Update Alb

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SOMMERUNI 2014 IN MAGOLSHEIM



Die Sommeruniversität wurde organisiert und durchgeführt von:

Städtebau-Institut Fachgebiet Grundlagen der Orts- und Regionalplanung Prof. Dr. Johann Jessen Dipl. Ing. Daniela Walz Institut für Landschaftsplanung und Ökologie Prof. Antje Stokman Dipl. Ing. Johannes Jörg

In Kooperation mit:

Institut Entwerfen von Stadt und Landschaft Fachgebiet Regionalplanung und Bauen im ländlichen Raum Prof. Kerstin Gothe Dipl. Ing. Lisa Matzdorff

An der Sommeruniversität haben folgende Studierende teilgenommen: Andreas Berchtold Johannes Dolp Christine Heinkel Bianca Kartmann Kathrin Köhler Aleksandar Krndija Anna Kübler Johanna Lindinger Julia Lorenz Daniela Mehlich Benjamin Michels Silke Mittnacht Johanna Moraweg Saskia Niklas Anna Oelrichs Stephan Reuter Jens Schulze Daniel Varma Verena Zeller



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SOMMERUNI 2014 VORWORTE Landkreis Reutlingen Thomas Reumann, Landrat Gemeinde Münsingen Mike Münzing, Bürgermeister

S. 7 S. 9

EINFÜHRUNG Update Alb: Ausgangslage und Arbeitsprogramm Naturraum Schwäbische Alb Johannes Jörg Geschichte Magolsheims Manfred Waßner

S. 11 S. 13 S. 17

VORTRÄGE Landschaftswandel gestalten Antje Stokman Neue Formen bürgerschaftlichen Engagements in kleinen Gemeinden Stefan Krämer Zum Umgang mit Leerständen Kerstin Gothe Bauen im Ländlichen Raum Josef Fink

S. 23 S. 31 S. 41 S. 49

EINBLICK

S. 58

DER WETTBEWERB Ablauf des Wettbewerbs 1. Preis: Vollstand 2. Preis: (H)Albzeit 3. Preis: Zwei Welten verbinden Anerkennungen

S. 63 S. 66 S. 72 S. 80 S. 84

RESÜMEE Kerstin Gothe, Johann Jessen, Antje Stokman

S. 99

ANHANG Presse und Öffentlichkeitsarbeit Quellen und Abbildungsverzeichnis Dank Impressum

S. 103 S. 110 S. 115 S. 117

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VORWORTE

Abb. 1: Blick vom Ortsrand Magolsheims auf Windr채der


LANDKREIS REUTLINGEN

Nach dem Erfolg der Sommeruni UPDATE Schwarzwald 2012 habe ich mich besonders gefreut, dass die Sommeruni dieses Jahr Anfang September in den Landkreis Reutlingen, auf die Schwäbische Alb, und ganz präzise, nach Münsingen-Magolsheim gekommen ist. Zu verdanken ist dies der Initiative des Architektenpaares Sebastian und Daniela Selbmann, die sich bereits im aktuellen LEADER-Prozess aktiv eingebracht und gezeigt haben, dass ihnen als Magolsheimer „Neubürger“ der ländliche Raum am Herzen liegt und dass er es wert ist, für seine Zukunftsfähigkeit zu kämpfen.

fessoren und nicht zuletzt den Magolsheimer Bewohnern gilt mein Dank für das gute Gelingen dieses „Updates“, das wir als Landkreis gerne unterstützt haben.

Thomas Reumann Landrat Landkreis Reutlingen

Die Aufgabe für die 19 Studenten, innovative Entwürfe modernen Landlebens zu entwickeln, ist selbst für geübte Praktiker keine geringe Herausforderung. Magolsheim war dafür ein toller „Untersuchungs“-Ort, was die Rahmenbedingungen anbelangt, und hat die Gruppe mit großer Gastfreundschaft empfangen. Die positive und freundschaftliche Stimmung muss als wichtiger Aspekt dieser Woche in Magolsheim hervorgehoben werden. Durch die offene Art der Studierenden und ihre kreativen Ideen schon während des Prozesses haben sie es geschafft, dass Lösungsmöglichkeiten konstruktiv diskutiert wurden, die vorher nur schwer denkbar gewesen wären. Rund 180 Besucher der Abschlussveranstaltung im Bürgerzentrum sprechen für sich. Dieses Format des Lernens und Entwickelns verdient volle Unterstützung, wie Sie an den hier dokumentierten Ergebnissen sehen können. Den Studierenden und den Professorinnen und Pro7


Abb. 2: Magolsheim vom ehemaligen Truppen端bungsplatz aus gesehen.


GEMEINDE MÜNSINGEN

Wenn der Begriff „Ländlicher Raum“ gleichgesetzt wird mit „hier ist nichts los“, dann hat das Update Alb eindrücklich den Gegenbeweis erbracht. Nirgends sonst können Berufs- und Lebenserfahrungen von Einwohnerinnen und Einwohnern sowohl bei der Analyse und Standortbestimmung als auch bei der Entwicklung von Perspektiven bis hin zur engagierten Umsetzung von Zielsetzungen geschöpft werden, wie in einer ländlich strukturierten Gemeinde. Die Akteurinnen und Akteure der Sommeruni „Update Alb“ haben es im besonderen Maße verstanden, aus vermeintlich Betroffenen Beteiligte zu machen und dadurch Partizipation wirklich lebendig werden zu lassen. An dieser Stelle gilt mein ganz besonderer Dank Daniela und Sebastian Selbmann, die nicht als „Besserwisser und Berater“ nach Magolsheim gekommen sind, sondern als bekennende Befürworter der Schwäbischen Alb und hier des ländlichen Raumes. Ihnen war es wichtig, die in der Bevölkerung liegenden Potentiale zu schöpfen und neue Impulse zur Entwicklung Magolsheims und damit auch der gesamten Stadt Münsingen anzustoßen. Ein besonderer Dank gilt aber auch allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, stellvertretend der Ortsvorsteherin Frau Sabine Ruopp und ihrem Gremium, die eindrucksvoll mein Eingangsstatement zum ländlichen Raum unterstrichen haben. Vielen Dank heißt es auch dem Veranstalter, der Universität Stuttgart, Städtebau-Institut, Herrn Prof. Dr. Johann Jessen; dem Institut für Landschaftsplanung und Ökologie, Frau Prof. Dipl.Ing. Antje Stokman und Herrn Dipl.-Ing. Johannes Jörg sowie dem Karlsruher Institut für Technolo-

gie, Institut Entwerfen von Stadt und Landschaft, Frau Prof. Kerstin Gothe und Frau Dipl.-Ing. Lisa Matzdorff, zu sagen. Vielen Dank im Namen des Gemeinderates, der Stadtverwaltung aber auch allen Bürgerinnen und Bürgern der Gesamtstadt Münsingen für den uns gewährten Prozess, der hineinpasst in die Modellregion Nachhaltige Entwicklung Biosphärengebiet Schwäbische Alb.

Mike Münzing Bürgermeister der Stadt Münsingen

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EINFÜHRUNG

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AUSGANGSLAGE UND ARBEITSPROGRAMM

70 km südöstlich von Stuttgart auf der Albhochfläche liegt Magolsheim, ein Dorf mit etwa 400 Einwohnern. Jahrzehntelang war der Ort durch die unmittelbare Nähe zum Truppenübungsplatz geprägt, der mit dem Abzug der Bundeswehr zum Kernstück des Biosphärengebietes Schwäbische Alb wurde. Eine einschneidende Veränderung, die zum ohnehin stattfindenden, für den ländlichen Raum typischen Strukturwandel hinzukommt. Nach einer Phase der aktiven Dorfentwicklung in den siebziger Jahren steht nun der nächste Entwicklungsschritt an – doch in welche Richtung soll es gehen? Das gebaute Bild der Albdörfer spiegelt noch Zeiten wider, in denen in fast jedem Haushalt zumindest im Nebenerwerb in der Landwirtschaft gearbeitet wurde. Mittlerweile hat eine Konzentration auf wenige große Betriebe stattgefunden. Die Volumina der Wohngebäude und Scheunen sind für die moderne Landwirtschaft zu klein und für die zeitgenössischen Wohnanforderungen von Kleinfamilien zu groß, dunkel und energiebedürftig. Auch in der Landschaft fallen Form und Funktion auseinander: Die typischen Landschaftsbilder wie z.B. Wacholderheiden können nur noch mit schwer zu finanzierendem Aufwand gepflegt werden. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz trug die militärische Nutzung lange zum Naturschutz bei. Nach ihrem Wegfall stellt sich auch hier die Frage, wie liebgewonnene und identitätsstiftende Landschaftsbilder sinnvoll erhalten werden können. Seit 2010 ist beispielsweise, so paradox es klingen mag, wieder ein Leopard-Panzer im Auftrag des Naturzschutzes unterwegs, um durch Fahrspuren provozierte Pfützen und Mulden zu erhalten, die der Gelbbachunke als Laichhabitate dienen.

Eine Anpassung an diese Veränderungsprozesse fällt auch deshalb schwer, weil eine gemeinsame Zielvorstellung zeitgemäßen ländlichen Lebens in den Orten zu fehlen scheint. NEUE BILDER FÜR DIE ALB Im Rahmen der Ausweisung als Biosphärengebiet wurde zwar der Anspruch formuliert, nachhaltige Entwicklung in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht exemplarisch zu verwirklichen. Was dies jedoch konkret für die einzelnen Orte bedeutet, ist noch offen. So finden unterschiedliche Prozesse gleichzeitig statt: Die junge Generation verlässt das Land auf der Suche nach Ausbildung, Arbeit und urbanen Lebensstilen. Leerstände und Bauernhof-Auflösungen sind die Folge. Aus Landwirtschaft wird Energiewirtschaft. Zugleich produzieren in manchen Gemeinden hochleistungsfähige Unternehmen („hidden champions“) für den Weltmarkt. Unter dem Label der „Biosphäre“ werden neue Formen des Tourismus gesucht und Produkte vermarktet. Neue Formen von Kunst und Kultur suchen den ländlichen Raum auf und ziehen Besucher aus der Stadt an. Die ehemals bespöttelte Kargheit des „Schwäbischen Outbacks“ („Lepra, Cholera, Von-dr-Alb-ra“) kann sich in Zeiten von Konsumüberdruss zum verheißungsvollen Potential eines einfachen Lebens wenden. Die Sehnsucht vieler Städter nach Langsamkeit, Ruhe und dem einfachen Leben findet hier eine Projektionsfläche. DIE SOMMERUNI Im Rahmen der SommerUni haben sich Lehrende der Universität Stuttgart und des KIT in Karlsruhe mit 19 Studierenden aus verschiedenen Hochschulen des deutschsprachigen Raumes für zehn 11


Tage vor Ort begeben. Die Studierenden wurden in dieser Zeit bei Magolsheimer Familien untergebracht und erlebten so den Dorfalltag aus erster Hand. Die intensiven Eindrücke schlagen sich auch in der Konzeptfindungsphase nieder, was den Arbeiten eine Realitätsnähe verleiht, welche in dieser Form an der Universität selten entsteht. Studierende der Universitäten und Fachhochschulen Berlin, München, Karlsruhe, Stuttgart, Konstanz und Wien stemmten in dieser knappen Zeit die Herausforderung, sich in kleinen Gruppen zusammenzufinden und gemeinsam zentrale Themen zu identifizieren, die das Leben auf der Alb heute und morgen prägen und prägen werden. Aus diesen Ansatzpunkten formulierten die Studierenden in wenigen Tagen Zukunftskonzepte, die neue und manchmal ungewöhnliche Wege sowohl für die Magolsheimer Bürger als auch für die Region Schwäbische Alb aufzeigten. Begleitet wurde der Ideenfindungsprozess von Ausflügen in die nähere Umgebung, u.a. beAbb. 3 + 4: Auch Erneuerbare Energien und Bauformen im ländlichen Raum wurden im Rahmen der Sommeruni kritisch diskutiert.

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sichtigten die Studierenden genossenschaftliche Windräder in Ingstetten, eine Biogasanlage in Buttenhausen, den Hohensteiner Tisch der Künstlerin Ulrike Böhme sowie das Biosphärenzentrum Schwäbische Alb. Öffentliche Abendvorträge, nachzulesen im Kapitel „Vorträge“, zu Themen des ländlichen Raumes fanden während der zehn Tage im Bürgerzentrum Magolsheim statt und wurden auch von einem erweiterten Publikum aus der Region wahrgenommen. Expertengespräche und intensive Betreuung des Arbeitsprozesses boten eine gute Grundlage für die tiefere Bearbeitung der gewählten Themen. Am letzten Tag schließlich fand die Präsentation und öffentliche Jurierung der Arbeiten statt, die auch beim anschließenden Backhausfest für Gespräche mit den Magolsheimern sorgten.


NATURRAUM SCHWÄBISCHE ALB JOHANNES JÖRG

Das Bild einer Landschaft und die Identität der Gesellschaft, die in ihr lebt, sind untrennbar miteinander verbunden. Als Planer greift man in die Identität des Ortes ein, die insbesondere im ländlichen Raum in direkter Beziehung zur kulturellen Identität seiner Bewohner steht. Um dieser baukulturellen, gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, gilt es als Planer sich intensiv mit diesen Identitäten auseinander zu setzten. Der Blick auf die gemeinsame Geschichte von Mensch und Naturraum dient als Zugang für das Verständnis von Eigenart und Charakter der Schwäbischen Alb.

DER MENSCH UND SEINE LANDSCHAFT Eine Landschaft wirkt als Ganzheit auf den Betrachter, spricht kollektive, archaische Assoziationen und Erinnerungen an und entfaltet eine bestimmte atmosphärische Wirkung. Verschiedene Tageszeiten, Jahreszeiten, Wetterlagen und Lichtstimmungen verleihen einer Landschaft ein spezifisches Repertoire immer wiederkehrender, typischer Stimmungen. Diese Wesenhaftigkeit einer Landschaft wirkt beiläufig auf die Menschen, die in ihr leben und prägt sie, wodurch die Landschaft Teil des menschlichen Wesens wird. Der Begriff „Heimat“ verleiht dieser seelischen Verbundenheit und der emotionalen Konnotation von Landschaft Ausdruck. Die individuelle Bedeutung von Heimat und die Tragweite für den Einzelnen lassen sich kaum in Worte fassen. Landschaft ist ein Bestandteil und Kondensationspunkt für die Identität des Einzelnen, im Wechselspiel mit der kollektiven Identität und dem Zugehörigkeitsgefühl zu einer Region und ihrer Gesellschaft.

Umgekehrt gilt dies genauso. Die menschliche Gesellschaft, mit ihren Siedlungen, Infrastrukturen und Landnutzungen, ist ein entscheidender Bestandteil der Landschaft. Der Mensch kann heute sogar als global maßgeblicher, geologischer Faktor und als dominierende „Naturgewalt“ gesehen werden. Durch sein Wirtschaften hat er die Schwäbische Alb über Jahrhunderte geprägt und im Wechselspiel mit den naturräumlichen Rahmenbedingungen die heutige, unverwechselbare Kulturlandschaft geschaffen. Dem Fachmann ist die Kulturlandschaft ein Geschichtsbuch, das erzählt von prähistorischen Meeren, geologischen Ereignissen, von Herrschaftssystemen, Gesetzgebung, Wohlstand, Not und technologischer Entwicklung. So geht das Bild der Landschaft und die Identität der Gesellschaft Hand in Hand und entwickelt sich gemeinsam weiter. Dabei beeinflusst die Landschaft die Kultur der Gesellschaft ebenso, wie der Mensch die Landschaft formt. So kann die Kulturlandschaft selbst als Teil und Spiegel der menschlichen Gesellschaft gesehen werden, die untrennbar miteinander verbunden sind. PLANEN IN DER KULTURLANDSCHAFT Im ländlichen Raum ist die Beziehung zwischen Mensch und Landschaft besonders offenkundig. Als Architekt, Stadtplaner, Landschaftsarchitekt oder -planer hat man zur Aufgabe, in das Mensch-Landschaft-Regime gestaltend einzugreifen. Dabei verändert man die Landschaft genauso, wie man den Wandel der menschlichen Gesellschaft mitgestaltet. Man transformiert die Identität eines Ortes, die untrennbar mit der Identität seiner Bewohner verbunden ist. Um als Planer dieser baukulturellen, gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, gilt es 13


sich mit den Identitäten intensiv auseinanderzusetzten. Dies gilt insbesondere für den ländlichen Raum, wo regionale Identitäten und Eigenarten sensibler sind als in den dynamischen Metropolen. Im ländlichen Raum müssen Infrastrukturen, Gebäude und Siedlungen als Teil der Kulturlandschaft gelesen werden und die hohe Bedeutung der Baukultur für die Lebensqualität und Attraktivität einer Gemeinde ernst genommen werden.

zu setzen und Perspektiven zu eröffnen für eine zukunftsweisende Weiterentwicklung, die aus eigener Kraft kaum möglich wäre. Hierfür ist eine Auseinandersetzung nötig mit den Menschen, mit der Landschaft und ihrer gemeinsamen Geschichte, um ein Verständnis zu entwickeln für die Beziehungen, Kausalitäten, Funktionen und Regelmäßigkeiten, die die Eigenart und den Charakter der Schwäbischen Alb charakterisieren.

Die Seele eines Ortes ist schwer greifbar und zu benennen und doch werden Brüche mit ihr von der Bevölkerung schnell als unpassend empfunden und schlagen sich auf eine schlechte Akzeptanz von Bauprojekten nieder. Man möchte also gestalterische Vorschläge erarbeiten, die dem Wesen des Ortes entsprechen und an bestehenden Identitäten anknüpfen. Gleichzeitig gilt es jedoch nicht nur Vorhandenes abzubilden, sondern eine Weiterentwicklung zu vollziehen, um neue gesellschaftliche Ansprüche an Stadt und Landschaft umzusetzen. Im besten Fall gelingt es durch Kreativität und Inspiration, neue Impulse

DIE KULTURLANDSCHAFT DER SCHWÄBISCHEN ALB Das Mittelgebirge der Schwäbischen Alb bildet das Schlussglied der Süddeutschen Schichtstufenlandschaft. Im Laufe von 30 Millionen Jahren hat sich der Albtrauf als Schichtstufe des Oberjura um bis zu 400 m aus seinem Umland heraus erodiert. Magolsheim liegt auf der Hochfläche der Mittleren Schwäbischen Alb, auf ca. 750 m ü.NN. Nördlich der Gemeinde, an der Grenze zum ehemaligen Truppenübungsplatz, verläuft die sogenannte Klifflinie, die alte marine Felsküste des tertiären Molassemeeres. Südöstlich davon liegt die

Abb. 5: Trockental auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen

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Flächenalb mit ihrer sanft geschwungenen, vom tertiären Meer eingeebneten Topographie. Nordwestlich erstreckt sich die Mittlere Kuppenalb mit ihrem charakteristischen, sehr bewegten Kleinrelief mit unzähligen Kuppen, kleinen Bergrücken und weitläufigen Trockentalsystemen. Infolge der Höhenlage ist das Klima der Schwäbischen Alb deutlich kälter und rauer als im Albvorland, die Jahresmitteltemperatur ist um ca. 2 °C kühler. Bezeichnend sind Kaltluftseen, in denen auch in den Sommermonaten Nachtfröste auftreten können. Die tiefe Verkarstung der Schwäbischen Alb durch Korrosion des Kalkgesteins (Ablagerungen des jurassischen Meeres) hat den Wasserhaushalt weitestgehend in unterirdische Höhlensysteme verlagert und an der Oberfläche den typischen Formenkomplex aus Trockentälern, Karstwannen und Dolinen entstehen lassen. Die Wasserarmut hat seit jeher die Lebensumstände und Wirtschaftsweisen auf der Alb bestimmt. Viele der heutigen Siedlungen gründeten sich auf tertiären Vulkanschloten, deren geologischer Untergrund das Sammeln von Oberflächenwasser begüns-

tigte. Die typischen Haufendörfer gruppieren sich um die einstmalige Lebensgrundlage und das Herzstück des traditionellen Albdorfs: die sogenannte „Hüle“ oder „Hülbe“, wo am tiefsten Punkt das Sickerwasser gesammelt wurde. Regelmäßig herrschte große Wassernot, in Trockenzeiten musste Wasser unter kraftraubenden Anstrengungen von Menschen und Zugtieren aus den Bächen und Quellen der Täler auf die Hochfläche der Alb geschafft werden. Niederschläge und Erosion lösen den Kalk aus dem Ausgangsmaterial und transportieren ihn ab. Die Lösungsrückstände an der Oberfläche bilden schwere, tonige Lehmböden, deren unterschiedliche Mächtigkeit ausschlaggebend ist für die charakteristische Landnutzungsverteilung. Auf den Kuppen und Hügeln sind die Böden infolge der Erosionsvorgänge extrem skelettreich und flachgründig. Sie wurden traditionell als Schafweiden oder Mähder genutzt oder sind von kalkliebenden Buchenwäldern überstanden, die die potentiell natürliche Vegetation der Albhochfläche darstellen. In den Hanglagen findet sich flachgründiges Abb. 6: Karstwanne auf der Schopflocher Alb

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Grünland und „Scherbenäcker“, auf denen das jährliche Pflügen, Erosionsvorgänge und Hydroturbation ständig aufs Neue helle Kalksteine an die Oberfläche befördern. In mühsamer Handarbeit wurden sie zu Lesesteinriegeln und -haufen am Ackerrand aufgeschüttet, wo sich Hecken und Feldgehölze ansiedeln konnten. Auf Südhängen mit guten Drainagebedingungen finden sich Kalktrockenrasen, die zu den artenreichsten Pflanzengesellschaften Mitteleuropas gehören. Die steileren Hanglagen wurden einst intensiv beweidet, als Sommerweidegebiete im Rahmen der Süddeutschen Wanderweidewirtschaft. Über Jahrhunderte standen Schafhaltung und Ackerwirtschaft in enger Wechselbeziehung. Den Schäfern war es gestattet, die Grünbrache in der Fruchtfolge der Dreifelderwirtschaft zur Beweidung zu nutzen. Im Gegenzug pferchten die Schäfer nachts ihre Tiere planmäßig auf die Felder, um den Dung den Felderträgen zugute kommen zu lassen. Mit australischen Wollimporten und Exportzöllen erlebte die Schafhaltung zur Jahrhundertwende einen Niedergang, der SchafAbb. 7: Ortsrand Magolsheim

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bestand in Württemberg ging von 1873 bis 1926 auf ein Viertel zurück. Erst dann entstanden die extensiv beweideten bzw. gepflegten Wacholderheiden, die Kleinode der heutigen Alblandschaft. Viele dieser Hänge sind bereits heute Sukzessionsflächen, die sich zu Waldbeständen hin entwickeln. In Senken und Trockentälern sammeln sich die erodierten, feinen Lehmpartikel, es entstehen mehr oder weniger tiefgründige, steinfreie Erden. Wegen ihrer leichten Bearbeitbarkeit und hohen Wasserspeicherkapazität besitzen sie eine hohe Produktivität und sind historisch beliebte Ackerstandorte. Wasserarmut, raues Klima und karge Böden haben der Schwäbischen Alb in der Vergangenheit Spitznamen wie „Raue Alb“ und „SchwäbischSibirien“ verliehen und standen für ein arbeitsames, unbequemes Leben. Heute fasziniert die schlichte, herbe Schönheit der Alb. Sie übt eine große Anziehungskraft auf Erholungssuchende aus und bietet eine Weitläufigkeit und Ruhe, wie man sie kaum noch zwischen Nordsee und Alpenrand vermutet.


