Idea Spektrum Schweiz 20/2014

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14. Mai 2014 | 20

Nachrichten und Meinungen aus der evangelischen Welt

Der Seelsorger Warum Markus Giger keinen Menschen aufgibt. 7 SEA Interkulturelle Feier und Delegiertenversammlung | 15 Kampagne Kirche motiviert zu diakonischem Lebensstil | 17 Nothilfe Warum Medair bei Katastrophen Drohnen einsetzt 28 Theologie Was bedeutet die Lehre von der Rechtfertigung heute? www.ideaschweiz.ch


Exklusiv!

idea-Leserreise 26. bis 28. September 2014

Auf den Spuren Luthers in Eisenach und Wittenberg Der Reformator Martin Luther hat die Kirchengeschichte geprägt wie kaum ein Zweiter. Noch heute lesen wir seine auf der Wartburg verfasste Bibelübersetzung. Reisen Sie mit idea zu den Schauplätzen seines Wirkens! Besuchen Sie mit uns Eisenach und Wittenberg! Mehr sehen, mehr verstehen. Aus dem Programm – Führung auf der Wartburg, im Luther- und im Melanchthon-Haus – Führung und Musikvortrag im Bach-Haus – Bummel/Besichtigung der Altstadt mit Schloss- und Stadtkirche – Austausch mit Redaktions- und Verlagsvertretern von idea – Freie Zeit für Stadtspaziergang (Cranach-Haus, Töpfermarkt ...) – Besuch eines Gottesdienstes Im Preis inbegriffen – Billet ab Basel Bad. Bhf–Eisenach–retour, Transfer zur Wartburg – Übernachtung im Lutherhotel, Halbpension

idea-Leserreise – Information und Anmeldung Die Teilnehmerzahl ist beschränkt. Anmeldungen sind ab sofort bis 30. Juni 2014 möglich. Verlangen Sie das detaillierte Reiseprogramm. Redaktion ideaSpektrum Aemmenmattstrasse 22 3123 Belp Telefon: 031 818 01 44, E-Mail: redaktion@ideaschweiz.ch

Bilder: Aktion Weihnachtspäckli/Licht im Osten

Preis – CHF 450.– pro Person im Doppelzimmer (EZ + CHF 50.–)


E DI T OR I A L

BIBLISCH

Spraydosen Christi Liebe Leserin, lieber Leser In vielen Bereichen verlässt unsere Gesellschaft Ordnungen, die während Jahrhunderten als Fundament galten. Dieser Prozess verläuft immer schneller. Politik, Gemeinwohl, Kirche interessieren die jungen Erwachsenen heute weniger. Die Zentrifugalkräfte des Individualismus reissen weg von der gemeinsamen Mitte. Es ist beileibe nicht so, dass nur noch unethisch gedacht würde. Bio essen, umweltschonend leben, fair produzieren – das ist vielen wichtig. Aber nur, solange es den eigenen Lebensstil nicht zu stark tangiert. Im Buch „Generation Maybe“ schreibt Oliver Jeges: „Wir sind derart auf Ego getrimmt, dass wir uns auf nichts mehr verlassen.“ Das führt zu ständigem Hinterfragen und der Verweigerung, sich für einen Weg zu entscheiden. So weht der Zeitgeist. Er bläst den Christen ins Gesicht. Im Auftrag Jesu stehen sie ein für die verbindende Mitte, für den Leben spendenden Gott. Aber allzu oft bleiben sie unverstanden zurück. Leider nicht immer unverschuldet. So wie in einer TV-Sendung über Homosexualität, wo jemand Schwule mit missgeborenen Tieren verglich. Was meinte Paulus mit dem „Wohlgeruch Christi“? Ein guter Duft wirkt angenehm, erfrischend, belebend und nicht bedrängend und belehrend. Welche Spraydose benutzen wir? Vor 30 Jahren bestimmten die Raucher. Wann und wo immer sie wollten, entzündeten sie ihre Glimmstengel und verbreiteten „den Duft der grossen, weiten Welt“. Die Nichtraucher husteten im Qualm und hatten nichts zu melden. Dabei war die Faktenlage klar: Rauchen tötet. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Heute haben Nichtraucher wegen ihres gesünderen Lebensstils den Vorrang. Diese Wende im gesellschaftlichen Denken sollte Christen anspornen, den Duft des Lebens zu versprühen, den „Wohlgeruch Christi“. Wir dürfen vorleben, dass es gesund, vernünftig und vorteilhaft ist, nach den Ratschlägen der Bibel zu leben: „Ja, weil Christus in uns lebt, sind wir zur Ehre Gottes ein Wohlgeruch“ (2. Kor. 2,15a). Haben unsere Nachbarn diesen Hoffnung verströmenden Duft geschmeckt, können sie immer noch entscheiden, ob das Evangelium Gottes Kraft oder eine Torheit ist (vgl. 1. Korinther 1,18). Aber erst dann. Rolf Höneisen

Impressum Idea Schweiz Herausgeber: Idea Information AG, 4410 Liestal Verwaltungsrat: Heiner Henny, Präsident, Sam Moser Stellvertreter, Paul Beyeler, Hans Lendi, Helmut Matthies, Matthias Spiess Ideelle Trägerschaft: Schweizerische Evangelische Allianz (SEA), Verband Evangelischer Freikirchen und Gemeinden (VFG), Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Missionen (AEM) Redaktion: Aemmenmattstrasse 22, 3123 Belp, Tel. 031 818 01 44, Fax 031 819 71 60 E-Mail: redaktion@ideaschweiz.ch Internet: www.ideaschweiz.ch

20.2014

Bildnachweis: Daniel Wagner (Titelseite); zvg (Seite 3)

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Chefredaktor: Rolf Höneisen (rh) Büro: Steinackerstrasse 4, 9214 Kradolf-Schönenberg, Tel./Fax 071 642 44 21 E-Mail: rolf.hoeneisen@ideaschweiz.ch Redaktion: Thomas Feuz (tf), Christof Bauernfeind (chb) Erweitertes Team: Christian Bachmann (cb), Mirjam Fisch-Köhler (mf ) Verlagsmanager: Bruno Jordi, 031 818 01 26 verlag@ideaschweiz.ch Kundenberatung Anzeigen: Jordi AG – das Medienhaus, Aemmenmattstr. 22, 3123 Belp, Tel. 031 818 01 42; Fax 031 819 38 54 E-Mail: inserate@ideaschweiz.ch

Suchet, so werdet ihr finden. Matthäus 7,7 Dieser Satz bezieht sich für mich nicht nur auf geistliche Angelegenheiten, sondern auch auf Realitäten des täglichen Lebens. Für meinen beruflichen Alltag würde ich ihn so interpretieren: nie stehen bleiben, immer vorwärts denken und handeln. Langfristig ist es wohl befriedigender, wenn ich meine Arbeit als Berufung und nicht einfach als Beruf betrachte. Und in dieser Arbeit bin ich immer wieder am Suchen – nach neuen Behandlungen für kranke Menschen. Die medizinische Forschung könnte man nicht besser als mit diesem Satz aus dem Evangelium beschreiben. Jeden Tag versuchen Tausende von Menschen weltweit (noch) Geheimnisse des Körpers zu entziffern und das Leiden der Menschheit zu lindern. Mit diesem sehr prägnanten Satz aus seinem Evangelium teilt uns Matthäus unter anderem auch mit, wie wir leben sollten. Der Mensch muss aktiv werden – wer nicht sucht, findet auch nicht. Ein Lieblingsbibelwort von Thierry Carrel, Direktor der Universitätsklinik für Herzund Gefässchirurgie, Inselspital Bern.

Aboservice: Jordi AG – das Medienhaus, Franziska Schüller, Aemmenmattstr. 22, 3123 Belp, Tel. 031 818 01 20, Fax 031 819 38 54 E-Mail: abo@ideaschweiz.ch Abopreise: Jahresabo Fr. 145.–, Seniorenabo Fr. 117.–, Halbjahresabo Fr. 77.–. Das Abo ist unter Einhaltung einer vierwöchigen Frist jeweils zum Bezugsende kündbar. Einzelverkaufspreis: CHF 4.– Konto: PC-Konto 40-788586-4 Idea Information AG, 4410 Liestal Layout/Druck/Versand: www.jordibelp.ch Spendenkonto: Idea Information AG, 4410 Liestal PostFinance, 3013 Bern, Konto-Nr. 40-788586-4 IBAN-Nr. CH14 0900 0000 4078 8586 4 BIC-Code POFICHBEXXX


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N AC H R IC H T E N SC H W E I Z

PARDON

Helena Gysin ist Familienfrau und Sekretärin der Baptistengemeinde Bülach.

Der Chrischona-Seniorentag: Tiefgründige Gedanken, herzliche Begegnungen.

Senioren sind Schlüsselpersonen CHRISCHONA Ernst Gassmann forderte am Seniorentag heraus: Gehören wir zum alten Eisen oder sind wir Schlüsselpersonen?

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ls pensionierter Pastor oder Dozent, Ernst Gassmann traf den richtigen Ton. Er machte den rund 600 Teilnehmern am 19. Chrischona-Seniorentag Mut, sich auf Jesus einzulassen. Damit sie nicht Blockierer, sondern Hoffnungsträger für die jüngere Generationen werden und somit echte Schlüsselpersonen. Mit einem Schlüssel können Türen geöffnet oder geschlossen werden. Die Senioren können helfen oder abblocken.

Nicht zum Blockierer werden „Was tun wir, damit jüngere Menschen zum Glauben an Jesus Christus kommen?“, fragte Ernst Gassmann. Seine ehrliche Bestandsaufnahme berührte. „Wir Älteren haben den Hang, am Alten hängen zu bleiben. Wir lieben das Beständige, das Bewährte. Damit sollen wir aber keine Blockierer werden, dem nicht im Weg stehen, was Gott an anderen tut“, führte Ernst Gassmann weiter aus.

Gott verändert Herzen Persönlich erkannte der Seelsorge-Dozent in schwierigen Beziehungssituationen, dass Gott zuerst zu ihm redete – nicht zu den anderen. Gott veränderte sein Herz und erneuerte seine Einstellung. Das bewirkte, dass sich verschlossene Türen auftaten, etwa in der Beziehung zu seinem Sohn. „Gott gebe uns eine gesunde Herzenserweiterung“, wie die Musikerin und Missionarin Berta Isselmann es einst formulierte. Diese „Herzenserweiterung“ kann uns befähigen, eigene Grenzen zu durchbrechen. Um schliesslich Schlüsselpersonen zu werden für die jüngere Generation. Gassmann: „Wenn der Heilige Geist wirkt und wir von ihm erfüllt sind, ist Platz und Raum für Neues.“ Er forderte die Senioren auf, zu Menschen zu werden, die andere positiv motivieren, ihnen viel zutrauen und helfende Vorbilder sind. Warum das wichtig ist, erläuterte der Seelsorger mit dem Bild der Gemeinde. „Das Reich Gottes, unsere Gemeinde, ist auf das helfende Mit- und Füreinander von Jung und Alt angewiesen.“

Zukunftsweisende Projekte

Ernst Gassmann: „Öffnen oder schliessen, helfen oder blockieren?“

Das Chrischona-Leitungsteam informierte über laufende und angedachte Projekte. So stellte Oberin Schwester Ursula Seebach die Idee vor, ein Mehrgenerationenhaus zu bauen. Dominik Klenk, Leiter des Brunnen Verlags Basels, erläuterte den geplanten Jugendkatechismus. Das sind zukunftsweisende Projekte, die begeistern. Der nächste Seniorentag findet am 5. Mai 2015 statt, und zwar mit dem Theologen und Autor Jürgen Mette. (rwa) • b www.chrischona.org

Fotos: zvg

Wer bin ich? Das frage ich mich ab und zu – nicht nur angesichts eines anstehenden Ehemaligen-Treffens meiner Jugendgruppe. Das fromme Milieu war damals meine Heimat. Ich hatte dort viele Freunde und auch ein bisschen Angst vor der „Welt“. Ich war eine feurige, junge Frau und vertrat mutig meine Meinung. Christen forderte ich heraus und „Aussenstehende“ wollte ich für Jesus gewinnen. Ich hatte viele Ideen, doch mein Enthusiasmus wurde oft gedämpft. Wer bin ich geworden durch Menschen, die mich prägten und bremsten? Durch erlebte Höhen und Tiefen der vergangenen Jahre? „Wer bin ich? Bin ich das, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selber von mir weiss?“, so fragte sich auch Dietrich Bonhoeffer. Gelassen, mutig und heiter, frei, freundlich und klar – so sahen ihn die anderen. Unruhig, sehnsüchtig und krank, zitternd vor Zorn über Willkür, ohnmächtig, müde und leer – so fühlte er sich selber. Wer bin ich? Je nach Situation und Rolle, mal die, mal jene? Tatsächlich! Es macht einen Unterschied, ob ich auf dem Sofa einer Freundin oder zusammen mit der Gemeindeleitung am Tisch sitze. Ich bin nicht dieselbe, wenn ich bei einem Interview einem Geschäftsmann Fragen stelle oder wenn einer meiner Söhne seine Sorgen mit mir teilt. Bonhoeffer bringt es treffend und tröstlich auf den Punkt: „Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“ Das ist, was zählt, wenn wir am Ende „nackt“ vor Ihm stehen. Sein Kind zu sein, das genügt IHM und sollte auch uns genügen.

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Wendepunkt der Kirchengeschichte 40 JAHRE LAUSANNER BEWEGUNG In St-Légier wurde theologisch reflektiert und würdig gefeiert, um geeint in die Zukunft zu gehen.

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olf Hille, Direktor für ökumenische Angelegenheiten der Weltweiten Evangelischen Allianz, bringt es auf den Punkt: „Die 1974 unterzeichnete ‚Lausanner Verpflichtung‘ stellt sich im Rückblick als kirchengeschichtlicher Wendepunkt dar.“ Vor 40 Jahren hatte Billy Graham 2300 Evangelisten und Leiter aus 150 Ländern ins Palais de Beaulieu nach Lausanne zum ersten Kongress für Weltevangelisation eingeladen. Innerhalb des Protestantismus formierte sich eine Bewegung, die sich zum Zeugnis für Jesus Christus verpflichtete und um „für die Evangelisation der ganzen Welt zusammen zu beten, zu planen und zu wirken“. Die nach zehn Tagen verabschiedete „Lausanner Verpflichtung“ war ein Signal an den weithin liberalen Ökumenischen Rat der Kirchen. Die Verpflichtung bekräftigte, dass Evangelisation und soziale wie politische Betätigung gleichermassen zur Pflicht der Christen gehörten. So heisst es wörtlich: „Das Heil, das wir für uns beanspruchen, soll uns in unserer gesamten persönlichen und sozialen Verantwortung verändern. Glaube ohne Werke ist tot.“ Gleichzeitig wurde an der Unterscheidung festgehalten, dass Versöhnung zwischen Menschen nicht gleichzeitig Versöhnung mit Gott ist, dass soziale Aktion nicht Evangelisation und politische Befreiung nicht Heil ist. Der 20-köpfige Vorstand der „Lausanner Bewegung“ wird angeführt von Ram Gidoomal, Lindsay Brown und Geschäftsführer Michael Oh. Die europäischen Vertreter sind die Deutsche Elke Werner und der Brite Christopher Wright. Die im

Leitungsausschuss vertretenen Personen sind innerhalb ihrer Heimatländer sehr gut vernetzt. Über ihre Kanäle werden die Impulse aus den internationalen Treffen national weitergegeben. In der Schweiz ist „Lausanne” in die Evangelische Allianz (SEA) und ins Réseau évangélique suisse (RES) integriert. Vom 5. bis 9. Mai trafen sich in St-Légier 200 Delegierte zum Jubiläumsanlass. Sie behandelten theologische Fragen im Zusammenhang mit der vor 40 Jahren verfassten Erklärung. Am offiziellen Festakt nahmen Gäste aus aller Welt teil. Der Südafrikaner Michael Cassidy, der schon vor 40 Jahren dabei gewesen war, erinnerte an den grossen Verdienst des „Geistes von Lausanne“: Er habe die Evangelikalen rund um Wahrheit und Liebe vereinigt. Der Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz, Marc Jost, unterstreicht die anhaltende Bedeutung von „Lausanne“. Vor vierzig Jahren seien in der Schweiz viele Missions- und Hilfswerke oder Arbeitsgemeinschaften angestossen worden. Diese seien bis heute auf dem Erbe von damals aktiv. Als Beispiele nennt Jost „Campus für Christus“ oder „Christus für alle“, aber auch Kooperationen wie die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Missionen (AEM), das „Forum Evangelisation“, oder die „Arbeitsgemeinschaft für Klima, Umwelt und Energie (AKU)“ gehen aus Impulsen der Lausanner Bewegung hervor. Bei der SEA habe der Kongress von Kapstadt zu neuen Schwerpunkten unter den Begriffen „Einheit und Versöhnung“ geführt. (rh) • b www.lausanne.org

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NOTIERT Leben Live in Thun: 14 000 Besucher, 350 Freiwillige Die zehntägige Kampagne Leben Live der Evangelischen Allianz Thun ging am Sonntag mit einem Gottesdienst zu Ende. Über 14 000 Besucher erlebten Vorträge, Konzerte und Begegnungen. „Ein Fest ohne Berührungsängste und mit einer Fokussierung auf den gemeinsamen Auftrag“, sagte Mediensprecher Herbert Geiser. Involviert waren 33 Organisationen und Gemeinden; einige bieten weiterführende Angebote an. „Viele der 350 Freiwilligen bezeichnen ihren Einsatz als Erlebnis. Leben Live vereinte die evangelischen Christen der Region und setzte ungewohnte Kreativität und Initiative frei“, lautet das Fazit von Meinrad Schicker, dem Leiter der Kampagne. (idea) b www.leben-live.net StopArmut: Lunchgespräche über Nachhaltigkeit und Ökonomie StopArmut 2015 lädt im ungezwungenen Rahmen zum Erfahrungsaustausch und zur gegenseitigen Motivation ein. In Zürich und Bern finden im Laufe des Jahres mehrere Lunchgespräche über Nachhaltigkeit im Betrieb statt. (idea) b www.stoparmut.ch „Viertelstunde“ zur Fussball-WM Die neue Ausgabe der „Viertelstunde für den Glauben“ ist dem Fussball gewidmet. Die Gratiszeitung gibt Anstösse zum christlichen Glauben für die ruhigeren Minuten inmitten des Fussballtrubels. (idea) b www.viertelstunde.org

Zoom - Themen im Brennpunkt

40 Jahre „Lausanner Bewegung“: Lausanne 1974 (links), St-Légier 2014 (rechts).

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Empfangbar über DAB+, Kabel, Internet und Satellit

Reklame

Fotos: zvg

Beiträge rund ums Leben im Alltag

Mittwochs, 20.00 Uhr / Donnerstags, 10.00 Uhr (Wdh.)


