IHWA-Programmheft_Winterreise-Weltreise_17Maerz2024

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WINTERREISE –WELTREISE

SO | 17. MÄRZ 2024 | 18.00 UHR

Konzertsaal | Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart

JULIAN PRÉGARDIEN Tenor

NEUS ESTARELLAS Klavier

NATASHA LOGES Konzeption & Moderation

In Zusammenarbeit mit dem Global Art Song Kongress

WINTERREISE –WELTREISE

HERAUSGEBER

Internationale Hugo-Wolf-Akademie (IHWA)

für Gesang, Dichtung, Liedkunst e.V. Stuttgart

Jägerstraße 40 | 70174 Stuttgart | Deutschland

Telefon +49(0)711.22 11 77

Telefax +49(0)711.22 79 989

info@ihwa.de | www.ihwa.de

VORSTAND IHWA

Prof. Dr. Hansjörg Bäzner (Vorsitzender), Hans Georg Koch (Stv. Vorsitzender), Albrecht Merz (Schatz meister), Walter Kübler (Schriftführer), Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer (Vertreter der Landeshauptstadt Stuttgart), Ministerialdirigentin Dr. Claudia Rose (Vertreterin des Landes Baden- Württemberg), Cornelius Hauptmann, Richard Kriegbaum, Patrick Strub

KÜNSTLERISCHER BEIRAT

Prof. Marcelo Amaral, Oswald Beaujean, Prof. Dr. h.c. Thomas Hampson, Prof. Christiane Iven, Dr. Regula Rapp

INTENDANZ/REDAKTION

Dr. Cornelia Weidner

REDAKTIONELLE MITARBEIT

Prof. Dr. Natasha Loges, Paul Ebert, Leonie Volle

KONZEPTION, GESTALTUNG & SATZ

Cathrin Rapp (www.bueropetit.de)

FOTONACHWEIS

Chris Gonz (J. Prégardien)

WIR DANKEN FÜR DIE HILFE BEI DEN LIEDTEXTEN & ÜBERSETZUNGEN

Emeka Agbaka, Ido Ariel, Kemisola Mulikat Bello, Feride Buyukdenktas, Katy Hamilton, Ayako Imoto, Mohammad Kwaider, Seonhwa Lee, Joe Mmeh, Ayodeji Olanipekun, Timileyin Ayomide Olanipekun, Olabode Omojola, Jongmin Park, Patricia Rosario, Chris van Rhyn, Emeka Udemba, Hagai Yodan, Gaswan Zerikly

Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Global Art Song Kongress der MHS Freiburg

Stand: 8. März 2024. Änderungen vorbehalten.
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FRANZ SCHUBERT (1797 – 1828, Österreich )

Der Wegweiser (aus: Winterreise D 911)

MODERATION

VERDINA SHLONSKY (1905 – 1990, Israel-Ukraine)

On the Great Road

FRANZ SCHUBERT

Der stürmische Morgen (aus: Winterreise D 911)

MUAMMER SUN (1932 – 2021, Türkei )

Sevdikçe Yaşıyorum

MODERATION

FRANZ SCHUBERT

Der Leiermann (aus: Winterreise D 911)

AHMAD ADNAN SAYGUN (1907 – 19 91, Türke I)

Arie aus dem Oratorium Yunus Emre

MODERATION

GASWAN ZERIKLY (*1954, Syrien )

Ma Ihtiyali Ya Rifaqi

FRANZ SCHUBERT

Die Krähe (aus: Winterreise D 911)

FRANZ SCHUBERT

Der Lindenbaum (aus: Winterreise D 911)

MODERATION

ANTONIO ESTEVEZ (1916 – 1988, Venezuela )

Arrunango

MANUEL PONCE (1882 – 1948, Mexiko )

Estrelita

CHIQUINHA GONZAGA (1847 – 1935, Brasilen )

Lua Branca

FRANZ SCHUBERT

Täuschung (aus: Winterreise D 911)

MODERATION

FRANZ SCHUBERT

Rückblick (aus: Winterreise D 911)

JOSHUA UZOIGWE (1946 – 2005, Nigeria Igbo )

Eriri Ngeringe

AKIN EUBA (1935 – 2020, Nigeria Yoruba )

1. Mo le J’Iyanyo

3. Mo ja’we gbegbe

FRANZ SCHUBERT

Gefrorne Tränen (aus: Winterreise D 911)

MODERATION

FRANZ SCHUBERT

Das Wirtshaus (aus: Winterreise D 911)

VANRAJ BHATIA (1927 – 2021, Indien )

Jhara, jhara (Monsoon) from Six Seasons

FRANZ SCHUBERT

Irrlicht (aus: Winterreise D 911)

YOSHINAO NAKATA (1923 – 2000, Japan )

Cherry Alley

SUN-AE KIM (1920 – 2007, Korea )

Because you are here

MODERATION

FRANZ SCHUBERT

Gute Nacht (aus: Winterreise D 911)

Die muskalischen Zwischenspiele hat FABIAN LUCHTERHANDT für dieses Programm komponiert.

JULIAN PRÉGARDIEN, Tenor NEUS ESTARELLAS, Klavier NATASHA LOGES, Konzeption & Moderation

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IM GESPRÄCH

NATASHA LOGES

Liebe Natasha, Du bist Initiatorin und Organisatorin des »Global Art Song Kongresses«, der vom 14. bis 16. März an der Musikhochschule Freiburg stattfindet. Wie kam es zu dieser Konferenz? Welche Idee steckt dahinter?

NATASHA LOGES: Der »Global Art Song Kongress« ist eine wunderbare Gelegenheit, Expert*innen von fast überall auf der Welt nach Deutschland zu bringen, um meine absolute Lieblingsgattung zu besprechen: das Kunstlied. Ich beschäftige mich jetzt seit über 20 Jahren sehr intensiv mit dem Kunstlied, aber letztlich ist es kaum mehr als fünf Jahre her, dass mir bewusst geworden ist, welch riesiges Repertoire es in diesem Bereich auch noch außerhalb Europas und der USA gibt. Was mich bei der Beschäftigung mit dem Kunstlied vor allem antreibt, ist, schöne Musik erlebbar zu machen. Darum geht es doch. Und als ich zum ersten Mal Kunstlieder aus China gehört habe und dann später nigerianische Lieder, da dachte ich nur: »Das ist doch tolle Musik!« Ich bin dann zuerst einmal davon ausgegangen, dass dieses Liedrepertoire außerhalb des europäischen Kontextes winzig klein sein muss – wie es eben so ist, wenn man selbst keine Ahnung hat.

Ich habe dann weiter gesucht und dabei entdeckt, dass es tatsächlich massenhaft Musik gibt, die wir eben nur nicht kennen! Jedes einzelne Land hat hier einen anderen Bezug nach Deutschland und nach Europa. Manch mal ist dieser Hintergrund nicht sehr angenehm, aber das ist eben auch ein Teil der Geschichte. Und wir als Wissenschaftler*innen haben die Aufgabe und die Verantwortung, nicht wegzuschauen, sondern weiter zu suchen und zu fragen: Was steckt dahinter? Warum gibt es zum Beispiel so viele deutsche Kompositionslehrer in Japan am Anfang des 20. Jahrhunderts? Es ging dann immer weiter mit der Repertoiresuche, bis ich schließlich zu dem Punkt kam zu sagen, dass diese Aufgabe eine einzige Person, die nur zwei oder drei Sprachen spricht, nicht bewältigen kann. So kam die Idee, einen Kongress zu organisieren, der diese vielen Perspektiven und Musiken an einem Ort zusammenbringt. Und deswegen bin ich so froh und dankbar, dass wir diesen Kongress nun in Freiburg veranstalten können.

Wie bist Du bei der Planung und Konzeption des Konzertprogramms »Winterreise – Weltreise« vorgegangen?

NL: Hier war für mich zunächst das Publikum am wichtigsten. Das heißt, dass das Programm Bezugs- und Anknüpfungspunkte bieten sollte, wo ein Publikum hier in Deutschland sich selbst ein bisschen erkennen kann. Dafür war Schuberts Winterreise natürlich das perfekte Werk, weil dieser Liederzyklus so berühmt ist. Ich hoffe, dass sich damit vielen Konzertbesucher*innen sofort eine Klangwelt eröffnet, die ihnen vertraut ist.

Dann habe ich sehr, sehr lange gesucht, gehört, gesammelt und Fragen gestellt. Und ich hatte viele sehr nette Kolleg*innen, die mir dabei geholfen haben. Ich habe also zielgerichtet angefangen, Lieder zusammenzustellen, die ich schön finde und deren Klangsprache einem europäisch geschulten Ohr einen leichten Zugang ermöglicht. Es war mir wichtig, dass das hiesige Publikum nicht abgeschreckt wird, weil es etwas nicht versteht, sondern im Fremden auch etwas Bekanntes, Vertrautes entdeckt und die Klangwelten, die Harmonien und die Schönheit dieser Musik auf Anhieb erkennt. Denn natürlich bleibt da sowieso immer noch die Frage oder auch Hürde der Sprache, die mich auch wissenschaftlich sehr lange beschäftigt hat.

