TU Info - 01 - 2021

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DIGITALE LEHRE UG-NOVELLE CORONAVIRUS BEST AND WORST OF 2020

2020

Jahresr체ckblick R체ckenwind f체r Neuanf채nge

TU Info \\\\\\\\\\\


Inhalt

Vorwort Das gibt es an der HTU Graz UG-Novelle

Moria SOS Balkanroute Internationale Studierende unter Corona Explosion in Beirut US-Präsidentschaftswahl Abtreibungsrecht im Jahr 2020

Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der TU Graz Campus Alte Technik, EG htugraz.at IMPRESSUM HerausgeberIn und VerlegerIn: Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der TU Graz; Verlags- und Herstellungsort: 8010 Graz, Rechbauerstraße 12, Tel. 0316/873-5111, redaktion@htugraz.at, htugraz.at; Chefredaktion: Ella Hofreiter Layout & Grafik: Marko Mardetko, Carina Mazelle, Déni Omerbasic, Raphael Wieser

MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Simon Malacek, David Schöggl, Carina Mazelle, Ella Hofreiter, Eva Forsthuber, Patrick Lainer, Peter Pranter, Robert Schwarzl, Daniela Klampfl, Phillip Rottmann, Hasan Mahir, Tobias Dorn, Christina Fior, Nick Gattringer, Referat für Ausländische Studierende; Lektorat: Julia Hernach. Druck: HTU GmbH, Kopernikusgasse 24, 8010 Graz, www.printkultur. at; Auflage: 300; Fotos: Cover ©Déni Omerbasic; Andere Bilder sind jeweils gekennzeichnet bzw. © HTU Graz oder AutorIn; Eine Haftung für die Richtigkeit der Veröffentlichungen kann trotz sorgfältiger Prüfung durch die Redaktion vom Herausgeber nicht übernommen werden. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht in jedem Fall mit der Meinung des Redaktionsteams übereinstimmen. Kein Teil dieser Publikation darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Herausgebers in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

HTU Aktuell 3 4 5-7

Das Jahr 2020 8-9 10 11 12-13 14-16 18-19


Vorwort DAS NEUE JAHR BRINGT VIELE VERÄNDERUNGEN - AUCH IM UNIVERSITÄTSGESETZ. DER VORSITZ DER HTU GRAZ LIEFERT EINEN ÜBERBLICK, WAS UNS ALLE ERWARTET NEUES JAHR - NEUE UNI

Liebe Studierende, das Jahr 2020 war für uns alle außergewöhnlich fordernd und anspruchsvoll – wie auch der Beginn von 2021 noch sein wird.Als hätte 2020 mit der globalen COVID-19 Pandemie und den damit verbunden Schwierigkeiten im Lehr- und Prüfungsbetrieb, dem Wegfall vieler Nebenjobs, der Einschränkung der persönlichen Kontakte, dem Wegfalls der Prüfungsbiere und Prüfungsspritzer und vieler weitere Dinge, die das Leben an der Uni interessant und spannend machen, nicht schon genug gebracht – steht jetzt am Ende auch noch eine Novellierung des Universitätsgesetztes an. Das Universitätsgesetz regelt einerseits den Aufbau und die Organisation der Universitäten und Studien – also etwa wie ein neues Curriculum entsteht und wer dabei mitreden darf. Andererseits werden darin auch die wesentlichen studienrechtlichen Bestimmungen festgesetzt, also insbesondere die Rechte und Pflichten, die wir als Studierende haben. Seit Ende November ist das neue Gesetzt in Begutachtung, das heißt, es liegt den Interessenvertretungen – so auch uns als HTU Graz – vor, um dazu bis Mitte Jänner eine Stellungnahme abzugeben. Der vorliegende Entwurf wird einige Aspekte des Studiums durchaus verbessern, etwa sollen Anrechnungen leichter möglich und vermehrt Fokus auf ECTS-Gerechtigkeit gelegt werden. Viele vorgeschlagene Änderungen sind jedoch kritisch zu betrachten. Im Bereich der Organisation der Universitäten ist eine Kompetenz- und somit auch eine Machtverschiebung vom Senat zum Rektorat zu sehen. Dabei gilt es zu bedenken, dass der*die Rektor*innen nur von einer kleinen Gruppe an Personen (dem Universitätsrat) festgelegt wird, der Senat ist hingegen ein demokratisch gewähltes Organ in dem alle Angehörigen der Universität, also Professor*innen, Mitarbeitende und Studierende vertreten sind. Mit dieser Entwicklung verlieren also auch wir Studierende Mitspracherecht an der Universität. Insgesamt führt das dazu, dass sich die Universitäten von Institutionen der demokratischen Mitbestimmung und des Austausches hin zu Unternehmen entwickeln, die möglichst effizient Publikationen und Absolvent*inne produzieren sollen. Auch im Bereich des Studienrechts wird als Leitthema in der Novelle „mehr Verbindlichkeit im Studium“ vorgegeben. Darunter fallen etwa die Exmatrikulation, wenn innerhalb der ersten 4 Semester keine 24 ECTS Studienleistung pro Studium erbracht werden, die Reduktion der anzubietenden Prüfungstermine von drei auf zwei pro Semester oder auch der Wegfall der Nachfrist. In Summe schränken diese Maßnahmen uns Studierende ein. Insbesondere wird es dadurch etwa erschwert, aus Interesse ein Zweitstudium zu betreiben oder neben Berufstätigkeit, Betreuungspflichten oder andern Gründen zu studieren. Zusätzlich bedeuten die Maßnahmen zusätzlichen Druck für Studierende, die gerade eine schwierige Zeit, etwa aufgrund von körperlichen oder psychischen Belastungen, durchmachen. Selbst wenn man sich trotzdem nicht direkt selbst betroffen glaubt – es ist wichtig, Solidarität zu zeigen mit jenen Studierenden, die von diesen Verschlechterungen getroffen werden und sich gegen jegliche Beschneidung von Rechten von uns Studierenden auszusprechen. Auch wir als HTU Graz tun das und werden euch einerseits über alle anstehenden Änderungen umfassend informieren, andererseits uns aber auch weiterhin öffentlich gegen diese Einschnitte aussprechen und positionieren – über die konkreten Schritte und Positionierung werden wir laufend über unseren Kanäle informieren. Trotz all dieser Entwicklungen sollten wir dem neuen Jahr 2021 etwas positiv entgegenblicken. Nach einen vielleicht noch etwas mühseligen Start können wir hoffentlich mit einer Besserung der Gesamtsituation rechnen. Zudem hat sich schon oft gezeigt, dass man oft gestärkt aus Krisen hervorgehen kann und diese Chance besteht auch dieses Mal. Halten wir also gemeinsam durch bis wir wieder unseren Studienalltag am Campus verbringen können und versuchen wir, die doch auch vorhandenen positiven Aspekte der aktuellen Situation in die Zukunft mitzunehmen.

Simon Malacek

David Schöggl

In diesem Sinne wünschen wir euch erholsame Ferien ein erfolgreiches und entspanntes nächstes Jahr 2021!

Liebe Grüße, Simon, Dave, Carina Vorsitzteam der HTU Graz

Carina Mazelle

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Das war los an der HTU Graz Digitales HTU-Seminar Fortbildungen sind uns wichtig,

damit wir dich gut vertreten können!

Arbeitsrecht und Gehaltsverhandlungen Tipps zum Job neben und nach der Uni!

Nachhilfeangebot vom Referat für Frauenpolitik, um den Studieneinstieg zu erleichtern. Welcome-Days und Erstsemestrigen-Tutorien

Dieses Jahr wurden die Ertsemestrigen teilweise in Präsenz, teilweise digital an der TU Graz willkommen geheißen.

Sitzungen der Studienkommissionen mit deiner Studienvertretung Um dein Curriculum besser zu machen!

Digitale Beratungen zu den Themen Studienberatung, Sozialpoltik, Beihilfen oder Studienrecht helfen dir, deine Studienanliegen auch während der Pandemie zu klären.

