heuler #112

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Bleib, nimm den heuler in die Hand, du und dein Volk und lies ihn von der ersten bis zur letzten Seite. Wir wollen vor dir her senden einen Engel und ausstoßen die Kanaaniter anderer Studierendenmagazine, die Pharisäer, die sonst noch schreiben und die Heviter, die dich zu beeinflussen suchen und dich bringen in die Redaktion, darin Milch und Honig fließen. Und die Chefredaktion spricht weiter: Hier haben wir dir alle interessanten Texte gegeben, die es gibt, und jedes Thema, nach dem es dich dürstet. Dir diene es als Erkenntnis. 2. Mose, 33. Die Chefredaktion (Wiegand und Lea)

heuler -Autor_innen

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Redaktion

Fritz Beise

Jenny Pariser

Tom Seiler

Michel Wiedecke

Isabell Kilian

Anne Halbauer

Wiegand Körber

Theresa John

Michèle Fischer

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Lea Kroos

Anja Heidepriem

Steffen Dürre

Timo Breski

Tim Drechsel

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Ole Schulz

Martin Fietze

Tom Putensen

Kristin Eichner

Ich bin heuler – und du? Melde dich per E-Mail: redaktion@heulermagazin.de Maris Pedaja

Marcus Neick

Marie von Berg

Felix Barthelmes

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Und die Chefredaktion spricht zu dir:


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30 heuler – Das Studierendenmagazin Parkstraße 6, 18057 Rostock Tel/Fax: 0381-498-5608 / -5603 www.heulermagazin.de Nr. 112 | Januar 2016 Herausgeber Studierendenschaft der Uni Rostock Redaktionsleitung Wiegand Körber (V.i.S.d.P.) Lea Kroos redaktion@heulermagazin.de

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Ressortleitungen Michèle Fischer (Uni) uni@heulermagazin.de Isabell Kilian (Leben) studentenleben@heulermagazin.de Tom Seiler, Michèle Fischer (Politik) politisches@heulermagazin.de Anne Halbauer (Kultur) kultur@heulermagazin.de Michel Wiedecke (Online) online@heulermagazin.de Layout, Grafik, Illustration Steffen Dürre Illustration (soweit nicht anders angegeben) Theresa John Fotografie (soweit nicht anders angegeben) Jenny Pariser Korrektorat/Lektorat Anja Heidepriem, Lea Kroos

INHALT // AUSGABE 112 LEBEN 6 Wir bauen einen Club um die Musik herum 9 Deutschland durch die fremden Augen 10 Faszination Drogen 12 Obdachlosikeit 14 Pro und Kontra. Veganismus 15 Nächstenliebe „to go“ 16 Schwanger! Uni 18 Lieber Scharia-Schareck als Shrek Interview mit dem Rektor der Universität Rostock

22 Geht jetzt wieder alles von vorne los!? 23 Die fürnehmen und gar alten Traditionen deutscher Hochschulen 24 Dezernat 3 – Büro Bildungsbau 25 Alumnivereine – Verstaubte Traditionen oder wertvolle Angebote? 26 Poster zum Rausnehmen 28 Die Suche nach NS-Raubgut POLITIK 30 Politische Fassaden Rostocks

Geschäftsführung Fritz Beise gf@heulermagazin.de

32 Ein Interview mit Geflüchteten 34 Finanzielle Förderung durch die Studierendenschaft 35 Du gewinnst nicht mit Klappe halten Über die Studentische Prorektorin

36 Entwicklungen rassistischer Mobilmachung in MV 37 Landeskonferenz der Studierendenschaften 38 Zwischen Kleinigkeiten und Medienkontakten Kultur 40 Mach Grau zu Bunt und höre zu! 43 Das Hadern mit der Geschichte Eine Rezension

44 Madsen macht's maritim Ein Interview

46 Laufen lernen auf den Brettern, die die Welt bedeuten 48 Kultour 50 Rostock in 100 Worten 51 Theresas Campus-Comic Szenen aus der Redaktion

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Redaktionelle Mitarbeit Tom Putensen, Bartholomäus Schink, Felix Barthelmes, Loni Zacher, Martin Fietze, Timo Breski, Maris Pedaja, Tim Drechsel, Leonie und Vincent, Marie von Berg, Kristin Eichner, Marcus Neick, Ole Schulz Redaktionssitzung gerade Woche, Dienstag, 19:30 Uhr Die Meinung der Autor_innen muss nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln. Den Autor_innen wird freigestellt zu gendern. Lizenz Creative-Commons by-nd 3.0 DE. Inhalte können unter Angabe von Urheber_in und Magazinname verwendet werden. Ausnahmen sind durch © gekennzeichnet. Druck altstadt-druck GmbH Rostock Auflage: 3.000 Exemplare Erscheinungsweise: quartalsweise Es gilt die Anzeigenliste 6/15. ISSN 2363-8109


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LEBEN Das Ressort Leben hält in Ausgabe 112 vielfältige Themen bereit. Eine Diskussion über die Vor- und Nachteile der veganen Ernährung und einen satirischen Artikel zur Drogenkultur. Der wohl interessanteste Text beschäftigt sich mit Obdachlosigkeit. Hierbei suchten unsere Autoren das persönliche Gespräch, um aus erster Hand Antworten auf Fragen zu erhalten, die vermutlich schon jedem durch den Kopf gingen. Passend dazu soll im Anschluss ein aus Italien stammender Brauch vorgestellt werden, der den Alltag von Obdachlosen vielleicht angenehmer gestalten könnte und zuletzt ein Erfahrungsbericht zum schwierigen Thema der ungewollten Schwangerschaft. Viel Spaß beim Lesen!

Wir bauen einen club um die Musik herum

Isabell Kilian

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Techno in Rostock hat eine neue Heimstatt im gesichtslosen Gewerbegebiet hinter dem Bahnhof: Das Kraftwerk. Im Inneren des ehemaligen Heizhauses im stalinistisch-klassizistischen Charme trifft elektronische Musik auf industrielles Äußeres und verschmilzt zu einer faszinierenden Einheit aus Klang und Kulisse. Autor Wiegand Körber wird das Gefühl nicht los, dass die Tür zum Kraftwerk der Eingang zum Fluxkompensator ist.

Manchmal ist der Bäckergeruch lecker genug und lockt den müden Körper unaufhaltsam zum Hauptbahnhof Süd und der Bäckerei, die schon lange keinen Studierendenrabatt mehr anbietet. Im Kopf dröhnt es nach, hartnäckig hämmert der Beat zwischen linkem und rechtem Ohr weiter, während die mittäglichen Reisenden geschäftig umherwirbeln, wie Wesen aus einer anderen Dimension. „Bässe, die dir die Füße wegschlagen und Höhen, die dir den Kopf rasieren“, nennt Yavin den Grund für dieses Phänomen, wenn die Kontaktaufnahme zum Alltagsleben der meisten Menschen unmöglich ist, weil zu Tanz gewordene Nächte Wahrnehmung und Empfinden gedreht haben. Man kann sich gut vorstellen, wie Yavin, Mittvierziger mit Bauch und kahler Stelle auf dem Kopf diesen Satz sagt, während er am Rand der Tanzfläche steht und an einem Cola-Wodka nippt. Sein Blick schweift zufrieden über die Leute, die sich zur Musik bewegen, die aus seiner Anlage schallt, in der „neuen Kirche des Techno“, wie es Olli, Teil des Techno-Duos Maré nennt – dem Kraftwerk Rostock. Wenn man länger mit Yavin spricht, dann geht es viel um Musik, das DJ-Handwerk und die Anfänge in MV, als es selbstverständlich war, die Strecken nach Schwerin, Neukloster und Burg Stargard für die zwei bis drei, sich elektronischer Musik widmenden Veranstaltungen im Monat, zurückzulegen. Weniger gern redet Yavin über Behörden, Zulassungen und Auflagen, also all das, was den Club schon seit über einem Jahr an

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der Entfaltung hindert und ihn, den eigentlichen Clubleiter, zu einem Vereinsvorsitzenden degradiert. Dabei ist Yavin ein Art Punk, zumindest fällt dieses Wort in seinen Ausführungen auffällig oft. „Punk“ erinnert an die wilde Zeit der neunziger Jahre, als der Techno nach der Wende von Berlin aus in die vereinigte Bundesrepublik strömte und sich bei illegalen Raves in Industrieruinen und Kellerräumen seinen Platz als Subkultur erarbeitete. Glaubt man Yavin, dann war Techno in dieser Zeit wilder, anarchischer und weniger auf Profit bedacht als heute. Was jedoch im Umkehrschluss die Etablierung verhinderte – die jungen Leute, welche die Partys veranstalteten, waren eher Punks als Unternehmer, die entsprechenden Clubgründungen waren immer nur von kurzer Dauer. Vielleicht waren es die Gedanken an die Zeit der anarchischen 90er und die damit verbundenen schönen Erinnerungen, die dazu geführt haben, dass der erste Versuch einer Clubgründung grandios scheiterte. Im Jahr 2013, nachdem Yavin und seine MitstreiterInnen das sich in Auflösung befindliche Gebäude in der Erich-Schlesinger-Straße 49b notdürftig saniert hatten, fanden die ersten Partys im Kraftwerk statt. Ganz im Geist der 90er, unangemeldet und ungeplant, mehr aus einer Laune heraus. Was dann aber geschah, ist wie eine Metapher auf den Unterschied der Jahrzehnte selbst: Bei einer der ersten Partys hielten plötzlich mehrere Transporter der Polizei mit Blaulicht und Sirenen nachts im Gewerbegebiet, in dem der gedämpfte Bass zwischen Nordex und Sparre-


„Wir bauen einen Club um die Musik herum“, beschreibt Yavin seine Vision, die durch diesen bürokratischen Zwischenschritt zwar einen Dämpfer, nicht aber ein Ende erfahren hat. Und diese lautet weiterhin: Den Geist aus den Anfängen der elektronischen Musik zu bewahren und in die zweite Generation Techno zu tragen, zu den Nach-WendeKindern, die die Clubs nun bevölkern. Denn mit der Etablierung zog auch der Kommerz in die Szene ein. Handelsübliche Veranstaltungen elektronischer Musik gleichen oft Konfettischlachten bei denen besonders Wert auf bedruckte Turn- und Jutebeuteln gelegt wird und deren TeilnehmerInnen weit weniger aus musikalischem, denn aus Interesse an den großen Namen der Szene kommen. Im Kraftwerk ist das anders, „hier zieht sich der old-school durch“, sagt Yavin stolz. Und: „Die DJs sollen merken, dass wir sie wegen ihres Könnens holen“. Anders als in herkömmlichen Clubs spielen die DJs nie unter 3,5 Stunden, denn, so die Begründung Yavins: ein DJ braucht Stunden, um eine Geschichte zu erzählen. All das lässt sich nur realisieren, weil die Gäste zum größten Teil auch selber als Mitglieder engagiert sind und ein Interesse am Fortbestand ihres, der elektronischen Musik gewidmeten Domizils haben, so ließe es sich sagen. Yavin nennt es anders: „Die Leute kommen hier nicht hin, um zu vögeln, sondern um zu tanzen.“ Das ist bei den Partys als Gefühl allgegenwärtig: Niemand steht herum und glotzt, es gibt keine Handgreiflichkeiten und nicht vermeidbare Rempler werden beiderseitig mit großen Gesten entschuldigt oder ignoriert, weil Musik und Konsum über derartige Nichtigkeiten hinwegsehen lassen. Dass alle Partys Privatveranstaltungen sind und ein Verkauf alkoholischer Getränke damit ausgeschlossen ist, trägt zu dieser Ausgelassenheit in besonderem Maße bei. Letzte Frage daher an Yavin: Wie hältst du es mit den Drogen? „Die Musik sollte immer die wahre Droge sein.“

Werk waberte. Dutzende Polizisten entsprangen den Wagen, stürmten in filmreifem Auftreten den Club, stellten die Musik ab und beendeten die Party rabiat. Doch anders als in den 90ern kam es weder zu Konflikten mit den anwesenden Polizeikräften, noch stellte das Eingreifen der Staatsmacht das Ende des Clubs dar. Im Gegenteil: Die GründerInnen beugten sich dem Ordnungsgebot deutscher Behörden und forcierten fortan die Legalisierung über den vorher gegründeten Kunst- und Kulturverein Kraftwerk. Seitdem werden Veranstaltungen nur für Vereinsmitglieder und sogenannte Testmitglieder durchgeführt, wobei es von ersteren um die 200 gibt und letztere für eine Testmitgliedschaft und zum Kennenlernen einige Zeit am Vereinsleben teilnehmen dürfen. Das ist nötig, denn die Auflagen der Ämter, die vor allem gastronomische und bauliche Vorschriften betreffen, befinden sich noch in der formalen Anerkennungsphase.

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Bei Kommunalwahlen und Volksabstimmungen darfst du mitwählen Einwohnermeldeamt Stadtmitte Neuer Mark t 1a 18055 Rostock


Deutschland durch die fremden Augen

Die Gewohnneit, jeden Morgen warme Brezeln zu kaufen oder mit dem Fahrrad zur Uni zu fahren, kann den deutschen Studierenden selbstverständlich sein. Wie sieht es aber für ausländische Studierende aus? Autorin Maris Pedaja hat sich jetzt an den Rostocker Rhythmus gewöhnt.

Regel nur außerhalb der Stadt. Hier gehöre ich aber auch zu der „Fahrradfahrer_innenGruppe“ und fühle mich in der Stadt wirklich wie eine Königin.

„Woher kommst du?“ „Aus Estland.“ „Aus…?“ Solche Reaktionen sind mir schon bekannt, wenn ich mich neuen Leuten vorstelle. Stimmt: Ich komme aus dem Land mit nur 1,3 Millionen (Komma drei ist ziemlich wichtig!) Einwohnern_innen – deswegen sank auch unsere prozentuale Einwohnerzahl deutlich nach meinem Umzug. Ich komme aus dem Land, das mit Mooren, Sümpfen und Wäldern bedeckt ist, aus dem Land, wo es nur zwei Städte gibt, die ein bisschen größer sind als ein zwanzigminütiger Spaziergang von einer Seite zur anderen. Zum Vergleich: Die zweitgrößte Stadt Estlands – meine Heimatstadt – ist halb so groß wie Rostock. Die ersten Eindrücke Ich bin Ende September in Rostock angekommen und kann mir mein Leben nicht mehr ohne warme Brezeln und dem gemütlichen DHL Paketdienst vorstellen. Es war gar nicht so schwer, sich an den Rostocker Rhythmus zu gewöhnen, wie ich gedacht hatte. Weil die Deutschen schon immer die estnische Geschichte stark beeinflusst haben, gab es keinen großen Kulturschock für mich: Alles funktioniert hier wie zu Hause. Die Menschen sehen ähnlich aus, die Autos sehen ähnlich aus, die Fahrräder sehen ähnlich aus … Eigentlich ist es nicht ganz wahr. Auf den ersten Blick können die Fahrräder und Autos natürlich genauso aussehen wie zu Hause, aber wie das ganze Verkehrssystem funktioniert –

das ist schon etwas anderes. In Estland ist das System so aufgebaut, dass Fußgänger_innen im Verkehr am wichtigsten sind. In übertragener Bedeutung könnte man Fußgänger_innen sogar mit den König_innen vergleichen, weil sie viele Vorrechte genießen dürfen. Zum Beispiel fällt mir ein, dass die Fußgänger_innen in Estland weniger auf die Autos achten. Hier gehört der Status des Königs meiner Meinung nach den Fahrradfahrer_innen. In Estland sollte man ein bisschen selbstmörderisch sein, um überhaupt die verrückte Idee zu haben, mit dem Fahrrad in die Stadt zu fahren. Da gibt es kaum ordentliche Fahrradwege und Parkplätze – deshalb nutzt man sein Fahrrad in der

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Die Großzügigkeit der Menschen Wenn ich Rostock mit meiner Heimatstadt vergleiche, fällt mir als Erstes auf, dass die Menschen hier viel liberaler sind. Ich spreche natürlich über die Art, wie die Flüchtlinge behandelt werden. Ich habe bemerkt, dass es hier eher eine überwiegende Tendenz gibt, die Flüchtlinge zu unterstützen. Natürlich ist mein Eindruck subjektiv, weil ich hier in einer Campus-Blase lebe – ich unterhalte mich fast nur mit den zwanzigjährigen Studierenden, die oft sowieso eine liberalere Lebenseinstellung haben als die Fünfzigjährigen. Trotzdem habe ich auch in meiner Heimatstadt zwischen den jungen Studierenden gewohnt. Im Allgemeinen – natürlich gibt es auch Ausnahmen – sieht die Denkweise dort anders aus: Man stimmt zu, dass das Problem dringend eine Lösung braucht, aber zeigt selbst weniger Initiative, um etwas zu ändern. Große Aktionen wie zum Beispiel Rostock hilft gibt es noch nicht. Mit jedem Tag wird mir Rostock immer lieber und ich habe das Gefühl, dass ich im Moment zwei Heimatstädte habe: Tartu und Rostock. Wie ich mich in der Zukunft zwischen diesen Städten teilen werde – das ist eine Frage, um die ich mich später sorge. Jetzt ist mein Ziel, das Leben in Rostock möglichst viel zu genießen.


Faszination Drogen

Drogenkultur ist so alt wie die Menschheit selbst. Ob im Neandertal oder dem antiken Griechenland, der Wunsch nach Rauschzuständen begleitet die Menschheit schon immer. So wundert es nicht, dass dieses Phänomen nie ganz ausgestorben ist. Autoren Timo Breski und Tom Putensen trinken Doppelkorn und rauchen Bong wegen des Geschmacks.

momentan vertrag ich zu viel, da reicht das Geld nicht.“ „Guck mal, dieser Rotwein kostet nur 1,59 Euro.“ Dem einen mögen diese Zitate sehr ungewohnt vorkommen, für andere stehen sie nahezu auf der Tagesordnung. Darüber, dass sogar manche sich ihre potentiellen PartnerInnen schön trinken müssen, brauchen wir nicht zu sprechen. Ein sehr eleganter Weg, um sich in die unendlichen Weiten des Rausches zu stürzen, sind Trinkspiele. Ob Looping Louie, Kings Cup, Flunkyball oder Bierpong – jedes Spiel hat seine eigenen Varianten, voll wird man bei allen. Kreative Köpfe haben den Motor von Louie so modifiziert, dass er schneller fliegen und man sich noch schneller besaufen kann. Andere spielen Flunkyball im Wohnungsflur. Der festlichen Selbstzerstörung sind also offensichtlich keine Grenzen gesetzt. Doch wieso das Ganze? Müssen gute Abende oder Partys immer mit Alkohol in Verbindung stehen? Kann man nicht auch einfach so Spaß haben? Alle hatten schon mal den Kater des Lebens und sich geschworen, nie wieder auch nur einen Schluck zu trinken, denn das „tötet ja Gehirnzellen“ und „macht dumm“. Allerdings ist diese Tatsache umstritten. Hier die Entwarnung in Form einer sehr wissenschaftlichen Erklärung: Die Schmerzen des Katers werden nicht durch Absterben der Zellen, sondern durch den Druck, der durch Anschwellen der Hirnhäute entsteht, hervorgerufen. Es lösen sich zwar die Verbindungen, die Dendriten, zwischen den Nervenzellen und sorgen so für eine Zellrückbildung,

Das Interesse an Natursubstanzen wie Fliegenpilzen, Holzrosen etc. hat zwar abgenommen, doch wird der Markt heute von extrahierten oder komplett synthetisierten Wirkstoffen überschwemmt. Hochentwickelte Chemie, die nur dazu dient, einem Menschen das größte Maß an Genuss vorzuspielen und durch die Technologisierung des Konsums immer potentere und leider auch gefährliche Mittel hervorbringt. Eine rituelle Fliegenpilzzeremonie in steinzeitlichen Kreisen lässt sich ebenso wenig mit moderner Konsumkultur vergleichen, wie sich natürliches Cannabis mit den ausschließlich zu Rauschzwecken gezüchteten Pflanzen in Hydroponikkulturen vergleichen lässt. Der Mensch wird in seinem Konsumwillen sich selbst gegenüber immer rücksichtsloser und vernachlässigt Gefahren der modernen Vergnügungsindustrie. Die Gesetze in Deutschland vermögen es nicht, den Konsumenten zu schützen, sondern liefern ihm vielmehr den Gefahren des Schwarzmarktes aus und bestrafen ihn im Zweifel für seinen menschlichen Vergnügungsdrang. Dem Konsumenten bleibt nur, sich selbst zu schützen und einen verantwortungsvollen Umgang mit Drogen zu pflegen. Zwar kann dies die gesundheitlichen Gefahren leicht verringern, sie jedoch nie eliminieren. Wieweit sich jemand von Stimmungsaufhellern beeinflussen lässt, bleibt ganz unterschiedlich und folgt ganz eigenen Regeln. „Nüchtern kann ich nicht ins LT gehen.“ „Noch eine Mische und dann können wir tanzen.“ „Ich muss mal ’ne Alkoholpause machen,

