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nisationen bei Facebook und Co. lässt erahnen, dass nicht nur rechte Straftäter Gewaltphantasien gegen Geflüchtete hegen. Dafür spricht auch der Verfassungsschutzbericht 2014, der 990 rechte Gewalttaten und 170 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte zählt; im laufenden Jahr kommen weitere 150 politisch motivierte Taten dazu. Zwischen den Anschlägen in Lichtenhagen damals und denen in Freital, Tröglitz und Meißen heute liegen nicht einmal 25 Jahre. Es wird nicht reichen, ein Banner am Stadthafen zu zeigen oder ein Themenheft zu gestalten. Vielmehr braucht es den Mut zu handeln. Und was machst du?

... als Teil unseres Lebens, sei es in persönlichen Beziehungen, in denen man sich zurückzieht, sei es in Stresssituationen, die uni- oder arbeitsbedingt entstehen. Auch die von uns allen geliebte Prokrastination ist nichts anderes als eine Flucht vor Aufgaben, denen wir uns aus den einen oder anderen Gründen lieber nicht stellen wollen oder können. Wenn aber aus der Flucht ein permanenter Zustand, die flüchtende Person zum Flüchtling erklärt wird, dann geht das verloren, was den Menschen hinter seinem Bewegungszustand ausmacht: individuelle Eigenschaften, eine Persönlichkeit. Mit dieser Entindividualisierung gehen auch Hemmschwellen verloren, wie sich im konkreten Umgang mit Flüchtlingen zeigt. Längst ist es wieder salonfähig, von Überfremdung zu sprechen. Ein Blick in die Kommentarspalten asylkritischer Orga-

Die Redaktion

Nu r ec ht m Fritz Beise

Hauke Ruge

Tom Seiler

Juliane Pfeiffer

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Nicole Korte

Nadine Fruck

Sophie Auer

Jessica Donzowa

Michel Wiedecke

Luise Wagner

Isabell Kilian

Loni Zacher

Anne Halbauer

Katharina Westphal

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Wiegand Körber

Jens Wegener

Martin Fietze

Ich bin heuler – und du?

Melde dich per E-Mail: redaktion @heulermagazin.de Stephan Pohling

Lea Kroos

Anja Heidepriem

Michèle Fischer

Steffen Dürre

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Wir alle kennen Flucht


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26 heuler – Das Studierendenmagazin Parkstraße 6, 18057 Rostock Tel/Fax: 0381-498-5608 / -5603 www.heulermagazin.de Nr. 110 | Juli 2015 Herausgeber Studierendenschaft der Uni Rostock

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Geschäftsführung Fritz Beise gf@heulermagazin.de Ressortleitungen Luise Wagner (Uni) uni@heulermagazin.de Isabell Kilian (Leben) studentenleben@heulermagazin.de Michèle Fischer, Tom Seiler (Politik) politisches@heulermagazin.de Anne Halbauer (Kultur) kultur@heulermagazin.de Michel Wiedecke (Online) online@heulermagazin.de

INHALT // AUSGABE 110 LEBEN 6 8 10 12

Champagner im Kopf − Improtheater in Rostock Ich will wieder frei sein! 12 Menschen, Küche, Bad Denkt an die Elektrolyte!

Politik 14 Wir können nicht nachprüfen, nur vertrauen − Kirchenasyl in Rostock 17 Studentenwerk 2.0 − Das Gesetz 17 Gute Geister der Uni: Das Praktikumsbüro 18 Studierendeninteressen und die Bürgerschaft − eine schwierige Beziehung? 19 Von A nach B ohne ÖPNV? 20 Volksentscheid in MV: Coming soon! 21 Politischer Kalender 22 FSRK − Das klassische Rostocker Problem 23 Beifach, nicht Drittfach 24 Gebührende Klatsche. Über die Bildungsfinanzierung

26 Popo, das exklusive Pommesposter zum Rausnehmen UNI 28 Hafen der Wissenschaften − Zuflucht für Geflüchtete? 30 Traditio et innovatio. Am Portal der Universität

Redaktionsleitung Wiegand Körber (V.i.S.d.P.) Lea Kroos redaktion@heulermagazin.de

31 Gute Geister der Uni. Das Praktikumsbüro 32 Da sein oder nicht da sein − das ist hier die Frage 33 Fairtrade my University 34 Woher kommt eigentlich unser Vorlesungsverzeichnis? 36 Tiere in der Klinik? Nur, wenn sie aus Plüsch sind! 37 Zum Glück ist Tommy nicht mehr allein Kultur 38 Vitrine mit Steffen Sänger 40 Wie ein Perspektivwechsel die Kunsthalle rettete 41 Die Volkstheaterposse. Eine Polemik

Layout, Grafik, Illustration Steffen Dürre Bildredaktion & Fotografie Hauke Ruge Korrektorat/Lektorat Anja Heidepriem, Lea Kroos Redaktionelle Mitarbeit Sophie Auer, Inna Barinberg, Nadine Fruck, Daniel Möck, Michel Wiedecke, Juliane Pfeiffer, Juliane Schwarz, Nicole Korte, Jessica Donzowa, Loni Zacher, Katharina Westphal, Jens Wegener, Martin Fietze, Stephan Pohling, Yves Bizeul Redaktionssitzung gerade Woche, Montag, 19:30 Uhr Die Meinung der Autor_innen muss nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln. Den Autor_innen wird freigestellt zu gendern.

42 Ein Rostocker zwischen den Weltkriegen − Das Schicksal des Malers Bruno Gimpel

44 Schwule Fußballprofis führen ein Höllenleben − Marcus Wiebusch im Interview

46 Keine Toleranz für Europas Verhalten!

Lizenz Creative-Commons by-nd 3.0 DE. Inhalte können unter Angabe von Urheber_in und Magazinname verwendet werden. Ausnahmen sind durch © gekennzeichnet.

Eine Rezension

47 Appropriate Behavior, einfach ungezogen. Eine Filmkritik

48 Lebst du noch oder guckst du schon? Rohrstock im Interview 49 Soll ich mit meiner Hausarbeit anfangen? 50 Rostock in 100 Worten // Just do something already!

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Druck altstadt-druck GmbH Rostock Auflage: 3.000 Exemplare Erscheinungsweise: quartalsweise Es gilt die Anzeigenliste 6/15. ISSN 2363-8109


In eigener Sache

„Es ist nicht die stärkste Redaktion, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann.“

Unsere Anpassungen:

● Wir drucken auf Ökopapier – Umwelt und so! ● Ein Poster zum Rausnehmen im Innenteil – Mehrwert und so! ● Wir wollen eine Online-Redaktion gründen – Internet und so! ● Wir brauchen dich dafür – Mitwirkung und so! ● Alle sind willkommen – Toleranz und so! Melde dich unter redaktion@heulermagazin.de Die Chefredaktion (Wiegand und Lea). 5


LEBEN ... mit nur einem Partner? Für viele normal, andere empfinden ein Leben in Monogamie einschränkend und streben nach Abwechslung. An dieser Stelle wartet auf euch ein Artikel, der sich mit diesem Thema beschäftigt und den einen oder anderen vielleicht zum Nachdenken anregt. Wer eben jene Abwechslung sucht, findet die des Öfteren auf Partys. Optimal hierfür? Das bekannte Fusion-Festival. So haben wir für euch einen interessanten Bericht, der den Zustand à la Sex, Drugs and Rock 'n' Roll hinter den Kulissen beleuchtet. Viel Spaß und ein reges Lesevergnügen mit diesen und weiteren spannenden Artikeln wünscht

Champagner im Kopf − Improtheater in Rostock

Isabell Kilian

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Wir brauchen zwei Leute, die einen Artikel schreiben könnten. Wie wäre es mit Charlotte und Jens? Okay und worum soll es in dem Artikel gehen? Wie wäre es mit Improvisationstheater in Rostock und seine Rolle als Sportkurs im Hochschulsport? Sehr gut! Wir zählen den Artikel ein mit 3... 2... 1... LOS! Charlotte Krüger und Jens Wegener wollen euch was vorspielen. // Foto: Hauke Ruge

Jedes Semester aufs Neue geht es beim Einschreiben in die Hochschulsportkurse hoch her. Beliebte Sportarten wie Fußball, Volleyball oder Klettern sind da nach zwei Minuten ausgebucht. Guckt man sich das breitgefächerte Angebot an, ist eigentlich für jeden etwas dabei und unter dieser Auswahl entdeckt man auch das Improvisationstheater. Auf den ersten Blick lässt sich sicher nicht auf Kalorienverbrennen und verschwitzte Trainingseinheiten schließen, jedoch bietet es neben viel Bewegung noch einiges mehr und hat damit zu Recht seinen Platz zwischen BauchBeine-Po und Rugby. Für viele Studenten ist Sport ein Ausgleich zum UniAlltag − eine Möglichkeit abzuschalten. Diesen Ausgleich kann man auch beim Improvisationstheater finden. Bei Lockerungsübungen, Rhythmusaufgaben oder Merkspielen werden Koordination, Körper- und Rhythmusgefühl gefördert. Man ist in Bewegung und immer in Interaktion mit anderen. Und wie der Name schon sagt, sind Improvisationstalent und Kreativität gefordert, um einer Szene die nötige Handlungsdynamik zu verleihen. Jedoch muss man dafür nicht der geborene Schauspieler und/oder Komiker sein, da in unterschiedlichsten Übungen Szenenaufbau und Interaktion mit den anderen Spielenden trainiert werden. Außerdem kann man seine eigene Mimik, Gestik und die Fähigkeit des freien Sprechens verbessern, wobei besonders letzteres einem Studenten bei Vorträgen und mündlichen Verteidigungen helfen könnte. Doch das Wichtigste beim Improvisationstheater ist Spaß.

Weitere Informat ionen zu Auft ritte n, Buchungen und Kursen findet ihr auf den Facebook-Seiten von Haspler und FreiSpiel, auf www.haspler.de oder auf der Inter netseite des Hoch schu lspor ts der Universit ät Rostock.

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Spaß daran einfach mal loszulassen und Szenen zu spielen oder auch anderen beim Spielen zuzuschauen. Die Devise lautet sich auszuprobieren und mal alle Hemmungen fallen zu lassen. FREEZE! Nun mal zu den Tatsachen. Hier an der Uni Rostock werden jedes Semester zwei Kurse Improvisationstheater, einer für Anfänger und einer für Fortgeschrittene, angeboten. Das sogar schon seit 2005 – Zeit also, für ein Jubiläum. Im Jahr 2007 gründeten dann Studenten außerhalb der Universität die Improvisationsgruppe Haspler, die sich in Rostocks Kulturlandschaft etablieren konnte und regelmäßig Auftritte im Ursprung hat. Das ist jedoch nicht das Einzige, was es an Improvisationstheater in Rostock gibt. Neben drei weiteren Improvisationskursen, die jeweils montags und donnerstags im Rostocker Freizeitzentrum stattfinden und einem jeden Mittwoch im Beginen e.V. im Heiligengeisthof 3 abgehalten wird, gibt es noch eine zweite etablierte Improvisationsgruppe in Rostock mit dem Namen FreiSpiel, die seit 2010 ebenfalls regelmäßig Auftritte hat. Erst vor kurzem traten beide Kombos zum ersten Mal gegeneinander in einem Improvisationsduell an, welches die Haspler nur knapp für sich entscheiden konnten. Jetzt bringen wir den Artikel mal zum Ende! Das Angebot an Improvisationstheater in Rostock als Sportkurs bzw. als Unterhaltungsmedium ist gut, könnte aber noch besser sein. Doch dazu braucht es Leute, die Lust und Interesse am Impro haben. Wenn ihr also mal bereit seid aus euch rauszugehen, ein kreatives Ventil für euren Alltag braucht oder einfach mal Entertainer sein und euch zum Clown machen wollt, dann geht zu eurem nächsten Improvisationstheater. Ihr werdet es nicht bereuen. BLACK!


Ich will wieder frei sein!

Wieso Monogamie einschränkend sein kann, was das Erforschen von Grenzen mit Jelly Beans gemeinsam hat, und wie das alles mit Hollywoodfilmen zusammenhängt. Inna Barinberg mag keine Jelly Beans .

