Frauen machen Zukunft - Erfolgreich in Technik, Wirtschaft und Forschung

Page 10

Seite 10

in|pact media Verlag

KOLUMNE

Karriere wird gemacht Unternehmen betreiben gezielte Personalpolitik, um qualifizierte Frauen zu gewinnen

Tschüss, Barbie! Unsere Autorin Marie Fink zeigt Wege aus der Mädchenfalle Generationen von Eltern haben Barbie verteufelt. Lange Beine, blonde Haare, üppiger Vorbau, ein Unterbau, wie er in der Natur nicht vorkommt. Und doch ist sie ein millionenfacher Mädchentraum. Auch für mich schaffte sie ein klares Weltbild: Sie hatte Stil, orientierte sich mit ihrem Kleiderschrank an Grace Kelly, und immerhin wurden ihr über 100 Berufe zugeordnet. Nur als sie sprechen lernte – der Satz »Mathematik ist schwierig« ist überliefert – da schlugen Mädchenherzen nicht mehr ganz so hoch. Die Autorin Jana Hensel schreibt über das Phänomen der Lustlosigkeit junger Frauen: »Sie resignieren vor der Arbeitswelt. Vielleicht, weil sie eher bemerken, dass eine erfolgreiche Karriere nicht unbedingt voraussetzt, die Klügste, Beste und Fleißigste zu sein; dass es selten um fairen Wettkampf geht, sondern dass es oft darauf ankommt, sich in Machtspielen zu behaupten.« Aber lieber im Vorzimmer Blümchen gießen? Wie rauskommen aus der Mädchenfalle? Claudia Nemat, Physikerin und Vorstand im Dax-Unternehmen Deutsche Telekom, betrieb Ursachenforschung. Sie fand heraus, dass zu viel Testosteron in Chefetagen schädlich sei. Es brauche mindestens einen Frauenanteil von 30 Prozent an der Spitze; nicht nur für die Unternehmenskultur, sondern für Rendite und Aktienkurs. Weibliche Fähigkeiten sind gefragte »skills« der Zukunft. Frauen verfügen statistisch über eine sehr gute Ausbildung. Der Talentpool ist nicht ausgeschöpft. Dazu kommen der demografische Wandel und der stetig zunehmende Fachkräftemangel: Ein Unternehmen, das heute keine begabten Frauen fördert, ist nicht zukunftsfähig. In der Medienbranche scheint die Ansicht Fuß gefasst zu haben. Weibliche Vorbilder sitzen am Ruder: Jil Abrahams wechselte auf den Chefsessel der New York Times, Marissa Mayer schaffte es von der kleinen Angestellten zur Produktchefin bei Google, und Joanna Shields wurde soeben Vice President bei Facebook. Jeder dritte Mitarbeiter bei IBM ist mittlerweile eine Frau. Als eine Frechheit befand die britische Politikerin Jo Swinson unrealistische Bilder in der Werbung, in denen Frauen glatt seien wie Barbiepuppen: »Solche Bilder setzen Frauen unter Druck.« Sie hatte Erfolg. Ein Kampagnenfoto mit einer komplett faltenlosen Julia Roberts wurde verboten.

