August 2023

Die Panikmache im letzten Sommer angesichts drohender Versorgungsengpässe war teils deutlich übertrieben, die Kräfte des Marktes haben gewirkt.
Grafik des Monats
August 2023
Die Panikmache im letzten Sommer angesichts drohender Versorgungsengpässe war teils deutlich übertrieben, die Kräfte des Marktes haben gewirkt.
Grafik des Monats
Die Rezession, die (bisher) nicht kam
In den USA lässt eine Rezession weiterhin auf sich warten. Die Auswirkungen der strikteren Geldpolitik dürften dort erst 2024 zu einem ernsthaften Konjunkturrisiko werden. In Europa und China weht der Konjunkur-Gegenwind bereits heute deutlich rauer. Im Reich der Mitte mehren sich nun die Zeichen dem Wachstum vorrübergehend wieder eine höhere Priorität einzuräumen.
Gaspreisschock – ein Jahr danach…
Es wird nichts so heiss gegessen, wie es gekocht wird… (Auch dann nicht, wenn die Gaspreise inzwischen wieder deutlich günstiger sind.) Ein Jahr nach dem europäischen Gaspreisschock lässt sich eine erste Bestandsaufnahme vornehmen: Die Panikmache im letzten Sommer angesichts drohender Versorgungsengpässe war teils deutlich übertrieben, die Kräfte des Marktes haben gewirkt. Der EU-Gaspreisdeckel blieb bisher nur ein theoretisches Konstrukt und dürfte auch in der bevorstehenden Heizperiode nicht zum Einsatz kommen.
(Noch) ungebrochenes Momentum
Nach der letzten Zinserhöhung ist nicht zwingend vor dem nächsten Crash. Seit 1980 war notierte der S&P 500 Index 12 Monate nach dem letzten Zinsschritt der
Fed in fünf von acht Fällen höher. Überschwänglich sollten Anleger nun dennoch nicht (mehr) werden. Denn die Mehrheit der Marktteilnehmer ist ebendies: reichlich optimistisch. Rücksetzer sind an den Aktienmärkten kurzfristig jederzeit möglich, das nötige Enttäuschungspotential dafür ist jedenfalls vorhanden.
Qualität – ein Faktor spricht für sich
Jeder hätte gern „gute“ Aktien im Depot. Doch was ist das eigentlich? Bei Aktien mit einem hohen Qualitäts-Faktor ist der Name Programm. Sie verbinden Sicherheit und Konsistenz mit einer attraktiven Rendite und stellen die Finanztheorie scheinbar auf den Kopf. Anleger sollten deshalb aber nicht den Kopf verlieren. Ein Free Lunch gibt es nicht. Und so sollten Qualitätsaktien nur ein Teil des Anlegermenüs sein.
Schlechtes Timing?! – Der Magazin-Cover-Indikator
Die menschliche Psyche steht dem Erfolg des Privatanlegers oft im Weg. Doch auch Finanzprofis und -journalisten sind vor den Tücken der (Massen-)Psychologie nicht gefeit. Prominente Titelgeschichten in Finanz- und Nachrichtenmagazinen sind oft ein Abbild der Stimmungen und Positionierungen im globalen Börsenkarussell. Der Magazin-Cover-Indikator hat einen bemerkenswerten Track Record und sollte in die Werkzeugkiste jedes Anlegers gehören.
„Climate change is out of control” – mit dieser klaren Aussage kommentierte UN-Generalsekretär António Guterres die rekordheissen Tage anfangs Juli. Erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen 1979 stieg die durchschnittliche globale Tagestemperatur über 17 Grad Celsius. Dort verharrte sie dann gleich für ganze 10 Tage. Egal ob in den Vereinigten Staaten, Nordafrika, dem Mittleren Osten oder China – vielerorts gab es in den letzten Wochen grössere Hitzewellen. Selbst in der Antarktis, wo momentan eigentlich Winter ist, war es zuletzt ungewöhnlich warm. Verstärkt wird die schweisstreibende Situation in diesem Jahr durch den El Niño-Effekt. Dieser war das letzte Mal 2016 zu beobachten und sorgte damals für das bis dato heisseste Jahr aller Zeiten. Das Ziel die Erderwärmung auf 1.5 Grad zu begrenzen, gerät angesichts regelmässiger Temperaturrekorde immer mehr ausser Sichtweite. Resignation ist dennoch fehl am Platz. Vielmehr müssen die Klimabemühungen weiter intensiviert werden.
Immer mehr Ökonomen trauen sich daher wieder von einer möglichen „sanften Landung“ zu reden. Auch wir sind optimistisch und denken, dass eine Rezession erst ein Thema für 2024 ist.
Am Puls der Wirtschaft
In den USA lässt eine Rezession weiterhin auf sich warten. Die Auswirkungen der strikteren Geldpolitik dürften dort erst 2024 zu einem ernsthaften Konjunkturrisiko werden. In Europa und China weht der Konjunkur-Gegenwind bereits heute deutlich rauer. Im Reich der Mitte mehren sich nun die Zeichen dem Wachstum vorrübergehend wieder eine höhere Priorität einzuräumen.
Die Rezession, die (bisher) nicht kam
Der US Leading Economic Index ist im Juni das 15. Mal in Folge gesunken. In Anbetracht der Schwäche dieses – in der Vergangenheit stets zuverlässigen – Konjunkturindikators prognostiziert das Conference Board für die USA ab dem 3. Quartal eine Rezession. Diverse andere Makrodatenpunkte weisen derweil auf eine noch immer robuste US-Wirtschaft hin. Immer mehr Ökonomen trauen sich daher wieder von einer möglichen „sanften Landung“ zu reden. Auch wir sind optimistisch und denken, dass eine Rezession erst ein Thema für 2024 ist. Dass sie am Ende nicht zu vermeiden sein wird, bleibt aber ebenso unsere Meinung.