GESCHICHTE MAGOLSHEIMS MANFRED WASSNER

Zwischen Münsingen und Laichingen, rund 780 Meter hoch auf der Schwäbischen Alb, liegt das kleine Dorf Magolsheim. Wie viele andere Dörfer auf der Mittleren Schwäbischen Alb liegt auch Magolsheim auf einem Schlot des sogenannten Kirchheim-Uracher Vulkans, was dazu führt, dass hier dank des Vulkangesteins das Oberflächenwasser nicht wie sonst auf der Albhochfläche durch das Karstgebirge abläuft, sondern sich auf natürliche Weise staut und sammelt. Augenscheinlich zu erkennen war dies bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts: Zwei Hülben – kleine Teiche – in der Ortsmitte dienten dem Dorf als natürliche Wasserspeicher. Die Albwasserversorgung, die seit Ende des 19. Jahrhunderts frisches Wasser aus dem Schmiechtal nach Magolsheim brachte, machte die Nutzung des örtlichen Wassers in Brunnen und Hülben weitgehend unnötig. Eine heute noch vorhandene Brunnenstube in der Ortsmitte sowie ab und zu bei Erdarbeiten hervortretendes Wasser, Schöpflöcher in einzelnen Kellern und hölzerne Deichelleitungen erinnern jedoch immer wieder an diese auf der Schwäbischen Alb nicht selbstverständliche Gunst der Natur. Dieses Wasser dürfte ein wesentlicher Grund für die Entstehung einer dauerhaften Siedlung an dieser Stelle gewesen sein. Zu welchem Zeitpunkt hier eine ortsfeste, dauerhafte Siedlung mit dem Namen Magolsheim entstand, lässt sich nicht eindeutig feststellen, da sowohl schriftliche als auch archäologische Quellen aus dem frühen Mittelalter fehlen. Einen Hinweis bietet der auf „-heim“ endende Ortsname, der zur frühesten alemannischen Siedlungsschicht zu zählen ist: Magolsheim war die „Siedlung, das Heim des Magolf“; auch das seltene Kirchenpatrozinium des fränkischen Heiligen Dionysius

könnte auf das frühe Mittelalter verweisen; es wäre allerdings erst rund 1000 Jahre später, nämlich 1684, erstmals belegt. Erst im Jahr 1268 und somit wohl viele Jahrhunderte nach ihrer Entstehung findet sich diese Siedlung in schriftlicher Überlieferung. Anlässlich eines Gütergeschäfts mit dem Kloster Pfullingen übertrugen die Brüder Rudolf und Sibot von Hundersingen die Lehenshoheit an ihren Gütern und Rechten in Magolsheim den Grafen von Berg und den Markgrafen von Burgau als Ausgleich für deren Ansprüche. Die spätere Ortsgeschichte zeigt, dass es sich wohl um den ganzen Ort Magolsheim mit allen Rechten gehandelt haben muss, und bis zur Übertragung der Lehenshoheit hatten die edelfreien Herren von Hundersingen das Dorf als freies Eigen, also nicht als Lehen, besessen: „possessionibus, quas in villa Magolfshein proprietarie possederunt“ heißt es dazu in einer der Urkunden von 1268, „die Besitzungen, die sie im Dorf Magolfshein als Eigentum besessen haben“. Woraus genau dieses Eigentum „in villa Magolfshein“ bestand, wird in den Urkunden nicht näher beschrieben. Es kann allerdings aus späterer Überlieferung erschlossen werden: Zuvorderst hatte der adelige Ortsherr die hohe und niedere Gerichtsbarkeit über die Bewohner des Dorfes, das heißt, er saß über schwere Verbrechen ebenso wie über kleine Vergehen zu Gericht oder konnte ein solches einsetzen; er legte die Strafen fest und ließ sie einnehmen. Als Grundherr gehörten ihm die Lehenhöfe und ihre Feldgüter, von denen die abhängigen Bauern Abgaben in festgelegter Höhe in der Art einer Pacht zu leisten hatten; darüber hinaus waren sie ihm zu Frondiensten auf den umfangreichen Flächen des Herrenhofes verpflichtet. Zur Ortsherrschaft gehörte zudem das 17


Patronat, also das Recht, den Pfarrer zu nominieren und über dessen Pfründen zu verfügen; die ursprünglich der Kirche St. Dionysius zustehenden Zehntrechte lagen im 13. Jahrhundert längst in der Hand der weltlichen Ortsherren, die dafür die Pfarrbesoldung und andere notwendige kirchliche Ausgaben zu tragen hatten. Die Geschichte des Dorfes ist für viele Jahrhunderte vor allem die Geschichte dieser adeligen Ortsherren. Die schriftliche Überlieferung des späten Mittelalters widmet sich fast ausschließlich den herrschaftlichen Fragen von Macht und Geld: Besitzwechsel, Streitigkeiten um Rechte, kirchliche Stiftungen und Belehnungen gaben Anlass zu schriftlichem Niederschlag in Urkunden und Lagerbüchern. Im 14. Jahrhundert hellt sich die Herrschaftsgeschichte des Dorfes auf und wird deutlicher erkennbar: das niederadlige Geschlecht der Truchsessen von Urach tritt – vermutlich durch Kauf - zwischen 1314 und 1320 die Nachfolge der Herren von Hundersingen an. Diese Familie errichtete einen Adelssitz im Ort, wahrscheinlich die 1370 erstmals genannte Burg Abb. 8: Stifterwappen des Ulrich von Grafeneck und seiner Frau von 1515 über dem Eingang der Kapelle an der Ingstetter Straße Abb. 9: Der Rest des Grabmals des 1565 gestorbenen Rudolf von Baldeck in der ev. Kirche

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auf dem Schlossberg an der Stelle des ehemaligen Rathauses. Einige Jahrzehnte lang nannte sich eine Linie der Familie nach Magolsheim: Die „Truchsessen von Magolsheim“ führten einen Stierkopf mit Nasenring im Wappen, den auch eine Grabplatte zeigt, die in der Sakristei der evangelischen Kirche erhalten geblieben ist. 1370 verkauften die Truchsessen Burg und Herrschaft, offenbar noch als Ganzes, an den Niederadligen Berthold Schwelher; damit begann ein häufigerer Wechsel der Besitzer. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts gelangte der Ort in die Hand der Herren von Grafeneck, die ihre Herrschaft nach der Mitte des 15. Jahrhunderts aufteilten: Das war der Beginn der Teilung des Ortes unter verschiedenen Herren, was in den folgenden Jahrhunderten prägend für den Dorfalltag werden sollte. Die komplizierte Herrschaftsgeschichte des 16. Jahrhunderts soll hier nicht im Detail wiedergegeben werden; die mehrfachen Erbgänge und Teilungen sind in der Kreisbeschreibung Reutlingen im Detail beschrieben. Für das Verständnis genügen folgende Zusammenhänge:


Im Wesentlichen war der Ort um 1500 in drei gleiche Herrschaftsteile aufgeteilt. Ein Drittel gelangte 1510 unter die Lehenshoheit des Herzogtums Württemberg, das heißt, Württemberg hatte von da an Einfluss auf den Ort. Am Ende des Jahrhunderts, 1598, waren zwei Drittel des Dorfes und der dazugehörigen Herrschaft als Eigengut in der Hand der ritterschaftlichen Familie von Stadion, ein Drittel gehörte unmittelbar dem Herzogtum Württemberg. Damit war das Dorf zum „Kondominatsort“ geworden, das bedeutet, die beiden Ortsherren mussten sich bei der Ausübung ihrer Herrschaft im Alltag einigen. Die hohe Gerichtsbarkeit übten sie beispielsweise jährlich wechselnd aus, während sie die Gemeindeverwaltung getrennt organisierten und jeweils einen Schultheißen oder Amtmann einsetzten. Der württembergische Amtmann hatte seinen Sitz im 17. Jh. zeitweise in der „Amtsgasse“. Württemberg hatte in seinem Drittel 1594 die Reformation durchgeführt, was zusätzlichen Konfliktstoff in den Alltag brachte: Die gemeinsame Kirche musste nun von beiden Konfessionen simultan genutzt werden, ein Zustand, der bis zum Einsturz des alten Kirchleins auf dem Schlossberg 1870 anhielt. Im 17. Jahrhundert dürfte der Ort rund 270 Einwohner gezählt haben, von denen rund ein Drittel evangelisch war. Die Besitz- und damit die Sozialstruktur der Einwohner, die im 16. Jahrhundert erkennbar wird, war bemerkenswert konstant. 24 Lehenhöfe und vier kleinere Güter, sogenannte Selden, sowie eine Badstube lassen sich als Besitzeinheiten bis ins 19. Jahrhundert verfolgen. Die Bürgerrechte, mit denen Anteile und Nutzungsrechte an Allmendflächen und Gemeindewäldern verbunden waren, waren an diese Höfe gebunden. Die geringen Veränderun-

gen an diesen Strukturen lassen sich auch mit den herrschaftlichen Verhältnissen erklären: beide Ortsherren, Stadion und Württemberg, hatten Interesse an stabilen, tragfähigen Abhängigkeiten innerhalb ihrer Untertanenschaft. Selbst das Gesicht des Ortes spiegelt noch heute die am Beginn der Neuzeit, im 16. Jahrhundert, entstandenen herrschaftlichen Grundlagen wider: Die 24 Lehenhöfe, verstreut in der Siedlungsstruktur des Haufendorfes, lassen sich noch heute lokalisieren. Der Herrenhof, auf dem seit dem Mittelalter Frondienste zu leisten waren, prägt als „Fruchtkasten“ (die ältesten Teile stammen von 1320) das Gesicht der Ortsmitte und liegt dem Rathaus auf dem Schlossberg zu Füßen, das Württemberg 1753 anstelle der alten Burg als Forsthaus errichten ließ. Seit 1871, als die katholische Kirchengemeinde ein eigenes Gotteshaus im Pfarrgarten errichtete, sind selbst die beiden Konfessionen im Ort weithin sichtbar. Der eher gegeneinander als gemeinsam ausgeübten Ortsherrschaft setzte Württemberg 1743 ein Ende: Das Herzogtum kaufte den ehemals stadionischen Anteil am Dorf und schlug es dem späteren Oberamt Münsingen zu. Dennoch existierten bis 1809 zwei getrennte Verwaltungen für den evangelischen und den katholischen Teil der Bevölkerung. Erst das 20. Jahrhundert brachte stärkere Annäherungen der beiden Konfessionen: der Konfliktherd der Simultankirche war entfallen, die Kinder wurden in gemeinsamem Schulunterricht erzogen und der Zuzug Vertriebener nach dem Zweiten Weltkrieg brachte zusätzliche Veränderungen. 1895 wurde im Münsinger Hart und den umliegenden Gemeindemarkungen der württembergische Schießplatz, der spätere Truppenübungs19


platz Münsingen eingerichtet. Magolsheim, das über eine sehr große Gemarkung von 1258 Hektar verfügte, musste rund 40% seiner Fläche an den Schießplatz abtreten, 1942 folgten weitere 76 Hektar. Das führte langfristig zu einer deutlichen Verringerung der landwirtschaftlichen Nutzfläche, denn seit der Mitte des 20. Jahrhunderts konnten die abgegebenen Flächen bis auf die Randbereiche meist nicht einmal mehr pachtweise genutzt werden; nach dem Übergang an die Bundeswehr Mitte der 1990er Jahre wurde auch die ackerbauliche Nutzung der Randbereiche beendet. Die Jahrzehnte zwischen 1950 und 2000 brachten dem Dorf allgemein tiefgreifendere Veränderungen als die dreihundert Jahre davor. Die Landwirtschaft als Alltag und Dorfbild prägender Erwerbszweig erfuhr einen umfassenden Wandel und trat in den Hintergrund. 1950 wurde noch von nahezu jedem Haushalt eine eigene Landwirtschaft mit Viehhaltung betrieben (1939: 77 viehhaltende Betriebe), nach der Jahrtausendwende wurde die Feldmarkung von nur noch rund einem Dutzend Betrieben bewirtschaftet. Auch die Feldmarkung selbst hat sich nachhaltig verändert: die Parzellengrenzen und die Einteilung in Zelgen der Dreifelderwirtschaft, die sich bis ins 19. Jahrhundert erhalten hatte und die sich parzellenscharf bis zum Ende des Mittelalters zurückverfolgen lässt, wurden durch die 1994 abgeschlossene Flurbereinigung vollkommen geändert. Es wurden große, zusammenhängende Flächen geschaffen, die durch ein klar strukturiertes, umfangreiches Wegenetz erschlossen sind. Sie dienen heute nicht nur der Landwirtschaft, sondern zunehmend auch der Erholung und den Freizeitaktivitäten. Dem dörflichen Wandel durch 20

den Rückgang der Landwirtschaft wurde 19771994 ein „Dorfentwicklungsprogramm“ entgegengesetzt, das die Sanierung des Ortsbildes und privater Gebäude zum Ziel hatte und die bauliche Substanz und die räumlichen Bezüge im Ort verbesserte und auch im öffentlichen Raum umfassende Wirkung zeigte. Einen Einschnitt auf der politischen Ebene brachte die große Verwaltungsreform des Landes BadenWürttemberg 1973-1975: Magolsheim verlor seine Selbständigkeit als Gemeinde und wurde 1975 als Stadtteil der Stadt Münsingen angegliedert. Das bedeutete zugleich, dass der Ort künftig an der Kreisgrenze lag, denn die benachbarten Dörfer Ingstetten und Ennabeuren wurden Teil des Alb-Donau-Kreises, der alte Landkreis Münsingen existierte nicht mehr. Heute, ein gutes Stück im 21. Jahrhundert, hat das Dorf nach diesen einschneidenden Veränderungen des 20. Jahrhunderts und den in die Zukunft gerichteten Anstrengungen der Jahrzehnte zwischen 1970 und 2000 neue Aufgaben zu bewältigen. Waren es früher die herrschaftlichen Verhältnisse, die das Ortsbild prägten und sich daran ablesen ließen, so sind es heute wirtschaftliche und soziale Entwicklungen, die sich am Gesicht des Dorfes erkennen lassen. Der demografische Wandel und die Binnenmigration in städtische Zentren zählen ebenso dazu wie die wachsende Bedeutung von sozialer und Kommunikationsinfrastruktur. Antworten lassen sich auf diese Herausforderungen nur finden, wenn die Gegenwart mit kühlem Kopf und ohne romantische Idealisierung analysiert wird. Dann wird sich das „Sterben der Dörfer“, von dem in den 1960er Jahren schon einmal die Rede war, in den kommenden Jahrzehnten auch ein zweites Mal verhindern lassen.


Abb. 10: Das Satellitenbild zeigt den alten Dorfkern und die dazugekommenen Baugebiete aus den 1970er und 1990er Jahren.


VORTRÄGE

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LANDSCHAFTSWANDEL GESTALTEN ANTJE STOKMAN

Landschaft ist Wandel. Landschaften wandeln sich in vielfacher Hinsicht und in unterschiedlichen Geschwindigkeiten: Durch den Wandel der Jahreszeiten und natürliche Entwicklungsprozesse, aber auch durch die Eingriffe des Menschen, durch sein Leben und Wirtschaften. Dieser Beitrag beleuchtet unterschiedliche Einflussfaktoren des Landschaftswandels, der sich nicht aufhalten lässt. Und er zeigt unterschiedliche Möglichkeiten, durch wen und wie dieser Wandel aktiv gestaltet werden kann.

EINFLUSSFAKTOREN DES LANDSCHAFTSWANDELS Deutschland ist grün. Rund 80% der Landesfläche werden durch die Land- und Forstwirtschaft genutzt und damit durch den Menschen bewirtschaftet. Daher ist der Strukturwandel in der Landwirtschaft eine der maßgeblichen Einflussgrößen auf den Landschaftswandel: Während um 1900 ein Landwirt gerade mal vier Menschen ernährte, sind dies rund ein Jahrhundert später schon 127. Heute arbeiten im Vergleich zu 1900 nur noch ein Zehntel der Menschen in der Landwirtschaft. Der Anteil der Privatausgaben für Nahrungs- und Genussmittel ist von knapp 50% des Haushaltseinkommens auf weniger als 15% gesunken. Diese Entwicklungen haben eine starke Reduzierung landwirtschaftlicher Betriebe und eine starke Zunahme der pro Betrieb bewirtschafteten Fläche nach sich gezogen. Im Landschaftsbild schlägt sich diese Entwicklung in stark vergrößerten, weniger kleinteilig strukturierten Anbauflächen nieder, die mit industriellen Anbaumethoden immer effizienter bewirtschaftet werden.

Die laufenden Raumbeobachtungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zeigen für Deutschland: Der Wald nimmt zu, das Offenland nimmt ab. Die städtisch geprägten, verdichteten Siedlungsräume verdichten sich weiter. Der ländliche, dünn besiedelte Raum entleert sich zunehmend. Die Siedlungsentwicklung und der Naturschutz beanspruchen immer mehr Flächen zu Lasten der produktiven, landwirtschaftlichen Flächen. Und einer der wichtigsten Treiber des Landschaftswandels ist die Energiewende: Die Energiegewinnung aus Wind, Sonne und Biomasse beansprucht viel Fläche. Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch von 22,9% (2012) auf 50% gesteigert werden. Und bis 2050 sollen 80% des Stromverbrauchs und 60% des Endenergieverbrauchs durch erneuerbare Energien abgedeckt werden. Der Wandel unserer Landschaften zur Bereitstellung der verschiedenen Energieformen ist abhängig von lokalen Voraussetzungen, d.h. den „Talenten“ der jeweiligen Landschaften: So ist der windige Norden Deutschlands besonders geeignet für Windkraftanlagen und hat sich durch massive Investitionen in die Windenergie in den letzten Jahren stark verändert. Der Süden Deutschlands hingegen ist sonniger als der Norden, wodurch dieser Raum insbesondere durch die großflächige Errichtung von Freiluft-Photovoltaikanlagen geprägt wurde. Die Zunahme der Biomassenutzung prägt vor allem den Süden und Nord-Westen Deutschlands: Hier verhindert der Maisanbau zunehmend den Weitblick und ersetzt die ursprünglichen Grünlandnutzungen.

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MÖGLICHKEITEN DER GESTALTUNG DES LANDSCHAFTSWANDELS All diese Tendenzen zeigen: Der Landschaftswandel ist kein lokales, sondern ein flächenhaftes Thema von großem Ausmaß, das erhebliche Veränderungen des Landschaftsbildes bewirkt. Die Frage ist, wie das identitätsstiftende Mosaik unserer unterschiedlichen, gewachsenen und regional spezifischen Kulturlandschaften sich verändern wird. Ist das Erscheinungsbild von Landschaften das hinzunehmende Nebenprodukt menschlichen Tuns, dem wir scheinbar machtlos gegenüber stehen? Wie können Menschen den Wandel vor Ort beeinflussen – im Sinne des gemeinschaftlichen Optimierens einer neuen Kultur der Landschaftsgestaltung? Dinge hinzunehmen wie sie sind ist keine Gestaltung. Gestaltung bedeutet Landschaft absichtsvoll zu entwickeln. Dazu bedarf es der Entwicklung eines positiven Selbstbilds der örtlichen Gemeinschaft, eine Besinnung auf ihre Potenziale und Ressourcen: Welche Begabungen hat der Ort Abb. 11: Windenergieanlagen Abb. 12: Biomasseanlage

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und welche lokale Identität soll gefördert werden? Wer wohnt vor Ort und wer bringt sich ein? Die im folgenden dargestellten Strategien sollen Anregungen geben und Mut machen, um sich einzuschalten in die Landschaftsentwicklung und diese aktiv zu gestalten. DIE ENERGIEWENDE AKTIV FÜR DIE GESTALTUNG DER LANDSCHAFT NUTZEN Die Energiewende bietet die Möglichkeit für lokale Gemeinschaften, die notwendige Umstellung der Energieversorgung mit einer nachhaltigen Gestaltung zu verknüpfen: autark, lokalspezifisch, gemeinschaftlich und landschaftlich angepasst. Gemeinsam erdachte, entwickelte und gestaltete Energielandschaften stärken die lokale Identität und den lokalen Zusammenhalt. Die deutschlandweite Bewegung der Bioenergiedörfer (www.bioenergie-doerfer.de), der sich immer mehr Kommunen anschließen, zeigt, wie sich


regionale Wertschöpfungsketten und lokale Wirtschaftskreisläufe stärken lassen: Bürger gründen Energiegenossenschaften, die dezentrale Blockheizkraftwerke, Biomasse-, Photovoltaik- und Windkraftanlagen und Nahwärmenetze in Eigenregie entwickeln, besitzen und betreiben. Die für die Erzeugung der Nahwärme notwendigen Rohstoffe stammen aus der Landschaftspflege und regionalem Erntegut. Überschüssige Energie wird in das zentrale Stromnetz eingespeist, denn viele Dörfer erzeugen wesentlich mehr Energie als sie verbrauchen. Viele Orte verknüpfen ihre energetischen Maßnahmen mit Strategien zur Entwicklung des Orts- und Landschaftsbildes und mit touristischen Konzepten. Viele Akteure vor Ort sind in zahlreichen überrregionalen Netzwerken, vor allem im Forschungs- und Wissenschaftsbereich aktiv.

Bergbaufolgelandschaften zum Energie-Ring Welzow-Süd im Rahmen der IBA Fürst-PücklerLand in der Lausitz und die Verwandlung einer Mülldeponie zum Energieberg der IBA Hamburg auf der Hamburger Elbinsel. Auch der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten hat im Rahmen der Vergabe des Deutschen Landschaftsarchitektur Preises im Jahr 2013 eine Würdigung für das Solarfeld Gänsdorf als „ein wahres Märchen zur Energiewende“ ausgesprochen. Hier wurde mit innovativen Maßnahmen wie Eingrünung durch Hecken und schollenartige Baumpflanzungen, die Gestaltung als extensives Grünland mit artenreicher, lokaler Wiesenansaat und Feuchtbiotopen sowie die Errichtung eines Aussichtshügels zur Förderung der Erlebbarkeit und Naherholung gezeigt, wie sich eines der größten Solarfelder der Welt zu einem Vorzeigeobjekt entwickeln ließ.

Internationale Bauausstellungen zeigen mit symbolhaften, spektakulären Projekten, welches landschaftliche Gestaltungspotenzial der Energiewende innewohnt: die Transformation von trostlosen

Die genannten Beispiele stehen für eine Vielzahl herausragender Beispiele der erfolgreichen Energiewende vor Ort, die regenerative Energieerzeugung, kommunales Engagement, eine nachhalAbb. 13: Maisanbau zur Gewinnung von Biomasse Abb. 14: Solarfeld

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tige wirtschaftliche Entwicklung und bewusste Landschaftsgestaltung miteinander verbinden.

Tourismus, Handarbeit, lokale Vermarktung und Landschaftspflege miteinander verbindet.

KREATIVE, NEUE LANDNUTZUNGSIDEEN ERMÖGLICHEN UND MACHER FÖRDERN Der oben beschriebene Strukturwandel der Landwirtschaft ist generell durch eine zunehmende Industrialisierung, Massenproduktion und Ausrichtung auf den globalen Markt gekennzeichnet: Es scheint, als könnten sich nur die international orientierten „Global Player“ durchsetzen, während die alteingesessenen, kleinen, lokalen Betriebe verschwinden. Für diese bieten sich jedoch ökonomisch tragfähige Nischen für die Erschließung neuer Märkte, die auf andere Werte ausgerichtet sind: Hochwertige, in Handarbeit produzierte, ökologische Produkte können auf kleinteiligen Flächen rentabel angebaut werden – und damit einen Beitrag zur Entwicklung einer durch den Menschen intensiv genutzten und wertgeschätzten Kulturlandschaft leisten. Ein Beispiel dafür ist der Olivenanbau in der Toskana, der nachhaltigen

Gleichwohl ist es nicht so einfach, „Local Champions“ zu finden, die den Mut, die Kreativität und die Ideen haben um Experimente zu wagen, innovative Nischenstrategien zu entwickeln und Möglichkeitsräume zur Erprobung neuer Ideen der Landschaftsnutzung zu eröffnen. Solche Menschen werden auch als „Raumpioniere“ (Faber/ Oswald 2013) bezeichnet und sie können ganz unterschiedliche Akteure sein: langjährige Bewohner auf der Suche nach neuen Ideen für schon vorhandenen Raum oder Zurückgekommene bzw. Zugezogene auf der Suche nach neuem Raum für schon vorhandene Ideen.

