
5 minute read
Rares aus gesundem Boden
Durch minimale Bodenbearbeitung, eine Gründüngung als Vorkultur und eine Bodenbedeckung mit organischem Mulch kann auf zugekaufte Dünger verzichtet werden. Zudem muss nur selten bewässert werden.
Matthias Hollenstein und sein Team produzieren in Mönchaltorf/ZH aussergewöhnliches Gemüse und Getreide. Auf Wunsch pflanzen sie für Gastronomen roten Mais und für Bäcker seltene Getreide an. Damit diese ihren Gästen und Kunden Einzigartiges bieten können.
Advertisement
TEXT
Sarah Sidler
BILDER
Filipa Peixeiro
Von den Rhabarbern schmecken auch die dekorativen Blüten. Diese geben in geschlossenem Zustand Gerichten eine säuerliche Note.

W
er den Eichhof in Mönchaltorf/ZH besucht, merkt gleich, dass es ein ganz besonderer Ort ist: Bäume und Büsche ranken entlang der kleinen Zufahrtstrasse wild in einander. Gräser und Kräuter wachsen hoch. Schmetterlinge tanzen und Vögel zwitschern. Dahinter wachsen vielerlei, vor Gesundheit strotzende Gemüse und Getreide in nicht alltäglicher Anbaumethode. Weil die Slow Grow GmbH die Ziele der regenerativen Landwirtschaft verfolgt, ist der Boden nach der Ernte ihrer Kulturen besser als vor der Saat. Die Regeln der regenerativen Landwirtschaft gehen weit über jegliche Bio- und Demeterrichtlinien hinaus.
Die treibende Kraft hinter Slow Grow ist Matthias Hollenstein. Der Tüftler und Visionär hat ursprünglich Polymechaniker gelernt. 2016 ist er biodynamischer Landwirt geworden. Der 34-Jährige gründete Slow Grow 2014 noch während seiner Ausbildung zum Landwirt. Heute führt Matthias Hollenstein den Betrieb gemeinsam mit Samuel Bähler. Auf rund 20 Hektaren produzieren sie mit ihrem Team nach einem eigenen regenerativen System Gemüse und Getreide, darunter Raritäten →

Nur ein gesunder Boden wie dieser ergibt gesunde und schmackhafte Lebensmittel.
wie Waldstaudenroggen, Erdmandeln und Topinambur. Hollenstein und Bähler arbeiten seit sieben Jahren mit Gastronomen zusammen, welche Produkte mit Identität suchen.
Raritäten wie Nüsslisalatblüten sind bei jeder Lieferung dabei
Die Produzenten beliefern wöchentlich rund zehn Restaurants. Einige auch per Post. Da sie mit den meisten Köchen in engem Kontakt stehen, erhalten sie wertvolles, direktes Feedback, das sie in ihre Arbeit auf dem Feld einfliessen lassen. Hollenstein und Bähler wiederum liefern ihren Kunden Geschichten, welche sich wunderbar den Gästen erzählen lassen. «Die Gäste sollen wissen, dass sie mit ihrer Restaurantwahl die Gesundheit des Bodens sowie den Lebensraum unzähliger Pflanzen, Insekten und Tieren fördern. Gastronomen sollen in Bauern investieren. Ihr Konzept wird damit einzigartig», findet Hollenstein. Seine Gemüsekisten beinhalten derzeit etwa Kohlrabi, Knoblauch und Salate. Doch auch Rares wie Blüten von Zwiebeln, Wildkräuter, Rhabarber und Nüsslisalat liegen bei. Kleinstmengen an Raritäten wie essbare Blüten können nicht bestellt werden. Hollenstein und Co. liefern Gemüse von «Leaf to Root». «Ein haushälterischer und kreativer Umgang mit Lebensmitteln gilt heute als innovativ», weiss der Gemüseproduzent.
Cheesecake und Glace mit Tagetesblüten
«Es gibt Restaurants, die schreiben ihre Menükarten erst, nachdem sie wissen, welche Gemüse sie von uns erhalten», sagt Hollenstein. Damit die Köche ihre Menüs nicht wöchentlich ändern müssen, wird der Anbau auf dem Eichhof so gestaltet, dass die Gemüsesorten jeweils drei Wochen im Angebot sind. Dies benötigt einiges an Planung bei einer Auswahl von 300 Lebensmitteln. Aus dieser Vielfalt entstehen spannende Kreationen: Die Zürcher Wirtschaft im Franz verarbeitete etwa Tagetesblüten in Cheesecake sowie in Glace. Mehrmals pro Jahr wird das aussergewöhnliche Gemüse von Slow Grow dort an Anlässen mit dem Namen «Gmüesete» zelebriert. Diese Tavolata ist meist ausgebucht.
Gut zu wissen:
Bei der Mischkultur werden verschiedene Gemüse, welche einander unterstützen, im selben Beet angebaut. Dies verhindert eine Ausbreitung von Schädlingen, die Ausnutzung der Nährstoffe im Boden wird optimiert und der Boden besser vor Austrocknung geschützt. Karotten und Zwiebeln werden etwa häufig beieinander angebaut. Mulch kann kurzes Gras, klein geschnittenes Stroh oder Holzschnitzel sein. Diese unverrotteten, organischen Materialien dienen dem Boden als natürlichen Dünger. «Wir nutzen Pflanzen in ihrer Vielfalt. Davon profitieren Menschen, Boden, Saatgut und unsere Kunden», so Matthias Hollenstein von Slow Grow.
Eine Backmischung, direkt vom Feld
Das Kraut vom mehrjährigen Fenchel vom Eichhof, welches intensiv nach Lakritze duftet, wird in der Spitzengastronomie zu Öl verarbeitet, frittiert, getrocknet oder entsaftet, um daraus Sorbets zu machen. Eigens für die Tortilla einer Zürcher Gastronomin wird auf dem Eichhof roter Mais angebaut. Viele Kartoffeln gehen in die Gastronomie: «Unsere Agriakartoffeln und roten Zwiebeln sind sehr gefragt. Sie sind zwar wie überall gross. Doch dank der besonderen Bodenpflege verfügen sie über viel mehr Geschmack und Gehalt, berichten unsere Kunden», erzählt Hollenstein. Slow-Grow-Produkte seien zwar teurer, enthalten dafür aber weniger Wasser.
Die Kartoffeln verdanken ihre hohe Qualität unter anderem dem Mulch aus Waldstaudenroggen. Das Urkorn ist Teil der Vielfaltsmischung von Slow Grow. Dieses Mehl beinhaltet unzählige Dinkel- sowie Weizensorten und wird exklusiv auf

