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Meret Bissegger zeigt’s: Unkraut als Delikatesse

Köchin Meret Bissegger plädiert dafür, auch sogenannte Unkräuter für die Küche zu entdecken. Im Bild eine Amarantart, deren Blätter wie Spinat gekocht werden können.

Unkraut als Delikatesse

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In Meret Bisseggers Küche spielen Pflanzen die Hauptrolle. Sie ist überzeugt: Die Gastronomie hat hier Nachholbedarf.

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Angela Hüppi

BILDER

Hans-Peter Siffert, AT Verlag

Wenn Meret Bissegger auswärts isst, sieht sie oft dasselbe Bild: «Gemüse und Kräuter nehmen in vielen Küchen nicht den Platz ein, den sie eigentlich verdient haben.» Zwar gibt es mittlerweile einige wenige Köche, welche ganze Menüs rund um verschiedene Gemüsesorten kreieren. Bei den meisten bleibt das Gemüse aber in der Rolle der Beilage und erhält dementsprechend wenig Aufmerksamkeit. «Das merkt man schon bei der Zubereitung», sagt Bissegger, selbst seit 14 Jahren Gastgeberin und Köchin, derzeit in ihrer Casa Merogusto in Malvaglia/TI. Als Köchin im «Ponte dei Cavalli» in Cavigliano/TI, wo sie von 1990 bis 2000 tätig war, wurde sie wohl als erste Vollwertköchin der Schweiz mit 14 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet. Davon, was sie bei Kollegen an Gemüse vorgesetzt bekommt, ist sie oft enttäuscht: «Praktisch jedes Gemüse wird im Steamer zubereitet und danach in Butter gewendet. Dabei gibt es so viele Zubereitungsarten. Das Gemüse sieht dann vielleicht manchmal nicht mehr ganz so schön aus, ist aber viel schmackhafter.» Sie selbst bereitet Gemüse unterschiedlich zu: «Braten, mit Wein einkochen, mit aromatischen Kräutern marinieren, es ist so vieles möglich. Der Kombisteamer sollte nur zum Regenerieren verwendet werden.»

Besser als Spinat: weisse Melde

Die Pflanzenfachfrau ist stets auf der Suche nach unbekannten Gemüsesorten, welche in der Küche kaum (mehr) zum Einsatz kommen. So gibt es in ihrem dritten und neuesten Buch «Meine Küche im Frühling und Sommer», welches gerade erschienen ist, beispielsweise Rezepte mit Mönchsbart, weisser Melde, Tomatillo und essbaren Blüten. Experimentierfreudigen Köchen empfiehlt sie, offen zu sein für Pflanzen, die selten in der Küche landen: «Die weisse Melde beispielsweise ist bei uns vor allem als Unkraut bekannt. Dabei schmeckt sie fast besser als der gewöhnliche Spinat.» Überhaupt gebe es viele Sommerunkräuter, welche sich bestens für die Küche eignen, wie etwa das Franzosenkraut, welches sehr gut zu Kartoffeln passt.

Neben Gemüse spielen Kräuter in Meret Bisseggers Küche die Hauptrolle. Regelmässig streift sie durch Gärten und Wälder, um die aromatischen Gewächse zu ernten. «Kräuter gehören bei mir einfach dazu», so Bissegger. Im Sommer verwendet sie gerne die frische Variante, greift aber auch gerne auf getrocknete Kräuter zurück: «Viele schmecken fast besser, wenn sie getrocknet sind. Lippenblütler wie Oregano, Majoran oder Thymian schmecken hervorragend, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt geerntet und danach schonend getrocknet werden.» Einzig Kräuter wie Peterli und Schnittlauch verlieren beim Trocknen stark an Aromen und werden von Meret Bissegger daher am liebsten frisch eingesetzt.