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jeglicher Art, größere Mengen Cannabis oder einfach nur das Pech besitzen, einen konservativen Kommissar vor euch zu haben, könnt ihr mit einem aufwendigen Gerichtsprozess und im Zweifel hohen Strafen rechnen. Ebenso wenig kann man sich bei Drogenkonsum im Straßenverkehr, Schmuggel, Verkauf oder Herstellung von Rauschgiften herausreden. Teilt man sich mit zwei Freunden eine Cannabispflanze, so zählt dies bereits zur organisierten Kriminalität und kann mit hohen Strafen belangt werden. In der Welt der Handrückentätowierten treten all diese Probleme nicht auf. Jene bezeichnen sich als Straight Edge. Sie lehnen jegliche Form von Drogen und freier Liebe ab und sind oft überzeugte Vegetarier. Ursprünglich wurden Minderjährige von Türstehern in Clubs mit einem „X“ auf der Hand versehen, damit sie keinen Alkohol und keine Zigaretten kaufen konnten. Ein Vertreter der Hardcoreszene, welche eigentlich eine Einstellung pro Exzess und pro Drogen ausstrahlt, machte sich dieses Prinzip zu eigen und gründete 1981 diese Jugendbewegung. In Deutschland gibt es etwa 15.000 Vertreter. Ob die Straight Edger mit dieser Lebenseinstellung glücklicher sind, sei dahingestellt, auf jeden Fall kann man sie sich zum Vorbild nehmen. Zu behaupten, man habe nur schlechte Erfahrungen mit Rauschmitteln gemacht, wäre genauso gelogen, wie alle Mittel zu verherrlichen. Was immer im Vordergrund stehen sollte, ist das Besondere.

allerdings können sich diese nach langjähriger Abstinenz wieder neu verknüpfen. Also kein Grund zur Sorge, sondern: Prost! Noch viel mehr scheiden sich die Geister beim Cannabiskonsum. Überzeugte Langzeitkonsumenten befürworten das Kiffen und sprechen den Marihuanapflanzen Eigenschaften zu, die denen einer Wunderheilpflanze ähneln. Viele Websites, Blogs und auch YouTube-Kanäle verharmlosen die Auswirkungen und argumentieren für Cannabis, indem sie es mit anderen Drogen vergleichen, es als unschädlich einstufen und somit die Harmlosigkeit nahezu erzwingen. Generell hat die ältere Bevölkerung eine ausgeprägte Anti-Haltung. Dafür sorgte die vor allem in den 30er Jahren betriebene Propaganda gegen Marihuana, welche die Droge als weitaus gefährlicher darstellte, als sie ist. Außerdem tragen die Medien auch heute noch einen erheblichen Teil dazu bei. Fest steht, so gesund sie sich auch „ernähren“, viele Kiffer sind phlegmatisch, prokrastinant und vergessen manchmal gern die Pizza im Ofen. Nicht alle sind sich der möglichen Auswirkungen ihres Verhaltens bewusst. Allein die rechtliche Grundlage wäre Grund genug, sich diesen Bereich des Lebens vorzuenthalten. Besonders Mecklenburg-Vorpommern fährt für den norddeutschen Raum eine relativ restriktive Drogenpolitik. So hält es sich vor, jedes Betäubungsmittelvergehen, also auch Besitz eines Beutels mit Restanhaftungen Cannabis, zu verfolgen. Zwar ist die Regel, dass bei Besitz von weniger als 5 Gramm Cannabis die Anzeige fallen gelassen wird, solltet ihr aber noch andere illegale Substanzen

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Wenn man will, kann man überleben

Obdachlosigkeit ist leider ein Thema, dass bei jedem Stadtspaziergang durch die Innenstadt erneut Fragen in uns aufwirft. Warum? Was tun? Lächeln oder weggucken? Geld geben oder nicht? Welche Schicksale und welche Hoffnungen verbergen sich hinter den von Kälte geröteten Gesichtern? Autoren Timo Breski und Tom Putensen gingen der Sache auf den Grund und waren positiv überrascht.

Wir haben ein Interview mit einer Obdachlosen geführt. Ihr Name ist Viola. Sie ist schon viele Jahre auf der Straße und lebt aktuell davon, vor einem Supermarkt die Obdachlosenzeitung „Strohhalm“ zu verkaufen. Sie erzählte uns von ihrem Leben auf den Straßen Deutschlands, über Rostock, über ihre Hunde, ihre Freunde und was sie sich von den Menschen in den Städten wünscht. Viola: Ich bin Viola, komme gebürtig aus Sachsen und lebe schon längere Zeit auf der Straße. Ich war schon in ganz Deutschland unterwegs und habe leider immer wieder schlechte Erfahrungen gesammelt. Des Öfteren wurden wir im tiefsten Winter aus unbewohnten Kellern rausgeworfen, in die wir uns eingenistet haben. Heuler: Von den Hausbesitzern? Viola: Meistens von der Polizei. Man hat allgemein den Eindruck, die Polizei hätte etwas gegen Obdachlose. Wenn wir irgendwo Zelte aufbauen, wo sie niemanden stören, werden wir nachts von der Polizei aus dem Park vertrieben, sie verbieten es einem seine Einkaufswagen einfach irgendwo abzustellen und wir dürfen keine Gaskocher verwenden, da sie eine Brandgefahr bilden. Ich hab also kein warmes Essen.

Wie sieht dein Tagesablauf aus bzw. was machst du so generell? Ich bin ein Engel. Deswegen bin ich auch so angezogen, wie ich es bin. Ich helfe anderen Menschen, das ist meine Aufgabe. Und es ist auch ganz egal aus welcher Sozialschicht die kommen oder aus welchem Land die sind. Ich bin da, wo die Armut ist und wo Hilfe gebraucht wird. Ab und zu bin ich auch bei einer Obdachlosenhilfestelle und berichte davon, wie es momentan auf den Straßen aussieht. Ich habe letztens auch mal einen Bericht über Obdachlosigkeit für eine Zeitung in Berlin geschrieben. Ich war bei vielen Stellen und habe teilweise auch keine guten Erfahrungen mit den Behörden gemacht. Aber die machen ja auch nur ihren Job. Wie ist denn der Umgang der Zivilgesellschaft mit den Obdachlosen, kommt es oft zu Übergriffen? Leider immer wieder ... Einmal wurde ein schlafender Obdachloser am Steintor mit einer Zigarette beworfen, woraufhin er bei lebendigem Leibe verbrannt ist. Das liegt zwar schon ein paar Jahre zurück, aber Pöbeleien kommen auch immer wieder vor. Außerdem werden in Berlin die Hunde von Obdachlosen weggenommen, um diese zu Mützen zu verarbeiten. Die Leute haben einfach ein sehr schlechtes

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Bild. Deswegen haben es viele auch so schwer eine Wohnung zu finden. Vermieter wollen keine Obdachlosen in ihrer Wohnung, aus Angst die Miete würde nicht gezahlt, auch wenn diese teilweise ein festes Einkommen haben. Ist das das Hauptproblem? Es gibt viele Probleme. Ein Großes Problem ist auch die Kaution. Wie soll jemand, der 5 Euro am Tag erschnorrt jemals 1.000 Euro Kaution bezahlen können? Deshalb sind auch Hilfsvereine extrem wichtig. In Berlin gibt es einen Bus, der nachts umherfährt und die Obdachlosen mit Decken, Tee und warmem Essen zur Seite steht. Man braucht einfach auch ein warmes Essen, sonst macht man es grade im Winter nicht lange. Da muss man auch mit dem Alkohol besonders vorsichtig sein. Man merkt nicht, wie man friert und wenn man einschläft, ist es oft schon zu spät. Ich bin allerdings kein Fan von Alkohol. Ich kenne aber viele, die abhängig sind und nicht ohne können. Ich habe vielen gesagt, dass es nicht die Lösung des Problems ist, aber die ließen nicht mit sich reden. Dafür rauche ich aber meine paar Zigaretten am Tag. Hast du eine Familie? Ja, ich habe vier Kinder. Allerdings habe ich


keinen Kontakt zu ihnen, weil sie schon damals zu Pflegeeltern gebracht wurden. Die wissen auch gar nicht, wo ich momentan lebe. Das letzte Mal ist schon länger her. Ich glaube, sie schämen sich auch für mich. Das möchte ich ihnen auch nicht antun. Aber solange es ihnen gut geht, bin ich glücklich. Ich weiß aber, dass mein einer Sohn studiert und meine Tochter was Soziales macht. Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass du auf der Straße lebst? Das ging alles damals in Chemnitz los, kurz vor der Wende. Ich habe demonstriert und geriet in Streit mit der Polizei. Damals haben sich die Leute noch getraut den Mund aufzumachen, heute tuscheln alle nur noch und lassen alles über sich ergehen. So genau weiß ich das auch gar nicht mehr. Ich bin dann aus der Wohnung geflogen, mein Mann war eh ein Messi. Und die Kinder haben sie mir dann auch weggenommen. Dann habe ich erst mal versucht das Beste aus der Situation zu machen. Daran habe ich mich schnell und gut gewöhnt und bin seitdem auf der Straße. Das kann jeden schnell mal treffen. Wenn du mit einem Mal alles verlierst, dann weißt du nicht, was du machen sollst. Da landest du schnell mal auf der Straße. Es ist nicht das tollste Leben, aber ich finde mich damit ab und mache das Beste daraus.

Hast du vor, wieder in einer Wohnung zu wohnen? Na klar! Ich habe teilweise auch in einer Wohnung gewohnt. Allerdings wollte der Vermieter nicht, dass ich meine Hunde in der Wohnung habe und deswegen wurde ich rausgeschmissen. Das habe ich dreimal durch und will mich aber nicht gegen die Hunde entscheiden, dafür sind die mir zu wichtig. Ich kann mich auch gar nicht mehr ins Bett legen. Das letzte Mal war bestimmt vor 30 Jahren. Ich habe mich dann immer mit einem Schlafsack davor gelegt. Ich möchte gern in einer Wohnung wohnen. Ich glaube aber, dass die Vermieter ein Problem mit Obdachlosen haben und nicht wollen, dass sie in ihren Wohnungen leben. Jedenfalls hatte ich immer den Eindruck. Das ist sehr schade, dass Menschen solche Vorurteile haben. Eine andere Familie konnte auch mit einem Hund einziehen. Das ist nicht fair. Viola hat uns im Interview einige Einblicke in das Leben auf der Straße gegeben. Es ist schwer vorstellbar, dass das Leben einen solchen Weg gehen kann, dass man obdachlos wird und aus diesem Teufelskreis nicht mehr rauskommt. Viola wirkte auf uns als eine einerseits hoffnungsvolle, andererseits aber auch verzweifelte Person. Um Menschen, die sich in einer solchen Situation befinden, zu helfen, bedarf

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es einer intensiven, wie auch fundamentalen Hilfestellung, damit jene wieder in die Gesellschaft aufgenommen werden und einen geregelten Alltag genießen können. Auf die Frage, was Viola sich wünsche, antwortet sie, dass sie es schön fände, wenn die Menschen nicht mit angeekeltem Blick an ihr vorbeigehen, sondern sich eher für sie interessierten. Sie steht meistens vor dem Rewe in der Nähe vom Doberaner Platz und freut sich, gerade jetzt im Winter, über ein paar aufwärmende Wortwechsel oder auch einen heißen Becher Kaffee! Wie ist die Situation der Obdachlosen in Rostock und welche Hilfsangebote gibt es? Antworten auf heulermagazin.de!


Veganismus pro & Kontra

Dass vegane Ernährung nicht nur etwas mit komischem Hipstertrend und Katjes-Vital-Öko-Schlankheitswahn zu tun hat, sondern auf einer rationalen Begründungsbasis steht, ist womöglich noch kein Allgemeinwissen. Im Folgenden habe ich die wichtigsten Argumente, welche ohne waghalsige Zahlenspiele und esoterische Annahmen auskommen, zusammengefasst. Ethisch: Dass der Mensch eine ethische Sonderstellung genießt, geht wohl auf Descartes und Kant zurück. Allerdings wackelt das Fundament, wir seien die einzigen Lebewesen, die über Intelligenz, Selbstbewusstsein, Fähigkeiten des strategischen Planens etc. verfügen. Bestimmte mentale Aufgaben erledigen Affen z. B. besser als wir. Wenn wir also die Kriterien für ethische Berücksichtigung bei mentalen Fähigkeiten ansetzen, so schneiden vor allem Kleinkinder, Säuglinge und mental Beeinträchtigte schlecht ab im Vergleich mit Tieren, deren auferlegtes Lebensziel die Transformation zu einer Currywurst ist. Aber Säuglinge haben doch immerhin das Potenzial zu diesen mentalen Fähigkeiten, möchte man erwidern. Erstens kann man eine Entwicklung nie sicher voraussagen und zweitens, wie Peter Singer einbringt, gibt es keine Regel dafür, dass ein potenzielles X den gleichen Wert hat wie ein X. Ein Kronprinz habe nicht die gleichen Rechte wie ein König. Oder: auch wenn wir alle schon eine Menge ECTS gesammelt haben, wird es uns dennoch nicht gestattet sein, uns einfach Bachelor oder Master zu nennen. Ökonomisch: Konsequente Vertreter des Mini-Max-Prinzips werden erkennen, dass es ökonomisch paradox und ineffizient ist, eine Unmenge an Pflanzen und Getreide an Tiere zu verfüttern, damit diese es in eine geringe Menge Fleisch verwandeln. Alle Nahrung direkt aufnehmen, anstatt durch den verlustreichen Umweg über den Tiermagen wäre eine Maßnahme gegen Welthunger. Selbiges gilt übrigens auch für Trinkwasser. Ökologisch: Dass ein Löwenanteil der menschengemachten Klimaerwärmung durch die Massentierhaltung verursacht wird, ist hinlänglich bekannt. Grund dafür sind nicht nur die Transporte, sondern der Methanausstoß, vor allem durch Rinder. Die Industrie treibt die Zahl der Tiere übermäßig in die Höhe. Gesundheitlich: Zunächst sei erwähnt, dass fast alle Studien zur Schädlichkeit von Ernährung Korrelationsstudien sind, denn Experimente ließen sich ethisch nicht vertreten. Dennoch stehen Fleisch und vor allem Milchprodukte dringend im Verdacht, Krebs zu erregen. Des Weiteren sollen sie, sofern man nicht immens viel Ausdauersport betreibt, das Hirn daran hindern, Serotonin zu produzieren. Dieses Hormon ist auch als das „Glückshormon“ bekannt. Andere Faktoren wie die zunehmende Laktoseintoleranz, lassen ebenfalls Raum für Spekulationen.

Immer mehr Menschen reflektieren ihr Essverhalten und besonders unter Studierenden finden diverse Trends großen Anklang. Kein Fleisch zu essen ist längst nicht mehr so ungewöhnlich, wie es einmal war. Doch viele verzichten vollkommen auf tierische Produkte. Dies ist meist ethisch begründet: das Leiden von Tieren soll beendet werden. Viele Menschen, die vegan leben, versprechen sich aber auch eine bessere Gesundheit und weniger Umweltschäden. Veganismus ist noch nicht lange ein massentaugliches Phänomen, weshalb wissenschaftliche Untersuchungen zu den gesundheitlichen Implikationen bisher selten und unzuverlässig sind. Der Einfluss auf die Lebenserwartung ist unklar, könnte jedoch verglichen mit pescetarischer Ernährung (kein Fleisch, aber Fisch) sogar negativ sein. Warum? Der Körper benötigt manche tierische Lebensmittel. Gewisse Stoffe (Vitamin B12, Vitamin D, Omega-Fettsäuren, Calcium usw.) werden nicht oder nur in unzureichender Menge durch den menschlichen Körper produziert und können nur schwierig durch rein pflanzliche Ernährung aufgenommen werden. Das Leiden von Tieren beenden zu wollen ist unbestreitbar ein ehrenwertes Vorhaben, nur stellt sich die Frage, wie realistisch es ist. Moderne Milchkühe beispielsweise sind dahingehend gezüchtet, jeden Tag Milch zu geben. Tatsächlich warten sie darauf – wird ihnen die Milch nicht abgenommen, erzeugt das starke Schmerzen. Die meisten Nutztiere sind darauf ausgerichtet, Menschen mit Eiern, Milch etc. zu versorgen. Fiele der Konsum dieser Produkte weg, könnten diese Tiere in der heutigen Form kaum mehr existieren. Außerdem stellt sich die Frage des Ersatzes. Ein Großteil der weltweiten Sojaproduktion ist genetisch manipuliert, es wird viel Regenwald dafür gerodet und die Anzeichen verdichten sich, dass Soja in größeren Mengen zu gesundheitlichen Nachteilen bis hin zu Unfruchtbarkeit bei Männern führen kann. Zuletzt ist die Auswahl von rein veganem Essen im Alltag sehr schwierig, was oft Stress und Verzicht bedeuten kann, während andere ihr reichhaltiges Essen genießen. Das klingt zynisch, aber es steckt ein wahrer Kern dahinter. Zum Beispiel muss Mensch erst das Geld (zum Einkaufen), die Zeit (zum Zubereiten) und die Informationen über alle möglichen Produkte haben, um durchgehend vegan leben zu können. Und am Ende möchte ich kein schlechtes Gewissen haben, nur weil ich etwas mit Ei- oder Milchbestandteilen gegessen habe. Autor Tom Seiler könnte einfach niemals auf Käse verzichten.

Autor Tim Drechsel hofft, dass der Vegan- und Ökotrend bald vorbei ist, damit er endlich wieder in einen Big Mac beißen kann.

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Ein aus Neapel stammender Brauch, dessen Ursprung in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg liegt, blüht nun weltweit wieder auf: die Idee des aufgeschobenen Kaffees. Autorin Isabell Kilian möchte auch in Rostock Kaffee aufschieben.

In Neapel ist er seit dem ersten Weltkrieg überall zu haben – auch einige Cafés in Bulgarien, Spanien, Südamerika und Australien bieten ihn schon an: den aufgeschobenen Kaffee. Zwar ist er auch im Westen Deutschlands bereits zu haben, grundsätzlich ist die Idee allerdings noch recht unbekannt. Dabei ist der Leitgedanke einfach wunderbar: der Kunde bestellt eine Tasse Kaffe und bezahlt – wenn er möchte – für zwei. Der zweite aufgeschobene Kaffee wird notiert und später einem Bedürftigen auf Nachfrage kostenlos ausgeschenkt, der so sein vermutlich einziges warmes Getränk des Tages erhält. Dieser sogenannte Caffè sospeso entstand zur Zeit des ersten Weltkriegs in Neapel. Damals war nur die reiche Oberschicht imstande, sich den täglichen Kaffee zu leisten. Wer sich jedoch einen leisten konnte, konnte sich auch einen zweiten genehmigen. Auf diese Weise entstand die Idee und jemand, dem das nötige Kleingeld fehlte, konnte vorbeikommen und nach einem aufgeschobenen (oder auch schwebenden) Kaffee fragen. Vor allem zur Weihnachtszeit ist dieses Prinzip üblich. Für die Nörgler und Pragmatiker unter euch: Dass ein solcher Kaffee nicht die Lösung des Kernproblems jener Hilfsbedürftigen ist, ist vermutlich jedem klar. Und auch, dass jemand, der Hunger hat, sich aus einem Kaffee wohl eher wenig macht (Einige Cafés setzen dieses Konzept jedoch auch leicht verändert um – statt Kaffee gibt’s ein Wurstbrot). Und ja, auch die Frage nach der Bedürftigkeit bleibt – wer fällt in diese Kategorie? Jedoch muss man nicht immer gegen alles sein und jede Kleinigkeit zerfleischen. Worum es bei dieser Idee geht ist Nächstenliebe, Empathie und vor allem das Gefühl, in dieser abgestumpften Gesellschaft nicht von Gleichgültigkeit umgeben zu sein. All jene, die darüber klagen, ein aufgeschobener Kaffee wäre nur rausgeschmissenes Geld und an andere Stelle besser zu gebrauchen: ja, vielleicht. Dennoch ist es ein kleines Zeichen der Anteilnahme und nicht nur für ein Café leicht umzusetzen – auch der Kunde kann mal eben schnell und unkompliziert etwas Gutes tun. Per Mundpropaganda sollte ein solches Angebot auch schnell bekannt werden. Daher: eine kleine Tasse aufgeschobener heißer Kaffee in der kleinen Bäckerei nebenan – was spricht dagegen? Eine tolle Geste, die als Entwurf super ausbaufähig ist.

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Nächstenliebe to Go


Schwanger! Mitte 20, es ist kompliziert, schwanger Autorin Leonie wünscht sich den Pragmatismus ihrer Großmutter.