Mein Bier wird schon ganz schal von der immer wieder gleichen, routinierten Auf-und Absetzbewegung, während ich angestrengt versuche, den letzten Rest Alubeschichtung von der Flasche zu fummeln. Wir sitzen auf dem Balkon einer Freundin und schweigen in die von Pfannkuchenduft und Meeressalz durchdrungene Luft. Schade, dass wir keine 15 mehr sind, denke ich mir, dann könnten wir immerhin noch über mein Bedürfnis, die Alufolie von der Flasche zu kratzen, reden und wie dieses in direktem Zusammenhang mit einer sexuellen Unerfülltheit steht. Stattdessen schweigen wir, weil wir vielleicht beide nicht mehr so richtig wissen, was wir noch sagen sollen und fummeln weiter an unseren Flaschen rum. „Ich denke, dass ich mich einfach nicht mehr frei fühle, ich will mich frei fühlen und das machen können, was ich will“, platzt es dann schließlich aus ihr heraus. Ich nicke verständnisvoll in ihre Richtung und verkneife mir die Frage: „Aber solltest du das nicht in einer guten Beziehung empfinden können?“ Seit Jahren beobachte ich genau dieses Phänomen. Die meisten Beziehungen um mich herum bestehen aus zwei Personen, die sich eine Fertigpackung Monogamie übergestülpt haben und versuchen, so viel Nährwert wie nur möglich aus dem Fertigprodukt zu ziehen. Letzten Endes gelangen sie immer wieder

an ihre Grenzen und dann sitzen wir wieder auf dem Balkon und reden über Freiheit, Monogamie und das Modell der romantischen Zweierbeziehung, gegen das wir endlich rebellieren sollten. Meine anfängliche Euphorie und der Eifer, das Bewusstsein meiner Mitmenschen um andere Beziehungsformen, wie Polyamorie (Liebesbeziehungen zu mehr als einem Menschen) und Beziehungen, die für den sexuellen Kontakt zu anderen geöffnet sind, zu erweitern, ist inzwischen in Frustration und Anstrengung umgeschwungen und hat dazu beigetragen, dass ich mein eigenes Liebes- und Sexleben nur noch mit Menschen teile, die sich in ähnlichen Situationen befinden oder damit sympathisieren. Poly*beziehungen jeglicher Art stellen mit Sicherheit nicht das Allheilmittel dar, welches Beziehungen mit einem magischen Hauch von Glitzer und Feenstaub vor sich selbst rettet, aber sie bezeichnen eine andere Form des Zusammenseins, die offener und weniger einschränkend sein kann. Statistisch betrachtet, werden heute ein Drittel aller Ehen geschieden und 27% der Menschen in einer Zweierbeziehung betrügen sich auf sexueller Ebene im Laufe ihrer Beziehung. Das zeigt nicht, dass Menschen früher glücklicher waren und deswegen länger zusammen geblieben sind, sondern dass es heute gesellschaftlich und gesetz-

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lich akzeptierter ist, sich scheiden zu lassen und im gleichen Zug so viele Möglichkeiten existieren, auf vielfältigste Art und Weise neue Partner_innen zu finden, die schöner, schlauer, besser verdienend sind, babyglatte Haut haben, nebenbei noch die für dich perfekten Werte und Normen vertreten, umweltbewusst ihren Müll trennen und mit dem Rad zum Biomarkt fahren, um dort an Lauch und Petersilie zu schnuppern. Hier kommt das Ernüchternde: Es gibt keine_n perfekte_n Partner_in und es gibt keine Beziehung ohne Beziehungsarbeit. Genau so wenig gibt es ein perfektes Beziehungsmodell, was übergestülpt werden kann und automatisch funktioniert, weil es dafür prädestiniert ist, zu funktionieren. Dass etwas nicht zu funktionieren scheint, offenbart sich innerhalb der empirischen Fakten, aber was genau tatsächlich Probleme, Schwierigkeiten und Hürden in Beziehungen darstellt, erzählt mir die Paartherapeutin und Mediatorin Nadja von Saldern aus Berlin/Potsdam in einem Gespräch: „Paare kommen wegen Kommunikationsschwierigkeiten zu mir. Das Thema Fremdgehen spielt in meiner Praxis eine sehr große Rolle. In diesem Bereich gibt es alles. Paare kommen, weil einer bereits fremd geht. Es kommt auch regelmäßig vor, dass einer der Partner sich mit dem Gedanken quält, ob er noch bei seinem


Partner bleiben soll, weil er das Bedürfnis nach Abwechslung oder Sex oder mehr Gesprächen hat“. Während Frau v. Saldern schöne Formulierungen an schön geformte Sätze reiht, stelle ich mir die Frage, wo eigentlich emotionale Grenzen sind und wieso romantische Beziehungen mit und durch Sex definiert werden. Was macht Beziehungen so exklusiv? Eine Form von Intimität kann auf vielfältige Art und Weise erreicht werden, da reicht teilweise ein Blick, eine kurze Berührung oder ein inniges Gespräch − dafür ist Sex nicht notwendig. Sex wurde vielmehr willkürlich als Zeichen für Exklusivität auserkoren, oder, um es aus religiöser Perspektive zu sehen, als Zeichen der Reinheit und Unbeflecktheit von Frauen vor der Ehe und somit als Unterdrückungsmechanismus und Zeichen der Exklusivität, die für die Ehe aufgehoben werden soll. Auf der einen Seite wird das Begehren zu anderen Menschen außerhalb der Beziehung banalisiert und nicht thematisiert, während auf der anderen Seite das Sexleben innerhalb einer Beziehung an Bedeutung gewinnt und unangefochten als eine Art Vormacht triumphiert. Ein Paradoxon in sich, das scheinbar vielen Paaren die Sicherheit gibt, dass sie füreinander unersetzbar und exklusiv sind. Nadja von Saldern drückt es schließlich mit folgenden Worten aus: „Die ewige Treue ist eine

große Einschränkung und kann zu Problemen führen, und auch zu weniger Sex in der Beziehung, weil man seine eigene Sexualität einschränken muss. Dies klappt aber nur, wenn beide Partner gut verhandeln, gut aufeinander schauen, die Gefühle immer im Blick haben und wenn der Partner sich nicht ausgeschlossen fühlt und teilhaben darf. Es entsteht so eine Freiheit und Liebe zum anderen, die einem bewusst macht, dass man freiwillig beim anderen ist.“ Beim Wort freiwillig muss ich wieder an mein schales Bier vom Vortag denken und frage mich, ob das eine realistische Grenze ist, die erreicht wurde − das Gefühl von Freiheit zu verlieren. Letzten Endes ist es vermutlich so, wie mit Jelly Beans, ich kann erst wissen, ob meine Grenzen des unüberbrückbaren Ekels erreicht wurde, wenn ich weiß, wie die einzelnen Sorten schmecken. Manchmal reicht allein der Geruch oder die skurrile Farbe der Bohnen und manchmal möchte ich sie auch probieren, um im Nachhinein sicher zu wissen, wo meine Grenzen liegen. Grenzen sind, ebenso wie der Geschmackssinn, wandelbar, und können von äußeren Gegebenheiten, wie Familie, Werbung, Filme, Schule, Freund_innen etc. beeinflusst werden. Deswegen ist es wichtig für sich selbst herauszufinden, was man will und dabei nicht zu vergessen, dass eine wichtige Frage

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dabei wohl sein sollte: Liebe ich einen Menschen oder liebe ich, wie er sich verhält? Wird Ersteres bejaht, dann unterstützt man sich, will die andere Person wachsen sehen und tut Dinge, die einem gut tun, ohne dabei der anderen Person zu schaden und die Beziehung zu einem goldenen Käfig werden zu lassen, in dem das Gefühl von Freiheit verkommt. So schön manch ein Hollywood-Liebesfilm auch ist, die meisten lehren uns, dass Begehren außerhalb der Beziehung immer zu Betrug führt, Beziehungen aus zwei Personen (Mann und Frau) bestehen und „die große Liebe“ kein Mythos ist, sondern eine einmalige Gelegenheit. Selten wird gezeigt, wie es tatsächlich weitergeht, wenn zwei Menschen sich gefunden haben. Was ist mit Gefühlen, die für Menschen außerhalb der Beziehung entstehen? Was ist mit Begehren und Anziehung? Und was passiert dann mit dem goldenen Käfig und dem Fertigprodukt Monogamie? Letzten Endes ist wohl das Einzige, was ich aus heteronorm reproduzierenden, Monogamie anpreisenden Hollywoodfilmen ziehen kann: Liebe verlangt Kompromisse und Eingeständnisse, aber es lohnt sich.


12 Menschen, Küche, Bad

Für viele Geflüchtete ist es ein harter Weg nach Deutschland. Hier angekommen, müssen sie sich in einer ungewohnten Umgebung mit fremden Regelungen, einer fremden Sprache und fremden Menschen zurechtfinden. Wie sehen die ersten Schritte und das Leben in einer Gemeinschaftsunterkunft aus? Ein Gespräch mit Steffen Vogt und Belal Al Ibrahim. Katharina Westphal ist dankbar für den Einblick.

wir lange geworben, weil wir früher Flüchtlinge hatten, die über sechs, sieben, acht Jahre hier leben mussten. Das ist ein Zustand, der ist nicht haltbar und ungesund, weil die Integration dann sehr eingeschränkt ist.“ Mit der geplanten Erweiterung reagiert der Verein auf die erhöhte Zahl der ankommenden Asylbewerber_innen und profitierte dabei vom Konzept der Stadt Rostock bezüglich Betreuung und Integration Geflüchteter. „Vor allem“, betont Steffen „ist es im Moment wichtig, diese Maßstäbe im Auge zu behalten und nicht aufgrund der aktuellen Lage unter den Tisch fallen zu lassen.“ Besonders viele Asylsuchende in Rostock stammen aus Syrien, der Ukraine und Eritrea, darüber hinaus leben aber auch Menschen aus Afghanistan, Iran, Ghana oder Tschetschenien in der Unterkunft. Bundesweit betrachtet, gibt es dahingehend große Unterschiede, so kommen beispielsweise ukrainische Geflüchtete momentan nur nach Bayern oder MV. Gründe für die Flucht gibt es viele: in Eritrea werden sie politisch verfolgt, Afghanen und Afghaninnen verlassen unter anderem ihr Land, weil sie als Ortskräfte für die ISAF (die internationale Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan) gearbeitet haben und jetzt um ihr Leben fürchten müssen. Daneben zwingen auch geschlechterspezifische Verfolgungen wie Zwangsheirat die Menschen zur Flucht. Liegen humanitäre Gründe vor, können sie manchmal bleiben, vor allem also dann, wenn sie aus wirtschaftlichen oder medizinischen Gründen in ihrem Herkunftsland keine Chance aufs Überleben hätten. Letztes Jahr wurde das Kontingent für die Geflüchteten des Bürgerkrieges in Syrien auf 20.000 Menschen für Deutschland aufgestockt. Auch Belal Al Ibrahim gehört dazu. Er war Lehrer für Englisch in Syrien, sieben Jahre lang unterrichtete er Kinder, dann musste er fliehen. „Der Status als Geflüchteter degradiert eine Person in gewisser Weise“, sagt Belal. „Geflüchteter“ oder „Asylsuchender“ sei nicht seine ganze Identität. Es stimme, er habe Asyl gesucht, aber am liebsten wäre er einfach ein Bürger, der studiert und arbeitet.