In der Eurozone konnte eine Rezession bisher nur knapp vermieden werden. Die zuletzt erneut enttäuschend schwachen Einkaufsmanagerindizes deuten allerdings auch für die zweite Jahreshälfte eine Stagnation der Wirtschaft an. Nicht nur der sehr schwache Industriesektor ist eine Bremse, zuletzt schwächte sich auch die Dynamik im Dienstleistungsbereich ab. Die Auswirkungen auf die Inflation sind konsequent: Bei den Güterpreisen findet inzwischen ein rapider Disinflationsprozess statt. Aufgrund markanten Lohnwachstums dürfte es aber noch eine längere Zeit dauern bis das 2%-Inflationsziel der EZB wieder in Sichtweite kommt.
Nicht mehr im Gleichlauf | Amerika überrascht positiv, Europa negativ Economic Surprise Indizes
Letzte Zinserhöhungen im Kasten?
Bei den Notenbanksitzungen Ende Juli gab es keine Überraschungen. Die Fed erhöhte den Leitzins auf 5.5% und die EZB schraubte den Einlagezinssatz auf 3.75% herauf. Das weitere Drehbuch ist zwar noch nicht endgültig geschrieben. In den USA spricht momentan allerdings vieles für ein Ende der Zinserhöhungen. In Frankfurt dürften die geldpolitischen Falken und Tauben im September indessen um einen finalen Zinsschritt ringen.
Chinas Charmeoffensive
Chinas Wirtschaft hat im 2. Quartal deutlich an Momentum verloren, sie wuchs gegenüber dem Zeitraum Januar bis März nur noch um 0.8%. Das Politbüro signalisierte nun der Stabilisierung des Wachstums kurzfristig wieder eine höhere Priorität einzuräumen. In dieses Bild passen auch jüngste Werbeaktionen für den Standort China von verschiedenen Lokalregierungen und ein Treffen des obersten chinesischen Finanzmarktregulators mit den grossen Namen der internationalen Private-Equity-Branche. Die Charmeoffensive scheint zwingend nötig – in der zweiten Hälfte 2022 waren die ausländischen Direktinvestitionen um drei Viertel eingebrochen.
Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank
Im Nachhinein betrachtet erwies sich die (deutsche) Marktwirtschaft als viel robuster und anpassungsfähiger als von vielen befürchtet.
Es wird nichts so heiss gegessen, wie es gekocht wird… (Auch dann nicht, wenn die Gaspreise inzwischen wieder deutlich günstiger sind.) Ein Jahr nach dem europäischen Gaspreisschock lässt sich eine erste Bestandsaufnahme vornehmen: Die Panikmache im letzten Sommer angesichts drohender Versorgungsengpässe war teils deutlich übertrieben, die Kräfte des Marktes haben gewirkt. Der EU-Gaspreisdeckel blieb bisher nur ein theoretisches Konstrukt und dürfte auch in der bevorstehenden Heizperiode nicht zum Einsatz kommen.
Nur eine technische Rezession
Ende August 2022 erreichte der europäische Erdgaspreis (TTF) angesichts der gänzlichen Einstellung russischer Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 das Ende der Fahnenstange. Zeitweise notierten die Preise bei fast 350 Euro pro Megawattstunde. Die Panik unter Industrieverbänden, Gewerkschaften, Ökonomen (und Politikern) im besonders stark vom russischen Gas abhängigen Deutschland erreichte ihren Höhepunkt bereits einige Wochen zuvor als drastische Horrorszenarien die Runde machten. Die pessimistischsten Prognosen erwarteten im Falle komplett ausbleibender Gaslieferungen einen Einbruch der deutschen Wirtschaftsleistung zwischen -6% und -12%. Hinterher ist man immer schlauer… – inzwischen wissen wir, dass Deutschland im Winterhalbjahr 2022/23
„nur“ eine minimale (technische) Rezession durchgemacht hat. Die Realität bestätigte damit die Fraktion deutlich nüchterner Wirtschaftsforscher, welche einen Abbruch der Energiebeziehungen mit Russland bereits im Frühling 2022 als handhabbar einschätzten1
Der Erdgasmarkt funktioniert… | …auch ohne Preisdeckel Terminpreis für europäisches Benchmark-Erdgas (TTF), in €/MWh
Der Markt regelt alles vieles
Im Nachhinein betrachtet erwies sich die (deutsche) Marktwirtschaft als viel robuster und anpassungsfähiger als von vielen befürchtet. Unternehmen stiegen teilweise auf andere Brennstoffe (z.B. Kohle) oder Produkte mit höherem Energiegehalt (Harnstoff) um. Rund die Hälfte des russischen Erdgases konnte zudem durch zusätzliche europäische Flüssiggasimporte (LNG) ersetzt werden. Auch die Haushalte passten ihr Verbrauchsverhalten an und senkten ihren Gasverbrauch um -12% (gegenüber dem Schnitt 2019-2021). Die befürchteten "Kaskadeneffekte" konnten in Deutschland hingegen nicht beobachtet werden. Während die Produktion in energieintensiven Sektoren wie Chemie und Glas stark zurückging, war die Industrieproduktion in anderen Sektoren kaum betroffen. Dass die deutsche Politik im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern auf eine Preisobergrenze für Erdgas verzichtete, erwies sich als richtig. Der (hohe) Preis allein hatte für das oben skizzierte Anpassungsverhalten eine wesentliche Lenkungsfunktion. Ebenso hilfreich war das
schnelle Handeln des deutschen Wirtschaftsministeriums bei der Beschaffung von Gaslieferungen aus Drittländern und dem Aufbau von LNG-Kapazitäten. Eine Gasmangellage wäre dank der Anpassungsfähigkeit der Marktteilnehmer gemäss einer Studie von B. Moll, M. Schularick und G. Zachmann2 selbst dann nicht eingetreten, wenn Deutschland freiwillig ab dem 1. April 2022 auf sämtliche Gasimporte aus Russland verzichtet hätte. Auch der häufig betonte Faktor „Glück“ –im Sinne eines überdurchschnittlich warmen Winters –, der für den glimpflichen wirtschaftlichen Ausgang häufig verantwortlich gemacht wird, war gemäss der Autoren kein entscheidendes Element. Wie wichtig ein funktionierender (globaler) Markt ist, bestätigt auch eine Studie von Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF)3. Demnach sind die Kosten eines russischen Gasboykotts gegenüber Europa dank des globalen LNG-Marktes nur ein Drittel so hoch wie in einem Szenario, in dem diese Ausweichmöglichkeit nicht bestehen würde.