Mitte März in einer fremden Stadt: den Arzt mir gegenüber kenne ich nun exakt sieben Minuten, das verrät mir zumindest die Uhr hinter seinem Rücken. Er starrt mir in die Augen – gleichzeitig bilden sich um seine Augen kleine Fältchen – er zögert einen Moment bis ihm die mit Bedacht gewählten Worte über die Lippen kommen: „Das sind keine einfachen Magenschmerzen. Hast du dir schon einmal Gedanken über eine mögliche Schwangerschaft gemacht?“ Wahrscheinlich fällt mir erst im Nachhinein auf, dass er mich in diesem Augenblick geduzt hat – aber spielt das überhaupt eine Rolle? Ich, schwanger, jetzt? Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft ist natürlich nicht gerade gering, wenn Frau seit Tagen ein ungutes Gefühl hat und auch die monatliche Periode ausfällt. Doch spätestens als ich das mir unbekannte Krankenhaus betrete und am Empfang von der Krankenschwester gefragt werde, ob wir dieses Utensil benötigen und sie dabei einen weißen Plastikbecher in die Höhe hält, wird mir bewusst, dass ich nun in einer absolut misslichen Lage stecke. Versteht mich nicht falsch: ich habe weder etwas gegen Kinder während des Studiums noch gegen Kinder im Allgemeinen einzuwenden, aber die Vorstellung an mich heranzulassen, ein Leben unter meiner Brust zu tragen, überfordert mich zunehmend. Aber anstelle dem Arzt augenblicklich weinend in die Arme zu fallen, schlucke ich die Verzweiflung hinunter und verlasse im gleichen Tempo, wie ich vor ungefähr einer

Stunde dieses Klinikum betreten habe, die Räumlichkeiten und gehe – wie in einem Delirium – zur nächstgelegenen Bäckerei. Als ich am Morgen die Wohngemeinschaft meiner Freundin verlassen hatte, hielt ich es nicht für nötig noch zu frühstücken, schließlich wollte ich bis vor wenigen Minuten meine Magenbeschwerden untersuchen lassen. Eigentlich kann ich ab diesem Punkt gar nicht mehr so genau rekonstruieren, wie meine nächsten Schritte aussahen. Ich setzte mich ziellos in irgendeine Bahn, zwischenzeitlich auch in verschiedene Buslinien und fuhr quer durch die Stadt. Immer wieder verließ ich das Verkehrsmittel, weil ich nicht auffallen wollte. Ja – ich hatte in einer Millionenstadt das Gefühl, dass meine unerwartete Schwangerschaft nun in Leuchtsymbolen auf meiner Stirn prangte. Irgendwann erreichte ich einen Platz, der mich durch viele Veranstaltungsplakate und eine Steintreppe angezogen hatte. Ich setzte mich auf die Stufen, entnahm meinem Stoffbeutel meine Wasserflasche und starrte vor mich hin. Es dauerte nur wenige Minuten bis ich von einem älteren Mann angesprochen wurde. Zunächst vermutete ich, dass er meine mittlerweile leere Pfandflasche haben wollte und reichte sie ihm mechanisch. Doch er verneinte und setze sich neben mich. Hatte ich erwähnt, dass ich mittlerweile weinte? Mir war es selbst nicht bewusst, aber dem Herren war es wohl sofort aufgefallen: „Es ist Samstagvormittag und ein junges, hübsches Mädchen wie sie sitzt hier und vergießt Tränen. Gibt es wirklich einen unvermeidlichen Grund oder bloß in dieser Sekunde keine einfache Antwort?“ Ich war mir durchaus bewusst, dass ich diese Frage nicht so schnell beantworten konnte, glücklicherweise war es auch nicht sein An-

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spruch an mich. Im Gegenteil – wir saßen nun gemeinsam da und er erzählte mir, was er so an seiner Stadt schätzt. Die vielen Leute, unterschiedlichen Kulturen und Stadtteile und vor allem die schier unbegrenzten Möglichkeiten, die gerade uns jungen Menschen offen stehen. Ebenso eindringlich wie vor wenigen Stunden der Arzt schaute er mir direkt in Augen und sagte: „Es gibt nicht nur einen Weg. Suche dir deine Abbiegung, laufe die Straße entlang, akzeptiere deine Entscheidungen und vor allem – liebe dich selbst.“ Mit dieser Botschaft verabschiedete er sich, legte mir sanft die Hand auf die linke Schulter, stand auf und ging bis zur nächsten Ecke, wo er kurz noch einmal zurückschaute, bevor er endgültig verschwand. Ich blieb noch einen kurzen Moment sitzen. Dann stand auch ich auf, ging zur nächsten Haltestelle und kehrte in die Wohnung meiner Freundin zurück. Ich weckte sie aus ihrem verkaterten Schlaf, bestellte Pizza für uns beide ohne ihr etwas von den Ereignissen des Morgens zu berichten. Ich brauchte nun Ablenkung – wir fuhren gemeinsam in ein Einkaufszentrum, bummelten durch die Läden, aßen Eis und gingen am Abend ins Kino. Erst als wir am Abend zu ihr zurückkehrten und sie mich fragte, wann ich am kommenden Tag abreisen würde, wurde mir bewusst, dass ich dem Gespräch mit dem werdenden Vater nicht aus dem Weg gehen konnte. Ich buchte mir einen Bus und stellte mir den Wecker auf halb sieben, bevor ich schlafen ging.


Die Angst vor neuen Wegen

Autor Vincent würde gerne pragmatisch träumend leben.

Monate danach habe ich erfahren, dass ich alles falsch gemacht habe. Druck erzeugt, obwohl da eigentlich nur Verständnis sein sollte. Zu einer Entscheidung gedrängt, obwohl es keine schwierigere Entscheidung geben kann. Dabei dachte ich, ich hätte mich richtig verhalten, in den 44 Tagen, in denen ich glaubte, Vater zu werden. Ich hätte mich zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Schwangerschaft umstandslos als Feminist bezeichnet, der durch Judith Butlers Werk und Peter Singers Thesen zur ethischen Güterabwägung des Themas mächtig war. In privaten Diskussionen hatte ich die Fragen schon oft erörtert, mir erklären lassen, ab wann ein Embryo Schmerzen empfinden kann und daraus Rückschlüsse für meinen eigenen Standpunkt gezogen. Ich schien moralisch und argumentativ für eine solche Situation gewappnet zu sein. Dem war nicht so. Die Fragen, die sich mir nun stellten, trafen mich vollkommen unvorbereitet. Denn sich mit einer möglichen Vaterschaft auseinanderzusetzen, bedeutet nicht nur, über das Leben eines ungeborenen Wesens zu entscheiden. Es zieht auch eine Analyse der Fragen nach sich, die in unserer Generation der Hedonisten und verkappten Freiheitsfanatiker meist nur mit einem Achselzucken oder karriereorientiertem Idealismus beantwortet werden: Was willst du und wo siehst du dich in ein paar Jahren? Zu beiden Fragen hatte ich für mich relativ schnell Antworten gefunden, die sich mit einer plötzlichen Vaterschaft nicht vertrugen. Jedoch gehört zum Schicksal des Erzeugers, dass er einen Gedanken denken kann, der der Partnerin nicht in den

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Sinn kommen wird: Ich fliehe. Vielleicht liegt es daran, dass ich meine feministische Pflicht schon darin erledigt sah, diesen Gedanken nie ernsthaft in Erwägung gezogen zu haben und dass ich auch ein Leben als bloßer Überweiser monatlicher Beträge nie mit meinem Weltbild vereinbaren konnte – jedenfalls muss ich an diesem Punkt aufgehört haben, in einem der Situation angemessenen Maß an Rücksicht zu agieren. Bis heute weiß ich jedoch nicht, worin meine Fehler genau lagen. Erst einmal sah ich es als meine Pflicht an, meine bedingungslose Unterstützung zu garantieren, im Fall, dass das Kind geboren, wie auch in dem Fall, dass es am Aufleben gehindert werden sollte. Zu allem anderen hatte ich vor, mir keine Meinung zu bilden. Ich glaubte daran, dass nur die Mutter eine Entscheidung treffen sollte, denn mir selbst fehlte ja der originär physische Kontakt zu dem, was dort heranwuchs. Doch so leicht war es natürlich nicht, denn obwohl ich mir Mühe gab, meine eigene Meinung zu verbergen, gelang es mir nicht. Zu groß war die Angst davor, sich vom vorgefertigten Lebensentwurf zu verabschieden und sich ins Ungewisse zu stürzen. Denn der Traum von ewiger Jugend und grenzenlosem Exzess wäre in diesem Fall scheinbar aus gewesen. Obwohl all das vor dem Hintergrund des größtmöglichen Ereignisses menschlichen Daseins – der Menschwerdung selbst – verblasst. Eine Entscheidung gegen ein Kind ist damit immer ein Einknicken vor der Ungewissheit und nichts worauf ich stolz sein kann. Im Endeffekt löste die Natur die Frage ohne menschliches Zutun. Eine Entscheidung, obwohl getroffen, war nicht mehr nötig. Ich selbst bin mittlerweile Onkel. Wenn ich meine Nichte auf dem Arm trage, dann durchzuckt mich manchmal der Gedanke, dass es auch mein Baby sein könnten. Ich weiß in solchen Momenten nicht, ob ich lachen oder weinen möchte.


Uni Egal ob Studierende*r kurz vor dem Abschluss, Erstsemestler*in, Universitätsmitarbeiter*in oder Rektor – jede*r betrachtet das Konstrukt Universität Rostock aus der eigenen Perspektive. Auf den kommenden Seiten haben wir nun einige Sichtweisen für euch komprimiert. Augen auf für die Berichte und Aussichten von Rektor Wolfgang Schareck, Herrn Dr. Lehmann vom Dezernat 3 und dem ewigen HogwartsSympathisanten Felix.

Lieber SchariaSchareck als Shrek

Mimi Fischer

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Proteste gegen die Einführung von Verwaltungsgebühren, Verteilung der BAföG-Millionen, Geflüchtetenengagement bei hrohilft oder einen Besuch vom Außerminister – das Jahr 2015 hat im Rektorat für viel Trubel gesorgt. Der heuler ist zu Besuch im Universitätshauptgebäude. AutorInnen Mimi Fischer und Wiegand Körber bedanken sich für Kaffee und Tee. // Fotos: Mimi Fischer

heuler: Anfang des vergangenen Jahres: Die große Diskussion um das Semesterticket. Sie haben sich öffentlich zugunsten der Studierendenschaft positioniert. Im Endeffekt gab es doch eine deutliche Erhöhung und das bei sinkenden Studierendenzahlen in Rostock. Enttäuscht Sie das persönlich? Schareck: Ja, mich enttäuscht das. Ich könnte mir vorstellen, dass man das Semesterticket doch noch etwas teurer macht, aber dafür auch wesentlich mehr Leistung schafft. Ich habe einen Sohn, der noch studiert, in Bielefeld, und jetzt mit seiner Freundin in Köln wohnt. Mit seinem Semesterticket der Uni Bielefeld kann er durch ganz NRW fahren. Er zahlt mehr dafür, aber hat damit auch ganz andere Möglichkeiten der Mobilität und ich wäre froh, wenn es ein solches Ticket in Rostock gäbe, mit dem man z. B. auch nach Berlin oder nach Hamburg fahren könnte. Ich habe das an den AStA weitergegeben. Zu den Studierendenzahlen: Gerade wird im StuRa der nächste Haushalt diskutiert. Da geht man von 12.600 Studierenden im nächsten Jahr aus. Sie haben allerdings gesagt, wir hätten 14.000 Studierende. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? Wir haben nicht ganz 14.000 Studierende, aber wir liegen jetzt bei ca. 13.600. Wir haben allerdings einen Zuwachs von Studierenden gehabt, ich glaube von 6 Prozent bei den Studienanfängern und wenn ich höre, dass auch in anderen Bundesländern die Zahlen steigen, habe ich immer noch die Hoffnung, dass auch wir noch mehr Zuzug aus anderen Bundesländern bekommen und damit vielleicht die Talsohle des letzten Jahres überschritten haben. Das nächste Thema, das die Hochschulpolitik beschäftigt hat: Die versuchte Einführung der Verwaltungsgebühr von 10 Euro pro StudentIn und Semester. Der Senat lehnte damals ab. Was denken Sie ein knappes halbes Jahr später über die Idee, diese einzuführen?

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Ziel war es, ein student service center einzuführen. Dafür habe ich mich damals hinter die Verwaltung gestellt, auch. Heute betrachte ich den Versuch, Gebühren für studiumsassoziierte Verwaltungsleistungen einzuführen, als einen Fehler. Vom Prinzip her ist es doch eine Einführung von Studiengebühren, wenngleich in sehr geringer Höhe.

„Heute betrachte ich den Versuch als einen Fehler“ Waren Sie überrascht über die Kritik, die Sie dann auch von allen Ecken bekommen haben? Die Unterschriftensammlung, die Demonstrationen ‒ im Endeffekt hat sich der Senat relativ klar dagegen entschieden. Es bestand eine etwas unsichere Haltung, die uns aus dem Bildungsministerium vermittelt wurde. Es hieß, ihr seid ermächtigt, diese Gebühren einzuführen und, wenn ihr das nicht macht, dann gehen wir davon aus, ihr habt genug Geld, ihr könnt euch das leisten – Greifswald habe schließlich auch eine Verwaltungsgebühr. In der Relation habe ich zehn Euro als nicht dramatisch angesehen und diese prinzipielle Wirkung unterschätzt. Außerdem gab es den Streit um das Gutachten vom Landesrechnungshof und über die Verteilung der BAföG-Millionen. Die Kritik aus der Studierendenschaft lautet, dass Sie mehr aus den Verhandlungen für die Universität hätten rausholen können. Und außerdem, dass der entstandene Ministeriumsfonds ein Eingriff in die Hochschulautonomie darstellt. Wie stehen Sie zu diesen Vorwürfen? Ich kann nicht in die Töpfe des Bildungsministeriums hineinschauen, aber ich habe relativ viel Kontakt zu den verschiedenen Ministerien und weiß, dass das Bildungsministerium da offensichtlich an


die Grenzen seiner Möglichkeiten gegangen ist. Herr Brodkorb und ich haben uns vor zwei Jahren noch vorgeworfen, uns gegenseitig in die Irre zu führen. Der eine sagt, wir haben genug Geld und der andere sagt, wir haben nicht genug Geld. Wir haben dann selber den Prozess angestoßen, das zu überprüfen und einen möglichst unabhängigen Überprüfer zu organisieren, den Rechnungshof. Die Konsequenz war, dass ein sehr transparentes System der Finanzierung geschaffen wurde. Die diesjährigen Zielvereinbarungen haben sich von den letzten ganz deutlich unterschieden. Wir haben eine Haushaltsplanung, die für die nächsten fünf Jahre transparent ist. Die Zielvereinbarungen haben sich deswegen auf zwei Themenfelder reduziert und zwar zum einen auf die Lehrerbildung, zum anderen auf das Thema Hochschulbau. Für die Lehrerbildung, also die Aufgaben des Landes, bekommen wir jetzt zusätzliche Stellen. Beim Thema Bauen ist unser Traum, ein Ulmicum zu verwirklichen, um beispielsweise die Bildungswissenschaften aus Lichtenhagen endlich in die Innenstadt zu holen und um die Philosophische Fakultät zusammenzuführen. Das sind Projekte, die mir immer noch viel zu lange dauern, die aber eine Planung über das Jahr 2020 hinaus erfordern. Wir können uns mehr wünschen, aber ich glaube, es ist finanziell nicht mehr drin. Und wenn ich jetzt in meiner neuen Funktion als Präsident des Kuratoriums für die Gesundheitswirtschaft gesagt habe, ich würde gerne einen Forschungsfond für die Gesundheitsforschung im Bildungsministerium haben, dann ist mir aus anderen Ressorts gesagt worden, dass man das durchaus mittragen könne, weil das Bildungsministerium noch mehr Geld brauche.

Rektor sein heißt Netzwerken Dass Sie diese Position innehaben, ist ja gerade erst öffentlich geworden. Sie sind außerdem noch Sprecher der Arbeitsgemeinschaften Technischer Universitäten. Wo ist ihre Leistungsgrenze? Ich muss immer überlegen, wie viel Arbeit das tatsächlich bedeutet und wie viel davon Koordination und Netzwerken ist. Ich möchte natürlich viele Dinge machen, die letzten Endes der Uni Rostock zugutekommen. Dass ich Sprecher der AG Technischer Universitäten bin, wird die Wahrnehmung der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten in Rostock er-

höhen, das ist ein Prestige für die Uni Rostock, dass ihr Rektor diese Funktion übernimmt. Unterm Strich ist das keine große Arbeitsbelastung. Ähnlich ist es auch mit der Präsidentschaft des Kuratoriums für Gesundheitswirtschaft, aber ich habe damit eine einflussreiche Stimme in der Politik. Der Eindruck, der dadurch immer besteht, ist, dass Sie enger mit der Politik verbandelt sind, was einerseits natürlich gut ist, weil es den Einfluss stärkt, aber andererseits natürlich auch problematisch ist, wenn sie beispielsweise mit Herrn Brodkorb so eng zusammenarbeiten, dass für Außenstehende ein Verhandlungsprozess dort nicht mehr ersichtlich ist. Das war ja auch das Problem an den BAföG-Millionen. Von außen sah das so aus, als hätten Sie sich schon im Vorfeld geeinigt. Ich kann das verstehen, dass man da misstrauisch ist, ob irgendwas unter der Hand vereinbart würde. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich all diese Dinge auch gern transparent mache und dass auch alle Dinge, die wir besprechen, durchaus bekannt sind. Ich persönlich bin politisch ungebunden, was sicherlich ein Vorteil ist, andererseits bin ich auch Landesbediensteter und habe eine Loyalitätspflicht meinem Arbeitgeber, dem Bildungsministerium, gegenüber.

Verärgerung über die Jusos Im Juni forderten die Jusos öffentlich ihren Rücktritt, weil sie glaubten, dass Sie nicht mehr genügend Rückhalt in der Universität besitzen. Ausgangspunkt war, dass Herr Göbel nicht bestätigt wurde. Wie haben Sie von dieser Meldung erfahren und wie haben Sie darauf reagiert? Ich glaube, dass ich aus der Presse davon erfahren habe und natürlich stellt man sich die Frage: Ist das vielleicht tatsächlich so, bist du betriebsblind geworden? Mir haben ganz viele MitarbeiterInnen versichert, dass ich den Rückhalt der Universität weiterhin hätte, sie mich durchaus weiter im Amt haben möchten, mich unterstützen würden. Ich habe die Jusos dann eingeladen, um ein offenes Gespräch miteinander zu führen. Das wurde dann als ein Eingeständnis meiner Schwäche bezeichnet. Ich schätze, ich bin jemand, der sein Han-

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deln auch selbstkritisch infrage stellt und auch Schuld bei sich selbst sucht, wenn irgendetwas nicht so läuft, wie man es sich vielleicht vorgenommen hat. Aber ich denke, diese Forderung gehört auch der Vergangenheit an. Da stand unter anderem auch drin, Sie würden wie das Politbüro im Endstadium agieren. Ja, diese Formulierung hat bei mir Verärgerung hervorgerufen. Aber trotzdem muss man natürlich jede Äußerung ernst nehmen und auf den kritischen Prüfstand stellen. Am 25. November war die Podiumsdiskussion mit Frank-Walter Steinmeier. Sie wirkten etwas aufgeregt, ist das richtig? Ich wollte nicht, dass hier irgendwie das Gefühl entsteht, dies sei eine Wahlveranstaltung. Umgekehrt sah ich es natürlich als eine große Chance, Außenpolitik aus erster Hand unseren Studierenden zu vermitteln. Aber ich war auch erleichtert, als Herr Steinmeier Rostock wohlbehalten wieder verlassen hat. Abgesehen davon fand ich es sympathisch, dass wir anschließend noch in´s „Humboldt“ gegangen sind, um ein Bier zu trinken. Ist es richtig, dass das IPV (Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften) dank dieser Veranstaltung zusätzliche Lebenszeit erhalten hat? Ja, wir haben eine gut aufgestellte Politikwissenschaft – mit Herrn Dosch für die internationale Politik, mit Herrn Bizeul für die Theorie- und Ideengeschichte und vor allen Dingen auch mit Herrn Werz in der vergleichende Regierungslehre. Auch für Good Governance ist es gut, dass wir über dieses breite Feld von Politologie, Soziologie und unsere juristische Fakultät verfügen.

10.000 Euro für den Außenminister Alleine die Ausgaben für das Sicherheitspersonal dieser Veranstaltung sollen bei rund 10.000 Euro liegen. Wie können Sie das rechtfertigen? Wir hätten das auch eine Partei bezahlen lassen können, was aber nicht in meinem Sinne gewesen wäre. Umgekehrt war ich damit aber für die Sicherheit persönlich verantwortlich. Das Bundeskriminalamt hatte gefordert,


für zusätzliche Sicherheitskräfte zu sorgen. Sie müssen letzten Endes alles tun, um eine Gefährdung zu verhindern und das ist dann schon teurer. Ich habe das im Vorfeld mit meinem Kanzler besprochen und der war der Ansicht, diese Kosten seien bei der Außenwirkung einer solchen Veranstaltung vertretbar. Es gab vor dem Audimax teilweise heftige Diskussionen mit den MitarbeiterInnen der Universität, die unbedingt hineinkommen wollten. Fürchten Sie dort noch ein Nachspiel oder haben Sie selbst wütende E-Mails bekommen? Ich persönlich habe keine wütenden E-Mails bekommen. Ich habe einige Kollegen gesehen, die gern hineinkommen wollten. Ich hatte den Studierenden jedoch zugesagt, dass im Audimax 400 Plätze für sie reserviert werden. Ich hatte auch Herrn Steinmeier darauf aufmerksam gemacht, dass leider nicht alle Platz hätten und allen Sicherheitsempfehlungen zum Trotz, hat er ja „das Bad in der Menge“ gesucht. Thema Ehrendoktorwürde für Edward Snowden: Der Prozess darum, dass Sie den Antrag der Philosophischen Fakultät abgelehnt haben, läuft ja noch. Haben Sie Angst vor dem Urteil? Nein ich habe keine Angst vor dem Urteil. Das Landeshochschulgesetz sieht vor, dass ein Ehrendoktor – anders als in anderen Bundesländern – in MV für besondere wissenschaftliche Leistungen vergeben wird. Ich habe durchaus ein Angebot gemacht, die sicher anerkennenswerte Leistungen von Snowden anders anzuerkennen. Ich habe, so wie auch der Bildungsminister, den alternativen Nobelpreis vorgeschlagen oder auch eine universitäre Medaille. Wir sind in Rostock stolz, dass Einstein 1919 die Ehrendoktorwürde bekommen hat. Jetzt sollen Juristen darüber verhandeln. Der Haupteffekt war doch, dass überhaupt in Rostock eine solche Ehrung diskutiert wurde. Ich weiß nicht, ob Herr Snowden jetzt noch Freude daran hätte, wenn er nach so vielen Diskussionen die Ehrendoktorwürde bekäme. Das sehe ich gelassen, wundere mich nur, warum mich so viele Leute immer zunächst mit Snowden in Verbindung bringen.