Abb. 15: Herzapfelhof Altes Land

Fremde können neue Ideen aus fremden Kontexten in den ländlichen Raum bringen und testen, wie z.B. die Bisonzüchter der „Buffalo Ranch“ in Neukieritzsch südlich von Leipzig (www.buffaloranch.de). Sie sammelten langjährige Erfahrungen in der Bisonhaltung in Kanada und gründeten auf den günstig zu erwerbenden Brachflächen ehemaliger Tagebaue den ersten und mit mehr als 160 ha größten deutschen Zuchtbetrieb für amerikanische Präriebisons mit idealen Haltungsbedingungen. Alteingesessene können aus der Not eine Tugend machen, wie z.B. der Apfelbauer Hein Lühs im Alten Land, der den Herzapfel erfand (www.herzapfelhof.de): weg vom Apfel als industrielles Massenprodukt, welches große Anbauflächen benötigt, hin zum Apfel als individuelles, gesundes Naturprodukt, das auf kleiner Fläche angebaut und mit einem Logo in Form eines Herzen oder

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eines anderen Werbelogos „veredelt“ und im Wert gesteigert wird. Die Apfelplantage wird zum Apfelgarten uminterpretiert, in dem die Kunden die Möglichkeit haben, die Vielfalt der Apfelsorten kennenzulernen, zu probieren und zu ernten. Selber pflücken, Vielfalt schmecken, Landschaft gestalten – mit diesem Konzept wurde der HerzApfel-Garten im Jahr 2011 mit dem Tourismuspreis des Landkreis Stade ausgezeichnet. Die genannten Beispiele stehen für eine Vielzahl innovativer Projekte der Akteure vor Ort, die neue Landnutzungsideen, neue Zucht-, Anbau- und Veredlungsmethoden und neue Vermarktungswege mit einer bewussten Landschaftsgestaltung verbinden. LANDSCHAFTSLABORE ALS RÄUME FÜR NATURSCHUTZ, NAHERHOLUNG UND TOURISMUS ENTWICKELN Wie oben dargestellt, beansprucht der Naturschutz immer mehr Flächen und entzieht diese einer gewinnorientierten, agrarischen Nutzung zugunsten des Erhalts und der Entwicklung von geschützten Landschaftsräumen mit einer hohen Biodiversität. Das Naturschutzziel sind kleinteilig strukturierte Landschaften mit vielfältigen Lebensräumen, die nicht nur wichtig für den Erhalt spezifischer, teilweise seltener Biotope sind, sondern auch einen attraktiven Erholungsraum für den Menschen darstellen. Die kreative und sanfte Verknüpfung von Naturschutzstrategien, touristischen Angeboten, alternativen Einkommens-/ Beschäftigungsmöglichkeiten und Maßnahmen der Landschaftspflege bietet die Chance, die oft widerstreitenden Konzepte von Schutz und Nutzung zusammenzuführen. Im Sinne einer nach-

haltigen, regionalen Entwicklung geht es darum, Allianzen zu schmieden, Akteure zu vernetzen und Interessen zu verknüpfen. Hierzu bietet sich insbesondere die Entwicklung von ehemaligen Industrie- und Militärbrachen hin zu Landschafts- und Naturschutzgebieten an, die vielerorts in vollem Gange ist. Ein gutes Beispiel für eine entsprechende Strategie ist das im Rahmen des bundesweiten Wettbewerbs IDEE.Natur 2007-09 prämierte Projekt „Landschaft der Industriekultur (LIK) Nord“ im Saarland. Hierbei handelt es sich um ein Naturschutzgroßvorhaben in einer post-industriellen Bergbaufolgelandschaft. Aufbauend auf einer umfassenden Analyse der naturräumlichen und sozioökonomischen SituatiAbb. 16: Leitfaden für die praxisgerechte

bioenergie.fnr.de

Umsetzung von Bioenergiedörfern

Bioenergiedörfer

Leitfaden für eine praxisnahe Umsetzung

Bioenergie

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on und einer Bewertung von Gefährdungen und Entwicklungsmöglichkeiten der vorhandenen Biotope wurden ein Leitbild, Ziele und Maßnahmen entwickelt sowie ein Konzept zur langfristigen Sicherung der Projektziele, inkl. eines Evaluierungsund Monitoringkonzepts. Das entwickelte Leitbild basiert auf einer Raumgliederung, die in Verbindung mit der Nutzungsgeschichte der Landschaft steht und diese als „Park der Region“ in die Landschaftstypen „Saarkohlenwald“, „Bergbaufolgelandschaft“ und „Agrarlandschaft“ untergliedert. In jeder dieser Raumeinheiten wird ein sogenanntes „Landschaftslabor“ mit Experimenten zur Entwicklung und Nutzung der Landschaft entwickelt. Die verschiedenen Landschaftslabore enthalten Elemente der Besucherlenkung wie Basiscamps, Entdeckerpfade und Reisewege und sind über eine „Achse der Industriekultur“ als touristisches

Abb. 17: Webseite zum Naturschutzgroßvorhaben Landschaft der Industriekultur Nord, Saarland

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Thema miteinander verbunden. Die Einbindung der Nutzer und der lokalen Bevölkerung durch Dialogkreise und Nutzerforen war ein wichtiger Bestandteil des Planungsprozesses. Wanderungen, Exkursionen, Kampagnen und Aktionen bezogen die Menschen unmittelbar in die Konzeptentwicklung ein und ermöglichten neue Sichtweisen auf die Landschaft. Dieses Beispiel zeigt, dass es möglich ist, Naturschutzgebiete nicht als verschlossene Räume zu betrachten, die den Menschen komplett ausschließen. Der Naturschutz lässt sich mit Strategien verknüpfen, die Geld bringen: Sowohl zur Finanzierung der Naturschutzmaßnahmen als auch für die Stärkung der lokalen Wirtschaft: der Naturschutz als Einkommensquelle.


VIELFÄLTIGE LANDSCHAFTEN IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN ÖKOLOGIE, NUTZUNG UND ÄSTHETIK Die Grundlage für die hier dargestellten Strategien ist das strategische, konzeptionelle Denken: Wohin wollen wir? Wie soll unser Dorf, wie soll unsere Landschaft in 20, 30 Jahren aussehen? Sommeruniversitäten können die Impulsgeber und Ideenschmiede für einen lokalen Dialogprozess zur Gestaltung des Landschaftswandels darstellen. Die hier entstandenen Ideen müssen jedoch durch die lokalen Akteure aufgegriffen, weitergedacht und umgesetzt werden. Dabei geht es sowohl um die Initiierung politischer Prozesse, planerischer Verfahren, die Einwerbung von Fördermitteln und Schaffung finanzieller Anreize – hier ist die lokale Politik und Verwaltung gefragt. Gleichzeitig können lokale Prozesse jedoch durch konkrete Einzelmaßnahmen, Pilotprojekte, d.h. durch die Eigeninitiative lokaler Akteure vorangebracht werden, die gute Beispiele sind, zum Nachahmen anregen, weitere Pioniere anziehen und einen regionalen Diskurs anstoßen. Das Land bietet viele Möglichkeitsräume zur Verwirklichung von Ideen – wir hoffen, die Sommeruni Update Alb und die hier im engen Austausch mit der lokalen Bevölkerung entstandenen Ideen, Diskussionen und Kontakte haben dazu beigetragen, diese aufzuzeigen und zu befördern.

Prof. Dipl.-Ing. Antje Stokman Instituts für Landschaftsplanung und Ökologie Universität Stuttgart 29



NEUE FORMEN BÜRGERSCHAFTLICHEN ENGAGEMENTS IN KLEINEN GEMEINDEN STEFAN KRÄMER

Der demografische Wandel ist in Deutschland scheinbar allgegenwärtig. Seine Folgen zeigen sich trotz erheblicher regionaler Unterschiede längst auch in BadenWürttemberg, das lange Zeit aufgrund von Zuwanderungen aus anderen Regionen Deutschlands noch verhältnismäßig gute Prognosen aufweisen konnte.

Betroffen sind inzwischen nahezu alle Bereiche des Lebens unserer Gesellschaft. Kleine Gemeinden stehen dabei häufig am Rande sowohl der fachlichen wie auch der öffentlichen Aufmerksamkeit, die sich stärker auf die Entwicklungen und Aufgaben in den Städten konzentrieren. Dennoch sind sie eine wichtige und eigenständige räumliche Ebene des demografischen Wandels in Deutschland. Hier nehmen viele Auswirkungen, die ansonsten nur allgemein mit statistischen Kennwerten beschrieben werden, eine konkrete, auch im Alltag erfahrbare Gestalt an. In kleinen Gemeinden entfaltet die demografische Entwicklung oft eine besondere Dynamik, weil sich hier verschiedene Teilaspekte des demografischen und des wirtschaftsstrukturellen Wandels überschneiden und dadurch gegenseitig verstärken. So gibt es vor allem in ländlichen, strukturschwachen Regionen oft nicht nur einen überdurchschnittlichen Bevölkerungsrückgang, sondern zugleich wächst auch der Anteil der Älteren in kleinen Gemeinden überproportional, weil jüngere Menschen in die Ausbildungs- und Arbeitsplatzzentren abwandern, während die Älteren bleiben.

In den Umlandgemeinden vieler Städte können sich außerdem als Folge der Suburbanisierungswellen der 1960er und 1980er Jahre sogenannte Kohorteneffekte zeigen, die die Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung zusätzlich beschleunigen. Parallel hierzu verschlechtert sich die Versorgungsinfrastruktur in vielen kleinen Gemeinden, bedingt durch nachlassende Konsumstärke, durch Nachfolgeprobleme in kleinen Betrieben und durch die allgemeinen Kumulationsprozesse im Einzelhandel. Es kommt zu leerstehender Gebäudesubstanz, vor allem in den Ortskernen, in denen beispielsweise alte Dorfschulen, ehemalige Scheunen und Läden oder aufgegebene Gasthäuser keine neue Nutzung erhalten. Die Attraktivität als Wohnort für jüngere Menschen sinkt und auch Familien ziehen nur selten noch in kleine Gemeinden, in denen mangelnde Angebote eine hohe Mobilität aller Familienmitglieder erfordern. DIE ZUKUNFT GESTALTEN: VON DER PROBLEMLÖSUNGSSTRATEGIE ZUR ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE Dennoch sind es nicht nur Risiken, die mit den Auswirkungen des demografischen Wandels für kleine Gemeinden verbunden sind. Vor allem die räumlichen Bezugspunkte der alltäglichen Lebenswelten bieten vielfältige Chancen, noch vorhandene soziale Kontakte und Netzwerke in neue Strukturen einer weiterhin lebendigen Gemeinschaft zu transferieren. Damit dies gelingen kann, müssen in vielen kleinen Gemeinden allerdings weitere Hürden überwunden werden. Hierzu gehören die Folgen des 31


technischen Fortschritts sowie des wirtschaftlichen Strukturwandels und damit verbunden die Aufgabe, das Ende der bisherigen Erwerbsformen in der Landwirtschaft als eine Chance für einen Neubeginn zu nutzen. Nicht vergessen werden darf außerdem, dass auch in kleinen Gemeinden veränderte Erwartungen, Präferenzen und Lebensentwürfe der jüngeren Generationen sichtbar und wirksam werden. Für kleine Gemeinden geht es vor diesem Hintergrund auch darum, auf die schleichende Erosion wichtiger Kernelemente der Lebensqualität zu reagieren. Defizite in der sozialen Infrastruktur und in der Verfügbarkeit von Dienstleistungen werden aus Mobilitätsgründen den älteren Bewohnern und den Familien mit Kindern als Ersten bewusst. Betroffen davon sind jedoch alle Bevölkerungsgruppen, denn der damit verbundene Verlust an Lebensqualität schränkt die Entwicklungsperspektiven der ganzen Gemeinschaft ein. Das Gestalten einer eigenständigen Zukunft kann deshalb für kleine Gemeinden zu einer existenziellen Aufgabe anwachsen. Sie können diese Herausforderung meistern, wenn sie endogene Entwicklungspotenziale dazu nutzen, eigenständige Perspektiven und Zukunftschancen zu schaffen. Hierfür benötigen kleine Gemeinden maßgeschneiderte, ökonomisch tragfähige Lösungen, die den komplexen Veränderungsprozessen der dörflichen oder kleinstädtischen Lebenswelten für alle Bevölkerungsgruppen gerecht werden, und die es ihnen ermöglichen, attraktive Qualitätsprofile für ein Leben außerhalb der Städte zu entwickeln.

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Eine reine Spezialisierung auf den Bedarf und die Situation der Älteren greift dabei auch in Anbetracht der aktuellen Dynamik des demografischen Wandels zu kurz. Singuläre Problemlösungen, die nur auf diesen Aspekt ausgerichtet sind, können lediglich dabei helfen, akute Engpässe temporär zu überbrücken. Konzepte zur Gestaltung der zukünftigen Entwicklung erfordern stattdessen die Einbeziehung der Lebenswelten aller Bevölkerungsgruppen und eine Identifikation der ganzen Gemeinde mit ihren Entwicklungszielen. Dies gelingt dann, wenn ein Übergang von reinen Problemlösungsstrategien zur Umsetzung von eigenständigen, auf mehreren Bausteinen basierenden Entwicklungsperspektiven vollzogen werden kann. Dieser Anspruch erscheint für kleine Gemeinden neu und komplex. Tatsächlich werden jedoch nur bereits bestehende Merkmale des Lebens in kleinen und überschaubaren Gemeinschaften weiterentwickelt. Es gilt, den vorhandenen inneren Zusammenhalt über offene, meist mehrstufige Prozesse in neue Formen zu überführen und für zukünftige Entwicklungen zu rüsten. ZENTRALE AUFGABEN FÜR DAS GESTALTEN DER ZUKUNFT IN KLEINEN GEMEINDEN Im Verhältnis von Chancen und Risiken der demografischen Entwicklung dürfen individuelle Wahlmöglichkeiten während der verschiedenen Lebensphasen auch in kleinen Gemeinden keine substanzielle Einschränkung erfahren. Die Kriterien hierfür leiten sich zu wesentlichen Teilen aus dem Vergleich mit der Situation und den Rahmenbedingungen des Lebens in den Städten


ab. Für die Älteren geht es vor allem um eine gleichwertige Absicherung der selbstständigen Lebensführung und um die Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben mit allen Aspekten, die dazu gehören (Infrastruktur, Dienstleistungen, Wohnen, Kultur, Mobilität, Unterstützung im Alltag etc.). Für die Jüngeren bedeutet der Vergleich zunächst, dass sie keine Einschränkungen bei ihren Chancen auf Bildung, Ausbildung und Erwerbstätigkeit befürchten müssen. Im weiteren Lebenslauf kommen die Möglichkeiten zur Verwirklichung individueller Lebensentwürfe und gegebenenfalls auch die Anforderungen an ein familiengerechtes Angebot und Umfeld hinzu. Für alle Altersgruppen gilt, dass ihr Anspruch nicht in einer Eins-zu-eins-Äquivalenz zu den Rahmenbedingungen in den Städten oder gar in den Agglomerationsräumen bestehen kann. Entscheidend ist stattdessen, ob und wie weit substanzielle und dauerhafte Einschränkungen verhindert oder kompensiert werden können. Die Wüstenrot Stiftung hat zwei bundesweite Wettbewerbe durchgeführt, um neue Ideen und Modelle zu finden, die von den Menschen vor Ort als Antworten auf die Auswirkungen des demografischen Wandels umgesetzt werden. Der erste Wettbewerb Land und Leute. Kleine Gemeinden gestalten ihre Zukunft im demografischen Wandel! wurde 2008/09 durchgeführt; der zweite Wettbewerb Land und Leute. Bildung, Kunst und Kultur in kleinen Gemeinden – Schlüsselfaktoren für die zukünftige Entwicklung! fand 2011/12 statt. Im Fokus standen dabei Aufgabenbereiche, in denen kleine Gemeinden und ihre Bewohner gefordert sind, mit eigenen, auf ihre spezifische

Situation ausgerichteten Konzepten ihre Zukunft zu gestalten. Dazu gehören: - die Sicherung der Lebensqualität für alle Bevölkerungsgruppen, - die Weiterentwicklung der traditionellen Dorfgemeinschaft und der örtlichen Identität in einer Form, die zu veränderten Lebensentwürfen passt, - die Stabilisierung des Dorfzentrums, zu der in der Regel neue, wirtschaftlich beherrschbare Nutzungen von alter, identitätsstiftender Bausubstanz gehören, - der Ausbau und die Weiterentwicklung der Unterstützung des wachsenden Anteils älterer Alleinstehender, - die Einbindung von jüngeren Menschen oder neu Zugezogenen in neuen Vereins- und Begegnungsstrukturen für alle Generationen. Im Folgenden werden einige Projekte und Initiativen aus den beiden Wettbewerben vorgestellt. Sie stehen stellvertretend für die zahlreichen beeindruckenden Ansätze, die mit großem Engagement von vielen Menschen in kleinen Gemeinden umgesetzt werden. Dorflinde Langenfeld (Bayern) In der Gemeinde Langenfeld steht das Motto „Mitten im Dorf – Mitten im Leben“ im Vordergrund. Der Erhalt und der weitere Ausbau einer lebendigen Dorfgemeinschaft erfolgt durch zahlreiche, miteinander vernetzten, ehrenamtlichen Aktivitäten. Ein entscheidender Kristallisationspunkt des umfassenden Konzepts ist die Umnutzung einer ehemaligen Scheune im alten Dorfzentrum zu einem multifunktionalen Veranstaltungsraum. In Verbindung damit ist über einen Neubau ein Begegnungszentrum für alle 33


Generationen neu geschaffen worden. Dieses Konzept, in Langenfeld als „Dorflinde“ bezeichnet, steht für eine Neuinterpretation der klassischen Qualitäten einer Dorfgemeinschaft, die von allen Bevölkerungsgruppen mitgetragen wird. Die architektonisch anspruchsvolle Verbindung zwischen alter Bausubstanz und ergänzendem Neubau ist zugleich beispielhaft für die Aufgabe der Revitalisierung vorhandener Gebäude. Die transparente Gestaltung der neuen Begegnungsstätte ermöglicht „Sehen und Gesehenwerden“ und lädt zur aktiven Teilnahme an den vielfältigen Angeboten ein. Die allgegenwärtige Vernetzung mit allen Ebenen der Gemeindeentwicklung bis hin zur Angliederung von Wohnangeboten für Ältere lässt erwarten, dass Langenfeld mit seiner Dorflinde den zukünftigen Herausforderungen des demografischen Wandels vorbildhaft Rechnung tragen kann. Das gelungene Verhältnis von Konzept, Baumaßnahmen und Gemeindegröße weist auf eine sensible und gleichwohl den gewandelten Abb. 18 + 19: Langenfeld: „Mitten im Dorf – Mitten im Leben“

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Anforderungen gewachsene Maßstäblichkeit hin. Ein weiteres Ziel ist in Langenfeld der Erhalt des Dorfes als eigenständiger Wirtschafts- und Lebensraum. Die Konzeption dafür wurde von einem örtlichen Team unter Leitung des Bürgermeisters entwickelt. Eine Besonderheit sind die dabei entstandenen ehrenamtlichen Führungsstrukturen, die aus einem inhaltlich breit aufgestellten Arbeitskreis entstanden sind. Ebenfalls bemerkenswert sind die gelebte Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Dorflinde und die nachhaltige Konzeption für einen Erhalt und eine stetige Weiterentwicklung der Dorfgemeinschaft. Quellenhof Göpfersdorf (Thüringen) Die Gemeinde Göpfersdorf mit 240 Einwohnern hat sich der Aufgabe angenommen, die Bausubstanz eines historischen Hofensembles, des sog. Quellenhofs, einer neuen Nutzung zuzuführen. Ein wichtiger Grund dafür war die identitätsstiftende Wirkung des Gehöfts für das Dorf, die auch in Zukunft erhalten werden soll.


Beeindruckend ist, dass als Initial der Entwicklung für die Erhaltung des Quellenhofs kulturelle Aktivitäten gewählt wurden. Mit diesem Ansatz ist es gelungen, eine regionale und überregionale Aufmerksamkeit für das Projekt und die Gemeinde zu erzielen. Für das Konzept und seine Umsetzung zeichnet ein Steuerungskreis verantwortlich, dem der Bürgermeister, ein Vertreter des Heimatvereins, ein Galerist und ein Kreisdenkmalpfleger angehören. Die Nutzung des historischen Hofes umfasst konkrete Angebote für örtliche Vereine und Initiativen sowie Angebote für ältere Bürgerinnen und Bürger. Das Gesamtkonzept ist flexibel und offen angelegt, wodurch Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen möglich bleiben. Der Nutzungsschwerpunkt Kunst und Kultur ist in diesem Umfeld einzigartig, das Programm vielfältig, anspruchsvoll und erfolgreich. Der Quellenhof in Göpfersdorf leistet damit einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Region Altenburger Land.