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I NSE R AT

Betreute Seniorenferien Sie betreuen, pflegen und begleiten Ihre Angehörigen liebevoll während des Jahres. Eine Zeit der Ruhe ist sehr wertvoll und tut gut. Neue Kraft bekommen für eine weitere Zeit der Hingabe an Ihre Liebsten ist wichtig, damit auch Sie langfristig bei Kräften und gesund bleiben. Unser Haus bietet genau dafür die optimalen Möglichkeiten, damit Sie beruhigt loslassen können. Kontaktieren Sie uns: Telefon +41 {0)81 307 54 00 | info@scesaplana.ch | www.scesaplana.ch

SCESAPL ANA

DIE ISRAEL-VORTRAGSREISEN GEHEN WEITER

mit Michael Schneider in der SCHWEIZ (mit Ehefrau Orly)

2. – 9. AUGUST 2014 / ISRAELWOCHE im Hotel SEEBLiCK, CH-6376 EMMETTEN hoch über dem Vierwaldstätter See. Mit viel hebräisch-messianischem Lobpreis und einer Schabbatfeier. Moderation und Lobpreis: René und Bettina Keller aus Glarus. Themenauswahl: Friedenslösung in Israel / Der Schabbat / Jesaja 53 / Frauen in der Bibel / Israel: Gott zog mit ihnen in den Krieg / Josef und Messias / Jerusalemer Altstadt / Juden und Christen / Kundschafter im Land der Bibel Zusätzlich: Gemeinsame Aktivitäten, ein Ausflug, Wellness, Ruhe und Entspannung lassen diese Woche zu einem unvergesslichen Erlebnis werden. Die Israelwoche mit ihren Bibelthemen ist eine Erholung für Geist, Seele und Leib.

Detail-Programm und Preise unter: info@hotelseeblick.ch, Tel. +41 41 624 41 41, www.hotelseeblick.ch/seeblickprogramm

09.08. / CH 3534 SIGNAU / 20:00 Uhr Thema: Friedenslösung in Israel – politisch korrekt oder biblisch korrekt? Konferenzhalle Hasli in 3534 Signau, Kontakt: Peter Murri 10.08. / CH 8910 AFFOLTERN am Albis / 9:45 Uhr Thema: GOTTES HANDELN AN ISRAEL als Abbild für unseren Glaubensweg. Ev.-met. Kirche, Zürichstr. 47, Kontakt: H. Bähler, Tel. 044 760 16 66 10.08. / F- 68730 BLOTZHEIM / 19:30 Uhr Thema: Friedenslösung in Israel – politisch korrekt oder biblisch korrekt? St. Léger; Kontakt: I. & JJ. Gausselan, +33 389 68 48 96 11.08. / CH 3800 INTERLAKEN / 20:00 Uhr Thema: Juden und Christen - von der Trennung zur Einheit. Artos, Alpenstr. 45; Kontakt: R. Frehner, Mobil: 078 911 78 47 12.08. / CH 8810 HORGEN / 19:30 Uhr unter EDU Thema: Friedenslösung in Israel - politisch korrekt oder biblisch korrekt? Baumgärtlihof, Baumgärtlistr. 12; Kontakt: A. Mezzadri, Tel. 044 780 94 82 13.08. / CH 8750 GLARUS / 19:30 Uhr Thema: Messianische Juden in Israel – zurück zu den Glaubenswurzeln - wer sind wir? PFIMI Glarus, Burgstr. 47; Kontakt: R.+B.Keller, Tel. 055 640 20 77 14.08. / CH 8730 UZNACH / 20:15 Uhr Thema: Friedenslösung in Israel – politisch korrekt oder biblisch korrekt? FEG, Treffpunkt, Etzelstr. 5; Kontakt: U. Küng, Tel. 055 280 03 501 15.08. / CH 9230 FLAWIL / 20:00 Uhr (mit Schabbat-Segen) Thema: Friedenslösung in Israel – politisch korrekt oder biblisch korrekt? Freie Chr. Flawil, Waldau 1, Kontakt: A. Röthlisberger, Tel. 071 371 29 26 16.08. / CH 9410 HEIDEN AR / 19.30 Uhr Thema: ISRAEL: Gott zog mit ihnen in den Krieg - auch heute Pfingstg. Heiden, Asylstrasse 26; Kontakt: H. Eugster, Tel. 071 891 26 63 17.08. / A-6941 LANGENEGG / 18:00 Uhr Thema: Messianische Juden in Israel – zurück zu den Glaubenswurzeln wer sind wir? FCGÖ, Gfäll 181; Kontakt: W. Lins. +43 699 1151 9

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BITTE DIE TERMINE NOTIEREN ! idea Spektrum 20.2014


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Ein interkulturelles Fest stärkt die Einheit AGIK-CELEBRATION In Schweizer Gemeinden ist oft noch wenig von der kulturellen Vielfalt in unserem Land zu sehen. Die AGiK-Celebration ermutigte mit praktischen Beispielen, aufeinander zuzugehen.

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er Veranstaltungsort der Celebration 2014 der SEA-Arbeitsgemeinschaft interkulturell (AGiK) vom Samstag hätte nicht besser passen können: Biel ist die grösste zweisprachige Stadt der Schweiz. „Nicht weniger als 140 internationale Sprachen werden in dieser Stadt gesprochen“, erläuterte Kurt Zaugg, Sektionspräsident der Allianz Biel. Die AGiK-Celebration war ein Abbild dieser Vielfalt – ein buntes, lebendiges, fröhliches Fest von Christen der unterschiedlichsten Nationen. Das Lobpreisteam der IEG Church Zürich spielte deutsche, französische, englische, spanische und portugiesische Songs. Besonders berührend waren die Soloeinlagen von Nadine Rukatsi in Lingala und einer malawischen Sprache.

Versöhnung als Kernauftrag „Bilden unsere Gemeinden die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft ab?“, fragte Thomas Bucher, Generalsekretär der Europäischen Evangelischen Allianz. In Schweizer Gemeinden sei oft wenig davon zu sehen. Manche Leiter wüssten eben nicht, welche Fragen sie anderen Kulturen stel-

Kern von Paulus‘ Botschaft in seinen Briefen, und sie sei auch der Kern der Arbeit der AGiK.

Interkulturelle Gemeinschaft leben

Grenzen überwinden, Gott anbeten.

len sollten. „Heute ist ein Tag, um Fragen zu stellen und Antworten zu finden.“ Dass Homogenität kein Prinzip des Reiches Gottes ist, stellte Walter Dürr, Pfarrer der gastgebenden landeskirchlichen Gemeinschaft Jahu, fest. Gott habe die Scheidewand zwischen Juden und Heiden niedergerissen – zwischen Rassen und Völkern, Schwarz und Weiss, aber auch zwischen Arm und Reich. „In Jesus Christus können wir eins werden“, betonte Dürr und ergänzte mit Nachdruck: „Sogar die Welschen und die Deutschschweizer.“ Versöhnung in allen Dimensionen sei der

Der Kubaner Julio Oquendo, Pastor der Genfer Kirche „Las Buenas Nuevas“ (ILBN) und Vorstandsmitglied der Westschweizer Allianz (RES), lebt seit 16 Jahren in der Schweiz und hat ein grosses Herz für Einheit. Er erzählte von einem gemeinsamen Allianz-Gottesdienst in Genf mit Latinos und afrikanischen Immigranten – „ein wunderbares Erlebnis“. „Als Gemeinde sind wir Teil von Gottes Wirken in der Schweiz. Wir sind kein Getto.“ Johannes Müller, Leiter von African Link, erklärte, mit der AGiK-Celebration wolle man Beispiele zeigen, wie interkulturelle Gemeinschaft in einer Stadt oder innerhalb Gemeinden gelebt werden könne. „Weshalb braucht es interkulturelle Initiativen? Weil Migration auch dort stattfindet, wo man sie nicht erwartet oder verhindern will.“ Jede Gemeinde sei kulturell geprägt, ob modern oder traditionell. (cb) P b www.agik.ch; www.each.ch

DELEGIERTENVERSAMMLUNG DER SCHWEIZERISCHEN EVANGELISCHEN ALLIANZ

Fotos: Christian Bachmann

„Einmaliges Miteinander“ SEA-Präsident Wilf Gasser sagte: „Ich bin dankbar und auch ein bisschen stolz. Das Miteinander der Schweizer Gemeinden ist etwas weltweit Einmaliges. Einheit ist ein Geschenk von Gott.“ Die Bereitschaft zum Miteinander habe der Schweiz eine besondere Stellung gegeben, sodass sie mit ihrem Einfluss auch in anderen Ländern Versöhnung stiften könne. Generalsekretär Matthias Spiess zeigte sich beeindruckt vom Geschehen in den Sektionen. In Thun seien aus der geplanten 24-StundenGebetswoche gleich deren drei geworden. Für Generalsekretär Marc Jost war die 20.2014

StopArmut-Konferenz vom November, für die Bundesrätin Simonetta Sommaruga als Referentin gewonnen werden konnte, ein Highlight. Auch die hilfreiche Beratung der Botschafterin im Iran zu den Chancen und Grenzen im Einsatz für inhaftierte Christen habe ihn ermutigt. Marc Jost, Henriette Té, Moderator Guillaume Léba, Norbert Valley, Wilf Gasser, Michel Corrado und Renato Souza (Bild) beteten für die Stadt Biel und alle Landesteile. Matthias Spiess stellte die Jahresrechnung 2013 vor, die nach einem schwierigen Vorjahr mit einem Gewinn von 47 000 Fran-

ken abschloss. Nach langer Diskussion entschied eine Mehrheit, dass das Budget künftig nicht mehr von der Delegiertenversammlung gutgeheissen werden muss, und die Amtszeitbeschränkung des Präsidenten wurde aufgehoben. Im laufenden Jahr will sich der Vorstand Gedanken darüber machen, wie man bei Stellungnahmen zu eidgenössischen Abstimmungen klarer kommunizieren kann, und es ist geplant, das Glaubensbekenntnis sprachlich zu überarbeiten. (cb)


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BR E N N P U N K T

„Es ist eine stille Arbeit“ GEFÄNGNISSEELSORGE Er will straffälligen Jugendlichen eine Chance zur Veränderung geben und ist überzeugt, dass die Versöhnung mit Gott einen Heilungsprozess in Gang setzt. Der Zürcher Gefängnisseelsorger Markus Giger (46) über seine Arbeit mit jungen Menschen. Von Daniel Wagner Markus Giger, wie sieht Ihre Seelsorgearbeit mit jungen Gefangenen aus? Ich bin für die seelsorgerliche Begleitung von rund 90 Jugendlichen im Massnahmenzentrum Uitikon und in der Durchgangsstation Winterthur zuständig. Der Alltag ist geprägt von unspektakulären Begegnungen, treuem Nachgehen, Trost und Ermutigung schenken. Können Sie uns mehr sagen über die Jugendlichen und ihre Straftaten? In der Untersuchungshaft sind dies Jugendliche ab 13 Jahren. Im Massnahmenzentrum umfasst die Altersspanne 17- bis 25-Jährige. Die Dauer der Untersuchungshaft ist sehr unterschiedlich: Von wenigen Tagen bis zu zwei Jahren. Dies hängt sehr von der Schwere des Delikts und von der Komplexität der Untersuchung ab. Eine Massnahme dauert maximal vier Jahre. Sie sagen, dass Sie primär den Menschen vor sich sehen und zu Beginn gar nicht wissen möchten, weshalb jemand hinter Gittern sitzt. Weshalb gehen Sie so vor? Ich will ohne Vorurteile und ohne eine bestimmte Vorstellung dem jungen Straftäter begegnen. Hätte ich hingegen seine Akten gelesen, würde mir eine unvoreingenommene Begegnung kaum mehr möglich sein. Ich möchte zuerst den Menschen wahrnehmen und kennenlernen. Dass ich dies im ersten Gespräch so kommuniziere, trägt erfahrungsgemäss zur Vertrauensbildung bei. Im Verlauf der seelsorgerischen Begleitung wird dann die Tat oft wie von alleine Bestandteil der Gespräche. Sie sind Pfarrer. Wie sieht die Betreuung auf christlicher Basis aus? Wo unterscheidet sich die Seelsorge von anderer Hilfe? In der Gefängnisseelsorge sind die Möglichkeiten beschränkt. Es geht vor allem um die direkte Begegnung von Angesicht zu Angesicht. Dabei rechne ich damit, dass in jedem Gespräch eine Begegnung mit Gott geschehen kann. Die Einsicht in die eigene Schuld und die damit verbundene Entscheidung, den Weg des Glaubens zu wagen, ist in keinem seelsorgerlichen Gespräch einfach verfügbar, doch dies geschieht immer wieder. Dabei ist mir bewusst, dass diese Krisenbewältigung alles andere als einfach ist und Rückschläge nicht selten vorprogrammiert sind. Die Vertiefung des eigenen Vertrauens in die Gegenwart

Gottes ist ein zentrales Thema. Dabei gehört das gemeinsame Gebet ganz selbstverständlich dazu. In der Jugendarbeit fernab des Strafvollzugs setzen Kirchen vermehrt darauf, Jugendliche in ihrer Sprache abzuholen. Wie sieht das im Strafvollzug aus? Sofern die jungen Männer Freizeitöffnung erhalten, können sie auch an den Gottesdiensten der Streetchurch in Zürich teilnehmen. Dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit dem Massnahmenzentrum Uitikon kann ich auch immer wieder mit Freiwilligen aus der Streetchurch Rap-Abende in der geschlossenen Abteilung gestalten. Gerade für junge Menschen ohne kirchliche Sozialisation ist es entscheidend, das Evangelium in Formen zu kommunizieren, die ihnen vertraut sind.

„Ich möchte zuerst den Menschen wahrnehmen und kennenlernen, nicht dessen Tat.“ Glaubensarbeit ist harte Arbeit, wenn man bedenkt, dass Sie mit einzelnen Jugendlichen während Jahren unterwegs sind? Im Glauben mit Menschen unterwegs zu sein, ist immer ein Weg, und wie auf einer Wanderung gibt es unterschiedlich anstrengende Etappen. Dies gilt übrigens generell, und nicht nur für das Begleiten junger Straftäter. Bei einem jungen Menschen, der schon viele Brüche in seiner Biographie erleben musste, braucht es eine besonders krisenresistente Begleitung auf seinem Glaubensweg. Woraus schöpfen Sie die Hoffnung, dass der Glaube an Gott für junge Straftäter eine positive Wende bewirken kann? Anders gefragt: Ist Gott das Allerheilmittel für all ihre Probleme, mit denen die jugendlichen Delinquenten immer wieder konfrontiert sind? Nach mehr als zwanzig Jahren Begleitung von delinquenten Jugendlichen bin ich überzeugt: Wenn ein junger Straftäter eine selbst verantwortete und eigenständige Beziehung zu Jesus gewinnt, ist dies eine essentielle Voraussetzung, um sich mit seinem eigenen Leben und seinen Mitmenschen versöhnen zu können. Anders gesagt: Die Versöhnung mit Gott setzt einen Heilungsprozess in Gang, der seine eigene Persönlichkeit und sein Umfeld miteinschliesst. 20.2014


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Betreut werden Jugendliche ja auch von nichtchristlichen Fachkräften wie Psychologen und Psychiatern. Wo liegt da der Unterschied? Sich ergänzen, so ist unsere Devise. Ich empfinde die Zusammenarbeit mit dem interdisziplinären Team im Massnahmenzentrum als eine der grossen Stärken des Jugendstrafvollzugs. Der Austausch – soweit dies meine Schweigepflicht zulässt – ist zentral, um der komplexen psychosozialen Situation der Straftäter gerecht zu werden. Ein wesentlicher Unterschied zu den Fachleuten des Massnahmenzentrums Uitikon ist der Sachverhalt, dass ich als Seelsorger nicht von der Justiz angestellt bin und keinen Beurteilungsauftrag habe. Für viele Jugendliche ist es entscheidend, dass sie sich mir als Pfarrer gegenüber frei äussern können, im Wissen um die strenge Wahrung des Seelsorgegeheimnisses.

