MULTIVAC Sonderdruck LfU 2021

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01-02 | 2021

Logistik

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Sonderdruck

MULTIVAC treibt mit SAP EWM die Digitalisierung in der Logistik voran


Bild 1 Die Produktions- und Ersatzteillogistik von MULTIVAC befindet sich seit dem Spätsommer 2016 unter einem Dach. Bild: IGZ

MULTIVAC treibt mit SAP EWM die Digitalisierung in der Logistik voran

Next Level Optimization

Im Sommer 2016 nahm MULTIVAC nach rund anderthalbjähriger Bauphase sein neues Logistikzentrum am Firmenstammsitz in Wolfertschwenden (Allgäu) in Betrieb. Es ist Teil eines neuen Logistikkonzepts und wird dank modernster Lagertechnik den steigenden Anforderungen eines global agierenden Maschinenbauers gerecht. Unter einem Dach sind dort sowohl die Produktionsversorgung als auch die Ersatzteillogistik angesiedelt. Eine durchgängige Systemintegration wurde durch die Einführung von SAP EWM (SAP Extended Warehouse Management) erreicht. Mit diesem Neubau hat der Verpackungsspezialist den Grundstein dafür gelegt, die Logistik im Zuge eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses weiter auszubauen.

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er Name MULTIVAC steht für 60 Jahre Verpackungskompetenz. Die damit einhergehende Innovationsstärke findet ihren Ausdruck in einem breit gefächerten Produktportfolio, das neben kompakten Einstiegslösungen für

kleine Hersteller auch schlüsselfertige, automatisierte Verpackungslinien umfasst. Angeboten werden darüber hinaus Lösungen für die Verarbeitung und das Schneiden sowie für die Etikettierung und Qualitätskontrolle. Kennzeichnend für die gesamte Entwicklungsarbeit sind Konzepte, die darauf zielen, den

Verbrauch von Folie, Frischwasser und Energie zu minimieren. Diese gesamtstrategische Ausrichtung der multinationalen Unternehmensgruppe mit ca. 6 500 Mitarbeitenden weltweit wird honoriert. Indiz dafür ist der 2020 erwirtschaftete Umsatz von rund 1,2 Mrd. Euro. Dies entspricht einer


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Bild 2 Das Template für die gesamte Bestandsverwaltung inklusive Strategien im AKL sind direkt in SAP EWM/MFS integriert. Bild: IGZ

Steigerung um etwa acht Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Ersatzteilversorgung auch in der Krise gesichert Die Kunden der MULTIVAC Sepp Haggenmüller SE & Co. KG stammen in erster Linie aus der Lebensmittel-, Konsumgüter-, Lifescience- und HealthcareIndustrie. Produziert wird an zwölf Standorten weltweit. So der aktuelle Stand, denn der weitere Ausbau der Fertigungskapazitäten hat eine hohe Priorität. Ein wichtiges Thema ist auch die auf dem Weg zur „Industrie 4.0“ sukzessiv umgesetzte Digitalisierung, die sowohl auf Produkt- als auch auf Prozessebene erfolgt. Ein Beispiel für durchgängig digital unterstützte Abläufe ist das Logistikzentrum in Wolfertschwenden, Hauptsitz der MULTIVAC Gruppe. Über diese auf kompakter Fläche realisierte Logistik-Anlage wickelt der hochspezialisierte Maschinenbauer parallel zur Produktionsversorgung auch die europaweite Ersatzteillogistik ab. Mit dem Ausbruch der Corona-Pan-

demie im europäischen Raum war insbesondere die Produktionslogistik gefordert. Während viele Hersteller angesichts von Covid-19 mit rückläufigen Aufträgen und Störungen in den (globalen) Lieferketten zu kämpfen hatten, verzeichnete MULTIVAC als wichtiger Lieferant und Partner der Lebensmittelindustrie sowie der Life Science- und Healthcare-Branche dieses Jahr rund zehn Prozent Eingangsplus. Wie das gelang, weiß Volker Starrach, Senior Vice President Supply Chain Management bei MULTIVAC: „Uns kam und kommt zu Gute, dass die Wertschöpfung durch einen sehr hohen Anteil an gruppeninternen Ressourcen erbracht wird. Hinzu kam, dass wir mit Lieferanten hauptsächlich in Deutschland und Europa zusammenarbeiten und wir jeden Tag in enger Abstimmung standen.“ Sicherlich habe es in der dahinterliegenden, globalen Lieferkette Herausforderungen gegeben. Jedoch selten. Denn mit einer täglichen, dispositiven Überwachung und Anpassung der Bestände konnten Engpässe vermieden werden.