Rostock hilft. Was nehmen Sie aus diesen Umständen für sich persönlich mit? Ich glaube, dass die Universität in Rostock eine besondere Verpflichtung hat, sich für Internationalität und Vielfalt einzusetzen. Und ich halte es abgesehen davon für eine humanitäre Pflicht, Hilfesuchenden auch Hilfe zu gewähren. Wichtig ist, dass man sich ganz frühzeitig auch schon Gedanken macht, wie wir integrieren können. Ich finde es großartig, dass sich vor allem die Studierenden so hilfsbereit an der Organisation von Rostock hilft beteiligen und da wirklich effektive Hilfe geleistet haben. Wir hatten gute Möglichkeiten, akut zu helfen mit dem leeren Physikgebäude am Universitätsplatz. Das hat auch gezeigt, dass dort eine Integration bestens funktioniert, wenn sie mitten in der Stadt ist. Die Therapie braucht jedoch viel länger, als die erste Operation und deswegen ist es notwendig, dass wir die Hilfe auch so fortsetzen, dass sich die vielen Helfenden nicht völlig erschöpfen. Wir haben deswegen versucht, mit den Urlaubssemestern, mit der Anerkennung von Praktika [für Studierende, die sich bei Rostock hilft engagiert haben; Anm. d. Red.] Unterstützung zu leisten.

SMS vom Bürgermeister: Brauche Hilfe! Spätestens mit der Übergabe des Physikgebäudes waren Sie da ganz nahe dran an der Sache. Wie fand das überhaupt statt? Haben Sie eine SMS bekommen,

nachts von Herrn Methling mit dem Inhalt „Brauche Hilfe“ oder wie kann man sich das vorstellen? (lacht) Es ist tatsächlich so, dass Herr Methling und Herr Bockhahn mit mir immer wieder in Kontakt getreten sind. Aber für die Physik ging es ausschließlich über Rostock hilft. Und dann sind wir tatsächlich am Wochenende mit Herrn Tamm, der selbst aktiv angepackt hat [Leiter der Universitätsverwaltung; Anm. d. Red.] hingefahren und haben geguckt, was da noch alles gemacht werden müsste. Ich war schon auf dem Weg Richtung USA, als die Physik leer geräumt wurde und alle kaputten Leitungen und Lampen repariert wurden. Dennoch ist Ihre Rolle in der Flüchtlingsfrage zum Teil kritisch beäugt worden, auch an der Universität. Beim heuler haben wir immer mal wieder gehört, dass man sie „Scharia Schareck“ nennt. Ist das ein Spitzname mit dem sie sich anfreunden können? (lacht) Mit der Scharia kann ich mich weniger anfreunden, aber es freut mich, weil ich oft über meine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche definiert werde. Nein, ich habe sicher auch den Wunsch, tolerant und offen zu sein, Gastfreundschaft zu üben. Und das ist, finde ich, durchaus auch eine vornehmliche Aufgabe der Universität auf solche Dinge aufmerksam zu machen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Ich glaube es geht darum, dass sie den Flüchtlingen so offen gegenüberstehen. Der Rückschluss, der dann bei Flüchtlingsgegnern einsetzt, ist Flüchtlinge gleich Muslime, gleich islamistisch, gleich Scharia. Also den Spitznamen „Scharia Schareck“ schreiben Sie sich jetzt nicht in ihren Briefkopf? (lacht) Nein, natürlich nicht. Aber lieber Scharia Schareck als Shrek.

Nächstes Thema: Flüchtlingskrise,

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Geht jetzt wieder alles von vorne los?! Wir Ersties haben es geschafft: Den Studienstart – ein wahrer Quantensprung in unserer Bildungskarriere! Zeit, an ihren Anfang zurückzublicken und zu vergleichen: Ist jetzt wirklich alles anders? Ein Artikel über Odysseen, Schultüten und einen Holzdino. Autor Felix Barthelmes wartet seit 13 Jahren auf einen ganz bestimmten Brief.

Es war einmal vor langer Zeit, mitten in einem Sommer unserer Kindheit, da bekamen wir einen Brief. Nein, leider nicht aus Hogwarts, sondern von unserer Grundschule: „Lieber …, du kommst in Klasse 1a bei Frau Müller. Wir freuen uns auf dich!“ Von etwaigen Formularen, die Mama und Papa vorher ausfüllen mussten, wussten wir natürlich gar nichts. Voller Vorfreude haben wir uns einige Zeit später auf den Weg zur Schule gemacht, Mama an der einen Hand, die Schultüte in der anderen. Manche konnten gar nicht schnell genug da sein, so wie mein Kindergartenfreund, dessen Knie kurz vor dem Schulgebäude direkt Bekanntschaft mit dem Asphalt machte. In der Aula wurden wir herzlich begrüßt und folgten dann unserer Klassenlehrerin durch die Schule. Mit großen Augen bestaunten wir die heiligen Hallen unserer Kindheit, bis wir uns im Klassenraum auf Miniaturmöbel setzten durften. Wir tauschten Namen aus und lernten die Wochentage oder Ähnliches. Das war dann aber auch schon genug, sodass wir uns erst mal am Holzdino im Sandkasten austoben mussten. Zuhause haben wir uns dann nach dem Festessen mit der Familie über unsere Pferde- oder Rennwagenschultüte und ihre Süßigkeiten, Stifte und Pixi-Bücher hergemacht. Ein unvergesslicher Tag. Wir wurden älter, wuchsen, lernten viele Dinge, vergaßen sie wieder, probierten aus, schei-

terten, machten unseren Schulabschluss. Und dann bekommen wir wieder mitten im Sommer einen Brief, diesmal zwar auf magischelektronische Weise, aber immer noch nicht von Professor Dumbledore: „Sehr geehrter Herr/Frau ..., sie sind für folgenden Studiengang zugelassen ... Ihre Matrikelnummer ... Die Immatrikulation, etc.“ Yeah, wir sind durchnummeriert und dürfen uns endlich in das bürokratische Meer aus Formularen stürzen! Da merken wir schnell: Jetzt sind wir auf uns allein gestellt. Mama und Papa haben da nämlich auch keinen Bock mehr drauf. Wir reisen bis ans Meer, machen uns nach umständlicher Wohnungssuche auf den Weg zur Ulme, in einer Hand Google Maps, während die andere einsam herabhängt. Mama und Papa sind ja gestern schon schweren Herzens vom Wohnheim abgefahren. Nach mehr oder weniger langer Odyssee kommen wir in der Parkstraße an und müssen nur noch dem schier endlosen Studentenstrom bis zum Audimax folgen. Auf unsere Schultüte müssen wir nicht lange warten. Statt galoppierenden Pferden und schnellen Rennwagen in allen Farben des Regenbogens, bestaunen wir diesmal eher ein Werk des Minimalismus: Eine nachtschwarze „Omne initium difficile est“Papiertüte. Statt Süßigkeiten und Pixi-Büchern gibt’s diesmal LT-Gutscheine und Bieröffner. Viel praktischer!

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Im Hörsaal begrüßen uns dann viel zu viele fremde Personen „im schönsten Bundesland der Welt“ (Zitat Schareck), nur damit wir sofort danach wieder jeden Namen und jede Einrichtung vergessen haben. Das ist aber auch egal, man könne ja alles online finden. Der Holzdino im Sandkasten reicht uns offenbar nicht mehr aus, deshalb startet die Uni am Tag darauf ein Festival namens „Campustag“, mit Firmen und Parteien oder besser gesagt, mit Kugelschreibern und Kondomen. Statt Sandkasten-Spielgruppen formen wir diesmal diverse Kommilitonenkreise auf dem Campus. Man lernt sich schnell kennen, um sich dann in Kollektivpanik hinein zu steigern: LICHTENHAGEN? FSR, ZPA, PVL, LVB, LSF, VVS? Und leider sind Stundenpläne auch nicht mehr hübsch bunt, sondern voller komplizierter Modulbezeichnungen. Eine Eskalation von Studiengangs-WhatsApp-Gruppen ist nicht mehr aufzuhalten. Da helfen nur noch FSR, Studienguide, Stummschalten und Feiern. Doch was sagt uns dieser Einschulungsvergleich? Sind wir jetzt im kühlen Erwachsenenleben angekommen? Oder doch im Feierstaat Uni? Oder geht jetzt wieder alles von vorne los? Fest steht: Wir sind jetzt auf uns selbst gestellt und müssen uns letztlich einfach überraschen lassen. Hogwarts ist das hier jedenfalls wieder nicht ...


Die fürnehmen und gar alten Traditionen deutscher Hochschulen

Universitäten und Universitätskultur existieren in Deutschland seit der Gründung der Uni Heidelberg im Jahr 1386. Welche Strukturen und Traditionen, deren Ursprung so lange oder zumindest lange zurückliegt, kennt die moderne Hochschule heute? Autor Michel Wiedecke findet traditionsarme Uni entspannend.

Überlegt man, welche typischen Merkmale universitäre Kultur momentan aufweist, fällt auf, dass nicht viel davon alt zu sein scheint. Manche deutsche Universitäten schmücken ihren Tag der offenen Tür oder einen speziellen Feiertag mit dem historischen Titel dies academicus, aber selbst dieser Tag hat oftmals nicht viel mit seinem ursprünglichen Zweck, der Identifikationsförderung und Werbung neuer Studierender, gemein. Genauso unterliegt auch die Verleihung der Doktorwürde, der vielleicht wichtigste Schritt in einer akademischen Laufbahn, selten besonderen Ritualen.

Bei dem Versuch, Traditionen zu finden, mögen Bilder von Promotionsfeiern mit Robe und Doktorhut vor dem geistigen Auge auftauchen, aber beim genaueren Hinsehen wird klar: So etwas gibt es nicht in Deutschland. Nicht mehr. Denn vor 50 Jahren existierten diese und andere Traditionen hier noch. Seit dem 12. und 13. Jahrhundert trugen Professoren und Studenten spezielle Trachten. Die Robe symbolisierte bis ins 19. Jahrhundert die Zugehörigkeit zur Geistlichkeit, die ebenfalls schwarze Gewänder trug, und zusammen mit dem Hut (dessen

Ursprung weniger klar ist) verbreitete sich dieser Habitus in alle Welt. Er ist bis heute noch zu finden, aber in Deutschland sorgte die 68er-Bewegung für die Abschaffung dieser und vieler anderen Traditionen.

Übrig geblieben ist aber zum Beispiel die Taktung der Vorlesung und Seminare. Diese beginnen normalerweise sine tempore (also Viertel nach) statt cum tempore (Punkt), was so typisch für die Uni ist, dass dieser Umstand sogar mit der Bezeichnung Akademisches Viertel versehen wird. Für dessen Entstehung gibt es zwei Gründe. Zum einen fand früher der Unterricht zumeist in den Privaträumen der Professoren statt, für deren Erreichung den Studenten, nach dem Stundenschlag, noch 15 Minuten Zeit blieb. Zum anderen diente bei einigen Lehrveranstaltungen die erste Viertelstunde der Rekapitulation des alten Stoffes, und den Studenten war freigestellt, ob sie dieser beiwohnen möchten oder nicht.

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Auch macht man hierzulande etwas, woran sich neue Studierende und Gastdozierende aus anderen Ländern oftmals erst gewöhnen müssen. Denn in anderen Kulturkreisen kann Klopfen statt Beifall auch Ausbuhen bedeuten. Bei uns war dies einmal ähnlich. Die Fäuste ersetzten hier wahrscheinlich die im 18. Jahrhundert zum gleichen Zweck eingesetzten Stöcke, die auf den Boden gestampft wurden. Da allerdings ebenfalls zum Ausbuhen bereits Zischen und Scharren verwandt wurden, so die Theorie, wurde die Geste in diesem Kontext obsolet und verkehrte ihre Bedeutung ins Gegenteil. Andere alljährliche Inszenierungen entspringen, gerade in ihren kontemporären Ausführungen, offensichtlich neuerer Federn. Wahrscheinlich jede Universität und jede Fakultät, vielleicht sogar jedes Fach hat seine eigenen Traditionen. Die Mathematik begeht regelmäßig Skatabende und am Abschluss jedes Medizinstudiums steht der Medi-Ball. Auch die Orientierungswoche, obwohl ein omnipräsentes, alljährliches Phänomen in nahezu allen Fächern, gibt es in unterschiedlichsten Varianten. Neben Kneipentouren, die schon seit geraumer Zeit mit von der Partie sind, stehen immer häufiger auch Stadtralleys mit Trinkspielen und Kleiderketten auf dem Plan. Ihr enthemmter und teils stark sexualisierter Charakter vermag es mittlerweile nicht mehr, die Öffentlichkeit in Empörung zu versetzen und so steht es abzuwarten, ob diese und andere aktuelle Traditionen den Zahn der Zeit überdauern oder in Zukunft nur noch Stoff für Anekdoten liefern werden.


Dezernat 3 – Büro Bildungsbau

Bauen – das ist etwas sehr Offensichtliches. Das scheint zumindest so, wenn wir zu völlig unstudentischen Zeiten von Baggern und Hämmern geweckt werden oder auf dem Weg in die Mensa kahle Flächen mit hektischen Handwerkern und brummenden Baumaschinen ins Auge stechen. Was aber wissen wir schon vom universitären Baugeschehen, wenn wir es nicht sehen, hören oder riechen können? Autorin Marie von Berg blickt wortwörtlich hinter die Fassaden.

Seit Beginn der 1990er Jahre steht das bauliche Konzept zur Konzentration der universitären Einrichtungen an den vier Hauptstandorten Universitätsplatz, Ulmenstraße, Südstadt, und Schillingallee. Inzwischen ist wieder ein Meilenstein der Bauvorhaben geschafft, der Neubau des physikalischen Instituts und des Departments Leben, Licht & Materie in der Südstadt wurde fertiggestellt. Ein Großprojekt, das Dr. Andreas Werner vom Dezernat für Technik, Bau und Liegenschaften selbst seit 2009 betreut. Und obwohl er momentan nicht mit einer neuen Großbaustelle aufwarten kann, ist ein Gesprächstermin mit ihm schwer zu vereinbaren – das normale Tagesgeschäft hält auf Trapp. Vom Konzept bis zu den vollendeten Bauarbeiten gibt es ein reges Wechselspiel zwischen der Universität, dem Bildungsministerium und dem Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern, kurz BBL, der für die Planung und Durchführung von Bauprojekten des Landes zuständig ist. Bis 2020 sollen vier weitere Vorhaben von der Prioritätenliste des Rektors gestrichen werden. Da wäre zum einen die Fortführung der Grundsanierung der Gebäude in der Albert-Einstein-Straße 2, gefolgt von einem Neubau für die Chemie, mit dem schon im nächsten Spätsommer begonnen werden soll, dem „ULMICUM“, das durch Neubauten

in der Ulmenstraße Platz für die Philosophische Fakultät, deren Bereichsbibliothek, sowie Bibliotheken der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen und Juristischen Fakultät schaffen soll. Nicht zu vergessen ein Neubau für die Elektrotechnik – also doch einiges zu tun. Außerdem stellen sich derzeit die Mitarbeiter vom BBL der Umsetzung des aktuell größten Bauprojektes, dem Neubau ZMF, also den Zentralen Medizinischen Funktionen für die Universitätsmedizin und Andreas Werner verschweigt nicht, dass er ganz froh ist, das mehr als 100 Millionen Euro schwere Vorhaben nicht betreuen zu müssen. Ich werde an Christian Hoffmann vom BBL verwiesen. Für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig, weiß dieser Genaueres zu dem Riesenprojekt, rechnet beispielsweise noch einmal 43 zu den grob genannten 100 Millionen drauf, was die Investition unseres Bundeslandes noch gewaltiger erscheinen lässt. Er berichtet, wie langwierig es zunächst war, überhaupt eine Einigung zwischen Universitätsmedizin, Landesregierung und BBL über die Anforderungen an das Gebäude zu erzielen, denn das Projekt musste sowohl aus Nutzungs-, Planungs- und Kostensicht betrachtet und vom Landesrechnungshof geprüft werden. Glücklicherweise wurde dieser Prozess Ende vergangenen Jahres

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beendet, sodass der Baustart am 9. November erfolgen konnte. Wenn keine störenden Aktionen eintreten, wird 2019 mit der Fertigstellung gerechnet. Dann soll in dem Gebäude ein zentraler Anlaufpunkt für alle Patienten entstehen, ob zu Fuß, mit dem Rad, im Krankenwagen oder aus der Luft, Christian Hoffmann lässt in seiner Beschreibung keine Möglichkeit aus. Der Pressesprecher bleibt aber realistisch: „Die Umsetzung des Projektes birgt auch Schwierigkeiten, das ist aber nichts Besonderes, sondern unser Tagesgeschäft.“ Vorsicht sei dennoch geboten, denn während der Bauarbeiten wird der Klinikbetrieb aufrechterhalten, Rettungswege und Feuerwehreinfahren müssen frei bleiben und trotzdem soll es mit den Bauplänen vorangehen. Wer sich versichern möchte, dass dies auch geschieht und ein Freund der Visualisierung ist, kann einfach auf bbl-mv.de/zmf vorbeischauen, dort finden sich drei Webcam-Aufnahmen, mit denen man das Geschehen in der Schillingallee live verfolgen kann. Also, auch wenn im Moment noch nicht viel zu sehen ist, die universitären Bauvorhaben liegen keinesfalls brach oder wie Anton Bruckner sagte: „Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen.“


Alumnivereine – Verstaubte Tradition oder wertvolle Angebote?

Alumniarbeit verbindet Uniangehörige nach ihrem Abschluss und manchmal schon davor. Eigentlich ein altes Konzept, doch umso näher das Unijubiläum rückt, desto aktueller wird das Thema und es kann ein Licht auf die bestehenden Angebote in Rostock geworfen werden. Autor Tom Seiler ist seit dem ersten Semester Mitglied in seinem Alumniverein.

Wer auf der Webseite der Universität Rostock nach Alumni-Angeboten sucht, sollte einige Minuten einplanen. Einmal, weil die Homepage notorisch unübersichtlich ist, aber auch, weil es durchaus einige Institutionen gibt, die spannend sind. Mit dem 600-jährigen Bestehen unserer Hochschule im Jahr 2019 fest im Blick, betont die Uni nicht nur ihre weit zurückgehende Geschichte. Eine erstaunlich große Anzahl auch aktuell bekannter Persönlichkeiten hat in Rostock studiert. Wenn wir unser Studium abschließen, stehen wir in einer Reihe Rostocker Alumni von Tycho Brahe über John Brinckman bis Joachim Gauck. Auf der aktuellen Webseite findet man zuerst eine interessante Erklärung, wofür Alumni überhaupt steht, dass Alumnus die (männliche) Einzahl ist und dass es eben auch eine weibliche Form gibt (Alumna bzw. Alumnae im Plural). Nun mag das längst nicht alle interessieren, doch es wird auch auf die Alumnivereine verwiesen, deren Angebote durchaus lebensnaher sind. In Rostock gibt es derzeit sieben „echte“ Alumnivereine, die tatsächlich als eingetragene Vereine organisiert sind. In manche kann man schon als Student*in eintreten, in andere erst nach dem Abschluss. Dazu kommen weitere Vereine, die das Ziel haben Verbindungen zwischen aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Universität zu knüpfen und aufrechtzuerhalten. Der mitgliederstärkste ist die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock e.V.

Warum Alumniarbeit? Zu dieser Frage habe ich ein Gespräch mit Florian Lemke geführt. Er ist studentisches Mitglied im Vorstand des ALUMNI-Vereins Rostocker Politikwissenschaft e.V., der mit fast 200 Mitgliedern der zweitgrößte der Uni ist. Es geht um mehr als Jahrgangstreffen. „Wir bieten stetige Veranstaltungen für Studierende und Alumni an.“ Außerdem gibt es einen Stammtisch und einen Newsletter nur für Mitglieder, der z. B. über Praktikumsmöglichkeiten informiert. „Alumnivereine sind auf keinen Fall eine Sache, die einschläft“, betont Florian. Er berichtet, dass derzeit mehrere Gruppen aus anderen Fachrichtungen ebenfalls versuchen, feste Vereinsstrukturen aufzubauen. Am Institut für Politikwissenschaft hat sich der Alumniverein vor zehn Jahren auch aus dem Grund gegründet, die Schließung des Instituts zu verhindern. Florian sagt selbstbewusst, dass dies wieder gelingen würde. Im nicht konkret schließungsbedrohten Alltag bietet der Verein die Möglichkeit für Alumni in Kontakt zu bleiben und auf eine Struktur zurückzugreifen, die sie akademisch und beruflich unterstützen kann. Studierende profitieren von hochkarätigen Veranstaltungen und guten Kontakten in die Arbeitswelt. Die Rostocker Alumnivereine haben teilweise unterschiedliche Angebote und Beitrittsvoraussetzungen, ein Blick auf die Webseite verrät, ob es auch für euren Studiengang einen Alumniverein gibt und welche Möglichkeiten er bietet.