Vertretungsarbeit in Unigremien, um uns Studierende auch gegenüber der Uni zu vertreten! Sportkurse des GIN Referats

Auch digital bietet das Referat für Gesellschaft, Innovation und Nachhaltigkeit verschiedene Sportkurse an.

Sitzungen der Curriculakommission

in denen dein neues Curriculum beschlossen wird

Eine aktuelle Homepage

htug.at - alle Infos, die du brauchst, auf einen Blick!

UG-Novelle Stellungnahmen und Öffentlichkeitsarbeit rund um die geplanten Änderungen im Universitätsgesetz

Kleidersammelaktion

Für geflüchtete Menschen in Moria sammelte das GIN-Referat Kleiderspenden an der HTU.

Urban Gardening

Genieße die Freizeit in der Natur mit dem Green Campus Projekt der HTU Graz

DU WILLST IN DER HTU AKTIV WERDEN? INFO@HTUGRAZ.AT

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UG-Novelle 2021 IM NEUEN JAHR SOLL DAS UNIVERSITÄTSGESETZ NOVELLIERT WERDEN. DAS REFERAT FÜR BILDUNGSPOLITIK HAT SICH INTENSIV MIT DEN GEPLANTEN ÄNDERUNGEN AUSEINANDERGESETZT UND LIEFERT HIER EINEN ÜBERBLICK. WAS ERWARTET UNS?

Novelle des Universitätsgesetzes – was ändert sich? WIE IHR SICHER MITBEKOMMEN HABT, WIRD SICH IN NÄCHSTER ZEIT DAS UNIVERSITÄTSGESETZ (UG) ÄNDERN. DOCH WAS HEISST DAS FÜR UNS STUDIERENDE? GIBT ES VORTEILE ODER WERDEN UNS NUR WEITERE STEINE IN DEN WEG GELEGT? WARUM KOMMT DIE UG-NOVELLE GENAU JETZT? HIER HABEN WIR DIE RELEVANTESTEN PUNKTE FÜR EUCH ZUSAMMENGETRAGEN.

Reserve-Antritt bei der letzten Prüfung im Studium

Text: Eva Forsthuber, Patrick Lainer, Peter Pranter, Robert Schwarzl, Daniela Klampfl, Katrin Ehetreiber. Referat für Bildungspolitik, PhD Union

Einer der wenigen positiven Aspekte im neuen Universitätsgesetz ist die Einführung eines „Reserve-Antritts“ bei der letzten Prüfung im Studium. Dies bedeutet: Falls man die letzte Prüfung im Studium auch mit dem eigentlich letzten möglichen Antritt nicht schafft, bekommt man, sofern es eben die allerletzte Prüfung im Studium ist, noch einen Antritt.

Mindeststudienleistung

Der momentane Entwurf des neuen Universitätsgesetzes sieht die Einführung einer Mindeststudienleistung vor. In den ersten 2 Jahren müssten demnach in jedem zugelassenen Bachelor- bzw. Diplomstudium mindestens 24 ECTS erreicht werden. Andernfalls verliert man die Zulassung zum Studium! Durch diese „Exmatrikulation“ kann man dieses Studium 10 Jahre lang nicht mehr belegen bzw. abschließen. Vor allem für Studierende, die arbeiten müssen, um sich z.B. das Studium finanzieren zu können, oder auch für Studierende, die eine Familie haben (von alleinerziehenden Elternteilen wollen wir gar nicht sprechen), bedeutet das eine zusätzliche Belastung.Wer nach zwei Semestern keine 12 ECTS erreicht hat, wird von der Universität benachrichtigt, dass die Zulassung erlischt, sofern am Ende des vierten Semesters keine 24 ECTS erreicht werden. Allein die Drohung, nicht mehr zum eigenen Studium zugelassen zu sein, ist besonders hart für Studierende mit Prüfungsangst und anderen psychischen Belastungen.Bei Beurlaubung: Je Semester, in welchem der/die Studierende beurlaubt war, wird das Mindestausmaß an ECTS von 24 ECTS um 6 ECTS verringert. Gleichzeitig wird im neuen UG festgehalten, dass neben den im Gesetz festgelegten Beurlaubungsgründen keine weiteren Gründe durch die Universität vorgesehen werden dürfen. An der TU Graz ist dies aber im Moment ohnehin nicht der Fall.

Streichung von Prüfungsterminen

Eine weitere Maßnahme der bevorstehenden UG-Novelle ist die Streichung der Prüfungstermine von drei auf zwei Prüfungstermine pro Semester. Diese müssen zu Beginn des Semesters, zusammen mit den Inhalten und Beurteilungskriterien der Prüfung festgelegt werden. Diese geplante Änderung steht in Kontrast zur Intention der UG-Novelle, den Studienfortschritt zu beschleunigen. Durch die Reduktion der Termine häufen sich Prüfungen in einem sehr kleinen Zeitraum an (Prüfungswochen); dies führt dazu, dass Studierende nicht alle gewünschten beziehungsweise geplanten Prüfungen absolvieren können und dadurch eventuell eine Studienverzögerung erfahren müssen. Aufgrund dieser Maßnahmen wird Studierenden ein weiteres Stück Selbstständigkeit und Freiheit in der Planung ihres Studiums genommen. Die zwei Prüfungstermine pro Semester stellen jedoch nur eine Mindestanzahl dar, Lehrende wie die Universität selbst können von sich aus beschließen, mehr als zwei Termine pro Semester anzubieten. Übrigens: Wie für die meisten anderen Vorschriften sieht das Universitätsgesetz keine Konsequenzen vor, wenn die Mindestanzahl unterschritten wird.

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Streichung der Nachfrist

Viele Studierende schließen ihr Studium aus diversen Gründen in der Nachfrist ab. Die Weitermeldung des Studiums bis zum Ende der Nachfrist wird von Studierenden genutzt, um eine Verzögerung durch Abschlussarbeitskorrekturen abzufangen. Dadurch sparen sich viele Studierende den vollen Studienbeitrag für ein ganzes Semester, das sie eigentlich nicht brauchen. Mit der Streichung der Nachfrist fällt diese Möglichkeit weg. Dies bedeutet für viele Studierende wieder eine zusätzliche, auch finanzielle, Belastung.(Die Nachfrist für das Sommersemester erstreckt sich vom 1. Oktober bis zum 30. November und für das Wintersemester von Februar bis 30. April.)

Plagiarismus

Wie werden unsere ECTS bewertet?

Zu Plagiarismus zählt unter anderem auch das sogenannte „Ghostwriting“, also die Verfassung einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeit durch andere Personen als dem/der Autor/in. Gleichzeitig wird der Tatbestand „Ghostwriting“ mit Inkrafttreten der jetzt vorliegenden UG-Novelle zu einem Straftatbestand, worauf nun hohe Geldstrafen, im Wiederholungsfall sogar Freiheitsstrafen drohen.

Eine Semesterstunde entspricht 45 echten Minuten pro Unterrichtswoche des Semesters. Wiewohl die TU Graz an den Arbeitsaufwand von 25 Echtstunden pro ECTS in den Curricula konkretisiert hat, gibt es zweifelsohne Lehrveranstaltungen in vielen Studien, in denen der Arbeitsaufwand in keinem Verhältnis zu ihrer ECTS-Gewichtung steht.

Dazukommend zu diesen Änderungen ist auch geplant, eine Verjährung für Plagiarismus einzuführen. Dies würde bedeuten, dass jemand, der durch Plagiarismus zu seinem Titel gekommen ist, diesen nach 30 Jahren weiterhin behalten darf, sofern innerhalb dieser Zeit das Plagiat nicht aufgedeckt wurde.

Eine weitere neue Maßnahme des Universitätsgesetzes wird sein, dass nun auch die Evaluierung der Lehre bei der Verteilung der ECTS-Anrechnungspunkte berücksichtigt werden soll. Zusätzlich wird nun auch im Universitätsgesetz festgelegt, dass bei der Gestaltung von Curricula die Verteilung der ECTS-Anrechnungspunkte dem tatsächlichen Arbeitsaufwand zu entsprechen hat.

Leitungsstruktur der Universität: Was machen Rektorat, Unirat und Senat?