Ein Großteil des Geländes der Rostocker Asylunterkunft in der Satowerstraße 129 ist abgesperrt. Bauzäune und aufgewühlte Erde sind über den Hof verstreut. Betreiber der 1991 errichteten Unterkunft ist der Ökohaus e.V., der wiederum einen Vertrag mit der Stadt hat, die für die soziale Betreuung und Verwaltung zuständig ist. Als ich das Bürogebäude betrete, um meinen Interviewpartner zu suchen, warten vor dem Büro bereits einige Menschen. An der Tür hängt der Wochenplan für die Deutschkurse mit Angaben zur Uhrzeit und ob der Kurs für Frauen, Männer oder beide Geschlechter ist. Im Büro ist es wirbelig, die Sozialarbeiter_innen in Gespräche verwickelt. Steffen Vogt kommt mir mit einer Tüte Bettbezüge entgegen, die er einem der wartenden Männer überreicht. Anschließend gehen wir an den großen Tisch des Nachbarraums, wo er anfängt zu erzählen. Die Bauarbeiten seien nicht für die geplante Erweiterung, fängt Steffen an. Im Moment ginge es nur um die Erneuerung des Versorgungssystems. Außerdem werde ein neues Wirtschaftsgebäude errichtet, in dem sich dann Lager, Werkstatt und die Ausgabestelle der Rostocker Tafel befinden werden. Bei der angekündigten Erweiterung sollen dann 112 bis 114 neue Wohneinheiten entstehen – richtige Wohnungen und keine Provisorien. Ein Datum stehe allerdings noch nicht fest. Derzeit leben ca. 260 bis 270 Menschen hier – es ändert sich beinahe täglich. In den Wohnheimen leben immer ungefähr zwölf Menschen auf vier Zimmer verteilt, die sich zwei Duschbäder und eine Gemeinschaftsküche teilen. Es gibt auch wenige einzelne Wohnungen für zwei bis drei Personen, mit eigener Küche und Bad, gedacht für die, für die es sehr unangenehm oder aber bedrohlich sein würde, in den Gemeinschaftszimmern zu wohnen. Einige Ayslbewerber_innen sind dezentral untergebracht und werden von zwei Sozialarbeiter_innen betreut, dabei kommen allerdings auf 80 Asylsuchende nur ein_e Sozialarbeiter_in. Obwohl die Betreuung noch verstärkt werden könnte, war die dezentrale Unterbringung ein wichtiger Schritt, für den sich die Mitarbeiter_innen eingesetzt haben: „Das ist ein gutes Konzept“, meint Steffen, „dafür haben

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Belal kam illegalisiert nach Deutschland. Seine Flucht führte ihn über die Türkei nach Algerien und von dort aus über Tunesien nach Libyen, ab da ging es weiter mit einem Schiff über das Mittelmeer nach Italien. Die Geflüchteten wurden im Verlauf der Überfahrt von der Küstenwache aufgenommen und nach Italien gebracht, hier musste Belal zum ersten Mal seine Fingerabdrücke abgeben. Er blieb vier Tage dort und machte sich dann auf den Weg nach Deutschland. Am 1. Oktober 2014 kam er in Berlin an, 28 Tage war er da bereits unterwegs Er wollte gern nach Deutschland, denn er hatte gehört, die Situation in Italien sei nicht so gut für Geflüchtete, während er hier eher die Möglichkeit hätte, weiter zu studieren und zu arbeiten. Kontakt zu seiner Familie hat er nur über WhatsApp oder Viber. Seine Eltern sind zu alt, um die Reise zu schaffen und seine beiden Brüder leben in Libyen. Sie haben keine Pässe oder Visa und müssten ebenfalls illegalisiert einwandern, aber der Weg ist sehr hart und gefährlich. Belal schaffte ihn. In Berlin gab er zum zweiten Mal seine Fingerabdrücke ab, was zum zweiten Mal bedeutete, dass er von einem Dublin-Verfahren bedroht sein würde. Die Dublin III Verordnung aus dem Jahr 2013 enthält die Regelung zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und da Belals Fingerabdrücke zum ersten Mal in Italien aufgenommen wurden, drohte ihm nun die Abschiebung. Das Verfahren, bei dem ein Aufnahmeersuchen an den ersten Staat gestellt wurde, dauerte über vier Monate, währenddessen kam er nach Rostock, wo er seit dem 15. Oktober 2014 lebt. Die Menschen in den Behörden und den Unterkünften seien alle sehr freundlich und kooperativ gewesen, erzählt er. Hier in Rostock wohnt er zusammen mit zwei weiteren Personen auf einem Zimmer. Belal versteht sich gut mit seinen Mitbewohnern, trotzdem sei es aber schwierig, zu dritt auf so engem Raum zu wohnen, berichtet er. Privatsphäre gäbe es nicht. Angekommen in Rostock besuchte er einen der Deutschkurse, die in der Unterkunft von ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen angeboten werden. Neben den zehn Lehrer_innen dort, gibt es auch noch ca. 25 Freiwil-

lige, die sich an Kinderbetreuung und Hausaufgabenhilfe beteiligen. Einmal im Jahr gibt es ein großes Sommerfest und einmal die Woche treffen sich Sportfreudige, um gemeinsam Fußball zu spielen, auch ein Kinderkletterprojekt wird angeboten. Außerdem sind Projekte von Freiwilligen auf Eigeninitiative immer gern gesehen und werden in der Regel gut angenommen. Erfahrungsgemäß sei es am besten, mit den Menschen vor Ort über die Projekte zu sprechen, meint Steffen. Natürlich bedeutet dies einen gewissen Aufwand, aber wenn es dann klappt, seien die Menschen sehr dankbar. Auch Belal freute sich über die Möglichkeit vor Ort, mit dem Deutschlernen anfangen zu können, bevor er seinen ersten Kurs an der Volkhochschule besuchte. In den nächsten Wochen zieht er aus der Unterkunft in eine eigene Wohnung, sein Asylantrag wurde für drei Jahre bewilligt. Ich frage ihn nach seinen Plänen für die Zukunft. „I hope I can continue my study at university and get a masters degree. This is my dream. When I can speak deutsch well, I want to find a good job. Ich möchte als Lehrer arbeiten. But when I can‘t work as a teacher, I want to find a job related to the english language or translation.“ Auf meine Frage, ob er sich hinsichtlich des Asylverfahrens eine Änderung wünschen würde, meint er, dass er es schön fände, wenn der Prozess schneller ginge. Manchmal warten Menschen ein halbes Jahr und bekommen dann eine Ablehnung. In diesem Fall bleibt ihnen häufig nur noch der Weg vors Verwaltungsgericht, verbunden mit dem Zwang und zusätzlichem Aufwand, anwaltliche Hilfe dafür zu suchen. Ein Jahr kann sich sowas manchmal hinziehen. Außerdem wünscht er sich leichtere Möglichkeiten für Umzüge, denn noch benötigt man einen Arbeitsvertrag in der neuen Stadt, um den Umzug zu ermöglichen. Belal will zum Glück nicht aus Rostock wegziehen, ihm gefällt die Stadt. Am liebsten sei er in Warnemünde oder im Café Median in der KTV. Feiern ginge er nicht so oft, vielleicht einmal in zwei Monaten, er lacht, dann am liebsten ins LT.

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Denkt an die Elektrolyte!

Du wolltest schon immer einmal tagelang nur in einem Affenkostüm oder mit dem Bademantel bekleidet herumlaufen? Nächte durchtanzen und im Freien duschen? Dich wieder wie in den großen Ferien fühlen und machen, worauf du gerade Lust hast? Auf der Fusion ist das möglich! Loni Zacher mag das Glitzern der Rettungsdecken und in den Gesichtern der Fusionisten. // Fotos: Loni Zacher

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Auf dem Festival der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten findet man von Kind bis Rentner und von Buchhalter bis Performancekünstler alle erdenklichen Lebensformen. Und mittendrin ein paar Rostocker, die mit ihrer Expertise ein bisschen auf die Freiheitsliebenden Acht geben. Den mythenumworbenen Namen Fusion oder die kyrillischen Buchstaben ФУЗИОН hat vermutlich jeder Rostocker Student schon einmal gelesen und sich neugierig gefragt, was wirklich dahinter steckt. Vier Tage lang Ferienkommunismus lautet das Programm auf dem ehemaligen Militärflugplatz mitten in Mecklenburg-Vorpommern – eine Parallelwelt im Ausnahmezustand. Musik, Performance, Theater, Kino – Kunst und Kultur werden in jeglicher Form angeboten und alles kann ausprobiert werden. Dieses Motto gilt während des Festivals auch für körperliche und psychedelische Erfahrungen. Das Angebot ist vielfältig und falls mal etwas schief läuft, ist die Betreuung gut. Schließlich ist das Medical Team der Uni Rostock vor Ort. Unter der Leitung von Notarzt Dr. Gernot Rücker und in Zusammenarbeit mit Sanitätern des Deutschen Roten Kreuz aus Neustrelitz wird für die Teilnehmer der Fusion gesorgt. Das Festival ist seit 1997 stetig gewachsen und die Versorgung wurde der Größe angepasst. Sobald man im achten oder höheren Semester Humanmedizin in Rostock studiert und das Wahlfach Notfallmedizin ein Semester lang fleißig besucht hat, besteht die Chance, an der Notfallversorgung des Festivals teilzunehmen. 12-Stunden-Schichten werden gegen Backstagetickets verteilt. Bei 70.000 Feierfreudigen lohnt es sich, 150 Studenten mitzubringen, um die medizinische Versorgung von Mittwoch bis Montag sicher zu stellen. Falls eine Katastrophe auftreten sollte, muss genügend Einsatzpersonal vor Ort greifbar sein. Genügend „Manpower“, wie es der leitende Notarzt gerne nennt. Im Areal der medizinischen Versorgung steht ein Verbandszelt für alle kleineren und größeren Verletzungen bereit. Gesehen werden Insektenstiche, Fußund Fingerverletzungen, Verbrennungen, die Frage nach der Pille danach und vieles mehr. Bei der Versorgung bearbeiten Sanitäter, Ärzte und Studenten gemeinsam eine abwechslungsreiche Auswahl an Diagnosen und Bedürfnissen der Fusionisten. In zwei Containern geht es intensiver zur Sache. Ausgerüstet sind die Räume mit Pritschen und der Möglichkeit, die essentiellen Parameter von Patienten zu überwachen. Hier auf den „Intensivstationen“ gilt eine 1-zu-1 Betreuung: Jeder Student bekommt einen Patienten auf einer Liege zugeordnet. Bewusstlose, verwirrte oder aggressive Fusionteilnehmer werden auf dem Gelände

eingesammelt oder von besorgten Freunden gebracht. Dem Medical Team stehen für den Transport extra präparierte Krankenwagen zur Verfügung, die im normalen Verkehr durch keine TÜV-Kontrolle kommen würden. Hier in Lärz sind sie so ausgebaut, dass sie den Geländebedingungen gewachsen sind. Die Reifen halten jede Menge Glasscherben aus, der Innenraum darf verdrecken und Scheiben werden sowieso nicht gebraucht. Die Fusionisten erkennen die Einsatzwagen und machen Ihnen respektvoll Platz. Erfahrene Sanitäter vom DRK fahren Streife und sind beim Erkennen von Bewusstlosen schnell zur Stelle. Sobald einer der Ärzte den Notfall gesichtet hat, wird der Patient an den Studenten übergeben und versorgt. So bunt und vielfältig die Teilnehmer der Fusion sind, so sind auch die Substanzen, welche zur Erweiterung des Geistes ausprobiert werden. Beliebt sind Drogen, die einen vergessen lassen, wie lange man eigentlich schon zu den elektronischen Bässen die Beine zappeln lässt. Praktisch, dass Hunger und Durst sowie Müdigkeit einen nicht mehr dabei stören. Unpraktisch, wenn man dann im Intensivcontainer aufwacht und Flüssigkeit über die Vene bekommt. Das ist nicht nur etwas unangenehm, es hätte bei späteren Auffinden auch zu gefährlichen Zuständen der Überdosierung mit Krämpfen, Herzbeschwerden oder Atemnot kommen können. Zum Glück sind die Versorger nett und kümmern sich gut. Sobald die geschwächten Festivalgäste unter den golden glitzernden Rettungsdecken langsam wach werden, zeigen sich die meisten dankbar und ein lockerer Austausch zwischen Versorger und Patient findet statt. Ein Gewinn für beide Seiten - die Medizinstudenten freuen sich, dass sie ein bisschen Praxiserfahrung sammeln und jemandem helfen konnten und der Fusionteilnehmer kann wieder von Flugzeughangar (Bühne) zu Flugzeughangar tanzen. Die verabreichten Elektrolytlösungen wirken wie die wahren Wunderdrogen des Festivals. Wenn psychedelisch wirkende Substanzen einem den Verstand rauben, gibt es auch mal ein Medikament zur Beruhigung. Wobei natürlich auch beruhigende Substanzen auf der Fusion bereits zur Party-Grundversorgung außerhalb des Me-