IM_Frauen_RZ.indd 10

tatjana Kimmel-Fichtner / redaktion

Gute Personalpolitik bedeutet Frauenförderung – das erkennen immer mehr unternehmer. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln befragte 2011 rund 1.500 unternehmen zum Thema Personalpolitik. Das ergebnis zeigt, dass die Förderung von Frauen einen hohen Stellenwert hat: etwa 82 Prozent der Betriebe befassen sich mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, knapp sechs von zehn unternehmen wollen dafür sorgen, dass Männer und Frauen gleich verdienen und etwa zwei Drittel kümmert sich um das Thema Frauen in Führungspositionen. unter dem Schlagwort »Gender Mainstreaming« versuchen Firmen, die Lebenswirklichkeit von Frauen ebenso wie die von Männern in ihre Arbeitsprozesse einzubeziehen. Die Zahl von Frauen in Führungspositionen steigt langsam, aber stetig. Sieben Frauen arbeiten bereits als Vorstände bei den DAX-30-Konzernen BASF, e.ON, Daimler, Henkel, Siemens und Telekom. Zahlreiche Firmen führten in den vergangenen Jahren flexible Arbeitszeitmodelle, Vertrauensarbeitszeiten, HomeOffice, Teilzeitarbeit, Möglichkeiten zur Kinderbetreuung und die unterstützung bei der Pflege von älteren oder pflegebedürftigen Familienangehörigen ein. Diese Angebote kommen Männern und Frauen zu Gute, sind aber für die Karrieregestaltung von Frauen meist entscheidender. Berufsverbände, Vereine, Bundesministerien und die Agentur für Arbeit bieten ein breites Spektrum von Beratungs- und Fördermöglichkeiten. Mit ihrer Hilfe können Firmen individuelle Modelle finden, um ihre Personalpolitik frauenfreundlich und damit zukunftsfähig zu gestalten. Denn die Zeiten ändern sich: Sogar die unternehmensberatung McKinsey, lange als Hort für Alphamänner berüchtigt, umwirbt Topfrauen mit speziellen rekrutierungsveranstaltungen. Aus 550 Bewerberinnen wurden im vergangenen Jahr 30 Kandidatinnen ausgewählt. Während des jährlich stattfindenden Women’s Day haben sie die Chance, sich intensiv mit den Beraterinnen aus ganz Deutschland auszutauschen. Sie reden über Dienstreisen, Klienten, Karrierechancen, Mentoren-Programme und Babypausen ebenso wie über die Kunst, blöde Bemerkungen von Männern einfach mal zu ignorieren. Die jungen Frauen fragen interessiert nach, doch über Gehalt und Boni will keine mehr wissen.

McKinsey-Partnerin Bettina Orlopp hat den McKinsey Women’s Day mit ins Leben gerufen. »Diese Tage sind sehr wichtig, damit wir uns kennenlernen und unsere erfahrungen austauschen. Das brauchen wir so lange, bis auf allen ebenen 30 Prozent Frauen beschäftigt sind«, sagt sie. Bei den Klienten kommen die Frauen im Team gut an. »Immer häufiger fragen sie, wie sie selber weiblichen Nachwuchs aufbauen können«, so Orlopp. Ihrer erfahrung nach ist es unumgänglich, dass das Thema von der Chefetage aus aktiv vorangetrieben wird. »Nur so können sich Maßnahmen bewähren und in den mittleren Hierarchiestufen erfolgreich umgesetzt werden.«. Mit maßgeschneiderten Mentoren-Programmen und speziellen Coachings hat sie die besten erfahrungen gemacht. Auch bei der e.ON AG setzt man auf weibliche Kompetenz. Der Aufsichtsrat hat das Ziel, bis 2018 den Anteil von Frauen im Kontrollgremium von jetzt 15 auf 30 Prozent zu erhöhen. Anfang 2011 verpflichtete sich der Gesamtvorstand, die Anzahl von Frauen in Führungspositionen zu verdoppeln. um dieses Ziel zu erreichen, erhält jede Geschäftseinheit individuelle Jahresziele, die im Quartalstakt überprüft und an den Vorstand übermittelt werden. Besonderer Anreiz für die Top-Führungskräfte: Ihre Boni sind von der erreichung der frauenfreundlichen Ziele abhängig. Zudem gilt im e.ON-Konzern eine richtlinie für die Besetzung frei werdender Führungspositionen. Danach müssen jeweils mindestens ein Mann und eine Frau als potenzielle Nachfolger für eine frei werdende Top-Position benannt werden. »Damit wollen wir erreichen, dass sich bestehende Stellenbesetzungsprozesse nicht verfestigen und Frauen mindestens als starke Option in Betracht gezogen werden«, sagt Firmensprecher Georg Oppermann. Daneben nutzt der Konzern Mentoring-Programme für weibliche Führungs- und Führungsnachwuchskräfte. Sie sollen dafür sorgen, dass weibliche Potenziale im Konzern stärker wahrgenommen und unterstützt werden.

22.02.12 17:59


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.