(Heisser) Sommer ist vor dem (…) Winter
Auch wenn man angesichts des erneut rekordheissen Sommers aktuell nicht unbedingt ans Heizen denkt, muss der Blick auf die Gas-Problematik abschliessend nach vorne gerichtet sein. Nüchtern betrachtet ist auch dieser eher positiv. Der Erdgaspreis notiert zuletzt unter 30 Euro pro Megawattstunde und die
Diesmal kein Stress | Die Speicher sind bereits gut gefüllt Füllstand der Gasspeicher in Deutschland
deutschen Gasspeicher sind bereits zu diesem frühen Zeitpunkt zu mehr als 80% gefüllt. Schon zu Herbstbeginn könnten sie voll sein. Der EU-Gaspreisdeckel bei 180 Euro dürfte aller Voraussicht nach auch im kommenden Winter nicht zum Einsatz kommen und ein theoretisches Konstrukt bleiben. Entlastung für die europäische Versorgungslage kommt in der anstehenden Heizperiode ausgerechnet aus China, das am Weltmarkt mit der EU um die vorhandenen LNG-Kapazitäten konkurriert. Gemäss Daten des Analysehauses ICIS wird die Volkrepublik 2023 rund 73 Millionen Tonnen Flüssigerdgas importieren, 6 Millionen Tonnen weniger als 2021. Die Ursache dafür sind höhere chinesische Gasimporte via Pipeline aus Russland, die schwache Erholung der chinesischen Wirtschaft von der Corona-Delle und das eifrige Abschliessen langfristiger LNG-Lieferverträge. Letzteres dürfte dafür sorgen, dass China am Spotmarkt seltener mit anderen Ländern um freie LNG-Kontingente feilschen wird. Die Menge LNG, die China laut ICIS-Prognose in diesem Jahr weniger importieren wird als 2021, scheint auf den ersten Blick nicht sehr ins Gewicht zu fallen. Schliesslich hat der Weltmarkt für Flüssiggas ein Volumen von 405 Millionen Tonnen. Allerdings machen diese sechs bis sieben Millionen Tonnen ungefähr zehn Prozent des deutschen Verbrauchs aus. In einem weltweit knappen Markt kann dies bereits den Ausschlag geben, ob es zu starken Schwankungen bei den Preissignalen kommt.
Entlastung für die europäische Versorgungslage kommt in der anstehenden Heizperiode ausgerechnet aus China, das am Weltmarkt mit der EU um die vorhandenen LNG-Kapazitäten konkurriert.
Quellen: Gas Infrastructure Europe, Kaiser Partner Privatbank
*1) Rüdiger Bachmann et al. (2022): “Was wäre, wenn...?
Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Importstopps russischer Energie auf Deutschland”
*2) Benjamin Moll, Moritz Schularick, Georg Zachmann (2023): “Nicht einmal eine Rezession: Die grosse deutsche Gasdebatte im Rückblick”
*3) Silvia Albrizio et al. (2023): “Sectoral Shocks and the Role of Market Integration: The Case of Natural Gas”
Betrachtet man die historischen Performancezahlen, so bedeutet eine letzte Zinserhöhung (und ein restriktives Zinsniveau) aber nicht zwingend ein baldiges Ende der Aktienrally.
Notizen vom Investment-Komitee
Nach der letzten Zinserhöhung ist nicht zwingend vor dem nächsten Crash. Seit 1980 notierte der S&P 500 Index 12 Monate nach dem letzten Zinsschritt der Fed in fünf von acht Fällen höher. Überschwänglich sollten Anleger nun dennoch nicht (mehr) werden. Denn die Mehrheit der Marktteilnehmer ist ebendies: reichlich optimistisch. Rücksetzer sind an den Aktienmärkten kurzfristig jederzeit möglich.
Aktien: (Noch) ungebrochenes Momentum
• Die Fed hat Ende Juli wie erwartet die Leitzinsen auf 5.5% heraufgeschraubt – das höchste Level seit 22 Jahren. Fed-Chef Powell bekräftigte, dass die Realzinsen nun klar im positiven Bereich liegen. Wir erwarten in den USA in den nächsten Quartalen eine längere Zinspause. Betrachtet man die historischen Performancezahlen, so bedeutet eine letzte Zinserhöhung (und ein restriktives Zinsniveau) aber nicht zwingend ein baldiges Ende der Aktienrally. Immerhin lag der S&P 500 Index seit 1980 in fünf von acht Fällen 12 Monate nach dem letzten Zinsschritt im Plus. Positives Momentum trägt an den Aktienmärkten meist länger als es die Pessimisten erwarten.
• Allerdings hat sich der lange vorherrschende Pessimismus der Anleger in jüngster Zeit zunehmend in Optimismus gewandelt. Ablesbar ist dies sowohl in den regelmässigen Sentimentunfragen als auch in den Positionierungsdaten sowie den Put-Call-Ratios. Auch die US-Notenbank ist optimistischer geworden und erwartet keine Rezession mehr. Selbst einige der grössten Bären unter den Wall-Street-Analysten haben zuletzt das Handtuch geworfen und ihre lange Zeit zu negative Marktperspektive eingestan-
Scorecard
Konjunktur
Geld- und Fiskalpolitik
Unternehmensgewinne
Bewertung
Trend
Anlegerstimmung
den. Bei antizyklisch denkenden Anlegern sollten diese Signale die Alarmglocken läuten lassen. Aus unserer Sicht ist aktuell zumindest nicht der richtige Zeitpunkt das Aktienexposure noch offensiver zu gestalten. Ein Rücksetzer könnte kurzfristig jederzeit stattfinden.