Eiskeller Haindling (Bayern) Haindling (ca. 200 EinwohnerInnen) ist einer der ältesten Wallfahrtsorte in Bayern und noch heute ein beliebtes Ziel von Pilgern, die im Sommer zu Fuß oder mit Bussen dorthin kommen. Der Verein „Eiskeller Haindling e.V.“ wurde im Juni 2004 gegründet. Zwecke sind der Erhalt des ehemaligen Eiskellers, seine Nutzung als Café und „Eine Welt Laden“, die Förderung von kulturellen Aktivitäten, der Heimatpflege und -kunde sowie des traditionellen Brauchtums und der Entwicklungshilfe. Der Verein hat derzeit 60 Mitglieder, sowohl aus dem Ort wie auch aus der Stadt Geiselhöring, welche sich alle ehrenamtlich im Verein engagieren. Das Café wird ehrenamtlich von den Vereinsmitgliedern jeden Sonntag geöffnet. Im „Eine Welt Laden“ werden regionale Erzeugnisse und Produkte aus fairem Handel verkauft. Dies hat den Eiskeller zur neuen Ortsmitte für die Bürger gemacht, zu einem Treffpunkt für Jung und Alt und auch für Wallfahrer und Besucher des Dorfes. Abb. 20 + 21: Göpfersdorf: „Kulturgut Quellenhof“

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Ein weiterer Teil der Vereinsarbeit ist die Darstellung und Weitergabe der Dorfgeschichte, welche durch die lange Tradition als Wallfahrtsort geprägt ist. Mitglieder des Vereins erarbeiteten eine Dorfchronik und bieten Führungen zur Geschichte der Wallfahrt und der Entwicklung des Ortes. Die dabei vorgestellten Inhalte sind eine Mischung aus historischen Quellen, Chroniken und überlieferten Geschichten in der örtlichen Bevölkerung. Sie werden in historischen Kostümen und in lokalem Dialekt angeboten. Lesungen und Konzerte, die vom Verein in den Räumen der alten Schule organisiert werden, ziehen ein Publikum aus der gesamten Region an. Ehemaliges Armenspital Brennberg (Bayern) Die Sanierung des historischen Armenspitals in Brennberg stand seit längerer Zeit auf der Liste der Aufgaben, die innerhalb der Gemeinde übernommen werden mussten. Als Stiftung der damaligen Burgherren im 15. Jahrhundert entstanden, stand das im 18. Jahrhundert errichtete Gebäude seit den 1970er Jahren für eine längere Zeit leer. Abb. 22 + 23: Eiskeller Haindling

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Die „Spital eG Brennberg“ wurde 2005 gegründet, um die Sanierung des ehemaligen Armenspitals in Brennberg zu finanzieren. Die Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft wurde als bestgeeignete Lösung betrachtet. Derzeit hat die Genossenschaft rund 140 Mitglieder. Durch Veranstaltungen wie die „Spitaltage“, an denen Musik- und Theaterstücke aufgeführt wurden, und durch Feste konnte die Genossenschaft das erste Geld erwirtschaften und damit die Sanierungsarbeiten starten, die von Dezember 2005 bis zur Wiedereröffnung im September 2007 mit Hilfe vieler Stunden ehrenamtlicher Arbeit durchgeführt wurden. Nach Abschluss der Sanierung wurde der Betrieb des Spitals in Form eines Cafés, einer touristischen Informationsstelle sowie eines Verkaufsraums aufgenommen. Jeden Sonntag ist das Spital geöffnet und wird von ehrenamtlichen Mitgliedern der Spital eG bewirtschaftet, darunter auch Jugendliche und junge Erwachsene. In den zwei Gasträumen im Erdgeschoss werden Spezialitäten von örtlichen


Metzgereien und Bäckereien angeboten. Diese Räume (inklusive Bewirtung) können gegen Bezahlung auch von Privatpersonen für Veranstaltungen gemietet werden. Der Spitalladen im ersten Stock bietet regionale Produkte und Kunsthandwerk an, im Nebenraum ist das Büro mit Informationen über die Gemeinde und die Region untergebracht. Das Dachgeschoss des Spitals wurde so ausgebaut, dass dort auch Kunstausstellungen angeboten, Vorträge gehalten oder Seminare durchgeführt werden können. Das ehemalige Armenspital stellt für viele Bürger des Ortes ein historisch wertvolles Gebäude und kommunales Identifizierungsobjekt dar. Durch das Engagement, den finanziellen Einsatz und die intensive ehrenamtliche Arbeit konnte das Spital erhalten und zu einem neuen kulturellen Treffpunkt für die Brennberger umgestaltet werden. Kunst im Dorf Oberhembach (Bayern) Die Dorfgemeinschaft in Oberhembach führt regelmäßig Kunsttage und Veranstaltungen unter

dem Titel KUNST IM DORF durch. Im Jahr 2001 gegründet, bringt dieses jährliche Ereignis heute das ganze Dorf (ca. 280 Einwohner) auf die Beine. 38 Oberhembacher Künstlerinnen und Künstler präsentierten beispielsweise im Jahr 2011 rund um den „Kunststadel“ sich und ihre Werke an unterschiedlichen Stätten und auf vielerlei Weise. Viele andere Bewohner unterstützen die Veranstaltung als Einzelpersonen oder über ihre Vereine, beispielsweise durch die Bereitstellung ihrer privaten Häuser und Gärten oder die Mithilfe bei der Organisation. Dorfkirche und Alte Dorfschule Gortz (Brandenburg) In Gortz gibt es einen aktiven Verein zur Förderung von Denkmalschutz und Kultur in der Region. Nach der Sanierung der das Ortsbild prägenden Dorfkirche wurde auf Initiative und unter maßgeblicher Beteiligung des Vereins auch die angrenzende ehemalige Dorfschule saniert. Entstanden ist ein Gebäudeensemble, das nun für kulturelle Veranstaltungen und Konzerte, für eine Abb. 24 + 25: Ehemaliges Armenspital Brennberg

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Bibliothek und für Treffen, Kurse und Angebote aller Art zur Verfügung steht. Der zunächst mittellose Verein hat hierfür Eigenmittel in Höhe von jeweils mehreren zehntausend Euro aufgebracht und ein lebendiges Zentrum für die Dorfgemeinschaft geschaffen. Die durch den Förderverein angestoßenen Aktivitäten und erzielten Ergebnisse zeigen die Möglichkeiten, die auch in einer kleinen Gemeinde mit ca. 200 Einwohnern bestehen, wenn wichtige örtliche Infrastruktur auf private Initiative hin in Abstimmung mit der Gemeindeverwaltung geschaffen wird. Ländliche Akademie Krummhörn (Niedersachsen) Krummhörn ist eine Gemeinde im Landkreis Aurich in Niedersachsen und zählt rund 13.000 Einwohner. Die Gemeinde besteht aus 19 Ortschaften, die bis zur Gebietsreform 1972 selbständige Gemeinden waren. Die Gemeinde ist durch Landwirtschaft, Tourismus und teilweise Fischerei geprägt; viele Bewohner pendeln jedoch zu ihren Arbeitsstätten in die umliegenden Städte. Seit Abb. 26 + 27: Kunst im Dorf, Oberhembach

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einigen Jahren ziehen vor allem ältere Menschen aus Nordrhein-Westfalen nach Krummhörn, um hier ihren Ruhestand zu verbringen. Der Verein „Ländliche Akademie Krummhörn“ wurde 1982 gegründet und hat derzeit rund 600 Mitglieder, davon sind ca. zwei Drittel Kinder und Jugendliche. Ziel des Vereins ist die Bereitstellung eines auf den ländlichen Raum bezogenen Angebots für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im künstlerischen und handwerklich-technischen Bereich. Zur Zeit der Gründung waren in der Gemeinde typische Probleme des ländlichen Raumes spürbar. Durch Neubaugebiete und touristische Feriensiedlungen wurden die Dörfer zersiedelt, die meisten Menschen arbeiteten in den umliegenden Städten, und auch die Jugendlichen mussten, um auf weiterführende Schulen gehen zu können, lange Fahrtwege in Kauf nehmen. Tagsüber fand somit kaum dörfliches Leben statt. Heute sind in den Ortsteilen zahlreiche künstlerische, musikalische und handwerkliche Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene vorhanden. So soll erreicht werden, dass das dorfge-


meinschaftliche Leben ein weiteres verbindendes Element erhält und gleichzeitig die Chancen für Kinder und Jugendliche auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt gestärkt werden. Die Akademie Krummhörn ist in den Ortsteilen der Gemeinde verortet, d.h. der Verein hat kein zentrales Büro und auch keine eigenen Räumlichkeiten. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde wird auf vorhandene Veranstaltungsorte in den Ortsteilen wie Pfarrsäle, Schulen oder Gaststätten zurückgegriffen. Insgesamt ist die LAK eine institutionalisierte Form der Übernahme aktiver bürgerschaftlicher Verantwortung für den Zusammenhalt in der Gemeinschaft, für deren Zukunftsperspektiven, Identität, Entwicklung und für das lokale Angebot von Bildung und Kultur. FAZIT Die Auswirkungen des demografischen Wandels treffen kleine Gemeinden und Städte in vielen Regionen in Deutschland sehr unterschiedlich. Auch die Reaktionen darauf weisen eine große Bandbreite auf. Viele kleine Gemeinden werden

durch die Initiative und den Ideenreichtum ihrer Bevölkerung zu kleinen Drehscheiben für neue Formen bürgerschaftlichen Engagements, für beispielhafte Eigeninitiative und für gemeinsame Aktivitäten und Verständigung. Daraus entstehen besondere Chancen für die Gestaltung der zukünftigen Entwicklung, auch unter schwierigen demografischen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Weitere Informationen bieten die ausführlichen, bei der Wüstenrot Stiftung erhältlichen Dokumentationen.

Dr. Stefan Krämer Wüstenrot Stiftung Ludwigsburg Abb. 28: Gortz: Gebäudeensemble Dorfkirche und Alte Dorfschule Abb. 29: Innenraum der Dorfkirche

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ZUM UMGANG MIT LEERSTÄNDEN KERSTIN GOTHE

Leerstände in den Ortskernen sind für Dörfer problematisch: Die Orte verlieren ihre Mitte - ausgerechnet da, wo sie unverwechselbar sind, wo ihre Identität sich zeigt, wo Kirche, Rathaus oder Gasthaus stehen. Leerstand ist ein Problem, weil er sich auf andere Teile des Dorfes auswirkt: Die Einwohnerzahl im Ortskern geht zurück, die verbleibenden Häuser verwahrlosen, die Häuser verlieren an Wert. Die Gründe für Leerstände werden erläutert und einige Ansätze, wie man sie wieder mit Leben füllen kann.

Die Rahmenbedingungen für den ländlichen Raum ändern sich. Zwar ist in Baden Württemberg im Vergleich zwischen ländlichen Räumen und Verdichtungsräumen das Wirtschaftswachstum durchaus vergleichbar, die Beschäftigtenentwicklung in ländlichen Räumen sogar etwas besser, aber die Zahl der Bevölkerung ist rückläufig. Seit 2002 öffnet sich die Schere: die Bevölkerung in den Verdichtungsräumen nimmt noch zu, sie geht zurück in den ländlichen Regionen. Die Wanderungen in den Verdichtungsraum verstärken diesen Trend. Wenn man diesen Trend in die Zukunft verlängert, ist bis zum Jahr 2030 ein Verlust von mindestens vier, möglicherweise auch acht bis neun Prozent (verglichen mit 2008) zu erwarten. Der ländliche Raum verliert an Bevölkerung und das ist ganz offensichtlich kein vorübergehendes Ereignis, sondern ein längerfristiger Trend, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Wie wirkt sich das praktisch in den Dörfern aus? Die großen Bauernhäuser als Hüllen einer Pro-

duktion, die oft nicht mehr besteht, da viele Höfe aufgegeben oder aus den Dörfern ausgelagert wurden. Sie stehen nun in den Ortskernen und werden nicht mehr gebraucht – allenfalls um den Traktor zum Holzholen unterzustellen. In der Mitte der Dörfer gibt es Leerstände, die mit der Zeit auch negative Effekte für das Ortbild haben können: Dadurch kann der Gebäudewert in der Nachbarschaft sinken. Das Leben zieht aus, Gebäude stehen leer und werden baufällig. Die Konsequenzen sind vielfältig: Die soziale und tiefbautechnische Infrastruktur wird nicht mehr ausgelastet, da sie von weniger Leuten gebraucht wird. Die gleichbleibenden oder sogar steigenden Kosten, etwa wenn z.B. Rohre gespült werden müssen, verteilen sich auf immer weniger Schultern. Viele Leistungen werden ausgedünnt. Post, Sparkasse, auch Läden und Kindergärten verschwinden. Das sind Trends und Tendenzen, die sich absehbar verstärken werden. Diskutiert wird in dieser Situation vielfach ein Allheilmittel: das Neubaugebiet – auch in Magolsheim. So könne man für die jungen Familien attraktiv werden und den eigenen Kindern einen Bauplatz bieten. Ein verständlicher Wunsch, aber was hat er für Konsequenzen? 1. Die Folgekosten, die die Gebiete in Bezug auf die technische Infrastruktur mit sich bringen, werden oft unterschätzt und die Zahl zugzugswilliger Haushalte wird überschätzt. Die Folge sind vielfach „beleuchtete Äcker“; Baugebiete, deren Aufsiedelung sich über viele Jahre hinzieht, die von der Gemeinde vorfinanziert wurden.

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2. Können wir der nächsten Generation wirklich empfehlen, heute ein Einfamilienhaus im ländlichen Raum zu bauen? Dies ist auch bei günstigen Bodenpreisen eine enorme Investition, der junge Haushalt verschuldet sich langfristig. In den nächsten 20 Jahren werden viele Wohngebäude aus den 60iger und 70iger Jahren auf den Markt kommen – die Häuser der Elterngeneration dieser jungen Familien. Wenn diese irgendwann umziehen muss – wegen eines anderen Arbeitplatzes, wegen Scheidung oder Krankheit, dann wird ihr Haus am Markt konkurrieren mit vielen Häusern dieser Art. Dieser Trend wird in den nächsten Jahren erst richtig an Fahrt aufnehmen und trifft auf eine Situation sinkender Zuzugsraten, d.h. es ist unwahrscheinlich, dass die Familie das Geld, das sie in der Immobilie gebunden hat, auch nur annähernd beim Verkauf zurückerhalten wird. 3. Neue Baugebiete lösen die Probleme nicht: Lebensstile differenzieren sich aus, neue Wohnwünsche entstehen – auch im ländlichen Raum. Es gibt die Familienmutter und die arbeitende Mutter mit ganz anderen Anforderungen an Wohnumfeld und Unterstützung. Es gibt Menschen, die in örtlichen Vereinen engagiert sind und es gibt andere, die ihre Kontakte eher überörtlich organisieren – nicht im Verein, vielleicht auch eher punktuell, nicht dauerhaft. Multilokale Lebensformen nehmen zu. Die Menschen sind auf unterschiedliche Weise mobil, teilsweise mit dem Auto, teilweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Es gibt allein in Magolsheim „Gelegenheitsälbler“, „Schönwetterbewohner“ und Dauereinwohner sowie Auspendler – mit völlig unterschiedlichen 42

Lebensstilen und Ansprüchen an den Alltag. Viele Dorfbewohner haben unterschiedliche Formen des Einkommens: Eigenproduktion wie Holz, Honig oder Fleisch unterstützen das in der formellen Wirtschaft erbrachte Einkommen. Nicht alle Lebensstile benötigen das Haus auf der grünen Wiese, es gibt auch den Wunsch nach großzügigen bäuerlichen Altbauten mit Platz und Charme. Vielfach möchte sich die junge Generation auch (noch) gar nicht binden und sucht eher nach Mietwohnungen, die in den Dörfern sehr schwierig zu finden sind. Das ist der Grund, weshalb wir uns im Rahmen der SommerUni mit dem Thema Leerstände auseinandersetzen. WAS IST ÜBERHAUPT LEERSTAND? AB WANN SPRECHEN WIR VON LEERSTAND? Eindeutig ist die Situation, wenn ein Gebäude über Jahre hinweg nicht genutzt wird. Was aber ist mit der Wohnung, die zweimal im Jahr für ein paar Tage bewohnt wird – ist das Teilzeit-Leerstand? Was ist, wenn eine Person auf 200 Quadratmetern Wohnfläche mit drei Bädern wohnt: Ist das Teil-Leerstand? Wenn in einem Dorf mehr Traktoren vorhanden sind als Einwohner, und jeder Traktor in einem eigenen Schuppen oder Ökonomie-Teil steht, sind die Schuppen dann noch gebraucht? Oder könnte man sich auf ein System des gegenseitigen Ausleihens der Geräte verständigen und die Hälfte der Schuppen stünde dann für andere Nutzungen zur Verfügung? Die Grenzen sind fließend.


HANDLUNGSEBENEN FÜR DIE LEERSTANDBEWÄLTIGUNG – WIE KANN MAN DAS THEMA DER LEERSTÄNDE ANPACKEN? Leerstände im Dorf zu thematisieren und die Revitalisierung einzuleiten, ist oft ein „dickes Brett“, eine anspruchsvolle Aufgabe, für die man einen langen Atem braucht. Unterschieden werden muss zwischen verschiedenen Ebenen: der Ebene der Eigentümer, der Ebene der Gemeinde und der Ebene des Immobilienmarktes. 1. Ausgangs- und Mittelpunkt sind die Eigentümer. Sie sind oft mit dem Gebäude emotional verbunden und können sich nicht vorstellen, sich davon zu trennen, auch wenn sie es eigentlich nicht brauchen. Dies äußert sich dann manchmal in überzogenen Wertvorstellungen. Oder sie sind weit entfernt und kennen die Situation vor Ort nicht, etwa Erbengemeinschaften; auch dies kann Grund für überhöhte Preisvorstellungen sein. Die alten Menschen, die in dem Haus wohnen, nehmen den Preisverfall von Immobilien vielleicht auch als Kränkung wahr. Für sie wird ihre Lebensleistung dadurch in Frage gestellt. Viele Eigentümer sehen die Eigenschaften der Immobilien und übersehen, dass diese Eigenschaften, für die die Gebäude errichtet wurde, heute nicht mehr nachgefragt werden. 2. Bei der Ebene der Gemeinde geht es um die kleinräumliche Lage, etwa ob das Gebäude am Ortsrand liegt oder an der Hauptdurchfahrtsstrasse, die mit Lärm und Abgasen belastet sein kann. Und es geht um die Ausstattung mit lokaler Infra-

struktur, ob zum Beispiel ein Kindergarten, eine Schule am Ort vorhanden ist. 3. Bei der Ebene des Immobilienmarktes geht es um den Nachfragerückgang von Immobilien, etwa als Folge des demografischen Wandels, sowie die Veränderungen der Nachfrage: Ältere, alleinstehende Bewohner haben andere Wohnwünsche als junge Familien. Alle diese Aspekte haben Auswirkungen auf die Chancen einer zukünftigen Nutzung. Zwar ist der große Vorteil des Lebens auf dem Dorf, dass eine verhältnismäßig große Freiheit besteht, auf dem eigenen Grundstück, im eigenen Haus agieren zu können, wie es einem gefällt. Andererseits prägen viele solcher Einzelentscheidungen das Dorf, etwa überzogene Preisvorstellungen. Ist es also nur eine Privatentscheidung des Eigentümers, ob und an wen verkauft wird? Bedeutet das Leben auf dem Dorf nicht auch: eine Tradition des Miteinanders, der gemeinsamen Nutzung, wie wir es gerade in Magolsheim eindrücklich erleben können: die Aktivitäten der Freiwilligen Feuerwehr, der gemeinsame Holzplatz, das Backhaus, die Jugenddisco am Dorfrand, die Nachbarschaftshilfe. Hier wird ein Miteinander praktiziert, das es so in der Stadt nur selten gibt. Wieso nicht auch gemeinsam verhandeln über die Entwicklung des Dorfes und des Dorfkerns? Wieso nicht auch die Auswirkungen von Einzelentscheidungen auf das Dorf thematisieren? Im Folgenden sollen einige Erfahrungen bzw. Lösungsansätze zur Praxis der Innenentwicklung dargestellt werden.

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ZUR PRAXIS DER INNENENTWICKLUNG: ERFAHRUNGEN AUS EINEM FÖRDERPROGRAMM Ich bin in der Begleitforschung zum Modellprojekt des Landes Baden-Württemberg MELAP PLUS tätig, das sich mit Leerständen in ausgewählten 14 Gemeinden auseinandersetzt. Sie bekommen in diesem Programm fünf Jahre lang Mittel, mit denen sie sich auf die Innenentwicklung konzentrieren und ihre eigenen Ortskerne entwickeln sollen. Einzelne Personen können in dem Programm einen Antrag auf Förderung stellen und werden unter bestimmten Voraussetzungen gefördert. Das Modellprojekt läuft im Jahr 2016 aus. Es zeigt sich, dass es derzeit noch sehr schwierig ist, die Dorfkerne zu reaktivieren: Die Zinsen sind niedrig wie nie, dadurch ist die Bereitschaft, Immobilien zu veräußern, gering. Die Realität sinkender Immobilienwerte wahrzunehmen ist schmerzhaft. Zwar sind durchaus innovative Lösungen als Idee entwickelt worden, etwa Wohnungs- bzw. Haustauschkonzepte, aber zur Umsetzung ist die Zeit möglicherweise noch nicht reif. Über zwei erfolgreiche Projekte soll berichtet werden: Beispiel Achkarren: Hier geht es um das Thema der öffentlichen Einrichtungen: Leerstehende oder untergenutzte Gebäude sollen zusammengelegt und neu strukturiert werden: eine historische Schule, sowie das Schulgebäude aus den 50er Jahren, die beide nicht mehr benötigt werden, die Ortsverwaltung und der kirchliche Kindergarten, dessen Gebäude saniert werden muss. Die Nutzungen werden in einem modernisierten Komplex der ehemaligen Schulgebäude zusammengelegt, dadurch entstehen Synergieeffekte: 44

Der neue Gemeindesaal zum Beispiel kann auch von den Kindern genutzt werden. In die Gebäude des bisherigen Kindergartens und der Ortsverwaltung können neue Nutzer einziehen. Hier wird derzeit die Frage geklärt, ob man sie abreißen muss oder ob man sie umbauen kann: Für wen ist dieser Gebäude-Typ interessant? Es werden Gespräche mit auswärtigen Interessenten geführt, zum Beispiel mit Physiotherapeuten, die dort Wohnen und Praxis kombinieren wollen. Beispiel Jagstheim: Das Gasthaus Krone, ein vierstöckiges Gebäude, das schon jahrelang leer stand, schien ein hoffnungsloser Fall zu sein. Es war bereits stark beschädigt. Ein Ingenieur aus dem Ort war mit seinem Start-Up-Unternehmen, in dem Solarpaneele hergestellt wurden, so erfolgreich, dass er zusätzliche Flächen benötigte. Da er zu dieser Zeit noch als Ingenieur in einer auswärtigen Firma beschäftigt war, war für ihn die Nähe zu seinem Wohnstandort wichtig. Als das Gebäude nach vielen Jahren des Verfalls im Wert stark gesunken war und es keine Grundstücke im Gewerbegebiet des Ortes gab, griff er zu und kaufte das alte Gasthaus. Er baute den ehemaligen stützenfreien Tanzsaal zum Lager um und richtet jetzt Büro- und Ausstellungsräume im Erdgeschoss und Mietwohnungen in den Obergeschossen ein. Die Lage an der Straße ist für ihn attraktiv, weil er sich dort gern mit seinen Produkten den Vorbeifahrenden präsentiert und er leicht gefunden wird. Auch über den Ausbau der Nachbarhäuser denkt er nach: für ihn ist es ein Vorteil, wenn dort seine Mitarbeiter wohnen: sie haben ein Auge auf die Firma und sind weniger empfindlich, wenn dort abends oder morgens Lärm entsteht.


Man kann daraus lernen: Gebäude sollten nicht vorschnell abgerissen werden, manchmal finden sich Leute aus dem Ort, die sie nutzen wollen, an die keiner gedacht hat. Nachteile für den einen entpuppen sich als Vorteile für den anderen. Die Immobilienpreise und die Verfügbarkeit freier Grundstücke spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für ein altes Gebäude.

einrichtungen um die Jahrtausendwende in Konkurs gingen und häufig auch die Gasthäuser, die den Kurtourismus unterstützt haben. Viele von ihnen standen nun leer.

Wichtig ist immer die Frage: Wie kommt die Dorfgemeinschaft zu einer gemeinsamen Idee für die Dorfentwicklung? Welche Regeln, welches Leitbild gibt sie sich? Das muss nicht zwangsläufig ein Bebauungsplan sein, aber eine Vision für die nächsten 20 Jahre.

Neue Formen der Gastgeberkultur entwickeln. Etwa ein vielfältigeres Spektrum an Unterkünften (null bis vier Sterne statt durchgängig zwei Sterne); ein breiteres Angebot an Gastronomie und an Freizeitaktivitäten, um einen größeren Adressatenkreis zu erreichen. Die Lebens- und Urlaubsstile der Gäste haben sich diversifiziert.

ZUR PRAXIS DER INNENENTWICKLUNG: EMPFEHLUNGEN AUS DER SOMMERUNI UPDATE SCHWARZWALD In den Dörfern Menzenschwand und Bernau, in denen wir im Jahr 2012 eine SommerUni durchführten, gab es zahlreiche Leerstände, da die Kur-

Im folgenden zehn Thesen, mit den Ergebnissen dieser SommerUni, die auch für Magolsheim interessant sein können.

Nicht nur auf den Urlaub fokussieren. Es gibt eine wachsende Nachfrage von Städtern nach Auszeiten: Rückzug für intensive Arbeitsphasen, Arbeitsplätze an unterschiedlichen Standorten. Auch diese suchen Angebote.

Abb. 30 + 31: Das Gasthaus Krone in Jagstheim vor und während des Umbaus

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Das Angebot von Wohnungen ausdifferenzieren. Etwa durch ein attraktives, bedürfnisgerechtes Wohnungsangebot, insbesondere an Mietwohnungen. Auf diese Weise können vielleicht auch Fachkräfte für das örtliche Gewerbe gewonnen werden. Menschen mit Engagement, Energien und Ideen Raum bieten. Begabungen und Talente der Bewohner fördern, die gut ausgebildete junge Generation zur Rückkehr ermutigen. Patchwork-Existenzen (moderne Formen gemischter Einkommen) ermöglichen. An der Energiewende teilhaben und sie mitgestalten. Umstellen auf landschaftsangepasste, auf lokale Kreisläufe ausgerichtete Konzepte der Energieerzeugung. Strategien bündeln, um Leerstände zu aktivieren. Verborgene (Teil-)Leerstände sollten durch Anreize für die Eigentümer aktiviert werden (z.B. „Tage der offenen Scheunen“).

zen und zu aktivieren. Dörfliche Gemeinschaftseinrichtungen anreichern und hierfür den Leerstand nutzen. Wenn sich allmählich die Bewohner- und Besucherstruktur ändert, werden auch andere Anforderungen an die gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen gestellt. Die Baukultur stärken. Dies ist kein abgehobenes Anliegen von Experten – Baukultur bringt Lebensqualität, ist sinnstiftend und identitätsstiftend. Gute Architektur geht auf Nutzerbedürfnisse ein und ist dadurch nachhaltig im besten Sinne. Das Gespräch über ortsangepasste Baukultur, die Teilnahme an Entscheidungsfindung bringt Freude und stärkt die Dorfgemeinschaft. Meine Bitte an die Studierenden: Lassen Sie sich von diesen Beispielen anregen für Ihre eigene Arbeit – und an die Bewohner von Magolsheim: Treten wir in einen Dialog über die Frage der angemessenen Strategie für Ihren Ort – gern heute Abend!