Das Rektorat leitet die Universität und vertritt sie nach außen. Gemeinsam mit dem Universitätsrat und in Abstimmung mit dem Senat plant es die strategische Ausrichtung der Universität in Form eines Entwicklungsplans, aber auch die Umsetzung in Organisationsplan und Budget. Zur Erlangung dieses Budgets führt es Verhandlungen mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF), die in einer Leistungsvereinbarung resultieren. Hier besteht prinzipiell das Problem, dass das BMBWF seine eigene Agenda leicht gegen die Universität durchsetzen kann, da umgekehrt keine Abhängigkeit existiert. Senate im Hochschulbereich sind ein Selbstverwaltungsorgan und das oberste Gremium. Als demokratisch gewähltes Kollegialorgan stehen sie neben dem Rektorat und versehen je nach Gesetzeslage legislative (z. B. Satzungsbeschlüsse, Einrichtung von Studiengängen), beratende, strategische, kontrollierende und Leitungsaufgaben. Der Senat kann aus 18 oder 26 Mitgliedern bestehen; an der TU Graz, aber auch an der Uni Graz, setzen sich letztere aus 13 Professor/ innen, 6 Mitgliedern des wissenschaftlichen Personals, 6 Studierenden und einem Mitglied des allgemeinen Personals zusammen. Kunstuniversität und Medizinische Universität Graz haben sich beispielsweise für die kleinere Variante entschieden (9/4/4/1). Studierende im Senat werden anhand der ÖH-Wahlergebnisse an der eigenen Universität entsendet. Unser Universitätsrat besteht aus 7 Mitgliedern, kann aber generell aus 5, 7 oder 9 Mitgliedern bestehen, die Größe legt der Gründungskonvent einer Universität fest. Änderungen können vom Senat mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Von den Mitgliedern werden 3 vom Senat gewählt, ebenso viele werden von der Bundesregierung bestellt. Die Aufgaben des Universitätsrates sind vielseitig. Die wichtigste ist wohl die Wahl des Rektors/der Rektorin aus einem Dreiervorschlag des Senats sowie die Wahl der Vizerektor/inn/en nach Vorschlag des Rektors/der Rektorin, aber auch die Mitwirkung an der strategischen Ausrichtung der Universität. Der Universitätsrat soll eine Außensicht in die Universitätsleitung einbringen, weshalb seine Mitglieder nicht selbst dort angestellt sein dürfen.

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Was soll sich verschieben?

An der TU Graz ist schon oft der Fall eingetreten, dass der amtierende Rektor am Ende der Periode viel Rückhalt bei Senat und Universitätsrat genossen hat. Hier sieht das Universitätsgesetz die Möglichkeit vor, mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Gremien eine Neuausschreibung zu vermeiden und die amtierende Person im Amt zu belassen. Dabei sind aber Änderungen geplant: Bei der erstmaligen Wiederwahl soll ein/e Rektor/in diese Mehrheit nur mehr im Universitätsrat erlangen müssen, die Universitätsangehörigen im Senat verlieren dieses Stimmrecht und können erst nach acht Jahren (!) wieder mitentscheiden. Zusätzlich erhält das Rektorat auch die Möglichkeit zur strukturellen Gestaltung von Studienplänen. Abgesehen vom Argument, dass diese Vorgabe für ein anderes Leitungsorgan verfassungsrechtlich auf wackligen Beinen steht, stellt sie auch eine Einschränkung der Möglichkeiten zur Gestaltung von Studien und eine Möglichkeit für die Regierung dar, auf die Studienstruktur in Österreich Einfluss zu nehmen. Studienpläne, die im Widerspruch zu solchen Richtlinien stehen, können untersagt werden. Da die Erstellung von Studienplänen üblicherweise ohnehin unter Einbindung des zuständigen Vizerektorats und der zuständigen Verwaltungseinheiten erfolgt, erschließt sich auch nicht die Notwendigkeit einer solchen Richtlinienkompetenz für das Rektorat.

Kombinierte Master- und Doktoratsstudien

Die UG-Novelle sieht weiters die Möglichkeit kombinierter Master- und Doktoratsstudien vor. In Bezug auf Mindeststudiendauer, Lehrinhalte und Abschlüsse entspricht das Ganze der Summe seiner Teile. Ein wesentlicher Unterschied hingegen: Die Zulassung erfolgt für beide Bestandteile auf einmal, womit die Planungssicherheit erhöht werden soll. Die Gewissheit, direkt im Anschluss ins Doktorat einsteigen zu können, dürfte insbesondere für ausländische Studierende attraktiv sein. Eine grundsätzliche Diskussion über die Richtung dieser Entwicklung wäre wohl dennoch notwendig: Historisch wurden die Diplomstudien in Bachelor- und Masterstudien aufgeteilt, nun sollen Master- und Doktoratsstudien kombiniert werden können. Zumindest in der aktuellen Ausführung ist der Schritt von einem Master- zu einem Doktoratsstudium aber ein größerer als von einem Bachelor- zu einem Masterstudium. Abgesehen davon stellen sich auch Fragen hinsichtlich der Umsetzung. Wenn sich der Abschluss des Masteranteils verzögert und der Doktoratsanteil gewissermaßen vorgezogen wird, hätte dies zur Folge, dass bereits ohne formalen Masterabschluss Forschung betrieben wird. Geht dies mit einer Anstellung einher, so erfolgt mangels Masterabschluss eine geringere Einstufung nach Kollektivvertrag. In Summe könnte sich die Universität auf diese Art Geld auf dem Rücken der Studierenden ersparen, wenn in der Satzung diesbezüglich nicht nachgeschärft wird bzw. arbeitsrechtliche Änderungen mit der UG-Novelle einhergehen.

Warum gerade jetzt? Eine Frage, die nicht nur uns in den Sinn gekommen ist: Warum jetzt? Neben der Konzentration von Universitäten und Vertretungen auf die Auswirkungen der Pandemie auf Lehre und Forschung fallen auch die Weihnachtsferien mitten in die Begutachtungsphase, was weniger Beschäftigung mit dem Thema mit sich bringen könnte. Zusätzlich ist die Organisation öffentlicher Veranstaltungen zu Information und Widerstand gegen die negativen Änderungen gerade stark erschwert und risikoreich.

ZUM ABSCHLUSS MÖCHTEN WIR EUCH NOCH SAGEN, DASS DIE MEISTEN ÄNDERUNGEN IM NEUEN UNIVERSITÄTSGESETZ DEN STUDIERENDEN NICHT HELFEN. DAS ZIEL DIESER UNIVERSITÄTSGESETZESNOVELLE SOLLTE SEIN, UNS DAS STUDIEREN LEICHTER MÖGLICH ZU MACHEN UND EINEN SCHNELLEN STUDIENFORTSCHRITT ZU ERMÖGLICHEN. LEIDER WERDEN DIE MEISTEN UMSETZUNGEN DEN STUDIERENDEN NICHT DABEI HELFEN, SONDERN DAS GEGENTEIL BEWIRKEN.

Quellen:

https://unsplash.com/photos/OQMZwNd3ThU

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Moria DIE KATASTROPHALEN BEDINGUNGEN IM FLÜCHTLINGSLAGER MORIA SORGEN 2020 FÜR HEFTIGE DISKUSSIONEN. PHILLIP ROTTMANN ERKLÄRT, WAS SICH ÄNDERN MUSS. SOLIDARITÄT

Text: Phillip Rottmann

Lager

13.000 Menschen werden in Lager mit Maximalkapazitäten für 3.000 Menschen gepfercht, das Lager brennt ab, neue Zelte werden aufgestellt, die bei Schüttregen weggeschwemmt werden und der Winter steht vor der Tür. Und trotzdem wird krampfhaft versucht, zu rechtfertigen, warum man diese Menschen einfach nicht aufnimmt: „Pull-Faktor“, „falsches Signal in der Migrationspolitik“, „Antisemitismus“, „Kriminalität“, „Wir haben keinen Platz und eh schon die größte Einbürgerungsquote!“, „Hilfe vor Ort ist effizienter und humaner“! Die Argumente der ÖVP werden nicht nur von den anderen Parteien, sondern sogar aus den eigenen Reihen als die Falschaussagen, die sie sind, bloßgestellt und die Weigerung des Kanzlers, auch nur ein bisschen Humanität zu zeigen, kritisiert.

