Kaiser Partner Privatbank AG - Monthly Market Monitor Juli 2023 DE

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Monthly Market Monitor Juli 2023
Inhalt Die letzte Seite Anlageklassen 22 KonjunkturRadar Am Puls der Wirtschaft 6 Anlagestrategie Notizen vom InvestmentKomitee 13 Agenda 23 Auf einen Blick 4 Thema im Fokus Gefragte Extravaganz 16 Bergsicht Chinas wirtschaftliche Achillesferse 8 ESG: Rund ums Thema Nachhaltigkeit Glauben Fondsmanager an ESG? 20 Kaiser Partner Privatbank AG | Monthly Market Monitor - Juli 2023 3

Nichts bewegt die Anlegerstimmung so sehr wie die Marktpreise.

Grafik des Monats

Auf einen Blick

Unsere Sicht auf die Märkte

Verschiedene Wachstumsgeschwindigkeiten

In den USA hat der Arbeitsmarkt zuletzt ein neues Rezessionswarnsignal geliefert. Ob dieses bereits im laufenden Jahr greift, ist aber fraglich, denn noch zeigt sich die US-Konjunktur robust. Deutlich klarer sind die negativen Signale aus der Industrie in Europa, wo Deutschland auch im Sommer im rezessiven Wachstumsbereich bleiben dürfte. Der globale Zinserhöhungszyklus nähert sich derweil seinem Ende.

Chinas wirtschaftliche Achillesferse

Jahrelang war er Chinas eierlegende Wollmilchsau, inzwischen ist der Immobilienmarkt für das Reich der Mitte zur wirtschaftlichen Achillesferse geworden.

Angesichts demografischer und geopolitischer Herausforderungen sowie Bedenken um die Finanzstabilität betrachtet die chinesische Regierung den Sektor nicht mehr als beliebig einsetzbaren Wachstums-Automaten. Eine erneute Runde von Hauruck-Immobilen-Stimuli ist daher demnächst trotz durchwachsener Konjunkturaussichten nicht zu erwarten.

Die Bären werfen das Handtuch Nichts bewegt die Anlegerstimmung so sehr wie die Marktpreise. Nach längerer Rally hat das Sentiment an den Aktienmärkten in den letzten Wochen entsprechend von depressiv-misstrauisch auf zwischenzeitlich verhal-

ChatGPT-3 hat fast schon menschliches Sprachgefühl| Die vierte Version ist nochmals besser Klassifizierung von „Fed-Speak“ durch Menschen sowie verschiedene Sprachmodelle

ten optimistisch auf zuletzt leicht erhitzt und (AI)phorisiert gewechselt. Das kurzfristige Chance/Risiko-Verhältnis hat in jedem Fall verschlechtert, so dass Anleger gut beraten sind sich etwas defensiver zu positionieren oder über Absicherungsstrategie nachzudenken.

Gefragte Extravaganz

Der Markt für Luxusartikel hat seine Corona-Delle längst hinter sich gelassen. Für weiter stetig steigende Nachfrage nach (teurer) Extravaganz dürften in den kommenden Jahren die aufstrebende Mittelschicht in China und anderen Schwellenländern sowie die veränderten Konsumgewohnheiten der jüngeren Generationen sorgen. Die nahezu krisensichere Wachstumsstory der Luxusbranche ist intakt und verspricht langfristig weiteres Outperformancepotential.

Glauben Fondsmanager an ESG?

Nach Grünfärberei-Skandalen und einer Phase relativ schwächerer Performance ist der Blick vieler Anleger auf „nachhaltige“ Anlagestrategien etwas nüchterner geworden. Zwar hat sich weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass man mit ESG-konformen Anlagen nicht zwingend Renditeeinbussen in Kauf nehmen muss. Umgekehrt nimmt aber auch die Evidenz dafür zu, dass „grün“ nicht automatisch Outperformance bringt. Fondsmanager in den USA scheinen dies ebenso zu sehen.

Die Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch und wird die (Arbeits-)Welt in den nächsten Jahren deutlich verändern. Zwar dürften durch die KI-Revolution auch einige Arbeitsplätze verlorengehen. In der Summe könnte sie – wie ähnliche Erfindungen in der Vergangenheit – aber neue Tätigkeitsprofile sowie in der Summe mehr Arbeitsplätze (und Wohlstand) schaffen. In jedem Fall dürften Sprachmodelle wie ChatGPT die Arbeit von Finanzjournalisten und -analysten erleichtern. Sie sind inzwischen nämlich in der Lage eines der grössten sprachtechnischen Rätsel der Finanzwelt zu entziffern: die Kommunikation der US-Notenbank bei ihren Zinsentscheiden. Bereits das Modell ChatGPT-3 war fähig die Feinheiten des „Fed-Speak“ zwischen taubenhaft („dovish“) und falkenhaft („hawkish“) ähnlich gut wie der Mensch zu interpretieren. Die neuesten Sprachmodelle geben mittlerweile auch eine „menschlich gute" Begründung für ihre Klassifizierung ab.

100% 80% 60% 40% 20% 0% Mensch GPT-3 BERT LM Henry NRC Taubenhaft Überwiegend taubenhaft Neutral Überwiegend falkenhaft Falkenhaft
Quellen: Hansen und Kazinnik (2023), Kaiser Partner Privatbank Der globale Zinserhöhungszyklus nähert sich derweil seinem Ende.
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Angesichts (teils) holpriger Konjunktur – in jedem Fall aber ganz offensichtlich rückgängiger Inflationsraten – wird der Job der Notenbanker bzw. die Kommunikation der Geldpolitik in den nächsten Monaten nicht leichter.

Konjunktur-Radar

Am Puls der Wirtschaft

In den USA hat der Arbeitsmarkt zuletzt ein neues Rezessionswarnsignal geliefert. Ob dieses bereits im laufenden Jahr greift, ist aber fraglich. Deutlich klarer sind die negativen Signale aus der Industrie in Europa, wo Deutschland auch im Sommer im rezessiven Wachstumsbereich bleiben dürfte.

Verschiedene Wachstumsgeschwindigkeiten

Die USA und Europa fahren (auch) dieses Jahr mit verschiedenen Wachstumsgeschwindigkeiten. In den Vereinigten Staaten schlug sich die Konjunktur im ersten Halbjahr besser als erwartet. Immer mehr Ökonomen schieben die Erwartungen an die befürchtete Rezession nun stetig weiter in die Zukunft und erwarten den Abschwung – so wie wir – erst im kommenden Jahr. Widersprüchlich bleiben die Konjunktursignale dennoch. Der Häusermarkt hat sich zwar zuletzt stabilisiert und die Investitionen nehmen dank „Inflation Reduction Act“ bzw. „CHIPS Act“ zu. Vom Arbeitsmarkt gab es zuletzt aber Warnsignale: Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sind gegenüber dem Vorquartal inzwischen um mehr als 10% gestiegen – in den vergangenen 50 Jahren folgte darauf stets eine Rezession.

Grosse Sentimentdifferenz

Im Euroraum befindet sich das Wachstum bereits in einem tieferen Gang, insbesondere in Deutschland. Nachdem das Land zunächst besser als erwartet durch den Winter gekommen zu sein schien, musste das Statistikamt die Wachstumszahlen für Q4 2022 und Q1 2023 signifikant nach unten revidieren. Die im Juni veröffentlichten Geschäftsumfragen sprechen nun für eine noch länger anhaltende Durststrecke. Sowohl der

Einkaufsmanagerindex für die Industrie als auch der Ifo-Index waren deutlich rückgängig und fielen schwächer aus als erwartet. Gleichzeitig zeigt zuletzt auch der bisher resiliente Dienstleistungssektor Schwächezeichen. Denn angesichts fallender Reallöhne und etwas chaotisch orchestrierter grüner Wende der Bundesregierung ist das Konsumentenvertrauen angeschlagen.