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dizinerareals gehören. Die Fusion gilt als polizeifreier Raum. In diesem Jahr sammelten sich fast 300 verschiedene bunte Pillen in Form von Pacman, Tweety oder Herzen im Sanitätszelt an. Kreativität ohne Grenzen und der ein oder andere Patient ist dann doch bereit, die übrig gebliebenen Muntermacher der Forschung zu überlassen. Alkohol ist zwar ebenfalls auf diesem Festival beliebt, aber passt wohl in größeren Mengen eher zu anderen Veranstaltungen. Auf der Fusion wird nicht gepöbelt, nicht randaliert. Friedlich soll es sein und das ist es meist auch. Wer es nicht ist, fliegt raus. Ernst genommen wird auch die Einlasskontrolle. Wer keine der begehrten Karten ergattern konnte, darf nicht aufs Gelände. Eine Einschränkung die vorgenommen werden musste, um die gewünschte Umsetzung des Festivals zu gewährleisten. Friedlich geht es auch im Zelt des Eclipse-Teams zu. In der „psychedelischen Ambulanz“ werden die drogenintoxikierten Intensivpatienten zur Nachsorge von Psychologen und Psychiatern weiter betreut. Dankbar verabschieden sich die gestrandeten Festivalbesucher aus dem Container und werden dorthin begleitet. Hier kann man schlafen, reden, sich mit Obst und Chai-Tee stärken und alles über Wirkungen- und Nebenwirkungen von Drogen lernen. Die Schicht im Intensivcontainer ist abwechslungsreich und aufregend. Aber nach 12 Stunden freut sich auch jeder noch so engagierte Student auf die Ablösung und die großartige vegetarische Verpflegung des Festivals (welche sogar von den größten Fleischliebhabern geschätzt wird!), sowie auf ein paar Stunden Schlaf im Zelt. Schnell die Augen schließen und die Bässe der verschiedenen Bühnen ignorieren, bis es wieder weiter geht – zur Auswahl stehen weitere Schichten in der Notfallversorgung oder das Treibenlassen durch die bunte Glitzerwelt der Fusion. Eine Erfahrung, die sich lohnt. Ob als Teilnehmer oder als Crew – die Fusion ist ein Erlebnis der besonderen Art. Es muss ja nicht gleich im Affenkostüm sein. Mehr Infos zum jährlichen Ferienkommunismus: www.fusion-festival.de


Politik Ausflucht, Entkommen, Ausbruch – Die Flucht steht für das „unerlaubte und heimliche Verlassen eines Ortes“ zum Zwecke des Schutzes. Gleichzeitig steht es aber ebenso für Heimkehren und impliziert dabei eine politische Tätigkeit. Mit der Schaffung eines neues Studierendenwerk sgeset zes, dem Widerspruch zu Verwaltungsgebühren, eines studentischen Beirates für die Bürgerschaft oder dem Erhalt der Infrastruktur in Mecklenburg-Vorpommern fordern wir zwar auf den ersten Blick demokratische Aspekte ein. Aber dennoch dienen sie explizit der Vergrößerung unseres Komforts. Lasst uns gemeinsam einen Blick hinter Kirchenmauern werfen und den Menschen eine Stimme geben, die erst einmal nur um essentielle Dinge kämpfen. Danach werden wir gemeinsam aktiv und treffen uns bei den Veranstaltungen, die im ersten „politischen“ Kalender im heuler verankert sind.

Michelle Fischer

Wir können nicht nachprüfen, nur vertrauen

Tom Seiler

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Die Flüchtlingsdebatte hat eine klare Unterscheidung zwischen denen geschaffen, die Menschlichkeit befürworten und jenen, die Geflüchtete ablehnen. Dabei ist Hilfe möglich: Ganz nah, im Kirchenasyl in der Heiligen-Geist-Gemeinde im Herzen der KTV. Wiegand Körber fragt sich, was er gefangen auf dem Kirchgelände monatelang machen würde. // Foto: Wiegand Körber

Endlich kann man wieder unterscheiden zwischen Gut und Böse, zwischen Schwarz und Weiß. Zwischen jenen, denen Menschlichkeit etwas bedeutet und denen, die Kalt auf ihre Mitmenschen blicken. Die Grenze ist klar: Wer aus ethischen oder wirtschaftlichen Gründen dafür plädiert, Flüchtlingen nicht zu helfen, steht unauflöslich konträr zu allen, die jenen bei- oder zumindest offen gegenüberstehen. Das ist keine Frage von Pragmatismus, sondern eine Sache von Nächstenliebe und Toleranz. Es gibt wenige Debatten die Deutschland so stark spalten, wie die Diskussion um den richtigen Umgang mit Flüchtlingen. Nicht einmal Atomkraft und Vorratsdatenspeicherung haben auch nur ansatzweise das Konfliktpotential erreicht, welches Geflüchtete mit ihrer bloßen Existenz nach Deutschland bringen. Dabei weist der Streit um den Umgang mit Flüchtlingen Merkmale auf, die die Debatte eigentlich entschärfen sollten. Denn die Flüchtlingsproblematik betrifft nicht alle, ganz anders als das Ausspähen jeglicher digitaler Kommunikation oder eine mögliche atomare Katastrophe, da nur die Allerwenigsten unmittelbaren Kontakt zu Menschen haben, die nach Deutschland geflohen sind. Die Argumente von Flüchtlingsgegnern zu entlarven, ist daher eigentlich müßig, zu absurd scheint im Angesicht von immer weiter auseinanderklaffenden Vermögen, Rettungspaketen zu Gunsten der Finanzwirtschaft und zum Aufstocken gezwungenen

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Berufstätigen der Hinweis darauf, dass Flüchtlinge uns das Geld aus den Taschen ziehen. Dennoch ist die Debatte um Flüchtlinge nicht nur lautstark, sondern gewalttätig, sie fordert Opfer, nicht allein in der Anonymität der Fluten des Mittelmeers, sondern auch bei jenen, die Parolen, Todesdrohungen, Schlägen und Fußtritten in ganz Deutschland ausgesetzt sind. Nicht nur Geflüchtete sind Betroffen, auch (Lokal-)PolitikerInnen und AktivistInnen werden unter Druck gesetzt – die TäterInnen haben jede Grenze hinter sich gelassen. Angst vor Gewalt hat auch Pastor Markus Antonioli aus Rostock, deswegen verschweigt er, wo genau der afghanische Flüchtling untergebracht ist, den seine Heiligen-Geist-Gemeinde seit anderthalb Jahren im Kirchenasyl beherbergt. Es ist nicht die erste und nach dem Willen Antoniolis auch nicht die letzte Person, die Unterschlupf auf dem Gelände der Kirche findet. Was den Großteil der ungefähr 460 Menschen eint, die im Kirchenasyl in ganz Deutschland leben, ist ihr Status als sogenannte Dublin-Fälle. Der Name bezieht sich auf das EU-Abkommen Dublin-III, das den Umgang mit Flüchtlingen regelt und nach welchem Flüchtlinge ihren Asylantrag in dem Land stellen müssen, in dem zum ersten Mal ihre Fingerabdrücke aufgenommen werden, zumeist Staaten am Rand der EU. In diese Länder werden die Flüchtlinge auch wieder zurückgebracht, wenn sie in anderen Teilen der EU aufgegriffen werden. Problema-


tisch daran ist nicht nur die äußerst ungleiche Verteilung der Asylanträge zu Ungunsten der Länder im Süden und Osten der EU, sondern auch, dass die Bedingungen für Flüchtlinge in diesen Randstaaten zumeist inhuman sind, wie Berichte aus Italien, Griechenland und Ungarn zeigen. Scharia-Recht in Deutschland Davor bzw. vor der endgültigen Abschiebung zurück in die Herkunftsländer möchte das Kirchenasyl schützen und den Geflüchteten ein Asylverfahren vor deutschen Gerichten ermöglichen. Bei einem Großteil der Fälle geschieht das mit Erfolg – trotz der eigentlich eindeutigen rechtlichen Lage. Kirchenasyl zu gewähren bedeutet, sich gegen die Gesetze der Bundesrepublik zu stellen und die moralische Macht der Institution Kirche als Mauer vor der Vollstreckungsgewalt von Staatsbediensteten aufzubauen. Eine Paralleljustiz, gleich dem islamischen Scharia-Recht, nannte das der CDU-Innenminister und bekennende Christ Thomas de Maizière und erntete dafür viel Kritik und Zurechtweisungen. Antonioli sagt dazu nur, „dass der Staat respektiert, dass wir Menschen Gastfreundschaft gewähren.“ Illegal im rechtlichen Sinne ist es trotzdem,

auch deshalb kommuniziert die Gemeinde mit den Behörden nur über Anwälte. Einen Vergleich mit der DDR lehnt Antonioli dennoch ab, denn der Schutzraum, den die Kirchen damals den politischen Widerständlern und Verfolgten gewährten, sei ein Gnadenrecht gewesen: „Hier geht es um Gewalt im Heimatland, nicht um Gewalt und Willkür in der Bundesrepublik.“ Antonioli ist kein Feind Deutschlands, die Philanthropie, die seine Gemeinde an den Tag legt, ist kein politisches Fanal, auch wenn radikale FlüchtlingsbefürworterInnen immer wieder versuchen das Kirchenasyl zu instrumentalisieren, um dem deutschen Staat Mord nachzuweisen. Vielmehr gehöre die Sorge um den Fremdling, den Verfolgten zum barmherzigen Umgang eines Christen selbstverständlich dazu, das lehre die Bibel. Und dennoch sagt Antonioli: „Wir leben in einem Rechtsstaat, wo wir fragen können, ob Gesetze Humanität ermöglichen. Eine partielle Kritik ist im Kirchenasyl also angelegt.“ Kirchenasyl konkret Was bedeutet es aber konkret, Kirchenasyl zu gewähren? „Wenn andere Gemeinden uns fragen, ob sie ein Kirchenasyl einrichten sollten, rate ich ihnen immer erst über drei

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Dinge nachzudenken“, beschreibt Antonioli. „Erstens zu prüfen, ob in dem Fall Hoffnung auf Erfolg besteht, zweitens, ob es nicht andere Wege gibt und drittens muss bedacht werden, ob man bis zum Ende durchhalten kann.“ Das erfordert nicht nur einen großen Willen, sondern auch finanzielle Mittel. Im konkreten Fall existiert ein Unterstützerkreis, der für den muslimischen Flüchtling aus Afghanistan Geld sammelt, dazu kommen Spenden aus der Kirchenkollekte evangelischer Gemeinden. Aus der eigenen Heiligen-Geist-Gemeinde gibt es dagegen zwar keine Kritik, aber auch wenig Enthusiasmus. „Es wäre schön, wenn die Menschen großzügiger und offener wären“, sagt Antonioli. Trotzdem ist schon allein das Aufnehmen eines Geflüchteten in das Kirchenasyl ein Akt ausgesprochener Großzügigkeit. Der Kirchgemeinderat, der letztendlich darüber entscheidet, ist auf die Erzählungen des Geflüchteten als einzige Quelle angewiesen: „Wir können nicht nachprüfen, nur vertrauen“. Als Handlungsempfehlung im Sinne einer humaneren Flüchtlingspolitik, ist Vertrauen wohl zu wenig greifbar. Im tatsächlichen Umgang mit Geflüchteten und der Debatte um sie, täte dieses Grundelement menschlichen Handelns aber allen gut.


Studentenwerk 2.0 – das Gesetz Nach 20 Jahren wagt sich das Studentenwerk, unter Leitung des Landes, an ein neues Gesetz. Jedoch beschleicht einen schnell das Gefühl, dass das Bildungsministerium mehr Einfluss erlangen möchte. Darum hier eine Darstellung der wichtigsten Eckdaten. Michèle Fischer hat sich in eine Kuscheldecke gehüllt und den spannenden Entwurf gelesen.

