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Was steckt hinter den E-Nummern?

Verboten, wenn nicht explizit erlaubt

Hinter den E-Nummern in unserem Essen verstecken sich chemische Stoffe. Viele davon sind mit grösster Vorsicht zu geniessen.

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Gabriel Tinguely

ILLUSTRATIONEN

Pierina Bucher

Riboflavin (E101) ist auch bekannt als Vitamin B2. Der natürliche, gelbe Farbstoff wird mit Hilfe von Enzymen oder Pilzen aus Milch, Eiern, Leber oder Gemüse extrahiert und ist ohne Gefahr zu konsumieren. Ein weiterer gelber Farbstoff ist das künstlich hergestellte Tartrazin (E102). Als Bestandteil von Glacen, Torten oder Senf kann dessen Konsum allergische Reaktionen, Asthma, Hyperaktivität oder Schlaflosigkeit zur Folge haben.

Farbstoffe wie diese und zahlreiche andere Zusatzstoffe kommen in der industriellen Grossproduktion von Nahrungsmitteln zum Einsatz. Doch nicht nur die Grossen peppen ihre Produkte auf. Auch viele handwerkliche Produzenten greifen in die Trickkiste der Zusatzstoffe. So ist Dimethyldicarbonat (E242) ein Konservierungsmittel, Butylhydroxytoluol (E321) dient als Antioxidans und Mononatriumglutamat (E621) verstärkt den Geschmack von Fertiggerichten. Meist werden die schwer auszusprechenden Namen als ENummern deklariert. Das «E» steht dabei für Europa und essbar. Mit der Nummer kann der Stoff ermittelt werden.

Erste ENummernRichtlinien wurden 1962 für Farbstoffe eingeführt. Im Jahr 1964 folgten die Richtlinien für Konservierungsstoffe, 1970 die für Antioxidationsmittel und 1974 die für Emulgatoren, Stabilisatoren sowie Verdickungs und Geliermittel. Auf der internationalen Liste der ENummern von 100 bis 1521 sind heute 436 Plätze belegt. In der Schweiz regelt das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) deren Zulassung und Verwendung mit der Zusatzstoffeverordnung (ZuV). Aktuell sind 324 Zusatzstoffe, eingeteilt in 24 Funktionsklassen, erlaubt. Darunter befinden sich Trennmittel und Emulgatoren, Schaummittel und Schaumverhüter genauso wie Füllstoffe. Letztere sollen einen Teil des Volumens eines Nahrungsmittels bilden, ohne nennenswert zu dessen Gehalt an verwertbarer Energie beizutragen. Damit so ein Nahrungsmittel schmeckt, kommen entweder Süssungsmittel oder Geschmacksverstärker zum Einsatz. Nicht als Zusatzstoffe gelten Verarbeitungshilfsstoffe wie Enzyme und Extraktionslösungsmittel. Diese müssen auch nicht deklariert werden.

Farbstoffe machen Kinder zappelig

In der vorgesehenen Konzentration und Anwendung muss ein Zusatzstoff gesundheitlich unbedenklich sein, sagt das Gesetz. Aktuell werden die Klassierungen der 1980er und 1990erJahre von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) überprüft und neu bewertet. In der EU ausgesprochene Verbote werden von der Schweiz in der Regel übernommen.

Für die ENummernApp der Konsumenteninfo AG haben Mitarbeitende der Zeitschriften «KTipp», «Bon à Savoir» und «Spendere Meglio» Informationen aus 16 universitären Quellen zusammengetragen. Von den 424 in der App gelisteten EStoffen sind 94 in der EU und der Schweiz verboten. 58 Zusatzstoffe gelten als ge →

Ein frisch zubereitetes Gericht besteht aus wenigen natürlichen Zutaten. Die gleiche Zubereitung aus der Dose hingegen enthält zahlreiche, mit E-Nummern bezeichnete Zusatzstoffe.