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Außerhalb der Vereine versucht die Universität Rostock selbst Übersicht über ihre immer zahlreicheren Alumni zu behalten. Derzeit wird im dritten Anlauf in zehn Jahren ein Alumniportal aufgebaut. Die Idee ist, dass alle aktuellen und ehemaligen Studierenden der Universität dort angeben, wohin es sie verschlagen hat. Die Anmeldung ist über die Webseite der Uni möglich; angegeben werden müssen zwingend Name, E-Mail und Geburtsdatum. Darüber hinaus möchte das Portal weitere Informationen, wie den Studiengang, das Jahr der Immatrikulation und die aktuelle Adresse. Spätestens an dieser Stelle wird es aus Datenschutzsicht schwierig. Entsprechend skeptisch sind die Alumniinitiativen. Kaum jemand meldet sich an, sodass das Portal weitgehend nutzlos bleibt. „Wichtiger ist, dass es weiterhin Alumnivereine gibt“, meint Florian. Der Fachbezug wäre ja auch ganz gut. Im Übrigen sei die Rückmeldequote im Verein interessant. Manche Alumni, die sich jahrelang nicht gemeldet haben, erinnern sich später an ihre Alma Mater zurück und treten einem Alumniverein bei. Laut Florian treten solche Mitglieder besonders selten wieder aus – vielleicht war das Studium ja wirklich die schönste Zeit des Lebens.




Die Suche nach NS-Raubgut

Die Universitätsbibliothek Rostock sucht in ihrem Bestand nach Büchern, die in der NSDiktatur durch Enteignungen meist jüdischen Familien entrissen wurden, und versucht die Eigentümer_innen ausfindig zu machen. Fritz Beise prüft jetzt sicherheitshalber seine Privatbibliothek.

Wenn ein Oberbürgermeister (OB) ganze Wagenladungen an Büchern einer Universitätsbibliothek spendet, wirft das Fragen auf. Vor allem, wenn dies im Jahre 1942 passiert. In den Zugangsbüchern der Universitätsbibliothek aus den Jahren der NS-Diktatur treten immer wieder Behörden als Lieferanten auf. Die Nazis beschlagnahmten ganze Privatbibliotheken ihrer Opfer und übergaben sie an öffentliche Behörden, zumeist die Finanzbehörden oder die Reichstauschstelle in Berlin. Aber auch SS- oder SA-Stellen oder die Gestapo-Stellen zeigen sich als Spender von Büchern. In den 1990er Jahren werden erste Hinweise auf mögliches Raubgut in Rostock entdeckt, als man in der Bibliothek die Hebraica kontrolliert. Dort fällt eben jener Eintrag in den Zugangsbüchern auf, der eine Lieferung vom OB Rostock im Jahre 1942 zeigt. Vor zwanzig Jahren fehlte es aber noch an personellen wie finanziellen Kapazitäten, um die Suche nach diesen gestohlenen Büchern auszuweiten und deren eigentliche Besitzer_innen ausfindig zu machen. Vor eineinhalb Jahren erhielt die Bibliothek auf Antrag von der Stiftung Kulturgutverlust (ehemals Arbeitsstelle für Provenienzforschung) eine finanzielle Förderung zur Einrichtung eines Projektes, das sich mit der

Suche nach NS-Raubgut an der UB beschäftigt. Nun durchforsten die Mitarbeiter_innen um Lisa Adam und Antje Strahl die Zugangsbücher – in erster Linie Tausch- und Geschenkbücher – der Jahre 1933 bis 1959 nach auffälligen Lieferanten. Dabei sind bisher circa 4.000 Verdachtsfälle aufgetaucht. Informationen über Bücher, die verdächtig oder als Raubgut gesichert wurden, können im Onlinekatalog der UB gefunden werden, in das Suchfeld wird einfach „lsw Raubgut“ eingetragen. Im Katalog der UB Rostock sind bei 1.500 (Stand November 2015) verdächtigen Büchern die Herkunftsangaben verzeichnet. Diese werden, sobald ein berechtigter Raubgutverdacht besteht, nicht mehr verliehen, um weitere Nachforschungen anstellen zu können. Die Bücher müssen nach Provenienzen durchblättert werden: Hinweise auf Eigentümer_in, Buchhandlung, Adressen etc. Dazu zählen Stempel, Exlibris, Aufkleber, Notizen oder Lesezeichen. Einige Bücher enthalten Widmungen, deren Beschränkung auf Vornamen in den meisten Fällen ins Leere führt. Sind vollständige Namen gegeben, macht sich Antje Strahl an die Datenbanken: die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, Ortsarchive, Einwohnermeldeämter. Manchmal

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muss auch einfach die Internetsuchmaschine aushelfen, deren Algorithmus sehr wählerisch sein kann, je nachdem, in welcher Reihenfolge Suchbegriffe eingegeben werden. Das Beispiel Clara Fleischer Frau Strahl erzählt vom Beispiel Clara Fleischer. Im Buch: ihr eigenhändig eingetragener Name als Besitzvermerk und ein Aufkleber einer Buchhandlung aus Göppingen. In den Archiven findet sie eine Johanna Klara Fleischer, Jüdin, aus Göppingen. Das Buch sei mit 200 anderen innerhalb einer Lieferung gekommen, deren Herkunftsorte im geographischen Dreieck Stuttgart, Nürnberg und Frankfurt am Main lagen. Innerhalb dieses Gebietes liegt der Ort Göppingen. Frau Strahl konnte sich also relativ sicher sein, hier auf die passende Person gestoßen zu sein. Um zufällige Namensgleichheiten auszuschließen, reicht das aber noch nicht. Etwas später entdeckt sie im Staatsarchiv Ludwigsburg den Antrag auf ein Wiedergutmachungsverfahren mit der Unterschrift einer Clara Fleischer, die sich mit der Unterschrift aus dem Buch deckt. Die Eigentümerin war, das ist dort ersichtlich, in die USA gegangen.


Um jetzt noch die Familie der vermutlich schon verstorbenen Clara Fleischer ausfindig zu machen, geht die Suche im Grunde in den Vereinigten Staaten von vorne los. Letztlich kann die Familie durch Anzeigen in einer Immigrantenzeitung gefunden werden. Hierbei handelt es sich um einen von vier bisher komplett gelösten Fällen. An den Wendungen und Anlaufstellen wird vorstellbar, welcher Aufwand dafür betrieben werden muss, überhaupt jemanden zu finden. Bisher hätten sich alle über die Nachricht gefreut und fast alle wollen auch die Bücher haben. Manche reichen die Entscheidung an ihre Kinder oder Enkel weiter. Für viele geht es bei den Büchern aber nicht um den materiellen Wert, sondern es schwingt auch immer ein emotionaler, ein biografischer Wert mit. Diese Bücher wieder in den Händen zu halten, auch wenn es vielleicht nur Kochbücher sein mögen, scheint auch ein Symbol zu sein, letztlich das NS-Regime nicht nur überstanden, sondern niedergeschlagen zu haben. Nur ein Teil des Ganzen Bisher hat man nur die Zugangsbücher der Zentralbibliothek durchsucht. Früher hatten die Institute jedoch zusätzlich ihre eigenen Be-

reichsbibliotheken, das heißt, auch eigene Zugangsbücher. Hinzu kommt, dass viele Bücher jener Zeit auch gerade ausgeliehen sind. Man bittet also nun darum, dass die Nutzer_innen darauf achten, ob sie solche mit Erscheinungsjahren vor 1945 in Händen halten und diese vielleicht auch gleich selbst auf verdächtige Merkmale untersuchen, die auf frühere Eigentümer_innen hinweisen könnten. Das Buch sollte dann so schnell wie möglich wieder zurückgegeben werden. Ein kleiner Hinweis an der Theke, dass das gewisse Buch möglicherweise verdächtige Merkmale enthält, ist natürlich gern gesehen. Bei der Suche im Internet entdeckt man schnell, dass auch viele andere (Universitäts-) Bibliotheken dieser NS-Raubgut-Suche nachgehen. Auf die Frage, ob man dazu rechtlich verpflichtet wäre, meint Antje Strahl: „Rechtlich nicht, aber sicher moralisch.“ Momentan liegen 90 bis 100 recherchierbare Namen vor Antje Strahl, es werden wahrscheinlich etwas mehr werden. Das Projekt geht nun ins zweite Jahr. Die Finanzierung, die jährlich neu beantragt werden muss, ist auf drei Jahre begrenzt. Dann muss sich die Bibliothek andere Möglichkeiten suchen.

Quellen: Hintergrundbild: Provenienzen aus dem Buch von Clara Fleischer, oben rechts ihre Unterschrift. UB Rostock Widmung oben links: Eine Widmung, die keine Möglichkeit bietet, nach ursprünglichen Eigentümern zu suchen. UB Rostock unten rechts: Dokument von 1954, das von Clara Fleischer unterschrieben wurde. Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 350 I Bü 26680.

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Falls ihr Hinweise in den Büchern findet, die sehr eindeutig sind, könnt ihr euch natürlich auch direkt an Frau Strahl wenden.

antje.strahl@uni-rostock.de oder unter 0381-498-8623


Politik Der Semesterbeitrag wurde für das kommende Semester gerade wieder erhöht. Für die studentische Selbstverwaltung (AStA, StuRa, Fachschaftsräte) zahlen alle Studierenden nun 9 Euro pro Semester – statt bisher 8 Euro. Die winzige Erhöhung wird wohl kaum jemandem wehtun, manchen fällt sie vielleicht nicht einmal auf. Dass es überhaupt dazu gekommen ist, verweist jedoch auf vielfältige Probleme, die auch bei dem Konflikt um die Neubesetzung der Stelle der studentischen Prorektorin oder dem vorerst gescheiterten Haushalt der Studierendenschaft sichtbar wurden. Sie können als nachdrückliche Erinnerung verstanden werden, alles kritisch zu hinterfragen – selbst das, was gut zu laufen scheint. Andererseits sollte genauso das Positive hervorgehoben werden. Geflüchtete, die selbst neu ankommenden Flüchtlingen helfen, zum Beispiel. Oder politische Orte, die vielfältige Angebote an Studierende und die Gesamtbevölkerung richten.

Tom Seiler

Mimi Fischer

Politische Fassaden Rostocks s-Haus Peter-Weis Das Peter-Weiß-Haus (PWH) besitzt viele Facetten, unter anderem hat der Verein „Soziale Bildung e.V.“, hier den „POLDO“ (Politischer Donnerstag) ins Leben gerufen. Diese Veranstaltung findet jeden Donnerstag im PWH statt, dort werden vor allem aktuelle und öffentliche Themen diskutiert. Hier ist Engagement von allen Seiten sehr erwünscht, zum Beispiel kann man die Diskussionen mit vorbereiten oder in der Runde mit anderen in einen aktiven Austausch treten.

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Ö ko h a u s

Frieda

Das Ökohaus zielt als Verein auf das ökologische Bewusstsein von Jung Die Frieda 23 ist ein Ort, an dem verschieund Alt ab. So gibt es zum Beispiel Eltern-Kind-Initiativen oder Fördedenste Institutionen aufeinandertreffen. rungen bis hin zur Berufsschule, um einen nachhaltigen und bewussBesonders interessant ist beispielsweise ten Umgang mit der Natur zu vermitteln. Aber das Ökohaus bietet auch die Heinrich-BöllMöglichkeiten, sich mit entStiftung im Inneren. wicklungspoltischen TheDie Stiftung organimen zu beschäftigen. Unter siert viele politische anderem hat man hier die Rostock bietet eine Vielzahl politiWorkshops, wie Chance, nach Teilnahme an scher Angebote, um sich weiterzuauch Bildungsreieinem Workshop, Projekttabilden oder zu engagieren. Wo und sen. Eines ihrer Ziele ge zu diesen Themen mit zu wie das möglich ist, kann man hier ist es, Bürgern politiorganisieren und durchzusche Entwicklungen führen. etwas genauer erfahren. zu vermitteln und die AuseinandersetAutorin Kristin Eichner weiß gar nicht, wie sie all die politischen Möglichkeiten unter einen Hut kriegen soll. zung damit zu fördern.

Bei „Migra e.V.“ kümmert man sich vorrangig um Migranten und ihr Wohlergehen, von Integrations- bis Sprachkursen wird hier vieles angeboten. Der Verein arbeitet dabei nicht nur allein mit den Migranten, sondern mit allen, die helfen wollen und können. Somit ist es gerade angesichts der momentanen Flüchtlingsproblematik ein interessanter Anlaufpunkt für Menschen, die sich freiwillig engagieren wollen.

Migra e.V.

R at h au s

Wenn es um politische Fassaden Rostocks geht, darf man auf keinen Fall das Rathaus vergessen. Hinter den historischen Mauern verbirgt sich das politische Herz Rostocks, hier wird verwaltet, gewaltet und diskutiert. Zwar kann man hier vielleicht nicht aktiv mitwirken, allerdings sollte man als Bürger dieser Stadt wissen, wo die wichtigen Dinge besprochen und vielleicht auch mal entschieden werden.

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Grünes Unge

heuer

Das sogenannte „Grüne Ungeheuer“ ist wohl jedem Studenten ein Begriff. Das Unigebäude ist eine Schnittstelle vieler universitärer Institutionen. Unter anderem befindet sich im Inneren der AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss), die Studierendenberatung und momentan auch Rostock hilft. Im Grünen Ungeheuer kann man sich somit vielseitig aktiv am Unileben beteiligen und auch die Sitzungen des heuler finden hier statt.


Ein Interview mit helfenden Geflüchteten aus Syrien Autor Marcus Neick ist von Anfang an bei Rostock hilft dabei und hat auf diesem Weg viele engagierte Menschen kennengelernt.

Waail und sein Bruder Muntaser sind Anfang des Jahres 2015 auf dem wohl menschlichsten Weg von Syrien nach Deutschland gekommen: mit dem Flugzeug. Anders erging es jedoch Waails bestem Freund Nidal, der erst am 20. Oktober 2015 den Fußweg von Syrien nach Rostock beendete. Zufälligerweise kam er am Rostocker Hauptbahnhof an, als Waail dort half. Ein Interview über ein lang herbeigesehntes Wiedersehen, den schönen Nebeneffekt von Rostock hilft und Anekdoten syrischer Flüchtlinge in Deutschland. „Weißt du“, sagt Waail, „das Problem ist, dass Menschen in Deutschland denken, wir in Syrien hätten alle kein Geld. Sie verstehen nicht, warum wir mit guten Handys oder Geld nach

Deutschland einreisen. Diese Frage ist aber sehr schnell beantwortet: Den meisten Menschen ging es finanziell nicht schlecht. Sie fliehen einfach vor dem Krieg. Ich will, dass das alle Menschen in Deutschland wissen. In Syrien ist es einfach zu gefährlich.“ Ich habe ihm keine Frage gestellt, es brannte ihm am Anfang auf der Seele, das zu sagen. So sind wir ins Gespräch gekommen, auch über die Proteste gegen die Flüchtlingspolitik in Deutschland. Waail sagt, er könne verstehen, warum die Menschen demonstrieren. Er sieht Parallelen zu seinem Heimatland, Syrien. In Zeiten des Irakkriegs sind fast 3 Millionen Irakis nach Syrien geflohen. „Die Syrer fanden das schlimm. Sie fragten, was hier passiert – der Wohnungsmarkt wurde knapp. Die Lebensmittel wurden teurer. Viele Syrer haben protestiert. Aber mit der Zeit haben sich alle daran gewöhnt. Wir haben uns mit den Menschen aus dem Irak unterhalten – sie wollten Sicherheit. Deshalb sind sie geflüchtet. Die gleiche Geschichte passiert heute mit den Menschen aus Syrien selbst.“ Waail sieht dort das Problem bei den Menschen, die heutzutage in Deutschland gegen die Flüchtlingspolitik auf die Straße gehen: Diese Menschen kommunizieren nicht mit den Flüchtlingen. Sie kennen nicht die einzelnen Schicksale. Die Menschen sind nicht bereit, mit

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Fremden zu sprechen: „Aus diesem Grund ist Deutschland schon einmal untergegangen. Wir haben das in Syrien mit den Irakis geschafft. Warum schaffen das die Menschen nicht, die in Deutschland gegen die Flüchtlinge auf die Straße gehen und Flüchtlinge verprügeln?“ Ich finde darauf keine nicht-pauschalisierende Antwort und schwenke um. Nidal, der den Fußweg von Syrien nach Deutschland wagte, ist noch sehr neu hier. Mich interessieren die Eckdaten seiner Route. Nidal berichtet über die Länder, die er sah. Durch sechs Länder sei er gereist. Waail und Muntaser schütteln den Kopf und sagen, das stimme nicht. Also wird nachgezählt: Syrien, Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien, Österreich, Deutschland. Neun Länder. Nidal ist überrascht und berichtet über jedes einzelne Land, an das er sich erinnert. Aufgrund der enormen Kälte sah er mehrere Menschen auf der Fluchtroute sterben – unter anderem zwei Kinder, direkt vor seinen Augen. „Diese Bilder bekomme ich nicht mehr aus meinem Kopf. Das wird jetzt noch schlimmer. Es wird kälter und kälter und viele Länder in Osteuropa sind nicht so sozial wie Deutschland. Sie gehen mit Flüchtlingen schlecht um.“ Waail ist Übersetzer am Hauptbahnhof und ist seit der ersten Woche des Bestehens des Helfenden-Netzwerks Rostock hilft dabei.


Muntaser, Waails Bruder, hilft auch am Hauptbahnhof, allerdings nicht beim Übersetzen, sondern bei der Essens- und Getränkeausgabe. Er behauptet, er wäre zu schüchtern, um mit so vielen Menschen zu reden und ihre Sprache zu übersetzen. Außerdem sei sein Deutsch „noch nicht so gut“. Mich interessiert, warum die drei in Deutschland bleiben wollen. Was sie hier anzieht. Tatsächlich will Nidal das gar nicht. Im Gegensatz zu Waail und Muntaser sagt er, dass viele Menschen in seiner Familie entgegen der arabischen Tradition nicht an dem Ort bleiben wollen, wo die restliche Familie lebt. Sie wollen lieber nach Schweden weiter, denn in ihren Augen sei Deutschland zu voll mit Flüchtlingen. Außerdem sei das Asylgesetz in Schweden viel einfacher. „In Deutschland werden Flüchtlinge, warum auch immer, schnell abgeschoben. In Schweden ist das nicht so. Dort gibt es auch noch viele freie Wohnungen. In Deutschland gibt es eine richtige Wohnungskrise. Aber für viele Menschen, auch in meiner Familie, ist auch das Geld entscheidend, was man dort verdienen kann. In Schweden sind alle Menschen glücklicher.“ Waail aber sagt, dass er in Deutschland bleiben will, weil ihm die Kultur inzwischen gut gefällt. „Viele Flüchtlinge wissen, dass es in Deutschland Menschen gibt, die nicht

freundlich mit Flüchtlingen sind. Ich selbst hatte noch nie ein Problem mit Deutschen. Das Wichtigste ist, mit den Menschen, so fremd sie auch sind, zu reden. Das konnte ich aber anfangs nicht. Die Leute wollten das auch nicht. Ich dachte erst, die Leute wären nicht freundlich. Aber das ist nicht so. Die Menschen sind freundlich. Das ist die Tradition. Die Menschen sind zurückhaltend und schnell genervt. Das allererste Mal geredet mit den Menschen in Deutschland – also richtiges Reden, über ernste und tiefergehende Inhalte – habe ich mit den Menschen vor 1 ½ Monaten bei Rostock hilft, nachdem ich schon acht Monate in Deutschland lebte“, sagte Waail. Auch Muntaser bestätigt das: „Am Bahnhof sind viele nette Leute, mit denen habe ich nie ein Problem gehabt. Und das ist sehr schön.“ Waail liegt es auf dem Herzen, mir zu erzählen, wie er Deutsch gelernt hat. Wie er versuchte, mit Menschen ins Gespräch zu kommen: Er hat in Russland, der Türkei, in Syrien und im Libanon gewohnt. Überall seien die Menschen aufgeschlossen gewesen. Aber in Deutschland hat er sich gefragt, warum niemand mit ihm reden will. „Aber dann konnte ich das verstehen: Ganz im Gegenteil. Die Leute sind gut und nett, aber sie reden wenig. Sie haben keine Zeit zu reden und Spaß zu machen.“ In Syrien sei das ganz anders gewesen. „Wenn du dort in

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eine Cafeteria gehst, sprechen die Menschen sehr laut und man bekommt schon Angst, dass irgendwas Schlimmes ist. Aber das ist normal. Die kannst du auf 100 Meter hören und dabei reden sie nur über den Tag oder über ihre Emotionen oder das Wetter. In Rostock sitzen die Menschen einfach in der Cafeteria und sitzen. Sie sitzen einfach. Sie reden nicht, sie sitzen.“ Zum Abschluss will ich unbedingt wissen, ob Rostock hilft tatsächlich Waails erster Kontakt mit Deutschen war. Er denkt kurz nach und gibt mir eine sehr erheiternde, aber auch verstörende Antwort: „Das erste Mal war in einer Bäckerei am Neuen Markt in Rostock. Dort saßen sechs Frauen. ‚Wow, das ist meine Chance!‘, dachte ich. Ich musste das machen. Ich sprach sie an und sagte ‚Hallo’ und die Frauen haben mich angeguckt. Eine der Frauen hat geantwortet, sie sagte ‚Hallo’. Ich habe gesagt ‚Ich heiße Waail, ich komme aus Syrien, ich lebe hier seit drei Monaten und bin hier, um Deutsch zu lernen und ich möchte mit euch sprechen.’ Zwei haben gesagt ‚NEIN!’, drei haben nichts gesagt und eine hat gesagt: ‚Ja, gerne! Komm her.’ Dann habe ich mich lange mit ihr unterhalten. Alle hatten erst vor mir Angst und dann nach 10 Minuten haben alle gelacht und mit mir gesprochen. Bis heute sehe ich die Frauen auf der Straße und begrüße sie, sie begrüßen mich. Das ist toll.“


Money-Must-Haves Finanzielle Förderung

durch die Studierendenschaft

Alle Halbjahre wieder wird es Zeit, die Semestergebühren zu überweisen! 45 Euro an das Studentenwerk für günstige Wohnheime und das tägliche Mensen und zähneknirschend auch 103 Euro für das Semesterticket, aber dann war da noch was ... 9 Euro für die Studierendenschaft. Was heißt das denn? Autorin Lea Kroos hat es nicht so mit Ordnung(en).