Markus Giger und die Streetchurch in Zürich

Foto: zvg

Pfarrer Markus Giger (46), zweifacher Vater, ist Leiter der Streetchurch in Zürich. Sie ist Teil der evangelisch-reformierten Kirche und arbeitet seit 2003 im multikulturellen Umfeld mitten in der Stadt. Ihre Angebote richten sich an Jugendliche und junge Erwachsene; insbesondere auch an Menschen mit psychosozialen Problemen (Wohnen, Delinquenz, Sucht, Beziehung, u. a.). Verschiedene Fachbereiche bieten gezielte Unterstützung an. Das Tagesstrukturprogramm „top4job“ beispielsweise ist ein niederschwelliges Trainingsprogramm mit den Schwerpunkten Arbeitsintegration sowie Bildung in Lebenskompetenz und schulischer Kompetenz. Im Rahmen der Sozialberatung bietet die ambulante Begleitung ein flexibles und umfassendes Coaching an. Die Klienten und Klientinnen werden bei der Bewältigung anspruchsvoller Situationen und Lebenslagen begleitet und beraten. Die psychologische Beratung ermöglicht die Bearbeitung von psychisch bedingten Schwierigkeiten sowie Kurzinterventionen zur Bewältigung akuter Krisen. Darüber hinaus gestaltet die Jugendkirche auch gemeinschaftliche und gottesdienstliche Angebote. Die Trägerschaft der Streetchurch bilden der Verband der stadtzürcherischen evangelisch-reformierten Kirchgemeinden und die evangelischreformierte Landeskirche des Kantons Zürich. Die Streetchurch unterstützt zudem schwierige und straffällige Jugendliche und versucht, ihnen eine neue Perspektive zu geben. Streetchurch-Leiter Markus Giger ist auch Gefängnisseelsorger. Seit bald 20 Jahren besucht er kriminell gewordene Jugendliche und betreut in der Durchgangsstation Winterthur und dem Massnahmenzentrum Uitikon 90 junge Delinquenten. b www.streetchurch.ch

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Verkennt unser weitgehend christlich geprägter Staat die grosse Bedeutung der Seelsorge, die letztlich auf Gottes Zuspruch aufbaut? Bei den entsprechenden Verantwortungsträgern erlebe ich Wertschätzung gegenüber der Seelsorge. Die christlichen Kirchen können nicht einfach auf ihrer Tradition begründet einen Anspruch auf Gefängnisseelsorge ableiten. Sie sind gefordert, ihren Einsatz für die Gefangenen zu begründen und durch ihre Arbeit zu legitimieren. Wo dies authentisch gelingt, wird die Gefängnisseelsorge auch geschätzt. In einem Interview im „Tages Anzeiger“ betonen Sie, dass Sie nicht in erster Linie als Vertreter einer Religion auftreten. Ist das für Sie als reformierter Pfarrer nicht ein Widerspruch? In der multireligiösen Situation der Gefängnisse ist es für die Inhaftierten schlichtweg bedeutungslos, ob ein Seelsorger nun reformiert oder katholisch geprägt ist oder ob er gar einer anderen Glaubensrichtung angehört. Es geht mir um die Gelegenheit, mit einem Menschen auf Augenhöhe ein Gespräch über die belastende Situation führen zu können. Dabei ist meinen Gegenübern durchaus bewusst, dass ich eben ein Geistlicher bin. Daher nutzen viele Jugendliche – unabhängig von ihrer religiösen Herkunft – die Gelegenheit, mit mir über die grossen Fragen der menschlichen Existenz auszutauschen. Im gleichen Interview sprechen Sie die schuldig gewordenen Menschen an. Jesus möchte uns von Schuld freisprechen. Können Jugendliche damit etwas anfangen? Wer unter Umständen 23 Stunden in einer Zelle eingesperrt ist, wer monatelang in einer Therapie mit seiner gescheiterten Existenz und den Folgen für das Opfer konfrontiert wird, wer so auf sich selbst geworfen wird, der stellt sich früher oder später auch die Frage nach der Schuld: Wie kann ich mit dem Wissen weiterleben, dass ich einen Menschen für den Rest seines Lebens gezeich-


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BR E N N P U N K T

Carlos, Medien und Politik und es gibt niemanden, bei dem sie Zuflucht finden, wenn sie geschlagen werden. Erleben sie Gewalt in der Familie, sind sie besonders isoliert. Sie lernen keine Strategien, um das Erlebte zu verarbeiten. Stattdessen versuchen sie, sich zu behaupten. Auf der Strasse lernen sie andere junge Männer mit schwierigen Biografien kennen. Sie spüren, dass sie Ähnliches erlebt haben, reden aber kaum darüber. Es entwickeln sich lose Verbunde, in denen sie sich erstmals angenommen fühlen.“ Erlittene Gewalt erhöhe die Bereitschaft, selbst Gewalt anzuwenden. Giger: „Viele berichten, sie hätten die Schläge des Vaters irgendwann nicht mehr gespürt. Das baut die Härte auf, die dazu führt, dass sie Gewalt ohne jegliche Regung anwenden können.“ Um das Dasein erträglicher zu machen, würden viele zu Drogen und Alkohol greifen und glitten in die Kriminalität. In der Untersuchungshaft und im Massnahmenvollzug werden solche Jugendliche mit ihrer persönlichen Geschichte und ihrer Tat konfrontiert. Dadurch würden sie sich unweigerlich mit existentiellen Fragen beschäftigen, weiss Giger. Fragen wie: „Warum bin ich der, der ich bin? Warum habe ich das gemacht? Wenn es Gott gibt, wie konnte er das zulassen? Wie kann ich damit leben, dass ich einen Menschen fürs Leben gezeichnet habe?“ Es war wiederum der „Blick“, der im März überraschende Schlagzeilen setzte. Carlos wolle ein „anständiger und gläubiger Mensch“ werden. Er wolle richtig schreiben und lesen lernen und einer handwerklichen Tätigkeit nachgehen. Helfen soll ihm dabei der Glaube an Gott: Der 18-Jährige lese in der Bibel und bete. Dann aber, am 7. Mai, will „20 Minuten“ Neues wissen: Carlos habe zu Allah gefunden und lese nun im Koran. Darauf lasse ein Eintrag auf Facebook schliessen. Wegen des Seelsorgegeheimnisses kann Markus Giger gegenüber „idea Spektrum“ dazu keine Aussagen machen. Daniel Wagner; Rolf Höneisen

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Fotos: Screenshots Blick; Tages-Anzeiger; 20 Minuten

Schon bald nach dem öffentlichen Bekanntwerden des Falles „Carlos“ sickerte durch, dass der Zürcher Jugendpfarrer Markus Giger eine wichtige Rolle im Leben des Jugendlichen mit dem Pseudonym Carlos spielt. Carlos verbrachte, seit er im Alter von elf Jahren erstmals eingesperrt wurde, insgesamt rund fünf Jahre im Gefängnis oder in geschlossenen Anstalten. Bis letzten August befand er sich in einem sehr teuren Sondersetting mit Rundumbetreuung. Dann wurde er während eines SeelsorgeGespräches verhaftet. „Als der Zugriff erfolgte, führten Pfarrer Markus Giger und Carlos ein seelsorgerisches Gespräch“, sagte Nicolas Mori, Sprecher der reformierten Kirche, gegenüber der „NZZ am Sonntag“. Während Monaten führte das Boulevard-Blatt „Blick“ eine Medienkampagne rund um Carlos. Die einseitige Stammtisch-Darstellung löste Empörung aus. Das Klima war aufgeheizt, über Hintergründe wurde kaum gesprochen. In einem Interview im Tagi vom 7. Oktober 2013 zeigte sich Markus Giger ohnmächtig gegenüber der Medienwalze: „(…) Die Artikel über Carlos’ Verhaftung beispielsweise waren schlicht erfunden. Weder griffen ihn schwer bewaffnete Polizisten auf, noch war der Ort der Festnahme korrekt wiedergegeben. Die Figur Carlos haben die Medien geschaffen – diese Person existiert nicht. (…)“ Carlos wurde zum Spielball der Politik. An seinem Beispiel wurden die hohen Kosten für Sondersettings debattiert. Sogar im Parlament wurde Carlos zum Thema. Die Finanzkommission des Zürcher Kantonsrats richtete schwere Vorwürfe an die Behörden des Strafvollzugs. Es dauerte lange, bis sich andere Medien bemühten, differenzierter über die Hintergründe der anspruchsvollen und kostenintensiven Resozialisierungsarbeit bei jugendlichen Straftätern zu informieren. Seit 20 Jahren betreut Markus Giger straffällige junge Männer. Gegenüber dem „Tages-Anzeiger“ beschrieb er eine klassische Biografie: „(…) Bereits als Kleinkind werden sie sich selbst überlassen. Oft sind sie Gewalt ausgesetzt. Niemand tröstet sie,

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Mitten im Zentrum Zürichs arbeitet eine der ungewöhnlichsten reformierten Kirchen der Schweiz: Die Jugendkirche Streetchurch feiert Gottesdienste, führt Arbeitsintegrationsprojekte, bietet Beratungen, Seelsorge und Schulungen in Alltagskompetenzen an.

net habe? Wie kann ich mit meiner Schuld umgehen? Was, wenn mein Opfer nicht bereit ist, mir zu vergeben? Das sind Fragen, die umtreiben. In solchen Situationen gilt es, das Thema Schuld und Vergebung aus der Sicht des Evangeliums kontextuell zur Sprache zu bringen. Mein Gegenüber soll erfahren: Was da am Kreuz geschah, das hat mit mir und meinem Scheitern und Versagen, mit meiner Schuld zu tun. Dass Sie als Gefängnisseelsorger ins mediale Rampenlicht gerückt wurden, stimmt Sie offenbar nicht sonderlich glücklich, sehe ich das richtig? Ja, das haben Sie richtig erkannt. Seelsorgearbeit ist eine stille Arbeit. Es ist zentral, dass uns diese Menschen vertrauen und daraus neue Hoffnung für ihre künftige Lebensgestaltung schöpfen können. Eine derart hochsensible Arbeit basiert auf Vertrauen und verträgt kein mediales Scheinwerferlicht.

Fotos: zvg

Wie konkret können Sie die frei machende Botschaft des Evangeliums den jungen Delinquenten kommunizieren? Dies ist sehr unterschiedlich: Es gibt Jugendliche, die mir von Anfang an kommunizieren, dass sie mit Gott nichts anfangen können, aber das Gespräch mit mir wünschen und schätzen. Andere Jugendliche bringen eine grosse Affinität für geistliche Themen mit. Sie warten geradezu darauf, ihre Situation aus geistlicher Sicht einordnen und verstehen zu können. Immer wieder erlebe ich, dass junge Männer dankbar auf das Angebot der Vergebung antworten und im Glauben erste Schritte wagen. Wie können Sie als Christ konkret Einfluss auf das Leben der Jugendlichen und jungen Männer nehmen, die sich ja nicht selten als gescheiterte Existenzen betrachten? Ich kann mich ihnen als Bezugsperson anbieten. Ich kann und will mit meiner Verfügbarkeit an ihren Leben 20.2014

Anteil nehmen. Sie sollen die Erfahrung machen können: „Auf Pfarrer Giger kann man sich verlassen, dem kann ich vertrauen, der interessiert sich für mich, der betet für mich, der kämpft mit mir und für mich!“ Und ich kann als einer, der selber das Scheitern ja auch kennt, in ihrem Versagen an ihrer Seite stehen. Ich kann für sie und mit ihnen hoffen und glauben, dass dieses Scheitern nicht das Ende ist, sondern dass es überwunden werden kann.

„Eine derart hochsensible Arbeit verträgt kein mediales Scheinwerferlicht.“ Sie haben anlässlich einer Veranstaltung geäussert, dass wir als Gesellschaft und insbesondere als Christen verpflichtet seien, das Leid und das Kreuz von Menschen mitzutragen. Was meinen Sie damit genau? Jesus sendet uns mit dem gleichen Auftrag in die Welt, den er von seinem Vater erhalten hat. Das steht in Johannes 20, Vers 21. Es ist ein radikaler Aufruf, ihm auf seinem Weg ans Kreuz nachzufolgen. So wie Jesus das Kreuz der Welt auf sich genommen hat, so sollen wir das Kreuz unserer Mitmenschen mittragen. Konkret heisst dies: Nur wenn wir bereit sind, die Nöte und Schmerzen unserer Mitmenschen so nahe an uns heranzulassen, wie Gott in Jesus die Not und den Schmerz dieser Welt an sich herangelassen hat, nur dann erfüllen wir den Auftrag Jesu. Und nur dann wird die Kirche für die Menschen unserer Zeit relevant und glaubwürdig sein. Herzlichen Dank für das Gespräch.


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I NSE R AT E | S T E LLE N

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Nachrichten und Meinungen aus der evangelischen Welt

idea Spektrum 20.2014


P RO U N D KON T R A

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Vorlage mit gewissen Risiken und Nebenwirkungen MEDIZINISCHE GRUNDVERSORGUNG Die Hausarztmedizin gilt als bewährtes Modell. Es soll gestärkt und gefördert werden. Über die richtige „Dosis“ sind sich auch Fachleute nicht ganz einig. Daniel Beutler-Hohenberger führt eine Landarztpraxis im Berner Gürbetal. Er ist Mitglied der EDU und wohnt in Gwatt bei Thun.

PRO

Die Hausarztmedizin ist ein Zweig des Gesundheitswesens, der sehr gut und kosteneffizient funktioniert. Hausärzte und -ärztinnen behandeln rund 70 Prozent der medizinischen Probleme, verursachen aber nicht einmal 10 Prozent der Gesundheitskosten und weisen die geringste Kostensteigerung auf. Allein schon aus diesem Grund ist es richtig und notwendig, diesen Gesundheitsbereich in der Verfassung zu verankern. Dass dieses Vorgehen für bürgerliche Kreise nach staatlichem Protektionismus gemäss sozialistischem Muster riecht, ist verständlich. Dadurch, dass die Initiative via Masterplan in einen breit akzeptierten Gegenvorschlag umgewandelt werden konnte, wurden diesem Aspekt aber mehrheitlich die Zähne gezogen. Auch ich als bürgerlich orientierter Politiker kann damit leben. Es ist zu hoffen, dass der vorliegende Entwurf die medizinische Grundversorgung vor schädlichen Eingriffen durch irgendwelche Player in diesem komplexen System schützen wird. Es ist uns Hausärzten in bester Erinnerung, wie Bundesrat Pascal Couchepin durch eine drastische Reduktion der Labortarife die Hausarztmedizin derart kompromittierte, dass nicht gespart wurde, sondern unter dem Strich eine Kostensteigerung resultierte. Trotzdem bleiben offene Fragen. Woher nehmen wir die Hundertschaften fehlender Hausärzte? Die angestrebten Massnahmen kommen mindestens 15 Jahre zu spät. Weshalb wurde der Begriff Hausarztmedizin durch „Grundversorgung“ ersetzt? Bestrebungen, gewisse ärztliche Aufgaben an Pflegepersonal (Nursing Practicioner) zu delegieren, müssten gut überlegt werden, zumal Erfahrungen aus dem Ausland eher ernüchternd ausfallen. Weiter ist zu hoffen, dass heikle Entscheide, die das delikate System Gesundheitswesen aus dem Gleichgewicht bringen können, nicht mehr von oben herab, sondern am runden Tisch entschieden werden. P

Fotos: zvg

DARUM GEHT ES BEI DER ABSTIMMUNG

Carlo Schlatter ist selbstständiger Chirurg in Thun, VR-Präsident der Klinik Hohmad und Stadtrat der SVP. Er wohnt in Thun.