Kultur der Kooperation entwickeln. Die großen Höfe überfordern einen einzelnen Haushalt. Neue Nachfragegruppen sollten als Investoren oder Nutzer für die Umnutzung der Leerstände gezielt angesprochen werden. Gesucht sind geeignete Nutzungs- und Finanzierungsmodelle, z.B. Bauherrengruppen für neue Wohnformen in den großen Höfen. Offenheit für temporäre Nutzungen. Es sollte Anreize geben, Leerstände und untergenutzte Bauten durch vorläufige oder befristete Nutzungen ins Gespräch zu bringen, probeweise zu nut46

Prof. Kerstin Gothe Institut Entwerfen von Stadt und Landschaft KIT Karlsruhe




BAUEN IM LÄNDLICHEN RAUM JOSEF FINK

Die Architekturszene des Vorarlberger Raumes erlangte große Aufmerksamkeit durch den Aufbau und die Förderung einer Baukultur, die sich auf regionale Materialien, Produktionsweisen und Wertschöpfung stützt. Der Architekt Josef Fink erläuterte im Rahmen der Sommeruni in Magolsheim die architektonische Herangehensweise des Architekturbüros Fink Thurnher im österreichischen Vorarlberg anhand dreier ausgeführter Projekte.

STOPP IN LANGENEGG Die Gemeinde Langenegg, im vorderen Bregenzerwald gelegen, hat etwa 1000 Einwohner. Für die Gegend typisch sind die Streusiedlungen und der bedeutende Einfluss der Landwirtschaft auf die Entwicklung der Besiedlung bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Gemeinde besitzt – historisch bedingt – kein Ortszentrum. Sie bestand bis vor ca. 100 Jahren aus den beiden selbstständigen Gemeinden Oberlangenegg und Unterlangenegg. Der Ortsteil Oberlangenegg verfügt seit 1775 über eine eigene Kirche in einem bescheidenen Dorfkern mit zwei Gasthäusern (leider nicht mehr in Betrieb), deren Besitzer gleichzeitig eine Landwirtschaft betrieben. Der Dorfkern von Oberlangenegg liegt in der neuen Gemeinde Langenegg sehr peripher. Der Ortsteil Unterlangenegg gehörte kirchlich zur Pfarrei Egg, hatte aber eine eigene Schule und eine eigene Gemeindeverwaltung. Alle Versuche, aus beiden Kleingemeinden eine größere Gemeinde zu machen, scheiterten. Erst

dem kinderlosen Bauern Johann Georg Fuchs gelang die Einigung durch sein Versprechen, all seinen Besitz der neuen Gemeinde Langenegg zu schenken, wenn sich Ober- und Unterlangenegg vereinen. Sollten sie das nicht tun, wird die Nachbargemeinde Lingenau seinen Besitz erhalten. Das landwirtschaftliche Anwesen des Johann Georg Fuchs liegt im geographischen Zentrum der beiden Teilgemeinden – sowohl in Ober-, als auch in Unterlangenegg – und war deshalb prädestiniert, zum Zentrum der Gemeinde zu werden. Mitte der 60er Jahre wurde an Stelle der beiden bestehenden Volksschulen eine neue Volksschule errichtet. Anfang der 70er Jahre folgte dann ein neues Gebäude für die Gemeindeverwaltung, die Feuerwehr und später für den Kindergarten. Ende der 90er Jahre begann ein Prozess mit den Bürgern der Gemeinde in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck und der Fachhochschule Liechtenstein. Architekturstudenten beider Universitäten gastierten in Langenegg und analysierten die Qualitäten und Defizite und daraus entstand der Projekttitel „Stopp in Langenegg“. Erklärtes Projektziel war, alle Nutzungen mit Öffentlichkeitscharakter im Zentrum zu konzentrieren (Gemeindeverwaltung, Schule, Kindergarten, Cafe, Sportplatz, Bank etc.) und ein Zentrum mit Aufenthaltsqualität für Einheimische und Besucher zu schaffen. In einem ersten Schritt sollte für den nicht mehr adäquaten Kindergarten ein neues Gebäude, ein Café und Probemöglichkeiten für den Musikverein geschaffen werden. Dafür wurde ein geladener Architekturwettbewerb ausgeschrieben, den wir gewinnen konnten. Unser Projekt sah zwei 49


getrennte Baukörper vor. Ein zweigeschossiger Kindergarten formulierte mit dem bereits sanierten ehemaligen Haus des Johann Georg Fuchs eine Engstelle am Beginn des neuen Zentrums. Café und ein im Obergeschoss angeordnetes Musikprobelokal verdichteten den Ort mit zeitgemässen Holzbauten in der Körnung der Bestandsbauten. Die Gemeindeverantwortlichen hatten und haben sehr hohe Anforderungen an Architekturqualität, umweltschonende Materialien und Energiebewusstsein. Zudem ist die Gemeinde auch Waldbesitzer. Damit war die Konstruktion der Gebäude als Holzgebäude mit Niedrigenergiestandard eine logische Konsequenz. Der Musikverein wurde im Laufe der weiteren Überlegungen im Untergeschoss des Kindergartens untergebracht. Das Abb. 32: Kindergarten mit saniertem Wohnhaus des Johann Georg Fuchs

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Tannenholz aus dem Gemeindewald wurde vom örtlichen Säger eingeschnitten und von der beauftragten Zimmerei weiterverarbeitet. Es wurde sowohl als tragendes Konstruktionsmaterial für Decken und Wände als auch für alle Oberflächen der Wände, Decken, Böden, Türen, Fenster und Möbel in unbehandelter Qualität eingebaut. Lediglich die Kellerbereiche sind als Massivbauteile errichtet. Sowohl die Optik des Materiales Holz als auch sein Geruch und seine haptischen Qualitäten sind für die erwähnten Nutzungen ideal und gleichzeitig führen wir die lange Tradition der Holzbauten in der Region in zeitgemäßem Standard weiter. In einer zweiten Etappe konnten wir mit einem von der Gemeinde errichteten Lebensmittelgeschäft und der Sanierung des Gemeindeamtes die


räumliche Verdichtung des Zentrums weiterentwickeln und den Außenraum im Zentrum durch den Abbruch einer straßenbegleitenden Mauer vor dem Gemeindeamt verbessern. SANIERUNG UND UMBAU EHEMALIGES GASTHAUS ADLER IN LANGENEGG Das ehemalige Gasthaus Adler in Langenegg ist ein denkmalgeschütztes Gebäude im Dorfzentrum von Oberlangenegg und wurde nach dem Tod des ehemaligen Besitzers von der Gemeinde mit allen landwirtschaftlichen Flächen übernommen. Während die Wiesen und Wälder mit großem Interesse an heimische Landwirte weiterverkauft wurden, war das Interesse am baufälligen Gebäude sehr gering. Bauträger wollten die Immobilie mit der Absicht erwerben, das Gebäude

abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Nach längerem Überlegen entschloss sich mein in Langenegg lebender Bruder – er ist im Sommer Tischler und im Winter Kaminkehrer – das Haus zu erwerben und zu sanieren. Die Suche nach einem Pächter für das Gasthaus verlief leider erfolglos und er fasste nach längerer Zeit den Entschluss, im Wohntrakt vier Mietwohnungen einzubauen und den Wirtschaftstrakt für eigene Lagerzwecke zu sanieren. Das Gebäude stammt aus der Zeit um 1780 und besteht aus einem massiven Kellergeschoss und zwei Obergeschossen in Holzblockbauweise mit Schindelfassade. Das Gebäude besitzt eine Mittelflurerschließung. Um den Vorgaben des Brandschutzes entsprechen zu können, wurde eine Abb. 33: Café im Dorfzentrum Langenegg

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neue, brandschutztechnisch abgeschlossene Erschließungs- und Haustechnikschicht zwischen Wohn- und Wirtschaftstrakt eingefügt. Dadurch konnte auf weitere brandschutztechnische Verbesserungen im Wohntrakt verzichtet werden. Eine besondere Herausforderung bestand darin, bei geringst möglicher Konstruktionshöhe der Decken und Fußbodenaufbauten sowohl eine statische wie auch schall- und wärmetechnische Verbesserung des Aufbaues samt Einbau einer Fußbodenheizung zu erzielen. Die denkmalpflegerisch wesentlichen Elemente wie Fenster, Türen, Wandvertäferungen usw. wurden ausgebaut, saniert und nach erfolgter Haustechnikinstallation wieder eingebaut. Die Umfassungsbauteile wurden wärmetechnisch im Rahmen des Möglichen verbessert und das Gebäude erhielt im Wohntrakt die weithin bekannte Schindelfassade und Abb. 34: Innenräume des Kindergartens

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im Wirtschaftstrakt eine Holzverschalung. Anhand dieses Beispiels kann exemplarisch gezeigt werden, wie mit engagierten Bauherren eine Umnutzung historisch wertvoller Bausubstanz durchgeführt werden kann, ohne den ursprünglichen Charakter nachteilig zu verändern oder gar zu zerstören. AGRARBILDUNGSZENTRUM SALZKAMMERGUT IN ALTMÜNSTER Durch die Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Schulen Altmünster (Landwirtschaft) und Weyregg (Hauswirtschaft) am Standort Altmünster wurde es erforderlich, das bestehende Schulgebäude wesentlich zu erweitern. Die neue Gemeinschaft der Schulen mit insgesamt 250 Schülern findet ihren architektonischen Ausdruck


Abb. 35 + 36: Gemeindeamt Langenegg vor und nach der Sanierung mit Platzbildung

Abb. 37 + 38: Gasthaus Adler vor und nach der Sanierung

Abb. 39 + 40: Stube im Gasthaus Adler vor und nach der Sanierung

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in einem Gebäude, in welchem Bestand und Neubau so zu einem neuen Ganzen zusammengefügt werden, dass die historische Substanz erlebbar und erkennbar bleibt. Die im Bestand bereits angelegte Struktur eines ortstypischen, oberösterreichischen Vierkanthofes ist bestimmender Bautyp für das neue Schulgebäude. Der zentrale Innenhof mit den umliegenden, sich auf den Hof öffnenden Praxisräumen bildet das neue, aktive Zentrum des Agrarbildungszentrums. Lediglich jene Gebäudeteile, welche sich aufgrund ihrer Struktur nicht mehr für die neue Nutzung eigneten, wurden abgebrochen. Die verbleibenden Gebäudeteile wurden sowohl bautechnisch als auch energietechnisch saniert. Den Kriterien der angestrebten Nachhaltigkeit wird durch die Verwendung von ökologischen Baumaterialien, die Minimierung von Oberflächenbehandlungen sowie die energetische Optimierung entsprochen. Durch die kompakte Gebäudehülle in Verbindung mit hervorragenden U-Werten ist es möglich, für das gesamte Gebäude (Alt- und Neubau) den Passivhausstandard zu erreichen. Während das bestehende Gebäude ca. 130 kWh/m²a an Energie benötigt hat, liegt der Bedarf jetzt bei 9,4 kWh/m²a. Das Untergeschoss befindet sich aufgrund des Geländeverlaufs hangseitig im Erdreich und besteht aus einer Stahlbetonkonstruktion, Wände und Stützen sind in Sichtqualität ausgeführt und übernehmen die statische Funktion. Der Fussboden ist als geschliffener Estrich ausgeführt und wird somit den hohen Belastungsansprüchen in 54

den hier angeordneten Praxisbereichen gerecht. Die Decke ist betoniert und erhält u.a. aus schallschutztechnischen Gründen eine abgehängte Decke aus Spaltentäfer. Sie bildet durch ihre Materialgebung das verbindende Element zu den oberen Geschossen. Im Erdgeschoss befinden sich die öffentlichen Bereiche wie Aula, Speisesaal, Mehrzwecksaal und der große Aufenthaltsbereich des Internats. Die Oberflächen von Boden, Wand und Decke werden hier vom Holz dominiert. Die Außenwände bestehen aus vorgefertigten Holzrahmenbauelementen, die mit Zellulose ausgedämmt sind. Massivholzwände übernehmen die Aussteifung, Stahlstützen und Betonverbundstützen die Lastabtragung. Die Decke über dem Erdgeschoss wird als Holzbetonverbunddecke ausgeführt und vereint die Vorteile beider Baustoffe (Brandschutz, Schallschutz, Statik). Die abgehängte Decke aus Spaltentäfer wird – wie im gesamten Gebäude – mit Schafwolle gedämmt. Im oberen Geschoss befinden sich Klassenräume, Verwaltung und Bibliothek. Das Materialkonzept des Erdgeschosses wird hier fortgesetzt. Die Dachkonstruktion besteht vorwiegend aus einer Balkendecke, in Bereichen mit großen Spannweiten werden Hohlkastenelemente verwendet. Beim Bau des Agrarbildungszentrums wird in erster Linie unbehandelte, heimische Weißtanne verwendet. Sie hat ein sehr feines, helles Holz, welches in Festigkeit und statischer Belastbarkeit der Fichte gleichwertig ist. Da die Weißtanne keine Harzgallen aufweist, ist sie nicht nur für die Außenhaut, sondern auch für den Innenausbau


Abb. 41: Schule Altm端nster mit Traunstein

Abb. 42: Speisesaal

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bestens geeignet. Durch die ausschließliche Verwendung von Tanne im gesamten Innenausbau – Wand, Decke, Boden, Möbel – prägt diese den Raumcharakter. Unbehandelt eingebaut, verströmt sie im ganzen Gebäude den angenehmen Tannenduft und trägt so ganz wesentlich zum Wohlbefinden bei. Der Neubau soll Vorbild sein für weitere Projekte mit dem Ziel der Stärkung der heimischen Landwirtschaft durch Verwendung lokal erzeugter Materialien. In Österreich produziert, ergeben sich kurze Transportwege. Bei der Herstellung, Verarbeitung bis hin zur Entsorgung wird nur wenig Energie benötigt. Holz als nachwachsender Rohstoff ist daher das Hauptmaterial in der Gebäudekonstruktion, aber auch dominierendes Material im Innenausbau. Der ganzheitliche Ansatz des Projekts und seine konsequente Umsetzung erfüllen daher alle Anforderungen an ein Projekt mit dem Ziel der „Nachhaltigkeit“. Die zentrale Wärmeerzeugung erfolgt mittels Hackgut-Biomassekessel. Dadurch ist die Verwendung von CO2-neutralem Brennmaterial aus der Region möglich. Eine Solaranlage mit 79 m² auf dem Dach unterstützt das Gesamtkonzept der Warmwasserbereitung und Raumheizung. Eine kontrollierte Be- und Entlüftung wärmt die Frischluft vor und sorgt für den notwendigen Luftaustausch, wodurch ein gesundes Raumklima in den Klassenräumen erreicht wird. Durch die Wärmerückgewinnung aus der Abluft werden die Lüftungswärmeverluste vermindert, der Wirkungsgrad der Wärmerückgewinnung liegt bei 70-85%. Ergänzend erfolgt die Beheizung mittels Heizkörper bzw. Fußbodenheizung. 56

Die Dämmung der Leitungen erfolgt gemäß den Vorgaben des „ökologischen Maßnahmenkatalogs“ und reduziert die Wärmeverluste. Zur Ergänzung des Energiekonzepts wurde auf dem Dach eine Fotovoltaikanlage mit 73 m² installiert. Ein Erdabsorber unter der Bodenplatte des Neubaus ermöglicht die Zuluftkühlung auf ökologisch und ökonomisch günstige Weise. Für die WCSpülungen wird Regenwasser verwendet. Die Schüler des Agrarbildungszentrums Salzkammergut bekommen somit nicht nur im Unterricht die Themen Ökologie, Nachhaltigkeit und Ökoenergie theoretisch vermittelt, sondern erleben selbst durch die Ausgestaltung des Schulgebäudes die Umsetzung dieser Leitbilder. Zukünftiges Handeln und Denken wird dadurch beeinflusst, die Schüler werden zum Multiplikator für weitere Entwicklungen im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit.

Josef Fink, Architekt Fink Thurnher Architekten, Bregenz



EINBLICK Abb. 43 - 46: Erste Eindr端cke von Magolsheim erhalten die Studierenden bei einem Ortsrundgang mit Magolsheimer B端rgern.

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Abb. 47 - 49: Eine intensive Presseberichterstattung überrascht und erfreut. Der gemeinsame „Dorfhock“ am Backhaus mit Kennenlernen der „Gasteltern“ heißt die Studierenden im Ort willkommen.

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Abb. 50 - 54: Gemeinsame Exkursionen, das Alltagsleben in den Gastfamilien und das Engagement der Dorfbewohner bereicherten den Arbeitsprozess w채hrend der Woche.

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DER WETTBEWERB

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ABLAUF DES WETTBEWERBS PROGRAMM UND PREISGERICHT

Die teilnehmenden Studierenden aus verschiedenen nationalen und internationalen Hochschulen sollten das Dorf Magolsheim in seinem räumlichen und sozialen Kontext analysieren und ihren Lösungsansatz für das von ihnen identifizierte Problem definieren und begründen. In hochschulübergreifenden und interdisziplinären Dreier-Gruppen erarbeiteten die Studierenden in engem Austausch mit den Akteuren und Bewohnern vor Ort erste Ideen und arbeiteten diese anhand von Plänen, Modellen und Interventionen vor Ort aus.

Sonntag, 31.08.2014 Fragerunde mit Magolsheimer Akteuren. Themenfindung und Gruppenbildung der Studierenden. Vortrag: „Neue Formen bürgerschaftlichen Engagements in kleinen Gemeinden“ von Dr. Stefan Krämer, Wüstenrot-Stiftung Ludwigsburg Montag, 01.09.2014 Konzeptfindung und individuelle Recherchen der Studierenden. Vortrag: „Wie kommt das Neue auf das Land?“ von Prof. Kerstin Gothe, KIT Dienstag, 02.09.2014 Vertiefung und Ausarbeitung der Konzepte.

ABLAUF Donnerstag, 28.08.2014 Anreise, Begrüßung und Vorstellung der Aufgabe. Vorstellung der Studierenden im PechaKucha-Format und Ortsbegehung mit Magolsheimer Bürgern. Abends „Dorfhock“ und Kennenlernen der Gasteltern. Freitag, 29.08.2014 Individuelles Erstellen eines „Bewohner-Mappings“. Exkursion und Besuch verschiedener Initiativen und Akteure der Schwäbischen Alb. Vortrag: „Landschaftswandel gestalten“ von Prof. Antje Stokman, Universität Stuttgart. Samstag, 30.08.2014 Ausarbeitung, Betreuung und Vorstellung der Bewohnerporträts. Willkommensparty des Magolsheimer Jugendclubs „Club Magolsheim“.

Mittwoch, 03.09.2014 Gemeinsame Begehung des ehemaligen Truppenübungsplatzes (TrÜP) nördlich von Magolsheim. Weitere Ausarbeitung der Konzepte. Vortrag: „Bauen im Ländlichen Raum“ von Josef Fink, Fink Thurnher Architekten, Bregenz Donnerstag, 04.09.2014 Letzter Arbeitstag und Erstellung der Präsentationspläne. Freitag, 05.09.2014 Abgabe der Pläne und Vorbereitung der öffentlichen Ausstellung. Präsentation: Vorstellung der Arbeiten vor der Jury. Beratung des Preisgerichts. Ausstellung: Öffentliche Vorstellung der Arbeiten vor der Bevölkerung und Preisverleihung durch das Preisgericht. Abschlussfest und Ausklang mit gemeinsamen Abendessen am Backhaus. 63


Abb. 55: Die teilnehmenden Studierenden am Pr채sentationstag.

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Die Jury setzte sich aus Akteuren der Region sowie den leitenden Professoren der Uni Stuttgart und des KIT zusammen. Die studentischen Arbeiten wurden am letzten Tag der Sommeruni vor der Jury präsentiert und besprochen. In einer öffentlichen Abendveranstaltung wurden alle Projekte einzeln vorgestellt und prämiert.

PREISRICHTER Prof. Antje Stokmann Universität Stuttgart Prof. Johann Jessen Universität Stuttgart Prof. Kerstin Gothe KIT Karlsruher Institut für Technologie Ulrike Böhme Künstlerin

TEILNEHMENDE STUDIERENDE Andreas Berchtold Johannes Dolp Christine Heinkel Bianca Kartmann Kathrin Köhler Aleksandar Krndija Anna Kübler Johanna Lindinger Julia Lorenz Daniela Mehlich Benjamin Michels Silke Mittnacht Johanna Moraweg Saskia Niklas Anna Oelrichs Stephan Reuter Jens Schulze Daniel Varma Verena Zeller

Ralf Straub Architekt, Hartmaier + Partner, Münsingen

BETREUER

Sabine Ruopp Ortsvorsteherin Magolsheim

Johannes Jörg Universität Stuttgart

Thomas Noack Hauptamtsleiter Stadt Münsingen

Daniela Selbmann Universität Stuttgart

Alfred Schnürch Stadtbaumeister Stadt Münsingen

Lisa Matzdorff KIT Karlsruher Institut für Technologie

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1. PREIS

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VOLLSTAND

JOHANNA LINDINGER (TU WIEN), JULIA LORENZ (UNI STUTTGART), VERENA ZELLER (HTWG KONSTANZ) Nicht „Leerstand“ sollte der Titel dieser Arbeit lauten, sondern den Blick auf die vielen Möglichkeiten lenken, die leerstehende Scheunen und Brachen im Ort bieten können. Die Studierendengruppe entwickelte mit viel Einsatz vor Ort eine „interaktive Karte“, auf der Magolsheimer Bürger Leerstände oder Teilleerstände „inserieren“ und auch abfragen können. Ziel war es, einen Diskurs im Dorf anzustoßen, der das Thema Leerstand frei und ergebnisoffen verhandeln soll.

LANDFLUCHT ODER STADTFLUCHT?

Ausgangspunkt für die Bearbeitung des Themas „Vollstand – Potentiale erkennen, gemeinsam gestalten“ ist der Wunsch der Bevölkerung nach einem neuen Neubaugebiet. Zentrale Punkte der Bearbeitung sind eine umfangreiche Analyse des Ortes unter dem Aspekt der Notwendigkeit eines Baugebietes, eine Intervention vor Ort sowie eine interaktive Karte, welche die Bevölkerung zum Nachdenken anregen und die Kommunikation des Themas anstoßen soll.

in vielen Dörfern, die Vielzahl der Scheunen und Schuppen, die durch den Wegfall der Landwirtschaft überflüssig geworden sind. Eine Betrachtung der Bewohnerstruktur und -verteilung Magolsheims zeigt, dass sich verschiedenen Alters- und Personengruppen im Zentrum bunt mischen, während sich die Erweiterungen der 70er und 90er Jahre eher homogen präsentieren. Ein kleines Szenario denkt diese Entwicklung weiter: Gebäude mit derzeit älteren Bewohnern werden leerstehen und auch die Schuppen und Scheunen innerorts werden nach und nach verfallen. Nutzt man hingegen innerörtliche Potentiale, bleibt der Ort vor Leerstand bewahrt und die gewachsene Haufendorfstruktur wird erhalten.

Unter dem Aspekt des Bevölkerungsschwunds kann es sich ein Dorf heute kaum noch erlauben, Bauwilligen keine neuen Bauplätze anzubieten. Es kommt jedoch die Frage auf, ob ein Neubaugebiet wirklich der richtige Weg für die Weiterentwicklung des Dorfes ist. Derzeit hat Magolsheim rund neun leerstehende Gebäude. Zudem gibt es innerorts eine Reihe von möglichen Flächen, die prinzipiell als Bauland dienen könnten. Die Ausweisung solcher einzelner Flächen innerhalb des bestehenden Dorfes entspräche der gewachsenen Haufentypologie des Orts und hätte eine bessere Auslastung der bestehenden Infrastruktur zur Folge. Auffällig ist, wie

Ländlicher Raum

0,8 %

Agglomerationsraum 0,6 % 0,4 % 0,2 % 0,0 % -0,2 % -0,4 % 1998

2000

2002

2004

2006

2008

Um die MagolsheimerInnen jedoch überhaupt auf das Thema aufmerksam zu machen, entschieden sich die Studentinnen zunächst für eine Intervention: der Magolsheimer „FRE!baum“. Ausgewiesen werden dadurch nicht benutzte Flächen und Räume mit Potential. Unter den Ortsansässigen soll eine Diskussion über die Hintergründe und Möglichkeiten der Bestandsgebäude und freien Grundstücke angestoßen werden um das Dorf in 67


WIE IST MAGOLSHEIM GEWACHSEN?