Zur Studierendenschaft gehört schließlich jeder von uns. Aber an welcher Stelle profitiere ich selbst von diesem Betrag? Vielen Studierenden ist nicht bewusst, dass die Studierendenschaft weitaus mehr finanziert als Campustag und heuler. Der Haushaltsplan des StuRa sah für die Förderung von Fachschaften und studentischen Initiativen, sowie Kultur- und Sozialförderung im Jahr 2015 eine Summe von 65.000 Euro vor. Möchte zum Beispiel eure Fachschaft eine Einstandsfahrt veranstalten, kann sie die Kosten hierfür in Teilen aus diesen Töpfen finanzieren, sodass die Fahrt für euch sehr günstig bleibt. Bis zu einer Summe von 1.500 Euro kann der AStA über den Antrag entscheiden. Dieser muss im Voraus gestellt und in der AStA-Sitzung besprochen werden. Dabei sollte die antragstellende Person, die an der Uni Rostock eingeschrieben sein muss, anwesend sein, um das Projekt, die Veranstaltung oder Anschaffung vorzustellen. Soll eine Einstandsfahrt finanziert werden, gehören dazu die Teilnehmerzahl, die genaue Verwendung des Geldes – zum Beispiel für Bahntickets – und natürlich eine Kalkulation der Gesamtantragssumme. Möchtet ihr finanzielle Unterstützung für Shirts oder Werbematerialien für euer stu-

dentisches Projekt, solltet ihr natürlich mehrere Angebote eingeholt und verglichen haben. Erst dann kann der AStA über die Fördersumme abstimmen. Dies sei „nicht ganz barrierearm“, gibt Martin Warning, AStA-Referent für Finanzen, zu. Aber es sei notwendig, da es sich schließlich um das Geld der Studierendenschaft handele. Auf diese Weise wurden im letzten Jahr Benefizkonzerte, Chorwochenenden, Workshops und Podiumsdiskussionen unterschiedlichster Hochschulgruppen und studentischer Initiativen gefördert. Abgelehnt werden Anträge zwar selten, aber es kommt durchaus vor. Gründe hierfür können ein fehlender studentischer Bezug, aber auch unbegründet hohe oder ungenügend kalkulierte Ausgabenposten sein. Ein Versuch lohnt sich also – vor allem für kleinere Fachschaften. Von den 9 Euro eures Semesterbeitrages für die Studierendenschaft geht 1 Euro anteilig an die Fachschaften – ist diese allerdings nicht groß, sind die Beträge natürlich klein und der Handlungsspielraum sehr eingeschränkt. Von Einstandsfahrten über Hörsaalkinos, bis hin zu Shirts für den Fachschaftsrat kann die Studierendenschaft über den normalen Fachschaftsetat hinaus finanziell unterstützen.

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Nur wenig Gebrauch wurde bisher von der Sozialförderung gemacht. Die Studierendenschaft gab sich bereits im November 2014 eine neue Sozialordnung, die neben der Semesterticketrückerstattung z. B. die Finanzierung von externen Beratungsangeboten, wie der Sozialberatung regelt. Von den 15.000 zur Verfügung gestellten Euro wurden bis November 2015 allerdings nicht einmal ein Drittel genutzt und die Anzahl der Anträge auf Semesterticketrückerstattung aus sozialen Gründen lag nur im einstelligen Bereich. Dass dies eher ein schlechtes Zeichen sei, findet auch Martin Warning. Er vermutet, dass weitaus mehr Studierende Probleme haben, das Semesterticket zu bezahlen.

ZUM NACHLESEN: Sämtliche Anträge und Förderungskriterien und vor allem Fristen für die Beantragung der Semesterticketrückerstattung findet ihr auf der Internetseite des AStA. www.asta-rostock.de


Du gewinnst nicht mit

Klappe halten

Wer am 16. Dezember aufmerksam den StuRa-Ticker verfolgte, hat sicherlich mitbekommen, dass der Studierendenrat die aktuelle AStA-Referentin für Hochschulpolitik, Katharina Wilke, als neue Studentische Prorektorin nominiert hat. Doch was steckt hinter dem Konstrukt aus Gegenwind und Karten spielen? Autorin Mimi Fischer kann die Macht in der Luft förmlich schmecken.

der Posten ein Jahr vakant und wurde erst 2013 wieder neu gewählt. Warum sich Isabelle auch dieses Jahr so vehement in die StuRa-Diskussionen eingebracht hat, ist ganz einfach: genauso wie Heiko Marski drei Jahre zuvor im heuler-Interview (online – Januar 2012), ist auch sie der Meinung, dass die Abschaffung des Amtes an politischen Selbstmord grenzen würde. Es geht ihr nicht darum, den Geschmack von Macht zu genießen, sondern zusammen mit AStA-Referaten, beispielsweise dem Referat für Anti-Diskriminierung und Gleichstellung, wichtige Dinge in Angriff zu nehmen. Selbstkritisch ist ihr bewusst, dass viele Ideen in den vergangenen zwei Jahren nicht umgesetzt werden konnten, was teilweise auch an bürokratischen Hürden lag. Dennoch möchte sie alle Studierenden motivieren, kritische Fragen in Gremien zu stellen, sich auf Veränderungen einzulassen und manchmal auch für einen Knall zu sorgen – „Du gewinnst nicht mit Klappe halten.“ „Warum kam es für dich nicht in Frage, noch eine dritte Amtszeit in Angriff zu nehmen?“ – „Ehrlich gesagt, mache ich mir Gedanken über das kommende Jahr und habe Angst, den Anschluss zu verlieren.“ Sie ist eindeutig dagegen, dass mittlerweile viele Kommiliton*innen ihr Studium aussetzen, um die Arbeit der Studierendenschaft weiter zu professionalisieren. Zwar musste Isabelle im vergangenen Jahr nur wenige Seminare und Vorlesungen besuchen, trotzdem möchte sie ihr Lehramtsstudium beenden und freut sich, dass nun wieder eine Frau die Position übernehmen wird. Wobei an dieser Stelle noch ein entscheidender Schritt fehlt, erst muss der Senat mit einer einfachen Mehrheit und das Konzil mit einer Zweidrittelmehrheit die Nominierung von Katharina Wilke im Januar bestätigen, bevor sie Mitte April durch die Bestellung vom Rektor, Wolfgang Schareck, mit der Rektoratsarbeit beginnen darf.

Isabelle Pejic, im zweiten Jahr Studentische Prorektorin, begegnet mir zunächst mit einem starren Blick. Sie erzählt couragiert von ihrer Arbeit im Rektorat und ihrem Anliegen, allen Studierenden ein Studium unter den besten Bedingungen zu ermöglichen und viele Gremien beziehungsweise Projekte miteinander zu vernetzen. Ihre Rede ist klar strukturiert, sie verwendet Wörter wie „Selbstständigkeit“, „Verantwortungsgefühl“ und „Ablehnung“. Gerade am Anfang musste sie lernen, sich in einer auch heute noch stark von Männern dominierten Arbeitsatmosphäre durchzusetzen. Doch spricht sie in solchen Momenten wirklich von einer studentischen Tätigkeit, oder aber einer Festanstellung, bei welcher alle Dimensionen von Freizeit und Job miteinander verschmelzen? Deutschlandweit wählte das Konzil der Universität Rostock im November 2006 mit Johannes Saalfeld (heute Abgeordneter der Partei Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern) den ersten studentischen Vertreter ins Rektorat und schaffte so die Stelle „für studentische Angelegenheiten“ als Teil der Hochschulleitung. Von Anfang an wurde die Idee dahinter so formuliert, dass diese Position dazu dienen soll, die Perspektiven der Studierenden in die immer fortschreitenden Hochschulveränderungen mit einzubeziehen. Das heißt konkret, dass diese Person immer für Verbesserungen der Studierendenbedingungen kämpft, ob es nun Neubauten, Ausstattung, Lehrpersonal oder andere Bereiche betrifft. Ständige Präsenz in den Unigremien, sicheres Auftreten in der Öffentlichkeit und Netzwerken mit anderen Universitäten steht auf dem Plan der 20-Stunden-Woche. Jedoch ist das Amt seit einigen Jahren mit Beigeschmack zu genießen. Nachdem Heiko Marski 2010 und 2011 das Amt bekleidete und die Amtszeit mit einem Rechtsstreit um entsprechende Vergütung im Sinne des Arbeitsverhältnisses beendete, blieb

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In der letzten Ausgabe des heuler konnte nur ein kleiner Teil dessen, was Antifa ausmacht, umrissen werden. Nun folgt ein beispielhafter Einblick in ein wichtiges Themenfeld antifaschistischer Arbeit: die Analyse menschenverachtender Bestrebungen und Bewegungen.

Entwicklungen rassistischer Mobilmachung in MV

Autor Bartholomäus Schink war am Rostocker Hauptbahnhof unter den Helfer_innen der Initiative Rostock hilft , als sie von Teilnehmer_innen rassistischer Demonstrationen angegriffen wurden.

Agenda gerückt. Demos, Kundgebungen und Infotische in vielen Städten beackerten das Thema und immer trugen die Veranstaltungen den Stempel der NPD. So auch am 9. November 2013, diesmal in Friedland. Gleichzeitig wurden aber auch verschiedene Bürgerinitiativen gebildet; im Hintergrund standen dabei immer NPD-Mitglieder oder der Partei nahestehende, kameradschaftlich organisierte Neonazis. Diese Organisationen tragen Namen wie „Schöner wohnen in Wolgast“ und betreiben Hetze gegen Asylbewerber_innen, alles im Tarnmäntelchen der Bürgerlichkeit. Prominenter sind aber noch die Gruppen, die vorgeben, sich gegen die von ihnen wahrgenommene „Überfremdung“ zu wehren. In Pasewalk, Torgelow, Wismar und Schwerin wehren sich vermeintliche Bürger_innen. Vom letzten Kuhkaff bis zur Landeshauptstadt, macht dieser Trend die Runde. Ganz in Manier der NPD geht es gegen Asylmissbrauch, selbst graphisch lässt sich erkennen, woher der Wind weht. Nach außen wird aber Distanz gewahrt, um niemanden zu verschrecken. In dieses Gemisch stieß Ende 2014 die Entwicklung eines regionalen PEGIDA-Ablegers. MVGIDA bildete schnell ein Sammelbecken für die verschiedenen Gruppierungen und hatte von Anfang an keine Berührungsängste zu NPD-Kadern. Schnell wurde die Struktur der Demos durch die NPD getragen und MVGIDA wurde zur NPD-Vorfeldorganisation. Nachdem MVGIDA im Sommerloch verschwunden ist, bildeten sich verschiedene Gruppen, die sich allesamt über soziale Medien organisieren. Deren hohes Mobilisierungspotenzial zeigt sich momentan in ganz MV, von Boizenburg bis Pasewalk und auch Rostock blieb nicht verschont. Den bisherigen Höhepunkt der Mobilmachung konnte die AfD am 17. Oktober 2015 erreichen, als mindestens 1.500 rassistische Bürger_innen gemeinsam mit bekennenden Neonazis auf die Straße gingen. In der aktuellen Situation mischen sich Berührungsängste verschiedener rechter Gruppierungen, militanter Neonazis und unorganisierter rassistischer Bürger_innen. Übrig bleibt ein Gemisch aus Unwissenheit und Hass – ein Mob, zusammengeschweißt durch die Ablehnung des vermeintlich Fremden.

Am 09. November 2012 veranstaltete die NPD eine Demonstration gegen „Asylmissbrauch“ in Wolgast. Diese war unschwer als rassistisch und neonazistisch zu erkennen. Eine Anlehnung an die antisemitische Pogromnacht im Jahr 1938 erzeugt die Wahl des Datums. Eine Provokation, die mehr als 1000 Menschen gegen die NPD auf die Straße gehen ließ. Trotz Blockaden und des Scheiterns der Demonstration, lässt sich an diesem Aufmarsch der Beginn einer neuen Kampagne der NPD ablesen. Das Thema Asyl und Flucht wurde wieder in den Mittelpunkt der

Aus antifaschistischer Perspektive ergeben sich zwei Mittel, um diesem Mob zu begegnen. Erstens muss sich das gesellschaftliche Klima dergestalt verändern, dass die Rassist_innen sich wieder scheuen, ihren Hass offen kund zu tun. Keine noch so unbedeutende rassistische Äußerung oder Tat darf unwidersprochen bleiben. Das ist nicht immer einfach und auch nicht ungefährlich, daher ist es wichtig, auf Konfrontationen vorbereitet zu sein. Zweitens müssen sich langfristig gesellschaftliche Strukturen entwickeln, die Rassismus von vornherein das Wasser abgraben und die Solidarität zwischen Menschen fördern.

In Zeiten rassistischer Großdemonstrationen, massiven Terrors durch Brandstiftungen und direkter körperlicher Angriffe auf Geflüchtete ist es wichtig zu beobachten, welche gesellschaftlichen Entwicklungen, insbesondere im Spektrum von konservativen bis hin zu offen neonazistischen Akteuren, der Gewalt zu Grunde liegen.

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Im Namen aller Studierenden – Die Landeskonferenz der Studierendenschaften

Die Landeskonferenz der Studierendenschaften ist eine Vertretung aller Studierenden Mecklenburg-Vorpommerns. Jede Hochschule schickt zwei Vertreter, in unserem Fall waren dies bisher Martin Warning und Katharina Wilke. Martin war zu dieser Zeit zugleich auch Sprecher der Landeskonferenz und vertritt unsere Interessen in der Hochschulpolitik. Autorin Alexandra Wendt staunt nicht schlecht über dieses politische Engagement.

sind sie bemüht, die Anliegen der Studierenden zu erläutern und deren Relevanz deutlich zu machen. „Bisweilen ist es jedoch schwierig, dementsprechend wahrgenommen zu werden“, räumt Martin ein. Die LKS hat keinerlei Stimmrecht in politischen Entscheidungen; ob die Sprecher angehört werden oder nicht, ist eine reine Interessensfrage. Zuletzt beteiligte sich die LKS an einer Überarbeitung des Studierendenwerksgesetzes. Dieses wurde noch im Dezember verabschiedet und soll Anfang des Jahres in Kraft treten. Dabei setzt man sich besonders für eine Förderung der Studierbarkeit ein: Das Studierendenwerk soll weiter ausgebaut werden, neben den Kernaufgaben für Essen und Wohnraum zu sorgen, soll auch verstärkt soziale und psychosoziale Beratung angeboten werden. Gerade in diesen Bereichen wächst die Nachfrage gerade stetig, eine angemessene Finanzierung bleibt jedoch aus. Der neue Gesetzesentwurf, der bereits Mitte September vergangenen Jahres vor dem Bildungsausschuss in Schwerin diskutiert wurde, sieht hier Änderungen vor. Auch Martin war zu diesem Termin eingeladen und trat neben anderen als Sachverständiger auf, der im Sinne der Studierenden für den Gesetzesentwurf argumentierte. Es gehe ihm darum, dass nicht nur strukturelle, sondern auch inhaltliche Veränderungen vorgenommen und die Studienbedingungen verbessert werden. Zukünftig will man an der gesellschaftlichen und hochschulpolitischen Relevanz der Studierenden für das Land arbeiten. Zudem gilt es für die Landtagswahlen im September 2016 die hochschulpolitische Positionierung der Parteien zu erfragen. „Wir haben einen hohen politisch inhaltlichen Anspruch. Wir nehmen unsere Arbeit ernst“, sagt Martin abschließend, „und wenn es läuft, macht es auch Spaß.“

Die Landeskonferenz der Studierendenschaften, kurz LKS, ist eine Institution, die durch das Landeshochschulgesetz vorgegeben ist und die Studierendenschaften des Landes Mecklenburg-Vorpommern vertritt. Jeweils zwei Vertreter aus den sechs verfassten Studierendenschaften der Universitäten Rostock und Greifswald, den Hochschulen in Wismar, Neubrandenburg und Stralsund sowie der Hochschule für Musik und Theater Rostock treffen sich alle zwei Monate, um gemeinsam über die hochschulpolitische Situation zu diskutieren. Martin Warning und Katharina Wilke, beide tätig im AStA, vertraten im vergangenen Studienjahr die Rostocker Studierendenschaft. „Die Hauptaufgabe besteht darin, gemeinsame Interessen zu vertreten, voneinander zu lernen und Projektideen auszutauschen“, erklärt Martin Warning, „wie unseren Mensa-Ausschuss oder die Kindertagesstätte für studierende Eltern der Uni Greifswald.“ Für die Arbeit der Interessenvertretung der Studierenden MecklenburgVorpommerns, insgesamt circa 38.000 Studierende, ist es dabei von besonderer Bedeutung, sich über eine gemeinsame politische Positionierung auszutauschen und abzustimmen. Dazu wird unter anderem alle fünf Jahre eine Zielvereinbarung formuliert. Martin war zudem zusammen mit Michael Schulz von der Hochschule Neubrandenburg Sprecher der LKS, bis die Vertreter Rostocks im November neu gewählt wurden. Nun hat Heiner Kolp den Platz in der Delegation von Martin übernommen. Neben der Vertretung der LKS in der Öffentlichkeit durch Pressemitteilungen, nehmen die Sprecher auch Termine vor Ort mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern und anderen hochschulpolitischen Institutionen wie der Landeskonferenz der Rektorate wahr. In Gesprächen mit Abgeordneten und Ministern

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Zwischen Kleinigkeiten und Medienkontakten

Landtagswahlkämpfe als bundespolitische Signale – 2015 war in Mecklenburg-Vorpommern ein spannendes Jahr für die politische Kommunikationsforschung. Zum einen befindet sich die Politik im Jahr vor der nächsten Landtagswahl, zum anderen müssen gerade die oppositionellen Parteien medienwirksam ihre Arbeit verkaufen. Es folgt ein Vergleich zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei. Autorin Mimi Fischer offenbart den ganz persönlichen Fetisch von Politikwissenschaftler*innen.

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förderung setzten die Grünen vor allem auf die traditionelle Besetzung von Themenfeldern. Als besonderer Vorteil gilt in der Wahlforschung, dass viele politische Aspekte bereits einen grünen Touch enthalten. Beispielsweise werden Themen wie die Einführung von Flaschenpfand, Abschaffung von Plastiktüten, Atomausstieg, Benzinart E10 und Tierschutz automatisch in der grün-politischen Ecke verortet. In diesem Jahr haben die Grünen im Land 511 Pressemitteilungen veröffentlicht, wovon 129 direkt in Artikeln der NNN verarbeitet wurden. Neben der klassischen Vertretung von landwirtschaftlichen, energieorientierten und infrastrukturellen Inhalten, konnten die Grünen vor allem im bildungspolitischen Bereich überzeugen. Mit der großen Präsenz von Johannes Saalfeld im Bereich Hochschulen und Ulrike Berger für Schulen konnte sich die Partei landesweit gut darstellen. Immer noch schwach werden die Bereiche Wirtschaft und Arbeitsmarkt bedient. Abgesehen von der Werftendebatte und den typischen Haushaltsfragen, konnte die Oppositionspartei kaum wahrgenommen werden.

Wenn ich Außenstehenden davon berichte, dass ich gerade meine Bachelorarbeit zum Thema „Mediale Kommunikation von Oppositionsparteien in MV“ abgegeben und dafür rund 1.000 Artikel der Norddeutschen Neuesten Nachrichten (NNN) gelesen habe, fragen mich die meisten, was tagespolitische Zeitungen noch mit Wahlkampfstrategien zu tun haben. In Zeiten von Facebook, YouTube, Twitter und Co. scheint diese Frage für viele Bürger*innen schlüssig, trotzdem sind die Entwicklungen im Bereich Web 2.0 nicht so ausgereift, um klassische Monologien zu durchbrechen: In den vergangenen zehn Jahren haben 60 Prozent der Wähler*innen angegeben, dass sie ihre Informationen zum größten Teil aus regionalen Tageszeitungen ziehen. Stillschweigend möchten die prototypischen Wähler*innen von landesinternen Themen unterrichtet werden. Bleibt der Lokaljournalismus also Markt der Zukunft? Trotz Grenzen bei der Analyse, ist eine sichtbare Aufteilung von Kernthemen zahlenmäßig nachweisbar. Dabei treffen die zwei wichtigsten Thesen der Zeitungen aufeinander: Versuchen Parteien möglichst viele politische Themen zu besetzen, um alle Bürger*innen anzusprechen? Oder: Versuchen die regionalen Tageszeitungen vermehrt beide Oppositionsmeinungen einzubeziehen und so indirekt das AgendaSetting zu beeinflussen?