KONTRA

Die Hausarztmedizin ist ein wichtiger Pfeiler der medizinischen Grundversorgung und entspricht einem grossen Bedürfnis. Hausärzte sind meistens die ersten Ansprechpartner und kennen ihre Patienten. Durch die zunehmende Spezialisierung und die gesteigerte Emanzipation der Patienten hat sich die Funktion des Hausarztes in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Trotzdem hat die Anzahl Hausärzte in den letzten 20 Jahren zugenommen. Dass es zu einem Engpass in der Grundversorgung gekommen ist, lässt gerade in städtischen Regionen auch auf einen Mentalitätswandel und veränderte Ansprüche an die Work-Life-Balance der Hausärzte schliessen. Es ist ein Irrglaube, zu meinen, dass mit einem neuen Verfassungsartikel die Attraktivität des Hausarztberufs gesteigert und der Versorgungsengpass vor allem in ländlichen Regionen behoben werden können. Der Bundesbeschluss schiesst weit übers Ziel hinaus und wird zu keiner Verbesserung der Hausarztsituation führen. Im Gegenteil: Wer die Hintergrundpapiere des Bundesamts für Gesundheit genauer anschaut, wird feststellen, dass in künftigen Grundversorgungsmodellen der Hausarzt ausgedient hat und durch geschultes Pflegepersonal, sogenannte „Advanced Practice Nurses“ (ANP), ersetzt werden wird. Es ist kein Zufall, dass im Gegenvorschlag die Versorgung der Bevölkerung „durch Fachärzte und Fachärztinnen der Hausarztmedizin“ wie auch der Begriff „fachlich umfassend“ gestrichen wurden. Wer dem vorliegenden Bundesbeschluss zustimmt, hilft mit, das bewährte und erfolgreiche Versorgungsmodell der Hausarztmedizin zu beerdigen! Für ein gutes Gesundheitssystem brauchen wir weder Planwirtschaft noch staatliche Lohngarantie, sondern freiheitliche Rahmenbedingungen für verantwortungsbewusste, eigenständige und motivierte Ärzte. P

Die qualitativ hochstehende medizinische Grundversorgung soll für alle zugänglich sein. Bund und Kantone sollen die medizinische Grundversorgung fördern; Hausärzte sollen besser ausgebildet und unterstützt werden. Argumente dafür: Die Vorlage berücksichtigt Anliegen der Fachkräfte und der Bevölkerung und verankert die medizinische Grundversorgung in der Verfassung. Die Aufgaben des Bundes werden vervollständigt, die medizinische Leistung wird besser. Argumente dagegen: Die Verfassung bevorteilt einseitig einen einzelnen Berufszweig. Die Vorlage ist ein Schritt zur staatlich organisierten Medizin. Bedürfnisse können schnell ändern; Versorgungsmodelle sollen nicht in der Verfassung festgelegt werden. Empfehlungen: Ja sagen: Bundesrat und Parlament, BDP, CVP, EDU, EVP, FDP, glp, Grüne, SP; Nein sagt: SVP. (www.vimentis.ch; tf) 20.2014


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S Y N E RG I E | LE SE R BR I E F E

SYNERGIE MENSCHENFURCHT Der nachfolgende Bericht handelt von einem Mann in meinem Alter. Er ist dynamisch, beruflich erfolgreich – und macht ganz neue Erkenntnisse. eder Sonntagmorgen versich setzen? In der ersten sitzen läuft gleich: Gestartet wird die Leiter, die zweite Reihe wird vor dem Kleiderschrank. Der von altgedienten GemeindeMann würde manchmal ganz angehörigen mit Dienstalter gern in ausgebeulten Jeans in über 25 Jahren belegt. Er entden Gottesdienst gehen. Regelscheidet sich für die vierte mässig legt aber seine Frau ihr Reihe, nicht auffallend, aber Veto ein und rät zu etwas mehr doch im Gesichtsfeld des seine Christoph Wirz Eleganz. Im Geschäftsleben ist Schäflein beobachtenden Geer anerkannt, zu Hause liebevoll geführt. meindeleiters. Es kommt, wie es kommen Unser Mann fährt einen BMW ohne Typen- muss: Unser Mann hat Mühe, die richtige bezeichnung. So bleiben dem Betrachter durchschnittliche Winkerei zu praktiziebezüglich Motorisierung alle Phantasien ren. Verunsichert schaut er nach links und offen. Für Kenner: Es ist ein X1 xDRIVE nach rechts. Soll er Bariton, Bass oder gar 2,8i ng (i steht für intelligent, ng für nicht „Machosopran“ singen, damit er nicht aufgeleast). Der Mann fährt diesen BMW ger- fällt? Oder etwa gar nichts? Soll er die Aune, solange niemand von der Gemeinde gen schliessen? Er entscheidet sich für die das merkt. Anlageprobleme hat er keine, einäugige Version. das Geld steckt im Auto. Nach dem Gottesdienst wird Gebet angeIm Gottesdienst-Raum stellen sich ihm boten. Der Mann würde gerne zu der symneue Probleme. In welche Reihe soll er pathischen Schwester ganz rechts gehen,

Was sagt die Kirche? zu: „Die Auflösung der Ehe“, (Nr. 19, S. 19) Die heutige Regelung soll einer Lebensgemeinschaft Platz machen, bei der es weder Konkubinatspaare noch eingetragene Partnerschaften noch eine Ehe im traditionellen Sinn gemäss Art. 14 BV mehr geben soll. Die Kinder sollen auch nicht mehr unbedingt einen Vater und eine Mutter haben. Ferner soll das Polygamie- und Inzestverbot kritisch überprüft werden. Damit werden grundlegende biblische Werte in Frage gestellt. Was sagen die Landeskirchen zu diesem vorerst gedanklichen „Sündenfall“? Hans Peter Häring, Wettswil ZH

Etwas gar einfach zu: „Pro und Kontra“, (Nr. 18, S. 11) Es geht mir nicht um die Frage „Gripen – Ja oder Nein“, sondern um die Argumentation von Philipp Hadorn. Sein Nein mit dem Hinweis auf Hebräer 2,13 zu begründen, scheint mir etwas gar einfach. Konsequent

zu Ende gedacht, darf Herr Hadorn dann auch keinerlei Versicherungen abschliessen: keine Krankenkasse, keine Unfallversicherung, kein Sparguthaben fürs Alter usw. Tut er das? Setzt er auch hier sein Vertrauen auf Jesus Christus? Wenn Ja, Chapeau! Wenn Nein, wo liegt der Unterschied zwischen persönlichem Leben und nationalen Belangen? Ich wünsche mir, dass Christen weniger plakativ argumentieren und die Bibel nicht einseitig für politische Überzeugungen ins Feld führen. Sachlich schreibt Philipp Hadorn überhaupt nichts zur Vorlage. Schade. Hans-Jörg Denzler, Walkringen BE

Handeln statt reden zu: „Podium“, (Nr. 18, S. 15) Das „Minarett-Verbot“ ist nicht von ungefähr ein Streitpunkt. Viele Politiker haben noch nicht begriffen, dass hier ein machtpolitisches Zeichen seitens des Islam gesetzt werden sollte und dies wollten die meisten Schweizer nicht. Wieso wollen Muslime, dass der Islam den Status einer Landes-

aber er weiss nicht, ob sich das schickt. Er will auch nicht zu häufig Gebet beanspruchen, sonst heisst es noch, er habe Probleme. Wen immer er auch auswählt, die anderen werden beleidigt sein, weil er sie nicht berücksichtigt hat. Was ich von diesem Mann erzählt habe, ist Vergangenheit. Er hat in den letzten Monaten Schritte hin zu seinem Lebensziel gemacht: Heitere Gelassenheit. Er hat begriffen und umgesetzt, was man ihm bisher vergeblich gepredigt hat: „Setz alles daran, in erster Linie Gott zu gefallen.“ Seither ist er wie ein „umkehrte Häntsche“. Er läuft herum, als hätte er ein eigenes Dachfenster. Er hat sein Leben nicht in die Hand genommen, sondern endlich ganz abgegeben. M Der Autor ist Notar mit Büro in Oberhofen am Thunersee; er wohnt in Lyss.

kirche erhält? Wieso können sie nicht, wie alle anderen Religionsgemeinschaften, auf der Basis der Vereinskultur ihre Zusammenkünfte pflegen? Wieso geben Muslime (Islamischer Zentralrat) der Scharia einen höheren Stellenwert als der Bundesverfassung? Nicht alle Muslime sind Extremisten, aber sie wagen es nicht dagegen zu opponieren, weil sie Repressalien befürchten. Solche Fakten verunsichern viele Schweizer. Ich rate Frau Schmid, die Bücher „Swisslam“ und „Basiswissen Islam“ zu studieren. Was sie am Schluss der Kolumne über Grundrechte schreibt, ist begrüssenswert. Wie aber bringt Frau Schmid dies zu den Muslimen? Lädt sie sie ein, um über die Menschenrechte usw. zu diskutieren? Erklärt sie ihnen unser demokratisches System? Reist sie in muslimische Länder, um zu erklären wie unsere Staatsform funktioniert? Unsere Gesellschaftsordnung? Unser Rechtssystem? Ich wünsche Frau Schmid ein überlegtes Vorangehen in kleinen Schritten. Alfred Rentsch, Gränichen AG

Foto: zvg

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20.2014


N AC H R IC H T E N SC H W E I Z / P ODI U M

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„Du bist der Hoffnungsstreifen“ PODIUM DIAKONIE Mit einer grossen Kampagne wollen die reformierten Kirchen zu einem diakonischen Lebensstil motivieren.

„Du bist der Hoffnungsstreifen, wenn Menschen in Not sind“: Eine landesweite Kampagne der reformierten Kirchen rückt den diakonischen Dienst ins Zentrum.

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chon seit Wochen leuchten frühlingshaft grüne Armbänder mit der Aufschrift „Hoffnungsstreifen“ an vielen Handgelenken. Sie verweisen auf die DiakonieKampagne der evangelisch-reformierten Kirchen. 500 Kirchgemeinden in 24 Kantonen beteiligen sich, davon 105 im Kanton Zürich. Bereits wurden zahlreiche Projekte gemeldet. Diese reichen von Predigt- und Filmreihen über einen Talentparcours im Einkaufszentrum, generationenübergreifende Mittagessen bis zu Veloputz- und Reparatureinsätzen. Neben den Armbändern stehen auch Plakate, Fahnen und weitere Utensilien als Werbematerial zur Verfügung.

Sich für andere einsetzen Die Kampagne lädt ein, sich für andere einzusetzen. Zahlreiche soziale Leistungen der Kirche könnten nicht angeboten werden ohne die Mithilfe von Freiwilligen. Die Initianten wünschen sich, dass darüber gesprochen wird und auch kirchenferne Menschen zum Mitmachen motiviert werden. Die Projekte in den Kirchgemeinden bieten dazu eine gute Gelegenheit.

können neuen Mut wecken in Situationen, die Menschen allein kaum oder gar nicht bewältigen können. Die Plakatsujets zeigen solche schwierigen Momente: Die Einsamkeit nach dem Tod des Partners, die Dauerbeanspruchung Alleinerziehender, Menschen mit Angststörungen, Asylsuchende. Hier bieten Kirchen Hilfe an.

Diakonie – was ist das? Dass die Kampagne kurz vor der Abstimmung über die Initiative gegen die Kirchensteuer juristischer Personen startet, war nicht geplant. Aber dass die Kirche gerade jetzt mit ihrem sozialen Engagement an die Öffentlichkeit tritt, freut Frieder Furler. Viele Menschen wüssten mit dem Begriff Diakonie nichts mehr anzufangen. Bei einer Umfrage wurde Diakonie mit Dyskalkulie (Rechenschwäche) oder Diagnose in Verbindung gebracht. Frieder Furler: „Wir müssen mit der Gesellschaft ins Gespräch kommen.“ Für einmal gelte: „Tue Gutes und sprich darüber“. (mf) M

b www.diakonie-verbindet.ch

Fotos: Mirjam Fisch-Köhler; zvg

Gemeinsam essen und feiern „Spiritualität ist die Wurzel, Solidarität ist die Frucht, beides gehört zusammen. Darum fördern sich Seelsorge und Sozialsorge, gottesdienstliches Feiern und alltägliche Hilfeleistung“, hält Paul Dalcher fest. Er leitet das Projekt „Hoffnungsstreifen“ im Kanton Zürich. Schon ein Lächeln oder ein freundliches Wort tun gut und 20.2014

Kochen und essen verbindet: Gemeinsam essen in der reformierten Kirche Gossau ZH.

Letzte Woche hat nach dem Ständerat auch der Nationalrat die Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung abgelehnt. Verboten werden soll die Besteuerung nach Aufwand für ausländische Staatsangehörige, die in der Schweiz Wohnsitz nehmen und hier keine Erwerbstätigkeit ausüben. Im Visier haben die Initianten angebliche „Steuermillionäre“. Allerdings greift die angestrebte NeidDebatte einmal mehr zu kurz. Mit dieser alternativen Veranlagungsmethode werden rund 700 Millionen an Steuern eingenommen. Das System wurde vom Parlament bereits vor zwei Jahren verschärft und wird inskünftig über eine Milliarde Steuern generieren. Betroffen von einer Abschaffung wären mehrheitlich strukturschwache Land- und Bergregionen. Gerade in diesen Gebieten sind die Investitions- und Konsumausgaben der pauschalbesteuerten Personen ein vielfach unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor. Die Ausgaben werden auf rund 1,4 Milliarden Franken geschätzt und es leuchtet unmittelbar ein, dass damit eben auch Arbeitsplätze – die Rede ist von rund 30 000 – gesichert werden. Ebenso ausgeblendet werden von den Befürwortern hohe Leistungen durch die Pauschalbesteuerten an kulturelle Projekte, Sportveranstaltungen oder die Infrastruktur. Ein wichtiger Beitrag an die Standortattraktivität und vielfach auch an den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Mehrheit des Parlaments hat zu Recht erkannt, dass die Abschaffung der Pauschalbesteuerung ein klassisches Eigentor wäre.

Hans-Ulrich Bigler ist Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes.


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I NSE R AT E

Hoffnung im Alltag

Innovative Gemeinden Wie funktioniert Evangelisation? Was fordert freikirchliche Gemeinden heraus? Wo engagieren sie sich konkret? Und wie werden suchende Menschen für den Glauben gewonnen? Das Portal Livenet stellte 25 Gemeindeleitern und Pastoren innerhalb des Freikirchenverbandes dieselben Fragen und erhielt dazu eine Palette unterschiedlicher Antworten. Besonders wichtig war für die Redaktion zu erfahren, wie Schwellenängste in die Gemeinden abgebaut und wie neue Menschen zum Glauben kommen. Eine Auswahl:

«Suchende wertschätzen» Wesentlich ist für Rolf Senn von der ChrischonaGemeinde Weinfelden, dass Gemeindeglieder in der Lage sind, von eigenen Bedürfnissen abzusehen und die Bedürfnisse von Suchenden zu erkennen. Persönliche Beziehung aufbauen und ein authentisches Christsein leben schaf schaffen die Grundlage, dass Menschen den Schritt zum Glauben wagen. Sein Kollege in der FEG Winterthur, Beat Ungricht, spricht von «Wertschätzung» für neue Besucher. Wertschätzung hat die Gemeinde sogar zum Jahresschwerpunkt 2104 erklärt. Menschen sollen spüren: «Hier bin ich willkommen». Auch René Christen, Leiter der Kirche im Prisma, Rapperswil, sieht im Aufbau von Beziehungen zu Suchenden die Grundlage. Dies kombiniert die Gemeinde sodann mit «besucher- und sucherfreundlichen Meetings und Gottesdiensten». «Dort können und dürfen sie inklusive all ihren Fragen einen Weg gehen, der oft in einer Hinwendung zu Jesus Christus besteht.»

«Attraktive Landeplätze» Harry Pepelnar, Leiter des Begegnungszentrums Murten der FEG, zielt in seiner Verkündigung darauf, «die Liebe zu Jesus heiss zu halten». Er findet: «Wir sollten mehr über Jesus Christus nachdenken als über das Christentum.» Für Sucher gelte es, «attraktive Landeplätze» zu schaffen. Dazu soll das Kleingruppen-System verbessert werden. Besonders erfolgreich war die Veranstaltungsreihe «hope 13». Doch oft geschehen auch Entscheidungen für den Glauben «wie aus heiterem Himmel». «Menschen, die ihren Glauben transparent und ehrlich leben», machen laut Thomas Mauerhofer von der FEG Altdorf Menschen fragend. Vor allem erlebte Geschichten sprechen gemäss seiner Erfahrung an. «Parallel dazu braucht es Gefässe, wo das Evangelium klar und verständlich erklärt wird.» Dies können Gästeanlässe

Jüngere Gemeinden treten öfter mit neuen Formen an die Öffentlichkeit, zum Beispiel mit Strassentheater. Bild: zvg.

oder auch Glaubenskurse sein. Entscheiden sei auch der Lebensstil der Christen: «Wir wollen die Hoffnung im Alltag weitergeben.»