• Enttäuschungspotential gibt es reichlich. Zwar schlagen in der laufenden Berichtssaison für das 2. Quartal – wie so oft – die Mehrheit der Unternehmen die Analystenerwartungen. Allerdings waren die (positiven) Reaktionen auf gute Zahlen in den letzten Wochen eher verhalten. Gewinnwarnungen gab es hingegen in grösserer Zahl. Entsprechend hat der Anteil negativer Gewinnrevisionen in letzter Zeit überwogen. Nachdem der Boden bei
den Unternehmensgewinnen im letzten Quartal erreicht wurde, erwarten Analysten in der zweiten Jahreshälfte für die USA einen Gewinnanstieg von 8%. Dies könnte sich als zu optimistisch erweisen.
Anleihen: Hochzinsanleihen sind anfällig
• Die Hausse an den Aktienmärkten und das positivere Sentiment haben sich in den vergangenen Wochen auch an den Anleihemärkten widergespiegelt. So waren die Kreditaufschläge für US-Hochzinsanleihen zuletzt so tief wie zuletzt im April 2022. Dies steht im klaren Kontrast zu den Kreditausfällen, welche seit Jahresbeginn sowohl im Segment von syndizierten Krediten (Leveraged Loans) als auch im High-YieldBereich merklich angezogen haben. Immer mehr Unternehmen haben Mühe die teils massiv gestiegenen Refinanzierungskosten zu schultern. Je länger dieser Trend andauert, desto unwahrscheinlicher wird es, dass der Finanzmarkt ihn dauerhaft ignorieren kann. Vor diesem Hintergrund sollten Anleger kurzfristig nicht mehr auf den fahrenden Zug bei Hochzinsanleihen aufspringen.
• Unsere Präferenz liegt im Anleihebereich nach wie vor bei Staatsanleihen. Auch wenn das Risiko für eine US-Rezession erst im kommenden Jahr sukzessive steigen dürfte, ist die Anlageklasse bereits heute ein guter „Hedge“ gegen ein adverses wirtschaftliches Szenario. Timing ist nicht nur bei Aktien schwer, sondern auch bei Anleihen – eine Verschlechterung des makroökonomischen Umfelds dürfte der Markt frühzeitig antizipieren. Auf der anderen Seite ist das weitere Abwärtspotential bei den Preisen von Staatsanleihen – beziehungsweise das Aufwärtspotential bei den Renditen – angesichts des zu Ende gehenden Zinserhöhungszyklus und nachlassender Inflation limitiert.
Alternative Anlagen: Gold wartet auf die Rezession
• Der Goldpreis konnte im Juli leicht zulegen. Allerdings war dies eher die Folge des sehr schwachen US-Dollars als ein Zeichen innerer Stärke. Die (in den USA) rapide fallenden Teuerungsraten und entsprechend merklich anziehende Realzinsen sind für das gelbe Edelmetall ein beträchtlicher Gegenwind. Eine Überwindung des historischen Allzeithochs bei rund
2‘075 US-Dollar ist in den kommenden Monaten we-
nig realistisch, eine fortlaufenden Seitwärtsbewegung deutlich wahrscheinlicher. Der entscheidende Impuls für einen Ausbruch über den entscheidenden charttechnischen Widerstand könnte eine Rezession im kommenden Jahr werden. Private Credit bleibt unter den alternativen Anlagen momentan unser Favorit. Die Anlageklasse verbindet derzeit offensives (zweistelliges) Renditepotential mit defensiven Qualitäten und dürfte selbst im schwächeren Wirtschaftsszenario attraktive Erträge liefern.
Währungen: Schweizer Franken wird immer stärker
• EUR/USD: Der EUR/USD-Kurs markierte im Juli ein neues Jahreshoch über 1.12 USD. Der Währungsmarkt sieht derzeit etwas mehr Zinssteigerungspotential im Euroraum als in den USA – diese Zinsfantasie könnte die Einheitswährung demnächst weiter antreiben. Denn zwar präsentiert sich der Euroraum aktuell wirtschaftlich deutlich schwächer. Allerdings ist der US-Dollar noch immer vergleichsweise hoch bewertet. Sollte sich die Bewertungskorrektur fortsetzen, dann sind auf längere Sicht von 24 Monaten auch Kurse von 1.20 USD denkbar.
• GBP/USD: Ein stetig attraktiver werdendes Zinsniveau und eine günstige Bewertung – dies sind in diesem Jahr auch beim britischen Pfund die Ingredienzen für eine fortlaufende Aufwertung gegenüber dem Greenback. Der Weg des geringeren Widerstands liegt weiterhin auf der Oberseite. Auch die Rückkehr einer gewissen Stabilität in der britischen Politik trägt dazu bei, dass das Pfund mittlerweile wieder als investierbar angesehen wird.
• EUR/CHF: Der Schweizer Franken hat im letzten Monat gegenüber Euro und US-Dollar dynamisch aufgewertet. Beim EUR/CHF-Kurs kommt inzwischen das Allzeittief vom vergangenen Herbst bei 94 bis 95 Rappen in Sichtweite. Im ersten Anlauf dürfte diese Unterstützung halten. Längerfristig sind aufgrund der beträchtlichen Inflationsdifferenz zwischen der Schweiz und der Eurozone aber neue Tiefs und Kurse in Richtung 90 Rappen realistisch. Gegenüber dem Greenback hat der Franken seinen vormaligen Höchststand derweil schon längst überschritten. Aus charttechnischer Sicht gilt nun „the trend is your friend“ – der Franken dürfte mittelfristig noch stärker werden.