Es gibt nur den nachgewiesenen Push-Faktor Krieg!

Hilfe vor Ort löst das Problem, wenn mit “Vor Ort” das Land, aus dem die Flüchtlinge kommen, gemeint ist und mit “Hilfe” Prävention von Krieg und Schaffen von Frieden. Wenn mit “Hilfe vor Ort” aber “Sachen ins Flüchtlingslager schicken” gemeint ist, löst das das Problem nicht, sondern verlängert es nur! Das Einzige, was nachweislich das Problem löst, ist, die Flüchtlinge aufnehmen und sie in die Gesellschaft aufnehmen, nicht sie in Ghettos sperren und dort Hilfspakete hinschicken, die nicht ankommen. Es ist inzwischen Dezember und die Leute beginnen zu erfrieren. 10 EU-Staaten haben sich bereit erklärt, selbst Flüchtlinge aufzunehmen, wenn auch nicht viele, aber wenn Horst Seehofer, einer der konservativsten Politiker Europas, sich über die unverantwortliche Haltung der österreichischen Regierung beschwert, stellt sich die Frage, ob die ÖVP noch konservativ ist oder schon rechtsextrem.

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Aufnahme

Österreich könnte problemlos alle aufnehmen, es haben sich bereits dutzende Menschen, Initiativen, Vereine und sogar Gemeinden bis hin zu Wien, sich als sicheren Hafen erklärt und einen Platz für diese Menschen geschaffen. Wir müssen aber nicht mal alle aufnehmen, denn 10 andere EU-Staaten haben bereits zugesagt, Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen. Der Kanzler hat aber erklärt, dass er die Aufnahme von Flüchtlingen mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Dass sie erfrieren oder ertrinken aber schon. Ehemaliger ÖVP-Nationalratsabgeordneter und Co-Initiator der Allianz „Menschen.Würde.Österreich“ Ferry Maier warnt in seinem ausführlichen Text „Österreichs Symbolpolitik in Moria“ vor der Ähnlichkeit zwischen der Wortwahl der Türkisen und der hetzerischen Kampagnen von Jörg Haider und vermutet den Hintergrund, der Stimmenmaximierung durch Erniedrigung Schwächerer.

Eines steht fest

Die Türkisen sind bereit, über die Grundwerte Europas und Österreichs, allen voran der Menschlichkeit hinwegzusehen, um ihre Macht zu erhalten und auszubauen. Dies sind wahrlich besondere Zeiten, und nicht nur wegen einer globalen Pandemie. Und besondere Zeiten, benötigen besondere Held*innen! Held*innen die aufstehen, die Druck auf die Regierungsparteien ausüben und sich offen für eine humane Flüchtlingspolitik einsetzen.

Quellen:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ee/Offline_Wikipedia_in_ Greece_for_Syrian_Refugee_Camp_2017_06.png https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Better_Days_in_Moria.jpg https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lager_Moria_auf_der_Insel_Lesbos,_ Griechenland_30.08.2020.jpg https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Moria_Camp.jpg

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SOS Balkanroute HASAN MAHIR IST STUDENT IN LINZ UND ENGAGIERT SICH EHRENAMTLICH FÜR SOS BALKANROUTE. HIER ERKLÄRT ER, WARUM DIE ARBEIT DORT SO WICHTIG IST. HUMANITÄRE KATASTROPHE AM BALKAN

Text/Fotos: Hasan Mahir

Wir alle kennen die Bilder. Seit Jahren werden Menschen beim Versuch, die Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien zu übertreten, gewaltsam daran abgehalten und zurückgedrängt. Oft sind ebenjene Menschen damit konfrontiert, monatebis jahrelang im Grenzgebiet im Raum Bihac bzw. im Kanton Una Sana festzusitzen. Sie müssen in menschenunwürdigen und elenden Verhältnissen um ihr Überleben kämpfen. Ganz klar festzuhalten ist in diesem Zusammenhang auch die offene und brutale Gewalt seitens der kroatischen Grenzpolizei. Das Border Violence Monitoring Network dokumentierte 1673 A4-Seiten an Grenzgewalt gegen Geflüchtete. Was macht SOS Balkanroute? Seit einem halben Jahr machen wir öfter Einzahlungen im lokalen Supermarkt (Voucher-System). Gleichzeitig versorgen wir Leute im Wald mit Essen aus einer eigenen Küche im Ort, die wir aufgebaut haben. Täglich wird für rund 300 Geflüchtete gekocht und oder Essenspakete vorbereitet. Außerdem versorgen wir Leute, die vor den Bürgerwehren geflüchtet sind und Angst davor haben, dass sie attackiert werden oder noch wahrscheinlicher, von der Polizei nach Otoka ins administrative Niemandsland zwischen den zwei Entitäten (R. Srpska - Föderation) gebracht werden. Wir helfen in Kljuc mit Geldspenden, um die Gewährleistung der Lebensmittelversorgung für 100 Menschen zu sichern, darunter Familien, Kinder und auch ältere Menschen. Diese Menschen können ebenso nicht weiterkommen, weil die Polizei sie nicht weiter rein in den Kanton lässt, wo sie sich zumindest registrieren könnten. Außerdem unterstützen wir lokale HelferInnen in Bihac und sind in Tuzla gut mit Locals vernetzt. Wir haben von Anfang an Bündnisse mit vielen, unterschiedlichen Organisationen, Menschen, Glaubensgemeinden und Gruppen geschlossen. Bei uns ist beim Schlichten der Spenden in Österreich ebenso ein bosnischer Imam, eine Nonne, ein Punk oder ein homosexuelles Pärchen vorzufinden. Wir schließen niemanden aus, der mit uns für das Fundament einer humanistischen Grundpflicht steht. Und wir haben das Gefühl, dass durch die Aktionen in Österreich dort viele Leute unterschiedlicher Interessen zusammengekommen sind, die unter normalen Umständen unter sich bleiben würden. Das ist auch vielleicht das Geheimnis unserer Vielfalt und unseres Wachstums, dessen wir uns erst mit der Zeit bewusst wurden. Es ist ein ewiger Kampf, Öffentlichkeit zu forcieren, Spenden zu generieren und Bewusstsein zu schaffen: Aber wir wissen, wieso wir da sind und auch teilweise da sein müssen.

Ein herzliches Dankeschön an die ÖH TU Graz, dass sie uns die Möglichkeit gibt diese Situation sichtbar zu machen und für die Hilfe vor Ort zu sensibilisieren.

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Internationale Studierende in der Coronakrise AUSLÄNDISCHE STUDIERENDE WERDEN DIESES JAHR BESONDERS HART VON DURCH CORONA ENTSTANDENEN NACHTEILEN GETROFFEN. DAS REFERAT FÜR AUSLÄNDISCHE STUDIERENDE ERKLÄRT, WAS FÜR MASSNAHMEN ES HIER BRAUCHT.