Nahe am Ende des Zinszyklus

Im Juni haben die wichtigen Notenbanken rund um den Globus noch einmal nachgelegt und die Leitzinsen weiter erhöht. Angesichts (teils) holpriger Konjunktur – in jedem Fall aber ganz offensichtlich rückgängiger Inflationsraten – wird der Job der Notenbanker bzw. die Kommunikation der Geldpolitik in den nächsten Monaten nicht leichter. Die meisten Notenbanken machen den weiteren Zinspfad angesichts dieser Herausforderung von den künftigen Makrodaten abhängig – die „Forward Guidance“ hat ausgedient. Die Schweizerische Nationalbank, die EZB und die Bank of England dürften per heutiger Datenlage noch wenigstens einmal an der Zinsschraube drehen. Auch die Fed sieht in ihren neuesten Projektionen noch höhere Leitzinsen. Bei ihr ist das Ende des Zinszyklus aber am nächsten.

Eine Lücke zum Schliessen | Der Dienstleistungssektor dürfte „nach unten“ aufschliessen Differenz Einkaufsmanagerindex Dienstleistungen vs. Industrie Eurozone

Quellen: Bloomberg, Kaiser
Privatbank -20 -10 0 10 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023
Partner
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Konsensschätzungen Wachstum & Inflation

Zinserwartungen Kaiser Partner Privatbank

2023 2024 2025 BIP-Wachstum (in %) Schweiz 0.8 1.4 1.5 Eurozone 0.6 1.0 1.6 Grossbritannien 0.2 0.8 1.5 USA 1.3 0.7 1.9 China 5.5 4.8 4.6 Inflation (in %) Schweiz 2.5 1.5 1.4 Eurozone 5.6 2.5 2.0 Grossbritannien 6.9 2.9 2.1 USA 4.1 2.6 2.4 China 1.8 2.2 2.0
Letzter 3M 12M Leitzinsen (in %) Schweiz 1.75 ↗ ↗ Eurozone 3.50 ↗ ↗ Grossbritannien 5.00 ↗ ↗ USA 5.25 → → China 2.65 → → 10-jährige Renditen (in %) Schweiz 0.94 → ↘ Eurozone 2.38 → ↘ Grossbritannien 4.39 → ↘ USA 3.84 → ↘ China 2.64 → → Kaiser Partner Privatbank AG | Monthly Market Monitor - Juli 2023 7

Bergsicht

Chinas wirtschaftliche Achillesferse

Jahrelang war er Chinas eierlegende Wollmilchsau, inzwischen ist der Immobilienmarkt für das Reich der Mitte zur wirtschaftlichen Achillesferse geworden. Angesichts demografischer und geopolitischer Herausforderungen sowie Bedenken um die Finanzstabilität betrachtet die chinesische Regierung den Sektor nicht mehr als beliebig einsetzbaren Wachstums-Automaten. Eine erneute Runde von Hauruck-Immobilen-Stimuli ist daher demnächst trotz durchwachsener Konjunkturaussichten nicht zu erwarten, vielmehr droht dem einst boomenden chinesischen Immobilienmarkt ein ausgeprägtes „L“.

Chinesische Politik hinter der Wachstumskurve Dass es nach der turbulenten Öffnung Chinas und dem Ende der Corona-Restriktionen inmitten der kalten Jahreszeit einen kräftigen Frühlingsaufschwung geben würde, war für viele Ökonomen eine ausgemachte Sache. Und tatsächlich überraschten die Wachstumsdaten im ersten Quartal positiv, ebenso wie das recht sportliche neue Wachstumsziel der Regierung für 2023 von 5%. In jüngster Zeit ist der chinesische Wachstumsmotor aber bereits wieder ins Stottern gekommen, einige Makrodatenpunkte fielen enttäuschend aus. Wir bleiben bei unserer schon im Frühling 2022 („Kommt China zur Hilfe?“ gemachten Aussage, dass China als Antreiber der globalen Konjunktur in Zukunft ausfallen wird – vielmehr muss in den nächsten Quartalen, oder eher Jahren, noch so einige Luft aus dem ehemaligen Rettungsring der Weltwirtschaft entweichen. Anstatt wie so oft in der Vergangenheit einmal mehr mit der grossen Konjunktur-Kelle anzurühren, dürfte die chinesische Regierung mit vereinzelten und gezielten Massnahmen versuchen den weiteren Wachstumspfad „nur“ zu stabilisieren und die Abwärtsrisiken zu limitieren. In die Kategorie „ho-

möopathische Dosis“ fallen denn auch die Mitte Juni beschlossenen Zinssenkungen der People’s Bank of China.

Eierlegende Wollmilchsau auf wackligem Fundament Einer der wichtigsten Gründe, warum Chinas Politik einen Fuss auf der Wachstumsbremse hält, ist der Immobilienmarkt. Dieser hat sich in den letzten Jahren von der sprichwörtlichen eierlegenden Wollmilchsau zur Achillesferse der chinesischen Konjunktur entwickelt. Seine Rolle für das Wachstums- und Wohlfahrtmodell der vergangenen zwei Dekaden war tatsächlich ausserordentlich – und aussergewöhnlich:

• Wirtschaftswachstum und Beschäftigung: Spätestens seit der Finanzkrise 2008/2009 wurde Chinas Wachstum zusehends weniger export- und immer mehr investitionsgetrieben. Der Immobiliensektor war dabei mit Abstand der wichtigste Sektor. Mehr als zwei Jahrzehnte lang trug er überdurchschnittlich zum Wirtschaftswachstum bei, je nach Berechnung (bzw. Zurechnung vor- und nachgelagerter Sektoren) machte er zuletzt ein Viertel bis ein Drittel der Wirtschaftsleistung

Homöopathische Dosis | Stimulierung mit angezogener
Zinssätze der chinesischen Notenbank Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank 1.5% 2.0% 2.5% 3.0% 3.5% 7 day reverse repo rate 1 year medium-term lending facility rate 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Einer der wichtigsten Gründe, warum Chinas Politik einen Fuss auf der Wachstumsbremse hält, ist der Immobilienmarkt. Monthly Market Monitor - Juli 2023 | Kaiser Partner Privatbank AG 8
Handbremse

Einst Wachstumsmotor, nun ein Problem | Chinas Immobiliensektor ist (zu) gross Anteil immobilienmarktbezogener Wirtschaftsbereiche am Bruttoinlandsprodukt

Quellen: Rogoff & Yang, Kaiser Partner Privatbank

aus. Die Immobilienbranche schaffte nicht nur Wohnraum für Millionen von Chinesen, sie sorgte auch für Abermillionen Arbeitsplätze.

• Landverkäufe und Steuereinnahmen: Seit 2005 sind die Preise für Land in China um den Faktor 64x gestiegen. Die chinesischen Lokalregierungen generieren einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen über den Verkauf von Bauland. Indirekt trägt der Immobilienmarkt damit zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten und öffentlichen Dienstleistungen bei.

• Vermögensbildung und soziale Mobilität: Für viele Chinesen stellt der Besitz von Immobilien eine der wenigen Möglichkeiten zur Vermögensbildung und Investition dar. Zudem gilt Immobilienbesitz als Statussymbol und als Weg zur sozialen Mobilität. In der Hoffnung ihren sozialen Status zu erhöhen, investieren Familien oft ihre gesamten Ersparnisse, um Immobilien zu erwerben.

• Soft Power und geopolitischer Einfluss: Chinas Erfahrung und Expertise im Immobiliensektor wurden durch Initiativen wie die Neue Seidenstrasse global exportiert. Dadurch konnte China seinen geopolitischen

Einst Einbahnstrasse, nun Sackgasse | Immobilien in China sind zu teuer Wohneigentumspreise in China, Renminbi pro Quadradmeter

Einfluss stärken, insbesondere in den Entwicklungsländern.