Linksabbiegen? Als Partei der Nostalgiker*innen und Modernisierungsverlierer*innen findet sich die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Beschreibung kommt allerdings deutlich zu kurz – dass die Linkspartei durchaus regierungsfähig ist, hat sie in MV schon beweisen können. Aus dem dadurch entstandenen Volksparteienanspruch versuchen sich die Linken zu allen politischen Themen zu positionieren. Auch bei der Auswertung der 736 Pressemitteilungen ist auffällig, dass die Linke über ihre traditionelle Besetzung des sozialen Komplexes hinweg agiert. Dabei profitiert sie von der extrem hohen Parteibindung der Wähler*innen in MV, der niedrigen Wahlbeteiligung von 51,5 Prozent und von unterschiedlichen Parteikonstellationen. Mit Erststimmenergebnissen

Jetzt wird es Grün Die frühere „Anti-Parteien“-Partei Bündnis 90/Die Grünen konnte 2011 erstmals mit 8,6 Prozent und somit sieben Abgeordneten in den Schweriner Landtag einziehen. Angeführt durch die Doppelspitze Silke Gajek und Jürgen Suhr, konnte die ehemalige Ökopartei mit einem aggressiven Newcomer-Wahlkampf besonders beim höher gebildeten Publikum, den Bildungsbürger*innen, in urbanen Gebieten punkten. Mit dem altbekannten Bindeglied zwischen Ökologie und alternativer Zukunfts-

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zwischen 18 und 30 Prozent sind die Linken auch heute noch stark in den ehemaligen SED-Hochburgen Schwerin, Greifswald, Stralsund und Neubrandenburg etabliert. Die Themen, an denen die Linkspartei vor allem gearbeitet hat, sind einerseits wirtschaftlicher bzw. sozialer Natur – Werftendebatte, Arbeitslosengelder, Mindestlohn – und betreffen andererseits gesellschaftspolitische Themen der Gefahrenabwehr gegen rechts. Darunter fallen MVgida, die Diskussion um V-Leute des Verfassungsschutzes und die Flüchtlingshilfe.

Journalist*innen fordern und Bürger*innen einbinden Das zeigt, dass es wahrscheinlich noch ein paar Jahre zu früh ist, der Mediatisierung gänzlich zu vertrauen. Vielmehr befindet sich die deutsche Politik auf den Spuren des personalisierten, amerikanischen Wahlkampfes und übernimmt nach und nach einige Strukturmuster. Momentan muss daher viel mehr die Integration von tagespolitischen Artikeln in Online-Medien erfolgen und so von Beginn an die Beteiligung von Bürger*innen an Prozessen der Landespolitik gefördert werden. Durch doppelte Professionalisierung wird eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Wähler*innenaltersklassen geschlagen, nur so können beide Parteien einen Generationenwechsel ohne spürbare Verluste überstehen. Agenda-Setting spielt in diesem Zusammenhang zwar eine zentrale Rolle, trotzdem muss auch den Parteien bewusst sein, dass die Zeitungen durch finanziellen Druck stark an die regionalen Interessen gebunden sind. Vielmehr müssen auch kleine Erfolge, wie die Übermittlung von Antragsvorschlägen in Ausschüsse des Landtages, medienwirksam besser verkauft werden. Also keine Angst, es ist ganz normal, wenn die Linken eine Umweltrevolution planen und die Grünen plötzlich soziale Gerechtigkeit auf ihre Transparente drucken – Politik ist Kommunikation.

Krabbelgruppe World Wide Web Beide Parteien versuchen sich knapp ein dreiviertel Jahr vor der Wahl mehr zu definieren, wozu auch gehört, dass sie auf deutlich jüngere Kandidat*innen setzen. Daraus könnte man schlussfolgern, dass nun auch auf moderne Technologien wie der Mobilisierung übers Internet gesetzt wird. Wie Julia Metag und Frank Marcinkowski in ihrer Studie zu messbaren Effekten von Online-Aktivitäten auf Wahlergebnisse jedoch nachweisen, spielt das auf Landesebene kaum eine Rolle. Zwar kann im Vergleich zur kommunalen Ebene eine leichte Veränderung von zwei Variablen (Facebook-Likes und Erwähnung auf regionalen Nachrichtenseiten) aufgezeigt werden, wovon besonders die Linkspartei profitiert, trotzdem kann nur auf Bundesebene eine Verbesserung von 1,6 Prozent, vor allem durch persönliche Internetseiten, der Erststimmenverteilung bestätigt werden.

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KULTUR

Der Vorsatz für das neue Jahr: Kreativer sein. Deswegen hochpoetische Lyrik aus meiner Feder, ein Elfchen: Menschen ihre Ergüsse auf elf Seiten

Graffiti, Madsen, Schauspiel, Rezensionen

Kulturressort

Anne Halbauer

Mach Grau zu Bunt und höre zu!

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INK, ACS, IF, GF und SR – Buchstabenkombinationen in allen möglichen und unmöglichen Farben schmücken Rostocks Wände und Bauwerke. Was sich hinter ihnen verbirgt und welche Geschichten die Rostocker Graffitiszene erzählt, wurde mir klar, als ich mit einem Sprüher durch die Stadt ging. Autor Wiegand Körber wünscht sich viele bunte Bilder an seiner Hauswand. // Fotos S. 41 und 42 unten: Wiegand Körber

Graffiti: Was mal schön, mal hässlich an Häuserfassaden, Containern und Rohren prangt, wird lebendig, wenn man mit einem Insider der Szene unterwegs ist. Es offenbaren sich Geschichten, die dem einfachen SpaziergängerInnen verborgen bleiben. Aus Bildern entsteigen Rostocks legendäre Sprüher, wie SYNDE oder TSOK, deren illegale Schaffenszeit lange vorbei ist, doch deren Bilder unangetastet bleiben – teilweise mit entsprechenden deutlichen Hinweisen versehen (etwa: „Du bleibst für immer hier“). Diese Graffitis zu übermalen, wäre Blasphemie und zöge körperliche Sanktionen nach sich. Respekt voreinander ist ein, wenn nicht gar das wichtigste Merkmal der Rostocker Graffitiszene. In Rostock sind drei verschiedene Motive unterscheidbar, die sich hinter den Zeichen und Bildern verbergen: der künstlerische Wettbewerb, die Vertretung gesellschaftlicher Gruppen und die kurzfristige Mobilisierung zu bestimmten Zwecken. Der künstlerische Wettbewerb spiegelt den, dem Graffiti innewohnenden, Gedanken der Verbreitung des eigenen Namens und seiner Crew aus rein ästhetischen Motiven wider. Entscheidend ist hier nicht die, wie auch immer geartete, Botschaft, sondern der sichtbare Eindruck: Hinter

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den Buchstabenkombinationen der größten Crews Rostocks – etwa 18, 20, INK, DMR, MFG & GOD, SIC oder WDS – nach einem Sinn zu suchen, ist daher müßig. Entscheidend für die Wahl der Buchstaben sind einzig ästhetische Aspekte. Anders stellt sich die Lage bei dem Motiv der Vertretung gesellschaftlicher Gruppen durch Graffiti dar. Denn Graffitis in Rostock haben zum Teil einen Interessenbezug, der nicht nur die Verbreitung der eigenen Kunst betrifft, sondern dezidiert gesellschaftlich ist – Graffiti in Rostock ist damit auch oft ein Ausdruck der Artikulation von Gruppeninteressen. Das größte und Stadtbild dominierende Gemeinschaftsinteresse ist ohne Zweifel der Fußballclub Hansa Rostock. SR (Suptras Rostock), ILT (I love trains), DF (Devil Fish), AC (Action Connection), GF (Ghettofans), PBR (Plattenbau Rostock) und die Hansa Hools sind nur die bekanntesten unter vielen Crews, die im Namen des Ostseeclubs die Stadt verzieren. Auch international ist Hansa dadurch zu einem Begriff geworden. Zeugnis dieses Tuns sind die beiden sehenswerten Filme I love trains – der Film und der seit Oktober 2015 unter anderem im Späti 66 erhältliche Streifen Blau-Weiß-Rot. Mediales Echo erlangten dem FCH verbundene Sprüher der ILT-Crew außerdem mit dem Bombing eines Zugs in Wien in Vorbereitung auf ein geplantes Freundschaftsspiel zwischen Hansa und dem österreichischen Club Rapid Wien. Dieses Graffiti war einer der Gründe für die Absage des Spiels aus Sicherheitsgründen. Die zweite im Stadtbild präsente gesellschaftspolitische Interessengruppe ist die Antifaschistische Aktion, kurz Antifa, die unter den Kürzeln AFA oder ASC zu finden ist. Rivalität besteht zwischen diesen Gruppen jedoch nicht, weil die Gruppen personelle Überschneidungen aufweisen und weil sie einen gemeinsamen Feind in der Polizei haben. „ACAB“, „1312“ oder „friends don’t let friends become cops“ sind einige der bekanntesten Botschaften. Im Namen des dritten Motivs, dem Sprayen aus Mobilisierungsgründen, treffen sich KünstlerInnen und InteressenvertreterInnen, obwohl die Teilung der Szene in reine Namenssprüher, Antifas und Hansafans nicht trägt – die personellen Überschneidungen sind enorm und wer im Namen der genannten Gruppeninteressen sprüht, verzichtet noch lange nicht auf die Verbreitung seines Namens und dem seiner Crew. In den vergangenen Jahren waren es vor allem drei Kampagnen, die, aus dem Motiv der Mobilisierung heraus, das Stadtbild geprägt haben. Im Jahr 2014 betraf das vor allem Botschaften mit Bezug auf das Gastspiel von Dynamo Dresden in Rostock, etwa „29.11 – alles ist erlaubt“ oder „Sachsen jagen“ bzw. „Sachsen raus“. Auf antifaschistischer Seite zeugen die Reste der Graffitis „Weißt du wer Mehmet Turgut war“ und „Mehmet Turgut – am 25.02.2004 von Neonazis erschossen“ von dem Versuch mittels Straßenbotschaften auf politische Missstände hinzuweisen. Im Jahr 2015 kam es zu einer bemerkenswerten Symbiose, als im Zuge des Prozesses gegen einen Hansa-Fan und Antifaschisten „Schubi“ genannt, im Straßenbild „free Schubi“Schriftzüge auftauchten. Diese Dinge

sind in ihrer Botschaft offensichtlich und speziell für jene gedacht, die in Kontakt mit der Szene stehen. Doch hier ist das offensichtlich sichtbare lediglich die Kultur, die sonst oftmals codiert und damit nach einem für Außenstehende nicht einsehbaren Codex funktioniert. Mit dem Blick eines Szene-Insiders durch die Stadt zu gehen, ist daher auch ein Blick auf das, was die Anhänger der Subkultur momentan bewegt. In der letzten Zeit war das vor allem eine vierteilige Buchstabenkombination: MOEL. Der in jungen Jahren plötzlich verstorbene Sprüher war hochgeachtet, entsprechend groß fielen die Reaktionen aus. „RIP MOEL“ oder „King MOEL“ Schriftzüge erschienen seitdem über ganz Rostock verteilt. Bilder ihm zu Ehren entstanden an zentralen Punkte, wie etwa dem Skaterpark in der August-Bebel-Straße oder am Steintor. Nicht zu vergessen der meterhohe Schriftzug seiner Lebensdaten am Margaretenplatz. Was daran vor allem fasziniert, ist die Ernsthaftigkeit und – einmal mehr – der Respekt, der sich in dieser Geschichte widerspiegelt. Ganz nebenbei lösen diese beiden Elemente mögliche Fragen nach Sinn und Unsinn von Graffitis und nach dem oft erhobenen Vorwurf der Kulturlosigkeit. Bei einer Szene, die derartige Mechanismen und Standards pflegt und die solch eine Differenziertheit aufweist, stellt sich die Frage nach ihrer Berechtigung nicht – das Vorhandene beantwortet sie durch die bloße Materialisierung der genannten Motive. Soll heißen: Wenn eine so große Menge von Personen so viel Energie in die Erstellung von Bildern steckt, dann ist das Interesse allein durch die Anzahl legitimiert – demokratischer kann Kunst nicht sein. Ein Spaziergang mit ihm ist daher eine Dekodierung der Zeichen und der inhärenten Symbolik, die ohne Hilfe nicht erschlossen werden kann. Und wie Opernbesucher darauf angewiesen sind, sich über das Wissen von musikalischen Formen und textlichen Hintergründen ein über das ästhetische Empfinden herausgehendes Erleben zu erarbeiten, so ist Graffiti auch nur mit den Geschichten, die hinter den Bildern stehen, als Kultur verständlich. Und Kultur fragt nicht nach Eigentumsverhältnissen, sondern ist allein der Kunst der Schaffenden verpflichtet. Wer Graffiti verstehen möchte, sollte also nach der Kultur fragen – nicht nach der Legalität der Ausdrucksform. Denn Graffiti lebt von der durch die Illegalität erzeugten Kurzweiligkeit und den damit verbundenen ständigen Veränderungen sowie dem Willen dazu, was einzigartiges Merkmal dieser Subkultur ist.

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Das Hadern mit der Geschichte Eine Buchbesprechung des Romans Das ist eine Geschichte. Autor Martin Fietze verheddert sich auch mal im Hadern mit seinen Zweifeln.

Fangen wir mit einem Resümee an: Gerlof bietet guten Stoff, aber eine sperrige Geschichte. Oder in Germanistendeutsch gesprochen: Das ist eine gute Diegese, aber eine umständliche Narration. So beginnt das Buch schon früh mit einer denkbar langweiligen Konstruktion: Jüdische Tote kommen in einer Art Zwiegespräch zu Wort, in dem sie nicht nur aus ihrem Leben berichten und die aktuellen Geschehnisse im Städtchen Warenberg kommentieren, sondern sie reflektieren obendrein noch ihre Erzählkomplizenschaft mit der Autorin. So soll wohl dem Eindruck eines moralisierenden Impetus des Buches vorgebeugt werden, das in seiner multiperspektiven Erzählausrichtung Ausschnitte aus dem Leben ausgewählter Figuren in der Salomon-Weinreb-Straße wiedergibt, in deren beschauliches ostdeutsches Dorfleben der Engel der Geschichte hereingebrochen ist. Gerlofs Konstruktion läuft leer, denn das Toten„Interview“ bildet nur einen Rahmen für das eigentliche Geschehen, ohne eine bedeutsame Rolle für die Figuren und ihre Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte zu übernehmen. Stattdessen schickt eine jüdische Erbengemeinschaft ihren Anwalt vor, der deren Ansprüche auf Land- und Hausbesitz in Warenberg geltend macht. Plötzlich sind fast alle Bewohner des Ortes betroffen (außer dem zugezogenen Dönermann) und aufgerufen, sich mit der Geschichte ihrer Heimat und ihrer Vorfah-

ren auseinanderzusetzen. Was hat mein Vater im Krieg getan? Wie erwarben die Eltern oder Großeltern das Haus, in dem ich heute lebe? Bin ich als Tochter von Widerstandskämpfern den Erben überhaupt etwas schuldig? Die Suche nach Wahrheit und Reinwaschung von Sünden fällt bei solchen Fragen oftmals zusammen. Doch kann meist keine Wahrheit gefunden werden, sondern nur eine Haltung, die dann wiederum Auskunft über die Mentalität der jeweiligen Person gibt. In Gerlofs Buch gerät nun das Warenberger Bürgerbündnis gegen die Erbengemeinschaft durch die zermürbende Auseinandersetzung mit deutscher Schuld, historischer Gerechtigkeit und Verlustängsten in der Nachwendezeit ins Wanken. Ob Lokaljournalist, Geschichtslehrer oder junge Rechtsanwältin – die Figuren driften bisweilen ins Prototypische ab. Sie werden nicht richtig lebendig und schmiegen sich so sanft aufs Papier wie feuilletonistische Druckerschwärze. Der hochgelobte Tonfall Gerlofs ist hier alles andere als schnörkellos. Aber ist die erwähnte Erzählkonstruktion wirklich so misslungen? Das Gespräch mit den Toten wäre immerhin ein Verstoß gegen eine realistische Wirklichkeitsauffassung und ist doch nur in der selbstreflexiven Wortsuppe möglich, wo die Literatur sich selbst thematisiert und Lesende wie Schreibende den Deckmantel der Fiktion ein wenig zur Seite legen, während

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sie den Vertrag fürs Weiterlesen ausgestalten. Dieser fiktionale Pakt wird im vorliegenden Fall auf die Erzählung der Toten verlagert und müsste geradezu schmerzlich ausfallen, denn der Lesende wird aufgefordert, sein Verhältnis zu der einen Geschichte zu definieren, an der sich auch die Figuren abarbeiten müssen. Doch irgendwie perlt das Geschilderte ab wie Wasser. Es hinterlässt keine Schlieren und ohne Shampoo macht es auch nicht wirklich sauber. Man erwartet ja keine Gehirnwäsche, aber eine emotionale Betroffenheit beim Lesen würde die Tristesse greifbarer machen. Die eine Geschichte, ist auch die, die Ost und West verbindet. Es geht um die deutsche Schuld und den Umgang mit den Nazigräueln. Nur wurde diese Geschichte im Osten unter ganz anderen Bedingungen verwaltet, als sie nach der Wende vorzufinden waren. Das Umschreiben dieser Geschichte entzieht nun nicht nur den Figuren den Boden, sondern auch uns Lesenden. Denn in unseren götzendämmerigen Tagen hat sich zuletzt wieder gezeigt: Auch hierzulande, in Ost wie West, hat der Engel der Geschichte (neben der Abschaffung des eben verwendeten Begriffspaares) noch einiges zu tun. Kathrin Gerlof: Das ist eine Geschichte 396 Seiten, Aufbau Verlag, 978-3-351-03563-1 19,99 Euro


: im it r a m 's t h c a m M adse n Musik mit Meerwert

Zum Ende des letzten Jahres gab sich Madsen mal wieder die Ehre in Rostock. Der heuler traf sich mit Drummer Sascha Madsen und Bassist Niko Maurer zum Interview.

Niko: Es ist nur schade, dass im Winter diese Fähren hier nicht fahren. Sascha: Das stimmt. Wir wollten nach Warnemünde raus, aber das war nicht möglich. Ich wollte mir Rostock vom Boot aus angucken. Und das Geländer, von dem aus man so einen schönen Ausblick hatte, ist auch weg. Letztes mal, als wir gespielt haben, haben wir abends noch schön darauf gesessen und Bier getrunken. Wo ist das hin? Das war früher der Zugang zur Georg Büchner, die ja leider ganz zufällig auf dem Weg ins litauische Klaipeda gesunken ist. Wenn ihr in Rostock seid, dann spielt ihr immer im M.A.U. Wie kommt das? Sascha: Na, die Stadthalle zum Beispiel ist zu groß. Dann spielen wir lieber noch mal hier, wo es rappelvoll und schwitzig ist. Wir haben es auch im Moya probiert, aber das ist kein schöner Laden, das macht keinen Spaß da zu spielen. Deswegen kommen wir wieder hier zurück. Niko: Hier ist es schön, hier sind die Leute alle gut drauf, alle nett und haben eine gute Einstellung. Auch wenn sie Hansafans sind. Sascha: Na gut, in Rostock kann man das niemandem zum Vorwurf machen. Von Hansa Rostock zurück zu eurer Musik. Das Album Kompass ist im Vergleich zum letzten Album Wo Es Beginnt wieder rockiger geworden, die Texte hingegen poppiger: viele Liebeslieder. Gibt es dafür eine Erklärung? Sascha: Diese Stilentwicklung sieht jeder anders. Ich zum Beispiel sehe es nicht so. Das hat aber überhaupt nichts zu bedeuten, es hält sich immer so die Waage. Das finde ich total interessant, aber eine Erklärung habe

Autor*innen Anne Halbauer und Ole Schulz mögen Alliterationen. // Foto: Marco Sensche

heuler: Gerade uns Rostocker*innen fällt auf, dass das neue Album Kompass viele maritime Motive hat, wie zum Beispiel Anker, Sirenen, Leuchtturm. Wie kommt das? Sascha: Wir haben schon sehr oft in Rostock gespielt. Ich glaube 2001 das erste Mal als Vorband von „Die Happy“. Deswegen hat uns natürlich der Norden inspiriert (lacht). Das Album ist also als Hommage an Rostock zu verstehen? Niko: Genau, das neue Album ist nur Rostock gewidmet (lacht), weil es hier einfach so wunderschön ist. Habt Ihr während der Tour überhaupt Zeit, die Stadt kennenzulernen? Niko: Klar, wir kommen schon morgens an. Ich bin heute um halb elf aufgestanden, hab einen Kaffee getrunken und bin dann in die Stadt gelaufen. Sascha: Was ich eigentlich immer hier mache, weil Rostock so schön ist und wir oft in der Weihnachtszeit hier spielen, ist, noch mal über den Weihnachtsmarkt zu flanieren und die letzten Weihnachtsgeschenke einzukaufen.