Nachdem wir euch in der letzten heuler-Ausgabe doch nicht verraten konnten, wer nun der neue Geschäftsführende des Studentenwerks wird, gehen wir dieses Mal in eine neue Runde. Nach über zwanzig Jahren soll das Studentenwerk eine umfangreiche Novellierung erhalten, es geht dabei jedoch nicht nur um inhaltliche Aufgabenverteilung, sondern auch personelle Umstrukturierungen. Momentan ist es einem Verwaltungsrat und einem Vorstand unterstellt. Dies soll zukünftig aufgebrochen und in einem Aufsichtsrat zusammengeführt werden. Aus der jetzigen Aufteilung im Vorstand, bestehend aus einem/r KanzlerIn, vier Studierenden (zwei VertreterInnen der Unversität Rostock und jeweils einem/r VertreterIn aus Wismar und der Hochschule für Musik und Theater aus Rostock), einem Mitglied der Kommunalvertretung, einem/r HochschullehrerIn und einem/r ErfahrungsträgerIn aus der Wirtschaft, soll voraussichtlich ab Ende des Jahres mit Änderung des Studierendenwerkgesetzes (StudWG M-V) eine deutlichere Unterstützung des Bildungsministeriums vorangetrieben werden. Wunschsituation – Patt Laut dem Gesetzesentwurf der Landesregierung soll es stattdessen eine/n KanzlerIn mit möglicher Pattstimme geben, die von vier Studierenden, einem Nicht-Studierenden-Mitglied und zwei außerhochschulischen Beauftragten

des Bildungsministeriums unterstützt werden. Ziel der neuen Vorgabe ist es, der Kommunalpolitik die Stimmgewalt zu entziehen und nur noch eine beratende Stimme übrig zu behalten. Stattdessen darf das Ministerium von Matthias Brodkorb zwei MitarbeiterInnen beziehungsweise Personen aus der direkten Wirtschaft nach Rostock schicken, die dann auch noch als einzige Mitglieder des Aufsichtsrates eine Entschädigung für ihre Arbeit aus den Mitteln des Studentenwerkes und somit zum Teil von den Studierenden erhalten sollen. Auch die Aufgaben eines angeblich so modernen Dienstleistungsunternehmens sind mehr als schwammig formuliert. Da das Bildungsministerium die hauptsächliche Aufgabengewalt vor allem in der Verpflegung der Studierendenschaft in Form von Mensaessen und der Organisation der Wohnungssituation sieht, werden die weiteren Personengruppen mit speziellen Bedürfnissen nur unter Rücksichtnahme im Vortext erwähnt. Eine soziale Ausrichtung mit kulturellen Förderungsaspekten fällt dabei fast vollständig hinten herunter, da reicht es auch nicht aus, das Studentenwerk in Studierenden-

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werk umzubenennen Ist es dabei nicht gerade die Aufgabe des Werkes, Studierbarkeit zu ermöglichen und Serviceleistungen, wie Sozialund Rechtsberatung, weiter aufzubauen? OSPA, Deutsche Bank… Studentenwerk Rostock? Unter dem Deckmantel der Wirtschaftsführung – mit Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit − soll dem künftigen Studentenwerk aber mehr unternehmerische Gewalt zugesprochen werden. So denken die LeserInnen beim ersten studieren der Paragraphen 12 und 13 bei Formulierungen wie „Einnahme aus Wirtschaftsbetrieben und sonstigen Beteiligungen“ berechtigterweise, dass es sich bei dem bekannten Studentenwerk vielmehr um eine Beteiligungsgesellschaft handelt, die eigene Kompetenzen auslagern und an Dritte verkaufen kann. Ein Schritt in die falsche Richtung. Es sollte vielmehr das Anliegen der Gesetzgebung sein, eine Studierbarkeit in Rostock längerfristig für alle Studierenden zu sichern.


Studierendeninteressen und die Bürgerschaft – eine schwierige Beziehung?

Diesen Eindruck kann man bekommen, denn nicht immer finden studentische Interessen in der Rostocker Kommunalpolitik den wünschenswerten Anklang. Ein Studierendenbeirat soll das nun ändern und eine bessere Möglichkeit der studentischen Interessenvertretung bieten. Tom Seiler hätte gern ein rotes Telefon ins Rostocker Rathaus.

Beiräte sind in der Stadtpolitik beratende Organe der Bürgerschaft, in denen Gruppen mit gemeinsamen Interessen diese artikulieren können. Somit stellen Beiräte eine wichtige Schnittstelle dieser gesellschaftlichen Gruppen mit der Kommunalpolitik dar. In unserer Stadt gibt es bereits einige solcher Institutionen, beispielsweise den Seniorenbeirat, einen Kunstbeirat und einen Beirat für Behinderte und chronisch kranke Menschen. Diese haben relativ wenige konkrete Rechte, können aber dennoch bedeutsam sein, da sie auch ohne direkte Repräsentation für eine angemessene Berücksichtigung von Interessen in der Bürgerschaft sorgen. Ungefähr zehn Prozent der Rostocker Stadtbevölkerung gehören zur Universität, gut sieben Prozent sind Studierende der Uni oder der HMT. Sie sind dennoch kaum in der Bürgerschaft repräsentiert. Die große Diskussion um das Semesterticket hat die Notwendigkeit demonstriert, die Kontakte zwischen Stadt und Studierenden zu verbessern. „Durch Zeitungsartikel ist die studentische Meinung nicht oder nur verzerrt in der Stadtpolitik und der städtischen Öffentlichkeit angekommen“, sagt Martin Warning, AStA-Referent für Hochschulpolitik. Er vermutet ein strukturelles Problem, weshalb er gemeinsam mit anderen Studierendenvertreter*innen einen neuen Weg schaffen möchte, studentische Interessen zu artikulieren und in politische Entscheidungen einfließen zu lassen. Dafür gibt es durchaus Unterstützung in der Bürgerschaft. Dank eines Antrags der Fraktionen der Linken und der Grünen wird seit einigen Monaten auf die Gründung eines Beirates für Studierende hingewirkt. Seitdem haben Gespräche zwischen Vertreter*innen der Fraktionen auf der einen und von AStA und StuRa auf der anderen Seite stattgefunden, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Noch gibt es einige Fragen und Probleme, die gelöst werden müssen. Die Meinungen gehen auseinander, wer genau Mitglied in dem zu gründenden Beirat werden soll. Klar ist, dass er paritätisch besetzt werden soll, das heißt die Hälfte der Mitglieder sollen Vertreter*innen der Bürgerschaftsfraktionen sein, die andere Hälfte die Universitätsangehörigen repräsentieren. Doch sollen auch Professor*innen mitwirken oder nur Studierende? Für die

Studierenden wäre die zweite Variante die bessere. „Was bedeutet es heute zu studieren“, fragt Martin Warning. „Die Lebensbedingungen von Professor*innen und Studierenden gehen weit auseinander.“ Wenn abgesehen von den Bürgerschaftsmitgliedern nur Studierende Teil des Beirats wären, hätte das den Vorteil, nicht bei jeder Entscheidung auch die Lehrpersonen überzeugen zu müssen. Abgesehen davon sind noch die Kompetenzen des Beirates zu klären. Um Substanz zu haben, müsste seinen Vertreter*innen Rede- und Antragsrecht auf Sitzungen der Bürgerschaft eingeräumt werden. Genau das ist aber sehr schwierig, denn dies bedeutete eine Änderung der Hauptsatzung - eine hohe Hürde. In Greifswald haben die Vorsitzenden der Beiräte Rede- und Antragsrecht, doch die Rostocker Bürgerschaft hat Bedenken. Für die Person, die den Vorsitz innehat, wäre es möglich, eine Anhörung vor der Bürgerschaft zu beantragen. Über diese Anhörung müsste dann allerdings im Einzelfall abgestimmt werden - Möglichkeit der Ablehnung inklusive. Bisher ist ein Antragsrecht für die Studierendenvertretung nur über eine Unterschriftensammlung möglich. Der AStA hat es bei der Diskussion um das Semesterticket vorgemacht, doch der Aufwand ist immens, ein Beirat wäre deutlich effektiver. Nebenbei wird noch darüber diskutiert, ob es für die Mitglieder 20 Euro Sitzungsgeld geben sollte. In vielen anderen Beiräten ist das der Fall, aus dem einfachen Grund der Gleichberechtigung sollte das auch für den Studierendenbeirat gelten. Einige Mitglieder der Bürgerschaft sind aber dagegen und für die Studierendenvertretung hat ein Sitzungsgeld angesichts der Wichtigkeit des Themas keine Priorität. Im Frühjahr ist das Projekt etwas ins Stocken geraten. Es muss dringend weiter kommuniziert werden, da für die Vertretung der Interessen der Studierendenschaft viel erreicht werden könnte. Mitte Juni lief die Terminabsprache zwischen den Studierenden und den Fraktionsvorsitzenden für ein Treffen, um dieses Projekt weiterzubringen. Letztendlich ist die Zustimmung der Bürgerschaft wohl wahrscheinlich, sofern die SPD überzeugt werden kann. Falls der Beirat kommt, muss er dringend mit Leben gefüllt werden, bis dahin haben die Menschen aus StuRa und AStA aber noch viel zu tun.

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Von A nach B ohne ÖPNV?

Bahnfahren in Deutschland kann Spaß machen. Zumindest in Mecklenburg-Vorpommern ist das aber nicht immer der Fall. Denn der öffentliche Personennahverkehr ist insgesamt eher mittelmäßig ausgebaut – und es wird nicht besser. Daniel Möck mag Zugfahren nur, wenn der Zug auch fährt.

Was ist das doch schön, direkt von der Uni in die S-Bahn zu steigen und ans Meer zu fahren. Im Sommer zu Stoßzeiten im sieben-Minuten-Takt. Traumhaft. Man kann über einiges meckern in Rostock, nicht jedoch über den regelmäßigen Bahnverkehr zwischen Rostock und Warnemünde. Doch wer aus der Umgebung per ÖPNV nach Rostock fahren möchte, der ist mitunter lange unterwegs. Betrachtet man das Flächenland Mecklenburg-Vorpommern, so stellt man fest, dass viele Orte aufgrund ihrer Geographie oder ihrer peripheren Lage keinen Bahnanschluss haben. Durch die geringe Bevölkerungszahl in weiten Teilen des Landes ist eine Zuganbindung dort auch nicht sonderlich lukrativ. Denn gerade im öffentlichen Personennahverkehr gilt: Ohne Nachfrage kein Angebot! Während auf den Hauptstrecken von Rostock in Richtung Berlin, Hamburg oder Stralsund die Regionalzüge noch alle zwei Stunden fahren, werden kleinere Orte mit weniger Einwohnern, die nicht entlang dieser Hauptstrecken liegen, nach und nach vom öffentlichen Nahverkehr abgekoppelt. Beobachten kann man dies aktuell im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, wo die sogenannte Südbahn, eine Bahnstrecke zwischen Parchim und Malchow, seit Mai diesen Jahres stillgelegt ist. Zwischen Malchow und Waren (Müritz) fährt nun nur noch sechs Mal pro Tag ein Zug. Die wenigen Menschen, die die Strecke regelmäßig nutzten, waren offenbar nicht profitbringend genug für die betreibenden Unternehmen. Zwar wechselten diese in der Vergangenheit häufig, doch stets reichten die Einnahmen aus dem Schienenverkehr nicht aus, um die Strecke wirtschaftlich zu betreiben. Das Land Mecklenburg-Vorpommern weigerte sich zudem, die jeweiligen Unternehmen finanziell zu unterstützen. Der Sparkurs war dem Land wichtiger als die Mobilität seiner Bürger. Kritik dazu kam von der Opposition. Der grüne Landtagsabgeordnete Johann-Georg Jaeger beispielsweise sorgt sich um die demographische Entwicklung des Landes: „Bahnstrecken sind immer auch Entwicklungsachsen. Wenn Menschen Sicherheit haben, auch in Zukunft an den ÖPNV angebunden zu sein, kann eine Region wachsen. Sobald manche

Regionen jedoch von der Schienenanbindung abgekoppelt werden, wird das zu einem Bevölkerungsrückgang führen.“ Tatsächlich ist aber auch die Hansestadt Rostock nicht vor Einsparungen im Zugverkehr gefeit. So wurde ebenfalls aus Spargründen im Dezember 2012 der S-Bahnverkehr zwischen dem Hauptbahnhof und dem Überseehafen mit Halt in Dierkow und Toitenwinkel eingestellt. Die nur zu Stoßzeiten gut ausgelastete Strecke war dem Land ebenfalls zu teuer. Nun ist der Überseehafen nur noch per Bus erreichbar. Die Politik jedoch sieht als Schuldigen für die Angebotsreduzierung die Deutsche Bahn AG. Diese habe in den letzten Jahren ihr Angebot immer weiter ausgedünnt, daher seien die Länder verpflichtet worden, regionalen Ersatz zu schaffen. „Die anfallenden Kosten sind bei der Regionalisierung im Zuge der Bahnreform im Jahr 1995 nicht absehbar gewesen. Die Länder sind finanziell aber gar nicht in der Lage, diese hohen Kosten zu schultern.“ Mit diesen Worten schob der Rostocker Landtagsabgeordnete Jochen Schulte (SPD) den Schwarzen Peter weiter an den Bund in Berlin. Alle Streitereien führen so zu einem großen Ungleichgewicht innerhalb des Landes. Während die Züge von Hamburg und Berlin in die Küstenorte rollen und Touristen mit sich bringen, teilweise sogar im IC oder ICE, werden die Pendler im Hinterland am Bahnsteig stehen gelassen. Für die Regionen fernab der Küste, die mit dem Tourismus deutlich weniger in Berührung kommen, ist die weitere Ausdünnung des ÖPNV-Angebots ein Fiasko. Wer mag schon in einer Region wohnen, in der der letzte Zug um 17.00 Uhr abfährt? Oder in einem Ort, in dem überhaupt kein Zug hält? Zwar plant die Bahn langfristig wieder mehr Fernverkehrszüge in Richtung Rostock einzusetzen. Diese sollen jedoch frühestens ab 2019 rollen und würden auch nur den größeren Städten nutzen. Kleinere Orte hingegen werden von dieser Kundenoffensive nicht profitieren. Im Gegenteil, das Ungleichgewicht zwischen Küste und Hinterland würde weiter verstärkt.

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Volksentscheid in MV: coming soon!