Das Zusammenwirken aller Faktoren sorgte lange Zeit für einen sich teils selbst verstärkenden Positivkreislauf – mehr Wachstum, steigende Immobilienpreise und steigende Zuversicht, mehr Konsum und mehr Wohlstand. Nicht zuletzt liess sich der Immobilienmarkt bei Bedarf von der Regierung auch als regelrechter Wachstums-Automat bedienen. Mehr als nur einmal war er so das Instrument, welches das chinesische Wirtschaftswachstum im richtigen Moment wieder ankurbelte. Denn steigende Immobilienpreise erhöhen das Verbrauchervertrauen und verbessern die Stimmung bei den Unternehmen, was zu höherem Konsum und vermehrten Investitionen führt. Besonders drastisch zog die Regierung an diesem Konjunktur-Hebel im Jahr 2015. Damals stellte die chinesische Notenbank Liquidität in Höhe von insgesamt 3.4 Billionen Renminbi zur Verfügung, um den Kauf von Immobilien für einkommensschwache Familien zu fördern und das Überangebot an Immobilien abzubauen. Dies führte zu einem

Die Immobilienbranche schaffte nicht nur Wohnraum für Millionen von Chinesen, sie sorgte auch für Abermillionen Arbeitsplätze.

Quellen: Rogoff & Yang, Kaiser Partner Privatbank

5% 10% 15% 20% 25% 30% 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015
0 5,000 10,000 15,000 20,000 25,000 Tier 1 Tier 2 Tier 3 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016
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Spätestens ab Ende der 2010er Jahre bekam das chinesische Erfolgsmodell zunehmend Risse und zeigte immer mehr seine Schattenseiten.

starken Anstieg der Wohnungsnachfrage, was wiederum das Angebot stimulierte und dazu führte, dass sich die Immobilienpreise in vielen Städten der zweiten und dritten (Grössen-)Kategorie (Tier 2 und Tier 3) seither in der Spitze mehr als verdoppelten.

Keine Bubble ohne Trouble

Spätestens ab Ende der 2010er Jahre bekam das chinesische Erfolgsmodell zunehmend Risse und zeigte immer mehr seine Schattenseiten. Der spekulationsgetriebene Bauboom resultierte in Leerstandsquoten von durchschnittlich deutlich mehr als 20%. Geisterstädte blieben als kolossale Denkmäler wirtschaftlicher Ineffizienz zurück. Die immer weiter steigenden Preise machten den Immobilienerwerb für junge Familien nahezu unerschwinglich und verbreiterten zugleich die Kluft zwischen Immobilienbesitzern und Nichtbesitzern. Die Preise entfernten sich zusehends von den wirtschaftlichen Fundamentaldaten und verschiedenste Statistiken (siehe Grafiken unten) machten es selbst für Laien erkennbar, dass Chinas Immobilienwunder wohl nur eine Blase sein konnte. Umweltverschmutzung und die Belastung natürlicher Ressourcen gehörten ebenso

zur negativen Seite der Medaille. Immer drastischer und riskanter – und damit am Ende auch für die Regierung relevanter – wurden aber vor allem die zunehmenden Risiken für die Finanzstabilität infolge der rasant steigenden Verschuldung von Immobilienentwicklern und Lokalregierungen. Diese Risiken dürften für den chinesischen Präsidenten Xi Jinping einer der wichtigsten Gründe für eine drastische Kehrtwende gewesen sein. Im August 2020 verkündete er seine „drei roten Linien“ für Immobilienentwickler (mehr Eigenkapital, Begrenzung der Verschuldung, erhöhte Liquiditätsquote) und löste damit ein Erdbeben am Immobilienmarkt (inklusive vieler Pleiten von Immobiliengesellschaften) aus, dessen Nachwirkungen bis heute anhalten.

Die (unvermeidliche) Neuorientierung der Regierung Zusätzlich zu den "drei roten Linien" ergriff die Regierung weitere Massnahmen. So wurde zum Beispiel die Anzahl der Immobilien, die eine Person erwerben kann, beschränkt. Zudem wurden die Anforderungen bei Anzahlungen für Immobilienkäufe erhöht und strengere Hypothekenrichtlinien implementiert. Die Neuorientierung der Regierung in Bezug auf den Immobilienmarkt

Blase? | Ohne Worte Verhältnis von Immobilienpreisen zu Jahreseinkommen in bedeutenden Städten
50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0
Quellen: Numbeo, Kaiser Partner Privatbank Shanghai BeijingHongKong ShenzenGuangzhou Hangzhou TelAviv Paris Mailand München London Singapur Vancouver Tokyo Madrid NewYork Blase! | Ohne Worte Bewertung verschiedener Anlageklassen (2017), in Billionen Renminbi
450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 China USA Japan mmobilienmarkt Aktienmarkt Anleihemarkt
Quellen: Rogoff & Yang, Kaiser Partner Privatbank
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brachte Xi Jinping im Mantra „Häuser sind zum Wohnen da, nicht zum Spekulieren“ vor drei Jahren auf den Punkt. Diese Einschätzung ist auch heute noch gültig –denn China sieht sich gleichzeitig mit demografischen und geopolitischen Herausforderungen konfrontiert. Die Geburtenrate ist in China auf 1.3 Kinder pro Frau gesunken (nur Südkorea, Taiwan, Italien und Singapur haben noch tiefere Raten), das Land droht rapide zu (über)altern. Mehrere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass sich junge Leute heute neben den hohen Kosten für die Erziehung insbesondere aufgrund der teuren Wohnkosten gegen Kinder entscheiden. Eine bessere Erschwinglichkeit von Immobilien für die Masse ist für die oberste Führung der Kommunistischen Partei besonders wichtig. Erzielen liesse sich diese nicht nur durch höhere Löhne, sondern auch durch stagnierende oder gar weiter leicht sinkende Immobilienpreise. Mit Bezug auf die geopolitische Situation, insbesondere die Rivalität mit den USA, sieht sich Chinas Führung derweil in einer Ära des „Kampfes“ und ist im Gegensatz zu früher intoleranter gegenüber Exzessen und Blasen, welche jederzeit platzen könnten. Vielmehr sollen Wirtschaft und Finanzsystem möglichst „geerdet“ sein, um Resilienz gegenüber negativen Schocks, auch solchen von aussen (z.B. US-Sanktionen), zu besitzen.

Ein breites „L“

Das Vermeiden einer Abwärtsspirale im Immobiliensektor hat für die Regierung in den kommenden Quartalen hohe Priorität. Ein Zurück zum Hauruck-Immobilen-Stimulus früherer Jahre wird es dennoch nicht geben, erneute Exzesse sollen in jedem Fall vermieden werden. Vor diesem Hintergrund sind auch die bisher vorgenommenen Hilfsmassnahmen für den Immobiliensektor (u.a. Kredite an Immobilienentwickler) zu verstehen. Diese zielen vor allem darauf ab, dass begonnene Projekte fertig gestellt werden und Bürger, die ihre neue Eigentumswohnung bereits im Voraus bezahlt haben (was vor der Krise bei 90% der Projekte der Fall war!), letztlich auch in diesen wohnen können. Das Geschäft mit gänzlich neuen Immobilienprojekten liegt hingegen weiterhin brach. Trotz selektiver Liquiditätssprit-