SAP-Strategie systematisch weiterverfolgt Als operativer Unterbau für die tagesaktuell zu erbringende Performance fungiert das Logistikzentrum in Wolfertschwenden, wo ein Rädchen reibungslos in das andere greifen muss. Kern der installierten Automatisierungstechnik ist ein Kleinteilelager (AKL) mit 20 000 Behälterstellplätzen und integrierten Kommissionier-Stationen, an denen Aufträge im Multi-Order-Picking-Verfahren abgearbeitet werden. Großteile werden konventionell per Stapler bereitgestellt und die Montagebereiche und Fertigungsbereiche via Routenzug mit den benötigten Bauteilen versorgt. Sämtliche Funktionsbereiche des Lagers sind direkt in SAP EWM (SAP Extended Warehouse Management) integriert. Für die Steuerung der Anlagenkomponenten sorgt SAP EWM/MFS (SAP Material Flow System). Im Hinblick auf die Herausforderungen beim Bestandsmanagement merkt Stefan Wittmann, Bereichsleiter des SAP-Implementierungspartners IGZ, an: „Ein


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Bild 3 Im manuellen Großteilelager finden 3 800 Paletten Platz. Das Kragarmlager erstreckt sich über alle Ebenen auf fast 500 Metern Gesamtlänge. Bild: IGZ

großer Vorteil von SAP EWM besteht auch darin, dass in der Standardsoftware der Warenfluss für die komplette Anlage bis auf Lagerplatzebene detailliert abgebildet ist. Anwender wissen stets genau, an welcher Stelle sich welche Ware aufhält und können sicher sein, dass sich der gebuchte Bestand vollständig mit dem im SAP EWM geführten deckt.“ Mit der Entscheidung pro SAP EWM hat MULTIVAC seinerzeit seine SAPStrategie fortgesetzt und die gewünschten Erfolge erzielt. Nun gibt es Stimmen, die mahnen: „Never change a

„Ein großer Vorteil von SAP EWM besteht auch darin, dass in der Standardsoftware der Warenfluss für die komplette Anlage bis auf Lagerplatzebene detailliert abgebildet ist.“

Bild 4 Auch die RF-Datenfunkdialoge in den manuellen Kommissionierbereichen sind in SAP EWM abgebildet. Bild: IGZ

running system“. Doch Stillstand war und ist für MULTIVAC keine Option. Getreu dieser Philosophie sind in den vergangenen Jahren weiterführende Optimierungen vorgenommen worden, darunter die Integration des werksinternen Materialflusses in SAP EWM inklusive Abbildung der Ver- und Entsorgung über Routenzüge. An die Software angebunden wurden zudem eine Erweiterungssektion für die Lagerung von Großteilen, ein zusätzliches Kragarm-Depot sowie ein fahrerloses Transportsystem (FTS). Das FTS unterstützt bei der Ein- und Auslagerung im Großteilebereich und bei der Entsorgung eines Produktionsbereiches in der Nacht. Zukünftig ist auch der FTS-Einsatz im 3-Schicht-Betrieb denkbar. Unter der Prämisse, dass im Montagebereich hinreichend Abgabeflächen zur Verfügung stehen, können die Fahrzeuge dann auch in der Nacht routiniert die ihnen zugewiesenen Aufgaben in Eigenregie verrichten. Eine personalintensivere Routenzugversorgung entfällt in dieser Zeitspanne. Erst dadurch wird der 3-Schicht-Betrieb effizient abgebildet und die Bereitstellzeiten für Montagematerialien deutlich reduziert.

Weitere Innovationen im Visier Ob zukünftig verstärkt auf FTS gesetzt wird, steht zur Disposition. Zu klären ist auch der Einsatz von Robotik zur weiteren Automatisierung. Dazu Volker Starrach: „Es gibt verschiedene Ansätze, die wir in unserem Ideenpool haben, die jedoch aufgrund aktueller Ereignisse momentan nicht verfolgt werden. Dazu gehört auch die Innovation Pick-by-Robot, die von IGZ in Verbindung mit SAP EWM angeboten wird. Als Individualhersteller, der im Investitionsgütermarkt unterwegs ist, müssen wir gemeinsam mit IGZ analysieren, inwieweit dies für uns mit Blick auf unser Teilespektrum nutzbringend ist.“ Die Herausforderung bestehe darin zu klären, welche der rund fünf Millionen und in SAP EWM gepflegten Teile durch Roboter automatisiert gepickt werden können, weshalb hier ein enger Austausch zwischen MULTIVAC und IGZ stattfinden müsse. Es gelte, Transparenz über die Beschaffenheit der Bauteile in Bezug auf Robotik zu erlangen.


