowohl diese Vorliebe als auch die Risikoprämie wider. Andererseits besteht aus Sicht der Autoren weiterhin die Möglichkeit, dass „grüne“ Anlagen eine höhere realisierte Rendite erzielen, wenn sich die Nachfrage der Anleger unerwartet in die „grüne Richtung“ verschiebt. Diese Kluft zwischen erwarteter und realisierter Rendite steht im Mittelpunkt der aktuellen Forschung. Pástor, Stambaugh, und Taylor identifizieren zwei Gründe, die zu einer Verschiebung der Nachfrage in Richtung „grüner“ Anlagen führen kann. Erstens kann die Nachfrage der Anleger nach „grünen“ Anlagen steigen, was deren Preise direkt nach oben treibt. Zweitens kann die Nachfrage der Verbraucher nach „grünen“ Produkten zunehmen, z.B. aufgrund von Umweltvorschriften, was sowohl die Gewinne „grüner“ Unternehmen als auch deren Aktienpreise nach oben treibt. Ebenso kann die Nachfrage der Investoren nach „braunen“ Investments sinken oder die Nachfrage der Verbraucher nach solchen Produkten zurückgehen, was wiederum die Preise für „grüne“ Aktien nach oben treibt.
Klimapolitik – sind wir auf dem richtigen Weg? Ende 2022 hin fand in Sharm El-Sheik, Ägypten, die Weltklimakonferenz (COP27) statt. Die neutralen Berichterstatter sind sich im Grossen und Ganzen einig, dass an der Konferenz zwar wichtige Fortschritte erzielt wurden, diese jedoch nicht im Verhältnis zum Ausmass der Klimakatastrophe stehen. Besonders das Tempo der Emissionsreduzierung in Saudi-Arabien und Russland ist enttäuschend und wird nicht genügen um das Ziel, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf 1.5 Grad Celsius zu begrenzen, zu erreichen. Positiv hervorzuheben war jedoch der Fokus auf den afrikanischen Kontinent und die Bemühungen, den Übergang zu einer Netto-Null-Welt für alle beteiligten Länder möglichst fair zu gestalten. Insbesondere konnten sich die Teilnehmer darauf einigen einen Verlust- und Schadensfonds für besonders arme Länder ins Leben zu rufen. Die genaue Ausgestaltung dieses Fonds wird sicher ein Hauptdiskussionspunkt an der Klimakonferenz 2023 in Dubai sein. Wer hier allerdings grosse Fortschritte erwartet, dürfte wohl aufs Neue enttäuscht werden. Auch dieses Jahr werden sich die Gespräche schwierig gestalten, stehen doch stark divergierende lokale Interessen einer globa-
len Lösung im Weg. Ausserdem bleibt auch abzuwarten, ob nicht wieder ein geopolitisches Ereignis wie der Krieg in der Ukraine die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Geopolitische Ereignisse in diesem Ausmass werden auch in Zukunft eine höhere Priorität haben, Nachhaltigkeitsdebatten in den Hintergrund drängen und es der Menschheit erschweren die globale Temperaturkurve ausreichend abzuflachen.
„E“ ist nicht nur Klimawandel Dass ESG die drei grossen Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung abdeckt, zeigt bereits die Komplexität der Thematik auf. Zudem ist jeder einzelne Teilbereich äusserst facettenreich. In der momentan geführten Debatte wird die Umwelt-Dimension („E“) hierbei oft mit Klimawandel gleichgesetzt. Zwar ist der Klimawandel sicherlich ein wichtiger Aspekt, jedoch umfasst der Teilbereich Umwelt noch vieles mehr. Beispielsweise fand im Dezember 2022, als Pendent zur UN-Klimakonferenz, die Weltbiodiversitätskonferenz (COP15) statt. Elizabeth Mrema, Leiterin des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt, und Kanadas Umweltminister Steven Guilbeault bezeichneten die Konferenz als „Pariser Moment für die biologische Vielfalt“, in Anlehnung an das historische Pariser Klimaabkommen von 2015. Auf der COP15 wurden unter anderem natürliche Verluste des Baumbestandes thematisiert. Trotz der Zusagen, dem Waldverlust Einhalt zu gebieten, ging 2021 weltweit eine Fläche von 25,3 Millionen Hektar verloren –eine Fläche grösser als Grossbritannien. Ausserdem brannten 2022 weltweit weitere Millionen Hektar durch Waldbrände nieder. Wälder und Bäume, allen voran der Regenwald, sind die grüne Lunge unseres Planeten.