zen bleibt die Finanzlage vieler Immobilienentwickler angespannt. So sind die Bürger nicht mehr bereit ihre nur auf dem Papier existierenden Träume vorzufinanzieren. Und auch die Nachfrage der Lokalregierungen ist nur noch mau. Deren lange Zeit sprudelnde Einkommensquelle – der Verkauf von Bauland – versiegt immer mehr. Die resultierende Finanzierungslücke dürfte von der Regierung auch künftig nur zu einem Teil geschlossen werden. Schwächere Immobilienentwickler werden aus dem Markt ausscheiden. Dort wo Banken auf Befehl der Regierung noch Kredite vergeben, dürften diese indes fast zwangsläufig Verluste erleiden und somit einen Teil der Wertvernichtung bei chinesischen Immobilien absorbieren. Insgesamt spricht Vieles dafür, dass die derzeitige Schwäche des Immobilienmarkts strukturell und nicht nur zyklisch ist. Bleibt eine erneute Kehrtwende der Regierung aus, was unserer Meinung nach höchst wahrscheinlich ist, dann droht der Branche eine mehrjährige Schwächephase in Form eines ausgeprägten „L“ an deren Ende ein weniger vom Immobiliensektor abhängiges China steht. Sporadische Stimulierungs- und Lockerungsmassnahmen dürfte es zwar weiterhin geben. Diese dienen aber eher dem Management der Abwärtsrisiken als der Entfachung eines neuen Booms. Dies gilt auch für mögliche weitere Zinssenkungen wie in den letzten Wochen. Denn obwohl die Hypothekenzinsen jüngst auf den tiefsten Stand seit 14 Jahren gefallen sind, kaufen die Chinesen in der aktuellen Situation kaum noch Immobilien. Ganz im Gegenteil reduzieren die ihre Hypothekenschulden inzwischen sogar. Dies nicht nur weil die Schulden der Verbraucher ohnehin schon hoch und die wirtschaftlichen Aussichten unsicher sind, sondern insbesondere auch weil der „Carry-Trade“ am chinesischen Immobilienmarkt endgültig vorbei ist. Dieser funktionierte nur so lange wie die Chinesen auf einen kontinuierlichen Preisanstieg vertrauen konnten, der höher war als die Hypothekenzinsen. Doch diese Ära ist passé. Aufgrund der immensen Bedeutung der Immobilienbranche trüben sich auch für Chinas Gesamtwirtschaft die Perspektiven ein. Ab nächstem Jahr könnte selbst ein Wachstum von 5% eine zu grosse Hürde darstellen.

In der Liquiditätsfalle | Auch tiefe Zinsen dürften keinen Turnaround bringen Gewichteter durchschnittlicher Hypothekenzinssatz für Verbraucher

Das Vermeiden einer Abwärtsspirale im Immobiliensektor hat für die Regierung in den kommenden Quartalen hohe Priorität

4% 5% 6% 7% 8% 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021
Quellen: PBoC, Kaiser Partner Privatbank
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Anlagestrategie

Notizen vom Investment-Komitee

Nichts bewegt die Anlegerstimmung so sehr wie die Marktpreise. Nach längerer Rally hat das Sentiment an den Aktienmärkten in den letzten Wochen entsprechend von depressiv-misstrauisch auf zwischenzeitlich verhalten optimistisch auf zuletzt leicht erhitzt und (AI)phorisiert gewechselt. Das kurzfristige Chance/Risiko-Verhältnis hat in jedem Fall verschlechtert.

Mikrofinanz

Inflationsbasierte A. USA

Hochzinsanleihen Japan

Schwellenländeranleihen

Versicherungsbasierte A.

Schwellenländer

Alternative Anlagen

Wandelanleihen Gold

Laufzeiten

Währungen

US-Dollar

Immobilien

Hedgefonds

Strukturierte Produkte

Schweizer Franken Private Equity

Euro Private Credit

Britisches Pfund

Aktien: Die Bären werfen das Handtuch

• Die vergangenen Wochen haben einmal mehr bewiesen, dass kaum etwas einen grösseren Einfluss auf das Anlegersentiment hat als die Marktpreise. Nach der starken Rally bei den (US-)Technologieaktien im zweiten Quartal, welche notabene in der besten ersten Jahreshälfte aller Zeiten für den Nasdaq 100 Index resultierte, haben die Bären endgültig das Handtuch geworfen. Seit Juni sind nun sowohl bei den US-Privatanlegern als auch bei den amerikanischen Börsenbriefschreibern die Optimisten klar in der Überzahl. Auch ein weiterer Treiber der monatelangen Hausse – die niedrige Positionierung der Anleger in Aktien – hat sich zuletzt normalisiert und dürfte in der zweiten Jahreshälfte nicht mehr einen gleich grossen Aufwärtstrieb ausüben. Nachdem das Volatilitätsbarometer VIX zeitweise bei nur noch 13 notierte und damit eine ausgeprägte Sorglosigkeit ausdrückte, könnten die kommenden Wochen am Aktienmarkt im nachrichtenarmen Sommerloch etwas holpriger werden. Das Chance/Risiko-Verhältnis hat sich zuletzt in jedem Fall verschlechtert.

• Da die Unternehmensgewinne seit letztem Herbst leicht zurückgegangen sind, ist der Aktienauf-

schwung seitdem ausschliesslich auf einen Anstieg der Bewertungen zurückzuführen. Mit einem vorausschauenden Kurs/Gewinn-Verhältnis von knapp 20x ist insbesondere der breite US-Markt (S&P 500) im historischen Vergleich bereits sehr teuer. Während die Konsensgewinnerwartungen für 2023 bereits einigermassen realistisch geworden sind und eine Stagnation der Unternehmensgewinne implizieren, sind die Analysten für 2024 noch sehr optimistisch. Die gegenwärtigen Prognosen eines Gewinnwachstums für den Weltaktienmarkt (MSCI World) von knapp 10% bergen unserer Meinung nach Enttäuschungspotential. Ein kritischer Faktor bleibt ebenfalls die schwache Marktbreite, welche am US-Markt am offensichtlichsten ist, sich aber

Seit Juni sind nun sowohl bei den US-Privatanlegern als auch bei den amerikanischen Börsenbriefschreibern die Optimisten klar in der Überzahl.

Asset Allocation Monitor - + - + Liquidität Aktien Festverzinsliche Anlagen Global Staatsanleihen Schweiz 06/2023 Unternehmensanleihen Europa
Grossbritannien
Scorecard - + Konjunktur Geld- und Fiskalpolitik Unternehmensgewinne Bewertung 06/2023 Trend Anlegerstimmung
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Mit Private Credit gibt es unter den alternativen Anlagekategorien aber auch einen klaren Gewinner höherer Zinsniveaus.

nicht allein auf diesen beschränkt. Im S&P 500 Index haben die 15 grössten Werte seit Jahresanfang rund ein Drittel zugelegt, während der Median aller Aktien nur stagnierte. In Europa legten die Top-15 um 9% zu, während der Median mit 4% ebenfalls deutlich tiefer liegt.

• Für Anleger empfiehlt es sich bei den Überfliegern der jüngsten Zeit Gewinne zu realisieren und das Portfolio etwas defensiver aufzustellen. Konjunktursensitive Titel dürften es in nächster Zeit schwieriger haben, insbesondere wenn die Anleiherenditen angesichts einer sich verschlechternde Konjunkturlage sinken. Defensive Branchen wie Verbrauchsgüter und Gesundheit könnten in solch einem Umfeld hingegen outperformen. Damit wird auch der zuletzt eher schwächere Schweizer Aktienmarkt mit seinem typischerweise tiefen Beta wieder attraktiver.