Dagegen regt sich allerdings erheblicher Widerstand. Die Oppositionsparteien im Landtag, die Linke und die Grünen forderten eine Aufschiebung der Reform, der Verein Pro Justiz startete mit Unterstützung des Richterbundes ein Volksbegehren. Dabei sammelten sie mehr als die notwendigen 120.000 Unterschriften, sodass der Landtag gezwungen wurde, sich erneut mit dem Thema zu beschäftigen. Die Mehrheit der Abgeordneten entschied sich dafür, die Reform weiterhin zu unterstützen. Als nächsten Schritt wird es deshalb am 6. September einen Volksentscheid über das Gesetz geben − der erste auf Landesebene in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns. Was aber ist derart spannend an dieser Gerichtsstrukturreform? Für die direkt Betroffenen geht es um ihre Jobs, die teilweise wegfallen sollen oder in andere Städte verlegt werden. Doch auch für die übrige Bevölkerung steht, je nach Perspektive, einiges auf dem Spiel. Pro Justiz argumentiert, dass die Reform einen weiteren Abzug öffentlicher Strukturen aus ländlichen Räumen bedeutet. Es werde zunehmend schwieriger für die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, sich mit zumutbarem Aufwand um ihre Rechtsangelegenheiten zu kümmern. Tatsächlich werden durch die Umstrukturierung viele Wege weiter, was für die Bürger*innen mit zusätzlichem zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden ist. Die Abwanderung aus ländlichen Gebieten könnte sich beschleunigen, wenn die öffentliche Daseinsvorsorge weiter schrittweise reduziert wird. Die Landesregierung hält dagegen, dass eine Neustrukturierung dringend erforderlich sei. Ihrer Ansicht nach kann ein angemessener Service eben nur durch ausreichend große Dienststellen mit entsprechender Ausstattung angeboten werden. Dies könne in Zukunft mit der alten Struktur nicht mehr gewährleistet werden. Das Amtsgericht Bad Doberan etwa könne „aufgrund seiner Größe auf Dauer keine qualitativ hochwertige Rechtsprechung mehr garantieren", ließ die zuständige Justizministerin Uta Maria Kuder (CDU) dazu verlauten. Es kann jedoch diskutiert werden, ob die Stadt Bad Doberan überhaupt ein eigenes Amtsgericht benötigt, zumal das Nächste im nicht allzu weit entfernten Rostock ansässig ist. Während die Schließung für Bad Doberan schmerzlich wäre, würde sich in der Hansestadt Rostock für die Menschen dagegen nicht viel verändern, der Justizstandort Rostock würde durch die Strukturreform sogar weiter gestärkt. Es gibt somit gute Argumente auf beiden Seiten. Den 120.000 Unterzeichner*innen des Volksbegehrens dürfte es aber wohl nicht allein um die Gerichtsreform gegangen sein. Kritiker*innen der Landesregierung prangern schon seit langer Zeit an, diese würde viele Entscheidungen über die Köpfe der Betroffenen und die Meinung der Menschen im Land hinweg treffen und durchsetzen. Möglicherweise haben einige in der Unterzeichnung dieses Volksbegehrens die Möglichkeit gesehen, gegen diese Praxis zu protestieren. In Schwerin hingegen ist man weiter von der Richtigkeit der Reform überzeugt. Einige Einschnitte seien schmerzlich, aber es müsse schnell gehandelt werden, um die mecklenburgisch-vorpommersche Gerichtsstruktur zukunftsfähig zu machen. So wird gerne auf andere Länder verwiesen, in denen es deutlich weniger Gerichte pro Einwohner gibt: In Schleswig-Holstein etwa existieren, im Vergleich zu den aktuell noch 15 Amtsgerichten in Mecklenburg-Vorpommern, 22 Amtsgerichte, die jedoch für über eine Million Menschen zusätzlich verantwortlich sind. Der nun anstehende Volksentscheid wird von der Landesregierung daher nur halbherzig begrüßt, Werbung möchte man dafür nicht machen. Da in den letzten Monaten bereits einige Teile der Reform umgesetzt wurden, wird nun per Volksentscheid entschieden, ob der Prozess weitergeht oder die Veränderungen zurückgenommen werden müssen. Wenn bei euch also im Sommer die Wahlbenachrichtigung ins Haus flattert, wisst ihr worum es geht: Ihr könnt Teil des ersten Volksentscheides in Mecklenburg-Vorpommern sein!

AMTSGERICHT

Viele Menschen wünschen sich oft mehr direkte Demokratie. Alles werde immer über ihren Kopf hinweg entschieden, beklagen sie. Ein Volksbegehren gegen eine Gerichtsstrukturreform bringt im September nun jedoch ein kleines Stückchen direkte Demokratie nach Mecklenburg-Vorpommern. Tom Seiler und Daniel Möck lassen keine Gelegenheit aus, Kreuzchen zu setzen.

Noch gibt es im nordöstlichsten Bundesland ungewöhnlich viele Gerichte. Im Bundesvergleich hatte bisher kein anderes Land mehr Gerichte pro Einwohner als Mecklenburg-Vorpommern. Das jedoch ist für die öffentlichen Haushalte auf Dauer zu kostspielig − findet zumindest die Landesregierung und will die Gerichtsstruktur deshalb reformieren. 2013 wurde vom Landtag ein entsprechendes Gesetz beschlossen, das bis 2017 umgesetzt werden soll. So sollen bis dahin zum Beispiel elf der bisher 21 Amtsgerichte im Land umgelegt, verkleinert werden oder ganz verschwinden. Zeitgleich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes wurde im Dezember 2014 das Amtsgericht Ueckermünde geschlossen. Bis Mai 2015 fielen auch die Amtsgerichte in Hagenow und Bad Doberan der Gerichtsstrukturreform zum Opfer, die Amtsgerichte Wolgast und Ribnitz-Damgarten sollen zeitnah Folgen. Die Amtsgerichte Anklam, Neustrelitz und Parchim wurden zudem zu Zweigstellen der Amtsgerichte Pasewalk, Waren und Ludwigslust degradiert.

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enburg Zurück ins Leben? Juden in Meckl und Vorpommern POLDO − Politische Donnerstage ab 19:00 Uhr VoKü

richtsErster Volksentscheid in MV zur Ge strukturreform

MV

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FSRK – das klassische Rostocker Problem

Jeden zweiten Donnerstag im Monat trifft sich im Konzilzimmer des Universitätshauptgebäudes die Fachschaftsrätekonferenz unter Leitung des Innenreferenten Carlo Eckert. Doch scheint die Lust auf Vernetzung auch dort beschränkt, wenn man immer wieder die gleichen Gesichter entdeckt. Michèle Fischer bevorzugt die deftigen Snacks auf der FSRK.

Mit Keksen bewaffnet – der Aufgabenjongleur Außerdem merkt man, dass Carlo den Raum bräuchte, sich ausschließlich um die Fachschaftsvernetzung zu kümmern und nicht noch für Belange, wie zum Beispiel der Evaluationsordnung in einer Arbeitsgemeinschaft im Bereich Studium und Lehre aktiv zu werden oder die pausenlosen Auseinandersetzungen mit seinem Lieblingsbereich Hochschulsport. Seine angekündigten Hausbesuche bei jedem Fachschaftsrat der Universität konnten bislang nur in zwei Fällen umgesetzt werden – bei seinem eigenen Fach Sozialkunde mit der dazugehörigen FALS und der getrennten Stiefschwester POLDI. Dabei scheitert sein Vorhaben nicht nur an der Terminübermittlung der Fachschaften, sondern auch am eigenen Stundenplan. Selbstkritisch gesteht er sich ein, dass seine Kreativität eingeschränkt ist und auch eine bezahlte Stelle mit den „typischen Rostocker Problemen“ zu kämpfen hat, so dass oft die immer gleichen Fachschaften regelmäßig erscheinen. Die Süßigkeiten, die ein fester Bestandteil jeder Sitzung sind, locken eben auch immer wieder die gleichen Gesichter, die Lust auf Vernetzung und einen regen Austausch haben, sodass eine Vorstellungsrunde eher lachhaft erscheint.

Jeder Fachschaftrat kann einmal im Monat seinen Studiengang bei einem Treffen der Fachschaftskonferenz vertreten, um dort die eigene Arbeit zu repräsentieren und die Vernetzung mit anderen Bereich aktiv zu fördern. Knapp ein Jahr ist nun her, seit sich der alte Innenreferent Adrian Kappel mit den Mitgliedern der Fachschaftsrätekonferenz (FSRK) traf, um die Kommunikation zu novellieren, nachdem die Sitzungen mit fünf bis zwölf Studierenden eher spärlich besucht waren: „Was wollt ihr machen?“. Offensichtlich eine entscheidende Frage, denn nur so wurde neue Motivation geschaffen, eben einmal im Monat mehr Fachschaftsräte für eine Kommunikationsbasis zusammenzuführen. Seitdem sind durchschnittlich fünfzehn Fachschaften von 27 agierenden Räten an der Universität Rostock bei einer Sitzung vertreten. Diese etablierten dabei eine aktuelle Runde und den Austausch zu bestimmten Themen, beispielsweise der Evaluationsordnung, Wissensmanagement oder Satzungsveränderungen, als festen Bestandteil jeder Sitzung. Nachdem wir in der Achilles-Ferse in Ausgabe 107 kritisch über die fehlende Arbeitsmoral einzelner Fachschaftsräte berichteten – dafür in der 108 eine saftige Antwort kassierten - erschienen in der darauffolgenden Sitzung sogar 21 von 27 Gruppierungen. Der aktuelle Innenreferent Carlo Eckert, der zuvor auch schon im Amt des Nachhaltigkeitsreferenten und als Referent für Politische Bildung anzutreffen war, freut sich in diesem Zusammenhang besonders über die „entscheidende externe Wahrnehmung der FSRK“. Trotzdem kann die Konferenz keinesfalls die Aufgabe einer Black-Box übernehmen und jedem Sorgenkind gerecht werden - bis heute hat noch keine SportwissenschaftlerIn die Treppe zum Konzilzimmer erklommen. Liegt das vielleicht an der vernachlässigten Facebookpräsentation der FSRK?

Ab zum Arbeitstreffen Entscheidend ist aber, dass die Fachschafträtekonferenz in ihrer Funktion als Multiplikator der Fachschaften einen Informationsknotenpunkt der Universität bildet und mit einem gehörigen Maß an Soft-Power politische Entscheidungen vorantreiben kann. Auch ohne offizielles Mandat in deinem eignen Fachschaftsrat, kannst du ein Teil dieses Vernetzungsgremiums werden. Du musst einfach zur nächsten Sitzung kommen und mitdiskutieren - schon kannst du deinen eigenen Fachbereich vertreten.

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Beifach, nicht Drittfach

Den Lehramtsstudierenden der Universität Rostock die besten Ausgangsmöglichkeiten für den kommenden Berufsweg zu sichern, ist ja schön und gut. Aber dass manchmal lieber mehr Finanzen eingeplant werden sollten, zeigt die Diskussion um die Einführung des Beifaches. Michèle Fischer ist bei scheinbaren Schnäppchen in der Universität immer besonders kritisch.