Text: Referat für Ausländische Studierende

SS2020

Rückblick Sommersemester 2020 Die Coronakrise hat uns allen, ohne Zweifel, einiges abverlangt. Gleich zu Beginn des Sommersemesters solche Einschränkungen im Privatleben und Studium hinzunehmen, war nicht leicht. Die HTU hat in dieser schweren Zeit versucht, allen Studierenden eine tatkräftige Unterstützung zu sein. Wir sind für alle Studierenden da, egal welches Geschlecht, oder Rasse, Herkunft, Religion etc. Für uns sind alle Studierenden junge zielstrebige Menschen, die etwas aus sich machen wollen. Leider ist das nicht überall der Fall. Unsere internationalen Studierenden (aus dem nicht EURaum), wurden von dieser Krise besonders schwer getroffen. Viele haben gleichzeitig mit ihren Eltern die Arbeit verloren. Die österreichische Politik macht den internationalen Studierenden, schon in normalen Zeiten, das Leben besonders schwer. Ab dem ersten Tag werden sie zur Kassa gebeten. Das ändert sich auch nach Jahren des Steuern- und Gebührenzahlens nicht. Egal wie lange internationale Studierende in Österreich leben, sie bleiben immer Fremde, denen die Hilfeleistung untersagt wird. So werden sie explizit von jeder universitären und staatlichen Förderung ausgeschlossen. Selbst auf das neue Studienabschlussstipendium haben Studierende aus Drittstaaten keinen Anspruch. Man würde meinen, jene Studierende, die schon mindestens 5 Jahre in Österreich leben, neben dem Studium Teilzeit arbeiten, hätten genug in das System eingezahlt, um gefördert zu werden. Auf der anderen Seite wird man nicht müde, Geld von ihnen zu verlangen. Um ein Studierendenvisum zu bekommen, müssen internationale Studierende bis zum 24-ten Lebensjahr über 6.000 Euro auf dem Konto nachweisen und über 24-jährige mehr als 11.000 Euro. Die meisten bringen dieses Geld nach Österreich, welches von ihren Familien über die Jahre angespart wurde. Andere nehmen einen Kredit auf, damit ihre Kinder hier studieren können. Weil das Studierendenvisum alle 12 Monate verlängert werden muss, darf man jedes Mal 160 Euro für die Verlängerung zahlen. Zur Kassa gebeten werden sie auch an der Universität. Internationale Studierende, die nicht aus dem EU-Raum kommen, zahlen für jedes Semester den doppelten Studienbeitrag (726,72 Euro). Um das Studierendenvisum verlängern zu können, müssen pro Studienjahr mind. 16 ECTS-Punkte nachgewiesen werden. Was die Politik mit der neuen UG-Novelle versucht, den österreichischen Studierenden aufzuzwingen, ist bei den internationalen Studierenden schon lange Alltag. Der Unterschied ist, dass hier nicht allein der Studienplatz verloren geht, sondern das ganze Leben, welches in Österreich über die Jahre aufgebaut wurde. Da der Lebensstandard in Österreich viel höher ist als in den, meistens ärmeren Herkunftsländern, können sich wenige auf die Hilfe der Familie verlassen. Aus

diesem Grund arbeiten sehr viele internationale Studierende geringfügig oder Teilzeit neben dem Studium. Vor allem in der Gastronomie und diversen Dienstleistungsunternehmen finden internationale Studierende eine Arbeit. Es sind keine Berufe, wo ÖsterreicherInnen Schlange stehen um dort zu arbeiten, es sind Berufe, wo ein Mangel an Arbeitskräften herrscht. Somit füllen die internationalen Studierenden einen Teil dieser Lücke am Arbeitsmarkt.Im Gegensatz zu den europäischen Studierenden, von denen die meisten nach dem gebührenfreien Studium in Österreich wieder in ihre Heimat zurückkehren, bleiben viele Studierende aus Drittstaaten nach dem Abschluss des Studiums in Österreich und arbeiten hier. Wer so mehrere Jahre in Österreich studiert, fleißig Gebühren und Steuern einzahlt, nichts geschenkt bekommt, könnte vielleicht erwarten in einer Krise wie dieser, Hilfe zu bekommen. Leider ist das nicht der Fall gewesen. Die internationalen Studierenden dürften im Sommersemester wieder doppelte Studiengebühren zahlen, für aufgeschobene Prüfungen, für improvisierte Onlinelehre, für abgesagte Laborübungen etc. Nach dem Sommersemester 2020 stellt sich die Frage, hätten es die internationalen Studierenden nicht verdient, dass man ihnen zumindest die Last der doppelten Studiengebühren in diesem schweren Semester erspart? Wir hoffen, dass die österreichische Politik irgendwann anerkennen wird, welches Potenzial in den internationalen Studierenden, mit Lebensschwerpunkt in Österreich, liegt. Es sind junge Menschen, die nach Österreich kommen, seit Tag 1 ins System einzahlen, durch ihre Arbeit die Lücken im Arbeitsmarkt füllen und auch nach dem Studium hierbleiben und weiterhin zu der Entwicklung und dem Erfolg von Österreich beitragen. Sie verdienen es in solchen Krisen, nicht im Stich gelassen zu werden!

Quellen:

https://unsplash.com/photos/xqC7hdLMpgk

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Explosion in Beirut IM AUGUST 2020 VERSETZE EINE HAFENEXPLOSION IN BEIRUT DIE MENSCHEN SCHRECKEN. TOBIAS DORN VON DER IV CHEMIE ERKLÄRT H IER DIE WISSENSCHAFTLICHEN HINTERGRÜNDE, WIE ES DAZU KOMMEN KONNTE. VORSICHT!

Text: Tobias Dorn

Ammoniumnitrat, NH4NO3, zerfällt zu Wasser, Stickstoff und Sauerstoff. Was sich harmlos anhört, führte am 4. August 2020 in der libanesischen Hauptstadt Beirut zu einer Katastrophe, die mindestens 190 Menschen das Leben kostete. Doch hätte man dies verhindern können und was macht einen Sprengstoff überhaupt zu einem Sprengstoff?

Die Explosion Im Hafen von Beirut waren etwa 2750 Tonnen Ammoniumnitrat gelagert, welches für die Herstellung von Kunstdüngern und, wenig überraschend, von Sprengstoff benötigt wird. Durch ein Feuer in der Lagerhalle wurde die Zersetzung der Substanz und damit die Explosion ausgelöst. Sie war noch im 240 km entfernten Zypern zu hören, der Hafen sowie umliegende Stadtteile wurden verwüstet. Dabei wurde bei einem der wichtigsten Punkte im Umgang mit Sprengstoffen ein schwerwiegender Fehler begangen: Der richtigen Lagerung. Bei der Lagerung ist es wichtig, Zündquellen so gut wie möglich auszuschließen. Die meisten detonationsfähigen Substanzen können nicht spontan explodieren, sondern benötigen zum Zünden eine gewisse Energie, die Aktivierungsenergie. Man kann sich diese Aktivierungsenergie wie einen großen Stein vorstellen, den man noch ein kleines Stück über den Gipfel eines Berges hochrollen muss, bevor er von selbst auf der andern Seite tief ins Tal rollt. Sie kann durch Wärme, elektrische Funken oder, je nach Substanz, auch mechanisch zugeführt werden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Nitroglycerin, welches schon durch Erschütterung explodieren kann. In Forschungslaboren werden potenziell explosive Chemikalien daher in speziellen explosions- und feuergeschützten Schränken gelagert, damit einerseits eine mögliche Explosion abgedämpft wird und andererseits auch ein Feuer von außen nicht an die gelagerten Chemikalien gelangen kann. Bei einer Lagerung von großindustriellen Mengen ist außerdem darauf zu achten, dass Maximalmengen nicht überschritten werden. Sowohl der fehlende Schutz vor Zündquellen als auch die enorme Menge an explosiven Material ebneten in Beirut den Weg für die Katastrophe.

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Wie ist das in Österreich? In Österreich ist alles in Bezug auf Sprengstoffe im Sprengmittelgesetz 2010 - SprG - geregelt. So sind Sprengmittellager nur mit behördlicher Genehmigung zu errichten und es dürfen maximal zehn Tonnen Sprengstoff in einem Lager gelagert werden. Außerdem müssen diese Lager regelmäßig kontrolliert und eventuelle Mängel sofort beseitigt werden. Nochmal zur Erinnerung, in Beirut waren es 2750 Tonnen, die nicht kontrolliert wurden. Auch Herstellung, Handel und Verwendung werden genau dokumentiert und Personen, die mit Sprengstoffen umgehen, benötigen einen Sprengmittelschein.