Somit war meine Priorität bei der Programmzusammenstellung die Frage, was diese Musik für die spezielle Umgebung bedeutet, in der das Konzert aufgeführt wird. Deshalb habe auch erst einmal sehr viele Lieder ausgeschlossen, weil ich dachte, dass die Thematik der Gedichte hier nicht passt. Und natürlich war die Winterreise ein perfektes Gerüst für das Programm, weil die Themen von Entfremdung, von Liebe und Reise letztlich universelle Themen sind, die man in vielen Gedichtkulturen auf der ganzen Welt findet. Das hat es viel leichter für mich gemacht.

Letztlich war es mir ganz wichtig, die Balance zu finden zwischen einem Programm, das sich an lokalen Hörgewohnheiten des Publikums orientiert, das aber auch neue Klangwelten eröffnen möchte.

Was treibt Dich bei dieser Suche nach dem globalen Liedrepertoire an? Warum ist es so wichtig, den mitteleuropäischen Blick zu öffnen?

NL: Für mich ist es Teil meiner wissenschaftlichen Verantwortung, diese Musik zu entdecken. Wobei es hier nicht einmal ums Entdecken geht, denn dieses Repertoire existierte ja schon längst. Es ist eine Frage der Wahrnehmung. Indem ich diese unglaubliche Fülle an Musik wahrnehme, entdecke ich, wie lückenhaft meine eigene Ausbildung an der Uni war. Wir haben da alle unsere blinden Flecken. Ich empfinde es als Musikwissenschaftlerin als meine sehr, sehr schöne und privilegierte Aufgabe, schöne Dinge zu entdecken und Geschichte zu erzählen.

Außerdem leben wir politisch gesehen gerade in einer sehr gefährlichen Zeit. Da kann man sich als Wissenschaftlerin und auch als privater Mensch natürlich auch zurückziehen und sagen, es geht mir sehr gut und das ist nicht mein Problem. Es ist sehr leicht, unangenehmen Fragen zu ignorieren. Aber gerade in den vielen Gesprächen mit den Studierenden und mit Kolleg*innen, die mir bei diesem Projekt geholfen haben, merke ich, wie bedeutungsvoll es für

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& JULIAN PRÉGARDIEN

sie persönlich ist, wenn ich zum Beispiel um Hilfe bei der Aussprache für ein muttersprachliches Lied bitte.

Irgendwie empfinde ich es so, als würde ich Menschen, die einen nicht-mitteleuropäischen kulturellen Hintergrund haben, jetzt erst vollständig kennenlernen. Wenn ich sie bitte, ein Gedicht in ihrer Muttersprache vorzulegen, entdecke ich eine zweite Seite an ihnen, die ich vorher nicht gekannt habe. Und es war da immer die gleiche Mischung aus zunächst Überraschung und dann Freude.

Es geht mir bei so vielen ausländischen Musiker*innen, die in Deutschland tätig sind, so, dass man das Gefühl hat, man kennt nur die eine Hälfte dieses Menschen und öffnet mit diesen Fragen die Tür zu dieser zweiten, fehlenden Hälfte, sodass ich sie nun als ganze Persönlichkeit wahrnehmen kann. Das ist so wertvoll. Deshalb ist es wichtig, den Blick und das Bewusstsein zu weiten für alle schöne Musik, die es auf der Welt gibt!

Dieser Kongress und dieses Konzert sollen ja letztlich nur ein Anfang sein. Ich hoffe wirklich, dass es nicht das letzte Mal ist, dass wir so etwas machen.

Liebe Natasha, wir danken Dir für diese Initiative, Dein Herzblut und die großartige Musik, die Du uns hier eröffnest!

Lieber Julian, Dein Terminkalender ist mehr als gut gefüllt, zudem bist Du ja auch noch selbst als Initiator von Konzertreihen etc. aktiv. Trotzdem hat Dich gerade auch dieses Projekt spontan sehr interessiert. Warum?

JULIAN PRÉGARDIEN: Ich habe mich mit Herzblut in dieses Projekt hineingegeben, ja. Ich denke vor allem aus drei Gründen: Neugierde, Offenheit für gemeinsames Gestalten und Schubert-Liebe. Und für Angelegenheiten, die einem wirklich wichtig sind, nimmt man gerne die »Extra-Meile« in Kauf.

Wie wichtig ist für Dich die Erweiterung des gängigen Liedrepertoires über den zentraleuropäischen Tellerrand hinaus?

JP: Nun, es ist mir ein großes Anliegen, Menschen mit Musik zu verbinden. Damit das gelingen kann, möchte ich die Lieblingsmusik von anderen Menschen kennenlernen und diese mit meiner Lieblingsmusik in Verbindung bringen. Ich lerne wahnsinnig gerne dazu und erweitere meinen Horizont mit diesem Projekt auf sehr schöne Weise.

Wie bist Du bei der Vorbereitung auf dieses Programm vorgegangen? Wie hast Du Dich dieser Vielfalt verschiedener musikalischer Kulturen und vor allem auch der Vielzahl an verschiedenen Sprachen angenähert?

JP: Zuallererst: Indem ich mir Hilfe gesucht habe! Ich spreche auf muttersprachlicher Ebene nur Deutsch und verstehe Englisch und die romanischen Sprachen recht gut, vor allem Französisch und Spanisch. Wichtig ist: die Komponist*innen haben in den Liedern ihre Muttersprachen und die Emotionen dahinter musikalisch zum Klingen gebracht. Das versuche ich zuallererst nachzuvollziehen, und dann kommen die wichtigen Ausspracheregeln.

Was ist für Dich die wichtigste Erkenntnis aus diesem Projekt? Und welches Repertoire wirst Du beibehalten?

JP: »Lied« kann zwischenmenschliches Verständnis verbessern und Brücken bauen zwischen Menschen heute und damals, von woanders und hier. Darum geht es mir, im Endeffekt geht es mir um Empathie. Ich bleibe neugierig und möchte weiter lernen und als Künstler einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen Gemeinsamkeiten entdecken und nicht auf Unterschiede pochen. Ich entwickle daher mit Freunden und Partnern Projekte, die das ausdrücken können, sei es im Rahmen der künstlerischen Bewegung »Liedstadt« oder eben ganz konkret gemeinsam mit Natasha Loges, Neus Estarellas und der Hugo-Wolf-Akademie.

Vielen Dank für Deine Neugier! Wir freuen uns auf das Konzert!

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VANRAJ BHATIA (1927 – 2021, Indien)

Vanraj Bhatia war ein indischer Komponist, der vor allem durch seine Arbeit im indischen New-Wave-Kino bekannt wurde. Er war auch einer der führenden Komponisten der westlichen klassischen Musik in Indien. Nachdem Bhatia 1949 seinen M.A. (English Honours) am Elphinstone College der Universität von Bombay erworben hatte, studierte er Komposition bei Howard Ferguson, Alan Bush und William Alwyn an der Royal Academy of Music in London, wo er 1951 – 1954 das Sir Michael Costa-Stipendium erhielt. Nach seinem Abschluss mit einer Goldmedaille im Jahr 1954 erhielt er ein Rockefeller-Stipendium (1954–58) sowie ein Stipendium der französischen Regierung (1957 – 1958), das ihm ein fünfjähriges Studium bei Nadia Boulanger am Conservatoire de Paris ermöglichte. Als er 1959 nach Indien zurückkehrte, war Bhatia der erste, der in Indien Musik für einen Werbefilm schrieb; er komponierte über 7.000 Werbespots. Von 1960 bis 1965 war er zudem Dozent für westliche Musikwissenschaft an der Universität von Delhi. Bhatia arbeitete vor allem mit Filmemachern der indischen New-Wave-Bewegung zusammen, wie Govind Nihalani, Kundan Shah, Aparna Sen, Saeed Akhtar Mirza und Prakash Jha. Er hat auch Alben mit spiritueller Musik veröffentlicht und Musik für Messen wie die Expo ’70 in Osaka und die Asia 1972 in Neu-Delhi komponiert. Seine am häufigsten aufgeführten Werke sind die Fantasie und Fuge in C für Klavier, die Sinfonia Concertante für Streicher und der Liederzyklus Six Seasons. Seine Reverie wurde von Yo-Yo Ma bei einem Konzert in Mumbai im Januar 2019 aufgeführt; die ersten beiden Akte seiner Oper Agni Varsha, die auf dem gleichnamigen Theaterstück von Girish Karnad basiert, wurden 2012 in New York City uraufgeführt. Bhatia erhielt den National Film Award for Best Music Direction für den Fernsehfilm Tamas (1988), den Sangeet Natak Akademi Award for Creative and Experimental Music (1989) und Indiens vierthöchste zivile Auszeichnung, den Padma Shri (2012).

