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Workshops & Vorträge
from INDat Report 02_2020
by INDat Report
Zweifel an der Legitimität
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Hannover. Auf Einladung von Prof. Dr. Christian Wolf (Leibniz Universität Hannover) und dem Vorstandsvorsitzenden des Fördervereins des Instituts für Prozess- und Anwaltsrecht, der der Verfasser des Beitrags ist, kamen am 15.01.2020 rd. 20 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Finanzverwaltung und berufsständischen Organisationen zum Workshop »Die Schaffung eines präsumtiven Gläubigerausschusses nach der ESUG-Evaluation?« in Hannover zusammen. Der ESUG-Evaluationsbericht schlägt die gesetzliche Einrichtung eines »vermuteten« Gremiums vor.
Text: Rechtsanwalt Dr. Rainer Eckert, Eckert Rechtsanwälte Steuerberater Partnergesellschaft mbB
Der Workshop reiht sich als zweite Veranstaltung hinter den im Oktober 2019 abgehaltenen Workshop zum Thema »Ein Berufsrecht für Insolvenzverwalter« ein. Er ist Teil der Veranstaltungsreihe »Insolvenz und Restrukturierung«, die das Institut für Prozess- und Anwaltsrecht zur Förderung des interdisziplinären Austauschs zwischen Professoren, Richtern, Rechtspflegern, Insolvenzverwaltern, Rechtsanwälten und Sachverständigen ausrichtet.
Angestoßen durch den im Evaluationsbericht zu den Erfahrungen mit der Anwendung des ESUG propagierten Vorschlag zur Implementierung eines »präsumtiven« Gläubigerausschusses stiegen die Teilnehmer nach einem Impulsvortrag von Prof. Dr. Stefan Smid (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) in die Diskussion ein. Im Zentrum der Debatte stand die Frage, in welcher Form und in welchem Maße die Gläubiger in Zukunft in Insolvenzverfahren und perspektivisch auch in präventiven Restrukturierungsverfahren beteiligt werden können. Besonders erörtert wurde in diesem Kontext die Frage, welche Bedeutung dem präsumtiven Gläubigerausschuss hierbei zukommen könnte.
Im April 2018 legte die vom BMJV und BfJ beauftragte fünfköpfige Forschungsgruppe ihren Abschlussbericht zur ESUG-Evaluation vor. Obgleich sie eine weitgehend positive Annahme des ESUG feststellte, bestehe in Teilbereichen, insbesondere bei der Gläubigerbeteiligung im Verfahren, weiterhin Nachjustierungsbedarf (BT-Drucks. 19/4880, S. 24). Kern der Kritik ist die vielerorts noch nicht ausreichend praktizierte Gläubigerbeteiligung bei der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters. Diese wirke sich zwar »erheblich auf das Verfahren aus«, bleibe aber infolge des auch sechs Jahre nach Inkrafttreten des ESUG noch zurückhaltenden Umgangs mit den Instrumenten der §§ 56 a, 22 a InsO hinter der erwünschten Gläubigermitsprache zurück (BT-Drucks. 19/4880, S. 28). Um es nicht allein bei einer »Signalwirkung« des ESUG zu belassen, sprach sich die Forschungsgruppe für die Schaffung eines präsumtiven Gläubigerausschusses aus.
Zum Auftakt der Veranstaltung gab Smid einen Überblick über das Organ des (vorläufigen) Gläubigerausschusses in seinen Formen de lege lata. Die Aufgaben des Ausschusses würden sich ebenso wie dessen Bezeichnung über den Zeitpunkt seiner Einsetzung im Insolvenzverfahren definieren. Im Eröffnungsverfahren sei es Aufgabe des vorläufigen Gläubigerausschusses, sich an der Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters zu beteiligen und dessen Geschäftsführung im Eröffnungsverfahren zu überwachen (§ 56 a InsO). Im eröffneten Verfahren liege die Verantwortung in der Überwachung und Unterstützung der Geschäftsführung des Insolvenzverwalters (vgl. § 69 InsO, §§ 158–160 InsO). Sodann widmete sich Smid der Begriffsklärung: Mit der Bezeichnung »präsumtiv« bringe die Forschungskommission zum Ausdruck, dass es sich zunächst nur um einen »vermuteten« Gläubigerausschuss handele. Diese Begrifflichkeit füge sich in das Bild, das die Forschungskommission vom »präsumtiven« – oder auch »vor-vorläufigen« – Gläubigerausschuss zeichnet. Dieser soll dem vorläufigen Gläubigerausschuss in zeitlicher Hinsicht nämlich noch vorgelagert werden.
Letzterer kann in der ca. zweieinhalb bis drei Monate andauernden Phase zwischen Insolvenzantragsstellung und Eröffnungsbeschluss bestellt werden. In der Konsequenz käme dem präsumtiven Gläubigerausschuss nur dann ein eigenständiger Geltungsraum zu, würde er sich bereits vor Stellung des Insolvenzantrags konstituieren. Der Ausschuss würde sich mithin aus denjenigen Gläubigervertretern zusammensetzen, die mutmaßlich einen späteren vorläufigen Gläubigerausschuss bilden würden.
Der Referent äußerte sich in dieser Hinsicht skeptisch, nicht nur angesichts der praktischen Umsetzbarkeit des Vorhabens, sondern auch hinsichtlich der Legitimation des Ausschusses. Ferner versah er die Schlussfolgerung aus dem Evaluationsbericht, es bedürfe zur weiteren Stärkung der Gläubigerbeteiligung eines präsumtiven Gläubigerausschusses, mit einem Fragezeichen. So ergebe sich aus der grundsätzlich wünschenswerten Stärkung der Gläubigerautonomie nicht zwingend das Erfordernis eines Einschreitens des Gesetzgebers im Zeitraum der Vorbereitung des Insolvenzverfahrens. Abschließend wies Smid auf mögliche
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Implikationen der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen in dieser Frage hin und eröffnete hiermit die Diskussionsrunde unter den Teilnehmenden.