Timing ist nicht nur bei Aktien schwer, sondern auch bei Anleihen – eine Verschlechterung des makroökonomischen Umfelds dürfte der Markt frühzeitig antizipieren.
Dieser Sommer brachte bisher nicht nur hohe Temperaturen… Wie so oft wurde das Sommerloch auch mit vielerlei „Hinguckern“ gefüllt. In diese Kategorie gehört auch ein Chart, der in den vergangenen Wochen insbesondere unter Finanzanalysten die Runde machte. Er zeigt den Vergleich der Gewinnrendite des S&P 500 Index mit den Renditen erstklassiger Unternehmensanleihen und kurzfristigen US-Staatsanleiherenditen. Der (vermeintliche) Aha-Effekt: Zinspapiere rentieren aktuell höher als die Gewinnrendite von Aktien. Doch Vorsicht ist angebracht. Denn zwar zeigt der Chart, dass Aktien gegenüber dem festverzinslichen Bereich relativ an Attraktivität verloren haben. Allerdings sollte man die verschiedenen Renditen nicht direkt miteinander vergleichen. Denn während Anleihebesitzer die indizierten Renditen tatsächlich einstreichen können (wenn sie die Papiere bis Fälligkeit halten), werden die Unternehmensgewinne bei Aktien nicht automatisch als Dividenden ausgeschüttet.
Äpfel und Birnen? | Ein Chart macht die Runde Gewinnrendite S&P 500 Index vs. Anleiherenditen
Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank
Die menschliche Psyche steht dem Erfolg des Privatanlegers oft im Weg. Doch auch Finanzprofis und -journalisten sind vor den Tücken der (Massen-)Psychologie nicht gefeit. Prominente Titelgeschichten in Finanz- und Nachrichtenmagazinen sind oft ein Abbild der Stimmungen und Positionierungen im globalen Börsenkarussell. Der Magazin-Cover-Indikator hat einen bemerkenswerten Track Record und sollte in die Werkzeugkiste jedes Anlegers gehören.
Die Finanzmärkte sind kein leichtes Spiel Dem durchschnittlichen „Privatanleger“ werden oft wenig schmeichelhafte Eigenschaften nachgesagt. Er hält zu lang an den Verlierern in seinem Anlagedepot fest und verkauft Gewinner zu früh (Dispositionseffekt), er legt „alle Eier in einen Korb“ (fehlende Diversifikation) und handelt zu viel (Overtrading), er folgt der Masse (Herdentrieb) und hat generell Angst etwas – genauer gesagt Gewinne – zu verpassen („Fear of missing out“ (FOMO)). Auch versuchen Privatanleger häufig den Markt „zu timen“ – ein Unterfangen, das den wenigsten gelingt. Das amerikanische Analysehaus Dalbar Inc. kommt in seiner jährlichen Studie „Quantitative Analysis of Investor Behavior“ aufgrund all dieser Anlegerfehler regelmässig zu dem Ergebnis,
Regelmässig prozyklisch? | Buy high, sell low (von Finanzprofis) Bitcoin-Kurs in US-Dollar
dass der durchschnittliche „Do-It-Yourself“-Anleger deutlich – nämlich um einige Prozentpunkte – schlechter abschneidet als ein simples Investment im S&P 500 Index. Wohlgemerkt gilt diese Analyse für das Beispiel USA. In Europa dürften sich Anleger allerdings nicht wesentlich anders verhalten. Zugutehalten muss man den Privatanlegern allerdings, dass es die vermeintlichen „Profis“ oft nicht besser machen. Regelmässig werden neue Anlageprodukte genau dann lanciert, wenn eine Anlage(klasse) bereits sehr gut performt oder eine neue „Story“, respektive ein neuer Trend, schon die Runde gemacht hat. In diese Kategorie zählten Ende 2020 beispielsweise ETFs auf SPACs (Mantelgesellschaften) und im Sommer 2021 Aktienkörbe auf das Thema „Metaverse“.
Regelmässig werden neue Anlageprodukte genau dann lanciert, wenn eine Anlage(klasse) bereits sehr gut performt oder eine neue „Story“, respektive ein neuer Trend, schon die Runde gemacht hat.
Dieses Phänomen hat einen einfachen wie einleuchtenden Namen: der Magazin-Cover-Indikator.