Stallgeruch, aber keine Mauern Für Dan Schürch von der Evangelischen Täufergemeinde ETG Bülach darf eine Gemeinde ruhig ihren «Stallgeruch» behalten. Dennoch brauche es eine Öffnung: «Wir müssen unser elitäres Verhalten ablegen und unsere Arme weit auftun für kranke, hilfsbedürftige und schwache Menschen.» René (RöNee) Steiner leitet die Vineyard in Olten. Ihm schwebt eine «Kirche ohne Mauern» vor. Um sie zu entwickeln und die Gemeinde dafür zu trainieren, verzichtet er einmal in einem Monat auf den Sonntags-Gottesdienst. Stattdessen sind die Vineyard-Leute «von Freitag bis Sonntag in verschiedenen missionalen Initiativen und Gemeinschaften in den Regionen und den Quartieren unterwegs». Er mahnt aber auch zu Geduld: «Leute aus der Vineyard gehen lange Wege mit persönlichen Bekannten, und irgendeinmal wollen diese dann auch Jesus nachf nachfolgen.»

Diakonische Projekte Ein wichtiger Bestandteil im Leben der erwähnten Gemeinden sind auch diakonische Initiativen und Projekte. Die Chrischona Weinfelden pflegt einen Dienstzweig Diakonie für verschiedene Bedürf Bedürfnisse. Die FEG Winterthur arbeitet mit einer breiten Palette an diakonischen Angeboten, vom «Verein Stägetritt» für Familienhilfe und Arbeitsintegration bis hin zu Projekten für Asylsuchende und Migranten. Thomas Mauerhofer (FEG Altdorf) plant ein Café-Projekt. Die ETG Bülach betreut Migranten und beteiligt sich an der «Aktion Gratishilfe». Die Vineyard Olten macht bei der Lebensmittelabgabe mit, führt die «Ufzgi-Insle» (Aufgabenhilfe) und engagiert sich in Finanzberatung, Deutsch für Ausländer etc. Auch die Kirche im Prisma kennt eine breite diakonische Angebotspalette. www.livenet.ch > Dossier «innovative Gemeinden»

Fritz Imhof

Der VFG Zum Verband «VFG – Freikirchen Schweiz» gehören 15 freikirchliche Körperschaften mit über 700 lokalen Gemeinden, vorwiegend in der deutschen Schweiz, sowie 7 GastMitglieder. Wir bringen auf dieser Seite Informationen aus dem Leben von Freikirchen

in der Schweiz sowie wichtige Themen und Anliegen des Verbandes. Mit der Form der Publireportage unterstützt der VFG auch die Arbeit von «idea Spekrum Schweiz». www.freikirchen.ch

idea Spektrum 20.2014


NO T H I L F E

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Effiziente Nothilfe mit Drohnen MEDAIR Die Hilfsorganisation Medair nutzt Drohnen für einen guten Zweck. Auf den Philippinen wurde damit das vom Taifun Haiyan zerstörte Gebiet kartiert. Joel Kaiser hat die Begeisterung der Dorfchefs über die hochaufgelösten Karten miterlebt. Von Christian Bachmann „Die meisten Menschen haben ein negatives Bild von Drohnen. Sie denken dabei an militärische Spionageeinsätze in Ländern wie Afghanistan“, sagt Joel Kaiser, der im Nothilfeteam von Medair arbeitet. „Dabei kann ihre Technologie in humanitären Projekten äusserst nützlich sein.“ Auf den Philippinen, wo Medair seit dem Supertaifun Haiyan im November 2013 im Einsatz ist, gab es von vielen Inseln nur von Hand gezeichnete A4-Karten. Eine effiziente Nothilfe war damit nicht möglich.

Erstmals Drohnen für den Wiederaufbau Medair macht sich die positiven Eigenschaften von Drohnen zunutze und setzt sie erstmals für den Wiederaufbau ein. Seit März arbeitet die Hilfsorganisation mit „Drone Adventures“ zusammen. Im letzten September kam sie erstmals mit dieser NGO in Kontakt, die in Haiti bereits Erfahrung mit dem Einsatz von Drohnen für humanitäre Zwecke gesammelt hatte. Die unbemannten Flugmaschinen werden von der Schweizer Firma SenseFly produziert, wiegen nur 700 Gramm und haben eine Spannweite von knapp einem Meter. Kaiser nennt den Zeitgewinn als Hauptgrund für deren Einsatz, denn bei Katastrophen geht es häufig um Leben und Tod. Dank der Drohnen kann das zerstörte Gebiet innerhalb einer Stunde untersucht und kartiert werden. Mit dem Auto wären dafür zwei bis drei Tage nötig.

Fotos: Drone Adventures

3D-Geländemodelle statt Handskizzen Die Kameras in den Drohnen nahmen von den schwer beschädigten philippinischen Städten Tacloban, Dulag und Julita mehrere hundert hochauflösende Bilder auf. Mit einer speziellen Software wurden die einzelnen Fotos zu detaillierten 2D-Karten sowie zu dreidimensionalen Geländemodellen zusammengestellt. Bis anhin musste man sich für die Koordinierung der Aufbauarbeiten auf handgezeichnete Pläne oder veraltete Versionen von Google Maps verlassen, die vor dem Taifun erstellt worden waren. Rob Fielding, Beauftragter für Technologie und Innovation bei Medair, erklärt: „Mithilfe der Luftaufnahmen führen wir Schadensbewertungen durch und identifizieren sicheres Gelände, auf dem Familien untergebracht werden können.“ In Dulag auf der Insel Leyte besteht die Hauptarbeit im Wiederaufbau der zerstörten Häuser. Die mit den Drohnen erstellten Bilder sind äus20.2014

Alexis Roze von Drone Adventures demonstriert die Drohne philippinischen Schülern (li.). Die Vorsteherin von Cabacungan präsentiert eine Luftaufnahme.

serst genau und erlauben ein detailliertes Bild der entstandenen Schäden. So kann bestimmt werden, wo Hilfe am dringendsten benötigt wird und welche Unterstützung erforderlich ist, damit sich die Familien von der Katastrophe erholen können. „Wir planen, auch in Zukunft bei Hilfseinsätzen auf Drohnen zurückzugreifen“, sagt Fielding.

Dorfchefs in heller Aufregung Auch die Vorsteher der Dörfer, die jeweils die Erlaubnis für den Einsatz der Drohnen geben müssen, sind sehr interessiert an der neuen Technologie. „Sie waren so aufgeregt, als sie mit den neuen Karten ihre Gemeinschaft aus der Luft sahen“, erzählt Joel Kaiser. Auch Vertreter der Ortschaft Cabacungan in der Nähe von Dulag erhielten eine Landkarte: „Vorher hatten wir nur eine Übersicht von unserer Gemeinschaft mit einem riesigen Datenblatt aus dem Jahr 1999. Doch es wurde beim Taifun vernichtet“, sagt die Dorfvorsteherin, Ma’am Evelyn. „Jetzt können wir besser planen. Wir sehen auf einen Blick, welche Haushalte dringend Hilfe brauchen.“ Joel Kaiser wird sein Einsatz auf den Philippinen wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Es sei grossartig gewesen, den Dorfchefs die von Medair erstellten, hochwertigen Karten zu überreichen. „Ich war beeindruckt, wie sicher diese Drohnen sind“, schwärmt er. Auch die Schüler seien begeistert gewesen. Ein Schüler durfte sogar mithelfen, die Drohne zu starten. „Man schüttelt sie dreimal, der Motor startet und sie fliegt.“ • b www.medair.org


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N AC H R IC H T E N

Entwicklungshilfe ist kein Fass ohne Boden ARMUT Größte Nöte können – so Compassion – gelindert werden.

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ntwicklungshilfe ist kein „Fass ohne Boden“. Die größten Nöte der Menschheit – etwa extreme Armut – können binnen einer Generation entscheidend gelindert werden. Zu diesem Fazit kommt der Vizepräsident des internationalen christlichen Hilfswerks „Compassion“ (Mitgefühl), Scott C. Todd (Colorado Springs). Nach seiner Ansicht herrscht im Blick auf die Lösung der Menschheitsprobleme eine ungerechtfertigt negative Einstellung. Compassion hat zusammen mit dem US-Meinungsforschungsinstitut Barna die Einstellung der Amerikaner zur Bekämpfung extremer Armut untersucht. Ergebnis: Nur 9 % halten es für äußerst wahrscheinlich, dass dieses Problem in den nächsten 25 Jahren gelöst werden kann; 23 % halten es für „etwas

Extreme Armut 1981: 2014:

über 50 % 21 % der Weltbevölkerung

wahrscheinlich“. Laut Todd hält dieser Pessimismus den Fakten nicht stand. 1981 habe mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in extremer Armut gelebt; heute seien es noch 21 %.

Hilfe durch Patenschaften Christen können laut Todd einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut leisten. Ein Weg sei, über Patenschaften dafür zu sorgen, dass Kinder Zugang zu Bildung und Nahrung bekommen. Aus Sicht von Compassion sei das Wichtigste, dass Menschen die Möglichkeit bekämen, die christliche Botschaft zu hören, so Todd. Aus einer Beziehung zu Gott erwachse der Wunsch, die erfahrene Liebe anderen zu erweisen: „Ganz bestimmt gehören dazu die Menschen in extremer Armut.“ Das 1952 gegründete Hilfswerk Compassion hilft durch Kinderpatenschaften 1,3 Millionen Kindern in 26 Ländern. P b www.compassion-de.org

Wie Christen Depressive unterstützen können GEMEINDEFERIENFESTIVAL „Wenn du nicht mehr beten kannst …“

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hristen sollten einem depressiven Menschen nicht sagen, er solle mehr beten. Dazu sind die Betroffenen oft nicht in der Lage. Stattdessen sollte man ihnen anbieten: „Wenn du nicht mehr beten kannst, dann tue ich das für dich.“ Diesen Rat gab die Seelsorgerin Marlene Müller (Schmallenberg) beim GemeindeFerienFestival SPRING in Willingen (Nordhessen). Nach ihren Worten kann eine Scheidung oder der Tod eines Partners Angst erzeugen, was anschließend zu Depressionen führen könne. Weitere Ursachen für die Erkrankung seien negative Erfahrungen in der Kindheit, beispielsweise Gewalt oder ständige Erniedrigung in der Familie. Dann entstehe bei einem Kind der Eindruck, dass man die Eltern trotz großer Anstrengung nicht zufriedenstellen und nie etwas richtig machen könne. Christen, die unter Depressionen litten, hätten oft

den Eindruck, dass Gott sich zurückziehe, und fühlten sich von ihm verlassen. Müller: „Gott verlässt zwar keinen. Aber der Betroffene empfindet das trotzdem so.“

Privatschulen boomen Der Geschäftsführer der Freien Evangelischen Schulen Berlin, Wolfgang Stock, äußerte sich in einem Seminar überzeugt, dass Privatschulen in Zukunft weiter wachsen werden, weil Eltern und Schüler mit dem staatlichen Schulsystem zunehmend unzufrieden seien. Diese Schulen seien meist kleiner, familiärer, kinderorientierter und innovativer. In Berlin besuchten mittlerweile 15 % der Schüler eine private Einrichtung. In ganz Deutschland seien es durchschnittlich 10 %. An den Freien Evangelischen Schulen Berlin müsse man die Hälfte aller Interessierten abweisen, weil es nicht genügend Plätze gebe. P

NOTIERT Der erste homosexuelle US-Bischof lässt sich scheiden Der schwule US-Bischof Gene Robinson (Concord) lässt sich von seinem langjährigen Partner Mark Andrew Bischof Gene Robinson scheiden. Das gab der 66-jährige anglikanische Theologe in einem Schreiben an seine Diözese bekannt. Für die Trennung seien rein private Gründe ausschlaggebend. Offenbar litten aber homosexuelle Partnerschaften unter den gleichen Belastungen wie heterosexuelle Ehen. Robinson war von 1972 bis zu seiner Scheidung im Jahr 1986 verheiratet und hat aus dieser Ehe zwei Töchter. Seit 1989 lebte er mit Andrew zusammen. 2008 ließen sie ihre Partnerschaft gesetzlich registrieren, und 2010 gingen sie eine „Homo-Ehe“ ein, als diese in New Hampshire legalisiert wurde. Im vorigen Jahr trat Robinson in den Ruhestand. 2003 war er als erster offen in einer homosexuellen Partnerschaft lebender Bischof der Episkopalkirche geweiht worden. Dies führte zu einer Austrittswelle theologisch konservativer Kirchenmitglieder.

Bund der Baptistengemeinden in der Türkei gegründet In der Türkei haben sich vier Baptistengemeinden zu einem Bund zusammengeschlossen. Zum Präsidenten wurPastor Ertan Cevik de der Pastor der Gemeinde in Izmir, Ertan Cevik, gewählt. Der in Deutschland aufgewachsene Türke ist Mitarbeiter des Missionswerks EBM International (früher: Europäische-Baptistische Mission/Wustermark bei Berlin). Als Generalsekretär des Bundes amtiert Orhan Picaklar, Pastor der Agape Gemeinde in Samsun am Schwarzen Meer. Der Bund will die Gemeinden und die Christen im Land ermutigen sowie Konferenzen und Ferienlager organisieren. Unter den 72 Millionen fast ausschließlich muslimischen Einwohnern des Landes leben 120.000 Christen.

Fotos: picture alliance / landov, kairospress

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Chinesen verbinden Geschäft und Mission WIRTSCHAFT Wie Unternehmer christliche Werte verbreiten – Sie gründen sogar Gemeinden

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hina bietet christlichen Unternehmern aus dem In- und Ausland große Möglichkeiten, geschäftlich tätig zu werden. Sie können dadurch christliche Werte in der Wirtschaft verbreiten und Menschen für den Glauben an Christus gewinnen. In zunehmendem Maße bauen deshalb Christen in der Volksrepublik Unternehmen auf. Darüber berichtet die evangelikale Bewegung „Business As Mission“ (BAM/Geschäft als Mission), die mit der Weltweiten Evangelischen Allianz verbunden ist. Wie es weiter heißt, schafft Chinas jährliches Wirtschaftswachstum von 8 bis 10 % ein ideales Umfeld für „Geschäft als Mission“. Die kommunistisch regierte Volksrepublik habe zugleich eine der am wenigsten vom Evangelium erreichten Bevölkerungen der Welt. Geschäftsbeziehungen böten hier gute Möglichkeiten, um Nächstenliebe zu zeigen und die christliche Botschaft zu vermitteln. Einheimische Unternehmer in China verknüpften ihre Geschäftstätigkeit oft mit Evangelisation bis hin zur Gründung von Gemeinden. Sie übten einen positiven Einfluss aus, etwa durch bessere Arbeits-

Eine Firma in Ningbo (Ostchina) mit einigen Tausend Beschäftigten. Auf dem Dach einer ihrer riesigen Montagehallen hat der engagierte christliche Chef eine Gebetskapelle errichtet, in der täglich Gebetstunden mit Mitarbeitern stattfinden.

bedingungen, der Abwehr von Korruption sowie umweltfreundlichem Wirtschaften. Die Zahl der Christen wird unter den 1,3 Milliarden Einwohnern der Volksrepublik auf bis zu 130 Millionen geschätzt.

Chinesen bei Führungskongress Chinesische Unternehmer waren in Deutschland bei den vergangenen drei Kongressen christlicher Führungskräfte

vertreten, die unter dem Motto „Mit Werten in Führung gehen“ stattfinden. Die Veranstalter rechnen auch bei der nächsten Zusammenkunft vom 26. bis 28. Februar 2015 in Hamburg mit einer chinesischen Delegation. Der Kongress wird veranstaltet von der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) in Kooperation mit der Firma „tempus Akademie & Consulting“. P b www.bamthinktank.org

Ukrainer: Unser Volk hat viel Schuld auf sich geladen LICHT IM OSTEN Russische und ukrainische Repräsentanten: Betet für unsere Länder!

Fotos: Karl Schock (2)

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um Gebet für ihre Länder haben die Leiter der ukrainischen und russischen Partnerorganisationen des deutschen Missionsbundes „Licht im Osten“, Wassilij Dawidjuk (Kiew) und Pjotr Lunitschkin (St. Petersburg), aufgerufen. Bei der Jahreskonferenz des evangelikalen Werkes in Korntal bei Stuttgart sagten sie, Christen sollten um Frieden bitten, ohne parteiisch zu sein. Dawidjuk zufolge haben die Unruhen in der Ukraine eine geistliche Dimension: „Gott will uns zeigen, wie viel Schuld unser Volk auf sich geladen hat.“ Als Beispiele nannte er die hohe Zahl an Abtreibungen, ein erschreckendes Ausmaß an Korruption, die Verbreitung von Okkultismus in staatlichen Medien und 20.2014

propagierte Homosexualität. Er zeigte sich überzeugt, dass kirchliche Bußpredigten viele Menschen zum Nachdenken bringen. Allein seine Organisation habe in Kiew über 50.000 Johannes-Evangelien verteilt.