Anleihen: Asymmetrisches Risikoprofil bei Staatsanleihen

Opportunitätskosten gegenüber Geldmarktanlagen steigen. Beim Goldpreis kommt der Einfluss der Teuerung dazu – die zuletzt rückgängige Inflation lässt nämlich auch die Realzinsen steigen und erklärt die jüngste Schwächephase beim gelben Edelmetall. Bei den Währungsalternativen aus der Kryptowelt ist der Zinseinfluss geringer. Die 20%+-Rally des Bitcoins im Juni wurde vielmehr durch die Nachricht getrieben, dass der weltweit grösste Vermögensverwalter Blackrock einen Bitcoin-ETF bei der US-Börsenaufsicht SEC beantragt hat. Mit Private Credit gibt es unter den alternativen Anlagekategorien aber auch einen klaren Gewinner höherer Zinsniveaus. Aufgrund der variabel verzinslichen Natur kommen die höheren Leitzinsen, an welche die für Privatkredite relevanten Zins-Benchmarks (wie beispielsweise SOFR) gebunden sind, direkt beim Anleger an.

Einerseits hat die Inflation ihren Höhepunkt klar überschritten und es bestehen Abwärtsrisiken für die Konjunktur. Andererseits haben die Währungshüter aber noch kein Ende des Zinserhöhungszyklus kommuniziert, im Falle der US-Notenbank bestenfalls eine Pause.

• Die Bank of England war im Juni mit einer Zinserhöhung von 50 Basispunkten die Ausnahme von der Regel. Die anderen Notenbanken (Fed, EZB, SNB) drehten die Zinsschraube wie mehrheitlich erwartet nur um einen Viertelprozentpunkt herauf. Bei den Langfristrenditen hinterliess dies kaum nennenswerte Spuren. Diese pendeln im Beispiel 10-jähriger US-Treasuries seit Wochen um 3.7%, bei deutschen Bundesanleihen um 2.4%. Die Seitwärtsbewegungen reflektieren die sich aktuell die Waage haltenden Markttreiber: Einerseits hat die Inflation ihren Höhepunkt klar überschritten und es bestehen Abwärtsrisiken für die Konjunktur. Andererseits haben die Währungshüter aber noch kein Ende des Zinserhöhungszyklus kommuniziert, im Falle der US-Notenbank bestenfalls eine Pause. Es gibt damit momentan noch immer die Chance die Staatsanleihequote im Portfolio zu attraktiven Konditionen aufzustocken und sich einen Fallschirm für ein adverses Makroszenario anzuschnallen. Im erneut heissen Sommer gilt es in jedem Fall einen kühlen Kopf zu bewahren. Im Juni gab es erstmals seit acht Wochen wieder Abflüsse aus US-Geldmarktfonds – die Euphorie hat damit zuletzt auch die Anleihemärkte erfasst. Anleger sind gut beraten diesem „heissen“ Geld nicht zu folgen.

Alternative Anlagen: Private Credit profitiert von höheren (Leit-)Zinsen

• Steigende Leitzinsen bzw. Anleiherenditen haben auf verschiedene Anlageklassen jeweils eine andere Wirkung – so auch innerhalb des Universums alternativer Anlagen. Für Immobilien und Gold sind höhere Anleiherenditen negativ, weil ihre Attraktivität gegenüber verzinslichen Papieren abnimmt oder die

Währungen: Zinsfantasie aktuell entscheidender Kurstreiber

• EUR/USD: Der globale Zinserhöhungszyklus befindet sich momentan in seiner Endphase. Die EZB ist dabei im Vergleich zur Fed etwas im Rückstand und dürfte zumindest im Juli noch eine weitere kleine Zinserhöhung vornehmen. Die Erwartung einer kleiner werdenden Zinslücke hat den EUR/USD-Kurs im Juni wieder in Richtung 1.10 USD aufwerten lassen. Viel Fantasie über das Jahreshoch von 1.11 USD sehen wir aber nicht. Die schwache Makrodynamik im Euroraum spricht gegen den Euro. Auch Im Falle einer US-Rezession wäre die Einheitswährung aufgrund ihres zyklischen Charakters im Nachteil.

• GBP/USD: Die überraschend deutliche Zinserhöhung der Bank of England im Juni hat das Pfund gegenüber dem Greenback auf ein neues Jahreshoch von 1.28 USD befördert. Längerfristig droht das forsche Vorgehen der britischen Notenbank, welches eine harte Landung provozieren könnte, aber zu einem Bumerang zu werden. Eine dann nötige schnelle Rückabwicklung der aktuellen Zinserhöhungen würde dem Pfund dann deutlich schaden. Vorerst ist die Kombination aus Zinsmomentum und günstiger Bewertung (noch) positiv.

• EUR/CHF: Das SNB-Direktorium war beim letzten Zinsentscheid nicht auf Überraschungen bedacht und beliess es beim erwarteten kleinen Zinsschritt. Dieser war voraussichtlich noch nicht das Ende der Fahnenstange. Zwar befindet sich die Inflation in der Schweiz nur noch knapp oberhalb von 2%. Im Gegensatz zu den meisten anderen Notenbanken, welche ein 2%-Inflationsziel verfolgen, strebt die SNB jedoch eine Teuerung nur knapp über der Nulllinie an. Ein stärkerer nominaler EUR/CHF-Wechselkurs würde bei der Erreichung dieses Ziels helfen.

Monthly Market Monitor - Juli 2023 | Kaiser Partner Privatbank AG 14

In der letzten Ausgabe haben wir im „Chart unter der Lupe“ die geringe Marktbreite am US-Aktienmarkt thematisiert. Die 10 grössten Aktien im S&P 500 machen nach der Rally der letzten Monate nun mehr als 30% des Gesamtindex aus – ein neuer Rekord. In den vergangenen Wochen konnte der gleichgewichtete S&P 500 Index dank eines Rebounds bei den kleinen und mittleren Werten nun wieder etwas aufholen. Dies entspricht sowohl dem sehr langfristigen Trend – in den letzten 20 Jahren sind beide Indizes nahezu gleichauf – als auch der Theorie. Langfristig sollten die kleineren Werte aufgrund schnelleren Wachstums und mehr Wachstumspotential nämlich nicht schlechter (sondern besser) performen. Dieses „Gesetz“ wird durch den aktuellen AI-Hype (temporär) ausser Kraft gesetzt. Die Statistik spricht jedoch dafür, dass auch für die Top-10 bald wieder die Schwerkraft gelten wird. Gehört man erst einmal zu den ganz Grossen, dann fällt dauerhafte Outperformance schwer.

Chart unter der Lupe

Big is beautiful? | Für die ganz grossen Aktien wird Outperformance schwieriger Durchschnittliche jährliche Outperformance von US-Aktien vor/nach Zugehörigkeit zu den „Top-10“

25% 20% 15% 10% 5% 0 10 Jahre davor 5 Jahre davor 3 Jahre davor 3 Jahre später 5 Jahre später 10 Jahre später 10% 19.3% 24.3% 0.7% -1.1% -1.5%
Quellen: Dimensional Fund Advisors, Kaiser Partner Privatbank
Kaiser Partner Privatbank AG | Monthly Market Monitor - Juli 2023 15
Beginn des ersten Kalenderjahres in den Top-10

Im zweiten Quartal tritt der europäische Aktienmarkt bisher mehr oder weniger auf der Stelle. Diese bisher gesunde Verschnaufpause folgt auf einen sehr starken Anstieg von gut 30% im halben Jahr zuvor, welcher nicht zuletzt von der Luxusbranche getrieben wurde.

Thema im Fokus

Gefragte Extravaganz

Der Markt für Luxusartikel hat seine Corona-Delle längst hinter sich gelassen. Für weiter stetig steigende Nachfrage nach (teurer) Extravaganz dürften in den kommenden Jahren die aufstrebende Mittelschicht in China und anderen Schwellenländern sowie die veränderten Konsumgewohnheiten der jüngeren Generationen sorgen. Die nahezu krisensichere Wachstumsstory der Luxusbranche ist intakt und verspricht langfristig weiteres Outperformancepotential. Kurzfristig sind allerdings bereits einige Vorschusslorbeeren eingepreist, so dass für Anleger kein Bedarf zur Eile besteht.