Stand 1841 bis 1959 1960 - 1990 ab 1990

Zukunft gemeinsam mitzugestalten. Der FRE!baum lehnt sich gestalterisch an die Tradition des Maibaums an, der einmal im Jahr feierlich in der Ortsmitte aufgestellt wird. Beim „Maien“ werden die Maibäume bei Nacht und Nebel als Gunstbeweis vor das Haus der der des Geliebten gestellt. Das „Objekt der Begierde“ ist im Fall des FRE!baums allerdings das Gebäude oder die Grundfläche selbst. Die verschiedenen Farben der Bänder verweisen auf unterschiedliche Leerstands-Kategorien. Die Materialen für die etwa einen Meter hohen Bäumchen wurden von ortsansässigen Firmen und Privatpersonen gespendet. Die Rundstahlstäbe und die aus einer in Ringe geschnittenen Metalltonne sind mit gelbem Lack überzogen. Die Signalfarbe soll für Aufmerksamkeit sorgen und ist zugleich die Leitfarbe der Sommeruni. Die um die 68

WELCHE GEBÄUDE PRÄGEN DAS ORTSBILD? ortsbildprägend sonstige

Ringe geschlungenen, verschiedenfarbigen Wollfäden stammen aus einer lokalen Textilwerkstatt. Wenn nun diese Räume genutzt, umgebaut oder (wieder-)bewohnt werden, kann der FRE!baum umgewandelt werden. Die Stange kann als Ständer dienen um beispielsweise ein Schild daran zu hängen, oder der Ring zum Türkranz umfunktioniert werden. Ganz der Tradition entsprechend wurden die Bäume in der Nacht von 2. zum 3. September installiert. Die Installation erfuhr somit schon im Vorfeld der Abschlusspräsentationen seitens der DorfbewohnerInnen Interesse. Nachdem die FRE!bäume auf die verschiedenen Wohnflächenpotenziale in Magolsheim aufmerksam machten, stellte sich die Frage nach dem „was bleibt“. Die Studentinnen entwickelten dafür eine interaktive Karte mit dem Titel „Stand


WO BEFINDET SICH MÖGLICHES BAULAND IM ORT? Flächenpotenzial

der Dinge - eine interaktive Karte von Magolsheim für Magolsheim“. Diese Karte zeigt Magolsheim im großen Maßstab, daneben wurden Zettel zu den verschiedenen Kategorien angebracht, die bereits bei den FRE!bäumen angewandt wurden. Absicht der interaktiven Karte ist der Austausch und die Vervollständigung von Informationen zum Thema Wohnflächenpotenziale in Magolsheim. Die Bewohner mit ihrem Wunsch nach einem „dringend notwendigen“ Neubaugebiet sollen zum Nachdenken darüber angeregt werden, ob nicht zugunsten freier Flächen im Ortskern oder leerstehender Gebäude auf neue Bauplätze verzichtet werden kann und ob nicht beispielsweise der Umbau eines alten Bauernhauses eine Alternative zu einem Neubau darstellen kann. Die Karte soll an einem öffentlichen Ort, wie z.B.

WIEVIELE SCHEUNEN BRAUCHT MAGOLSHEIM? Schuppen / Scheunen Wohngebäude

dem Bürgerzentrum oder auch dem Rathaus angebracht werden und so für jedermann zugänglich sein. Jede/r MagolsheimerIn und NichtMagolsheimerIn, der/die eine Information zu einem Gebäude oder einer Fläche im Ort hat oder sucht, kann nun einen Zettel der entsprechenden Kategorie ausfüllen und am jeweiligen Gebäude auf der Karte anbringen oder vorhandene Zettel nach einer geeigneten Information durchsuchen. Durch Stecknadeln sind alle Aussagen austauschoder ergänzbar, so dass die Karte sich in ständigem Wandel befindet. Bestenfalls, so hoffen es die Bearbeiterinnen, wird aus dem Leerstand in Magolsheim eines Tages ein Vollstand.

Jurykommentar: „Die Gruppe hat die Flächenpotenziale im Dorf sehr gründlich und mit Gespür 69


KARTIERUNG DER INTERVENTIONEN

Flächenpotenzial unbewohnt / ungenutzt dorfbildprägend / historisch wertvoll Nutzungsbeispiel teilweise unbewohnt

DIE „FRE!BÄUME“

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für die örtlichen Diskussionen und Fragen erhoben. („Wie viele Scheunen braucht Magolsheim?“) und übersichtlich dargestellt. Auch die Idee, Magolsheims Zukunftsfähigkeit über Indikatoren zu messen und vergleichend darzustellen, wird gewürdigt. Die Arbeit geht aber über diese planerische Aufbereitung hinaus: die Autorinnen sind sich bewusst, dass nicht sie als Planer, sondern die Bewohner und Eigentümer definieren müssen, was Leerstand ist, dass sie gebraucht werden, um „Vollstand“, also vollständige Information über die Potenziale im Dorf zu erreichen. Daher verbinden sie ihre Analyse mit einem Eingriff und installieren über Nacht einen FREIBAUM. Sie knüpfen verschmitzt mit dieser Idee an die Tradition des Maibaumes an, der häufig im Garten der Liebsten aufgestellt wird, mit dem Unterschied, dass das Objekt der Begierde das Gebäude, das Grundstück ist, vor dem er aufgestellt wird. Mit diesem Eingriff möchten sie neugierig machen, zum Gespräch anregen, Fragen stellen ohne schon Antworten zu geben und sowohl auf gute Nutzungsbeispiele hinweisen als auch die Diskussion um Leerstand und Unternutzung anregen. Der FREIBAUM ist als positiv konnotiertes Symbol bewusst gewählt, um die Leerstände nicht zu stigmatisieren. Sie entwickeln weiterhin eine interaktive Karte zum „Stand der Dinge“, die diesem Denkprozess und dem aus ihm folgenden Dialog einen Rahmen gibt: Sie soll an zentraler Stelle im Ort hängen und wird von den Bewohnern des Ortes bestückt: jeder darf hier Gebäude als „Leerstand“ oder Flächen als „Potenzial“ kennzeichnen. Das kann im Einzelfall zu Kontroversen oder Verstimmungen führen, aber eben auch zu Möglichkeiten, im Ort

zu bauen oder umzubauen, die vorher niemand für möglich gehalten hätte. Es braucht Mut, dieses Instrument anzuwenden und Vertrauen in die Dialogfähigkeit eines Ortes. Beides wird in Magolsheim für möglich gehalten. Insgesamt besticht die Arbeit durch die kluge Kombination klassischer Planung und der Gestaltung von Dialogen.“

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2. PREIS

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(H)ALBZEIT

KATHRIN KÖHLER (KIT), SASKIA NIKLAS (UNI STUTTGART), ANNA OELRICHS (UNI STUTTGART) Mit konkreten Wohnmodellen für das Landleben der Zukunft beschäftigte sich die Gruppe (H)Albzeit. Die vorhandenen Raumund Gebäudestrukturen stehen in immer größerem Kontrast zu den Bedürfnissen neuer Generationen, zunehmender Mobilität und Trends wie der Virtualisierung der Lebensstile. Die Bearbeiterinnen des Projekts (H)Albzeit untersuchten diese neuen Lebensstile und entwarfen ihre räumlichen Entsprechungen in Form eines spielerisch konzipierten Quartetts. Auf den ersten Blick ist Magolsheim ein idyllisches Dörfchen auf der Schwäbischen Alb, es gibt wenig Leerstand, man kennt sich und die Bewohner beteiligen sich rege am Vereinsleben. Doch hört man genauer hin, so hängt für viele Einwohner der Fortbestand dieses intakten Dorflebens von der Errichtung eines Neubaugebietes ab. Es wird befürchtet, dass ohne ein Neubaugebiet die Ab-

wanderung der jüngeren Generation droht und Leuten, die nach Magolsheim ziehen wollen, kein adäquater Bauplatz zur Verfügung gestellt werden kann. Die Studentinnen fragten sich, ob es nicht sinnvoller sei, die im Inneren des Dorfes bestehenden Potenziale zu nutzen. Die bestehenden Neubaugebiete in Magolsheim lassen sich mit einem Blick auf die Karte sofort identifizieren. Sie liegen im Süden und Westen des Dorfes und wurden in den 1970er und 90er Jahren errichtetet. Hierher zogen damals junge Familien, von denen heute oft nur noch die Eltern im Haus wohnen. In den kommenden Jahren wird sich bei vielen dieser Häuser die Frage nach einer Weiternutzung stellen. Ähnlich könnte es im Dorfzentrum ablaufen, in dem schon heute einige Häuser leer stehen. Mit der Ausweisung eines Neubaugebietes droht deshalb der weitere Zerfall des Ortszentrums. Mit diesen Überlegungen im Hinterkopf scheint es sinnvoll, intelligente Umbaumaßnahmen im Dorfkern vorzuziehen.

DORFSTRUKTUR: NEUBAUGEBIETE VS. INNENENTWICKLUNG? Dorfentwicklung am Ortsrand verbraucht mehr Fläche und Ressourcen als Innenentwicklung

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auf Probe Ge le

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FLÄCHENRESSOURCEN UND NUTZERPORTRÄTS

Freiflächen

Freiflächen

Gebäude

Gebäude

Gebäude landwirtschaftliche Nutzung

Gebäude landwirtschaftliche Nutzung

Teilgebäude

Teilgebäude

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Hühnerpatenschaft im Nachbarschaftsgarten Der Landwirt auf Probe beteiligt sich an gemeinschaftlichen Einrichtungen, wie dem Nachbarschaftsgarten oder der Versorgung von Hühnern, um das Leben auf dem Land zu erproben. In authentischer Wohnumgebung siedelt er sich in einem bestehenden Gebäude an.

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Ferienwohnung auf dem Land Als Ausgleich zum Stadtleben zieht es den den Gelegenheitsälbler zeitweise aufs Land, wo er das Dorfleben in vollen Zügen genießen und erleben möchte. Ein umgebauter Bauernhof bietet hierfür den idealen Platz.

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Freiflächen Gebäude Gebäude landwirtschaftliche Nutzung Teilgebäude

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Wohnen im Eigenheim Im Familienverbund baut sich der Nesthocker sein Eigenheim in ein bestehendes Gebäude hinein oder nutzt eine Freifläche, um sein Traum vom Eigenheim zu verwirklichen.

Freiflächen Gebäude Gebäude landwirtschaftliche Nutzung Teilgebäude

Haus für drei Brüder Mehrere Häuslebauer tun sich in einer Art Baugemeinschaft zusammen und bauen gemeinschaftlich ein Mehrfamilienhaus auf eine vorhandene ungenutzte Freifläche. 74


ne

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Die Arbeit führt exemplarisch

Bu si

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Nutzertypen mit Nutzungskategorien an verschiedenen Stellen im Ort

Freiflächen

Gebäude

Gebäude

Gebäude landwirtschaftliche Nutzung

Gebäude landwirtschaftliche Nutzung

Teilgebäude

Teilgebäude

Wohnen und Arbeiten unter einem Dach Immer häufiger können Arbeiten unabhängig vom Ort durchgeführt werden. Der Businessdörfler, sowie die Dorfromantiker zieht es aufs Land, um dort zu Wohnen, Arbeiten und zu Leben.

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zusammen. Freiflächen

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Freiflächen Gebäude Gebäude landwirtschaftliche Nutzung

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Teilgebäude

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Freiflächen

Selbstverwirklichung auf dem Land Den Landvisionär zieht es wegen der Möglichkeit zur Selbstverwirklichung aufs Land. Er nutzt die vorhandene Bausubstanz um seinen eigenen Traum vom Arbeiten, Wohnen und Leben zu verwirklichen.

Gebäude Gebäude landwirtschaftliche Nutzung Teilgebäude

Nachwuchs-WG Zusammen mit anderen Nestflüchtern baut er ein vorhandenes Wohngebäude um und wohnt dortFreiflächen zusammen mit ihnen in einer Wohngemeinschaft. Gebäude Gebäude landwirtschaftliche Nutzung

Ak ti

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Freiflächen

R

e n t n er

Teilgebäude

Wohnen im Altenteil Aktive Rentner, für die ihre bisherige Wohnsituation nicht mehr angemessen ist, können z.B in ein Mehrgenerationenhaus umziehen.

Freiflächen Leerstehendes Gebäude Gebäude mit landwirtschaftlicher Nutzung Untergenutzte Gebäude

Gebäude Gebäude landwirtschaftliche Nutzung Teilgebäude

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RAUMRESSOURCEN Der Recycling-Hof

Architektonischer Leuchtturm

erhaltenswerte Bausubstanz • zeitgemässe Grundrisse • ansprechende Architektur Dorfromanze

Emanzipierte Scheune

Recycling-Hof

Wohnmaschine

Aufsattler

Eindringling

Platzhalter

Die Bauherrschaft erreicht das letzte Drittel des Lebens. Die Kinder ziehen aus, es verbleibt ein aktives Paar, das auf ein Netzwerk an guten Nachbarn nicht verzichten will. Sie wünschen sich einen Lebens- und Arbeitsraum, in dem sie aktiv alt werden können. Gemeinsam ist ihnen der Hang zur Ordnung, zum Einfachen. Der Umfang des bisherigen Hausstandes nimmt ab, der Wohnraum passt sich dem an, ist flexibel aufteilbar und barrierefrei. Die Materialien sollen natürlich und gut zu recyceln sein, der Energiebedarf des Gebäudes optimiert werden.

Die Wohnmaschine

Architektonischer Leuchtturm

Dorfromanze

Das schwäbische „gestelzte Quereinhaus“ Zweigeschossiger verputzter Fachwerkbau auf massivem Sockelgeschoss mit grossem Scheunenteil und Wohnräumen über den Wirtschaftsräumen.

großes Bestandsvolumen • Aufsplitten in mehrere Wohneinheiten Emanzipierte Scheune

Recycling-Hof

Wohnmaschine

Aufsattler

Eindringling

Platzhalter

Die Bauherrschaft erreicht das letzte Drittel des Lebens. Die Kinder ziehen aus, es verbleibt ein aktives Paar, das auf ein Netzwerk an guten Nachbarn nicht verzichten will. Sie wünschen sich einen Lebens- und Arbeitsraum, in dem sie aktiv alt werden können. Gemeinsam ist ihnen der Hang zur Ordnung, zum Einfachen. Der Umfang des bisherigen Hausstandes nimmt ab, der Wohnraum passt sich dem an, ist flexibel aufteilbar und barrierefrei. Die Materialien sollen natürlich und gut zu recyceln sein, der Energiebedarf des Gebäudes optimiert werden.

Das schwäbische „gestelzte Quereinhaus“ Zweigeschossiger verputzter Fachwerkbau auf massivem Sockelgeschoss mit grossem Scheunenteil und Wohnräumen über den Wirtschaftsräumen.

Emanzipierte Scheune Ersatzbau mit zeitgemässer Architektur • Anlehnung an typische Bauformen Architektonischer Leuchtturm

Platzhalter

Dorfromanze

Emanzipierte Scheune

Recycling-Hof

Wohnmaschine

Aufsattler

Eindringling Die Bauherrschaft erreicht das letzte Drittel des Lebens. Die Kinder ziehen aus, es verbleibt ein aktives Paar, das auf ein Netzwerk an guten Nachbarn nicht verzichten will. Sie wünschen sich einen Lebens- und Arbeitsraum, in dem sie aktiv alt werden können. Gemeinsam ist ihnen der Hang zur Ordnung, zum Einfachen. Der Umfang des bisherigen Hausstandes nimmt ab, der Wohnraum passt sich dem an, ist flexibel aufteilbar und barrierefrei. Die Materialien sollen natürlich und gut zu recyceln sein, der Energiebedarf des Gebäudes optimiert werden.

Beispielhaft werden leerstehende oder unterge-

Das schwäbische „gestelzte Quereinhaus“

nutzte Gebäude

Zweigeschossiger verputzter Fachwerkbau auf massivem Sockelgeschoss mit grossem Scheunenteil und Wohnräumen über den Wirtschaftsräumen.

transformiert.

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Ein Angebot an neuen und vielfältigen Wohnformen kann dazu beitragen, Magolsheim für neue und gerade auch junge Leute attraktiv zu machen. Dies bietet die Chance, das Ortsbild Magolsheims zu stärken und das ausgeprägte Gemeinschaftsgefühl im Ort auch weiterhin zu erhalten und durch neue Einflüsse zu stärken. Die Grundlage für eine positive Entwicklung des Dorfes sind die vorhandenen und potenziellen Bewohner wie beispielsweise „aktive Rentner“, „Häuslebauer“ oder „Nestflüchter“. Sie wohnen heute schon im Dorf, brauchen aber eventuell zukünftig neuen Wohnraum, so z.B. die „aktiven Rentner“ denen ihr jetziges Haus zu groß wird. Neue Bewohner Magolsheims sind beispielsweise der „Landwirt auf Probe“, der das Leben auf dem Lande ausprobieren möchte oder „Gelegenheitsälbler“, die Urlaub auf dem Land machen. In dieser Art wurden vorhandene und potenzielle Nutzer analysiert und in Steckbriefen festgehalten, welche Ansprüche sie an ihren Wohnraum haben. In einem zweiten Schritt wurde untersucht, welche Flächenressourcen es innerhalb der Dorfstruktur gibt. Hier wurden vier Kategorien unterschieden: Freiflächen, Wohngebäude, Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie untergenutzte Gebäude. Im dritten Schritt wurden die angelegten Nutzerprofile mit den potenziellen Flächen überlagert und mögliche Kombinationen vorgeschlagen. So können beispielsweise der „Landwirt auf Probe“ und die „Gelegenheitsälbler“ gemeinsam auf einem umgebauten Bauernhof ihren Platz finden, auf dem sie gemeinsam zur Miete wohnen. Oder der „Nestflüchter“ zieht zusammen mit den „Dorfromantikern“ und dem „Business-Dörfler“ in ein leerstehendes Gebäude, in dem sie mehrere Wohnungen unterbringen. In Form von Quartett-

karten wurden diese Beispiele an die Bewohner verteilt. Sie sollen ihnen als Anregung für neue Wohnideen dienen. Auf einem freien Bauplatz zu bauen, hat vor allem praktische Vorteile. So kann dort sofort gebaut werden und genau nach den eigenen Wünschen. Innerhalb des Dorfes Häuser umzunutzen, zu teilen oder zu erweitern bedeutet einen Mehraufwand. Die vorhandenen Häuser wurden zu einer Zeit gebaut, in der andere Ansprüche an Belichtung, Zimmerhöhe und Energiebilanz herrschten und fordern eine intelligente Planung. Um den Bewohnern einen Anreiz zu geben, diese Gebäude weiter zu nutzen wurden insgesamt sieben Beispiele für eine Umnutzung von Bestandsgebäuden erarbeitet. So wird z. B. aus einem leerstehenden Haus die „Wohnmaschine“, indem das Haus saniert wird und aus einem Haus mehrere Wohnungen gemacht werden oder durch den „Platzhalter“, bei dem ein Leerstand als mobile Infrastruktur temporär nutzbar gemacht wird. Zusätzlich zu engagierten Bürgern bedarf es zum Gelingen dieses Konzepts auch einer Förderung durch den Ortsvorstand und die Gemeinde. Neben Maßnahmen wie die „Stand-der-Dinge-Karte“, welche die Gruppe „Vollstand“ einführen will, sollte innerhalb des Ortes durch Veranstaltungen, wie beispielsweise Diskussionsrunden zur Zukunft des Dorfes, immer wieder auf die aktuelle Entwicklung der Dorfstruktur und des Gebäudebestandes aufmerksam gemacht werden. Zusätzlich könnten durch die Gemeinde Leerstände aufgekauft werden, bei denen dringender Handlungsbedarf besteht und auf diesen durch Veranstaltungen aufmerksam gemacht werden. Auch die gewünschte Entwicklung des Dorfes 77


kann in Bauvorschriften oder Satzungen geregelt werden. Darüber hinaus könnte durch eine Verkaufsverpflichtung festgelegt werden, dass Gebäude innerhalb einer bestimmten Frist verkauft werden müssen um anhaltendem Leerstand im Dorf vorzubeugen.

Spielkarten zeigen Nutzerprofile und Du bist

können spielerisch

Aktiver Rentner

den transformierten Wir wollen das Dorfleben genießen und uns aktiv daran beteiligen.

Objekten zugeordnet werden.

Name........................Ingrid und Franz Alter...................................78 und 80 Budget.........................Mittlere Rente Wohngröße..............................80 m² Wohnform..........................Eigentum Suchen.........................WOHNUNG

Jurykommentar: „Die Arbeit reflektiert die unterschiedlichen Lebensstile, welche die Gruppe im Laufe der Woche im Dorf kennengelernt haben. Sie verdichtet sie intelligent und stellt sie spielerisch auf Spielkarten dar. Ebenso verdichten sie die Angebote an (potenziellem) Wohnraum bzw. an Flächen im Dorfinnern zu Kategorien. Allein schon diese Gegenüberstellung von Angeboten und Nachfragen ist ein wichtiger Analyseschritt, der

ZWEI MÖGLICHE ENTWICKLUNGSSZENARIEN

bleibender Leerstand Durch einen Wasserschaden sinkt der Wert des Hofes. Die Eigenümer beharren auf ihrem hohen Verkaufspreis. Es findet sich kein Käufer, das Gebäude bleibt leer.

Zwei Szenarien ver-

Nutzung als Hof

Leerstand

Bis zu seiner Teilung war der Hof der größte in Magolsheim.

Nach dem Tod der Bewohner steht das Gebäude mehr als zehn Jahre leer.

deutlichen die mögliche Entwicklung des Dorfes. Werden keine innovativen Lösungen (unten) in

nach 1 Jahr

„Ein Herz für Magolsheim“ Vermehrt stehen Gebäude im Magolsheimer Dorfkern leer. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken gründet sich der Arbeitskreis „Ein Herz für Magolsheim“ aus ehrenamtlichen Bürgern und Mitgliedern der Gemeinde.

Betracht gezogen, steht den meisten Gebäuden der Abriss bevor (oben).

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Anlass für innovative Diskussionen und Reflexionen in der Bevölkerung Magolsheims geben kann. Die Arbeit geht aber einen Schritt weiter: Sie verbindet die Raum-Angebote bzw. Raum-Potenziale mit der Nachfrage und sucht quasi für jeden Wohnwunsch, für jede Wohnvorstellung ein oder mehrere Wohnmöglichkeiten in Magolsheim und sie veranschaulicht die Umbau-Potenziale durch beispielhafte Abbildungen, in denen sie Fotos von vorhandenen Gebäuden und ihrem Umfeld bearbeiten. Dadurch machen sie klar, dass zukunftsfähiges Wohnen und Arbeiten auf dem Lande die vorhandene Bausubstanz zwar zum Ausgangspunkt nimmt, aber doch in moderne Formen zu transformieren vermag. Auch Vorschläge zur Organisation werden gemacht wie die Idee, das Mehrgenerationenwohnen als Genos-

senschaft zu organisieren und Gebäude im Dorf genossenschaftlich zu bewirtschaften und zu erneuern. Die Arbeit ist sehr professionell aufbereitet und vermittelt ihr Anliegen klar, differenziert und anschaulich. Die Bearbeiterinnen strukturieren komplexe Zusammenhänge und haben die Dynamik vor Ort aufmerksam beobachtet und folgerichtig analysiert. Sie organisieren systematisch auch Lösungen für Wünsche, die vielleicht noch gar nicht bewusst sind, bzw. solche, die eher für Außenstehende, als für die Dorfbewohner selbst interessant sind. Kritisch wurde in der Jury diskutiert, ob die Nutzertypen nicht etwas klischeehaft ausgefallen sind.“

Baufällige Gebäude

Abriss

Der jahrelange Leerstand hat den Hof baufällig werden lassen. Wegen drohender Einsturzgefahr muss das Gebäude durch einen Bauzaun abgesichert werden.