Zurück zur Sowjetunion? Nach Worten des Russen Lunitschkin ist durch die staatlich gelenkten Medien bei den meisten Russen ein Schwarz-WeißDenken vorhanden. Es gebe nur gute Russen und ausländische Feinde. Dieses Denken werde jetzt um eine „Zurück zur Sowjetunion“-Stimmung ergänzt. Meinungsumfragen hätten ergeben, dass sich etwa 70 % der Bevölkerung nach den alten Verhältnissen sehnten. Dabei brauche

Russland nichts dringender als eine geistliche Erneuerung, um seine sozialen und materiellen Probleme in den Griff zu bekommen. Der 1920 gegründete Missionsbund „Licht im Osten“ stellt Bibeln, theologische Literatur und Zeitschriften in über 30 Sprachen her. Bestseller ist das russischsprachige Zweimonatsmagazin „Glaube und Leben“ mit einer Auflage von 96.000 Exemplaren sowie die Kinderzeitschrift „Tropinka“, die in acht Sprachen erscheint und mehr als 1,5 Millionen Leser erreicht. Außerdem fördert der Missionsbund soziale Projekte. Vorsitzender ist der württembergische Pfarrer Martin Hirschmüller, Missionsleiter Pfarrer Johannes Lange. P b www.lio.org • 0711 8399080


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Wer befreit die entführten Schülerinnen? W

eltweit wächst die Bestürzung über die Entführung von fast 300 nigerianischen Schülerinnen durch die islamische Terrororganisation Boko Haram (auf Deutsch: Westliche Bildung ist Sünde). Auch einen Monat nach der Verschleppung der ersten Gruppe von 276 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren aus einer Realschule in Chibok sowie weiteren 11 wenige Tage später fehlt von ihnen jede Spur. 234 befinden sich noch in der Gewalt der Entführer. Etwa 90 % der Geiseln stammen aus christlichen Familien. Die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, China und Israel haben Unterstützung bei der Suche durch Spezialkräfte zugesagt. Frankreichs Präsident François Hollande regte ein Gipfeltreffen mit westafrikanischen Staatschefs an. Die Gattin des US-Präsidenten – Michelle Obama – sagte in ihrer Muttertagsansprache am 11. Mai, ihr Ehemann Barack und sie sähen in den entführten Mädchen ihre eigenen Töchter: „Wir können uns die Qualen vorstellen, die ihre Eltern jetzt durchmachen.“

Die entführten Schulmädchen werden von Boko Haram in einem Video vorgeführt.

Adamawa verbindet. Sie gilt als möglicher Zugang zum dichten Wald Sambisa, in dem die Terroristen Lager unterhalten. Es wird vermutet, dass dort die Mädchen gefangen gehalten wurden.

„Ich werde sie verkaufen“ Andere Quellen sprechen davon, dass sie bereits als Sex-Sklavinnen an muslimische Männer im Ausland verkauft worden sind. Der Boko-Haram-Anführer Abubakar Shekau hatte sich in einem Video damit gebrüstet, dass die Geiseln für umgerechnet neun Euro als „Sklavinnen“ an Muslime veräußert und zwangsverheiratet würden. Damit gelten sie als Musliminnen. Shekau: „Es gibt einen Markt für Mädchen. Ich werde sie auf dem Markt verkaufen. Allah will es so.“

Welcher Gott soll das sein? Bundespräsident Joachim Gauck reagierte bestürzt auf die Verbrechen. Die deutsche Bundesregierung verurteilte die „barba-

Sklavinnen „im Namen Allahs“ Boko Haram will im Norden Nigerias und in anderen Ländern Afrikas mit Gewalt einen islamischen Staat errichten, dem sich alle Bürger unterwerfen müssen. Die Terrororganisation verübt seit 5 Jahren Anschläge vor allem auf Schulen und Kirchen. Allein in diesem Jahr sind ihnen mindestens 2.000 Menschen zum Opfer gefallen; die meisten waren Christen. Die Organisation setzte unterdessen ihren Terror fort. Ihre Kämpfer machten am 10. Mai das Dorf Limankara (Borno) dem Erdboden gleich und sprengten eine Brücke, die die Bundesstaaten Borno und

TSCHAD

NIGER

BENIN

NIGERIA IA Abuja

(Hauptstadt)

Chibok

Bundesstaat Borno

Lagos 400 km l ideaGrafik

N KAMERUN

Nigeria Einwohner: 158 Millionen Muslime: 50 % Kirchenmitglieder: 40 % Anhänger von Naturreligionen: 6 %

rische Gewalt“ und sagte Unterstützung für die weltweite Kampagne „Bringt unsere Mädchen zurück“ zu. Der Vatikan verurteilte die „schrecklichen Gewaltverbrechen“ und forderte die sofortige Freilassung der Schülerinnen. Der Vorsitzende der nigerianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Ignatius Kaigama (Jos), sagte, Boko Haram behaupte, einen Krieg im Namen Gottes zu führen: „Ich weiß nicht, welche Art Gott das sein soll.“ Die Auslandsbischöfin der EKD, Petra Bosse-Huber (Hannover), verurteilte gegenüber idea die „menschenfeindliche Sicht“, Frauen zur Ware zu degradieren. Boko Harams Name „Westliche Bildung ist Sünde“ sei Programm. Langfristig sieht Bosse-Huber nur in Bemühungen um Verständigung und Dialog zwischen den Religionen eine Chance, die Gewalt einzudämmen.

CDU/CSU: Lasst sie frei! Nach Worten der Sprecherin für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erika Steinbach (Berlin), verurteilt die Unionsfraktion die „besonders verabscheuungswürdigen Verbrechen“ und ruft die Täter auf, die Schülerinnen unversehrt freizulassen. Steinbach betonte, dass sich die Gewalt nicht nur gegen Christen richte, sondern auch gegen gemäßigte Muslime.

Islamrat: „Unislamische“ Gewalt Der Deutsche Islamrat sieht die Gewalttaten von Boko Haram als „unislamisch“ an. Der Vorsitzende, Ali Kizilkaya (Köln): „Wir sind fassungslos und verurteilen, was da passiert.“ Kinder zu entführen, sei „total unmenschlich“ und widerspreche dem Islam. P

Foto: picture alliance / abaca

NIGERIA Die weltweite Empörung über die Verbrechen der islamischen Terrororganisation Boko Haram wächst.

20.2014


Der Fund der Woche JESUS-BILD Schon immer haben Menschen versucht, sich ein Bild von Jesus zu machen – in Gemälden und anderen Darstellungen. Jetzt hat ein Team spanischer anischer und französischer Archäologen in der oberägyptischen Stadt Oxyrhynchos eine unterirdische Kultstätte mit frühchristlichen Malereien entdeckt. Das Grab stammt aus dem 6. Jahrhundert. Diee Forscher fanden die Darstellung eines in eine kurze Tunika gekleideten jungen Mannes mit lockigem Haar, der die Hand zum Segnen erhebt – das Bild der Woche. Nach Angaben spanischer Medien vermutet der Archäologe Josep Padro, dass es sich um eine sehr frühe Abbildung Jesu aus den Anfängen der koptischen Kirche handeln könnte. Allerdings müssen die Wissenschaftler noch die begleiten-den koptischen Inschriften entziffern. Die ältesten bekannten Darstellungen Jesu stammen aus dem 3. Jahrhundert ahrhundert nach Christus. Sie fanden sich in den römischen Katakomben. 20.2014


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P RO & KON T R A

Ist das heutige Israel Gottes Volk? ISRAEL Es ist unter Christen ein überaus kontroverses Thema: Ist das heutige Israel Gottes Volk (so wie es Israel im Alten Testament war) – oder gehören seit dem Kommen von Jesus Christus alle Christen zum Volk Gottes? Dazu ein Pro und Kontra.

PRO

Die Erwählung und Berufung Israels als Gottes Volk zieht sich durch die gesamte Bibel – auch durch das Neue Testament. Schon bald nach der Himmelfahrt Jesu zogen die Heidenchristen diese ewige Berufung in Zweifel. Weil die große Mehrheit des jüdischen Volkes Jesus als seinen Messias abgelehnt hatte, behaupteten viele, Gott hätte Israel verworfen. Der Apostel Paulus widmet sich genau dieser Frage eingehend im Römerbrief (Kapitel 9–11). „Hat Gott etwa sein Volk verstoßen? Auf keinen Fall! Denn auch ich bin ein Israelit aus der Nachkommenschaft Abrahams, vom Stamm Benjamin. Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er vorher erkannt hat.“ (Römer 11,1 + 2) Später im selben Kapitel kündigt er die Errettung Israels als ganzes Volk an (Vers 26), nämlich dann, wenn alle Nationen mit dem Evangelium erreicht sind. „Hinsichtlich des Evangeliums sind sie zwar Feinde um euretwillen, hin-

Die Mehrheit der Bürger Israels hat kein Vertrauen in Gott. Das moderne Israel ist nicht das Volk Gottes.

KONTRA

Es ist unbestritten: Gott hat im Alten Testament die Juden zu seinem Volk auserwählt. Es sollte ein Licht für die ganze Menschheit sein. Und obwohl sie sich oft gegen Gott erhoben haben, benutzte Gott die Juden, um ein Segen für die Völker zu sein – vor allem durch Jesus Christus. Er war ein Kind jüdischer Eltern mit dem Ziel, weiterhin Licht der Welt zu sein. Im Neuen Testament lehren uns Jesus und seine Apostel: „Er (Jesus) kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden“ (Johannes 1, 11–13). Deutlich wird, dass Jesus nicht von „natürlicher Abstammung“, sondern von Gott geboren ist. Paulus schreibt an die Heidenchristen im Galaterbrief: „Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus … Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der

Gottfried Bühler (Stuttgart) ist Vorsitzender des deutschen Zweiges der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem (ICEJ).

sichtlich der Auserwählung aber Geliebte um der Väter willen. Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar.“ (Verse 28 + 29) Gott hat die Erwählung Israels nicht aufgehoben trotz des Ungehorsams der Mehrheit der Israeliten. Als der Engel Gabriel der Jungfrau Maria die Geburt Jesu ankündigte, sprach er davon, dass der verheißene Messias „über das Haus Jakobs herrschen“ werde „in Ewigkeit“ (Lukas 1,33). Jesus ist und bleibt der König der Juden, des jüdischen Volkes, das ihn am Ende der Zeit als seinen Messias anerkennen wird. Jesus selbst bekennt sich zu seinem jüdischen und israelitischen Erbe. In den letzten Versen der Offenbarung sagt er: „Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der glänzende Morgenstern“ (Offenbarung 22,16). Er wird als jüdischer König nach Jerusalem zurückkehren und über sein Volk Israel und alle Nationen der Erde herrschen. P

Alex Awad (Jerusalem) ist Dekan und Professor für Predigtlehre am evangelikalen Bethlehem Bibel Kolleg sowie Pastor einer Baptistengemeinde in Ost-Jerusalem.

Verheißung Erben“ (Galater 3,26–29). Das zeigt: Gottes Bund wurde erweitert und schließt die Heiden mit ein. Diese Einbeziehung der Nicht-Juden bedeutet nicht, dass Gott Israel ersetzt hat. Es bedeutet, dass alle Menschen unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft durch den Glauben Bürger des Reiches Gottes sind. Juden und Heiden, die Christus als Herrn und Erlöser vertrauen, sind nun „Gottes Israel“. Dieses Volk ist geistlich zu verstehen. Es geht nicht um nationale, territoriale oder ethnische Zugehörigkeit. Das moderne Israel ist es ein säkularer Staat wie alle anderen Staaten. Die Mehrheit der Bürger Israels hat kein Vertrauen in Gott. Und die religiösen Juden sind intolerant gegenüber denen, die ihnen die gute Nachricht von Christus weitersagen möchten. Vielleicht wird Gott den Juden irgendwann in Zukunft die Augen öffnen, so dass sie an Jesus glauben. Doch bis es so weit ist, ist das moderne Israel nicht das Volk Gottes. P

Fotos: privat (2)

Gott hat die Erwählung Israels nicht aufgehoben – trotz des Ungehorsams der Mehrheit der Israeliten.

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C H R I S T & A L KOHOL S UC H T

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Die vergessenen

Kinder ALKOHOLISMUS Nach Schätzungen des (deutschen) Bundesgesundheitsministeriums wachsen rund 2,6 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren mit einem alkoholkranken Elternteil auf. Damit ist in Deutschland jedes 7. Kind von der Sucht betroffen. In der Schweiz sind es mehrere Zehntausend. Genauere Angaben gibt es dort nicht. idea-Redakteurin Daniela Städter berichtet, was dies für die Kinder bedeutet und welche Hilfsangebote es für sie gibt Jeden Morgen verlassen in Deutschland rund 8,4 Millionen Kinder das Haus ihrer Eltern, um zur Schule zu gehen. Was kaum jemand ahnt: In einer 25-köpfigen Klasse kommen durchschnittlich etwa 3 aus einer alkoholkranken Familie. Welche Sorgen sie in ihrem Schulrucksack mitschleppen, ist meist unbekannt. Denn sie schweigen über das, was sie zu Hause erleben. Sie denken, dass es dann noch schlimmer wird, fürchten sie doch, nicht verstanden zu werden. Oder sie schämen sich. Es dauert lange, bis man ihr Vertrauen gewinnt. Das haben auch die Mitarbeiter beim evangelischen Fachverband für Suchtkrankenhilfe Blaues Kreuz (Wuppertal) oft erlebt. Nach Worten ihres Bundessekretärs Jürgen Naundorff fühlen sich die Kinder verantwortlich, wollen etwas tun und unbewusst ihre Familie retten. Naundorff nennt Beispiele, wie Kinder reagieren.

Fotos: picture alliance / Richard Linke, Vergiss mich nicht/ Maren Koch

Kümmerer, Clown, Sündenbock und der Angepasste 1. Weil seine alleinerziehende Mutter alkoholkrank war und der Alltag sie überforderte, übernahm der 11-jährige Sohn ihre Rolle. Er machte die Wäsche, kümmerte sich um das Essen, den zwei Jahre jüngeren Bruder und ging einkaufen. Der Junge wurde früh erwachsen, sehr ernst und verzichtete darauf, mit Freunden zu spielen. Die Sucht der Mutter kostete ihn die Kindheit. Wissenschaftler bezeichnen Kinder wie ihn als Kümmerer. 2. In einer anderen Familie machte die Mutter dem trinkenden Vater schwere Vorwürfe, schrie ihn an. Um das zu verhindern, wollte das Mädchen die Eltern unterhalten, sie zum Lachen bringen und so die Spannung herausnehmen. Das Mädchen befürchtete, dass die Eltern sich wegen der vielen Streitigkeiten trennen könnten. Und so wurde es zum Clown. 3. In einem weiteren Fall stritten sich die Eltern oft über den Alkoholkonsum des Vaters. Deswegen stellte sich ihr

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Sohn als „Blitzableiter“ zur Verfügung. Er zerstörte beispielsweise bewusst Gegenstände. Dann stritten sich die Eltern nicht mehr, sondern „kümmerten“ sich um ihren vermeintlich „schlimmen“ Sohn. So machte er sich unbewusst zum Sündenbock, um sie zu entlasten. 4. Ein anderes Kind empfand sich selbst als eine große Belastung für seine Eltern, glaubte es doch, an der Situation mitschuldig zu sein. Es zog sich zurück. Kinder wie dieses sind so angepasst, dass sie vergessen werden. Wie stark sie leiden, sieht man nicht. Die 4 Kinder stehen beispielhaft für zahlreiche Reaktionen.

Lebenslange Auswirkungen Die frühkindlichen Erfahrungen haben lebenslange Auswirkungen. Manche können sich später als Erwachsene nur schlecht konzentrieren, andere bleiben immer ängstlich und neigen zu Panikattacken. Wer als Kind die Clownrolle eingenommen hat, weiß später oft nicht, wie man Probleme ernsthaft mit dem Partner diskutiert. Der „Clown“ wird versuchen, alle Schwierigkeiten ausschließlich humorvoll und lässig zu lösen. Wer früh gelernt hat, Ver- O

Leo mit seinem Paten Dale vom Projekt “Vergiss mich nicht” (S. 16).