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Sascha: Wenn sich die Gelegenheit bietet und wir uns sicher und einig sind, dann machen wir das sofort. Wir haben uns auch für Flüchtlinge ziemlich stark eingesetzt, haben Shirts verkauft – eigens entworfene „Refugees Welcome“-Shirts und haben da 10.000 Euro zusammengetrommelt und gespendet. Man kann sich allerdings nicht für jede gute Sache einsetzen. Wenn es immer mehr wird, wofür man sich einsetzt, dann wird es irgendwann unglaubwürdig. Niko: Eben, es ist natürlich extrem wichtig, sich zu platzieren und seine Meinung zu sagen, man sollte es aber nicht als Promotion für sich selbst nehmen und es immer raushängen lassen. Was habt ihr vor der Musik eigentlich so gemacht? Was uns als Studierendenmagazin natürlich auch interessiert: Habt ihr Erfahrungen mit der Uni? Sascha: Ich fang an, bei mir geht’s ganz schnell: Ich hatte eine Aufnahmeprüfung, bin sensationell durchgerasselt und das war meine Karriere an der Uni. Was wolltest du studieren? Sascha: Musikpädagogik. Ich hatte im pädagogischen Prüfungsteil eine Zwei und in den beiden musiktheoretischen Prüfungsteilen jeweils eine Fünf. Niko: Ich hatte in der Schule in Musik auch immer eine Fünf. Nach dem Abi habe ich erst Zivildienst gemacht, dann in Braunschweig ein Jahr Informatik studiert. Das war mir dann zu heftig und dann bin ich nach Magdeburg gegangen und habe dort zwei Jahre Computervisualistik studiert. Dann war mir Magdeburg zu heftig (lacht). Es hat mir schon gut gefallen, auch die Uni und so, aber dann war einfach keine Zeit mehr dafür, weil es mit der Band auch soweit los ging, dass wir 120 Konzerte im Jahr gespielt haben und jede zweite Woche bei MTV zu sehen waren. Sascha: Madsen hat dein Leben bestimmt. Niko: Ja, du hast mein Leben bestimmt. Kommt mit dem Bekanntheitsgrad auch ein gewisser Druck, z. B. Erwartungen an neue Songs? Sascha: Natürlich gibt es einen gewissen Druck und den braucht man auch. Aber den meisten Druck legen wir uns selbst auf. Niko: Eigentlich haben wir nie Druck gehabt, in dem und dem Zeitraum, das und das geschrieben, aufgenommen und gemacht haben zu müssen. Sascha: Wir hatten noch nie eine Plattenfirma, die gesagt hat: Im Vertrag steht, das Album muss dann und dann fertig sein. Überhaupt nicht. Das Album war fertig, wenn es die Songs dazu gab. Das dauert dann manchmal ein halbes Jahr und manchmal drei Jahre. Wir haben auch das Glück, dass wir so viele Menschen erreichen und so viele zu den Konzerten kommen, auch wenn wir zwei Jahre mal kein Album machen ... obwohl das selten vorkommt, dass wir in zwei Jahren mal kein Album machen. Ihr spracht vorhin davon, jede zweite Woche bei MTV gewesen zu sein. Ich habe euch durch den MTV Bandtrip entdeckt. Hättet ihr darauf noch mal Lust? Sascha: (lacht) Nee, auf keinen Fall. Dann fahren wir lieber mit dem Goethe-Institut nach Japan. Aber wirklich, so einen Scheiß machen wir nie wieder. Anstrengend? Sascha: Sau anstrengend und total sinnlos. Gib uns ein Auto, pack da unsere Instrumente ein und fahr mit uns – keine Ahnung – in den mittleren Osten oder irgendwas. Aber nicht einfach gegen eine andere deutsche Band und MTV denkt sich lustige Aufgaben auf. Bitte, bitte nicht. Grüße an MTV an dieser Stelle. Sascha: Ja Grüße, war schön mit euch. Viel Spaß beim Untergang. Obwohl das nehme ich zurück. MTV Unplugged, das machen wir, wenn ihr uns fragt.

ich nicht. Wo Es Beginnt war das Album, mit dem wir zurück zu den Wurzel wollten – selbstproduziert, rein ins Studio, Verstärker aufdrehen. Kompass ist viel filigraner und auch gecheckter. Wir haben zwar auch die Verstärker aufgedreht, haben dabei aber verschiedene Einstellungen ausprobiert. Was die Texte angeht, kommen wir zurück zur Anfangsfrage, wegen des Maritimen. Kompass beschreibt ein Fernweh, oder einfach eine Reiselust. Man sehnt sich an andere Orte, man sehnt sich danach, in den Sturm zu geraten, nach Abenteuern. Sebastian – er schreibt ja vornehmlich die Texte – hat mal gesagt, dass er einfach Bock auf Urlaub hatte; sich woanders hin gedacht hat. Es war aber keine Zeit für Urlaub und deswegen hat er das in die Texte gesteckt. Dazu haben wir auch eine LeserInnenfrage. Sascha: Jetzt bin ich gespannt. „Wie schafft ihr es immer so verdammt gut auszusehen?“ Fast: „Ich liebe das neue Album und die Band, aber ich habe mich schon mehrfach gefragt, ob der Song Fluten zu Zeiten ertrinkender Menschen im Mittelmeer nicht ein wenig zu makaber ist?“ Sascha: Überhaupt nicht. Natürlich, wenn man das Lied ertrinkenden Menschen im Mittelmeer gegenüberstellt, kann es da makaber anmuten. Aber wenn man es so sieht, dann müsste die Hälfte der gesamten Musik verboten werden. Niko: Es ist ja eine ganze Zeit vorher entstanden, bevor die Thematik richtig aufgekommen ist. Sascha: Wobei die Ertrinkenden im Mittelmeer gibt’s ja nicht erst seit Kurzem. Niko: Ja das stimmt natürlich. Aber dass es durch die Medien breitgetreten wurde, kam natürlich erst später. Sascha: Ich kann die Frage verstehen. Aber das Lied ist aus einem völlig anderen Motiv heraus entstanden. Einige eurer Songs haben auch Motive, die man als politisch bezeichnen könnte. Allerdings sind diese oft unkonkret. Es wird selten auf spezifische Situationen eingegangen, sondern allgemein über Probleme wie z. B. Krieg in dem Lied Sirenen gesungen. Warum seid ihr nicht direkter? Sascha: Ich denke, Sirenen ist für uns schon eine Ausnahme, weil ich das auch selbst als politisch bezeichnen würde. Da ist eine klare Message drin. Bei so einem Lied wie Du schreibst Geschichte ist das eher versteckt. Es ist wahnsinnig schwer auf Deutsch wirklich politisch zu sein und zu texten, weil es dann ganz schnell mit erhobenem Zeigefinger und dem Motto „du sollst aber nicht“ einhergeht. Das wollen wir auf jeden Fall vermeiden, das liegt uns auch nicht. Du schreibst Geschichte wurde auch von einer sehr rechts angesiedelten Partei zu Wahlkampfzwecken genutzt, wogegen wir natürlich sofort rechtliche Schritte eingeleitet haben – stillschweigend, um ihnen keine Plattform zu bieten. Niko: Letztendlich sind wir eine Band, die natürlich politisch ist. Wir sind politisch denkende Menschen. Wir wollen die Leute zum Nachdenken anregen, sodass sie sich eine eigene Meinung bilden können. „Bild dir deine Meinung.“ (lacht) Nein, genau so nicht! Aber wirklich, dass die Leute nicht einfach mit Scheuklappen vor den Augen und Kopfhörern auf durch die Welt laufen und nichts mitkriegen und sich nur von irgendwelchen Idioten beeinflussen lassen. Sascha: Genau, dann lieber mal auf einer Anti-Kastor-Demo spielen oder auf einer Gegendemo zum 1. Mai. Lieber so darauf aufmerksam machen. Man kann gar nicht oft genug sagen, dass Nationalsozialismus und rechtes Gedankengut nach wie vor – oder sogar mehr als zuvor – wieder in Deutschland und überall auf der Welt ein riesen Problem ist. Es gibt ja noch viele weitere wichtige Themen, für oder gegen die mensch sich einsetzen kann, wie zum Beispiel gegen Sexismus und Homophobie. Wie sieht es da bei euch aus?

Danke für das Interview und viel Spaß beim Konzert.

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Laufen lernen

auf den Bret

die die Welt

An der Hochschule für Musik und Theater (hmt) werden jedes Jahr zehn junge Menschen zu SchauspielerInnen ausgebildet. Von dieser sehr besonderen und intensiven Zeit mit Höhen und Tiefen berichtet ein diesjähriger Absolvent. AutorInnen Anne Halbauer und Tom Putensen genießen die Schauspielerei aus der Zuschauerperspektive.

wie Mathilde. Andere kamen von der Uni so wie Jan, der Kultur und Technik studierte hatte“, erinnert sich Caspar. Es einte sie der Wunsch, den Schauspielberuf zu ergreifen. Das anschließende Studium unterscheidet sich sowohl quantitativ als auch qualitativ sehr von dem an einer Universität. „Auf jeden Studierenden kommen so ungefähr zwei Dozenten“, schätzt Caspar das Betreuungsverhältnis ein. In jedem Semester gibt es einen Stundenplan, unterrichtet werden die Studierenden neben drei Stunden Hauptfach Schauspiel am Tag auch musikalisch (Gesang und Chor) und sportlich. Koordination und Kondition stehen beim Sport im Vordergrund, um ein Bewusstsein für den eigenen Körper zu schaffen. Besonders spektakulär gehe es in der Hochschule her, wenn die Schauspielstudierenden gerade das Bühnenfechten trainieren und sich vor dem Katharinensaal oder in der Mensa beim Kulturcafé spannende Showkämpfe liefern, so ein Musikstudierender der Hochschule. Doch auf dem Stundenplan stehe auch trockene Theorie, die von der Geschichte des Schauspiels über Literaturstudien bis hin zu wissenschaftlicher Filmanalyse gehe. Gearbeitet wird in verschiedenen Sozialformen: Einzelunterricht zum Beispiel bei Stimmbildung und Gesang, Gruppenunterricht bei Szenenstudien und im gesamten Jahrgang bei Theorieveranstaltungen oder Bewegung. Hinzu kommen besondere Projekte, die an den Wochenenden oder in der vorlesungsfreien Zeit stattfinden. Im ersten Semester ist ein solches Projekt das Weihnachtsmärchen, das die zehn Studierenden erarbeiten und an unterschiedlichen Theatern aufführen. Eine sehr prägende Veranstaltung, die ebenfalls im ersten Semester stattfindet, war der Ensemblekurs.

Zwanzig, so hoch ist die durchschnittlich empfohlene Anzahl an Semesterwochenstunden der Universität. Das entspricht gerade mal zehn Veranstaltungen, locker verteilt zwischen Montag und Donnerstag, denn ganz ehrlich, wer freitags in der Uni sitzt, hat irgendetwas falsch gemacht. Wer aber regelmäßig auch samstags, sonntags und fast jeden Tag von 8 bis 23 Uhr am Institut ist, der studiert wahrscheinlich an der Hochschule für Musik und Theater. Zum Beispiel Schauspiel. So wie Caspar Weimann (22 Jahre), der im November 2015 zusammen mit seinem Jahrgang nach drei Jahren Schauspielstudium sein Diplomvorspiel absolvierte, einer der Höhepunkte des Studiums. Den gebürtigen Magdeburger verband seit seiner Kindheit die Leidenschaft zum Theater, sodass für ihn schon früh sein Berufswunsch feststand. „Als ich erfuhr, dass man Schauspiel studieren kann, wollte ich es studieren“ Ein Studium an einer staatlichen Hochschule ist für die Zukunft als SchauspielerIn wichtig, um sich zu legitimieren. „Das Problem ist, dass der Beruf des Schauspielers nicht geschützt ist, jeder Arsch kann sich so nennen“, echauffiert sich Caspar. Dass er im ersten Anlauf und direkt nach dem Abitur einen Studienplatz bekam, ist keine Selbstverständlichkeit. An der hmt Rostock versuchen jedes Jahr um die 700 BewerberInnen aus ganz Deutschland und Österreich einen der zehn begehrten Plätze zu ergattern. In drei nervenaufreibenden Runden zeigen die potentiellen Studierenden bei der Aufnahmeprüfung bis zu acht verschiedene Rollen, außerdem werden sie in Bewegung und Gesang geprüft. Nach der dritten Runde, die morgens um 9 Uhr startete, erfuhr Caspar nach insgesamt 18 Stunden Vorspielen und Warten zusammen mit vier weiteren Männern und fünf Frauen, dass er angenommen worden ist. Zehn sehr unterschiedliche Charaktere, die wohl im normalen Leben nie zusammen gefunden hätten, arbeiteten ab diesem Zeitpunkt sehr eng miteinander. „Wir kamen alle mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Einige hatten schon viel Bühnenerfahrung oder standen regelmäßig vor der Kamera

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ttern,

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er nicht ausgeht, der brennt.“ Caspars Jahrgang gewann mit seinem Tanztheater passenderweise den Ensemblepreis. Neben all der Euphorie hat der Schauspielberuf natürlich auch seine Schattenseiten. Einstiegsgagen von 1.750 Euro brutto im Monat, ein Normadenleben, gebunden an die Zweijahresverträge der Theater und allgemeine Einsparungen im kulturellen Bereich sorgen nicht für Zuversicht. Trotzdem blicken Caspar und seine KommilitonInnen optimistisch in die Zukunft. Alle zehn möchten sich zunächst an Theatern bewerben, um ein Erstengagement in einem Ensemble zu bekommen. Was danach komme, wisse man nicht. Es wird vielleicht auch einige in Richtung Film verschlagen, doch dieses freie Arbeiten sei zunächst nichts für Caspar. „Man hat ein sehr ungeregeltes Einkommen. An zehn Tagen kann man 10.000 Euro verdienen und danach monatelang nichts.“

Wessen Feuer nicht ausgeht, der brennt. „Wir sind zu zehnt für zwölf Tage auf eine Scheune auf's Land rausgefahren. Was wir da genau gemacht haben, darf ich nicht verraten, da das alle Schauspiel-Erstis selbst durchleben sollen, aber es hat mir und uns als Ensemble sehr viel gebracht. Wir haben dort gelernt, dass es wichtig ist, Konflikte nicht zu meiden, sondern sie auszuleben. Wir haben im Jahrgang beschlossen, Entscheidungen nicht demokratisch zu treffen, sondern absolut. Das bedeutet, dass so lange diskutiert wird, bis sich alle geeinigt haben. Dadurch gibt es keine Verlierer: Bin ich nicht zu 100 Prozent vom Nein überzeugt, dann stimme ich Ja. Andersherum kann ich meine Meinung solange verteidigen, bis ich ehrlich das Gegenteil unterstütze. Auf Dauer ist das nachhaltiger und gesünder. Unserem Jahrgang hat das sehr gut getan. Als wir zum Theatertreffen deutschsprachiger Schauspielstudierender 2015 nach Bochum gefahren sind, mussten wir uns entscheiden mit welchem Stück wir am Wettbewerb teilnehmen. Zur Auswahl stand unsere Studioinszenierung Shoppen, als auch das Tanzstück Ein Stück Bewegung. Wir haben uns nächtelang die Köpfe heiß diskutiert, bis wir uns schließlich auf letzteres einigten. Die Aufführung war eines der unbeschreiblichsten Momente meines Studiums. Wir waren alle zu 100 Prozent dabei, haben gespielt, haben es gefühlt – ich war klitschnass, denn an mir klebte der Schweiß von mir und neun weiteren Menschen. Es war der totale Rausch. Nach Ende des Stückes haben wir geheult vor Adrenalin, alles in uns fühlte gleichzeitig. Was da passierte, das war das romantische Prinzip des Schauspiels: Es geht alles um den einen Moment, und dieser ist flüchtig, denn jede Aufführung ist anders. Etwas gemeinsam mit dem Publikum zu erleben, darum geht es bei diesem Beruf und das ist der Antrieb. Wessen Feu-

Ich bin mein Produkt. Die Verbindung zur Hochschule sei stärker, als das bei üblichen Ausbildungswegen der Fall sei. Sie habe es geschafft, den Grundstein für ihre Zukunft zu legen: Nicht nur technisch, sondern auch in Bezug auf den Umgang mit dem Beruf, bei dem der Mensch das Produkt der Arbeit sei. Im späteren Berufsalltag stehe der Schauspieler als Person stets in der Kritik der Öffentlichkeit. Sich von seiner Arbeit distanzieren zu können, sei Selbstschutz und so ging es im Studium auch darum, sich mit dem eigenen Ich auseinanderzusetzen und sich zu reflektieren. Nach dem Diplomvorspiel endet für die zehn Studierenden die gemeinsame Lernzeit an der hmt. Im letzten Jahr ihrer Ausbildung können sie sich mit eigenen Projekten beschäftigen, haben Zeit, ihre Diplomarbeit zu schreiben und sich an Theatern zu bewerben. Wir wünschen ihnen viel Erfolg für die Zukunft.

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Kultour #vier Pl at t e

Autor Frit z Beise ist eue

Alles Nix Konkretes // _ AnnenMayKantereit –

r Reiseleiter.

16) Universal Music (18.3.20

en sie musikalisch die zur Mischung. Mal geb ’s kräftige Röhre passt May ertoire und das kön g nin Rep ins Hen . n öre thin e geh 5 schlech bs. Auch die sanften Tön -Pu Die Newcomer-Band 201 Irish s eine her mac Stimmungs Kap elle auf See, mal die beweist . , wie Bar fuß am Klavier nen sie besonders gut

rten // Destiny Records

_ Terrorgruppe – Tierga

(15.1.2016)

h 6 wie der da. Ist das noc 36. Geburts tag des SO3 mel und die politiund pünktlich 2014 zum ram nt sch ren kge get re Pun e Jah n isch Zeh er. z, das typ Totges agte leb en läng den lang vermissten Wit Die neuen Songs liefern Punkro ck? Allerdings. ten. hne zeic aus er imm on d sch schen Inhalte, die die Ban

ul Cr _ Elton John – Wonderf

rcury (5. az y Night // Capitol/Me

2.2016)

nigen, die es sich hören. Einer der We ren Abs tinenz wie der von er in den Köpfen Jah i imm dre für h die nac t n, läss iere s duz r zu pro ischen Pop en in C-Dur Ohr würme Der Altmeister des brit ord Akk vier als hr me auch mit immer wie der schaffen, bleiben werden.

Pr oj e k t i o n

.2016) l // Universal Pic tures (7.1 Gir h nis Da e Th – er op zum _ Tom Ho kt und por trätiert , zurück

leider stec sie ihren Mann in Frauenk ennt. Eine großar tige Um h einer Alb ernheit , in der seine weibliche Seite erk er dem in , aos Eine Malerin gelangt nac sch ühl Gef s ere inn ein an da von Erfolg. Für ihn beginnt rnen Themas. setzung eines hochmode

nd _ Brian Helgeland – Lege

) // Studiocanal (31.12.2015

sche mit der und Ronald, der choleri schlagene von beiden, ver durcheinan der aft d, rsch inal tne Reg Par ge he chäftlic Die Kray-Zwillin Eine Frau bringt die ges elt. London in den 196 0ern: erw Unt die h nac bern nach und Legende. psychischen Störung, ero Inhalt bleibt hoffentlich englischem Humor. Der der. Pop corn-K ino mit

_ Jason Zada – The Fores

016) t // Splendid Film (14.1.2

0 nah als Selbstmordwald. 201 ara -Wald in Japan. Er gilt afft , igah sch es Aok er den Ob . in a um Sar teri reales Mys r Schwes ter zieht es sem Horrors treifen ein Auf der Suche nach ihre Zada verarb eitet in die en. Leb das t dor en men sich 57 Mensch ten Jahre zu ziehen? Qualitätssumpf der letz das Genre wie der aus dem

Pa p i e r

us des Windes // Aufbau _ Louise Erdrich – Das Ha

(14.1.2016)

t in es. Der 14-jährige Joe räch lerliste der New York Tim gen. und zum Ekeln zu brin natelang auf der Bes tsel hen mo r Lac Jah zum , ten letz nen im Wei r zum , abe uns ung es hein afft ersc sch Neu orin e Aut kein Ja, tter. Die Verbre chen an seiner Mu Nor th Dakota ein übles ich. ältl erh ch nbu che Tas Jetz t als

r irdisch _ Horst Evers – Alles auße

// Rowohlt (22.1.2016)

auf ter stür zt ein Raumschiff h wenige Sekunden spä oist endlich geglück t, doc eine Ver schwörungsthe BER wie gt ens haf klin Flug Was r . hte line höhere Mäc Die Eröffnung des Ber ürdige Menschen und rkw me he, disc erir die Landebahnen. Auß an. herrlich grotesker Rom rie, ist zum Glück nur ein

.1.2016) mit Pasha // Rowohlt (22 er mm So r De – ya ka ors _ Yelena Akhti in der Stadt. Jahre en. Doch er verlier t sich besuch kte Mutter in New York talgische Geschichte r Pasha soll seine erk ran geworden ist. Eine nos ihm aus was n, nde zufi Der tollpat schige Dichte aus her um ssa, Ode in hte e Nic später besucht ihn sein nicht aussuchen kann. s man sich seine Familie über die Tats ache, das

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r e d n e l a k r u o t Kul 13.12.15 bis 28.02.16

nsthalle Rankin – Less is more // Ku

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tz // M.A Terrorgruppe + The Flexfi

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// Subway To Sally – Neon

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Rostock in 100 Worten Autorin Loni Zacher schätzt Skurrilitäten am Wegesrand.

Ein bisschen Ruhrgebiet, ein bisschen Berlin; Autos, Räder, Passanten – Vorsicht: Bahnsch ien'! Wandelnd, doch sesshaft zugleich, irgendw ie arm und trotzdem reich. Du verbindest Rostocks Places to be, erstreck st dich vom Saarplat z bis zum Dobi: Fassaden von zauberhaft bis Griff ins Klo. Nagelstudio, Versicherungen, Wandtat too, Angelbedarf und elektrischer Rauch, ich weiß nicht, was ich seltener brauch' Tauchen, Modellbau, Rehazentrum? Du änderst dich, kaum dreht man sich um, die Mietprei sbezahlu ng – ein geheimes Wunder? Schon mal im Maya gewesen oder Stralsunder? Rostocks Vielfalt erlebt man hier dank Imanma rket, Barber und Kumpir und siehe da: auch afrikanischer Kram. Oh Wismarsche, dein besonderer Charme! Anzeige

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Zeichnerin: Theresa John

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ISSN 2363-8109


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