Dass derlei Anlageprodukte in der Regel „zu spät“ auf den Markt kommen, ist durchaus nachvollziehbar. Erst muss ein Trend oder Thema von einer breiteren Masse und von einem Produktanbieter entdeckt werden, dann ein entsprechendes Produkt in der Finanzmanufaktur „produziert“ und schliesslich noch die Marketingmaschinerie angeschmissen werden. All dies dauert Zeit – Zeit, in der die Neuigkeiten bzw. das Potential einer Anlageidee meist schon in den Marktpreisen reflektiert wurde. Analog dazu verhält es sich mit dem „Output“ von Finanzjournalisten – neben Privatanlegern und Semi- oder Vollprofis der dritten Kategorie von Teilnehmern am Börsenkarussell. Zunächst muss eine Story am Markt oder in der Gesellschaft eine gewisse Verbreitung gefunden haben. Bevor sie es dann vielleicht bis auf das Cover eines Finanzmediums schafft, muss sie zuvor noch recherchiert, geplant und geschrieben werden. Nicht selten ist das Thema bei Veröffentlichung
Weltberühmt… | …aus falschen Gründen
BusinessWeek-Cover vom 13. August 1979
dann bereits ein alter Hut. Und mehr noch: Erstaunlich oft markieren visuell hervorstechende Magazin-Cover oder besonders prägnante Titel-Stories den Höhepunkt eines Hypes oder den Tiefpunkt vor einer Wende zum Besseren. Dieses Phänomen hat einen einfachen wie einleuchtenden Namen: der Magazin-Cover-Indikator. Als Paradebeispiel für ein solches Stimmungsbarometer mit kontraindikatorischer Wirkung gilt noch heute das legendäre Cover der „BusinessWeek“-Ausgabe vom 13. August 1979 „The Death Of Equities – How inflation is destroying the stock market“. Dies allerdings etwas zu Unrecht. Denn zwar folgte nach dessen Veröffentlichung tatsächlich bald ein riesiger Aktienbullenmarkt, der bis zur Jahrtausendwende anhielt. Es dauerte allerdings noch rund drei Jahre (und ein inflationsadjustiertes Minus von -32% im Dow Jones Index) bevor der endgültige Tiefpunkt am US-Aktienmarkt erreicht war. In diesem berühmt-berüchtigten Fall war der vermeintliche Kontraindikator also gar keiner…
Erstaunlich
Dennoch hat der Magazin-Cover-Indikator nicht umsonst einen gewissen Ruf. Der Ökonom und Nobelpreisgewinner Paul Krugman witzelte einst: „Whom the Gods would destroy, they first put on the cover of BusinessWeek”. Passende Anekdoten zu dieser Feststellung gibt es durchaus, wenn auch im Beispiel eines anderen prominenten US-Nachrichtenmagazins, dem „TIME“ Magazine. Dort wurde der Amazon-Gründer Jeff Bezos Ende 1999 – auf dem Höhepunkt der Internetblase – zur „Person of the Year“ ernannt. Im folgenden Jahr verlor der Kurs der Amazon-Aktie mehr als 80% an Wert. Ähnliches wiederholte sich 22 Jahre später. Ende 2021 war es Elon Musk, der das TIME-Cover als Persönlichkeit des Jahres schmückte – 12 Monate später notierte die Tesla-Aktie zwei Drittel tiefer. Für mehr als nur punktuelle Evidenz sorgten im Jahr 2016 die Citigroup-Analysten Gregory Marks und Brent Donnelly.
Sie suchten im Finanzmagazin „Economist“ nach visuell ausdrucksstarken Cover-Stories mit möglichst eindeutiger optimistischer oder pessimistischer Botschaft. Im Zeitraum von 1998 bis 2016 fanden sie 44 entsprechende Cover. Von diesen wirkten 68% in der Zeitspanne eines Jahres als Kontraindikator – hätte man also stets auf das Gegenteil der Magazin-Empfehlung bzw. -Story gewettet, wäre man in 2 von 3 Fällen richtig gelegen. Im vergangenen Jahr wiederholte Brent Donnelly diese Analyse mit 54 Titelgeschichten des Economist und 8 hervorstechenden Ausgabe der TIME. Diesmal ergänzte er die Studie um Performancezahlen und unterschied zwischen „bullischen“ und „bärischen“ Covern. Auch bei dieser Untersuchung wirkten nach einem Jahr mehr als die Hälfte der Titel-Stories als Kontraindikator. Ein Jahr nach Publikation waren Wetten gegen pessimistische Titel (39 an der Zahl) im Durchschnitt 13% im Plus. Erstaunlich war aber Folgendes: Auch die Cont-
Quellen: BusinessWeek, Kaiser Partner Privatbank hohe Trefferquoterarian-Wette gegen optimistische Titelgeschichten (23 an der Zahl) hatte mit 60% eine hohe Trefferquote und eine positive Performance. Denn im Durchschnitt notierten die zur Story passenden Anlagen 12 Monate später -8% tiefer. Bemerkenswert ist dies deshalb, weil Stimmungsindikatoren in der Regel vor allem dann eine starke Wirkung haben, wenn der Pessimismus überschiesst. Oft sind Märkte dann stark überverkauft und
Rohölpreis und Economist-Cover
die meisten Anleger haben bereits verkauft, so dass es eher früher als später ohnehin zu einer Gegenbewegung kommt. Anders verhält es sich in sehr bullischen Märkten, wo die Euphorie der Anleger überbordet und die Erwartung steigender Kurse zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden kann, so dass Stimmungsindikatoren im Angesicht dieses Momentums als Kontraindikator versagen.
Nützlich, aber nicht einfach
Gerade in Phasen grosser Euphorie kann der Magazin-Cover-Indikator also überdurchschnittlich gute und pünktliche Warnsignale liefern. Ein heiliger Gral ist er dennoch nicht. Zum einen liegt der Indikator trotz hoher Trefferquote immer noch oft genug daneben. Zum anderen dürfte die praktische Umsetzung – egal ob für Privatanleger oder für Finanzmarktakteure – angesichts der vielen zu Beginn beschriebenen Biases, die sowohl privaten als auch professionellen Marktteilnehmern oft die Sicht vernebeln, nicht einfach sein. Vielleicht genügt
es aber auch sich der Wirkung von Titelgeschichten und visuell eindrücklichen Titelbildern bewusst zu sein. Wenn man solche entdeckt, sollte man sensibilisiert sein und die entsprechende Story zumindest hinterfragen. Nicht selten hilft dies dabei die oft turbulente Finanzwelt bzw. gewisse Themen etwas entspannter zu sehen. So beispielsweise, wenn man das Economist-Cover aus dem Juni 2023 betrachtet. Dessen Titel „The Trouble with sticky Inflation“ sollte jedem, der sich vor dauerhaft hohen Inflationsraten fürchtet, eine Portion Erleichterung verschaffen.
Gerade in Phasen grosser Euphorie kann der Magazin-Cover-Indikator also überdurchschnittlich gute und pünktliche Warnsignale liefern.
Regelmässig prozyklisch! | Buy high, sell low (von Finanzjournalisten)„Quality“ beschreibt Unternehmen mit einem beständigen Geschäftsmodell und einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil.