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antwortung für einen suchtkranken Elternteil zu übernehmen, wird das auch in seiner Beziehung tun. Bis zu 80 % (!) der erwachsenen Töchter eines trinkenden Vaters wählen trotz ihrer Erfahrungen wieder einen Freund mit Alkoholproblemen. Jürgen Naundorff vom Blauen Kreuz: „Die Beziehung zum Vater ist zwar als belastend erlebt worden, dennoch ist sie sehr vertraut und so verinnerlicht, dass sich diese jungen Frauen ein alternatives Beziehungsmuster gar nicht vorstellen können.“

40 % werden selbst süchtig Noch problematischer ist, dass bei diesen Kindern eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, selbst alkohol-, drogen- oder medikamentensüchtig zu werden. Experten gehen davon aus, dass es bis zu 40 % betrifft. Nur wenn Kinder lernen, widerstandsfähig zu werden, ist die Chance groß, dass sie der Sucht entkommen. Laut Studien hängt dies von Begleitumständen ab – beispielsweise davon, ob sie liebevolle Großeltern, Verwandte oder andere Personen haben, denen sie vertrauen, ob sie sich sozial engagieren oder künstlerisch tätig werden. Eine wichtige Rolle spielt auch der Sport, so der Betreuer der „Stiftung Deutsche KinderSuchthilfe“, Ralf Mauelshagen. Sport stärke Kinder, da sie dabei Erfolgserlebnisse haben und im Verein unbeschwert die Zeit genießen könnten. Deswegen nutzt die vom Blauen Kreuz gegründete Stiftung auch die Unterstützung der Fußballprofi s Lena Goeßling (VfL Wolfsburg) und Cacau (VfB Stuttgart, Ex-Nationalspieler). Beide machen öffentlich auf das Thema Sucht aufmerksam und ermuntern Kinder bei Auftritten in Schulen, sich sportlich zu engagieren. Informationen: www.kindersuchthilfe.de • 0202 6200347

„Vergiss mich nicht“: Paten gesucht Das 2008 gegründete Projekt „Vergiss mich nicht“ des Diakonischen Werkes Berlin Stadtmitte vermittelt Paten für Kinder aus suchtbelasteten Familien. Sie treffen sich einmal pro Woche und bieten dem Kind eine unbeschwerte Zeit, in der es ausschließlich um seine Wünsche geht. Das Projekt hat also nicht den Anspruch, therapeutisch zu helfen. Zunächst wird eine Zusammenarbeit für 18 Monate vereinbart. Danach können die Patenschaften immer für 8 Monate verlängert werden. Paten müssen mindestens 21 Jahre alt sein, die Kinder mindestens zwei. Der Termin muss verlässlich einmal pro Woche immer zur selben Zeit stattfi nden. Im Austausch mit den Paten lernen die Kinder, eigene Ideen zu entwickeln.

Manche wollen mit ihrem Paten in der Bibliothek Bilderbücher anschauen, andere in Flughafennähe den Fliegern beim Starten und Landen zuschauen, oder sie wollen sich andere Berliner Stadtteile anschauen. Derzeit gibt es 20 „Paare“. Andere diakonische Träger wollen das von einer Stiftung fi nanzierte Modell übernehmen. Informationen: www.dw-stadtmitte.de • 030 61659340

Zwei Projekte des Blauen Kreuzes: „Bärenstark“ und „Drachenherz“ Das Projekt „Bärenstark“ wurde vom „Blaukreuz-Zentrum-Wuppertal“ gegründet. Es wird von Ehrenamtlichen der örtlichen Selbsthilfegruppe des Blauen Kreuzes angeboten. „Bärenstark“ richtet sich an rund 15 Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren und an die Eltern. Sie sind meist alleinerziehend. Die Familien kommen in der Regel alle 14 Tage gemeinsam, aber die Erwachsenen unterhalten sich getrennt von ihrem Nachwuchs. Mit den Kindern wird geredet und gespielt. Für „Drachenherz“ sind seit sieben Jahren zwei hauptamtliche Mitarbeiter mit je einer halben Stelle beim Blauen Kreuz in Marburg zuständig: die Psychologin Katrin Schlötterer und der Diplom-Pädagoge und Psychotherapeut Stefan Stark. Es gibt 25 Plätze für Kinder zwischen drei und 18 Jahren. Mit ihnen wird im Schnitt ein bis zwei Jahre einmal pro Woche einzeln spieltherapeutisch gearbeitet. Das heißt: Das Kind befindet sich mit einem der beiden Mitarbeiter in einem mit Spielzeug gefüllten Raum. Stark: „Im Spiel tauchen dann die Themen auf, die sie seelisch beschäftigen.“ Der Mitarbeiter versucht, zusammen mit dem Kind Lösungen zu finden. Die Jugendlichen werden vor allem in Einzelgesprächen betreut. Das Projekt ist finanziell gut abgesichert, da sich mehrere Partner an den Kosten beteiligen. „Drachenherz“ wird ebenfalls in der Stadt Biedenkopf angeboten und soll auch in Frankfurt a. M. aufgebaut werden. www.suchtberatung-blaues-kreuz-marburg.de • 06421-23181 www.blaukreuz-zentrum-wuppertal.de • 0202 6200386

Schweiz: 12 von 26 Kantone haben Angebote In der Schweiz gibt es in 12 von 26 Kantonen rund 20 Angebote. Wie die Bereichsleiterin Prävention bei „Sucht Schweiz“, Silvia Steiner (Lausanne), sagt, handelt es sich um Gesprächsgruppen, Einzelberatungen oder Aktionen wie beispielsweise Erlebniswochenenden. Steinert: „Das bestehende Angebot ist bereits eine gute Grundlage, aber es wäre wünschenswert, dass in allen Regionen und größeren Kantonen der Schweiz Angebote bestehen. Ebenso wichtig ist jedoch auch die Sensibilisierung der Fachpersonen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich für dieses Thema.“ Für die Schweiz ist eine Übersicht auf der Internetseite www. suchtschweiz.ch (Telefon: 021 3212911) zu finden. ideaSpektrum 20.2014


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Ein Erfahrungsbericht: Wie ich die Sucht meines Vaters erlebte Seit ich mich erinnern kann, hat mein Vater getrunken. Er hat oft versucht, es zu verheimlichen, und hat die Flaschen versteckt. Sie stapelten sich dann beispielsweise in den Wäschekörben Daniela Jandt oder in Schrankecken. Damals war das für mich alltäglich. Ich kannte es ja nicht anders. Erst später wurde mir klar: Es war nicht normal, dass der eigene Vater betrunken auf der Couch lag, dass er teilweise nicht ansprechbar war, im Wohnzimmer erbrochen oder meine Mutter angeschrien hat. Dass sie sich so oft gestritten haben, fand ich damals besonders schlimm. Kurz bevor ich in die Schule kam, trennten sie sich. Ich gab meinem Vater die alleinige Schuld. Dann durfte ich nur noch jedes zweite Wochenende zu ihm. Manchmal ging es ihm nicht gut. Dann ging meine Mutter ohne mich in seine Wohnung, kam zurück und sagte, dass wir wieder gemeinsam in ihre Wohnung fahren.

Ich hatte immer Angst Aber wenn mich meine Mutter bei ihm absetzte und alles in Ordnung war, dann verlief auch immer das ganze Wochenende gut. Natürlich war ich manchmal angespannt – zum Beispiel, wenn er alleine – ohne mich – Einkaufen ging. Ich hatte immer Angst, dass er mit einer Bierfahne

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zurückkam. Das ist aber nicht passiert. Anfangs habe ich mich nie getraut, über die Alkoholsucht meines Vaters zu sprechen. Denn ich habe gespürt, dass meine Familie anders war. Die anderen lebten alle noch mit Mama und Papa zusammen, und es schien zumindest keine größeren Probleme zu geben. Als ich in der sechsten Klasse war, habe ich mich zum ersten Mal meiner besten Freundin anvertraut. Sie kannte das alles nur aus dem Fernsehen und hat viele Fragen gestellt. Mir hat es damals unendlich gutgetan, dass ich mich endlich einmal ausheulen und mit jemanden reden konnte. Meine Mutter hat meinen Vater auch nach der Trennung in Schutz genommen. Sie hat immer wieder betont, dass es eine Krankheit ist, dass er nichts dafür kann. Das Trinken wurde somit – zumindest vor mir – immer unter den Teppich gekehrt. Als ich 14 Jahre alt war, habe ich dann auch endlich einmal mit meinem Vater selbst darüber gesprochen. Seine Antworten klangen wie die meiner Mutter: Dass es eine Krankheit ist, dass es in schwierigen Situationen ein Instinkt ist, den er nicht unterdrücken kann, dass es ihm danach sofort immer leidtut. Ich habe natürlich viel vermisst, und ich hätte mir eine andere Kindheit gewünscht. Aber gehasst habe ich ihn deswegen nie. Er ist mein Vater, und ich liebe ihn! Seit über zwei Jahren hat er nicht mehr getrunken. Ich hoffe, dass er keinen Rückfall mehr bekommt. Die evangelische Bürokauffrau Daniela Jandt (24) lebt mit ihrem Ehemann Christian und ihrem 2 Jahre alten Sohn in Solingen. P

l idea Fernseh- und Hörfunk-Tipps

17. bis 23. Mai

FERNSEHEN Samstag, 17. Mai

Sonntag, 18. Mai

Montag, 19. Mai

Mittwoch, 21. Mai

Freitag, 23. Mai

18.45–18.50 Ivonne Hasche – Die Ärztin begleitete den todkranken Paul Beßler. Der junge Sportler wird Christ, und dadurch entsteht eine kleine Erweckung in und um Halle. Bei idea ist dazu kostenlos ein Sonderdruck erhältlich: 06441 9150

11.00–12.15 ERF 1 Gottesdienst aus der Ev.luth. Kirche St. Nikolai in Neuendettelsau (Franken)

22.45–23.30 Lügen, Intrigen und ein neuer Krieg – Wie die Ukraine zerbricht

20.15–20.55 Mitten ins Gesicht – Über die zunehmende Gewalt in der Gesellschaft

17.45–18.15 Fenster zum Sonntag – Liäbesgschichtä: Christoph Lüthis Tochter Ramona wird unerwartet schwanger.

Dienstag, 20. Mai

18.00–18.30 So gesehen – Margot Käßmann im Gespräch über ihr Gottesbild und über Martin Luther

9.45–10.00 Evangelisch-reformierte Radiopredigt der Theologin Luzia Sutter Rehmann, Binningen

10.00–11.00 Evangelisch-lutherischer Gottesdienst aus dem Dom St. Marien zu Wurzen

21.15–21.45 ERF 1 Wert(h)e Gäste – Heute bei 20.15–21.00 Jürgen Werth zu Gast: Riskante Reise – Europa und die Musiker Dieter, Max und die Flüchtlingsströme. Paul Falk Dokumentation

20.15–21.00 Selbsternannte Richter – Schattenjustiz unter Muslimen in Deutschland

HÖRFUNK Sonntag, 18. Mai 7.05–7.30 Fügung oder Zufall? Vom Für und Wider eines Schicksalsglaubens 8.30–9.00 Götter und Mythen der Germanen – Neues zum Glauben unserer Vorfahren

Donnerstag, 22. Mai 12.05–12.30 Dürfen wir Tiere essen? Mit welchem Recht wir unsere Mitgeschöpfe in die Wurst stecken.

11.30–12.00 10.00–11.00 Heilige Orte und Mittwoch, 21. Mai Gottesdienst aus der Flüchtlingslager – Jordanien 20.00–21.00 Evangelisch-methodistischen vor dem Besuch des Papstes Das hohe Alter als gesellKirche in Wuppertal schaftliche Herausforderung

20.00–21.00 ERF Plus „Selamat“ heißt Frieden – Wie Gott trotz Revolution und Inflation seine Sache vorantreibt, zeigt sich im Dienst des langjährigen Indonesienmissionars und Pfarrers Ingo Garthe.

Wer reagieren möchte, kann dies unter folgenden Rufnummern tun: ARD: 089/5900-3344 | Bibel.TV: 040/4450660 | Das Vierte: 0180/5843783 Deutschlandfunk und Deutschlandradio: 0221/345-1831 | DRS 2: (0)848/808080 | ERF: 06441/957-0 | HR (TV): 069/1555111 | Kabel 1: 0180/5011150 KiKa: 0180/2151514 | Luth. Stunde: 04264/2436 | MDR: 0341/300-5401 | NDR: 0511/988-2393 | Phoenix: 0180/28213 | RBB: 030/97993-2171 SF 2: (0)62/2059050 | SR 2: (0)681/6022222 | SWR: 07221/929-0 | WDR (Radio): 0221/5678-333 | WDR (TV): 0221/5678888 | ZDF: 06131/7012164

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Das Herzstück evangelischer Theologie THEOLOGIE Was bedeutet die Lehre von der Rechtfertigung heute? Dieser Frage geht ein neuer Grundlagentext der EKD nach, der am 14. Mai in Berlin vorgestellt wird: „Rechtfertigung und Freiheit“. Anlass ist das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017. Karsten Huhn stellt die wichtigsten Aussagen des Dokuments vor.

Für den Schweizer Reformator Calvin war die Rechtfertigung der „Pfeiler“, auf dem die Verehrung von Gott ruht – Luther (l.) quälte sich lange mit der Frage, wie er als Sünder vor Gott bestehen könne.

Die Versöhnung geht von Gott aus Hat die Rechtfertigungslehre noch Bestand? Oder stellen sich heute nicht ganz andere Fragen? Die Theologische Kammer der EKD unter Leitung des evangelischen Theologen Prof. Christoph Markschies (Berlin) hat aus Anlass des bevorstehenden Reformationsjubiläums einen neuen Versuch unternommen, die Rechtfertigungslehre verständlich zu machen. Das 110 Seiten starke Grundsatzpapier „Rechtfertigung und Freiheit“ bezeichnet die Rechtfertigungslehre als „Herzstück evangelischer Theologie und Frömmigkeit“. Es könne „als Antwort auf Fragen heutiger Menschen dienen“. Im Zentrum der Reformation stehe „die Lehre, dass das versöhnte Verhältnis zwischen Gott und Mensch von Gott ausgeht und nicht das Ergebnis einer Selbstbesinnung oder sonstigen kulturellen, politischen oder religiösen Anstrengung ist“. Die Reformatoren hätten die Rechtfertigungslehre nicht erfunden, sondern „im Rückgriff auf die allen Kirchen gemeinsamen Anfänge des Christentums neu formuliert und anders zugespitzt“.

Ist Gott ein Gerichtsherr? Allerdings sei die Vorstellung „von Gott als einem Gerichtsherrn, der wie ein absolutistischer Monarch unumschränkt herrscht, tief problematisch geworden“. Es entspreche weder dem, was Jesus von Nazareth lehrte, noch dem, was das Alte Testament über den Gott Israels verkündete. Auch Luther selbst habe im Blick auf sein Leben selbstkritisch formuliert, „dass sein Ringen um das Heil letzten Endes von purem Egoismus geprägt war. Er erkannte nämlich, dass es ihm insbesondere beim Beichten nicht um Gott, sondern um ihn selbst und seine persönliche Rettung ging.“ Luther sei bald klar geworden, dass es ihm niemals gelingen werde, ein perfektes Leben ohne jede Übertretung zu führen. Dies habe ihn verzweifeln lassen – bis er erkannte, dass Gott „Gnade vor Recht“ ergehen lasse und den Menschen „allein aus Gnade, ohne des Gesetzes Werke“ gerecht spreche: „Für Martin Luther war die entscheidende Erkenntnis, dass durch Jesus Christus diese Gnade allen, die an ihn glauben, zugänglich wird … Das

Fotos: dpa/AKG, akg-images

Wie entgehe ich armer, elender Mensch der Höllenstrafe? Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Mit diesen Fragen plagte sich der Reformator Martin Luther (1483–1546) als Mönch im Augustinerkloster in Erfurt und später in Wittenberg. Die Antwort, die er darauf fand, war die Rechtfertigungslehre, also die Lehre, wie der sündige Mensch vor Gott bestehen kann. Entscheidend waren für ihn dabei Verse aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom: „Die Gerechtigkeit Gottes wird in ihm [dem Evangelium] offenbart“ (1,17); „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“ (3,28). Für Luther wurde diese Einsicht zum Zentrum seiner Theologie: „Denn der eigentliche Gegenstand der Theologie ist der der Sünde schuldige Mensch und der rechtfertigende Gott und Heiland dieses Sünders. Was außer diesem Gegenstand in der Theologie gesucht und verhandelt wird, ist Irrtum und Gift.“ Ähnlich sah es der Schweizer Reformator Johannes Calvin (1509–1564). Für ihn stellte die Frage, wie der Mensch von Gott gerechtfertigt wird, „den hauptsächlichen Pfeiler dar, ... auf dem unsere Gottesverehrung ruht – Grund genug, hier die größte Aufmerksamkeit und Sorgfalt walten zu lassen!“

ISBN 10: 3579059734 • 10.40 SFr. ISBN-10: Gütersloher Verlagshaus

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Evangelium besteht darin, dass der Mensch im Vertrauen auf Jesus Christus bereits gerechtfertigt ist. Luther beschreibt diesen Sachverhalt immer wieder als tröstliche, von Herzen fröhlich machende Erfahrung der Befreiung aus der Angst vor Fegefeuer und Hölle.“