GATTUNGEN VON ZUSATZSTOFFEN

Antioxidantien Sie schützen Lebens- und Nahrungsmittel vor den Auswirkungen der Oxidation wie dem Ranzigwerden von Fett oder dem Braunwerden von Früchten. Ascorbinsäure (E300) beispielsweise verhindert in Brotteigen die Oxidation der teigbildenden Proteine und festigt die Glutenstruktur. Ascorbinsäure greift den Zahnschmelz an, wirkt in hohen Dosen abführend und ist ein Risiko für die Nieren. Häufi g wird Ascorbinsäure bereits in den Mühlen dem Mehl beigemischt.

Emulgatoren Sie ermöglichen das Mischen von Stoff en, die sonst nicht mischbar wären. Ein Beispiel ist das Mischen von Wasser und Öl in Margarinen oder Essig und Öl in Salatsaucen. Lecithin (E322) aus Eigelb, Soja oder Hülsenfrüchten gewonnen, ist ein häufi g eingesetzter Emulgator. Er kommt auch in Schokolade zum Einsatz.

Farbsto e Sie verleihen einem Lebensmittel Farbe oder stellen die ursprüngliche Farbe wieder her, wenn diese durch Verarbeitung oder Lagerung optisch beeinträchtigt wurde. Synthetisch hergestellte Farbstoff e, vor allem gelbe und metallfarbene, bergen Gefahren für die Gesundheit. Im Mai 2021 wurde Titandioxid (E171) verboten.

Konservierungssto e Sie verlängern die Haltbarkeit von Lebensmitteln und schützen diese vor den schädlichen Auswirkungen von Mikroorganismen wie Bakterien, Schimmelpilzen, Hefen oder Fäulniserregern. Durch Konservierungsstoff e wurden Lebensmittel zwar sicherer. Doch die meisten dieser Stoff e werden mit Allergien und zahlreichen anderen Gefahren für die Gesundheit in Verbindung gebracht.

Süssungsmittel Diese Stoff e werden zum Süssen von Lebensmitteln verwendet. Süssungsmittel verstärken die Aromen. Als Bestandteil der meisten Produkte machen sie das Gehirn glücklich. Damit gleicht die Wirkung von Süssstoff en und Zucker derjenigen von Drogen: Süsse verlangt nach immer noch mehr süssem Essen. Bekannte Nebenwirkungen sind Diabetes und Übergewicht. Zusatzstoff e sind bei Konsumenten verpönt. Deshalb ist die Nahrungsmittelindustrie darauf bedacht, so wenig wie möglich davon einzusetzen. Ganz ohne geht es nicht, obwohl viele Zusätze bedenklich sind.

sundheitlich unbedenklich. Bei 99 Stoff en bestehen diesbezüglich Zweifel. Ein gewisses Risiko bergen 92 Stoff e. Zu 43 Stoff en gab keine der Quellen Auskunft. 132 Zusatzstoff e bedeuten eine Gefahr für die Gesundheit. Für sechs Farb stoff e – darunter das erwähnte Tartrazin (E102) – ist der Hinweis «kann Aktivität und Aufmerk samkeit bei Kindern beein trächtigen» Pfl icht. Eine Studie der Universität Southampton hatte gezeigt, dass einige der teilnehmenden Kinder, die dreimal pro Woche ein Farb stoff gemisch erhielten, danach zappeliger und unaufmerk samer waren.

Seit Jahrzehnten steckt E171 in Backwaren, Süssigkeiten, Kaugummi oder Mozzarella. Nun wird der Zusatzstoff Titandioxid, ein Weiss und Glanzmacher, aus dem Verkehr gezogen, weil er möglicherweise das Erbgut schädigt. Zu dieser Einschätzung kommt die Efsa in einer Mitte Mai dieses Jahres publizierten Studie. Am Beispiel von Buttergelb hatte ein Deutscher Toxikologe nachweisen können, dass nicht nur eine einmalige hohe Dosis bei Ratten einen Lebertumor zur Folge hatte. Auch bei der Verfütterung des vermeintlich harmlosen Stoff es in kleinen Einzeldosen kam es zur Bildung eines Tumors, als nach Monaten die Gesamtdosis erreicht wurde. Dies, obwohl der Stoff zu jenem Zeitpunkt längst ausgeschieden war. Bei einem sogenannten Summationsgift wird nur die Wirkung im Körper addiert, nicht aber der Stoff .