Jeder hätte gern „gute“ Aktien im Depot. Doch was ist das eigentlich? Bei Aktien mit einem hohen Qualitäts-Faktor ist der Name Programm. Sie verbinden Sicherheit und Konsistenz mit einer attraktiven Rendite und stellen die Finanztheorie scheinbar auf den Kopf. Anleger sollten deshalb aber nicht den Kopf verlieren. Ein Free Lunch gibt es nicht. Und so sollten Qualitätsaktien nur ein Teil des Anlegermenüs sein.
Eine Definitionsfrage
Was ist eigentlich eine „gute“ Aktie? So mancher Anleger könnte sich diese Frage schon einmal gestellt haben. Wie so vieles liegt die Antwort im Auge des Betrachters. Es könnte eine besonders günstig bewertete Aktie sein (Value) oder eine, die hohe Dividenden ausschüttet (High Dividend Yield). Manch einer möchte in seinem Depot möglichst geringe Schwankungen (Low Volatility) oder präferiert Titel, die einfach „gut laufen“ (Momentum). Für andere zählt wiederum allein, dass ein Unternehmen stark wächst (Growth) – in der Hoffnung, dass die Aktie der Firma das Gleiche tut. Alle genannten Eigenschaften beschreiben sogenannte (Aktien-)Faktoren. Dies sind Charakteristika, die das langfristige Risiko- und Ertragsprofil einer Aktie erklären helfen. Ein Faktor, der in der obigen Aufzählung noch fehlt und dem, was
man vermutlich mit einer „guten“ oder qualitativ hochwertigen Aktie verbinden würde, am nächsten kommt, ist der Faktor Qualität. „Quality“ beschreibt Unternehmen mit einem beständigen Geschäftsmodell und einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil. Qualitätsunternehmen haben typischerweise eine tiefe Verschuldung, stabile Gewinne und sind hochprofitabel. Der Name ist sozusagen Programm – dies auch in schwierigen Börsenphasen. Denn Qualitätsaktien gelten als defensiv und verlieren bei schwachen Märkten tendenziell weniger als der Gesamtindex. Als typische Qualitätsunternehmen in Europa gelten beispielsweise der Pharmariese Novo Nordisk, ASML als grosser Player im Halbleiterbereich und die Titel des Luxusgüterkonzerns LVMH. Prominente Beispiele in den USA sind die IT-Grössen Apple und Microsoft sowie der Zahlungsdienstleister VISA.
Was draufsteht ist auch drin
Eine Aktie „von hoher Qualität“ sollte natürlich idealerweise auch gut – also überdurchschnittlich – performen. Und tatsächlich hat der Qualitäts-Faktor seit dem Jahr 2000 beträchtlich outperformt und gegenüber dem MSCI World Index eine beachtliche Überrendite von 2% p.a. generiert (7.1% vs. 5.1%). Grundlage der Berechnung sind dabei die vom Indexanbieter MSCI publizierten Faktorindizes. Um den Qualitäts-Faktor zu erfassen bzw. entsprechende Aktien zu identifizieren screent MSCI das Aktienuniversum nach den drei fundamentalen Variablen Eigenkapitalrendite (Return on equity), Verschuldungsgrad (Debt to equity) und Stetigkeit der Unternehmensgewinne (Earnings variability). Dass Qualitätsaktien ein solch
konsistentes „Alpha“ generieren, steht scheinbar im Widerspruch zur Finanztheorie. Demnach sollten höhere Risiken mit einer höheren Rendite entschädigt werden. So ist es beispielsweise auch am Anleihemarkt, wo Hochzinsanleihen (High Yield) riskanter sind als die Anleihen von Unternehmen höchster Bonität (Investment Grade). Sie schwanken vergleichsweise mehr und können im Zeitverlauf grössere Kurseinbrüche (Drawdowns) aufweisen – dafür bringen sie in der langen Frist aber auch einen höheren Ertrag. Mit Blick auf den Aktienmarkt und den Faktor Qualität verhält es sich hingegen genau andersherum: Aktien, die bei den oben genannten Qualitäts-Kriterien schlecht abschneiden („Junk“), haben eine höhere Volatilität und eine tiefere Rendite als echte „Quality“-Aktien.
Die Anlagewelt auf den Kopf gestellt | Wenn höhere Qualität eine bessere Rendite bringt Rendite/Risiko-Profile Anleihen vs. Aktien
Ursache der Anomalie Opportunität
Bekannt ist der Qualitäts-Faktor bereits seit Längerem. Den Weg für eine grössere Verbreitung in der akademischen Literatur bahnte Robert Novy-Marx
2012. Seine Studie1 ergab, dass die Rentabilität und Stabilität eines Unternehmens ebenso nützlich für die Erklärung der Aktienperformance sind wie der viel bekanntere Value-Faktor. Die Nobelpreis-Gewinner Eugene Fama und Kenneth French ergänzten ihr Drei-Faktoren-Modell zur Erklärung von Aktienrenditen im Jahr 2015 um die Faktoren Profitabilität und Bilanzwachstum (ein Mass für konservatives bzw. aggressives Investitionsverhalten). Frazzini, Kabiller und Pedersen 2 zeigten wiederum auf, dass der Erfolg von Warren Buffett, der vor allem als „Value-Investor“ bekannt ist, nicht nur auf den Value-Faktor, sondern ebenso auf dessen Fokus auf sichere Qualitätsaktien zurückzuführen ist. Um eine Erklärung für diese scheinbare Anomalie zu finden, wurde ebenfalls bereits viel akademische Tinte vergossen. Eine relativ simple Hypothese lautet, dass Anleger bereit sind für die positiven Eigenschaften von Qualitätsaktien (zum Beispiel deren Sicherheit) eine Prämie
zu zahlen. Tatsächlich sind Aktien mit hohem Qualitäts-Faktor regelmässig teurer als die „durchschnittliche“ Aktie. Ein anderer Erklärungsansatz lautet, dass Analysten und Anleger die künftigen Erträge von hochqualitativen Unternehmen systematisch unterschätzen. Sie setzen lieber auf spektakuläre Lotterieaktien mit schwachem Geschäftsmodell –langweilige, aber stabile Firmen und deren Aktien vernachlässigen sie derweil. Diese Fehlbewertung ist gemäss dieser Theorie die Quelle, welche Alpha-Potential birgt – und sie ist bis heute nicht versiegt. Obwohl das Qualitäts-Phänomen seit langem bekannt ist, existiert die Opportunität am Aktienmarkt auch heute noch. So zeigen Studien 3 beispielsweise, dass ein Long-Short-Portfolio aus „Quality“- (long) bzw. „Junk“- (short) Aktien eine Strategie mit attraktiven Rendite/Risiko-Eigenschaften darstellen kann. Aktuell scheint der Stern des Qualitäts-Faktors besonders hell. Fast egal ab welchem Startdatum man die verschiedenen MSCI Faktorindizes gegeneinander antreten lässt – in den meisten Fällen liegt der Faktor „Qualität“ vor allen anderen (so beispielsweise ab 2000, 2010 und 2020).