Premium – in vielerlei Hinsicht

Im zweiten Quartal tritt der europäische Aktienmarkt bisher mehr oder weniger auf der Stelle. Diese bisher gesunde Verschnaufpause folgt auf einen sehr starken Anstieg von gut 30% im halben Jahr zuvor, welcher nicht zuletzt von der Luxusbranche getrieben wurde. Einer Branche, die für einmal nicht von den USA, sondern von europäischen Unternehmen wie LVMH, Hermès, Kering, Luxottica, Burberry oder Richemont dominiert wird. Die Rally sorgte nicht nur für ein neues Allzeithoch im stark von der Luxusindustrie geprägten französischen Blue-Chip-Index Cac 40, sondern auch für andere Rekorde. LVMH (Moët Hennessy Louis Vuitton) – das Luxusgüterkonglomerat mit Rechten an 75 verschiedenen Marken – war im April der erste europäische Konzern mit einem Börsenwert von 500 Milliarden US-Dollar. Dessen Gründer, der Franzose Bernard Arnault, war daraufhin (zwischenzeitlich) der reichste Mensch der Welt vor Tesla-Chef Elon Musk. Auch war mit LVMH zumindest für einige Wochen wieder ein europäisches Unternehmen in den Top-10 der weltweit grössten Unternehmen. Diese Rekorde sind das Ergeb-

nis einer langfristigen Wachstumsgeschichte. Seit Anfang 2010 ist der Aktienkurs von LVMH von 81 Euro in der Spitze bis auf über 900 Euro gestiegen. Als Bernard Arnault beim letzten Aktionärstreffen mit der Idee eine Aktiensplits zur optischen Verbilligung des Börsenkurses konfrontiert wurde, hatte er dazu eine klare Meinung: Begehrlichkeit sei proportional zum Wert. Und: Auch die LVMH-Aktie sei ein Luxusprodukt.

(Krisen)sicheres Wachstum…

Damit beschrieb der LVMH-Gründer gleich selbst eines der Erfolgsrezepte der Luxusbranche – die künstliche Verknappung, welche Produkte für eine gewisse Klientel nur noch begehrenswerter macht und entsprechend hohe Preise rechtfertigt. Gerade diese Klientel – die sehr Vermögenden und Ultrareichen – sorgt seit mehr als zehn Jahren für weitgehend krisenresistentes Wachstum. Denn ihre Kaufkraft ist nahezu unerschöpflich und ihr Kaufverhalten von Konjunkturzyklen, Inflation oder geopolitischen Spannungen fast gänzlich unbeeinflusst. Zudem ist die Nachfrage dieser Gruppe höchst unelastisch – höhere Preise führen kaum be-

Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank 150 200 250 300 350 400 450 500 2020 2021 2022 2023
Luxus made in Europe | Europas erster 500-Milliarden-Dollar-Konzern ist keine Tech-Aktie Marktkapitalisierung LVMH, in Milliarden US-Dollar
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Je exklusiver, desto besser | Luxus hat viele Facetten

Globaler Markt für „Luxus“ (alle Kategorien), in Milliarden Euro

Quellen: Bain & Company, Kaiser Partner Privatbank

ziehungsweise nur bei extremen Preisaufschlägen zu einem spürbar geringeren Absatz. Seit der Finanzkrise 2009 ist der Markt für Luxusartikel (d.h. persönliche Luxusartikel im engeren Sinn wie Lederwaren, Kleidung, Schuhe, Kosmetik, Uhren, Schmuck) um rund 7% pro Jahr auf ein Volumen von 353 Milliarden Euro im Jahr 2022 gewachsen. Allein gegen die Corona-Pandemie war auch die Luxusbranche nicht immun. Allerdings war die Delle im Luxusartikelmarkt von -22% nicht durch die Corona-Rezession an sich, sondern vielmehr durch Lockdowns, den Einbruch des Reiseverkehrs sowie durch Liefer- und Produktionsengpässe begründet. Entsprechend schnell und v-förmig war daher auch die anschliessende Erholung. Von der tiefen Basis des Jahres 2020 wuchs der Markt für Luxusartikel in den letzten zwei Jahren im Schnitt um 26%. Für den jüngsten Wachstumsschub sorgte die vergleichsweise späte, dafür aber umso dynamischere Öffnung Chinas Ende

letzten Jahres, welche sich jüngst auch in sehr guten Quartalszahlen bei den grossen Luxusartikelherstellern widerspiegelte. LVMH rapportierte für die ersten drei Monate 2023 einen Anstieg der Umsätze in Asien von 14%, der Konkurrent Hermès verzeichnete dort gar ein Wachstum von 23%.

…auch in der Zukunft

Die sehr guten Wachstumszahlen der vergangenen Quartale reflektieren offensichtlich einen gewissen Nachholbedarf der Konsumenten. Aber auch ohne solche Sondereffekte befindet sich für die nächsten Jahre weiterhin beträchtliches Wachstumspotential in der Pipeline. Das Beratungsunternehmen Bain & Company erwartet in seiner neuesten Branchenstudie für den Luxusartikelmarkt bis Ende der Dekade einen jährlichen Zuwachs von 5% bis 6%. Das prognostizierte Wachstum basiert dabei nicht allein auf dem Begeh-

Corona-Delle längst ausgebügelt | Auch in den nächsten Jahren ist stetiges Wachstum zu erwarten Globaler Markt für Luxusartikel, in Milliarden Euro

Seit der Finanzkrise 2009 ist der Markt für Luxusartikel um rund 7% pro Jahr auf ein Volumen von 353 Milliarden Euro im Jahr 2022 gewachsen.

Quellen: Bain & Company, Kaiser Partner Privatbank

1,400 1,200 1,000 800 600 400 200 0 Luxusautos LuxusgüterLuxusunterkün�eWeineundSpirituosenGourmet-Gastronomie Luxusmöbel Kunst PrivatjetsundJachtenLuxuskreuzfahrten Summe 566 353 191 96 57 53 39 26 2 1,384
0 50 100 150 200 250 300 350 400 2000 2005 2010 2015 2020 1996
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China bleibt für die Luxusmarken mit Blick auf die wachsende Mittelschicht vorerst der Wachstumsmarkt Nummer eins.

China bleibt ein Wachstumsmotor | Gute Aussichten für Luxus trotz makroökonomischer Herausforderungen

Anteile am globalen Markt für Luxusartikel

ren den obersten 1% der Wohlstandspyramide, die für „Signature Bags“ auch schon einmal 20‘000 Euro auf den Kassentisch legen (und eine Warteliste in Kauf nehmen). Ein ebenso relevanter Wachstumsfaktor ist die globale Mittelschicht – egal ob in den Industrie- oder Schwellenländern. Denn die Luxusbranche bietet nicht nur Produkte für die Ultrareichen an. Vielmehr wird jede Käuferschicht individuell angesprochen. So auch eine breite Schicht von „aufstrebenden Käufern“, die für eine „Petit Sac Plat“-Tasche von Louis Vuitton auch schon einmal 1‘500 Euro auszugeben bereit sind (und dafür vielleicht bei anderen Ausgaben Abstriche machen). China bleibt für die Luxusmarken mit Blick auf die wachsende Mittelschicht vorerst der Wachstumsmarkt Nummer eins. Noch im Jahr 2000 machte die Mittelschicht (nach Definition der OECD) in China nur 7% der Bevölkerung aus. Inzwischen ist deren Anteil auf 30% beziehungsweise mehr als 400 Millionen Menschen gewachsen. Damit ist sie grösser als die gesamte Bevölkerung der Vereinigten Staaten. Bis 2030 dürfte jeder zweite Chinese zur Mittelschicht gehören. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird auch Indien als weiteres Wachstumsfeld immer interessanter und relevanter werden. Bis 2050 dürfte die indische Bevölkerung auf

