Argumente 2/2010 Atomkraft

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Industriestaaten deutlich, deren Staatschefs wuchtig, nationalistisch und folgenlos auftraten. Sie verhandelten in kleinen exklusiven Runden und hielten die Hauptbetroffenen des Klimawandels weitgehend raus. Daran war auch die Bundeskanzlerin mit ihren eilfertigen Verhandlungen und wichtigtuerischen Erklärungen beteiligt. In Wahrheit spielte sie gerade mal eine kleine Nebenrolle. Nachdem Merkel im Jahr 2007 für mutige Vorschläge den Titel „Klimakanzlerin“ bekommen hatte, operiert sie heute mit angezogener Handbremse. Wenn überhaupt, schaltete sie sich erst spät in die Verhandlungen ein und verlor an Glaubwürdigkeit, weil sie auch in der EU energie- und verkehrspolitische Maßnahmen abgelehnt hatte, die den Klimaschutz vorangebracht hätten. Dennoch geht die These von Naomi Klein, lieber kein Abschluss als ein schlechter, an der Wirklichkeit vorbei. Nicht nur ein unzureichender Abschluss, auch kein Abschluss ist schlecht, denn schon in kurzer Zeit wird mit 450 ppm eine Konzentration von Treibhausgasen erreicht, die mit einer Zeitverzögerung von 40 bis 50 Jahren zu einer globale Erwärmung um zwei Grad führen wird. Die Zeit läuft uns weg, da nützen auch kluge Sprüche nichts. Die Konsequenz von Kopenhagen muss deshalb ein Plan B sein, mit dem einzelne Länder, Unternehmen, Kommunen und Akteure ehrgeizigere Klimaziele verfolgen. Es bleibt keine Zeit, erst ein neues internationales Übereinkommen abzuwarten. Das ist, wenn auch aus anderen Gründen, auch das Verständnis der Lobbyisten, die von Verantwortung und Innovationen nichts hören wollen. Sie alle sind daran beteiligt, wenn der Klima-Gau nicht mehr zu stoppen ist.

Plan B heißt: Jetzt muss, wo immer es geht, mit dem Schutz des Klimas ernst gemacht werden. Dann gibt es eine Chance, dass auch andere mehr tun, weil sie unter Legitimationsdruck gesetzt werden. Denn der Klimawandel ist überall ein Thema, so dass die Zivilgesellschaften ihre Regierungen und Wirtschaftsverbände auf positive Beispiele verweisen können. Die großen UN-Konferenzen sind bisher entweder hinter dem Notwendigen weit zurückgeblieben oder waren – wie der Erdgipfel von Rio 1992, der klare Beschlüsse fasste – folgenlos. Notwendig sind Pioniere und Vorreiter für eine Effizienzrevolution, den Umstieg in die Solarwirtschaft, die Neuordnung der Mobilität und einen wirksamen Wälder-, Boden-, Moor- und Meeresschutz. Notwendig sind möglichst starke Wirtschaftsregionen, die in der ökologischen Modernisierung die Chance sehen, eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der neuen Weltordnung einzunehmen. Das ist die Chance der EU, zu einer gestaltenden Kraft in der Globalisierung zu werden. Notwendig ist nicht zuletzt eine Technik- und Finanzkooperation mit den Entwicklungsländern. Dann wird globaler Klimaschutz möglich. Umgekehrt nicht. Angela Merkel hat, als es darauf ankam, nicht beweisen, dass sie es mit dem Klimaschutz Ernst meint. Seit dem Regierungswechsel herrscht Stillstand. Stattdessen gab es die atomare Welle rückwärts. Klimapolitik wurde durch die Atompolitik ausgebremst. Statt die Chancen einer sozial-ökologischen Modernisierung zu nutzen, demontiert sich die Bundesregierung. Wer soll sie nach dem Theater der letzten Monate noch ernst nehmen?

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