Sie helfen unter anderem dabei, CO2 zu binden und können dieses auch in den für uns lebensnotwendigen Sauerstoff umwandeln. Dabei sind die Regenwälder für etwa 40% des Sauerstoffs in der Luft verantwortlich – allein der Amazonas-Regenwald produziert rund 20% des weltweiten Sauerstoffs. Rodungen verstärken daher den Klimawandel und sind auch darüber hinaus problematisch. Denn zahlreiche Pflanzen- und Tierarten verlieren ihren Lebensraum und sterben unwiederbringlich aus.
Ein wichtiges Resultat der COP15 war die Verabschiedung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (GBF) von Kunming-Montreal. Es zielt darauf ab den Verlust der biologischen Vielfalt zu bekämpfen, Ökosysteme wiederherzustellen und die Rechte indigener Völker zu schützen. Der Plan enthält konkrete Massnahmen um den Verlust der Natur aufzuhalten und umzukehren. Beispielsweise sollen bis 2030 30% der Erde und 30% der degradierten Ökosysteme unter Schutz gestellt werden. Mit Blick auf das Jahr 2023 bleibt es abzuwarten wie sich diese Massnahmen auf unternehmerische Tätigkeiten auswirken werden. Insbesondere Zielvorgabe 15 des Übereinkommens erwartet von allen Unternehmen, dass sie ihre Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die biologische Vielfalt bewerten, darüber berichten und negative Auswirkungen reduzieren. Auf diese Weise sollen Risiken verringert und nachhaltigere Geschäftsmodelle und -praktiken entwickelt werden.
Anlageklassen seit Jahresbeginn
1 Monat 1 Jahr 3 Jahre Liquidität
CHF 0.1% -0.1% -1.4%
EUR 0.2% 0.4% -0.6% USD 0.4% 2.3% 3.1%
Festverzinsliche Anlagen
Staatsanleihen -2.0% -12.7% -10.6%
Unternehmensanleihen 0.4% -16.7% -10.8% Mikrofinanz 0.0% 1.8% 7.0%
Inflationsbasierte Anleihen -2.6% -17.0% -3.9% Hochzinsanleihen -1.1% -10.7% -2.4% Schwellenländeranleihen 0.2% -18.4% -15.4%
Versicherungsbasierte Anl. 1.9% -2.2% 8.6% Wandelanleihen -1.2% -18.2% 16.3% Aktien
Global -5.1% -16.0% 18.3% Schweiz -3.6% -17.1% 3.9%
Europa -3.6% -12.5% 5.8% Grossbritannien -1.4% 7.1% 11.2% USA -5.9% -19.8% 22.4% Schwellenländer -1.6% -22.4% -14.2% Alternative Anlagen
Rohstoffe -2.8% 13.8% 39.5% Gold 3.1% -0.3% 20.2% Immobilien Schweiz 1.5% -15.2% 0.9% Hedgefonds -0.1% -4.4% 5.8% Währungen
EUR/USD 2.9% -5.8% -4.5%
EUR/CHF 0.6% -4.6% -8.8% GBP/USD 0.2% -10.7% -8.9%
• 14. Januar: Welttag der Logik Die Fähigkeit zu denken ist eine der wichtigsten Eigenschaften des Menschen, in der klassischen westlichen Tradition wird er als „rationales“ oder „logisches“ Tier definiert. Als die Erforschung der Prinzipien des Denkens hat die Logik seit jeher eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Philosophie und der Wissenschaften gespielt.
• 16. bis 20. Januar: Weltwirtschaftsforum (WEF) Auch dieses Jahr treffen sich die führenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft beim World Economic Forum (WEF) wieder in den Schweizer Bergen in Davos. Das Motto der 53. Ausgabe lautet „Kooperation in einer fragmentierten Welt“.
• 22. Januar: Chinesisches Neujahrsfest 2022 war der Optimismus, für den der Tiger in der chinesischen Astrologie steht –bitter nötig. Mit dem chinesischen Neujahrsfest beginnt Ende Januar nun das Jahr des Hasen, genauer des Wasserhasen. Er ist ein Symbol für Langlebigkeit, Frieden und Wohlstand und macht Hoffnung, dass 2023 ein guter Jahrgang wird.
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