ANTONIO ESTEVEZ (1916 – 88, Venezuela )

Antonio Estévez wurde 1916 im venezolanischen Calabozo/Guárico geboren. Er absolvierte von 1923 bis 1925 eine musikalische Ausbildung in Caracas und spielte ab 1926 in der städtischen Kapelle Calabozo das Flügelhorn. Ab 1930 studierte er in der Escuela de Música y Declamación Komposition bei Vicente Emilio Sojo und Klarinette bei Miguel Gallo. 1932 wurde er Mitglied der Militärkapelle von Caracas unter Pedro Elías Gutiérrez. Zwei Jahre später wurde Estévez zweiter Oboist beim Orquesta Sinfónica de Venezuela und gründete 1943 den Universitätschor der Universidad Central de Venezuela. Ab 1945 setzte er seine musikalischen Studien mit einem Stipendium des Erziehungsministeriums in Europa und den USA fort. 1949 erhielt er den Nationalpreis für Musik, 1954 den Premio Anual de Sinfónicas. 1961 – 63 hielt sich Estévez in England auf, danach in Paris, wo er am Office de Radio-Télévision Française unter Pierre Schaeffer wirkte. Er gründete 1971 nach seiner Rückkehr nach Venezuela das Instituto de Fonología Musical, das er bis 1979 leitete. 1987 wurde er erneut mit dem Nationalpreis für Musik ausgezeichnet und erhielt einen Ehrendoktortitel der Universidad de Los Andes.

AKIN EUBA (1935 – 2020, Nigeria Yoruba )

Akin Euba war ein nigerianischer Komponist, Musikwissenschaftler und Hochschullehrer, der sich für die Befreiung der Tonsprache seines Landes aus kolonialer Fremdbestimmung einsetze und mit dem African Pianism eine eigenständige afrikanische Musik entwickelte. In seinen Kompositionen verbinden sich westliche und afrikanische Elemente zu einer im transkulturellen Sinn neuen Tonsprache. In Veröffentlichungen und Vorträgen machte er die Idee einer Afrikanisierung der Musik publik und schuf durch die Gründung neuer Forschungs- und Kommunikationszentren in Afrika, England und den USA ein Forum für andere afrikanische Komponisten. Mit seinem Elekoto Ensemble brachte er im Sinne einer Weltmusik Musiker aus Nigeria, China, Indien, Deutschland, Malta und Großbritannien zusammen. Ersten Klavierunterricht erhielt Akin Euba von seinem Vater Alphaeus Sobiyi Euba, einem Allround-Musiker, und anschließend bei James Godfrey Colquhoun Allen sowie Tessier Rémi du Cros. Schon seine Lehrer erkannten seine außergewöhnliche Begabung. Ein Staatsstipendium ermöglichte ihm von 1952 bis 1957 ein Musikstudium am Trinity College of Music in London, wo er ganz im Sinne einer klassischen Kompositionslehre bei dem Hindemith-Schüler Arnold Cooke sein Handwerk erlernte. Zurückgekehrt nach Lagos, übernahm er die Leitung der Musikabteilung des nigerianischen Rundfunks. Kompositionen wie Four Pictures from Oyo Calabashes und Impressions from an Akwete Cloth sind von Nigerianischer Stammeskunst inspiriert und lassen die Hinwendung des westlich geschulten Komponisten zu Nigerianischen Kulturen erkennen. Mit Hilfe eines Stipendiums der Rockefeller-Stiftung ging er von 1962 bis 1966 zur Fortbildung an die University of California, Los Angeles, wo er auf Musikethnologen wie Mantle Hood, Klaus Wachsmann und den ghanaischen Musiker J. H. Kwabena Nketia traf. Ermutigt durch Mantle Hood und den Komponisten Roy Travis, begann er auch für Instrumente seiner Nigerianischen Heimat zu komponieren und schloss sein Studium mit einer Magisterprüfungs-Komposition für afrikanische Instrumente ab. Anschließend ging er zurück nach Afrika und war ein Jahr lang Lektor für Musik an der Universität von Lagos, danach Leiter der Forschungsabteilung der Obafemi Awolowo University in Ile-Ife. Zeitgleich nahm er ein Studium der Musikethnologie bei J. H. Kwabena Nketia an der Universität von Ghana auf, das er 1974 mit einer Doktorarbeit über die Dundun-Musik der Yoruba abschloss. 1976 gründete er an der Obafemi Awolowo Uni -

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KOMPONIST INNEN

versity in Nigeria eine Musikabteilung und erhielt 1978 eine Professur am Centre for Cultural Studies der Universität von Lagos. 1986 – 1991 hatte er eine Gastdozentur an der Universität Bayreuth inne und erstellte dort einen Katalog über die Bestände Afrikanischer Musik des Iwalewahauses Bayreuth (veröffentlicht 1993). 1989 gründete er in London das Centre for Intercultural Music Arts (CIMA) und war bis zu seinem Tod dessen Leiter. 1993 – 2011 hatte er die Andrew Mellon Professur für Musik an der University of Pittsburgh (USA) inne. 2004 gründete Akin Euba am Churchill College der University of Cambridge das Centre for Intercultural Musicology und war bis zu seinem Tod dessen Director emeritus. Akin Euba gilt als einer der bedeutendsten afrikanischen Musikethnologen. In Feldstudien hat er zur Erforschung afrikanischer Stammesmusiken beigetragen und die Ergebnisse in Afrika, Europa und den USA publiziert. Auf Grund dieser prägnanten Forschungsergebnisse konnte die Verschmelzung afrikanischer und westlicher Stilelemente gelingen, wie er sie seit 1960 in seinen Kompositionen vornahm.

CHIQUINHA GONZAGA (1847 – 1935, Brasilien)

Francisca (»Chiquinha«) Gonzaga, eigentlich Francisca Edwiges Neves Gonzaga, gehört zu den wichtigen Komponistinnen des Choro in Brasilien. Die Pianistin und Komponistin ebnete als Frau den Weg für viele professionelle Musikerinnen in Brasilien. Sie schrieb über 300 Kompositionen für ganz unterschiedliche musikalische Formationen. Im Alter von 16 Jahren heiratete sie einen Offizier der Handelsmarine, den ihr Vater ausgewählt hatte. Ihr Ehemann hasste jedoch die Musik und befahl seiner Frau, sich zwischen ihm und der Musik zu entscheiden – sie verließ ihren Ehemann und ihre drei Kinder. Der Skandal einer Scheidung war Grund genug, von ihrer Familie für tot gehalten zu werden. Von ihrer Familie verstoßen, wurde Chiquinha Gonzaga von den Musikern der brasilianischen Hauptstadt aufgenommen. Zu Beginn ihrer Karriere war Gonzaga Mitglied der Gruppe von Joaquim Calado (1848 – 1880), gab Klavierstunden und spielte auf Tanzveranstaltungen. Berühmt wurde sie 1877, als ihre Komposition Atraente verlegt wurde. 1885 gab sie ihr Debüt als Dirigentin an der Seite berühmter Autoren von Theaterstücken, was damals in Brasilien einzigartig war. Chiquinha Gonzaga trug zur Nationalisierung der Musik in Brasilien bei, da die Gesellschaft zu dieser Zeit nur europäische Musik schätzte. Sie bezog afrikanische Rhythmen ein und entwickelte eine brasilianische Art zu komponieren. So bildete ihr Werk die Grundlage für die ersten Schritte in Richtung einer neuen, typisch brasilianischen Musiksprache. Sie komponierte Musik in Stilrichtungen wie Polka, Fado, Maxixe, bekannt als brasilianischer Tango, Habanera, Choro, Marcha, Dobrado, Lundu und Modinha. Daneben war sie Mitbegründerin der Sociedade Brasileira de Autores Teatrais (SBAT), die sich für die Rechte von Autoren und Komponisten einsetzt. Chiquinha Gonzaga war u. a. die erste Frau, die als Pianistin und Komponistin erfolgreich war, die erste Frau, die in Brasilien ein Orchester dirigierte, und die Gründerin der ersten brasilianischen Schutzgesellschaft für Autoren, der Gesellschaft für Urheberrechte. Als unerbittliche Verfechterin der Menschenrechte kämpfte Gonzaga für ihre Freiheit und trug dazu bei, die kulturelle Landschaft Brasiliens zu dieser Zeit zu modernisieren. Im Jahr 2012 erließ die erste Präsidentin Brasiliens, Dilma Rosseff, das Gesetz Nr. 12.624, mit dem der Tag der brasilianischen Volksmusik eingeführt wurde, der am 17. Oktober zu Ehren des Geburtstags von Chiquinha Gonzaga gefeiert wird.

SUN-AE KIM (1920 – 2007, Korea )

Sun-Ae Kim war die erste weibliche Komponistin in Korea. Sie wurde als Tochter eines Pfarrers in Anak/Provinz Hwanghae geboren und machte ihren Abschluss an der Seoul Baehwa High School. 1941 begann sie zunächst mit einem Klavierstudium an der Ewha Women’s University, wechselte auf Empfehlung des Kompositionsprofessos Kim Se-hyung jedoch bald zu Komposition. Nach ihrem Abschluss studierte sie bei Aaron Copland an der Eastman School of Music New York. Ihr Erstlingswerk war das Kunstlied Four Leaf Clover, komponiert während ihrer Zeit an der Ewha Women’s University im Jahr 1938. Im Jahr 1939 präsentierte sie ihr erstes Werk in der Bumin-Halle. Neben rund 20 Kunstliedern komponierte sie auch Werke wie Kleine Sonate für Orchester (1961), Symphonie in zwei Sätzen (1963), eine Sonate für Violine (1958) und die Oper Maiden, O Maiden! (1984). Im Jahr 1971 komponierte sie ein Weihnachtslied auf der Grundlage koreanischer Melodien und erregte damit Aufmerksamkeit. 1981 übernahm sie das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden des Komponistenverbandes. Sun-Ae Kim verstarb im Alter von 87 Jahren in einem Krankenhaus in Tahoma, Washington in den USA. Sie litt zu Lebzeiten an Diabetes und lebte seit 2003 mit ihren drei Töchtern in den Vereinigten Staaten. Sie erhielt verschiedene Auszeichnungen, darunter den Seoul Culture Award (1964), den 1. Korea Composition Award (1974), den Orden für kulturelle Verdienste (1984), den Korea Arts Council Award (1986), die Moran-Medaille (1986), den MBC Art Song Achievement Award (1990) und den March 1st Cultural Award (1993).