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Unverzichtbar ist Transparenz natürlich auch dann, wenn es um den Aspekt der Rückverfolgbarkeit geht. Vor diesem Hintergrund hat MULTIVAC in SAP EWM die Erfassung von SerialNummern im Warenausgang eingeführt. Durch die eindeutige Kennzeichnung der auszuliefernden und zu verbauenden Materialien hat der Hersteller nun die Möglichkeit, relevante Bauteile eindeutig zu verfolgen. Von Relevanz ist dies einerseits speziell für Abnehmer aus dem Medizintechniksektor. Andererseits bedient der implementierte Prozess eigene, klar umrissene Qualitätsansprüche. Sollten die Vorgaben an das Rückverfolgbarkeitsniveau weiter steigen, sind nur noch marginale Anpassungen an dieser implementierten „Kontrollinstanz“ erforderlich.

Partnerschaft über das Projekt hinaus Diese Schritte sind exemplarisch für einen gelebten, kontinuierlichen Verbesserungsprozess, in dessen Fokus transparente und schlanke Abläufe stehen. Gemeinsam mit IGZ sieht man sich bei MULTIVAC an diesem Punkt gut aufgestellt. Das SAP-Projekthaus aus dem oberpfälzischen Falkenberg stellt seit dem Beginn der Partnerschaft im Jahr 2014 neben den regulär vereinbarten Supportleistungen fortwährend Ressourcen bereit, die bei Bedarf angefordert werden. „Aufgrund dieses besonderen Vertrauensverhältnisses und des Wissens um die Rahmenbedingungen bei MULTIVAC sind wir ganz pragmatisch in weitere Projekte und Roll-outs gestartet“, berichtet IGZ-Bereichsleiter Stefan Wittmann. Diese Vorgehensweise in Verbindung mit einer offenen, konstruktiven Kommunikation auf Augenhöhe habe sich bewährt. Das Team der IGZ begleitet auch den Rollout von SAP EWM am MULTIVAC Standort in Bruckmühl sowie in Kansas City, Missouri, USA. Vereinfacht wird die Implementierung durch ein Template, das auf Basis des Prozessdesigns im Wolfertschwendener Logistikzentrum erstellt worden ist. Abläufe können aus dieser Vorlage einfach über Customizing und Parametrisierung übernommen werden. Ergänzende Erfordernisse sowie Standort-Spezifika können einfach zum Template ergänzt werden. Das spart Zeit und Kosten. Gleichzeitig

Bild 5 Multi-Order-Picking mit Pick-to-Light-Unterstützung in der Kleinteilekommissionierung. Bild: IGZ

„Seit der im Jahr 2015 gestarteten, schrittweisen Produktivsetzung des neuen SAP EWM/MFS-gesteuerten Logistikzentrums hat MULTIVAC die Wareneingänge bis Ende 2019 im Vergleich zum alten Lager um knapp über 100 Prozent steigern können.“

Bild 6 Die konsolidierten Produktionsteile (Behälter und Großteile) gelangen mittels Routenzug zu den jeweiligen Produktionsversorgungsbereichen. Bild: IGZ


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wurde mit der Entscheidung eine Template-Struktur anzulegen, ein weiterführendes Schulungstool aus der Taufe gehoben: Nachdem bereits während der Funktions- und Massentests, die vor Go-Live stattfinden, ein Know-howTransfer angestoßen werden konnte, wird das Wissen der MULTIVAC Mitarbeiter durch wiederholte Nutzung des Templates stetig weiter erhöht. Infolgedessen ist es möglich, anstehende Parametrisierungen oder Maßnahmen anlässlich des Customizing ohne externe Unterstützung durchzuführen, sprich MULTIVAC ist dank des Know-howAufbaus in SAP EWM durch IGZ „Herr seiner eigenen Logistik-IT“.

