ITI Jahrbuch / Yearbook 2015

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auf, dass es so nicht zur deutschen Einheit gehen kann. Egal, welche Wege wir zur deutschen Einheit beschreiten. Damals war der Beitritt nicht die einzig mögliche Form, sondern zunächst einmal ging man noch von der Konföderation aus. Der Deutsche Bühnenverein machte Gero Hammer also einen Besuch beim Verband der Bei diesen Veranstaltungen bin ich Theaterschaffenden, und der Verband „[…] es geht um alle im Wesentlichen nicht als Mitglied der Theaterschaffenden wusste nichts Formen des Theaters. Wir mit dem Bühnenverein anzufangen des ITI aufgetreten. Ich erinnere haben nicht etwa weniger, und der Bühnenverein fuhr zurück und mich da an eine Veranstaltung, sondern mehr Aufgaben.“ stellte fest: der Verband der Theaterdie wir von der DDR aus beschickt schaffenden ist nun wirklich nicht unser hatten, und die berührt jetzt wieder Partner. Die Aufgabenstellungen waren ganz aktuelle Fragen. 1964 oder '65 so unterschiedlich, dass es keinen Zweck hatte. Und wir hat es ein panarabisches Theatertreffen in Hammamet, haben uns gesagt, davon erfahrend und wissend, das Tunesien, gegeben. Dieses panarabische Theatertrefkönnen wir so nicht lassen. Da gab es durchaus unterfen hatte die zunehmende Vereinigung der arabischen schiedliche und kontroverse Positionen. Wir haben einen Staaten mit einem arabischen Weg zum Sozialismus als Gründungsaufruf gemacht für den Bühnenbund, in Grundlage. Dort waren wir vertreten und haben Vorträge dieser Weimarer Intendantenkonferenz und der Bühnengehalten. Dieses Zusammentreffen mit Theaterleuten verein ist auf uns zugegangen, hat Vorschläge gemacht internationaler Art war hochinteressant. für Kontakte. Über das ITI bin ich überhaupt erst in der zweiten Hälfte Das betraf übrigens auch die Situation mit dem der achtziger Jahre ins Ausland gefahren, einmal in die ITI, das sich ja schwer getan hatte, sich auf die veränderNiederlande und einmal nach Finnland, nach Helsinki. te politische Situation einzustellen. Erst im Sommer 1990 Und das waren mehr oder minder Studienreisen. haben die führenden Genossen - ich sag das bewusst so Also Politik und ITI und Politik und Theater, da glaube – dann eingesehen, dass es vielleicht keinen Zweck hat, ich ja, dass Herr Langhoff die richtige Formulierung an irgendeinem Führungsanspruch festzuhalten. Und gebraucht hat. Und insofern hat natürlich die ITI-Arbeit da gab es nun einen durch die Arbeit des Bühnenbundes in der DDR auch immer politische Aspekte gehabt. Es ist etablierten Mann, der nicht Genosse war, und der die überhaupt keine Frage. Und gewollte politische Effekte; Dinge übernehmen konnte. Ich bin da ganz wertfrei in also die Ausweitung auch des Bildes der DDR als Theader Beurteilung der Dinge und halte das nicht in erster terland ins Ausland hinein über andere Wege als nur Linie für ein Ergebnis der hohen Wertschätzung meiner Gastspiele oder Möglichkeiten, die die Botschaften hatTheaterarbeit in der DDR, sondern das war – und das hat ten, die ja alle doch begrenzt waren. Was hat denn eine in der Zeit an vielen Stellen so ausgesehen – der Griff Botschaft in Wirklichkeit in der Hinsicht für Möglichkeinach einem DDR-Mann, der die DDR repräsentierte, aber ten? Die DDR verfügte ja nicht wie die Bundesrepublik nicht belastet war durch eine allzu starke Parteizugehöüber Goethe-Institute. Ein solches Medium, das vieles transportiert hat, war nicht vorhanden. rigkeit. Und insofern ist auch dort in der neuen Situation nicht viel StrateThomas Engel gisches passiert. Schauen wir nun auf die Vereinigung der beiden Zentren, in der Sie „[…] ein gemeinsames Es ging erstmal Theatererlebnis mit einer ja als Präsident des DDR-Zentrums in der Nachfolge des langjähum Sicherung und unüberhörbaren humarigen Karl Kaiser die Geschicke plötzlich in der Hand hatten. Bitte dann die Frage: Wie nistischen Botschaft. Das erzählen Sie davon. wird der nächste könnte uns auch heute Schritt getan? helfen.“ Gero Hammer Im Sommer 1990 Logischerweise ist das alles auf einen sehr kurzen waren wir dem BeiZeitpunkt zusammengerückt. Es begann Ende '89 und tritt viel näher als hörte mit der deutschen Wiedervereinigung in der dann am Anfang des Jahres '90. Wir wissen alle, wie die Dinge vertraglich fixierten Form auf. Also eine sehr intensive gelaufen sind, als plötzlich Kohl in Dresden auftauchte und sich fast überschlagende Zeit, muss man sagen. und so weiter. So direkt hat die Politik immer auf uns Zunächst einmal hatte logischerweise die Vereinigung, eingewirkt. oder sagen wir, die Annäherung an den Deutschen Thomas Engel Bühnenverein, das Prä in der Angelegenheit. Das war Es ist interessant zu hören, dass es eine Sache war, die als ein aus Sicht vieler der Intendanten der DDR das Wichtigste. Segment in der Zusammenarbeit der beiden Verbände, also des BühDenn wir hatten ja keine dem Deutschen Bühnenverein entsprechende Organisation. Das war eigentlich der nenbundes und des Bühnenvereins, lief. Kommen wir nun abschlieKernpunkt. Aber beim letzten Intendantenseminar in ßend zum perspektivischen Teil. Wie würden Sie den Kernauftrag Weimar 1990 – das fand zehn Jahre lang jedes Jahr statt der Internationalität, der auch so in der Charta des ITI steht, heute und man konnte offen über anliegende Fragen sprechen, definieren? Was würden sie als Herausforderung und als Aufgabe im was ja in der DDR nicht mehr ganz üblich war – fiel uns Hinblick auf die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg sehen?

JAHRBUCH ITI YEARBOOK Deutsche Perspektiven

Gab es andere internationale Veranstaltungen außerhalb der Landesgrenzen, an denen Sie als Vertreter des ITI oder der DDRDelegation teilgenommen haben?


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