Tatsächlich sind Aktien mit hohem Qualitäts-Faktor regelmässig teurer als die „durchschnittliche“ Aktie.
Quellen: GMO, Bloomberg, Kaiser Partner PrivatbankIn der Folge sind einige ehemalige „Growth“-Unternehmen inzwischen gleichzeitig „Quality“-Unternehmen.
Quellen:
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Auch von der aktuellen Euphorie um das Thema „Künstliche Intelligenz“ profitiert der Qualitäts-Faktor. Dies liegt auch daran, dass sich einige der grossen, wachstumsstarken (US-)Technologieunternehmen in den letzten Jahren zu hochprofitablen Gewinnmaschinen entwickelt haben, die (fast) unabhängig vom Auf und Ab der Konjunktur verlässlich performen. In der Folge sind einige ehemalige „Growth“-Unternehmen inzwischen gleichzeitig „Quality“-Unternehmen. Dies widerspiegelt sich auch in den entsprechenden MSCI-Faktorindizes, wo Firmen wie Apple, Microsoft, Alphabet und Meta jeweils doppelt prominent vertreten sind. Nach der ersten Jahreshälfte 2023 liegen sowohl „Growth“ als auch „Quality“ mit einer Performance von mehr als +20% im Faktoren-Ranking ganz vorn. Trotz des guten Track Records – sowohl kurzfristig als auch langfristig – sollten Anleger nun aber nicht alle Eier in den Qualitäts-Korb legen. Denn auch wenn die Qualitäts-Anomalie auf die
lange Sicht eine Opportunität bleiben dürfte, sollte eine der wichtigsten Anlegerlektionen nicht vergessen gehen: Diversifikation ist und bleibt wichtig – auch bei den Faktoren. Denn die Moden können auch (wieder) wechseln. So gab es beispielsweise Mitte der 2000er Jahre auch für den Qualitäts-Faktor eine längere Durststrecke. Aktuell erkennen wir zwar keinen unmittelbaren Makro- oder Markttreiber, der eine Wiederholung einer solch langen (relativen) Schwächephase auslösen könnte. Jedoch sehen wir mittelfristig auch anderswo gute Anlagechancen, insbesondere beim Faktor „Size“. So sind kleinkapitalisierte Werte (Small Caps) in den USA und Europa gegenüber den Schwergewichten (Large Caps) im historischen Vergleich momentan sehr günstig bewertet. Diese Bewertungslücke könnte sich auf Sicht der nächsten zwei bis drei Jahre wieder schliessen. Dedizierte Small-Cap-Strategien oder alternativ der MSCI Equal Weighted Index gehören vor diesem Hintergrund mit auf das Anleger-Menü.
Outperformance Qualität ist momentan gefragt Performance verschiedener FaktorindizesEben doch kein Free Lunch | Moden können wechseln
Performance-Heatmap Faktorindizes
World Enhanced Value
World Quality
World Equal Weighted
World Minimum Volatility
World Momentum
World Growth
World
World High Dividend Yield
*1) Novy-Marx, R. (2012): “The Other Side of Value: The Gross Profitability Premium”
*2) Andrea Frazzini, David Kabiller, Lasse H. Pedersen (2013): “Buffett’s Alpha”
*3) u.a. Clifford S. Asness, Andrea Frazzini, Lasse H. Pedersen (2013): “Quality Minus Junk”
Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank• 15. August: Staatsfeiertag Liechtenstein
Auch dieses Jahr feiert das kleine Land an Mariä Himmelfahrt wieder ganz gross. Wie immer gibt es den Dreiklang aus Staatsakt, Volksfest und Feuerwerk – der Apero fällt aufgrund von Umbauarbeiten im Schlossareal hingegen aus. Dafür kann man am Abend mit nüchternem Kopf umso besser am Fackelzug über den Fürstensteig teilnehmen.
• 19. August: Welttag der Fotografie
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte – mittels Fotografie bereits seit 1839. Damals wurde das erste kommerziell nutzbare Fotografie-Verfahren (Daguerreotypie) erfunden. Der "World Photography Day" ermutigt die Menschen rund um den Globus ihre persönliche Perspektive mit der ganzen Welt zu teilen – mittels professioneller Bilder oder einfach durch Schnappschüsse mit einem Smartphone.
• 28. August bis 10. September: US Open
Das wohl lauteste aller vier Grand-Slam-Turniere im Tennis findet traditionell am Ende der Sommerpause in New York statt – den Flugzeugen und Zuschauern sei Dank. Immerhin werden Männer und Frauen mit gleich hohem Preisgeld für ihre Mühen belohnt. Die US Open führten das "Equal Pay" bereits 1973 ein.
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