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YOSHINAO NAKATA (1923 – 2000, Japan)

Yoshinao Nakada war ein japanischer Komponist und Musikpädagoge. Nakada war der dritte Sohn des Komponisten und Musikpädagogen Akira Nakada (1886 – 1931). Er studierte Klavier und Komposition an der Tokyo Music School (heute: Tokyo University of the Arts) und schloss sein Studium 1943 ab. Er wurde unter anderen Komponisten in Japan durch das Komponieren von Liedern bekannt. Mit Natsu no Omoide (Erinnerungen des Sommers), Medaka No Gakko (Schule des Killifisch) und Chiisai Aki Mitsuketa (Ich fand einen kleinen Herbst) wurde er zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ein wichtiger Komponist für dieses Genre. Von 1953 bis 2000 war er zunächst Dozent und später Professor an der Ferris University (Feriesu Jogakuin Daigaku), einem Frauen-College in Yokohama.

MANUEL PONCE (1882 – 1948, Mexiko)

Manuel María Ponce Cuéllar wurde 1882 in Fresnillo, Zacatecas geboren und gilt als einer der bedeutendsten mexikanischen Komponisten. Er wuchs in Aguascalientes auf. Sein Elternhaus beherbergt heute das Centro de Estudios Musicales Manuel M. Ponce. Er galt als musikalisches Wunderkind, komponierte bereits als Achtjähriger ein Stück mit dem Titel La Marcha del Sarampión und wirkte als Organist in seinem Heimatort. Als er 1901 seine Studien am Conservatorio Nacional aufnahm, hatte er bereits einen guten Ruf als Pianist und Komponist. 1904 ging er nach Italien, um an der Musikschule von Bologna zu studieren, zwischen 1906 und 1908 studierte er am Stern’schen Konservatorium Berlin. Nach seiner Rückkehr nach Mexiko unterrichtete er bis 1922 am Conservatorio Nacional, unterbrochen von einem Aufenthalt in Havanna von 1915 bis 1917. 1925 ging er nach Paris, wo er bis 1933 Schüler von Paul Dukas war. Ponce war ab 1923 befreundet mit dem Gitarristen Andrés Segovia, und so nehmen Kompositionen für Gitarre großen Raum in seinem Werk ein, darunter in den späten 1920er Jahren entstandene 24 Préludes in allen Dur- und Moll-Tonarten. Daneben komponierte er Orchesterstücke, kammermusikalische Werke und Klaviermusik und gilt als einer der bedeutendsten Liedkomponisten Mexikos.

AHMAD ADNAN SAYGUN (1907 – 1991, Türkei )

Ahmed Adnan Saygun war ein türkischer Komponist, Musiker und Musikwissenschaftler, der in der 1923 gegründeten Türkischen Republik zu den führenden Vertretern einer auf die westliche Klassik zielenden Reform der türkischen Musik gehörte. Er zählt zu den »Türkischen Fünf«, der Gruppe der ersten professionellen Komponisten der Türkei. In der Mittelschule wurde er in Gesang und Klavier unterrichtet, die Schule besaß für türkische Verhältnisse unüblich einen eigenen Chor, worauf seine späteren choralen Werke fußen. Parallel zu dem Unterricht in der Mittelschule entwickelte sich das Interesse für das Komponieren. Nach Abschluss der Schule arbeitete er sich als Buchhändler und Pianist im Stummfilmtheater İzmirs. Einen wichtigen Schrit in seiner Karriere stellte die Ankündigung einer musikalischen Revolution hin zu mehrstimmiger westlicher Musik durch den Präsidenten Mustafa Kemal dar, für die im Land dringend Musiklehrer gesucht wurden. So fiel mit dem Untergang des osmanischen Vielvölkerstaats die Palastmusik in Ungnade und die Erschaffung einer nationalen Musik auf Basis einer durch westliche Klassik »veredelten« anatolischen Volksmusik wurde forciert. Ahmed Adnan erhielt eine Lehrstelle als Musiklehrer in İzmir und schaffte es, sich 1928 als Stipendiat zu qualifizieren, wodurch ein Aufenthalt in Europa ermöglicht wurde. Er studierte daraufhin an der Schola Cantorum in Paris. Dort wurde er u. a. von Vincent d’Indy in Komposition und von Paul Le Flem in Kontrapunkt unterrichtet. 1951 komponierte er das Oratorium für Yunus Emre, das auf der humanistischen Interpretation des anatolischen Dichters Yunus Emre aufbaut. Das Werk erregte sowohl national als auch international Aufmerksamkeit und wurde vielfach in mehrere Sprachen übersetzt und aufgeführt. 1959 wurde es in New York unter der Leitung Leopold Stokowskis zum Jahrestag der UN-Gründung aufgeführt. Saygun komponierte u. a. Opern, fünf Symphonien, zwei Konzerte für Klavier und Orchester, ein Konzert für Bratsche und Orchester und ein Cellokonzert. Er wurde 1972 von seiner Stelle als Lehrbeauftragter des Konservatoriums in Ankara pensioniert und zog nach İstanbul, wo er am dortigen Konservatorium bis zu seinem Tod weiterlehrte.

VERDINA SHLONSKY (1905 Ukraine – 1990 Tel Aviv)

Verdina Shlonsky war eine ukrainisch-israelische Komponistin und Pianistin. Während ihre Familie Anfang der 1920er-Jahre nach Palästina emigrierte, blieb sie in Europa, um dort an der Musikhochschule Berlin Klavier bei Egon Petri und Arthur Schnabel zu studieren. Ab 1929 folgten Studien in Paris bei Alfred Cortot. 1931 ging sie ebenfalls nach Palästina, kehrte aber bald nach Paris zurück und nahm Kompositionsunterricht bei Nadia Boulanger. Ihr Liederzyklus Poéme Hébraique brachte ihr dort beim Wettbewerb Femme de professions libérale den ersten Preis für Komposition ein. Weiteren Kompositionsunterricht erhielt sie bei Max Deutsch, Edgard Varèse und Hanns Eisler. Von 1934 bis 1937 arbeitete sie in Tel Aviv und zog anschließend wieder nach Paris, bis die deutsche Invasion Frankreichs sie zur Flucht nach London zwang. Seit 1944 lebte sie dauerhaft in Palästina und lehrte dort seit 1967 an der Academy of Music in Tel Aviv. Verdina Shlonsky komponierte sinfonische Werke, Kammer- und Klaviermusik, außerdem Musik für das Theater sowie Lieder auf Gedichte etwa von Lea Goldberg,

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KOMPONIST INNEN

Shin Shalom, Raphael Eliaz und ihres Bruders Avraham Shlonsky. 1947 erhielt sie in Budapest für ihr Streichquartett den Béla-Bartók-Preis, für dasselbe Werk 1971 auch den israelischen ACUM Prize. Für ihr Lebenswerk erhielt sie 1984 erneut den ACUM Prize. In ihrer Musik nahm sie insbesondere Einflüsse französischer Zeitgenossen auf. Verdina Shlonsky war auch publizistisch tätig und verfasste Essays über das europäische und israelische Musikleben.

MUAMMER SUN (1932 – 2021, Türkei )

Muammer Sun wurde 1932 in Ankara geboren und trat 1947 in die Militärmusikschule, 1953 in das Staatliche Konservatorium von Ankara ein. Er studierte Komposition bei Ahmet Adnan Saygun, Dirigieren bei Hasan Ferit Alnar, Volksmusik bei Muzaffer Sarıözen, traditionelle Volksmusik bei M.R. Gazimihal und Ruşen Ferit Kam sowie Modi und Harmonien der türkischen Musik bei Kemal İlerici. Er unterrichtete an den Staatlichen Konservatorien von Ankara, İzmir und Istanbul sowie an der Musikabteilung des Bildungsinstituts der Gazi Universität und war Mitglied des Vorstands der Türkischen Radio- und Fernsehgesellschaft (TRT). 1998 wurde er vom türkischen Kulturministerium mit dem Titel »Devlet Sanatçısı« (wörtlich »Staatskünstler« oder »Nationaler Künstler«) ausgezeichnet. Sun ließ sich von den volkstümlichen und traditionellen Quellen der türkischen Musik inspirieren und komponierte nach dem Harmoniesystem von Kemal İlerici, u. a. Ballettmusik, Orchesterwerke, Kammermusik, Klavierstücke, Bühnenmusiken wie Elektra (1958) und Sultan Gelin (1964), Lieder mit Klavier- oder Orchesterbegleitung sowie Musikstücke für Kinder. Er hat sich intensiv mit dem pädagogischen Aspekt der türkischen Musik befasst und Bücher darüber geschrieben. Sun wurde vor allem für seine Vokalwerke ausgezeichnet und ließ sich von klassischer türkischer Musik und türkischer Volksmusik inspirieren. Im Jahr 2004 gründete er den Sun-Verlag, der Bücher über Musikerziehung und Musikwissenschaft veröffentlicht.