Panna Cotta mit Fenchelblüten

Für die kreative Küche empfiehlt Bissegger Kräuter aus der Tagetes-Familie wie Huacatay oder Zitronen-Tagetes, aber auch weniger bekannte Doldenblütler wie Giersch oder Wiesenkerbel. «Diese wild wachsenden Kräuter muss man aber richtig bestimmen können, um sie nicht mit ähnlichen, giftigen Pflanzen wie etwa dem Gefleckten Schierling zu verwechseln», mahnt Bissegger. Wer sich zunächst nicht an fremde Zutaten wagen möchte, kann die Gäste auch mit Desserts aus Gemüse über- →

DAS REZEPT

ZANDER MIT FENCHEL UND OCABLÄTTER

Zutaten für 4 Personen

Zanderfilets 400 g Zanderfilets 1 EL Mehl 1 EL Olivenöl oder Butter Fenchelblätter

Den Fisch salzen, einige Fenchelblätter darauflegen und das Ganze im Mehl wenden. Öl oder Butter in eine Pfanne geben und den Fisch drei Minuten auf beiden Seiten braten. In der abgedeckten Pfanne beiseitestellen.

Ocablätter-Gemüse 4 St. Frühlingszwiebeln 2–3  Handvoll Ocablätter und -stiele 1 Prise Kräutermeersalz 1 TL rosa Pfeffer

Die Frühlingszwiebeln halbieren und einige Minuten in der Pfanne anbraten. Den unteren Teil der Ocablätter und -stiele in Scheiben schneiden, die Spitzen ganz lassen. Zu den Frühlingszwiebeln geben und ein bis zwei Minuten dünsten. Das Gemüse mit dem Kräutermeersalz und dem rosa Pfeffer würzen und zum Fisch servieren.

Der Säuregehalt der Blätter und Stängel des Knolligen Sauerklees (Oca) passt sehr gut zu jedem Fisch, aber auch zu Salzkartoffeln. Zum Gericht passt auch auf kleiner Flamme gebratener MiniFenchel, der am Ende mit etwas Sherry abgelöscht wird.

Meret Bissegger in ihrem Kräuter- und Gemüsegarten im Tessin.

raschen. In ihrem Buch stellt Bissegger beispielsweise Panna Cotta mit Fenchelblüten und Karotten-Zucchini-Pralinen vor. «Ich denke, es eignen sich fast alle Gemüse ausser Zwiebelgewächse für süsse Kreationen. Wir wagen uns diesbezüglich einfach noch zu wenig.» Denn viele Gemüse, gerade Wurzelgemüse, enthalten viel Zucker. «Kürbis und Kastanien eignen sich im Herbst natürlich wunderbar für Süssspeisen, und auch mit Zucchetti habe ich gute Erfahrungen gemacht. An Peperoni habe ich mich bisher noch nicht gewagt, würde aber nicht ausschliessen, dass auch dieses Gemüse in der richtigen Kombi funktioniert.»

Wer einen Blick in Meret Bisseggers Kochbücher wirft, merkt schnell, dass dort nicht nur Rezepte sowie Tipps und Tricks für die Küche zu fi nden sind. Die Bücher sind gespickt mit Beiträgen zu innovativen Produzenten, nachhaltigen Anbaumethoden und zu Organisationen, welche sich für eine umweltbewusste Ernährung einsetzen. «Ich will die Leser dazu anregen, darüber nachzudenken, was hinter den Produkten steckt.»

Viele lagern Gemüse falsch

Auch das Thema Foodwaste spielt eine Rolle: «Man spricht oft über das richtige Rüsten, dabei geschieht ein grosser Teil des Foodwaste schon bei der Lagerung. Es gibt immer noch Gastronomen, welche ihr Gemüse off en lagern – so erhält es zu wenig Feuchtigkeit und wird schon nach einer Woche schlapp. Wer sein Gemüse direkt vom Bauern bezieht, sollte zudem

HIRSE-MELDEAUFLAUF

Zutaten für 4 Personen

200 g Hirse 400 g Garten- oder weisse Melde 2 St. Eier 100 ml Rahm 20 ml Sherry 40 ml Weisswein 150 g Ricotta 1 St. gepresste Knoblauchzehe 3 EL geriebener Käse Paprikapulver, Muskatnuss und Pfeff er