Da weiterhin keine Sanierungsmaßnahmen für das baufällig gewordene Gebäude ergriffen werden, muss ein Zwangsabriss durchgeführt werden.

nach 2 Jahren

nach 5 Jahren

nach 6 Jahren

Der Eindringling

Mehrgenerationenhaus

Wohnen im Altenteil

Als erste Aktion des Arbeitskreises, wird der „Platzhalter“ an das Bestandsgebäude angeschlossen, um eine temporäre Nutzung des Gebäudes zu ermöglichen. Es können kleinere Veranstaltungen durchgeführt werden, um Geld für die Sanierung zu sammeln. Zusätzlich wird ein Antrag für das Förderprogramm des Bundes „Mehrgenerationenhaus“ gestellt.

Es entsteht ein neues Mehrgenerationenhaus, mit einem Hauptteil für altengerechtes Wohnen. Neben barrierefreien Wohnräumen für betreuungsbedürftige Magolsheimer, bietet das Gebäude eine großzügige Cafeteria, die von allen Anwohnern als öffentlicher Treffpunkt genutzt wird.

Betreuungsbedürftige Magolsheimer, können sich durch den Verkauf von Teilen ihres Eigenheims Wohnraum in dem Mehrgenerationenhaus sichern. Durch die integrierte öffentliche Nutzung stehen sie in engem Austausch mit der jüngeren Generation und werden am aktiven Dorfleben beteiligt.

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3. PREIS

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ZWEI WELTEN VERBINDEN

JOHANNA MORAWEG (HOCHSCHULE GEISENHEIM), SILKE MITTNACHT (UNI STUTTGART), ANDREAS BERCHTOLD (HFT STUTTGART) Magolsheim liegt mit etwa 400 Einwohnern südlich des Gutsbezirks Münsingen im Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Durch die Nähe zum ehemaligen Truppenübungsplatz (TrÜP), der sich im Süden des Biosphärenreservats befindet, und dessen militärische Nutzung wurde Magolsheim in vielfältiger Weise geprägt. Dennoch hat das Areal heute nahezu den Status eines weißen Flecks auf der Landkarte, da ortsnahe Zugänge fehlen. Die Arbeit dieser drei StudentInnen versucht, sich diesem Thema zu nähern und ein Konzept für die zukünftige Beziehung von Magolsheim und dem ehemaligen Truppenübungsplatz vorzuschlagen. Das Konzept des Biosphärengebiets Schwäbische Alb ist in das UNESCO-Programm „Der Mensch und die Biosphäre“ eingebettet. Dadurch soll der Schutz und die Nutzung der natürlichen Ressourcen gewährleistet und die Kulturlandschaft bewahrt werden. Im Vordergrund steht der Umgang des Menschen mit der Natur. Das Herzstück des Biosphärengebiets ist der ca. 65 km² umfassende Gutsbezirk Münsingen mit dem ehemaligen Truppenübungsplatz (TrÜP). Der TrÜP wurde 1895 durch die Militärverwaltung Württembergs eingerichtet und bis 2005 militärisch genutzt. Heute kann das Areal nur über wenige ausgewiesene Wege frei, beziehungsweise mit sogenannten TrÜP-Guides, auf ausgewählten Wegen betreten werden. Eine paradoxe Situation ergibt sich aus dem Tatbestand, dass die Zugänglichkeit für Magolsheimer während der militärischen Nutzung höher war als sie heute ist. Daraus leitet sich die Konzeptidee des Entwurfs für die verbesserte Zugänglichkeit ab. Hauptbaustein des Konzeptes ist das Magolshei-

mer TrÜP-Zentum, welches als Teil des Biosphärengebiets für Besucher den Ausganspunkt zum Erkunden der Landschaft darstellt. Es können verschiedene Angebote entstehen, um den TrÜP auf besondere Weise zu erkunden. Hierbei sollen Alleinstellungsmerkmale entwickelt werden, die den Magolsheimer Zugang von denen der umgebenden Orte abhebt. Voraussetzung für dieses Vorhaben ist die Öffnung des zurzeit gesperrten Geländes. Ein Wegekonzept mit ausgewogener Nutzungsintensität, das den gesamten Gutsbezirk erschließt, ist Teil der Arbeit. So wäre es den Magolsheimern erstmals möglich, mit dem Rad nach Münsingen zu gelangen. Einem markanten Punkt soll eine größere Bedeutung zugewiesen werden: Der Aussichtspunkt am Wasserbehälter. Hier wird eine Plattform installiert, die einen 360°-Blick über die Kuppenalb mit ihren Wacholderheiden bis hin zu den bewirtschafteten Feldern bei Magolsheim ermöglicht. Auf der Aussichtsplattform am Wasserbehälter verbinden sich beide Welten durch den direkten Blickkontakt und werden erlebbar. Eine Streuobstallee führt ab dem Ortsrand bis zum neugeschaffenen Eingang an den TrÜP heran. Hier läuft der Besucher durch einen dicht bepflanzten Gehölzgürtel wie durch ein Tor hindurch auf die Panzerringstraße, an der sich ein zweiteiliger Pavillon, das TrÜP-Zentrum, befindet. Zwischen den beiden Gebäudeteilen gelangt man auf eine Terrasse, von der aus sich der Blick auf die zweite, vormals verschlossene Welt öffnet. Dafür müssen zuvor Gehölze entfernt werden, welche beim Bau des Holzpavillons verwendet werden können. Das TrÜP-Zentrum enthält in einem Teil des Pavillons eine Fahrradstation, an der Fahrräder und E-Bikes ausgeliehen und aufgeladen werden können. Der Strom kann durch eine Pho81


tovoltaikanlage gewonnen werden. Am Info-Point im anderen Teil des Pavillons können Audiogeräte ausgeliehen oder die App zum Erkunden des TrÜPs heruntergeladen werden. Zusätzliches Material wie Karten und Broschüren sollen hier auch angeboten werden. ENTWICKLUNG DER ZUGANGSSITUATION DES TRÜP

Räumliche Grenzen und Verbindungen des TrÜPs mit seiner Umgebung

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Jurykommentar: „Die Studierenden greifen ein nicht nur für Magolsheim, sondern für die gesamte Region sehr wichtiges Thema auf: die Beziehung zwischen dem ehemaligen Truppenübungsplatz und Kerngebiet des Biosphärengebiets Schwäbische Alb und seinen umgebenden Gemeinden und Landschaftsräumen. Die Arbeit zeichnet die Geschichte der besonderen Beziehung Magolsheims und seiner Bewohner mit diesem Gebiet nach und arbeitet das sich daraus ergebende Dilemma heraus: Während nach der Schließung des Truppenübungsplatzes die Orte im Südwesten und Norden von der Öffnung des Geländes profitierten, blieb Magolsheim davon abgeschnitten. Und das, obwohl auf der Gemarkung Magolsheim die Grenze des TrÜPs eine außerordentliche Besonderheit darstellt: Hier verläuft die Grenze zwischen der Höhen- und der Kuppenalb, von der aus sich einmalige Blickbeziehungen in beide „Welten“ des TrÜPs ergeben. Folgerichtig schlägt die Gruppe die Schaffung eines Zugangs und die Errichtung eines neuen TrÜP-Zentrums vor, als Ausgangspunkt für ein innovatives Mobilitätskonzept zur Erkundung des Gebiets auf vorgegebenen Routen und für den Verleih von Audio-Guides. Die Arbeit besticht durch den Brückenschlag des großräumlichen Maßstabs einer Landschaftsentwicklungsvision für den gesamten TrÜP mit dem architektonischen Maßstab eines des TrÜP-Zentrums Magolsheims, als Eingangssituation und Tor zwischen zwei Welten. Diese Vision erscheint tragfähig und zukunftsweisend, sie geht auf die Geschichte und lokalen Besonderheiten ein, wägt die komplexen Restriktionen ab und präsentiert einen konkreten und mutigen Vorschlag zur Öffnung des südlichen TrÜPs, von dem nicht nur die Magolsheimer profitieren würden.“


DER TRÜP – “MASTERPLAN“

Maßnahmen und Umsetzung des neuen TrÜPZugangs bei Magolsheim

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ANERKENNUNG

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DIE STRASSE BLEIBT IM DORF! BIANCA KARTMANN (KIT), DANIELA MEHLICH (TU BERLIN), JENS SCHULZE (BAUHAUS-UNIVERSITÄT WEIMAR) Eine Umgehungsstraße für Magolsheim ist - trotz nie zustande gekommener Umsetzung - immer noch Gesprächsstoff im Dorf. Eine Studierendengruppe griff das Thema auf und erzählte in Form eines aus der Zukunft zurückblickenden Reports, wie eine Bürgerinitiative in Magolsheim „damals“ im Jahr 2014 den Anstoß dazu gab, die Hälfte der Gelder für das Umgehungsstraßenprojekt stattdessen in die Aufwertung der DorfDurchgangsstraße und der angrenzenden Gebäude zu investieren. Infolge dieser Maßnahme wurde Magolsheim in dieser Vision der Studierenden 2014 „als Modelldorf für eine zukunftsweisende, bewohnerinitiierte Dorfentwicklung“ ausgezeichnet. Das starke Verkehrsaufkommen auf der Hauptstraße habe in den vergangenen Jahren nicht nur verstärkt zu Leerstand entlang der Straße geführt, sondern auch das Selbstbild des Dorfes und die Wahrnehmung Magolsheims von außen negativ beeinflusst. In Zukunft soll sich das Dorf an der neugestalteten und belebten Hauptstraße von seiner besten Seite zeigen: Gezielte verkehrsplanerische und bauliche Eingriffe entlang der Durchfahrtsstraße und im Dorfzentrum bilden die Grundlage für einen sicheren Verkehrsraum, eine Stärkung des öffentlichen Raums und somit auch der innerdörflichen Kommunikation – und sollen damit eine Katalysatorwirkung auf die weitere Dorfentwicklung haben. Ein Förderprogramm soll gezielt Gewerbe an der Magolsheimer Hauptstraße ansiedeln. Die autogerechte Hauptstraße wird zugunsten einer Fahrbahn im Mischprinzip und eines attraktiven Straßenraums zurückgebaut: Von Ortsschild zu Ortsschild wird die von vielen Ma-

golsheimern geforderte Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h eingeführt. Außerdem werden Straße und Gehweg nivelliert – Fußgänger- und Radfahrerbereich sind nur noch optisch durch einen Materialwechsel von der Straße getrennt. Dies soll die Aufmerksamkeit und die Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer erhöhen. Auch die Querverbindungen über die Hauptstraße werden durch farbige Markierungen sichtbar gemacht, um ein sicheres Kreuzen zu ermöglichen. Das historische und räumliche Zentrum Magolsheims mit Feuerwehr- und Backhaus liegt zwischen der Hauptstraße und der ehemaligen Hüle und wird räumlich als stark fragmentiert wahrgenommen. Der neue Dorfplatz erstreckt sich nach der vorgeschlagenen Umgestaltung über die Straße hinweg – das Zentrum Magolsheims ist nun auch für Passanten erkennbar. Gleichzeitig reduziert diese Maßnahme auch die Durchfahrtsgeschwindigkeit zur Dorfmitte hin. Im Jahr 2015 soll laut den Verfassern im ehemaligen Gefrierhaus als symbolische Markierung der Dorfmitte auch die gemeinschaftlich betriebene Kneipe ‚Zur Gefriere’ eröffnen: Mehrere örtliche Vereine schließen sich hierfür zusammen und bauen das zuvor als Lager genutzte Gebäude zu einer kleinen Schänke aus. Die Kneipe soll regelmäßig die Fenster öffnen; den Ausschank übernehmen im Rotationsprinzip Förderverein, Musikverein, Obst- und Gartenbauverein und die Freiwillige Feuerwehr. Zusätzlich soll ein Förderprogramm mit dem Ziel starten, bereits im Dorf ansässige Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe an die Hauptstraße umzusiedeln. Erreicht werden soll damit nicht nur eine Reaktiverung alter Leerstände, sondern auch die Umwandlung wenig genutzter Scheunen in 85


Gewerberäume mit Außenwirkung. Dies könne auch Gewerbetreibende aus der Umgebung überzeugen, sich an der Magolsheimer Hauptstraße niederzulassen. Die Bündelung von Geschäften entlang der Straße belebt die Hauptstraße – und schafft neue Aufenthaltsqualitäten.

schlagen sie ein ganzes Bündel von Einzelmaßnahmen für die Ortsdurchfahrt auf ganzer Länge vor: Geschwindigkeitsbegrenzung, Umgestaltung des Straßenprofils mit Einführung eines Mischprinzips, deutliche Markierung von Querungen und Neugestaltung des Dorfzentrums. Durch die Aufwertung des Straßenraums und die Verbesserung der Aufenthaltsqualität erwarten die Studierenden auch, dass frühere Nutzungen - wie etwa das Wirtshaus - an die Dorfstraße zurückkehren und dass das Dorf sein „Gesicht“ wieder der Ortsdurchfahrt zuwendet. Sie soll wieder der lebendige Mittelpunkt des Dorfes werden. Die Jury hält den Kern des Vorschlages, die Ortsdurchfahrt umzugestalten, um so den Verkehr zu verlangsamen, statt diesen durch eine Umgehung

Jurykommentar: „Der Beitrag schlägt vor, die Ortsdurchfahrt von Magolsheim aufzuwerten. Dabei gehen die Studierenden davon aus, dass die von den Dorfbewohnern bislang geforderte Nordumgehung von Magolsheim nicht realisiert wird. Sie argumentieren, dass diese Forderung nicht nur unrealistisch sei, sondern dass eine Umgehungsstraße für Magolsheim mehr Nach- als Vorteile hätte. Damit diese Vorteile zur Geltung kommen,

Geschwindigkeitsregulierung 1  Abbremsen von 100 km/h auf 30 km/h ab Ortsschild 2  max. 30 km/h auf gesamter Ortsdurchfahrt

Verringerte Lärmbelästigung

Erhöhte Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer

Markierung des Dorfzentrums 1  Fahrbahnverengung im Dorfzentrum 2  Ausdehnung des Dorfplatzes auf die Fahrbahn

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Geschwindigkeitsdämpfende Wirkung

Verbesserte Wahrnehmung des Dorfzentrum

Vorrang für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer


Eine Vogelschau

gänzlich herauszunehmen, für sehr richtig und wichtig. Auch sieht sie die meisten der vorgeschlagenen Maßnahmen als geeignet an, das Ziel der Verkehrsberuhigung und Aufwertung des Dorfzentrums zu erreichen. Allerdings sind Zweifel geboten, ob hierfür ein Umbau der Straße auf ganzer Länge im Mischprinzip tatsächlich nötig ist. Die Jury hätte sich gewünscht, dass die Studierenden die Argumentation für ihren Vorschlag etwas systematischer aufbereitet und außerdem noch mit einigen Schnitten durch die Straßenprofile und Skizzen verdeutlicht hätten, wie sie sich die zukünftige Umgestaltung der Dorfstraße vorstellen. Die Darstellung der Ideen in Form eines Rückblicks aus dem Jahr 2020 ist positiv hervorzuheben.“

auf die Dorfstraße im Jahr 2020 zeigt die durchgeführten Maßnahmen im Gesamtbild.

Fahrbahn im Mischprinzip 1  Nivellierung zweckgebundener Verkehrsflächen und

zusammenhängende Gestaltung

2  Integration des ÖPNV (Bushaltestelle auf Fahrbahn)

Irritation führt zu vorsichtigem Fahrverhalten

Markierung von Querungen 1  Visuelle Markierung der Wegebeziehungen im Ort

Farbiger Straßenbe-

Verbesserte Wahrnehmung des Ortes

lag soll Kreuzungen

Erhöhung der Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer

kenntlich machen und den Passentenbereich abgrenzen.

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ANERKENNUNG

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BACK TO THE ROOTS

JOHANNES DOLP (KIT), ALEKSANDAR KRNDIJA (KIT), DANIEL VARMA (KIT)

Im Gegensatz zu anderen Dörfern auf der schwäbischen Alb gibt es in Magolsheim kein touristisches Angebot. Daher entwickelten drei Studenten aus Karlsruhe im Laufe der Woche verschiedene Ideen für diesen Themenbereich. Ihr Konzept soll urbane Nutzer ansprechen, die hier z.B. Kenntnisse über Landwirtschaft erwerben um sie wiederum in städtischen Initiativen wie dem Urban Farming anzuwenden. Erzählungen der Dorfbewohner über frühere Urlaubsangebote und Konkurrenz attraktiverer Angebote in der Umgebung ließen bei drei Studierenden die Frage aufkommen, wie man touristische Angebote heute besser im Dorf verankern und sie mit Interessenten aus dem städtischen Umfeld vernetzen könnte. Aus den im direkten Austausch mit den Dorfbewohnern und ihren Gasteltern gewonnenen Informationen über Landwirtschaft, Vereine und Backfrauen entwickelten die drei Karlsruher Studierenden ein neues Tourismuskonzept für Magolsheim.

Nachdem es in den 1980er Jahren bereits Ablehnung gegenüber neu errichteten Ferienwohnungen gab, soll das Projekt nun die Dorfbewohner einbinden und das Thema so auf sensible Art wieder in den Ort integrieren. In Ergänzung, aber auch in klarer Abgrenzung zu bereits vorhandenen touristischen Attraktionen wollen die Studierenden ein unverwechselbares Konzept schaffen, das speziell auf den Ort zugeschnitten ist und ihn mit dem urbanen Raum verknüpft. Das Thema Nahrungsmittelproduktion steht hierbei im Vordergrund und dient als Ideengeber für die Palette an daran anknüpfenden Angeboten. In Kursen und Workshops können interessierte Städter hier landwirtschaftliches Know-How aus erster Hand erwerben. Von artgerechter Tierhaltung, dem Anpflanzen und Ernten von Feldfrüchten bis hin zur Bienenzucht können Touristen wählen, welche Aktivitäten und Kenntnisse sie gern im Rahmen ihres „Lern-Urlaubs“ erwerben möchten. Das Angebot bedient die große Nachfrage nach „natürlichen“, selbst erzeugten Lebensmitteln und die Sehnsucht nach dem einfachen Landleben und

VERNETZUNG MIT URBANEN AKTEUREN Marketing

Verbindung zu Urban Gardening Gruppen

Vernetzung mit urbanen Akteuren und Initiativen Verbindung zur

www.

Volkshochschule

Marktplatz

Online-Präsenz

Marktstand

Infotafel am Vorträge

sowie eine gute

Magolsheim-

Homepage

sollen das Angebot bekannt machen.

Facebook

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bedient damit die großen urbanen Trends wie „Urban Gardening“ und „Urban Farming“. Dafür ist eine Revitalisierung und Stärkung des Ortszentrums förderlich und notwendig. Die in der Nähe des Ortskerns befindlichen Bauten wie das Backhaus oder das Kühlhaus sollen dabei als Haupteinrichtungen dienen. Dort finden ein Tourismuszentrum, eine Direktvermarktung, ein Heimatmuseum sowie Unterkünfte und eine „DorfKantine“ Platz. Die Einrichtungen werden von den Dorfbewohnern selbst betrieben, sodass nicht nur eine Vernetzung urbaner und ländlicher Kultur stattfindet, sondern auch die Integration der Touristen in das Dorfleben und die Lebenswelten seiner Bewohner. Jurykommentar: „Die Studierenden haben sich in innovativer Weise mit der touristischen Perspektive auf Magolsheim beschäftigt und sich gefragt: Welche besonderen Begabungen hat Magolsheim und was bietet der Ort, was das schon gut entwickelte Angebot im Umland noch nicht bietet? Und vor allem: Ist der Tourismus überhaupt die richtiDer neugestaltete Dorfplatz (Bild links) am Backhaus bildet das Zentrum der unterschiedlichen Einrichtungen und Angebote für die Dorftouristen. In einer leerstehenden Scheune im Ortskern findet das neue Heimatmuseum Platz (Bild rechts).

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ge Strategie und welche Art von Touristen möchte man in Magolsheim überhaupt haben? In engem Austausch und auf der Basis vieler Gespräche und Recherchen kamen sie zu folgenden Schlüssen: Touristen in Magolsheim sollten Leute sein, zu denen es Anknüpfungspunkte gibt, mit denen man sich austauscht, die man mag. Der Tourismus soll zur Entwicklung des Orts und der Gemeinschaft im Ort beitragen und keine Parallelwelt schaffen. Der Tourismus soll Arbeitsplätze schaffen und Investitionen in den Ort lenken, von denen möglichst viele Bewohner etwas haben. Auf dieser Basis entwickelte die Gruppe ihr überzeugendes Konzept mit dem Titel „Back to the Roots“. Es basiert auf dem gemeinsamen Interesse der lokalen Bevölkerung und vieler Menschen in der Stadt an Themen der Nahrungsmittelproduktion, der Zubereitung von gutem Essen und des „Do-It-Yourself“. Eine Vielzahl lokaler Vereine, wie der Gartenbauverein oder die Backhausgruppe, widmen sich diesen Themen; viele Bewohner haben eigene Gärten, Felder und Maschinen um eigene Produkte zu erzeugen und zu verarbeiten. Das Konzept sieht vor, ein neues Hotel


in einem leerstehenden Gebäude in der Ortsmitte mit einer großen Gemeinschaftsküche zu entwickeln, die sowohl von den Touristen wie auch der lokalen Bevölkerung genutzt werden kann. Vereine und Bewohner Magolsheims sind aufgerufen, Ideen und Angebote für das Erlernen und die Mitarbeit im Garten, in der Landwirtschaft und in der Weiterverarbeitung lokaler Produkte zu entwickeln und schließen Kooperationsverträge mit städtischen Kleingärtnervereinen und Urban-Gardening-Inititativen ab. Für Vorträge und Seminare werden hochkarätige Experten eingeladen, die auch zur Schulung und Weiterqualifizierung der Akteure im Dorf beitragen. Die Entwicklung eines Heimatmuseums bewirkt darüber hinaus die Stärkung des Dorfkerns und der Identität des Ortes. Die Jury ist beeindruckt von der Originalität und Innovation des Konzepts, welches wesentliche Potenziale Magolsheims aufgreift, nutzt und in die Zukunft denkt.“

NUTZUNG INNERÖRTLICHER GRÜNFLÄCHEN UND UMGESTALTUNG DER DORFMITTE Die touristischen Einrichtungen werden am Dorfplatz gebündelt und

M

revitalisieren zentrale, leerstehende Gebäude. Innerörtliche Grünflächen dienen dem Lebensmittelanbau.

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ANERKENNUNG

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WER FORMT DAS DORF? - SZENARIO FÜR MAGOLSHEIM

ANNA KÜBLER (UNI STUTTGART), BENJAMIN MICHELS (TU WIEN), STEPHAN REUTER (HM MÜNCHEN) Was ist vom Wandel betroffen und was bleibt konstant? Welchen Einflussfaktoren ist das Dorf ausgesetzt und wie wird mit ihnen umgegangen? Durch das Gegenüberstellen dreier möglicher Entwicklungsszenarien Magolsheims versuchte diese Gruppe, eine Vision für die weitere Entwicklung des Dorfes zu kreieren und den Blick für Potentiale und Stärken zu schärfen. Ein Versuch der Annäherung geschieht mittels einer chronologischen Betrachtung Magolsheims auf drei unterschiedlichen Ebenen: Arbeit und Landschaftsbild, Wohnen und Dorfbild, Bewegungsprofile. Diese Ebenen werden in drei Zeitschienen untersucht: Gestern, Heute und Über-

morgen. Die exemplarischen Zeitebenen dienen dazu, Entwicklungen und Veränderungen plakativ darzustellen und anschaulich zu machen. Auf der Ebene „Arbeit und Landschaftsbild“ entwickelt sich das „alte“ Dorf, damals fast ausschließlich von Landwirtschaft geprägt und abhängig, durch den technischen Fortschritt stets weiter. Während die Zahl der Vollerwerbs-Bauern (aktuell drei, früher über 70) stark rückläufig ist, ist von einer Tendenz in Richtung agrarischer Monokulturen auszugehen. Damit einhergehend verändert und vereinheitlicht sich auch das vielschichtige Landschaftsbild. Auf der Ebene „Wohnen und Dorfbild“ sieht man die Dichte des traditionellen Haufendorfes durch Luftballons kennzeichneten am Morgen der Jurierung die „Lieblingsorte“ der Magolsheimer.