JOSHUA UZOIGWE (1946 – 2005, Nigeria Igbo)

Joshua Uzoigwe war ein nigerianischer Komponist und begann seine Ausbildung 1960 an der King’s College High School, einer dem King’s College in Cambridge nachempfundenen Schule in Nigeria. Er setzte seine Studien an der International School, Ibadan, und von 1970 – 1973 an der University of Nigeria, Nsukka, fort. Während seiner Zeit an der International School lernte er die Werke der prominenten nigerianischen Kunstmusiker Fela Sowande, Ayo Bankole und Christopher Oyesiku kennen und führte sie auf, wodurch Uzoigwe die modernen Kompositionstechniken der nigerianischen Kunstmusik kennenlernte, die später die Grundlage seines eigenen Schaffens bilden sollten. Uzoigwe studierte auch Orchestrierung und Kontrapunkt, Theorie und Geschichte der europäischen Kunstmusik, Klavierspiel und Komposition. Während seines Studiums an der Guildhall School of Music in London und später an der University of Belfast entwickelten sich seine kompositorischen Ideen weiter. An der Guildhall School schrieb er mehrere virtuose Klavierstücke sowie die Lustra ­Variationen und die Nigerianischen Tänze für Sinfonieorchester. In Belfast studierte er Musikethnologie bei dem britischen Anthropologen und Musikethnologen John Blacking. Blackings Plädoyer für ein Studium der Musik aus der Perspektive derer, die sie besitzen, war ein wichtiger Einfluss auf Uzoigwe. Den Beispielen von Nketia und John Blacking folgend, kehrte Uzoigwe nach Nigeria zurück, um von 1977 – 1979 Feldforschung zur traditionellen Musik seines eigenen Volkes, der Igbos, zu betreiben, wobei er sich auf die rituelle Musiktradition namens Ukom konzentrierte. Seine Kompositionen spiegeln weiterhin den Einfluss dieser Forschungen über traditionelle Musik wider. Der Liederzyklus Igbo Songs für Sopran und Klavier ist eines seiner besten Beispiele für Werke, die afrikanische Musikelemente effektiv in den Kontext des Kunstliedes einbeziehen. Zur gleichen Zeit begann er, sich mit den Oja, den einheimischen Flötentraditionen, und der Rolle, die sie in der Igbo-Gesellschaft spielen, zu beschäftigen. Wie Arnold Schönberg, Charles Ives und Akin Euba war auch Uzoigwe von der Tonalität enttäuscht und experimentierte auf der Suche nach einem neuen Standpunkt mit der Atonalität. Uzoigwe war bis zu seinem Tod Dozent für Musiktheorie und Klavier an der Universität von Ife in Nigeria, an der Universität von Nigeria in Nsukka (1992 – 1996) und anschließend an der Universität von Uyo in Nigeria (1996 – 2005).

GASWAN ZERIKLY (*1954, Syrien)

Gaswan Zerikly wurde 1954 in Damaskus, Syrien geboren und ist ein syrisch-deutscher Pianist und Komponist. Von 1961 bis 1972 studierte Zerikly europäische klassische Musik und Klavier bei Cynthia Everett Al-Wadi, Oleg Ivanov und Viktor Bunin am Arabischen Musikinstitut in Damaskus. Es folgte von 1972 bis 1977 ein Klavierstudium bei Klaus Bäßler, Diethelm MüllerNilsson und Dieter Zechlin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Zwischen 1977 und 1981 promovierte Zerikly im Fach Klavier »Facultas Docendi« bei Gleb Axelrod am Moskauer Konservatorium und wurde 1981 mit dem Künstlerpreis des Tschaikowski-Konservatoriums in Moskau ausgezeichnet. In den Folgejahren konzertierte Zerikly in zahlreichen Ländern und unterrichtete in Berlin, Moskau, Weimar, Osnabrück und Kairo. An der Hochschule für Musik in Damaskus wirkte er als Dekan der Fakultät für Tasteninstrumente, als erster Prorektor und als Leiter der Meisterklasse für Klavier. 2015 gründete Zerikly die »Klavier Akademie Weimar«.

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FRANZ SCHUBERT

Der Wegweiser

Was vermeid’ ich denn die Wege, Wo die ander’n Wand’rer gehn, Suche mir versteckte Stege durch verschneite Felsenhöh’n?

Habe ja doch nichts begangen, Dass ich Menschen sollte scheu’n, –welch ein törichtes Verlangen Treibt mich in die Wüstenei’n?

Weiser stehen auf den Strassen, Weisen auf die Städte zu, Und ich wand’re sonder Maßen Ohne Ruh’ und suche Ruh’.

Einen Weiser seh’ ich stehen

Unverrückt vor meinem Blick; Eine Straße muß ich gehen, Die noch keiner ging zurück.

Wilhelm Müller (1794-1827)

VERDINA SHLONSKY

On the Great Road

Inbalim bamir’e ušrikot

Vesade bazahav ’ad ’erev.

Dumiyat be’erot yerukot, Merxavim šeli vaderex.

Ha’ecim še’alu min hatal, Nocecim kizxuxit umatexet.

Lehabit lo exdal velinšom lo exdal Ve’amut ve’osif lalexet.

Natan Alterman (1910-1970)

FRANZ SCHUBERT

Der stürmische Morgen

Wie hat der Sturm zerrissen

Des Himmels graues Kleid!

Die Wolkenfetzen flattern

Umher im matten Streit.

Und rote Feuerflammen

Zieh’n zwischen ihnen hin;

Das nenn’ ich einen Morgen

So recht nach meinem Sinn!

Mein Herz sieht an dem Himmel

Gemalt sein eig’nes Bild –

Es ist nichts als der Winter, Der Winter, kalt und wild!

Wilhelm Müller

Auf dem großen Weg

Glockenklöppel auf der Weide und Pfeifen Und ein Feld in Gold bis zum Abend.

Die Stille der grünen Brunnen, Meine weiten Räume und der Weg.

Die Bäume, die aus dem Tau gewachsen sind Glitzern wie Glas und Metall. Ich werde nicht aufhören zu schauen noch zu atmen Und ich werde sterben und weitergehen.

10

MUAMMER SUN

Sevdikce Yasiyorum

Demek yazamadan

Demek okuyamadan

Demek konuþamadan

Hem de ölmeden yaþanabilirmiþ

Ama sevmeden yaþanamýyor Üçgülüm

Bir ölüyle bir canlý

Bir bedeni bölüþtük

Sað yaným ölmüþ

Sol yaným capcanlý

Demek yazamadan

Demek okuyamadan

Demek konuþamadan

Ama düþünebildiðim için seni yaþýyorum

Yaþayabildiðim için sevmiyorum

Sevdiðim için yaþýyorum

Bir kolum bir elim bir bacaðým ve dilim tutmuyor

Öyle bir sevgi var ki içimde

O beni hâlâ diri tutuyor

Yazamasam da okuyamasam da konuþamasam da Seviyorum seni Üçgülüm

Sevdikçe yaþýyor yaþadýkça seviyorum

Aziz Nesin (1915-1995)

FRANZ SCHUBERT

Der Leiermann

Drüben hinterm Dorfe

Steht ein Leiermann

Und mit starren Fingern

Dreht er, was er kann.

Barfuß auf dem Eise

Wankt er hin und her

Und sein kleiner Teller

Bleibt ihm immer leer.

Keiner mag ihn hören, Keiner sieht ihn an, Und die Hunde knurren

Um den alten Mann.

LIED TEXTE

Bevor ich also schreiben konnte

Also bevor du es lesen kannst

Also bevor ich sprechen kann

Und du kannst leben, ohne zu sterben.

Aber du kannst nicht ohne Liebe leben, Üçgülüm

Einer tot und einer lebendig

Wir haben einen Körper geteilt

Meine rechte Seite ist tot.

Meine linke Seite ist lebendig

Bevor ich also schreiben konnte

Also bevor du es lesen kannst

Also bevor ich sprechen kann

Aber ich liebe dich, weil ich denken kann.

Ich mag es nicht, weil ich leben kann

Ich lebe für das, was ich liebe

Ich kann nicht einen Arm, eine Hand, ein Bein und meine Zunge halten.

Es ist so viel Liebe in mir

Er hält mich immer noch am Leben.

Ich kann nicht schreiben, nicht lesen, nicht sprechen.

Ich liebe dich, Üçgülüm

Ich lebe wie ich liebe und liebe wie ich lebe

Und er lässt es gehen

Alles, wie es will, Dreht und seine Leier Steht ihm nimmer still.

Wunderlicher Alter, Soll ich mit dir geh’n?