Das Volumen der Hirse im Messbecher abmessen und die doppelte Menge Wasser bereitstellen. Die Hirse zuerst in reichlich kochendem Wasser eine halbe Minute blanchieren, danach das Blanchierwasser mit dem Schaum wegschütten. Die Hirse mit der zuvor abgemessenen Wassermenge wieder aufsetzen, zum Kochen bringen und die Hitze allmählich reduzieren. Die Hirse auf der abgeschalteten Platte quellen und danach auskühlen lassen.

Die Melde einige Minuten mit etwas Wasser zusammenfallen lassen, dann abkühlen lassen und grob hacken. Eier, Rahm, Sherry, Weisswein, Ricotta, Knoblauchzehe, Käse und Gewürze mischen. Dann die Hirse und die Melde dazugeben und in eine gebutterte feuerfeste Form oder in Portionsförmchen füllen. Im Ofen bei 180 Grad 40 bis 50 Minuten backen.

Für den Aufl auf können sowohl Blätter, Triebspitzen, Blütenstände als auch die Samen der Melde verwendet werden. Die Triebspitzen kann man jeweils nach dem Jäten einfrieren und nach Bedarf später verwenden.

auch krummes Gemüse kaufen, das nicht der Norm entspricht. Für die Weiterverarbeitung spielt das meist keine Rolle, und man kann so einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten.»

Meret Bisseggers Rezepte entstehen oft aus dem, was gerade da ist. So auch ihr

Foodwaste beginnt schon bei der Lagerung. Wird Gemüse nicht zugedeckt, verliert es schnell an Feuchtigkeit und wird welk.

Zander mit Fenchel und Ocablättern. «Ausgangspunkt war der Jungfenchel mit Wurzel von Biobauer Stefan Brunner in Aarberg/BE», so Bissegger. Zu Fenchel passt Fisch und zu Fisch passt Säure. «Ich habe mir einige Ocablätter aus dem Garten geholt. Oca ist eine Sauerklee-Art und daher schön sauer.» Alternativ passt auch Rhabarber dazu. Oca sind kleine, farbige Knollen, die roh oder gekocht gegessen werden können. Nicht nur die Wurzeln sind essbar, sondern auch die jungen Blätter und Stängel. Die weisse Melde, die Bissegger für ihren Hirse-Melde-Aufl auf verwendet, fi ndet sie ebenfalls in ihrem Garten. Melde schmecken besonders in der ersten Wachstumsphase hervorragend, etwa als Rahmspinat oder in Salaten, denen sie eine leichte Säure verleihen.

Nicht umsonst nennt Essensforscher Dominik Flammer Meret Bissegger «die einfl ussreichste, kreativste und avantgardistischste aller Köchinnen, in deren Küche ich je stehen durfte.» Die Pfl anzenexpertin zeigt: Wer innovativ sein will, muss nicht in fremde Länder reisen – vor der Haustüre gibt es noch unendlich viel zu entdecken. •

KONTAKT

Casa Merogusto Via Somergo 30 6713 Malvaglia Tel. 091 870 13 00 www.meretbissegger.ch

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BUCHTIPP

In Meret Bisseggers neustem Buch fi nden sich nicht nur Rezepte, sondern auch viele Hintergrundin formationen rund um die vorgestellten Gemüse- und Kräutersorten. Köche, die gerne ihre eigenen Kreationen entwickeln, fi nden hier Inspira tion und vielfältige Kombinationsmöglichkeiten. Neben 163 Gemüserezepten gibt es Informationen über Nachhaltigkeit und biologisch erzeugte Lebensmittel sowie Gemüseporträts und Tipps zum Vorbereiten, Aufbewahren und Zubereiten der vorgestellten Sorten.

«Meine Küche im Frühling und Sommer» Meret Bissegger, AT Verlag, ISBN 978-3-03902-053-9, 49.90 Franken

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