1.7 Milliarden Menschen anwachsen und sich das aggregierte Haushaltseinkommen um den Faktor 13 erhöht haben. Schon 2039 dürften gemäss OECD mehr als eine Billion Inder zur Mittelschicht gehören. Auch wenn sich nur ein Bruchteil dieser Masse für Luxusartikel begeistern würde, wäre das Potential für die Luxusindustrie immens. Ein dritter Wachstumstreiber sind für die Branche schliesslich die sich wandelnden Konsumgewohnheiten in den Industrieländern. Gemäss der Studie von Bain & Company werden die Käufer von persönlichen Luxusartikeln immer jünger. Demnach beginnt die Generation Z drei bis fünf Jahre früher mit Luxuskäufen als ihre Vorgängergeneration (Millennials). Die Ursachen dieses Trends sind vielschichtig. Dazugehören dürfte die Tatsache, dass es für Jüngere (im Gegensatz zur Generation der „Boomer“ oder der Generation X) heutzutage aufgrund gestiegener Häuserpreise und höherer Zinsen immer schwieriger wird die Immobilienleiter hinaufzuklettern. Auch sinkende Geburtenraten tragen zum veränderten Konsumverhalten bei. Plakativ gesagt, geben die Jungen heute weniger Geld für Hypothekenzinsen oder Windeln und Babybrei, dafür mehr für leistbaren Luxus aus.

Langfristig weiteres Outperformance-Potential… | …aber kurzfristig heissgelaufen Luxusgüteraktien vs. Konsumgüterbranche und Gesamtmarkt

Quellen: Bain & Company, Kaiser Partner Privatbank 2019 2022E 2030F 11% 8% 15% 32% 30% 16% 7% 14% 27% 32% 25% 7% 15% 24% 25% China Japan Übrige as atische Länder Europa Amerika Rest der Welt 281 Milliarden Euro 353 Milliarden Euro 540-580 Milliarden Euro Region 2019 2022E 2030F 33% 10% 13% 22% 17% 18% 7% 14% 33% 23% 40% 7% 8% 22% 17% 6% Chinesisch Japan sch Übrige asiatische Länder Amerikanisch Europäisch Rest der Welt 281 Milliarden Euro 353 Milliarden Euro 540-580 Milliarden Euro Nationalität
Quellen: Bloomberg, Kaiser Partner Privatbank 60 80 100 120 140 160 180 200 2020 2021 2022 2023 Stoxx 600 Index Stoxx 600 Consumer Discretionary Index Stoxx Europe Luxury 10 Index
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Schon viele Lorbeeren in den Kursen

Auf Sicht von mehreren Jahren verspricht die Luxusgüterbranche somit noch viel Wachstumspotential, welches sich langfristig auch in (noch) höheren Aktienkursen reflektieren sollte. Gleichzeitig sind die Aktien von Luxusartikelproduzenten eine der wenigen weiterhin attraktiven indirekten Wetten auf China, welches objektiv betrachtet vor grossen innen- (Häusermarkt und Demografie) und aussenpolitischen (Rivalität mit dem Westen, Taiwan-Frage) Herausforderungen steht. Kurzfristig betrachtet sind nach der sehr guten Performance der letzten Zeit allerdings schon viele Vorschusslorbeeren in den Aktienkursen eingepreist, so etwa Chinas Öffnung und der entsprechende Nachholbedarf der chinesischen Konsumenten. Zudem zeichnet sich ab, dass die rekordhohen Margen der

führenden Luxuskonzerne unter anderem aufgrund von steigendem Lohndruck etwas abbröckeln könnten. Schliesslich dürften sich Luxusaktien auch nicht gänzlich vom europäischen Gesamtmarkt abkoppeln können. Bei diesem stehen die Vorzeichen aktuell mindestens auf Konsolidierung, wenn nicht gar auf kleiner Korrektur. Denn die Europäische Zentralbank hat ihren restriktiven Ton zuletzt beibehalten und ist von einer Kehrtwende noch weit entfernt. Derweil hat die jüngste Verschnaufpause der europäischen Aktienmärkte aus technischer Sicht noch nicht ausgereicht um die überkaufte Situation in den Momentunindikatoren abzubauen. Für Anleger, die am Luxustrend partizipieren möchten, besteht daher keine Eile. Es empfiehlt sich ein gestaffelter Einstieg und/oder ein grösserer Zukauf an schwachen Handelstagen.

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Inzwischen wird die grüne Anlagewelt nicht mehr bedingungslos durch die rosarote Brille betrachtet.

ESG: Rund ums Thema Nachhaltigkeit

Glauben Fondsmanager an ESG?

Nach Grünfärberei-Skandalen und einer Phase relativ schwächerer Performance ist der Blick vieler Anleger auf „nachhaltige“ Anlagestrategien etwas nüchterner geworden. Zwar hat sich weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass man mit ESG-konformen Anlagen nicht zwingend Renditeeinbussen in Kauf nehmen muss. Umgekehrt nimmt aber auch die Evidenz dafür zu, dass „grün“ nicht automatisch Outperformance bringt. US-Fondsmanager scheinen dies ebenso zu sehen.

Mit eigenem Geld lieber kein ESG

Glauben Fondsmanager an ESG? Noch vor nicht allzu langer Zeit wurde das Akronym in einem Atemzug mit „Outperformance“ und/oder „weniger Risiko“ genannt – in jedem Fall mit einer besseren „risikoadjustierten Rendite“ gegenüber traditionellen Anlagestrategien. Inzwischen wird die grüne Anlagewelt nicht mehr bedingungslos durch die rosarote Brille betrachtet. Dennoch wäre es interessant zu erfahren wie es diejenigen sehen, die täglich mit Millionenbeträgen hantieren und für die Anlageentscheide in den Portfolios von institutionellen oder vermögenden Privatkunden letztlich verantwortlich sind. Eine im Februar veröffentliche Studie der Universität St. Gallen* geht genau dieser Frage am Beispiel von 1‘273 aktiv gemanagten, breit diversifizierten Fonds in den USA nach. Konkret wurde untersucht, ob Fondsmanager, die auch ihr eigenes Geld in ihre Strategie bzw. in das von ihnen verwaltete Produkt anlegen, mehr oder weniger auf Aktien mit guten Nachhaltigkeitskennzahlen setzen. Dem Studiendesign liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass Manager mit „skin in the game“ gemäss ihrer eigenen Nutzenfunktion investieren und ihre wahren Glaubenssätze offenbaren –so also auch im Verhältnis zum nachhaltigen Anlegen. Ähnlich strukturierte Studien haben in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass Portfoliomanager, bei denen eigenes Geld auf dem Spiel steht, seltener auf lottoähnliche (hochspekulative) Aktien setzen, weniger Risiken eingehen und im Vergleich zu anderen Managern eine tendenziell bessere risikoadjustierte Performance erzie-

len. Das Ergebnis der neuesten Untersuchung mag erstaunen: Die Portfolios von Fondsmanagern, die selbst mitinvestieren, weisen schlechtere ESG-Scores auf – je höher die Beträge des eingesetzten Eigenkapitals, desto schlechter wird die ESG-Performance. Stockte ein Manager seine Eigenposition auf, dann reduzierte er die Position an ESG-orientierten Unternehmen nochmals zusätzlich. Co-investierende Manager tendierten zudem zu einem Übergewicht von unter ESG-Aspekten problematischen Titel, während skandal- bzw. risikofreie Aktien untergewichtet wurden.