Willst zu meinen Liedern Deine Leier dreh’n?

Wilhelm Müller

11

AHMAD ADNAN SAYGUN

Arie aus »Yunus Emre«

Aglamaktir. benüm isüm

Agla gözüm simden gerû

Irmag olan kanlu yasum

Cagla gözüm simdiden gerû

Bilme yârin neydügünü

Omir gulu soldugunu

Gece gündüz oldugunu

Bilme gözüm simden gerû.

Aldanma dünya alina

Agudur sunma balina

Düsüp Dünya hayalina

Dalma gözüm zimden gerû.

Yunus Emre (um 1240- um 1321)

GASWAN ZERIKLY

Ma Ihtiyali Ya Rifaqi Muwaschschah von Abu Khalil al-Quabbani (1833-1903)

Ich weine, ich weine immerdar, Weinet, meine Augen, ewig weinet, Wie ein roter Brunnen rinnen tränen, Blutet meine Augen, ewig blutet.

Fragt nicht, fragt nicht nach Liebestreu, Den Rosen gleich so bald verwelket.

Ob dunkle Nacht, ob Tageshelle, Fraget nicht, meine Augen fraget nicht. Oh meidet die Lüste der Welt, Die süß sind wie Honig, doch Gift.

Ergebt euch nicht den holden Schein. Vergesset meine Augen, vergesset.

Was ist mein Ausweg, meine Freunde

Das Reh hat dem Zweig beigebracht, sich zu beugen, wenn es sich neigt

Für eine lange Zeit hat er keinen Kontakt zu mir aufgenommen

Kein Hallo, kein Gespräch, keine Frage, und kein Lächeln

Ich weiß nicht, meine Freunde, ist es Verwirrung oder Verführung?

Meine Sehnsucht hat mich verzehrt, während er sich von mir abwandte

Was ist mein Ausweg, meine Freunde

Das Reh hat dem Zweig beigebracht, sich zu beugen, wenn es sich neigt

Ich weiß nicht, meine Freunde, ist es Verwirrung oder Verführung?

Meine Sehnsucht hat mich verzehrt.

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FRANZ SCHUBERT

Der Lindenbaum

Am Brunnen vor dem Tore, Da steht ein Lindenbaum:

Ich träumt in seinem Schatten

So manchen süßen Traum.

Ich schnitt in seine Rinde

So manches liebe Wort; Es zog in Freud’ und Leide Zu ihm mich immer fort.

Ich musst’ auch heute wandern

Vorbei in tiefer Nacht, Da hab’ ich noch im Dunkel

Die Augen zugemacht.

ANTONIO ESTEVEZ

Arrunango

Arrunango, arrunango... así dice la madre cantando.

La palabra de música tiene un sabor indígena, de guarura, de agua de jaguey y de pájaro.

El niño es el ovillo de lana candorosa. La canción es la rueca que lo hila en la noche.

Arrunango, arrunango... que mi niño se duerma,

Sigiloso en la sombra llega a tientas el sueño.

Héctor Guillermoe Villalobos (1911-1986)

MANUEL PONCE

Estrellita

Estrellita del lejano cielo, que miras mi dolor, que sabes mi sufrir.

Baja y dime

si me quiere un poco, porque yo no puedo sin su amor vivir.

¡Tu eres estrella mi faro de amor!

Tu sabes que pronto he de morir.

Baja y dime

si me quiere un poco, porque yo no puedo sin su amor vivir.

Manuel Ponce (1882-1948)

LIED TEXTE

Und seine Zweige rauschten, Als riefen sie mir zu:

Komm her zu mir, Geselle, Hier find’st du deine Ruh’!

Die kalten Winde bliesen

Mir grad ins Angesicht; Der Hut flog mir vom Kopfe, Ich wendete mich nicht.

Nun bin ich manche Stunde

Entfernt von jenem Ort, Und immer hör’ ich’s rauschen: Du fändest Ruhe dort!

Wilhelm Müller

Arrunango, arrunango... so singt die Mutter.

Das Wort der Musik hat ein indigenes Aroma, von Guarura, von Wasser, von Jaguey und Vogel.

Und das Kind ist das Wollknäuel. Das Lied ist das Spinnrad, das es in der Nacht spinnt.

Arrunango, arrunango... lass mein Kind schlafen gehen,

Heimlich im Schatten tastet es nach Schlaf.

Kleiner Stern am fernen Himmel, der meinen Schmerz ansiehst, der mein Leiden kennst. Komm herab und sag mir, ob er mich ein wenig liebt, denn ohne seine Liebe kann ich nicht leben.

Du bist mein Stern, mein Leuchtfeuer der Liebe! Du weißt, dass ich bald sterben werde. Komm herab und sag mir, ob er mich ein wenig liebt, denn ohne seine Liebe kann ich nicht leben.

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CHIQUINHA GONZAGA

Lua Branca

Oh! Lua branca de fulgores e de encanto

Se é verdade que ao amor tu dás abrigo

Vem tirar dos olhos meus o pranto.

Ai, vem matar esta paixão que anda comigo

Ai, por quem és, desce do céu…

Oh! Lua branca,

Essa amargura do meu peito…

Oh! Vem, arranca

Dá-me o luar da tua compaixão

Oh! Vem, por Deus, iluminar meu coração.

E quantas vezes lá no céu me aparecias

A brlhar em noite calma e constelada

A sua luz, então, me surpreendia

Ajoelhado junto aos pés da minha amada

E ela a chorar, a soluçar, cheia de pejo

Vinha em seus lábios me ofertar um doce beijo.

Ela partiu, me abandonou assim…

Oh! Lua Branca, por quem és, tem dó de mim.

Manuel Chiquinha Gonzaga (1882-1948)

FRANZ SCHUBERT

Täuschung

Ein Licht tanzt freundlich vor mir her,

Ich folg’ ihm nach die Kreuz und Quer; Ich folg’ ihm gern und seh’s ihm an, Dass es verlockt den Wandersmann.

Ach! wer wie ich so elend ist, Gibt gern sich hin der bunten List, Die hinter Eis und Nacht und Graus

Ihm weist ein helles, warmes Haus. Und eine liebe Seele drin –Nur Täuschung ist für mich Gewinn!

Wilhelm Müller

Oh! Weißer Mond des Glanzes und der Verzauberung

Wenn es wahr ist, dass du der Liebe Schutz gibst

Komm und nimm die Tränen aus meinen Augen.

Oh, komm und töte diese Leidenschaft, die mit mir geht

Oh, für das, was du bist, komm vom Himmel herab...

Oh, weißer Mond, Nimm diese Bitterkeit aus meiner Brust...

Oh! Komm, nimm sie weg

Gib mir das Mondlicht deines Mitgefühls

Oh, komm, um Gottes willen, erleuchte mein Herz.

Und wie oft bist du mir im Himmel erschienen

In einer ruhigen, sternenklaren Nacht

Dann hat mich dein Licht überrascht

Kniend zu den Füßen meines Geliebten

Und weinend, schluchzend, voller Kummer

Sie kam zu mir mit einem süßen Kuss auf ihren Lippen. Sie ging, verließ mich einfach so...

Oh! Weißer Mond, für das, was du bist, hab Erbarmen mit mir.

FRANZ SCHUBERT

Rückblick

Es brennt mir unter beiden Sohlen, Tret’ ich auch schon auf Eis und Schnee, Ich möcht’ nicht wieder Atem holen, Bis ich nicht mehr die Türme seh’.

Hab’ mich an jeden Stein gestoßen, So eilt’ ich zu der Stadt hinaus; Die Krähen warfen Bäll’ und Schloßen Auf meinen Hut von jedem Haus.

Wie anders hast du mich empfangen, Du Stadt der Unbeständigkeit!

An deinen blanken Fenstern sangen Die Lerch’ und Nachtigall im Streit.

Die runden Lindenbäume blühten, Die klaren Rinnen rauschten hell, Und ach, zwei Mädchenaugen glühten. –Da war’s gescheh’n um dich, Gesell’!

Kömmt mir der Tag in die Gedanken, Möcht’ ich noch einmal rückwärts seh’n, Möcht’ ich zurücke wieder wanken, Vor ihrem Hause stille steh’n.

Wilhelm Müller

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LIED TEXTE

JOSHUA UZOIGWE

Eriri Ngeringe

Ha y’aka, Ha y’aka, ha’eriri ngeringe eriri ngeringe mere mbombo n’okpueke, mbombo n’okpueke

Mere anunu ogbagide!

Ha y’aka, Ha y’aka, há y’aka, eringege

Ha y’aka, Ha y’aka, há’yaka ogbagide

Ji nwa mbeze nwa ab mba mba Anunu: nwanunu, nwanunu. Nwe’anya ume Sakporo yukwu, ah, nna ya .

Nigerianisches Volkslied

AKIN EUBA

Mo le J’Iyanyo

Mo lè j’iyán yó bí ará oko, Mo lè j’àmàlà bí onísàngó, mo lè gb’ómo pòn bí Abéjìré, omo yín o ara yín, táíwò yín o ara yín, kéhìnde yín o ara yín.