Seit der im Jahr 2015 gestarteten, schrittweisen Produktivsetzung des neuen SAP EWM/MFS-gesteuerten Logistikzentrums hat MULTIVAC die Wareneingänge bis Ende 2019 im Vergleich zum alten Lager um knapp über 100 Prozent steigern können. Den punktuellen Optimierungen ist es zu verdanken, dass diese Vereinnahmungsleistung im laufenden Jahr um weitere zehn Prozent wächst. Gleiches gilt für die Entwicklung der Materialentnahmen. Über die im genannten Zeitraum analog verlaufene Aufwärtskurve hinaus wird für 2020 mit etwa sechs Prozent gerechnet. Im Ersatzteilgeschäft wurde die Rate der auf den Weg gebrachten Packstücke zunächst um 53 Prozent erhöht. Bis Ende 2020 kann voraussichtlich ein weiteres Plus von drei Prozent verbucht werden. Diese Zahlen werden vermutlich weiter anziehen – auch, weil beabsichtigt ist, das automatische Kleinteilelager (AKL) 2021 um eine vierte Gasse zu erweitern. Diese soll dann ebenfalls mit einem Hochleistungs-Kommissionier-Arbeitsplatz ausgestattet werden. Mit dieser Initiative reagiert der Verpackungsspezialist auf das anhaltende Wachstum, das auch durch die Aufnahme neuer Produkte in das Lösungsportfolio forciert wird.

Paradigmenwechsel wird wahrscheinlich „Und mittelfristig überlegen wir, eine Trennung zwischen Produktions- und Ersatzteillogistik voranzutreiben.“ Mit

Bild 7 Volker Starrach, Senior Vice President Supply Chain Management bei MULTIVAC. Bild: IGZ

Industrie 4.0-konform und fit für die Zukunft

Bild 8 Das fahrerlose Transportsystem (FTS) unterstützt bei der Ein- und Auslagerung im Großteilebereich sowie bei der Entsorgung eines Produktionsbereiches in der Nacht. Bild: IGZ

diesen Worten legt Volker Starrach die Karten im sprichwörtlichen Sinne offen auf den Tisch. Eine solche Ausrichtung – wenn sie denn erfolgt – ist Strukturen geschuldet, zu denen auch erfolgreiche Akquisitionen beigetragen haben. So hält MULTIVAC beispielsweise seit 2017 eine Mehrheitsbeteiligung der TVI Entwicklung und Produktion GmbH im

Es bleibt also vieles in Bewegung bei MULTIVAC. Alles was folgt wird durch die Grundsatzentscheidung, mit der Errichtung des Logistikzentrums den Grundstein für eine modern ausgerichtete Logistik zu legen, vereinfacht. Modern bedeutet auch, weitestgehend flexibel auf Veränderungen reagieren zu können. „Eine lückenlose Systemintegration und Digitalisierung, wo jeder Schritt konsequent und transparent abgebildet wird, ist immens wichtig und die Basis, um den dezidierten Anforderungen einer Logistik 4.0 gerecht werden zu können“, sagt Volker Starrach. Auch Automatisierung ist in diesem Umfeld unerlässlich. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur „neuen Normalität“, die unter Umständen längerfristig zu akzeptieren ist. Das Bereitstellprinzip „Ware-zur-Person“ – wie bei MULTIVAC im Automatikbereich implementiert – sorgt dafür, dass gebotene Abstandsregelungen in Zeiten der Corona-Pandemie ohne größeren Aufwand problemlos eingehalten werden konnten und auch weiterhin können. n

© VDI Fachmedien GmbH & Co. KG, Düsseldorf 2021

Systemperformance kontinuierlich gesteigert

oberbayerischen Bruckmühl. Seit 2019 bereichert außerdem die Fritsch Bakery Technologies GmbH & Co. KG aus Markt Einersheim die Firmengruppe. Beide Neuzugänge betreiben jeweils ein eigenes Ersatzteilgeschäft. „Auch vor diesem Hintergrund sehen wir uns im operativen Alltag vermehrt in der Zwangslage, einen Spagat zwischen Ersatzteillogistik und Produktionsversorgung leisten zu müssen“, so Volker Starrach weiter. „Die Erwägung, das Ersatzteilgeschäft unter der Prämisse ‚alles aus einer Hand‘ auszulagern, ist daher weitaus mehr als nur ein Gedankenspiel. Die Konzeptionierungsphase eines Grobkonzeptes haben wir bereits gestartet.“ Bei einer derartigen Entkopplung sei die vorhandene SAP EWM-Prozessabbildung ein glücklicherweise gut zu übersehendes Thema. Wie der Senior Vice President Supply Chain Management bei MULTIVAC betont, können die grundsätzliche Struktur und die vorhandenen Dialoge nach aktuellem Stand ohne größere Herausforderungen übernommen werden. Sorgsam im Vorfeld zu prüfen seien hingegen die Auswirkungen einer doppelten Bestandsführung.


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