Wer bei den vergangenen Senatssitzungen nicht direkt nach der Verwaltungsgebühren-Debatte das Konzilzimmer fluchtartig verlassen hat, wird auch an der Diskussion zur Einführung eines „kostenneutralen“ Beifaches nicht vorbeigekommen sein. Ein Angebot, dass sich als drittes Ergänzungsfach vor allem im Lehramtsbereich anbietet und damit einen eigenen Studiengang bildet. Wer gerade Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert, könnte so sein Kompetenzprofil um ein weiteres Angebot erweitern und beispielsweise Sozialkunde, in einem Umfang von ca. 38 bis 42 Leistungspunkten, als sogenanntes Beifach hinzufügen, welches nicht mit einem Drittfach gleichgesetzt werden darf. Was im ersten Moment zukunftsorientiert klingt, bringt aber auch einige Gefahren mit sich. Viele Kritiker, darunter der Sprecher der Lehramtskonferenz Michael Ganse, befürchten jedoch, dass dieses Prinzip nicht ohne weiteren finanziellen Aufwand funktionieren würde und deswegen auf den Schultern der aktuell Studierenden ausgetragen wird. Es gibt schließlich ein festes Kontingent an Plätzen in Lehrveranstaltungen und so müsste laut Plan zukünftig auch Raum für Beifachstudierende eingerichtet werden. Außerdem sei nicht klar, welche Fächer überhaupt in Frage kommen, da sie mit einer sogenannten SPÜ (SchulpraktischenÜbung) bedacht werden sollten, um einen Praxisbezug zu gewährleisten. Beim erwähnten Beispiel Sozialkunde wäre dieser Praxisbezug nicht garantiert, da die Umsetzung mit schulischen Elementen in den jetzigen Bestimmungen nicht vorgesehen sei und die benötigten Stunden schlichtweg fehlen. Ein/e angehende/r LehrerIn wird durch das Beifach befähigt, trotz reduzierter Punktezahl bis einschließlich zur Klasse 10 das entsprechende Fach an einer Regionalschule zu unterrichten. Fehlende Übungsstunden wären in diesem Zusammenhang fatal. Ergän-

zend zu diesen Faktoren müsste im ersten Jahr das Angebot der Universität laut Landeshochschulgesetz NC-frei angeboten werden, sodass ein enormer Zulauf realistisch erscheint. Denkbar wäre, eine Ablehnung aufgrund einer Zulassungsbeschränkung mit einer Beifachkombination zu überbrücken und eine spätere Umschreibung in das Wunsch-Fach zu bewirken. Sicherlich auch nach dem Abschluss des Studiums und dem parallelen Warten auf den langersehnten Referendariatsplatz, wäre das eine Überbrückungsmöglichkeit für einige Studierende. Angestoßen wurde das Vorhaben durch das Bildungsministerium unter der Leitung von Mathias Brodkorb, das damit vor allem kurzfristig Lücken im Stellenplan von Mecklenburg-Vorpommerns Schulen schließen will. Die momentan angestellten LehrerInnen werden immer älter und so wäre ein Ausgleich anhand von mehrfachen Belegungen durch junge LehrerInnen durchaus attraktiv. Daher wurde die Senatskommission in zwei Sitzungen beauftragt, sich mit der Umsetzbarkeit auseinanderzusetzen und einen wegweisenden Kommentar für den Senat anzufertigen. Das Ergebnis war eindeutig: „Unter den genannten Aspekten ist eine kostenneutrale Schaffung des Beifaches an der Universität nicht möglich“ so Michael Ganse. Stattdessen sollte das Land lieber ein paar Euros mehr in die Hand nehmen und einen ausgereiften Rahmenplan erarbeiten, der eine Studierbarkeit gewährleisten kann. Am 3. Juni wurde im Senat beschlossen, das Thema erst einmal abzuwenden und einer generellen Entscheidung mehr Optionen zu bieten. Eine strategische Variationsausweitung wäre sicherlich eine Möglichkeit, um die Absolventen für den Arbeitsmarkt auch außerhalb der Landesgrenzen zu stärken, aber nicht auf Kosten der bisherigen LehrämtlerInnen an der Universität Rostock.

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Gebührende Klatsche

Bildungsfinanzierung: Die Politik will nicht, die Uni kann nicht. Das Rektorat wollte durch eine Verwaltungsgebühr Geld von den Studierenden einnehmen. Der Senat meint: Nix da! Fritz Beise würde das Herumdoktern an Symptomen der Unterfinanzierung gern beenden; zugunsten der Krankheitsbekämpfung.

Ge bü hre n

senschaftlichkeit zunehmend gefährdet wäre – oder die Universitäten erheben für einige Leistungen, wie Beratung, Zeugnisse, Einschreibung etc., Gebühren. Aus diesem Grunde argumentiert das Rektorat, man würde „eher der Universität als der Politik durch eine Ablehnung der Verwaltungsgebühr schaden“.

„Wenn es in den 60er Jahren Studiengebühren gegeben hätte, säße ich und wohl auch einige der Anwesenden nicht hier.“ Prof. Dr. Martin Benkenstein, Vorsitzender des Akademischen Senats der Uni Rostock, stimmte Anfang Juni dem Antrag der studentischen Senator_innen zu und entschied sich damit mit der Mehrheit gegen die Verwaltungsgebühr. Es sei ein Wettbewerbsvorteil für die Universität, wenn man eben keine pauschalen Gebühren erhebe, vor allem für Leistungen, deren Finanzierung Staatsaufgabe ist, so Benkenstein weiter.

Umetikettierung: ein rhetorisches Mittel Man müsse sich da nun überlegen, woher man das Geld bekommt. Das Landeshochschulgesetz (LHG) sehe die Erhebung einer Verwaltungsgebühr von bis zu 50 Euro schließlich sogar vor, wird von den Befürworter_innen argumentiert. Mit dieser Gebühr geht jedoch ein dialektisch anmutendes Problem einher, das Professor Dr. Karsten Wolf, Studiendekan der IEF, als Umetikettierung bezeichnet hat: Im Koalitionsvertrag der Landesregierung wurde vereinbart, keine Studiengebühren im Land MV zu erheben. Im LHG werden Verwaltungsgebühren in einem gewissen Rahmen möglich gemacht. Studiengebühren sollen zur Finanzierung der Lehre beitragen. Verwaltungsgebühren gleichen die Kosten der Verwaltung, die durch jede_n zusätzliche_n Studierende_n entstehen, aus. Beides soll verschiedene Dinge finanzieren, die jedoch alle basal für das Studium an sich sind. So werden diese Gebühren zu einer Schranke für jeden Studienplatz. Letztlich sind somit alle Gebühren Studiengebühren, da sie Grundvoraussetzung für ein Studium sind. Da hilft es auch nicht, dem Kind einen anderen Namen zu geben, in der Hoffnung, niemand würde den fehlenden Unterschied bemerken. Das Prinzip ist jedoch in Wirtschaft und Politik sehr beliebt, man denke beispielsweise an die Kopfpauschale oder die Infrastrukturabgabe. Sozusagen ein rhetorisches Mittel.

Wirtschaft oder Bildung? Der Staat jedoch hat, und das lässt sich in MV zusehends feststellen, keine ernsthaften Ambitionen, die zur Verfügung stehenden Gelder in Bildungseinrichtungen zu investieren. Hinzu kommt die Schwarze Null aus Berlin, die notwendige Investitionen unterdrückt oder zumindest äußerst gering hält. Die Kausal- oder Korrelationskette könnte zu einem unübersichtlichen Netz erweitert werden. Den Baum der Erkenntnis für die Hochschulfinanzierung zu ersinnen, ist so leicht leider nicht. Fest steht jedoch Folgendes: Da die Landesregierung MV nicht gewillt ist, die Haushalte der Hochschulen angemessen zu vergrößern und die frei gewordenen BAföG-Millionen umfassend in den Globalhaushalt der Hochschulen zu transferieren, sondern lieber mit einem Teil des Geldes die Anzahl der Mitarbeitenden unter Kultus- bzw. Bildungsminister Brodkorb erhöhen möchte, müssen die Universitäten sich um zusätzliche Einnahmequellen bemühen. Damit geht entweder eine Ökonomisierung des Bildungssystems einher – also Großkonzerne finanzieren die Forschung nach ihren Ansprüchen, wodurch die unabhängige Wis-

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Neudeutsch: Student-Service-Center Sinn der Verwaltungsgebühr soll laut Rektorat die Finanzierung der Verwaltung, die durch steigende Studierendenzahlen im Zuge des Bolognaprozesses stärker gefordert sei, und der Ausbau der Beratung sowie des Studierendensekretariats in ein Student-Service-Center sein. Letzteres plante man schon für das Jahr 2014, doch die denkmalbaulichen Einschränkungen des Grünen Ungeheuers (Parkstraße 6) standen bisher im Weg. Man nannte nun im Senat als Ziel das Jahr 2016, räumte aber direkt ein, nicht versichern zu können, diesen Termin halten zu können. Es sei außerdem geplant, innerhalb der Beratung die Studierenden selbst zu beteiligen. Ergo vorwiegend Studierende vertraglich als Beratungspersonen einzustellen, die dann ihren Kommiliton_innen weiterhelfen sollen. Wohl auch, weil diese Stellen kostengünstiger wären, als würden nicht-studentische Angestellte diese Aufgabe ausführen. Hier klang letztlich seitens des Rektorats durch, dass die zehn Euro nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein werden, was im Subtext eine zukünftig geplante Erhöhung offenbart.

Erstellung des Personalausweises wurde gezogen, der ja verpflichtend sei und dennoch müsse man für ihn bezahlen. Das wurde mit der Bemerkung „Wir sollten uns nicht an Fehlentwicklungen der Gesellschaft orientieren.“ als, sagen wir, merkwürdig bezeichnet. Es kristallisierte sich hier schon früh heraus, dass der Senat wahrscheinlich nicht für die Gebühr stimmen würde – aus Prinzip, wie auch Vorsitzender Prof. Benkenstein. Entgegen dieses Wissens brachte das Rektorat den Antrag ein und scheiterte nahezu erwartbar kläglich. 16 von 22 Mitgliedern stimmten dagegen, drei dafür und drei enthielten sich. Johannes Saalfeld, Abgeordneter der Grünen im Landtag MV und ehemaliger studentischer Prorektor der Uni Rostock, zog seine Lehre aus der Senatsabstimmung in einem facebook-Post: „Das ist ja fast ein Misstrauensvotum gegen den amtierenden Rektor.“ [Über die Rücktrittsforderung der Juso-Hochschulgruppe und den Umgang des Rektors damit informieren wir auf heulermagazin.de, A.d.R.] Was der Senat und das Rektorat aus der Diskussion und der Abstimmung nun machen werden, ist noch offen. Vielleicht stellt man einen neuen, umformulierten Antrag und versucht es noch einmal oder man überlegt es sich gänzlich anders, zieht mit den Studierenden des Landes an einem Strang und sorgt politisch für eine angemessene Ausfinanzierung.

„Wie wäre es mit einer Vorlesungsgebühr?“ Gerade das fürchten Gegner_innen dieser Verwaltungsgebühren. Nur zehn von 50 möglichen Euro zu erheben, sei eine taktische Falle, die den Betrag gering aussehen lasse, aber spätere Erhöhungen wären deutlich leichter, würde die Gebühr erst einmal bestehen. In der Senatssitzung einen Monat vor der Abstimmung wurde sogar zugespitzt, man könne dann ja gleich 50 Cent für den Toilettengang oder die (früh-)neuzeitliche Vorlesungsgebühr wieder einführen. Auch ein Vergleich zur

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Popo, das PommesPoster Wir danken Helga‘s Kitchen fĂźr seine sexy Models.



Uni

Hafen Wissenschaf Zufluch Geflüch

Auch an der Uni spielt das Thema Flüchtlinge eine große Rolle. Damit es aber nicht bei akademischen Diskussionen und hypothetischen Modellen bleibt, wurde als studentische Initiative das Team Refugees ins Leben gerufen. Doch auch in anderen Bereichen wie Fairtrade oder an der Medizinischen Fakultät trumpft die Uni mit tollen Projekten auf, die wir euch in diesem Heft vorstellen möchten. Darüber hinaus erwarten euch Einblicke in die uniinterne Organisation und die Debatte um den dauerwunden Punkt der Anwesenheitspflicht - lest selbst!

Luise Wagner

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n der ften – ht für htete?

„Bildung für alle!“ ist der Leitspruch der Studierendeninitiative Team Refugees, die vom AStA unterstützt wird. Aber ist das überhaupt möglich? Was hat sich die Initiative vorgenommen und wo bestehen möglicherweise Schwierigkeiten? Juliane Schwarz möchte Geflüchtete an der Uni Rostock unterstützen. // Foto: AStA Uni Rostock

Krieg. Flucht. Asyl. Wer diese Worte hört, denkt wohl zuerst an Bürgerkriegsregionen wie Syrien und auch an die Mittelmeerinsel Lampedusa, die mittlerweile zum traurigen Symbol der europäischen Abschottungspolitik geworden ist. Das Thema Flucht ist überall. Und doch haben wohl die wenigsten Studierenden Berührungspunkte mit den vielen Betroffenen. Das möchte die Studierendeninitiative Team Refugees ändern: Sie will Geflüchtete dabei unterstützen, ein Studium an der Universität Rostock aufzunehmen und abzuschließen, sowie Abendveranstaltungen zum Thema Flucht organisieren. Das Team gibt es schon seit fast zwei Jahren. So richtig an Fahrt aufgenommen, hat es vor allem im Rahmen der letzten Nachhaltigkeitswoche, dort fand die Auftaktveranstaltung zum Refugee-Sprachtandem, einer Sprachaustausch-Veranstaltung zwischen Geflüchteten und Rostocker Studierenden, statt. Durch den direkten Kontakt sollen nicht nur die Sprachen, sondern auch die Menschen kennengelernt werden. Geplant sind regelmäßige Treffen an jedem ersten und dritten Mittwoch im Monat von 15 -17 Uhr im Bildungskeller auf dem Ulmencampus. Seine Hauptaufgabe sieht das Team Refugees jedoch in der Betreuung von Geflüchteten bei der Aufnahme eines Studiums und währenddessen. Hier möchte das Team ein Unterstützungsnetzwerk etablieren und als erster Ansprechpartner für die Betroffenen fungieren. Geflüchtete stehen vor denselben Hürden wie alle anderen Studierenden auch: die Qual der Wahl beim Studienfach, die Frage der Unterkunft und Verpflegung, die Finanzierung ... Hinzu kommen aber auch noch viele weitere Fragen, zum Beispiel die nach dem Aufenthaltsverfahren, der Anerkennung von ausländischen Schulabschlüssen, der Krankenversicherung und der Bewältigung der Sprachbarriere. Daher besteht für Geflüchtete ein besonderer Bedarf an Unterstützung.