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DORFBLEIBLE - ZENTRAL IM DORF

DORFLÄDLE - ZENTRALE PLATTFORM

- gezielter, gemeinschaftlicher Leerstandserwerb - gemeinsamer Umbau in Eigenleistung - Wohnen auf Zeit / Probe als Übergangslösung - Nutzung als Fremdenzimmer - Beherbergung privater Besucher

- Gemeinsame Anlaufstelle - Regale mieten / vermieten - Produktion im Ort sichtbar machen und erhalten - Qualität durch regionalen Wettbewerb - belebender Dorfbaustein

die fortschreitende Trennung von Arbeit und Wohnen einer fragmentierten Bebauung weichen. Der Wunsch nach weiterem Wohnraum am Ortsrand verschlimmert die Situation im Dorfkern zusehends. Die Dorfmitte „blutet aus“, verschiebt sich. Auf der Ebene der „Bewegungsprofile“ steht am Anfang eine starke innere Vernetzung; der soziale Austausch findet vorwiegend in der Gemeinde statt. Heute und „übermorgen“ ist sind durch den räumlichen Zerfall der Einheit von Wohnen und Arbeiten lange Wege entstanden, die nur noch mit Hilfe des motorisierten Individualverkehrs zu bewältigen sind. Zufälliges Aufeinandertreffen im öffentlichen Raum wird zur Seltenheit, ein „Schlafdorf“ entsteht.

Einheit haben zusammenwachsen lassen und eine identitätsstiftenden Wirkung haben: die WIR-Orte. Das sind das Backhaus oder die Gfriere zu nennen, die sich beide im Dorfkern befinden. Der Krautgarten, der Jugenclub und Irmgards Lädle sind weitere solche Orte. Auch die friedliche Koexistenz der Kirchen beider Konfessionen ist ortsspezifisch und identitätsstiftend. Die Studierenden wollen nun das „WIR-Gefühl“, den sozialen Zusammenhalt und Gemeinsinn Magolsheims an diesen sogenannten „WIR-Orten“ in Form einer Intervention sichtbar machen. Sie kennzeichneten diese gemeinschaftlichen Orte mithilfe von roten, herzförmigen Luftballons, die zum Nachdenken über den eigenen Ort anregen sollen. Einen Denkanstoß liefern zwei beispielhaft skizzierte „WIR-Orte“ im Dorf, das „Dorfbleible“ und das „Dorflädle“.

Wie lässt sich ein gemeinsamer Nenner in einem fast 400 Einwohner zählenden Ort erreichen? Man sucht ihn zunächst in der Vergangenheit. Man sucht gemeinsame Errungenschaften, die das Dorf bis in die heutige Zeit hinein zu einer 94

Jurykommentar: „In ihrem Beitrag beschäftigen sich die Studierenden zunächst in drei sich ergänzenden Trendszenarien mit der möglichen


GESTERN, HEUTE, ÜBERMORGEN

Ein Negativszenario zeigt die auseinanderdriftende Siedlungsstruktur bei gleichzeitigem Ausdünnen des Ortskerns.

zukünftigen Entwicklung von Magolsheim. Diese Szenarien beziehen sich auf die erwartbaren Veränderungen in der Arbeit (vor allem in der Landwirtschaft) und den Folgen für das Landschaftsbild, im Wohnen und den Folgen für das Dorfbild sowie auf die damit verbundenen Veränderungen in der Mobilität („Bewegungsprofile“).Die Szenarien werden durch eine Abfolge von drei Schwarzplänen (gestern – heute – übermorgen) und ergänzende Fotos illustriert. Damit die in den Trendszenarien offen gelegten negativen Folgen für das Dorf nicht eintreten, sollten die Bewohner Magolsheim, so die Argumentation der Studierenden, sich der besonderen und einzigartigen Qualitäten ihres Dorfes und seiner umgebenden Landschaft bewusst werden. Sie identifizieren sog. „Wir-Orte“, an denen die Stärken des Dorfes spürbar sind, und ermutigen die Dorfbewohner das Wir-Gefühl des Dorfes, das sich auch an der Nachbarschaftshilfe und am aktiven Miteinander im Dorf deutlich macht, zu kultivieren und diese Stärke des Dorfes auch nach

außen sichtbar zu machen. Hierzu haben die Studierenden als Teil ihres Beitrags mit roten Luftballons die Gebäude und Orte deutlich sichtbar markiert, die ihrer Meinung diese Besonderheiten ausmachen. Dieses sich Bewusstmachen der eigenen Qualitäten und Stärken soll der Ausgangspunkt für die Dorfgemeinschaft sein, sich auf eigenes Bild der gewünschten zukünftigen Dorfentwicklung, auf ein „bewusst geformtes Übermorgen“ zu verständigen. Die Jury hat den ganzheitlichen Ansatz der Arbeit gewürdigt und hält auch die Methode der Szenarien für sehr geeignet, Diskussionen anzuregen. Der Vorschlag, für eine Zukunftsdebatte im Dorf an den eigene besonderen Qualitäten anzusetzen, hält sie für richtig. Allerdings hätten die Argumentationsführung, die Darstellung der Trendszenarien und vor allem des Zielszenarios prägnanter angelegt und damit überzeugender ausfallen können.“

95


RESĂœMEE

Abb. 56: Schafherden beweiden das Gebiet des ehemaligen TruppenĂźbungsplatzes.


[TITEL]

KERSTIN GOTHE, JOHANN JESSEN, ANTJE STOKMAN

Zum Abschluss dieser Dokumentation möchten wir die Arbeit der Studierenden durch sechs Thesen ergänzen, die sich aus den Diskussionen und Gesprächen während der Sommeruniversität ergeben haben.

IM WANDEL LIEGT DIE ZUKUNFT Ein häufig geäußerter Wunsch war: „Alles soll so bleiben, wie es ist“. Wenn sich aber die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern – etwa durch den demografischen Wandel, steigende Mobilitätskosten oder die Energiewende –, wird aktives Gestalten vor Ort nötig, um bestimmte dörfliche Qualitäten zu erhalten. Ein Bewusstsein dafür, dass das Dorf auch in der Vergangenheit durch ständigen Wandel geprägt war, hilft dabei genauso wie eine Projektion dieses Wandels in die nächsten Jahrzehnte und eine daraus entwickelte Zielvorstellung, wie das gemeinsame Leben im Dorf in der Zukunft aussehen soll. NEUE PERSPEKTIVEN AUF ALTE FRAGEN ENTWICKELN Die Diskussion über die Dorfentwicklung ist oft von Gegensatzpaaren geprägt: Entweder klassischer Tourismus mit Gasthaus und „Fremdenzimmern“ oder gar kein Tourismus. Entweder eine Durchgangsstraße oder eine Umgehungsstraße. In den Hintergrund geraten dabei neue, kreative Antworten auf diese immer wiederkehrenden Fragen: Kann Tourismus Zielgruppen ins Dorf holen, die dieses bereichern und helfen, Infrastrukturen zu erhalten, die auch den Einheimischen nützen? Kann eine Bändigung des Verkehrs durch Temporeduzierung oder Umgestaltung die Ortsdurch-

fahrt zu einem Begegnungsraum und Gesicht des Ortes nach außen machen? Die Dörfer müssen bereit sein, sich diesen neuen Formen gegenüber zu öffnen und zu einem je eigenen Profil finden. NEUE BAUHERREN, NEUE WOHNFORMEN Unbestritten gibt es in den Dörfern den Wunsch nach einem Eigenheim auf dem eigenen Grundstück, am liebsten im Neubaugebiet am Ortsrand mit Blick ins Grüne. Aber auch das Wohnen im Dorf, in der dörflichen Gemeinschaft ist für viele junge Familien attraktiv. Der Charme alter Gebäude, der Überfluss an Raum für Hobby und Spiel, die Nebentätigkeit oder Tiere – all dies sind Pluspunkte für das innerörtliche Wohnen. Durch gemeinschaftliche Wohnformen können Nutzungen für die großen Volumina ehemaliger Bauernhöfe gefunden werden, in denen sich die Bewohner bei den alltäglichen Aufgaben gegenseitig entlasten können. Insbesondere Dörfer, deren Einwohnerzahl voraussichtlich schrumpfen oder konstant bleiben wird, müssen sich genau überlegen, welche Zielgruppen sie als Bewohner anziehen möchten. Die Entscheidung für die individuelle Wohnform hat immer auch Auswirkungen auf das gesamte Dorf, die Erweiterung nach außen geht meist auf Kosten des Ortskerns und somit der Identität der Orte. VIELFÄLTIGE DORFLANDSCHAFT Bis vor wenigen Jahrzehnten waren die Dorfkerne auch Orte von Arbeit: Landwirtschaft, Kleinhandwerk und Versorgung waren auf den Grundstücken mit dem dörflichen Wohnen gemischt. 97


Erst in der jüngeren Vergangenheit hat sich dies zugunsten des Wohnens verschoben. Dabei bieten die vorhandenen Raumstrukturen weiterhin viele Möglichkeiten für gemischte Nutzungen und neue Lebens- und Arbeitsformen, die sich in den klassischen Wohngebieten schlecht umsetzen ließen. Orte im Ländlichen Raum mit einer guten Internetverbindung können von den wachsenden Möglichkeiten ortsunabhängigen Arbeitens profitieren und damit neue Zielgruppen anziehen, die Wohnen und Arbeiten im Dorf verbinden. Diese schaffen wiederum Nachfrage für andere Angebote vor Ort wie den Dorfladen und den Gasthof. GEMEINSAM JENSEITS DER KLASSISCHEN VEREINSSTRUKTUREN Der beeindruckende Zusammenhalt von großen Teilen der Dorfgemeinschaft kann leicht den Blick darauf verstellen, dass durch die Vereine nicht alle repräsentiert sind: Teilzeit-Dörfler zum Beispiel, die nur am Wochenende im Dorf sind, haben oft wenig Kontakt zu den anderen Bewohnern; ebenso Menschen, die nicht am Vereinsleben teilnehmen. Es kann sich lohnen, aktiv auf sie zuzugehen. Aus einem Teilzeit-Bewohner kann mit Eintritt in den Ruhestand ein Vollzeit-Bewohner werden – wenn man ihn richtig anspricht. Auch diese Menschen bieten oft Potenziale für die Dorfgemeinschaft. Gemeinschaftliche Strukturen können in vielen Bereichen des Dorflebens erprobt werden: von neuen Wohnformen über die Mobilität bis hin zum Nahversorgungs- und Kulturangebot. NICHT ALLES KANN IM DORF GELÖST WERDEN - ABER DER IMPULS MUSS VON HIER KOMMEN! Politische und organisatorische Rahmenbedin98

gungen haben starken Einfluss auf die Dorfentwicklung: Probleme wie der Immissionsschutz im Umkreis landwirtschaftlicher Betriebe im Dorfkern oder der fehlende Zugang zum ehemaligen Truppen-Übungsplatz sind auf der Ebene des Dorfes zunächst nicht lösbar. Hier müssen die betroffenen Dörfer gemeindeübergreifend „Lobbyarbeit“ bei den entsprechenden Stellen leisten, gemeinsam die Chancen erkennen und benennen, die etwa eine Öffnung des Platzes für Radfahrer und Fußgänger mit sich brächte – auch wenn diese Dörfer häufig periphere Ortsteile kleiner Städte (wie Münsingen) sind. Der Impuls für Aktionen und Zusammenschlüsse muss von den beteiligten Ortsteilen direkt kommen. Wir freuen uns, wenn diese Denkanstöße in Magolsheim und anderswo Initiativen fördern, zur Aufmerksamkeit anregen. Wir nehmen viel mit aus der gemeinsamen Arbeit und der Begegnung mit interessierten und offenen Menschen und danken für die Gastfreundschaft.

Prof. Kerstin Gothe KIT Karlrsuher Institut für Technologie Prof. Johann Jessen Universität Stuttgart Prof. Antje Stokman Universität Stuttgart



PRESSE UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

100


PRESSE

Zeitungsartikel erschienen über die gesamte Zeit der Sommeruni hinweg und informierten Interessierte über die Abendvorträge und weitere Veranstaltungsinhalte. Die intensive Berichterstattung trug regelmäßig zu einem gut gefüllten Magolsheimer Bürgerzentrum bei. Es berichteten der Reutlinger Generalanzeiger (GEA), der Albbote und die Schwäbische Zeitung. Zum Abschluss der Sommeruni besuchte uns außerdem der SWR und produzierte ein dreiminütiges Feature, in welchem Lehrende und vor allem die Studierenden zu Wort kamen.

„Die Bürger waren offen für den Blick von außen, auch dann, wenn die Studenten zu Ergebnissen kamen, die nicht auf der bisherigen Magolsheimer Mehrheitslinie liegen.“

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„Die Idee ist, akademisches Wissen über den ländlichen Raum mit der Lebensrealität konkreter Orte zusammenzubringen.“ „Die Dorfbewohner müssen sich fragen: Was haben wir für eine Vision für die nächsten 20 Jahre? Kommt die Dorfgemeinschaft zu einer gemeinsamen Idee, wie sie weitermachen will?“

102


„Die Vorträge über die Zukunft der Dörfer interessieren - und nicht nur Magolsheimer. Die Plätze im Dorfgemeinschaftshaus waren praktisch alle belegt.“ 103


Die Magolsheimer sind von der Testversion ihres „Update Alb“ [...] angetan. Ob es irgendwann eine Vollversion gibt, habe sie selbst in der Hand.“

Magolsheim wurde zum Experimentierfeld, seine Bürger waren Gastgeber, Forschungspartner, Berater.“

104


„Beleuchtete Äcker sind auch keine Lösung.“

„Ohne dieses Engagement der Magolsheimer wäre die Sommeruni nicht möglich gewesen.“

105


Flyer wurden im

UPdAtE

Vorfeld als Postwurf in Magolsheim

ALB

verteilt; Plakate kündigten die Sommeruni im Umkreis und in den Universitäten an.

VoRtRäGE im RAhmEN dER SommER UNi Wir laden alle Bürger und inte ressierte magolsheims und der Schw äbischen Alb zu Vorträgen ein, die im Rah men unserer Sommeruni gehalten wer den . Wir möchten die Stärken der Regio n, zukunftsweisende Konzepte und Entwürfe des Landlebens mit Ihnen diskutieren . Bei der Sommeruni in Magolsheim werd en sich ca. 20 Studierende der Architektur und Stadtplanung 10 Tage lang vor Ort mit dem Dorf und seiner Umgebung beschäftige n und Vorschläge für die weitere Entwicklung des Ortes auf der Schw äbischen Alb erarbeiten.

SommERUNi

2014

iN mAGoLSh Eim

28.08. – 06.09.

2014

29.08., 20:00 Uhr Landschaftswan del gestalten Strukturwandel in der Landwirt schaft, Veränder neue Konzepte ungen des Land der Landschaftsp schaftsbilds und lanung Prof. Antje Stokm an, Landschaftsarc hitektin und Leite Ökologie der Unive rin des Instituts für rsität Stuttgart, Mitg Landschaftsplanung lied im Beirat für und den-Württemberg. Nach haltige Entwicklun Ort: Bürgerzentrum g des Landes BaMagolsheim

31.08., 20:00 Uhr Neue Formen bürgerschaftliche n Engagemen Vorbildliche Beis ts in kleinen piele und Erke Gemeinden nntnisse aus bun Stiftung desweiten Wet tbewerben der Dr. Stefan Krämer, Wüstenrot Stiftung Ludwigsburg. Ort: Bürgerzentrum Mago lsheim 01.09., 20:00 Uhr Wie kommt das Neue auf das Land? Aktuelle Planung sansätze im länd lichen Raum Leerstandsmanag zwischen Raum ement pionieren und Prof. Kerstin Goth aktuelle Informatio e, Stadtplanerin nen zum Programm und Architektin, : logie (KIT), FG Regio www.facebook.c Professorin am Karls nalplanung und Baue ruher Institit für om/UpdateAlb Technon im ländlichen Raum . Ort: Bürgerzentrum Magolsheim 03.09., 20:00 Uhr Bauen im länd lichen Raum Einblick in die europaweit beka nnte Baukultu naler Materialien, r in Vorarlberg: Rückgriff auf Verwendung regi Handwerkstradi odes Bauens im tionen und neue Dorf Interpretation Fink Thurnher Arch itekten, Bregenz (Österreich). Ort: Bürgerzentrum Mago lsheim Wir la 05.09., 18:30 Uhr den al le bür golsh Öffentliche Vors eim ger un tellung der Arb eiten und Prei d inte trägen s und der Die von den Studi sver re leih Sc erend ung ss ein, d - hiedener Hochschul hwäb versc Uhr ie im gehal ischen ierte maundundPreneis werd n ntiert en erarbeiteten itepräse 05.09., 18:30 Rahm been ten w Dorfentwicklungskon die besten Arbeiten Alb zu g der Areinem en un erden zepte von einer Jury präm Unive Wir m V serer gemeinsamen Aben . e Vorstellun iert. Anschließend öchten tlirsch ität dessen am Backhaus Somm orÖffen laden wir zu Stuttg in Magolsheim ein. rdie Stärke platz Magolsheim eruni Konz | Uh iteSt ar rbe äd :00 ep era Ort: t 20 te Bürgerzentrum und n de ba chulen ? ng u - Inst Die Sommeruni chs 01.09., ren. te und En ihu r nd Ho la r Dorfrle Re s ve ene | wird da tw gi itu In f ied unter on stitustütz t den versch , zuku t fütr von: ren i deue au ürfe des die besum - zwidasBene Die Sommeruni wird veranstaltet vom StädtebauInstitut und vom Institut für Landschaf tsplanung und Ökologie der Uni Stuttgart gemeinsam mit dem Institut für Entwerfen von Stadt und Land schaft des KIT (Karlsruher Institut für Technologie). Es arbeiten fortgeschrittene Studi erende der Architektu r und Stadtplanung unterschie dlicher Hochschul en des deutschsprachigen Raum es in interdiszipl inären Gruppen zusammen.

VoRTRägE

9.2014 art im E

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ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

Eine facebook-Seite hielt Interessierte vor, während und nach der Veranstaltung auf dem Laufenden. Hier wurden nicht nur offizielle Termine bekannt gegeben, sondern auch informelle Eindrücke vom Arbeitsalltag und Leben im Dorf festgehalten.

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QUELLEN

Landschaft Arge Future Landscapes (2005): Future Landscapes. Perspektiven der Kulturlandschaft. Hrsg. BMVBS & BBR, http://bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/perspektivekultur_matzdorf.pdf (Abruf vom 10.10.2014) Barlösius, E. & Neu, C. (2001): Die Wildnis wagen? In: Berliner Debatte Initial 12, 6, S. 65–76. BfN & BBSR (Hrsg.) (2010): Kulturlandschaften gestalten! Zum zukünftigen Umgang mit Transformationsprozessen in der Raum-und Landschaftsplanung, www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/ landschaftsplanung/kulturlandschaften_gestalten.pdf (Abruf vom 10.10.2014) BHU (2011): Landwirtschaft und Kulturlandschaft. / Landwirtschaft - Kulturlandschaft - Regionale Esskultur. BHU (2010): Kultur - Landschaft - Kulturlandschaft. / Kulturlandschaft in der Anwendung. Bieling, C., Höchtl, F. & Konold, W. (2008): Waldzunahme versus Offenhaltung der Landschaft in Baden-Württemberg, www.landespflege-freiburg.de/ressourcen/zwischenbericht05_waldzunahme.pdf (Abruf vom 10.10.2014) BMBF (Hrsg.) (2010): Erneuern - Bewegen - Bewahren, www.bmbf.de/pub/Erneuern_Bewegen_Bewahren.pdf, (Abruf vom 10.10.2014) Detlev Ipsen (2007): Die Poetik von Ort und Landschaft. In: Dziembowski, B., König, D. & Weilacher U. (Hrsg.): Neuland: Bildende Kunst und Landschaftsarchitektur. Hansjörg Küster (2007): Nach der Landnutzung. In: Dziembowski, B., König, D. & Weilacher U. (Hrsg.): Neuland: Bildende Kunst und Landschaftsarchitektur. Konold W. (2009): Landschaftsveränderung in Baden-Württemberg: Geschichts- und Gesichtsverlust oder zeitgemäße kulturlandschaftliche Prozesse?In: Naturschutz-Info 2/2009, S. 22-28. Reidl, K. & Konold, W. (2006): Kulturlandschaft in Baden-Württemberg. Entstehung und Bedeutung, Überlegungen zu Pflege und Entwicklung, www.schwaebischer-heimatbund.de/downloads/konoldreidl.pdf, (Abruf vom 10.10.2014)

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wohnen. München Drexel, T. (2009): Faszination Bauernhaus: Renovieren, Umbauen, Erweitern. München. S. 54-61 Hochparterre 8.2010: Der nicht mehr gebrauchte Stall. Verlag für Architektur und Design. Zürich Hochparterre 2010: Der Zauberraum am Arlberg. In Lech am Arlberg haben Katia Polletin und Gerold Schneider aus einem alten Stall einen Gegenraum zu ihrem Hotel gebaut. Verlag für Architektur und Design. Zürich. Holger, R. (2004): Umbauen: die 35 besten architektonischen Lösungen für Umnutzung. München Katharina, M. (2010): Japan im Schuppen. In: Hochparterre 8.2010. Verlag für Architektur und Design. Zürich. Schlorhaufer, B. (Hrsg.) (2008): Cul zuffel e l´aura dado. Luzern Sidler, C. (2010): Pimp my Bauernhaus. In: Hochparterre 10.2010. Verlag für Architektur und Design. Zürich. 73 Walder, S. (2010): Dado. Gebaut und bewohnt von Rudolf Olgiati und Valerio Olgiati. Basel Wohnung + Gesundheit 32.2010 Nr.135: Umbau einer Fachwerkscheune zum Büro. Gemeinsames Arbeiten in harmonisch gestalteten Räumen. S. 10-11

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BILDNACHWEIS

Abb. 1: Abb. 2 + 3: Abb. 4 - 7: Abb. 8 + 9: Abb. 10: Abb. 11 - 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18 - 29: Abb. 30 + 31: Abb. 32 - 34: Abb. 35 + 36: Abb. 37 - 40: Abb. 41 + 42: Abb. 43: Abb. 44 + 45: Abb. 46: Abb. 47: Abb. 48: Abb. 49: Abb. 50: Abb. 51: Abb. 52: Abb. 53: Abb. 54: Abb. 55: Abb. 56:

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Antje Stokman Lisa Matzdorff Johannes Jörg Manfred Waßner Google Antje Stokman http://mediathek.fnr.de/leitfaden-bioenergiedorfer.html, Abruf vom 27.1.2015 www.lik-nord.de, Abruf vom 27.1.2015 Wüstenrot Stiftung Kerstin Gothe Fink Thurnher Architekten/ Ignacio Martinez, Robert Fessler Fink Thurnher Architekten Fink Thurnher Architekten/ Friedrich Böhringer Fink Thurnher Architekten/ Walter Ebenhofer Lisa Matzdorff Antje Stokman Lisa Matzdorff Antje Stokman Lisa Matzdorff Antje Stokman Lisa Matzdorff Johannes Jörg Johanna Lindinger Lisa Matzdorff Anna Kübler, Benjamin Michels, Stephan Reuter Lisa Matzdorff Andreas Berchtold


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UPDATE ALB SOMMERUNI 2014 Herausgeber Prof. Dr. Johann Jessen, Prof. Antje Stokman, Prof. Kerstin Gothe Städtebau-Institut Institut für Landschaftsplanung und Ökologie Universität Stuttgart Fakultät Architektur und Stadtplanung Keplerstraße 11 70174 Stuttgart www.uni-stuttgart.de/si Institut Entwerfen von Stadt und Landschaft Karlsruhe Institut für Technologie Englerstraße 11, Geb 11.40 76131 Karlsruhe http://rbl.iesl.kit.edu Redaktion Dipl.-Ing. Lisa Matzdorff Layout LUV Design | Büro für Gestaltung luv-design.de Druck 27a.de, Darmstadt

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