Gegenstand der Diskussion im Plenum war zunächst die Reichweite der Gläubigerbeteiligung nach dem Status quo. Einigkeit bestand in dem Punkt, dass eine frühzeitige Gläubigerbeteiligung sich grundsätzlich positiv auf das Verfahren auswirkt. So traf die Aussage, dass alle Verfahrensbeteiligten vom Know-how der professionellen Gläubigervertreter profitieren würden, auf allgemeinen Zuspruch. Auch sprachen sich die Gäste einhellig dafür aus, dass eine effektive Gläubigerbeteiligung das Verfahren transparenter und vorhersehbarer machen würde. Vertreter der Banken, Warenkreditversicherer und der Bundesagentur für Arbeit berichteten, dass sie in Großverfahren häufig bereits weit im Voraus, mitunter drei bis vier Monate vor Insolvenzantragsstellung, angesprochen und in den Prozess eingebunden würden. Nur in seltenen Fällen würden sie erst durch Beschluss des Insolvenzgerichts über die Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses im Insolvenzeröffnungsverfahren involviert.
Schwieriger gestalte sich dies indes in der Krise von KMUs, für die regelmäßig nicht genügend bereitwillige Ausschussmitglieder zur Verfügung stünden. Vonseiten der Bankenvertreter wurde betont, dass die Teilnahme am Gläubigerausschuss längst nicht zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Vor allem bei kleineren Hausbanken bestünden teilweise erhebliche Kapazitätsprobleme. Aus diesem Grund sprachen sich alle Teilnehmenden für eine weitere Stärkung der professionellen Gläubigerinstitutionen aus. Zur Schaffung einer Sogwirkung für potenzielle Ausschussmitglieder wurde hierzu u. a. die Schaffung einer einheitlichen gesetzlichen Regelung zur Vergütung von Mitgliedern im Gläubigerausschuss angeregt.
Kritik wurde vonseiten der Gläubigervertreter und Insolvenzverwalter bezüglich einer teilweise zu dominanten Richterrolle geübt. Ausschüsse würden in z. T. objektiv nicht nachvollziehbarer Weise zusammengesetzt, was auch auf die Bestellentscheidung zur Person des Insolvenzverwalters Einfluss nimmt. Die hierdurch hervorgerufene Rechtsunsicherheit wirke sich negativ auf die Sanierungschancen und damit auf eines der deklarierten Kernziele des ESUG aus. Zudem adressierten die Teilnehmer mögliche Implikationen der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, die einer »Verzwergung« von Gläubigervertretern und Insolvenzverwaltern gerade entgegenlaufen soll. Zur weiteren Professionalisierung der Zusammenarbeit zwischen Insolvenzgericht, Insolvenzverwalter und Gläubigervertretern plädierte ein Teil zudem für eine stärkere Konzentration der Insolvenzgerichte. Hierbei sollten die Tätigkeiten nach Möglichkeit auf diejenigen Richter konzentriert werden, die sich jedenfalls überwiegend mit Insolvenzangelegenheiten beschäftigen. Von anderer Seite wurde indes angemerkt, dass eine Konzentration aufgrund eines befürchteten Verlustes an Bürgernähe auch Risiken birgt.
Ob ein Einschreiten des Gesetzgebers in Form einer Regulierung des vorinsolvenzlichen präsumtiven Gläubigerausschusses an dieser Stelle Abhilfe schaffen kann, wurde allerdings von allen Teilnehmenden mit Skepsis betrachtet. Insolvenzverwalter und Gläubigervertreter äußerten Vorbehalte hinsichtlich der Legitimation der Mitgliedschaft im präsumtiven Gläubigerausschuss. Diese ergebe sich für den vorläufigen Gläubigerausschuss aus der gerichtlichen Bestellung zur Überwachung des Insolvenzverwalters. An einem solchen Einsetzungsorgan fehlt es indes im Zeitraum vor Insolvenzantragsstellung. Auch stelle sich die Frage, inwieweit die Repräsentativität des Ausschusses zu diesem frühen Zeitpunkt gewährleistet werden soll, weil die Höhe der Forderungen der Gläubiger noch nicht festgestellt wurde. Auf dieser Basis erscheine es im Weiteren fraglich, ob ein Vorschlag des präsumtiven Gläubigerausschusses zur Person des vorläufigen Insolvenzverwalters Bindungswirkung entfalten kann oder es bei einer Letztentscheidungskompetenz des Insolvenzgerichts bleibt. Die professionellen Gläubigervertreter betonten, dass jedenfalls in großen Verfahren eine Regulierung die Sanierungsstrategien wohl eher verschlimmbessern würde.
Thematisiert wurde allerdings auch die Gefahr einer drohenden Instrumentalisierung der Gläubigervertreter. Um dieser vorzubeugen, sollte vielmehr die Verpflichtung zur Einsetzung und Konstituierung von vorläufigen Gläubigerausschüssen vor Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters gesetzlich stipuliert werden. Im Zuge dessen sollten in ordnungspolitischer Hinsicht die Größenklassen, sprich die Bilanzsummen zum obligatorischen vorläufigen Gläubigerausschuss, angehoben werden. Am Ende der Diskussionsrunde stand somit eine Aussprache zugunsten einer einfachen gesetzlichen Regelung statt einer komplexen Neuregelung der Materie. «