Volkslied

Mo já ’wé gbégbé

Mo já ’wé gbégbé Kí nwon má gbàgbé mi, Mo já ’wé oni tètè Ki nwon má tè mí mó ’lè Òyó rílo k’ó se wá’re, ojú ì pón rokoroko kó gbàgbé ilé.

Ó mà rílo ògerere, ó mà rílo, ògerere.

Volkslied

FRANZ SCHUBERT

Gefror’ne Tränen

Gefror’ne Tränen fallen

Von meinen Wangen ab:

Ob es mir denn entgangen, Dass ich geweinet hab’?

Ei Tränen, meine Tränen, Und seid ihr gar so lau, Dass ihr erstarrt zu Eise

Wie kühler Morgentau?

Und dringt doch aus der Quelle

Der Brust so glühend heiß, Als wolltet ihr zerschmelzen

Des ganzen Winters Eis!

Wilhelm Müller

Lass es sein, lass es sein

Lass den dünnen Faden sein, Der dünne Faden

Der den Schwanz der Schlange verlängerte!

Der dünne Faden

Der den Vogel in der Luft balancieren ließ.

Helfen wir ihm auf die Sprünge, ach, Gott sei Dank.

Ich kann mich an Süßkartoffeln satt essen wie ein Mann aus der Provinz,

ich kann mich an Süßkartoffeln satt essen wie ein Sango-Anhänger, ich kann ein Baby gebären wie Abejire, Dein Kind, Dein Körper, Dein Taiwo, Deine Person

Dein Kehinde, Deine Person.

Ich pflücke Gbegbe-Blätter, damit ich nicht vergessen werde

Ich pflücke Onitete-Blätter, damit ich nicht zertreten werde

Oyo zieht vorbei, möge es uns gut tun, Der Bauer leidet nie so viel Elend, dass er seine Heimat vergisst, Es geht ohne Betrug, es geht nahtlos.

FRANZ SCHUBERT

Das Wirtshaus

Auf einen Totenacker

Hat mich mein Weg gebracht; Allhier will ich einkehren, Hab’ ich bei mir gedacht.

Ihr grünen Totenkränze

Könnt wohl die Zeichen sein, Die müde Wand’rer laden Ins kühle Wirtshaus ein.

Sind denn in diesem Hause

Die Kammern all’ besetzt?

Bin matt zum Niedersinken, Bin tödlich schwer verletzt.

O unbarmherz’ge Schenke, Doch weisest du mich ab? Nun weiter denn, nur weiter, Mein treuer Wanderstab!

Wilhelm Müller

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VANRAJ BHATIA

Jhara, Jhara (Six Seasons: Monsoon)

Jhara Jhara jahra, The drop fall, the raindrops fall, Jhara Jhara jahra.

On the damsel’s body the raindrops fall, On the hair curls little drops of silver cling, On the smooth cheek silky threads of water slide, The heat in her body is cooled by the rain, The thirst in his eyes is quenched by the rain.

Jhara Jhara jahra, Rain drops fall, Jhara Jhara jahra, The drops falls, the raindrops fall,

On the damsel’s body the raindrops fall.

FRANZ SCHUBERT

Irrlicht

In die tiefsten Felsengründe Lockte mich ein Irrlicht hin: Wie ich einen Ausgang finde, Liegt nicht schwer mir in dem Sinn.

Bin gewohnt das Irregehen, ’s führt ja jeder Weg zum Ziel: Unsre Freuden, unsre Wehen, Alles eines Irrlichts Spiel!

Durch des Bergstroms trock’ne Rinnen Wind’ ich ruhig mich hinab, Jeder Strom wird’s Meer gewinnen, Jedes Leiden auch ein Grab.

Wilhelm Müller

YOSHINAO NAKATA

Cherry Alley

Jhara Jhara jahra, Die Tropfen fallen, die Regentropfen fallen, Jhara Jhara jahra.

Auf den Körper der Jungfrau fallen die Regentropfen, Auf die Haarlocken klammern sich kleine silberne Tropfen, Auf der glatten Wange gleiten seidige Wasserfäden, Die Hitze in ihrem Körper wird durch den Regen gekühlt, Der Durst in seinen Augen wird durch den Regen gestillt.

Jhara Jhara jahra, Regentropfen fallen, Jhara Jhara jahra, Die Tropfen fallen, die Regentropfen fallen, Auf den Körper der Jungfrau fallen die Regentropfen.

Der frühe Abend des Frühlings, wenn die japanische Kirsche blüht Die Blume macht die Kirschenallee. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich dich liebte.

Ich weiß, du bist nicht mehr hier. Ach, du warst immer meine Königin der Blumen. Ich weiß, wir werden uns nicht mehr sehen.

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SUN AE KIM

Because there is you

FRANZ SCHUBERT

Gute Nacht

Fremd bin ich eingezogen, Fremd zieh’ ich wieder aus.

Der Mai war mir gewogen Mit manchem Blumenstrauß.

Das Mädchen sprach von Liebe, Die Mutter gar von Eh’, –Nun ist die Welt so trübe, Der Weg gehüllt in Schnee.

Ich kann zu meiner Reisen Nicht wählen mit der Zeit, Muss selbst den Weg mir weisen In dieser Dunkelheit.

Es zieht ein Mondenschatten Als mein Gefährte mit, Und auf den weißen Matten Such’ ich des Wildes Tritt.

Selbst wenn wir sagen:

»Wie geht’s?« "Lange nicht mehr gesehen.« Wir können nicht von vorne anfangen. Also werde ich die Kirschblüte sehen. Du, Heimatort der Blumen, lächeltest.

Deine sorgenvollen Orte, Ruf mich, lass uns Händchen halten, Große Freude und leises Verlangen in dir, In deiner Anwesenheit wächst es in meinem Herzen, Oh,

Sehnsucht, Sehnsucht, Sehnsucht, In deiner Anwesenheit bin ich da, Ruf mich, lass uns Händchen halten.

Wenn du die Tür deiner Liebe öffnest, Lass mich in diesem Licht leben, Einsamkeit und Mühsal im Leben, In deiner Anwesenheit lerne ich den Sinn des Lebens, Oh,

Sehnsucht, Sehnsucht, Sehnsucht, In deiner Anwesenheit bin ich da, Ruf mich, lass mich in diesem Licht leben.

Was soll ich länger weilen, Dass man mich trieb hinaus?

Lass irre Hunde heulen

Vor ihres Herren Haus; Die Liebe liebt das Wandern –Gott hat sie so gemacht –Von einem zu dem andern. Fein Liebchen, gute Nacht!

Will dich im Traum nicht stören, Wär schad’ um deine Ruh’, Sollst meinen Tritt nicht hören –Sacht, sacht die Türe zu!

Ich schreibe nur im Gehen

An’s Tor noch gute Nacht, Damit du mögest sehen, An dich hab’ ich gedacht.

Wilhelm Müller

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LIED TEXTE

JULIAN PRÉGARDIEN, Tenor

Julian Prégardien wurde in Frankfurt geboren und erhielt seine erste musikalische Bildung in den Chören der Limburger Dommusik. Nach Studien in Freiburg und im Rahmen der Akademie des Opernfestivals von Aix-en-Provence war er von 2009 bis 2013 Ensemblemitglied der Oper Frankfurt. Parallel entwickelte sich seine internationale Konzerttätigkeit. Julian Prégardien zählt heute zu den herausragendsten internationalen Vertretern der jungen Generation klassischer Sänger. Ein besonderer Schwerpunkt der künstlerischen Tätigkeit von Julian Prégardien sind Liederabende und Kammermusikprojekte. Anlässlich des 200. Jahrestages der Entstehung von Schuberts Die Schöne Müllerin hat er im Herbst 2023 dieses Meisterwerk an zehn verschiedenen Orten in Wien aufgeführt. Julian Prégardien ist Initiator und künstlerischer Leiter des durch den deutschsprachigen Raum wandernden Festivals »Liedstadt«, das im Oktober 2024 zum ersten Mal in Hamburg stattfinden wird. Als Opernsänger gastierte er beim Festival d’Aix en Provence, an der Hamburgischen und an der Bayerischen Staatsoper sowie an der Opéra Comique in Paris. 2018 debütierte er bei den Salzburger Festspielen als Narraboth in Richard Strauss’ Salome (Regie: Romeo Castellucci) mit den Wiener Philharmonikern unter Leitung von Franz Welser-Möst. 2019 folgte sein Debut als Tamino in einer Neuproduktion von Mozarts Zauberflöte an der Staatsoper Berlin. Bei der Mozartwoche 2023 gab er sein Debüt als Don Ottavio in zwei halbszenischen Aufführungen von Mozarts Don Giovanni. Julian Prégardien war 2019 »Artiste Ètoile« des Mozartfestes Würzburg, wo er u.a. mit dem Freiburger Barockorchester und den Bamberger Symphonikern auftrat. Die Saison 2023/24 bringt neben Liederabenden im Pierre Boulez Saal in Berlin, in Saarbrücken, der Essener Philharmonie, Regensburg, Greifwald, der Londoner Wigmore Hall, dem Concertgebouw, der Santa Cecilia in Rom, Bachs h­moll Messe in einer choreografierten Version mit dem John Neumeier Ballett, Tourneeprojekte mit dem Freiburger Barockorchester und Kris Bezuidenhout, mit dem B’Rock Orchestra sowie mit dem Collegium Vocale Gent. Im Mai 2024 singt er den Tamino in einer szenischen Produktion von Mozarts Zauberflöte in Cleveland, und im Sommer 2024 wird Julian Prégardien bei den Salzburger Festspielen als Evangelist in Bachs Matthäus ­ Passion, mit Schuberts Die schöne Müllerin und als Don Ottavio zu erleben sein. Ein weiterer Höhepunkt werden Konzerte mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Riccardo Muti sein. Julian Prégardien hat bei Alpha Classics Schuberts Winterreise und Schwanengesang sowie Schumanns Dichterliebe veröffentlicht. Seit Herbst 2023 ist er Exklusivkünstler von Harmonia Mundi, wo 2024 Schuberts Die schöne Müllerin erscheinen wird. Julian Prégardien ist Professor für Gesang an der Hochschule für Musik und Theater München, Mitglied des Schumann-Netzwerkes und künstlerischer Leiter der Brentano-Akademie Aschaffenburg.