Betriebsleiter Samuel Bähler mit Josefa Fuchs, in Ausbildung zur Gemüsegärtnerin, Matthias Hollenstein und Jennifer Hansen, in Ausbildung zur biologisch dynamischen Fachfrau (von links).
dem Eichhof produziert. Mit diesem ausgeklügelten Saatenmix bietet Matthias Hollenstein und sein Team Bäckern eine gesunde und schmackhafte Backmischung direkt vom Feld an. «Sie verfügt über hervorragende Backeigenschaften und entspricht dem Trend zu mehr Biodiversität und Regionalität», weiss der Produzent.
Martin Mayer ist Geschäftsleiter der Bäckerei Vuaillat mit vier Filialen im Zürcher Oberland. Er ist einer der ersten Partner von Slow Grow im Getreidebereich. Deshalb konnte der Bäcker den Anteil an Waldstaudenroggen in der Vielfaltsmischung bestimmen. Der innovative Unternehmer bäckt aus der Slow-Grow-Vielfaltsmischung sowie dem Most von Hollensteins ehemaligem Lehrmeister, Jürg Raths, ein Mostbrot. Aus roten Weizen stellt die Bäckerei Vuaillat ein reines Vollkornbrot her und aus Mehl von rotem Weizen und Triticale sowie mit etwas Porridge ein Jubiläumsbrot. Triticale ist eine Kreuzung aus Roggen und Weizen mit hohen Eiweissgehalten und hoher biologischer Eiweisswertigkeit. Der Verkaufsschlager, das Sauerteigbrot Ustemerbrot, ist oft im Frühjahr nicht mehr im Angebot der Bäckerei Vuaillat, weil die Vielfaltsmischung dann aufgebraucht ist. «Die Kundschaft zeigt aber Verständnis dafür. Das ist kein Problem», hat Martin Mayer in Erfahrung gebracht. Er schätze die unkomplizierte Partnerschaft mit Matthias Hollenstein und dessen span-
«Gastronomen sollten in Bauern investieren, die gesunde, schmackhafte Lebensmittel herstellen.»
Matthias Hollenstein, Slow Grow
nenden Produkten. Die Bäcker, welche mit Matthias Hollenstein und Team zusammenarbeiten, geben ihre Bestellung jeweils vor der Getreidesaat im Oktober auf. Im darauffolgenden August erhalten sie dann ihr Mehl. Aktuell gehen so rund 25 Tonnen Getreide aus bio-regenerativem Anbau an die Bäckereien. Derzeit verfügt der Produzent hauptsächlich noch über Triticale. Ein Teil dieses Mehls wird zu Tagliatelle und Hörnli verarbeitet. Da die Pasta ohne Ei und importierten Hartweizen gemacht wird, ist es ein reines Urprodukt. «Interessierte dürfen sich gerne an Triticale versuchen», so Matthias Hollenstein. Er würde sich freuen über weitere Partner seitens der Bäckerbranche. •
KONTAKT
Slow Grow GmbH Im Eichhof 1 8617 Mönchaltorf info@slowgrow.ch www.slowgrow.ch