Wie kommt es zu einer Explosion? Damit eine Substanz bzw. ein Gemisch verschiedener Substanzen überhaupt explodieren kann, muss sie thermodynamisch instabil sein oder starke Oxidationsmittel mit Reduktionsmitteln in Verbindung bringen. Dies bedeutet, dass solche Stoffe hohe Energien in ihren Bindungen besitzen und nach Zuführen der Aktivierungsenergie in stabilere Moleküle zerfallen. Zusätzlich muss sich die Reaktion, die bei dem Zerfall des Sprengstoffes ausgelöst wird, innerhalb des Sprengstoffes schneller ausbreiten als die Schallgeschwindigkeit der Substanz. Dies schafft die Vorrausetzungen für eine Explosion, bei der große Energiemengen und in den meisten Fällen auch gasförmige Moleküle freigesetzt werden. Somit kann in kürzester Zeit eine Druckwelle in Verbindung mit einer enormen Hitzentwicklung entstehen. Im Falle des Ammoniumnitrats können aus einem Kilogramm der Substanz schlagartig rund 980 Liter Gase sowie rund 2600 Kilojoule Wärmeenergie freigesetzt werden. Diese Wärmemenge würde ausreichen, um etwa einen Liter 25 °C warmes Wasser in 100 °C heißen Wasserdampf zu verwandeln. Im Bruchteil einer Sekunde. Es ist allerdings nicht zu empfehlen, dadurch das Kochen von Nudeln zu beschleunigen. Doch nicht nur klassische Sprengstoffe wie Schwarzpulver, Dynamit oder TNT können Explosionen auslösen, auch alltägliche Stoffe sind unter bestimmten Voraussetzungen explosiv. So ist beispielsweise Mehl, wenn es sich ab einer gewissen Konzentration fein verteilt in der Luft befindet, explosionsfähig. Solche Mehlstaubexplosionen sind vor allem in Getreidemühlen ein Risiko. Aber auch Metallstaub und sogar Hausstaub können zur Explosion gebracht werden. Gerade in der heutigen Zeit ist auch zu beachten, dass die Dämpfe von Desinfektionsmitteln, die auf Ethanol oder Isopropanol basieren, brennbar und in bestimmten Konzentrationsbereichen explosiv sind. Anwendungen und Schutzmaßnahmen Neben all den Gefahren gibt es selbstverständlich auch viele wichtige Anwendungen für Sprengstoffe. Neben den Offensichtlichen, wie der gezielten Sprengung von Gebäuden, dem Berg- und Tunnelbau, befindet sich beispielsweise in jedem Auto eine kleine Menge Sprengstoff, welche bei einem Unfall gezündet wird und Gas erzeugt, um die Airbags in Sekundenbruchteilen aufzublasen. Auch abseits der zerstörerischen Wirkung kann es Anwendungsgebiete geben. So ist Nitroglycerin beispielsweise als Arzneimittel bei bestimmten Herzerkrankungen zugelassen. Durch eine bessere Lagerung und entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen hätte die Explosion in Beirut eventuell verhindert werden können. Dieser Vorfall zeigt einmal wieder, wie wichtig der sorgsame Umgang mit solch brisanten Chemikalien ist. Egal ob Ammoniumnitrat oder Mehl, beides kann zur Explosion gebracht werden und doch ist beides sicher, solange man es richtig lagert und verarbeitet.

Quellen:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aftermath_of_the_2020_ Beirut_explosions_august_6_2020_02.jpg https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aftermath_of_the_2020_ Beirut_explosions_august_6_2020_07.jpg

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US-Präsidentschaftswahl 2020 BLAUER ESEL, ROTER ELEFANT!? – HINTERGRÜNDE ZUR US-PRÄSIDENTSCHAFTSWAHL 2020 TRUMP VS BIDEN

Text: Nick Gattringer

Nach einem langen Wahlkampfjahr und einer noch längeren, heiß umkämpften Wahlnacht wurde Joseph R. Biden Jr. am 7. November 2020 offiziell zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika erklärt und setzt damit den amtierenden Donald J. Trump buchstäblich vor die Tür des Weißen Hauses. Aber wie wird man Präsident*in der Vereinigten Staaten? Welche Parteien gibt es und wie unterscheiden sie sich voneinander? Was hat es mit diesem Electoral College und den Wahlleuten auf sich? Und wer ist Joe Biden eigentlich? Fragen über Fragen, die Nick Gattringer hier beantwortet.

Voraussetzungen für eine Kandidatur

Allgemein gelten für eine Kandidatur drei grundlegende Anforderungen, die sich auf die US-Verfassung berufen: Präsidentschaftskandidierende müssen von Geburt an US-amerikanische Staatsbürger*innen, zumindest 35 Jahre alt sein und mindestens 14 Jahre deren Hauptwohnsitz in den USA gehabt haben. Um bessere Chancen bei den Wahlen zu haben, ist es ratsam, eine Mitgliedschaft bei einer der beiden großen politischen Parteien im Land zu beantragen. Idealerweise ist man zum Zeitpunkt der Präsidentschaftskandidatur schon langjähriges Mitglied dieser Partei. Die beiden Parteien, die zur Auswahl stehen, sind zum einen, die konservativen Republikaner und die liberalen Demokraten zum anderen. Es gibt auch zahlreiche Kleinparteien, wie die Green Party, die Liberatarian Party und die Constitution Party, aber diese lassen wir hier außen vor.

Quellen:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Joe_Biden_ (48651175327).jpg

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Die Demokraten – Der interne Wandel einer Partei Die Demokratische Partei (Democratic Party) ist die ältere und auch mitgliedstärkere Partei der beiden großen Parteien und zählt zu den ältesten politischen Vereinigungen der Welt. 16 der bisherigen 45 Präsidenten waren Demokraten. Ihre Parteifarbe ist blau und das inoffizielle Maskottchen der Partei ist der Esel. Das kommt daher, dass 1828 der demokratische Präsidentschaftskandidat Andrew Jackson von seinen politischen Gegnern als Esel verspottet wurde. Jackson entschied sich daraufhin, das Tier als Symbol für den Wahlkampf zu verwenden und gewann die Wahl. Die Parteigeschichte der Demokraten beginnt im frühen 19. Jahrhundert, als sie aus der Partei der Demokratischen Republikanern hervorging. Diese wurde schon 1792 von Thomas Jefferson gegründet, weshalb sie auch oft Jefferson-Republikaner genannt wurden. Die Demokraten dominierten die politische Landschaft der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Allerdings änderte sich die Situation auf Grund ihrer Haltung zur Sklaverei. Die Demokraten im Süden befürworten die Sklaverei. 1860 kam es daraufhin zu einer Spaltung des Nordflügels vom Südlichen. Nach dem Sezessionskrieg (1861 – 1865) sind die Südstaaten eine Bastion für die Demokraten. Im 20. Jahrhundert bewirkte der gesellschaftliche Wandel auf Grund der Industrialisierung eine Veränderung in den politischen Standpunkten der Partei. Die Demokraten griffen Forderungen der Arbeiter auf und verlangten staatliche Maßnahmen im sozialen und wirtschaftlichen Bereich. In den 60ern profilierten sich vor allem die Präsidenten John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson als Vorreiter der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und des linksliberalen Sozialstaats. Die wirtschaftlichen Folgen brachten der Partei einen schlechten Ruf, was von 1980 bis 1993 zu einer andauernden republikanischen Herrschaft führte. Danach war der Demokrat Bill Clinton bis 2001 Präsident, der selbst nicht ohne Skandale auskam. Der letzte demokratische Präsident war Barack Obama, der bis 2017 amtierte. In den USA gelten die Demokraten als liberale Partei – ihr politisches Spektrum reicht allerdings von links bis konservativ. Grundsätzlich setzen sie sich für einen stärkeren Staat und für eine Reglementierung der Wirtschaftsordnung ein. Des Weiteren sehen sie es als ihre Pflicht, soziale und wirtschaftliche Programme für Bedürftige bereitzustellen. Die Partei steht auch für das Recht auf Abtreibungen und die politische Durchsetzung von Gleichberechtigung aller Bevölkerungsgruppen. Präsident Obama hat in seiner ersten Amtszeit die Einführung der ersten tatsächlich flächendeckenden Krankenversicherung durchgesetzt. Die Demokraten treten außerdem für eine stärkere Gewichtung von Umwelt- und Klimaschutz und einen breiteren Zugang zu akademischer Bildung ein. Ihre Anhänger*innen finden die Demokraten in allen Gesellschaftsgruppen. In der Partei versammeln sich neben Arbeitern*innen auch viele Anhänger*innen aus ethnischen Minderheiten, Akademiker*innen und der gehobene Mittelstand. Als Hochburgen für Demokraten gelten vor allem die bevölkerungsstarken Staaten an der Pazifikküste, der Nordosten des Landes und die Great-Lakes-Region.

