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Humanität oder Politik?
Wenn Nachsorge besser ist als Vorsorge… Zivilschutz in der BRD »Pacemvolo, bellumparo« – »Den Frieden will ich, (deshalb) rüste ich zum Krieg«. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Zeiten gestiegener Terrorgefahren, Stellvertreterkriegen, sich verhärtenden Fronten, Aufrüstung, Modernisierung und den Forderungen nach mehr »Resilienz«7, könnte man diesen Ausspruch, der dem heiligen Augustinus zugeordnet wird, als den Wahlspruch vieler Regierungen interpretieren.
Sich für einen Krieg zu rüsten bedeutet aber nicht nur, Kasernen zu erweitern, die Rüstungsindustrie zu fördern und Soldaten zu rekrutieren und auszubilden – wir erinnern uns an Verteidigungsministerin von der Leyens Kampagne »mach was wirklich zählt«, mit dem Ziel, den Umfang der Bundeswehr bis 2024 auf insgesamt 198.000 Soldatinnen und Soldaten und rund 61.400 Haushaltsstellen für zivile Beschäftigte zu erhöhen 29. Es bedeutet auch, die Wehr (/Kriegs-)bereitschaft zu erhöhen und die strukturellen Voraussetzungen im Inland zu schaffen, um einen Krieg überhaupt erst führen zu können. Dazu gehören infrastrukturelle Maßnahmen, wie die Sicherstellung von Nachschubwegen, aber auch der Zivilschutz. Zivilschutz ist ein Unterpunkt der sogenannten Zivilen Verteidigung, dem nicht-militärischen Arm der Gesamtverteidigung. Weitere Unterpunkte der Zivilen Verteidigung sind: • die Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsgewalt, • die Versorgung der Bevölkerung und der Streitkräfte mit Gütern und Leistungen und • die Unterstützung der Streitkräfte.3 Der Begriff »Verteidigung« ist dabei ein Euphemismus aus der Gründungszeit der Bundesrepublik, zu der festgehalten wurde, von Deutschland solle kein Krieg mehr ausgehen. Der Artikel 87a des Grundgesetzes besagt, »Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. […] Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.« 8 Wie sollten die Begriffe
also anders lauten? Zumal der frühere Verteidigungsminister Peter Struck 2002 feststellte: »die Freiheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt«.9 Diese Auslegung des Verteidigungsgedankens – weg von einer Reaktion, hin zur Aktion – zeugt von einer geänderten Sicherheitspolitik.
Das neue Weißbuch und die KZV Auch das im Juli 2016 erschienene »Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr« und das neue »Konzept Zivile Verteidigung« (KZV) zeugen von e iner geänderten Sicherheitspolitik. »Diese Konzeption ist ein Basisdokument für die gesamte Aufgabenerfüllung im Bereich der Zivilen Verteidigung, der zivilen Notfallversorgung im Bund und soll in den kommenden Jahren auf allen Verwaltungsebenen umgesetzt werden. […] In den 90er Jahren war die Zivile Verteidigung einschließlich des Zivilschutzes nach Beendigung des ›Kalten Krieges‹ in Deutschland und zahlreichen anderen Staaten teils massiv zurückgefahren worden, um eine realistische ›Friedens dividende‹ zu erzielen.« 11 In Zeiten, in denen Sicherheitspolitik wieder deutlich mehr Gewicht beigemessen wird, gelte es nun neben der militärischen Verteidigung auch die Zivile Verteidigung an die veränderte Lage anzupassen, erklärt Wolfram Geier, der Leiter der Abteilung »Risikomanagement, Internationale Angelegenheiten« des BBK 11. In Sicherheitskreisen wird diese veränderte Lage vor allem durch einen Wandel des Spektrums, der Ursachen und des Charakters, äußerer sicherheitspolitischer Risiken und Bedrohungen gesehen. Während man zur Zeit des Krieges eine hohe territoriale Bedrohung durch konventionelle und nukleare Waffen in einer bipolaren Welt
annahm, werden die aktuellen sicherheitspolitischen Risiken gesehen in: • der Instabilität von zerfallenden und zerfallenen Staaten • der Konkurrenz um geopolitische Einflusssphären und Rohstoffe • dem Wirken des internationalen Terrorismus sowie international agierender organisierter Kriminalität • Klima- und Umweltkatastrophen • Engpässen bei der Versorgung mit natür lichen Rohstoffen • Pandemien • Migrations- und Flüchtlingsbewegungen • der Weiterentwicklung und Proliferation von Massenvernichtungswaffen. In dem Vorwort zum »Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr« fasst Angela Merkel zusammen: »Die Welt im Jahr 2016 ist eine Welt in Unruhe. Auch in Deutschland und Europa spüren wir die Folgen von Unfreiheit, Krisen und Konflikten in der unmittelbaren Nachbarschaft unseres Kontinents. Wir erleben zudem, dass selbst in Europa Frieden und Stabilität keine Selbstverständlichkeit sind.« 7 Des Weiteren fordert sie eine gesteigerte Resilienz innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union.7 Nur so könnten wir unsere offene Gesellschaft und unsere freiheitliche Art zu leben schützen.7 Aber wie sieht denn dieser Schutz aus? Das Wort »Resilienz« hat laut Duden zwei