Heute fürchten die Menschen eher die Hölle auf Erden Im 21. Jahrhundert fürchteten Menschen weniger die Hölle nach dem Tod, sondern eher die Hölle auf Erden, so die EKD. Um die Rechtfertigungslehre heute zu verstehen, empfiehlt sie deshalb folgende Begriffe: 1. Liebe: Die Liebe sei scheinbar grundlos, aber doch zuverlässig und vertrauensvoll. Menschen liebten einander trotz Schwächen und Fehlern: „Wenn schon die Liebe der Mutter oder des Vaters auch Tiefpunkte der Beziehung oder des Fehlverhaltens überdauert, so bleibt Gottes Liebe zu den Menschen erst recht bestehen.“ Dies führe zu Lebensfreude, Glück und Dankbarkeit gegenüber Gott. 2. Anerkennung und Würdigung: Respektiert zu werden, sei ein grundlegendes Bedürfnis jedes Menschen. Allerdings sei diese zwischenmenschliche Erfahrung selten. Umso bewegender sei es, wenn ein Mensch erkenne, dass er von Gott anerkannt ist. Gott würdige den Menschen unverdient, ohne Vorbedingung. 3. Vergebung: „Gott vergibt auch Schuld, die Menschen nicht vergeben können oder wollen … Vergebung bedeutet, dass die Schuld, die zwischen Menschen und zwischen Mensch und Gott steht, gleichsam fortgenommen und beiseitegelegt wird, aber nicht vergessen ist.“ 4. Freiheit: „Rechtfertigung bedeutet eine Gabe umfassender Freiheit, die einen Menschen von der Bezogenheit auf sich selbst erlöst: Ich bin nicht mehr auf mich selbst bezogen, sondern frei für die Nächsten und die Gemeinschaft.“ Dieses Verständnis von Freiheit widerspreche dem „landläufigen Missverständnis von Freiheit als Ende jeglicher Beziehungen“. Zusammenfassend heißt es: „Der Mensch wird nicht bemessen nach dem, was er nach außen darstellt oder auch wie er persönlich dasteht, sondern er wird von Gott geliebt, anerkannt, gewürdigt, ganz unabhängig von seinem Bildungsstand, Einkommen, sozialen Hintergrund und gesellschaftlichen Ansehen. Diese Anerkennung und Würdigung macht ihn wahrhaft frei. Schuld belastet ihn nicht mehr, ist aber auch nicht einfach vergessen, sondern ist als bekannte Schuld vergeben und dadurch überwunden.“

als „Kirchenspaltung“ wahrgenommen werden noch als „ausschließlich begrüßenswerte Individualisierung“. Zwar habe man mit der römisch-katholischen Kirche 1999 ein gemeinsames Papier zur Rechtfertigungslehre formuliert; allerdings blieben beim Verständnis des Priesteramts und der Sakramente kirchentrennende Unterschiede bestehen. 2. Mit Entchristlichung und Atheismus umgehen lernen: „Viele Menschen leben ohne einen Gottesbezug und scheinen nichts zu vermissen.“ Im thüringischen Eisleben, der Geburtsstadt Luthers, seien heute nur noch 7 % der Bevölkerung Mitglied einer Kirche. Gefragt seien daher Neuerungen, etwa verständlichere Gottesdienste, und eine Kirche, die auf Menschen zugeht. 3. Geschlechtergerechtigkeit ist als evangeliumsgemäßer Wert zu verstehen, deswegen sind Geschlechterhierarchien abzubauen. So dürften Frauen deshalb als Pfarrerinnen amtieren. Entscheidend sei Luthers Erkenntnis: „Was aus der Taufe gekrochen ist, kann sich rühmen, dass es Priester, Bischof, Papst ist.“ Maßgeblich sei zudem Paulus’ Aussage aus dem Galater-Brief 3,28: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ 4. Die evangelische Kirche muss es lernen, den Dialog mit anderen Religionen zu führen. Das Judentum sei die Wurzel, die das christliche Verhältnis zu Gott trägt. Es komme darauf an, die judenkritischen Äußerungen (besonders Martin Luthers) „selbstkritisch zu korrigieren“ und so das Verhältnis zur „Geschwisterreligion“ zu erneuern. Kritisch betrachtet werden müssten auch die Äußerungen der Reformatoren über den Islam, etwa die Angst vor der „Türkengefahr“. Aufgabe der kommenden Jahre sei es vor allem, in den Dialog mit dem Islam zu treten. Zugleich räumt das O

Foto: akg-images

Der Atheismus fordert heraus Die Reformation sei jedoch nicht abgeschlossen. Um sie fortzuführen, nennt die EKD folgende Aufgaben: 1. Konfessionelle Spaltungen überwinden. Die Reformation habe zur Pluralisierung und konfessionellen Vielfalt der Kirche geführt. Dies dürfe weder einseitig

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Früher hatten die Menschen Angst vor der Hölle nach dem Tod. Heute fürchten sie viel eher die Hölle auf Erden. So stellt sich der deutsche Maler Daniel Richter (geb. 1962) die Hölle vor:


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EKD-Papier ein: „Wie das klassische reformatorische Prinzip solus Christus, ‚allein Christus‘, so zu Geltung gebracht werden kann, dass friedliches Miteinander möglich wird, ist freilich umstritten.“

Liegt das Heil allein in Jesus Christus? „Solus Christus“ (allein Jesus Christus) war für die Reformatoren ein Leitwort. Für sie lag das Heil allein in Jesus Christus. Wie hält die EKD es mit dieser Aussage? Sie wirft in ihrem Papier folgende Fragen auf: „Ist diese Exklusivität Jesu Christi nicht anmaßend? Wie kann man so auftreten und andere religiöse Gründe für ein heilvolles Leben bestreiten? Heute, in der Situation des religiösen Pluralismus, scheint eine derartige Position arrogant und ausgrenzend zu sein.“ Dazu erhebt die EKD folgende Bedenken: „Angesichts der Verweltlichung unserer Gesellschaft scheint eine Fokussierung der Kirche auf Jesus Christus wenig hilfreich. Sollte es nicht ausreichen, wenn Menschen überhaupt noch an irgendetwas glauben, an eine höhere Macht oder irgendwie an ‚Gott‘? Zerstört die kirchliche Predigt von Jesus Christus nicht den vorhandenen Glauben, indem sie eine theologische Konzentration fordert?“ Das Papier gibt folgende Antworten: „Ein diffuser Glaube an ‚irgendeine höhere Macht‘ hilft auch nur diffus. Die Kirche braucht sich nicht zu scheuen, ihren spezifischen Glauben zum Ausdruck zu bringen.“ Die Kirche dürfe sich nicht mit diesem oder jenem beschäftigen, „sondern muss die Geschichte vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi erzählen. Dafür ist die Kirche da. Jeder Mensch soll die Christusgeschichte hören können.“ Die Herausforderung für die Kirche laute daher, „dass in ihr tatsächlich von Jesus als Christus geredet wird“. Tue sie dies nicht, „wird die Kirche keinen Bestand haben“.

IDEA-UMFRAGE: WAS BEDEUTET RECHTFERTIGUNG HEUTE? Befreit durch Jesus Christus Ständig muss man sich heute für das rechtfertigen, was man getan hat und vor allem nicht getan hat. An Leistung wird man gemessen. Wie befreiend ist es, dass ich durch Jesus Christus schon gerechtKuttler fertigt bin. Diese Freiheit macht es mir möglich, mutig und gelassener zu leben, weil es Gott nicht auf meine Leistung oder meinen Erfolg ankommt. Ich bin wertvoll nicht durch das, was ich leiste, sondern weil Gott mich liebt. Weil Jesus mich gerechtfertigt hat, lebe ich fröhlich und begeistert meinen Glauben. Davon will ich weitererzählen. Friedemann Kuttler (Honhardt bei Schwäbisch Hall), Rechtsanwalt und evangelischer Theologe

Eine unverdiente Wohltat Entscheidend ist für mich Römer 5,1: „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit

Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.“ Ich erfahre Gottes Vergebung, ohne dass ich dafür etwas leisten muss. Durch den Glauben von Schuld freigesprochen zu werden, ist für mich eine unverdiente Wohltat. Durch Jesus Henrika Oesmann Christus habe ich Gnade empfangen. Zuversicht, Ruhe und Geborgenheit verdrängten allmählich meine Hilflosigkeit. Dankbarkeit gegenüber Gott und den Betern in meiner Gemeinde verdrängten meine Zweifel und Ängste. Henrika Oesmann (Hamburg), evangelische Unternehmerin

Das Problem der Selbstrechtfertigung Rechtfertigung im Sinn des Römerbriefs besagt, dass mir durch den Glauben an Jesus Christus die Sünden vergeben sind, dass ich mit Gott versöhnt bin und dass die Sünde nun kein VerJacob Thiessen fügungsrecht über mich hat, da Jesus Herr meines Lebens ist. Für mich bedeutet das nicht nur Gewissheit des göttlichen Heils, sondern auch, dass ich mich nicht länger selbst rechtfertigen muss. Die Selbstrechtfertigung ist meines Erachtens eines der größten Probleme im gegenseitigen Umgang der Menschen und auch der Christen. Prof. Jacob Thiessen, evangelikaler Theologe, Staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel

Kann es für ihn je Gnade geben? Er war verzweifelt. Im Suff hatte er einen Mann totgefahren. Er kam ins Gefängnis, machte einen Selbstmordversuch. „Kann es für einen wie mich jemals Gnade geben?“ Das trieb ihn um. Luitgardis Parasie Er fragte den Seelsorger. Der las ihm aus der Bibel vor: „Eure Sünden sind blutrot, und doch sollt ihr schneeweiß werden.“ Galt das auch für ihn? Blutrot – schneeweiß. Irgendwann sackte es in sein Herz, er spürte Frieden. Aus der Haft entlassen, rollte er sein Leben neu auf, rührt keinen Alkohol mehr an. Half in unserem Jugendcafé mit, eindrücklich für die Kinder, denn seine Geschichte sprach Bände: Es gibt eine zweite Chance. Dank Jesus. Luitgardis Parasie (Langenholtensen bei Northeim), Pastorin

Ein Katholik: Die schönste Sache Rechtfertigung ist ein sperriges Wort für die schönste Sache der Welt: dass wir uns selbst in keiner Weise „reparieren“ können. Und dass es nur einen gibt, der uns wieder fundamental richBernhard Meuser tigmacht: Jesus, unser Herr. Bernhard Meuser (Augsburg), Initiator des katholischen Jugendkatechismus Youcat P

Fotos: kairospress, privat (3), Sankt Ulrich Verlag, PR

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DI E K LE I N E K A NZ E L zum Sonntag Kantate (Singt!) am 18. Mai

» Sooft nun der böse Geist von Gott über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So wurde es Saul leichter, und es ward besser mit ihm.«

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Dennis Maaßen (24, Wuppertal) ist Sänger und Liedermacher. Mit seinem zweiten Studioalbum „Wozu wir sind“ tourt er derzeit durch Deutschland.

Aus dem 1. Buch Samuel 16,23

Foto: Bobography

Ich bin Christ geworden durch die Musik Ich mache Musik, seitdem ich denken kann. Aber ich bin nicht ebenso lange Christ. Mit meiner Musik hatte ich früher viele Ansprüche, nur ganz sicher nicht den, Gott damit zu dienen. Erst vor etwa vier Jahren habe ich mich bekehrt. Zu dieser Zeit hörte ich Lieder der australischen, pfingstkirchlichen Megakirche „Hillsong“. Sie haben mich bewegt und irgendwann auch das Interesse an Jesus Christus geweckt. Ich wollte wissen, wovon die Sängerinnen und Sänger in ihren Liedern kündeten und warum ihre Musik so eine unglaubliche Anziehungskraft auf mich ausübte. Schließlich entschied ich mich, eine Gemeinde aufzusuchen, Predigten zu hören, aber vor allem die Lieder mitzusingen. Die Musik nahm mich noch viel mehr mit als die bloßen Worte. Bis heute fühlt sich das Singen für mich an

wie ein Gespräch mit Gott. Plötzlich ging es mir ein wenig wie König Saul: Ich fühlte mich unglaublich wohl in dieser Gemeinschaft. Die Gemeinde war einfach das Richtige für mich. Am Abend meiner Bekehrung saß ich da mit der Gitarre und einer aufgeschlagenen Bibel vor mir und habe versucht, mein erstes christliches Lied zu dichten. Am Anfang waren die Lieder noch nicht ganz schlüssig, ich war ein wenig zögerlich, die Leute mit meinem neu gewonnenen Glauben „zu überfallen“. Würde es ihnen gefallen? Aber schließlich entschied ich mich dazu, dass Jesus von nun an der Mittelpunkt meiner Musik sein sollte. Es bewegt mich sehr, dass ich jetzt ein Botschafter in der Musik sein kann. Den Menschen, die meine Lieder hören, möchte ich die Chance geben, das zu erleben, was ich damals auch erlebt habe: Die Musik kann ein wunderbarer Toröffner zum Glauben sein. P

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PORTRÄT

Ein tödlicher Gebetsspaziergang UNWETTER Die Meldung sorgte für Schlagzeilen: Bei einem Spaziergang wird ein Mann im westfälischen Sauerland vom Blitz erschlagen, sein Begleiter schwer verletzt. Was nicht berichtet wurde: Beide sind engagierte evangelische Christen, ehrenamtliche Mitarbeiter des Missionswerkes der Gideons. Klaus Rösler hat mit dem Überlebenden gesprochen.

Auf der Suche nach dem Lebenssinn Hesse ist einst Kommunist gewesen. Als er auf die 40 zugeht, gerät er in eine Krise. Er fragt nach dem Sinn seines Lebens. Er absolviert den weltbekannten Jakobsweg, auf dem Pilger

zum Grab des Apostels Jakobus in die spanische Stadt Santiago de Compostela wandern. Jemand schenkt ihm dabei eine Bibel. Er fängt an, sie täglich zu lesen. Nach seiner Rückkehr erzählt er davon im Kollegenkreis. Ein Mitarbeiter von ihm lädt ihn daraufhin zu einem Alpha-Glaubenskurs ein. Hesse geht hin und ist begeistert, wie konsequent die anderen nach der Bibel leben. Ein Jahr später lässt er sich 2007 in der evangelikalen Brüdergemeinde in Olpe bei Siegen taufen. Bald verteilt er als Mitglied der „Gideons“ selbst Neue Testamente. Auch seine Frau Jutta und zwei seiner drei Kinder werden Christen. Später wechseln sie in eine evangelikale Gemeinde an ihrem Wohnort in Attendorn. Zu ihr gehört Daniel Hoberg. Doch er ist nur noch äußerlich dabei. Im Internet liest er, dass man Gott noch intensiver und direkter erfahren könne als durch Bibelauslegungen. Er wird Charismatiker. Der junge Lehrer wohnt in derselben Straße wie Hesse – nur drei Häuser weiter. Die beiden freunden sich an und besuchen ab 2008 gemeinsam einen Hauskreis. Doch die beiden Männer merken schnell, dass ihre un-

Dieter Hesse (r.) tauft im Biggesee Daniel Hoberg, der jetzt vom Blitz getötet wurde.

terschiedliche Frömmigkeit zu sehr belastet. Sie streiten sich. Um nach Lösungen zu suchen, gehen sie oft spazieren – auch um dabei miteinander zu beten. Bei ihrem letzten Marsch am 24. April beschließen sie, Hilfe bei einem christlichen Mediator zu suchen. Dann zieht das Gewitter auf.

Gott macht keine Fehler Hadert Hesse nun mit Gott? Nein, sagt er. Dass sein Freund gestorben sei, darüber habe er inneren Frieden: „Gott macht keine Fehler.“ Bei Hobergs Beerdigung ist Hesse im Rollstuhl dabei – neben rund 500 Trauergästen. Die Ansprachen sind eine Ermutigung für den Glauben an Jesus Christus. Er selbst ist dankbar, überlebt zu haben. Seine Gemeinde habe intensiv für seine Genesung gebetet: „Mein Gottvertrauen wurde gestärkt.“ Hesse betet dafür, Menschen zu finden, „die mit uns in Attendorn am Reich Gottes mitarbeiten“. P

Foto: Bigge-Stuck

An den Blitz hat der Maler und Stuckateur Dieter Hesse (46) keine Erinnerung. Er weiß noch, dass er und sein Freund, der Lehrer Daniel Hoberg (25), sich überlegt haben, dass sie sich vor dem Gewitter in Sicherheit bringen müssen. Nur wohin? Wenig später schlägt der Blitz in sie ein. Als Hesse wieder zu sich kommt, ist sein Körper wie gelähmt. Er ringt nach Luft. Er sucht seinen Freund – und stellt fest, dass Hoberg unter ihm liegt. Wenigstens einen Arm kann Hesse bewegen. Er greift nach seinem Handy im Brustbeutel, ruft die Feuerwehr an und fällt in Ohnmacht. Als Nächstes erinnert er sich an die drei Rettungswagen. Er erfährt, dass sein Freund tot ist. Hesse hat Verbrennungen am ganzen Körper. Doch im Krankenhaus stellt man fest, dass sie nur oberflächlich sind und er sich vollständig erholen wird.

DAS WORT DER WOCHE »Die Ehe ist ein Königsweg, um heilig zu werden. « Papst Franziskus in seiner Botschaft über den Kurznachrichtendienst Twitter. Seine Begründung: Heiligkeit erfordere, „jeden Tag zu Opfer und Hingabe bereit zu sein“. Das gelinge sehr gut in der Ehe.

20.2014


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