Die Republikaner – Die Partei Lincolns Die Republikanische Partei, (Republican Party) ist die zweitgrößte Partei in den USA. Sie wird auch als Grand Old Party, kurz GOP, bezeichnet und hat bisher 19 der bisher 45 Präsidenten gestellt. Der Elefant als Symbol der Republikaner geht auf eine Karikatur aus dem Jahr 1874 zurück. Darin laufen eine Horde aufgewühlter Tiere – darunter auch ein Elefant mit der Aufschrift „Republikanische Wähler“ vor einem als Esel verkleideten Löwen weg. Seither haben die Republikaner den Elefanten als Maskottchen gewählt. Die offizielle Farbe der Partei ist Rot. Die Gründung der Partei erfolgte 1854, als sich Abraham Lincoln mit anderen Gegnern der Sklaverei zusammenschloss. Auch viele Demokraten aus den Nordstaaten traten bei, um ein Zeichen gegen die zunehmende Dominanz ihrer Partei in den Südstaaten zu setzen. Sechs Jahre später wurde Abraham Lincoln zum ersten republikanischen Präsidenten gewählt und brach damit die Vorherrschaft der Demokraten. 1865 gelang es den Republikanern, entgegen den Stimmen der Demokraten, die Sklaverei im gesamten Staatsgebiet abzuschaffen. Nach dem Bürgerkrieg dominierten die Republikaner die amerikanische Politiklandschaft im Norden für über 50 Jahre. In dieser Zeit standen sie und ihre Präsidenten für wirtschaftlichen Fortschritt. Die Partei bezeichnete sich als die Partei des kapitalistischen Bürgertums und stützten sich vor allem auf die industriellen Nordstaaten. Während den beiden Weltkriegen fungierten die Republikaner als Oppositionspartei. Heute gilt die Republikanische Partei vor allem als konservativ und wirtschaftsliberal. Sie treten für eine privatwirtschaftliche Gesellschaft mit möglichst wenig staatlichen Regulierungen und niedrigen Steuern ein. Sozialstaatlichen Maßnahmen stehen sie äußerst kritisch bis ablehnend gegenüber. Viele Republikaner sehen auch den Umweltschutz kritisch und glauben nicht, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wird. Seit dem Terroranschlag 11. September 2001 ist die nationale Sicherheit eines der Hauptthemen der Republikaner geworden. Trotz gewisser Unterschiede innerhalb der Partei, treten Republikaner insgesamt gegen die Eheschließung für alle und gegen Abtreibungen auf. Traditionell befürworten sie den freien Besitz von Waffen und harte Strafen für Straftäter*innen bis hin zur Todesstrafe. Zu ihrer Wählerschaft zählen vor allem weiße, protestantische Bevölkerungsgruppen aus Klein- und Vorstädten, sowie die gehobene Oberschicht. Auch die einfach lebende Landbevölkerung ist tendenziell republikanisch. Obwohl die Partei aus einer Anti-Sklaverei-Bewegung hervorging, hat sie nur wenige Anhänger*innen unter der schwarzen Bevölkerung. Die sichersten Wahlsiege für die Republikaner liegen in erster Linie im Nordwesten und Süden des Landes sowie im Gebiet der Great Plains von Nebraska und North/South Dakota bis nach Texas.

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Die lange Suche nach den richtigen Kandidat*innen

Hat man sich nun für eine Partei entschlossen, ist es an der Zeit, sich aufstellen zu lassen. Da es viele verschiedene Nominierungen für jede Partei gibt, gilt es die für die Kandidatur an den geeignetsten Personen zu finden. Hierzu gibt es, je nach Regulierung der Parteien im jeweiligen Bundesstaat, zwei Möglichkeiten: Sogenannte Caucuses -- Wahlausschüsse und Primaries -- Vorwahlen. Bei Caucuses treffen sich alle berechtigten Parteimitglieder an einem Ort und es wird im Prinzip so lange diskutiert, bis sich alle für einen Kandidaten entschieden haben. Primaries hingegen laufen wie eine konventionelle Wahl ab. Parteimitglieder gehen in Wahllokale und stimmen für ihren Kandidaten in einer geheimen Wahl ab. Nach den einzelnen Caucuses und Primaries halten beide Parteien einen Nominierungsparteitag, um jeweils ihre Kandidierenden zu bestimmen. Diese wählen dann jeweils ihren sogenannten Running Mate aus, also den Kandidaten zum Vizepräsidenten. Die Beiden betreiben dann im gesamten Land Wahlkampf, um so viele Unterstützer*innen wie möglich zu gewinnen. Am Wahltag, der immer auf den ersten Dienstag nach dem 1. November fällt, wählen die einzelnen Bundesstaaten einen der beiden Kandidat*innen der großen Parteien. Jedoch wählt die Bevölkerung nicht direkt, sondern gibt nur bekannt, wem die sogenannten Electors bzw. Wahlleute, ihre Stimme geben sollen. Die Kandidatur mit den meisten Stimmen bekommt im Großteil der Bundesstaaten die gesamten Stimmen der Wahlleute für den jeweiligen Bundesstaat. Die Anzahl an Wahlleuten im jeweiligen Bundesstaat hängt von der Anzahl an Senatoren und Repräsentanten des Bundesstaats im Kongress ab, die wiederum von der Population des Bundesstaats abhängt. Insgesamt gibt es 538 Wahlleute, die auf die 50 Staaten und Washington DC aufgeteilt werden. Die Gesamtheit dieser Wahlleute nennt sich Electoral College. Um die Wahl zu gewinnen und offiziell als Präsident gewählt zu werden, muss ein Kandidat mindestens 270 Stimmen von den Wahlleuten erhalten. Am 20. Jänner des Folgejahres tritt der/die gewählte Präsidentschaftskandidat*in ins Amt ein und löst die vorhergehende Regierung ab.

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Wer ist der zukünftige Mr. President?

Nun aber zurück ins Jahr 2020. Joe Biden ist gewählter 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Aber wie hat alles begonnen? Joseph Robinette Biden Jr. kommt am 20. November 1942 in der 76.000 Einwohner*innen großen Arbeiterstadt Scranton (einigen von euch vielleicht aus der Serie „The Office“ bekannt) im Commonwealth von Pennsylvania, zur Welt. Sein Vater Joseph Biden Sr. arbeitet als Schornsteinfeger und Gebrauchtwagenhändler, seine Mutter Catherine ist Hausfrau. Mit 13 Jahren zieht Joe mit seiner Familie nach Mayfield im Bundesstaat Delaware, von wo aus er auch seine politische Karriere starten wird. Nachdem er die High School absolvierte, studiert er Geschichte und Politikwissenschaften an der University of Delaware und anschließend an der Syracuse University. In diesen Jahren entwickelt er, vor allem durch die Präsidentschaft von John F. Kennedy, großes Interesse für Politik. Nach seinem Studium arbeitet er in einer Anwaltskanzlei und wird ein aktives Mitglied in der Demokratischen Partei. 1972 gewinnt der erst 29-jährige Neuling gegen den amtierenden Republikaner einen Sitz im Senat der Vereinigten Staaten und wird damals der fünft-jüngste Senator in der Geschichte des Landes. Von 1973 bis 2009 wird Biden als Senator des Bundesstaats Delaware bekannt. Während dieser Zeit macht er sich vor allem als Außenpolitikexperte einen Namen. Seine außenpolitischen Positionen umfassen unter anderem die Begrenzung der strategischen Rüstung mit der Sowjetunion und das Vorantreiben von Frieden und Stabilität in den Balkanstaaten. Unter Präsident George W. Bush sprach er sich gegen die Invasion des Iraks 2003 aus. Unter Barack Obama wird er am 20. Jänner 2009 zum 47. Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten eingeschworen und nach den Wahlen 2012 auch für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Nach vier Jahren Pause beschließt Biden 2020 bei der Präsidentschaftswahl anzutreten, gemeinsam mit seinem Running Mate Kamala Harris – und der Rest geht in die Geschichtsbücher ein.