Nachfrage (und höhere Gebühren) schafft das Angebot

Der negative Zusammenhang zwischen dem Engagement mit eigenem Geld in der Anlagestrategie und den Nachhaltigkeitsqualitäten der selektierten Aktien lässt vermuten, dass amerikanische Fondsmanager nicht auf einen performancesteigernden Effekt von ESG glauben. Warum erfreuen sich Nachhaltigkeitsfonds dann stetiger Kapitalzuflüsse bzw. kommen immer neue Produkte auf den Markt? Der Trend scheint von zwei Seiten getrieben zu sein: Einerseits zeigen Anleger seit Jahren ein stetig steigendes Interesse am Thema Nachhaltigkeit. Viele möchten mit ihrem Anlagekapital einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Zukunft leisten. Dass dieses Bedürfnis von einigen schwarzen Schafen der Fondsindustrie ausgenutzt wird, um Anlegern das Grüne vom Himmel zu versprechen, ist ein negativer Nebeneffekt des Megatrends ESG – in jedem

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Fall ist die hohe Anlegernachfrage ein wesentlicher Grund für das steigende (Produkt-)Angebot. Auf der anderen Seite sind als nachhaltig verpackte Anlageprodukte auch für die Finanzbranche attraktiv. Denn diese lassen sich zu teils deutlich höheren Preisen an Mann und Frau bringen. Es ist denn auch ein schlecht gehütetes Geheimnis der Industrie, dass ESG vielleicht weniger Gutes für Mensch und Umwelt tut als meist versprochen, aber vor allem eines ist: lukrativ. Dass es die Anreize sind, die letztlich für oder gegen einen „ESG-Tilt“ mitentscheidend sind, wird durch die Studie der Universität St. Gallen bestätigt. Denn zwar scheinen die US-Fondsmanager nicht viel von ESG zu halten. Wenn ihre Bezahlung aber von der Höhe der

verwalteten Anlagen ihres Anlageprodukts abhängt, dann investieren sie vergleichsweise mehr in Aktien mit hohem ESG-Rating als üblich – sie sind sich des „Marketing-Effekts“ von ESG also bewusst. Andererseits: Wenn die Entlohnung des Fondsmanagers allein von der Performance (zum Beispiel gegenüber einer definierten Benchmark) des Anlageprodukts abhängt, dann wird weniger stark in gute ESG-Titel investiert.

Nachhaltigkeit ohne Interessenskonflikte Was folgt aus der Analyse – welche sich wohlgemerkt ausschliesslich auf den US-Markt bezieht – für den Anleger? Wer nachhaltig anlegen möchte, muss sich der Gefahr bewusst sein, dass seine Bedürfnisse von manchem Fondsmanager nicht ausreichend abgedeckt werden, wenn dieser aufgrund entsprechender Anreizstrukturen Eigeninteressen verfolgt. Auch macht die Studie einmal mehr deutlich, dass Anleger in Bezug auf die Kosten von ESG-Produkten durchaus sensibel sein sollten. Aus unserer Sicht sollten nachhaltig orientierte Portfolios nicht deutlich teurer sein als herkömmliche Strategien. Den Interessenskonflikten der Fondsindustrie kann man zudem aus dem Weg gehen, indem man auf Anbieter setzt, bei denen Fehlanreize von vornherein ausgeschlossen sind. Zu dieser Kategorie der unabhängigen Vermögensverwalter zählt sich auch die Kaiser Partner Privatbank. Nicht nur in Bezug auf mögliche Interessenskonflikte unterscheiden wir uns im Vergleich zur Fondsindustrie. Auch vertreten wir im Gegensatz zu den beschriebenen Fondsmanagern die Überzeugung, dass eine dezidierte ESG-Strategie Anlagerisiken mindern kann und eine bessere risikoadjustierte Rendite für den Anleger ermöglicht.

* V. Orlov, S. Ramelli, A.F. Wagner: Revealed Beliefs about Responsible Investing: Evidence from Mutual Fund Managers

Zu dieser Kategorie der unabhängigen Vermögensverwalter zählt sich auch die Kaiser Partner Privatbank. Nicht nur in Bezug auf mögliche Interessenskonflikte unterscheiden wir uns im Vergleich zur Fondsindustrie.

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Die letzte Seite Anlageklassen

Anlageklassen seit Jahresbeginn 1 Monat 1 Jahr 3 Jahre Liquidität CHF 0.1% 0.8% -0.5% EUR 0.3% 2.1% 1.1% USD 0.4% 4.4% 5.2% Festverzinsliche Anlagen Staatsanleihen -0.4% -2.3% -12.5% Unternehmensanleihen 0.8% 1.9% -10.1% Mikrofinanz 0.0% 2.9% 8.4% Inflationsbasierte Anleihen 0.5% -3.7% -8.2% Hochzinsanleihen 1.7% 8.7% 8.0% Schwellenländeranleihen 2.2% 7.0% -9.9% Versicherungsbasierte Anl. 1.6% 8.3% 17.8% Wandelanleihen 4.3% 10.3% 19.6% Aktien Global 5.7% 18.2% 43.9% Schweiz 0.4% 5.9% 16.2% Europa 3.8% 24.1% 39.2% Grossbritannien 1.2% 8.1% 38.6% USA 6.6% 19.0% 46.6% Schwellenländer 3.2% -1.1% -0.6% Alternative Anlagen Rohstoffe 3.6% -13.3% 52.2% Gold -2.2% 6.2% 7.8% Immobilien Schweiz -2.0% -0.7% 2.2% Hedgefonds 0.6% 1.2% 7.5% Währungen EUR/USD 2.1% 4.1% -2.9% EUR/CHF 0.4% -2.4% -8.2% GBP/USD 2.1% 4.3% 2.4%
Performance per 30. Juni 2023
0.7% 1.5% 2.5% 0 2.1% 3.5% 1.8% 1.7% 4.9% 3.8% 10.3% 7.9% 0 15.1% 7.3% 15.3% 2.6% 16.8% 3.5% 0 -10% 5.2% -0.4% 0.5% 0 1.9% -1.3% 5.1% 5.2% Monthly Market Monitor - Juli 2023 | Kaiser Partner Privatbank AG 22

Auf unserer Agenda

• 20. Juli: Internationaler Tag des Mondes

Dank stetiger Innovationen und den Erfolgen privater Raumfahrtunternehmen rückt der Weltraum für die Menschheit immer näher. Zugleich ist er zu einem weiteren Schauplatz für die Rivalität zwischen China und dem Westen geworden, welche auch in Form von neuen Missionen zum Mond stattfindet. Der erst 2021 ins Leben gerufene „International Moon Day“ mahnt nicht zuletzt die Nachhaltigkeit neuer Explorationen auf dem Erdtrabanten an.

• 23. bis 30. Juli: Tour de France Femmes

Nach dem Aus im Jahr 2009 dauerte es mehr als ein Jahrzehnt bis es im letzten Jahr erstmals wieder eine Radrundfahrt der Frauen in Frankreich gab. Die zweite Ausgabe der „Tour de France Femmes“ führt auf acht Etappen über 956 Kilometer. Die Tour startet in der Auvergne (Clermont-Ferrand) und endet mit einem Zeitfahren nahe der Pyrenäen (Pau).

• 27. Juli: EZB-Sitzung

Mitten im nachrichtentechnischen Sommerloch dürfte die Europäische Zen

tralbank Ende Juli nochmals an der Zinsschraube drehen. Danach dürfte es heissen: Abwarten und Zuschauen. Denn der Inflations-Höhepunkt befindet sich nun auch im Euroraum längst im Rückspiegel und die Auswirkungen der restriktiveren Geldpolitik werden in steigenden Makrodatenpunkten sichtbar.

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Herausgeberin: Kaiser Partner Privatbank AG

Herrengasse 23, Postfach 725

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HR-Nr. FL-0001.018.213-7

T: +423 237 80 00, F: +423 237 80 01

E: bank@kaiserpartner.com

Redaktion: Oliver Hackel, Senior Investment Strategist

Roman Pfranger, Head Private Banking & Investment Solutions

Design & Druck: 21iLAB AG, Vaduz, Liechtenstein

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