Ein Fakt ist, dass einzelne Personen sensibel auf Geschmacksverstärker (E621 bis E625) reagieren. Bekannt ist, dass die Glutamatvarianten Kopfschmerzen ver

Gut zu wissen:

Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) regelt die Zulässigkeit sowie die Höchstwerte der einzelnen Zusatzsto e, Aromen und Enzyme in der Verordnung über die zulässigen Zusatzsto e in Lebensmitteln, kurz Zusatzsto everordnung (ZuV). Die Schweizer Liste mit 324 Positionen ist unter der Nummer 817.022.31 auf allen Suchmaschinen zu fi nden. Mit 34 erlaubten Zusatzsto en ist Bio Suisse viel restriktiver. Eine informative E-Nummern-App bieten die Zeitschriften «K-Tipp», «Bon à Savoir» und «Spendere Meglio» für Apple-Geräte oder Google Play.

ursachen können und den Appetit anregen. Bei Ratten löste dies Fettleibigkeit aus. Es besteht der Verdacht, dass diese Zusatzstoff e Nervenkrankheiten wie Alzheimer und Parkinson fördern. Dieses Thema ist allerdings noch zu wenig erforscht.

Mit Fleischerzeugnissen wie Trockenfl eisch, Wurstwaren, Schinken, Aufschnitt oder Pasteten werden täglich kleinste Mengen Pökelsalz, Nitrate und Nitrite (E250, E251 und E252) gegessen. Als Umrötungsstoff sorgen sie für eine schöne rote Farbe sowie den typischen – oder besser gesagt den antrainierten – Salami und Trockenfl eischgeschmack. Sie stehen im Verdacht die Leber zu schädigen sowie Magen und Speiseröhrenkrebs zu verursachen.

Es geht auch ohne

Ohne heisst nicht in jedem Fall frei von Zusatzstoff en. So ersetzen Hefeextrakte das Glutamat, Randensaft den künstlichen Farbstoff und Zitronensäure die Konservierungsmittel. «100 Prozent Natur», wie es die Werbung so gerne verspricht, ist möglich. Einer, der das konsequent umsetzt, ist Adrian Hirt aus Tschiertschen/GR. Er verarbeitet in seiner Manufaktur Alpahirt das Fleisch von Kühen nach Rezepten seines Urgrossvaters. Für sein Bergfl eisch verwendet er etwas Veltliner Rotwein, Salz und ein paar ausgesuchte Gewürze. Bergfl eisch ist Adrian Hirts Variante von Bündnerfl eisch, das mit der geografi sch geschützten Herkunftsangabe (GGA) zertifi zierungspfl ichtig ist. Das Pfl ichtenheft defi niert Bündnerfl eisch als Rohpökelware. Zwar kann auch Salz ohne Pökelstoff verwendet werden. Solche Produkte entsprechen jedoch nicht dem Standardgeschmack. AlpahirtTrockenfl eisch schmeckt im Unterschied zur gepökelten Variante fl eischiger, würzigfruchtig und weniger salzig.

Eine Deklaration ist Pflicht

Beim Verkauf von verpackten Lebensmitteln und Speisen gilt es, die Zutaten inklusive Zusatzstoff en auf der Verpackung zu deklarieren. Werden Lebensmittel und Speisen off en angeboten, muss eine Liste der Produkte mit allen Zutaten und Zusatzstoff en griffb ereit sein. Denn die Auskunftspfl icht gilt auch für die Auslage in Bäckereien und Metzgereien sowie für das Speiseangebot in Restaurants. •

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BUCHTIPP

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«Die Suppe lügt – die schöne neue Welt des Essens» Hans-Ulrich Grimm Knaur Taschenbuch, 4. Aufl age ISBN 978-3-426-78666-6 14.90 Franken

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