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Abtreibungrecht im Jahr 2020 MY BODY - MY CHOICE

Das im Herbst in Polen geplante Abtreibungsverbot löste internationale Protestwellen aus, die das Gesetz verzögerten. Auch 2020 bleibt das Thema Abtreibung ein Umstrittenes, das in verschiedenen Ländern für Diskussionen sorgt. Christina Fior vom Referat für Frauenpolitik erklärt, warum sie das Recht auf Abtreibung wichtig findet.

Pro-life und dessen Folgen

Text: Christina Fior

Abtreibung ist weltweit ein sehr umstrittenes Thema. Frauen kämpften in vielen Ländern jahrzehntelang für ihr Recht, selbst über ihren Körper zu bestimmen und viele kämpfen immer noch. In Polen wurde dieses Jahr ein Gesetz beschlossen, das diese Rechte beschneiden soll. Föten mit schweren Erkrankungen sollen nicht länger ein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch sein. Durch die lang anhaltenden Proteste und dem Druck der EU wurde das Gesetz kurzzeitig verschoben, aber im Endeffekt trat es schließlich doch in Kraft. Weltweit werden in fast allen Ländern das Leben und meist auch die Gesundheit der Frau über das ihres ungeborenen Kindes gestellt. Alles, was über diese grundlegenden Rechte hinaus geht, ist sehr umstritten. Nur in 61% der Länder ist Abtreibung bei Vergewaltigung oder einer Missbildung des Fötus erlaubt und die Entscheidung der Frau ist nur in 34% ausreichend. Selbst in Europa gibt es Orte, wo ein Schwangerschaftsabbruch nur erlaubt ist, um ein Leben zu retten, wie in Andorra oder im Vatikan. In Ländern wie Italien kann ein Arzt die Prozedur verweigern, was gerade in abgelegenen Orten ein großes Problem ist. Irland änderte seine Gesetze erst 2018, während davor jährlich geschätzt 6000 Frauen nach England reisten, nur um dort eine Abtreibung durchführen zu lassen. Diese Liberalisierung galt als immenser Fortschritt für das katholische Land, denn davor war eine Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren möglich! Die Verschärfung der Gesetze in Polen ist leider kein Einzelfall. In der Slowakei wurde bereits 2019 ein Gesetzesentwurf abgelehnt, der eine 96-stündige Bedenkzeit eingefordert hätte und Frauen dazu gezwungen hätte, ihre Entscheidung besser zu begründen. In Portugal wird Abtreibung seit einiger Zeit nicht mehr von der Krankenkasse übernommen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass andere konservativere Länder sich Polen nun als Vorbild nehmen, um ihre Gesetze entsprechend anzupassen. Die EU hat in diesem Bereich keine Zuständigkeit, also ist jedes Land auf sich alleine gestellt. Polen selbst hat bereits öfters versucht seine Gesetze zu verschärfen. Im Jahr 2016 wurde zum Beispiel versucht, ein Gesetz zum vollständi-

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gen Verbot von Abtreibungen durchzubringen. Dieses wurde wegen der heftigen Proteste der Bevölkerung allerdings wieder verworfen. In dem ersten Trimester einer Schwangerschaft, also in der Zeit, in der Abtreibung in Österreich erlaubt wäre, ist fragwürdig ob der Fötus in der Lage ist, überhaupt etwas zu fühlen, da die notwendigen Nervenverbindungen erst nach dem dritten Monat entstehen. Die Hauptargumente der sogenannten pro-Life Bewegung sind also alle eher philosophischer Natur. Einerseits wäre da Religion, als größte Begründung für viele konservative Haushalte. Da Staat und Religion aber getrennt sein sollten, dürfte man alleine deshalb keine Gesetze erlassen. Andererseits hat man die Definition von Leben, also ab wann ein Mensch Rechte haben sollte. Ein Leben sollte nicht über ein anderes gestellt werden und psychologische oder physische Entwicklung sollten keine Rolle spielen. Weiters hat auch ein Fötus eine potentielle Zukunft, die man ihm durch einen Abbruch der Schwangerschaft nehmen würde. Ein Problem dieser Art der Argumentation ist, dass zukünftige, unklare Ereignisse als Grundlage für Entscheidungen genommen werden. Dass der Wert eines Lebens also mehr oder weniger nur mit der Zukunft, die diese Person haben könnte, zusammenhängt. Manche argumentieren nun, dass es aufgrund der Unsicherheit besser wäre, keine Abtreibung vorzunehmen, da es


gleichzusetzen wäre mit dem Risiko, einen Mord zu begehen. Sozusagen, dass es im Zweifelsfall ob ein Fötus als vollwertiger Mensch gilt oder nicht, vernünftig wäre anzunehmen, dass es einer ist. Entgegen dazu steht das bekannte Argument von J. J. Thomson. Hierbei wird eine Schwangerschaft gleichgesetzt mit dem Erhalt von fremdem Leben auf Kosten des eigenen Körpers. Thomson stellt das Beispiel von Nierenversagen, bei dem die betroffene Person die Niere von jemand anderem mitbenutzt um am Leben zu bleiben. Hier wäre es moralisch vertretbar, dass man jederzeit damit aufhört, selbst wenn es den Tod der anderen Person zur Folge hat.Weiters sehen es Befürworter von Abtreibung als schweren Eingriff in die Freiheit und Autonomie einer Frau sie zu zwingen eine ungewollte Schwangerschaft fortzusetzen.Eine umstrittene Studie zieht Parallelen zwischen der Senkung der Kriminalitätsrate in den USA und der Legalisierung der Abtreibung 20 Jahre zuvor. Weiters zeigt sie ein ähnliches Muster in Staaten auf, die ihre Gesetze schon einige Jahre früher geändert hatten.Denn die Kriminalisierung von Abtreibung führt in vielen Fällen zu einer Abwärtsspirale für Randgruppen. Durch Geld oder Gefängnisstrafen wird die Situation der Leute, die keine Kinder wollten, weil ihnen Mittel oder Zeit fehlen, nur weiter verschlechtert. Dass ein Verbot von Abtreibungen tatsächlich zu weniger Abbrüchen von Schwangerschaften führt, wurde durch mehrere Studien widerlegt. Diejenigen, die es sich leisten können, fahren für den

Eingriff in ein anderes Land und jene, die das nicht können, greifen auf illegale und oft unsichere Methoden zurück. Auch in Polen wird man mit höchster Wahrscheinlichkeit solch ein Phänomen feststellen können. Bereits vor dem neuen Gesetz wurden geschätzte 100.000 Abtreibungen im Ausland vorgenommen und bei den ca. 1000, die in Polen selbst verzeichnet sind, wurden regelmäßig unnötige Verzögerungen festgestellt, in Form von psychologischen Untersuchungen oder Bluttests. Auch wurde auf die Gefahr einer Fehlgeburt oder ähnlichen Problemen hin versucht, die Frauen von ihrer Entscheidung abzubringen. Im Endeffekt kann man sagen, dass die Entscheidung jeder selbst überlassen sein sollte. Der Versuch der Regierung, die Autonomie und Integrität von Frauen zu untergraben ist ein weltweites Problem, das sich über die ganze Geschichte der Menschheit hinweg zieht. In der heutigen Zeit sollte kein aufgeklärtes Land wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren und damit unzähligen seiner Bürger_innen schaden. Das Verbot eine Schwangerschaft abzubrechen, stammt aus einer Zeit in der Frauen noch der Besitz von Männern waren und hat damit wenig Platz in der heutigen Gesellschaft.

Quellen:

https://pixabay.com/de/photos/frauenmarsch-marschieren-frauen-2004278/ https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Protest_against_changes_in_abortion_law_in_Poland,_Partia_Razem,_April_3_2016,_%C5%81%C3%B3d%C5% BA_Piotrkowska_Street_05.jpg https://commons.wikimedia.org/wiki/File:My_body_my_choice_sign_at_a_ Stop_Abortion_Bans_Rally_in_St_Paul,_Minnesota_(47113308954).jpg

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