NEUS ESTRAELLAS, Klavier

Die auf Mallorca aufgewachsene Pianistin widmet sich mit Leidenschaft der Avantgarde, der zeitgenössischen Musik und vor allem den grenzüberschreitenden Bereichen, wo Interdisziplinarität und multimediale Kunst selbstverständlich sind. Großes Interesse zeigt sie auch für rare Instrumente wie das Theremin oder das Toy Piano sowie für Performance und Musiktheater. Merkmale wie Flexibilität, Neugier, Energie, Motivation und Begeisterung machen aus Neus Estarellas eine gefragte Musikerin und Performerin für die unterschiedlichsten Projekte: szenische Konzerte unter der Regie von u. a. Heiner Goebels, Isabelle Kranabetter und Patrick Schimanski; Gastspiele bei internationalen Ensembles (Ensemble Garage Köln, Crossing Lines Barcelona, Ensemble Ascolta Stuttgart); Solo-Konzerte (Sampler Sèries Barcelona, Südseite Nachts Stuttgart); Performance (ZKM Karlsruhe, Futurium Museum Berlin); Klangkunst (Foundation Bullukian Lyon); Zeitgenössische Kammermusik (Wittener Tage für Neue Kammermusik, Achtbrücken Köln, Klangwerkstatt Berlin, Resonant Bodies New York, Studio Loos den Haag, Fundació Miró Barcelona, Festival ME_MMIX Mallorca); Musiktheater (Theaterhaus Stuttgart, Atelier Frankfurt) usw. Besonderen Einfluss hatten ihr Professor Nicolas Hodges, das IEMA Programm des Ensemble Modern, Artist-Residencies in der Cité Internationale des Arts Paris und beim Frankfurt LAB und die Stipendienprogramme der Alfred Toepfer Stiftung sowie der Kunststiftung Baden-Württemberg. Im Alter von elf Jahren gewann sie ihren ersten Klavierwettbewerb. In den darauffolgenden Jahren wurde sie mehrfach Preisträgerin bei Wettbewerben wie u. a. dem Karlsruher Wettbewerb für die Interpretation Zeitgenössischer Musik, Premi Primer Palau in Barcelona, Premi de Música Ciutat de Manresa, Art Jove, Arjau. Aufnahmen für SWR2, Deutschland Radio, Bayerischen Rundfunk, ORF, Catalunya Radio und Hessisches Radio ergänzen ihre künstlerische Tätigkeit. Ihr Grundstudium absolvierte sie an der staatlichen Hochschule Conservatori Professional de les Illes Balears, das mit einem Preis für außergewöhnliche Leistung ausgezeichnet wurde. Im Anschluss studierte sie an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, wo

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MIT WIRKENDE

sie die Masterstudiengänge in Klavier bei Prof. Kirill Gerstein und Klavier Neue Musik sowie das Konzertexamen bei Prof. Nicolas Hodges abgeschlossen hat. 2015 bekam sie den DAAD Preis für hervorrangende Leistungen. Impulse und Anregungen holte sie sich bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt, beim IMPULS Festival in Graz, beim Klangspuren Internationale Ensemble Modern Akademie in Schwaz und von den Pianisten Dimitri Bashkirov, Galina Egyazarova, Jean-Pierre Collot, Ian Pace und Andrzej Jasinski. Sie wurde gefördert von mehreren Institutionen wie der Kunstiftung Baden-Württemberg, dem Rotary Club, der Alfred Toepfer Stiftung, der AIE, der Gesellschaft der Freunde der Musikhochschule Stuttgart, Live Music Now und der Stiftung der Caja Madrid. Seit 2018 leitet sie die Klasse für Zeitgenössische Musik (Klavier) an der Hochschule für Musik Nürnberg, und seit 2017 lehrt sie am Conservatori Superior de les Illes Balears (Mallorca) Korrepetition mit Schwerpunkt Neue Musik.

PROF. DR. NATASHA LOGES, Konzeption & Moderation Natasha Loges ist Professorin für Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik Freiburg. Sie wurde am Arabischen Golf in eine indische Familie geboren. Für das Studium ging sie nach London, wo sie Klavier an der »Guildhall School of Music and Drama« sowie Musikwissenschaft und Musikanalyse am Kings College studierte. Ihre Dissertation schrieb sie über Johannes Brahms’ Lieder an der britischen Musikhochschule »Royal Academy of Music (University of London)«. Nach Lehraufträgen an der »Guildhall School of Music and Drama« und der »Royal Academy of Music« unterrichtete Natasha Loges von 2005 bis 2022 am »Royal College of Music«; 2016 bis 2022 war sie »Head of Postgraduate Programmes« am Royal College of Music, ab 2021 Professorin für Musikwissenschaft. 2022 erhielt sie den Ruf auf eine Professur für Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik Freiburg und zog 2023 nach Deutschland. Ihre Forschungsinteressen umfassen das Repertoire für Gesang und Klavier, die Konzertkultur, die globale klassische Musik, Gender- und Performance-Studien. Zu ihren Publikationen und Büchern gehören Brahms and His Poets (2017) sowie die herausgegebenen Sammlungen Brahms in the Home and the Concert Hall (2014), Brahms in Context (2019), Musical Salon Culture in the Long Nineteenth Century (2019) und German Song Onstage (2020). Sie hat verschiedene Kapitel und Essays in Zeitschriften wie der Zeitschrift für Musiktheorie, 19th ­ Century Music, Participations und dem Journal of the American Musicological Society veröffentlicht. Außerdem hat sie den Artikel über Clara Schumann in Oxford Music Online aktualisiert. Zukünftige Projekte umfassen Forschung über Pianistinnen nach Clara Schumann und über globale Kunstlieder. Ihre Forschung wurde u. a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der British Academy, dem Arts and Humanities Research Council UK, der American Musicological Society und der Royal Philharmonic Society gefördert. Natasha ist als Moderatorin bei BBC Radio 3 tätig, schreibt für das BBC Music Magazine und leitet Veranstaltungen für große Festivals und Spielstätten, darunter das Southbank Centre, Wigmore Hall, das Oxford Lieder Festival und Leeds Lieder im Vereinigten Königreich, der Humboldt-Saal und die Meckelhalle in Freiburg, Heidelberger Frühling, das Schubert-Institut in Baden bei Wien und das Liedfestival Zeist in den Niederlanden. Sie ist Mitglied des Netzwerks für Equality, Diversity and Inclusion in Music Studies (UK) sowie des Beirats des Institute of Austrian and German Music Research.

FABIAN LUCHTERHANDT, Komposition

Fabian Luchterhandt, geboren 1995, wuchs in Heidelberg auf. Seit seiner Kindheit spielt er Klavier, improvisiert und komponiert, was während seiner Jugend mit zahlreichen Preisen bei Musikwettbewerben belohnt wurde (u. a. erste Bundespreise bei Jugend Musiziert und beim Bundeswettbewerb Komposition der Jeunesses Musicales; Uraufführung eines seiner Werke durch Mitglieder der Berliner Philharmoniker). 2012 – 2013 war Fabian Luchterhandt Jungstudent für Klavier und Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim. 2013 begann er sein Studium an der Musikhochschule Lübeck in den Orgelklassen von Prof. Arvid Gast, Prof. Franz Danksagmüller und der Klavierklasse von Catalin Serban; er wird für sein Studium seit 2016 von der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert. 2017– 2018 folgte ein Auslandsaufenthalt mit Orgelstudium bei Michel Bouvard und Jan Willem Jansen am Conservatoire de Toulouse. Parallel zum A-Kirchenmusikstudium schloss Fabian Luchterhandt 2020 einen künstlerischen Bachelor im Fach Klavier ab; seitdem folgt das Klavier-Masterstudium bei Prof. Konrad Elser. Im April 2018 begann er seine Arbeit am Dom zu Lübeck, zunächst als musikalischer Assistent, seit Juli 2020 als Dom-Kirchenmusiker. Daneben ist er als Pianist, Organist und Komponist aktiv. Einen großen Schwerpunkt seiner Arbeit bilden das Improvisieren und Erfinden von Musik.

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