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Umso schöner, wenn diese Unterstützung aus den Reihen der Studierenden kommt und somit zumeist auch aus der gleichen Peergroup. Neben der Netzwerkarbeit will sich das Team in Zukunft insbesondere um Gasthörendenscheine für Refugees kümmern. So könnten einzelne Geflüchtete für einen bestimmten Zeitraum in Universitätsveranstaltungen hineinschnuppern und auch Sprachkurse am Sprachenzentrum der Universität belegen. Leider wird es wahrscheinlich auch zukünftig bei Einzelfällen von Geflüchteten bleiben, die ein Studium an der Universität Rostock aufnehmen können, da die bürokratischen wie auch persönlichen Anforderungen für ein Studium sehr hoch sind. Aus diesem Grund soll das Refugee-Sprachtandem nicht ausschließlich der sprachlichen Vorbereitung auf ein Studium dienen, sondern auch ein Angebot für alle Geflüchteten darstellen, in sprachlichen, sozialen und kulturellen Austausch zu treten, um so in ihrer neuen Umgebung Anschluss zu finden. Von der Universität Rostock erhofft sich das Team Refugees offene Ohren für die Belange von Studierenden mit Fluchthintergrund und deren Unterstützung bei der Überwindung bürokratischer Hürden. Bei der Umsetzung dieser Ideen kann jede*r Studierende dem Team helfen. Die Gruppe ist immer offen für Interessierte und deren Anregungen. Ich persönlich bin sehr glücklich, über die positive Resonanz auf die Arbeit des Teams und bin mir sicher: Gemeinsam können wir geflüchteten Menschen eine neue Perspektive bieten! „Heute ist ein neuer Tag in meinem Leben“, sagte einer der Teilnehmer nach der Auftaktveranstaltung des Refugee-Sprachtandems zum Abschied. Und wenn es so einfach für uns ist, anderen Menschen ein Stück Hoffnung zu geben, sollten wir uns durch nichts davon abhalten lassen.


Traditio et innovatio am Portal der Universität

Viele gehen täglich daran vorbei, einige dürfen darin sogar spannenden Vorträgen lauschen und es ist wahrscheinlich eines der beliebtesten Fotomotive Rostocks: Das Unihauptgebäude. Wer genau hinsieht, kann noch mehr als nur die rot-weiße Fassade entdecken. Juliane Pfeiffer hat mal genauer hingeschaut. // Foto: Juliane Pfeiffer

Im Kopf des Portals ist ein großes Wappen zu sehen, das vom Rostocker Wappentier, dem Greif, und dem Mecklenburger Wappentier, einem Stier, gehalten wird. Darauf sind die Zeichen der einzelnen Herzogtümer um Rostock zu sehen.

Am 12. November 1419 wurde die Universität Rostock gegründet. Damit ist sie die älteste Universität im Ostseeraum und die drittälteste deutsche Hochschule.

Das große Fenster ist Bestandteil der aufwendig sanierten Aula. Übrigens wurden in die Glasscheiben originale Auszüge der handschriftlich geführten Matrikelbücher aus dem Gründungsjahr eingraviert. Auf dem Fries im dritten Stock sind Zeichnungen zu den 10 Tugenden zu erkennen: Pflichtgefühl, Treue, Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit, Sorgfalt, Kenntnis, Besonnenheit, Ausdauer, Selbstbeherrschung und Verstand.

Johann IV. und Albrecht V. waren die Herzöge zu Mecklenburg, die neben dem Rat der Hansestadt bei Papst Martin V. darum baten, eine Universität in Rostock gründen zu dürfen. Die Gestalter der Fassade glaubten allerdings, Johann wäre der III.

Die vier weiblichen Figuren symbolisieren die drei Gründungsfakultäten, die man anhand eindeutiger Symbole identifizieren kann: Die juristische und die medizinische Fakultäten sowie die Facultas artium (heute: philosophische Fakultät). Erst 1433 kam die theologische Fakultät hinzu, da der Papst zunächst Angst vor ketzerischen Strömungen unter den Studierenden hatte.

Diese Büste zeigt Petrus Stenbecke, den ersten Rektor der Universität von 1419 bis 1421. Henricus Katzow war der Bürgermeister von Rostock im Jahr der Gründung (1419).

Doctrina mulitplex veritas una – Der lateinische Spruch über der Tür heißt übersetzt: Es gibt viele Lehren, doch nur eine Wahrheit. Das heutige Hauptgebäude wurde vom Hofbaurat Willebrand im Stil der Neorenaissance entworfen und 1867 eröffnet. Das Gebäude ist, wie seine beiden Vorgänger am gleichen Standort, nun wieder Hauptsitz der Universität.

Die Statue, die jedem Besucher im Foyer entgegenschwebt, ist vom Bildhauer Wolfgang Friedrich geschaffen worden und 2013 mit der Sanierung des Gebäudes eingezogen. Sie symbolisiert die durch Klugheit ausgezeichnete Göttin Metis. In der griechischen Mythologie war Metis die erste Geliebte des Zeus. Nun soll die Bronzefigur für die Attribute wie Intuition, Scharfsinn, fachliches Verständnis, wissenschaftliche Einsichten, kluges Handeln und Weisheit stehen, die jeder Student aus dem Studium mitnehmen sollte.

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Gute Geister der Uni

Das Praktikumsbüro in der August-Bebel-Straße ist Anlaufstelle für viele Studierende der Philosophischen Fakultät. Ohne die Mitarbeiterinnen dort wären viele von ihnen wahrscheinlich aufgeschmissen. Nicole Korte möchte sich bedanken. // Illustration: Theresa John

Allgemeinen. Dazu gehören zum Beispiel das Registrieren der Praktikumsberichte oder die Weiterleitung dieser an die Dozierenden. Durch die Modularisierung der Lehramtsstudiengänge hat sich die Anzahl der zu absolvierenden Praktika merklich vergrößert, und damit auch die Zahl der zu lesenden Praktikumsberichte. So landen heute rund 850 Praktikumsberichte pro Semester auf dem Tisch – vor zehn Jahren waren es 400 weniger. Frau Görl und Frau Jäkel leisten diese Arbeit mit Unterstützung von Frau Dr. Fiedler allein. Was daran besonders besonders ist: sie bleiben bei der ständigen Fragerei immer freundlich, stehen den Studierenden mit Rat und Tat zur Seite und interessieren sich aufrichtig für die Erfahrungen mit den Praktikumsschulen. Für diese tolle Betreuung während meines Studiums möchte ich DANKE sagen und kann mir vorstellen, dass ich damit nicht allein stehe. Danke für das stetige Lächeln auf Ihren Lippen. Danke für kurze Gespräche und Antworten außerhalb der Sprechzeiten. Danke für die gute Unterstützung während der Praktika.

Der Countdown läuft, die Tage sind gezählt: mein Studium neigt sich dem Ende entgegen. Fünf Jahre Vorlesungen, Seminare, Hausarbeiten und Praktika sind vorbei. Da sind wir auch schon beim Stichwort „Praktikum“. Alle Lehramtsstudierenden und der Diplomstudiengang Erziehungswissenschaft haben so einige davon während ihres Studiums zu absolvieren – und somit auch ich. Zum Ende meines Studiums dachte ich, es sei offiziell an der Zeit den beiden Damen aus dem Praktikumsbüro DANKE zu sagen. Zu jedem Praktikum gehören nicht nur der Besuch, die Hospitation und das Unterrichten in der Schule, sondern an erster Stelle die vorherige Anmeldung des Praktikums, das frühe Aufstehen (um die gewünschte Schule zu bekommen, gilt das Prinzip des frühen Vogels, denn die Praktikumsplätze für Rostocker Schulen werden nur durch das Praktikumsbüro verteilt) und natürlich der Praktikumsbericht danach. Dass da im Hintergrund viele Stränge gezogen werden müssen, liegt auf der Hand. Frau Görl und Frau Jäkel haben somit also alle Hände voll zu tun: die Koordinierung des Einsatzes an den Schulen, die Aushändigung aller wichtigen Unterlagen und die Organisation im

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Da sein oder nicht Da sein – das ist hier die Frage

Von allen Diskussionen rund um den Universitätsbetrieb, kehrt eine immer wieder: die Debatte um Anwesenheitspflichten. Aktuell ist sie diesmal, weil Studierende der Politikwissenschaft wohl zukünftig in Seminaren anwesend sein müssen. Hier rechtfertigt Prof. Dr. Yves Bizeul, Lehrstuhlinhaber für Politische Theorie am Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften, die Einführung der Anwesenheitspflicht. Kommentar zur Anwesenheitspflicht von Prof. Dr. Yves Bizeul

Ein Seminar ist eine Lehrveranstaltung, bei der die Teilnehmer unter Anleitung bestimmte Themen erarbeiten. Zentraler Inhalt des Konzeptes von (Hochschul-)Seminaren ist demnach die Beteiligung der Teilnehmer und das gemeinsame Erarbeiten der Seminarinhalte. Im Gegensatz zu Vorlesungen wird in Seminaren erwartet, dass die Studenten vorbereitet in die Sitzung kommen, um dann zusammen mit ihren Kommilitonen und unter Anleitung des Dozenten den Inhalt der Sitzungstexte zu erarbeiten, Verständnisfragen zu klären, die Inhalte zu problematisieren und ggf. auf aktuelle Entwicklungen in Politik und Gesellschaft zu beziehen. Eine rege Diskussion und Anwendung des erarbeiteten Wissens ist Ziel und Abschluss einer Seminarsitzung. Mit diesem Konzept von Seminaren ist eine stark schwankende und unvorhersehbare Teilnehmerzahl zu den einzelnen Seminarsitzungen nicht vereinbar. Einige Punkte sollen dies verdeutlichen: a) Im Gegensatz zur Lektüre der Seminarliteratur im Heimstudium, die auf einem individuellen, bestimmten Niveau der Reflexion bleiben muss, bietet das Zusammenkommen und das gemeinsame Auswerten des Themas die Chance, die Reflexion über den Text auf eine höhere Ebene zu bringen. Dies geschieht durch, für das eigene Verständnis, neue, unerwartete Kommentare, Fragen, Deutungen und Hinweise durch die Kommilitonen aber auch dem Dozenten. Die individuelle Lektüre der einschlägigen Literatur ist wichtig und gut, die Reflexion gewinnt aber enorm durch den Austausch mit anderen, denn jede Deutung eines Textes, jede Position in einer Diskussion ist immer auch ein Ergebnis der individuellen Erfahrung und Lebensgeschichte.

b) Das Seminar als Unterrichtsform braucht eine hinreichend regelmäßige Teilnahme der Studierenden. Nur wenn alle oder zumindest ein Kern der Studierenden regelmäßig das Seminar vorbereitet besucht, ist der Stand in der Erarbeitung des Themas bei allen Teilnehmern hinreichend gleich, kann im Thema und der Diskussion fortgeschritten werden. Wechselnde Teilnehmerkreise verhindern den Fortschritt im Thema, denn immer wieder muss wiederholt und sich vergewissert werden, welchen Stand die je aktuelle Seminargruppe hat. Ein sehr heterogener Wissensstand befördert mit Sicherheit nicht die Qualität der Seminardiskussion. c) Ein wissenschaftliches Studium sozialisiert die Studierenden in die Prozesse, Arbeitsweisen, Denkweisen und Umgangsformen einer Universität. Diese Sozialisation, die durchaus nützlich im späteren Leben sein kann, wird stark durch geringe Präsenz in den Seminaren und sonstigen Veranstaltungen der Universität, durch mangelnden Kontakt zu Dozenten und Kommilitonen behindert. d) Die Universität Rostock ist eine Präsenzuniversität und keine Fernuniversität. In jeder Studienordnung sind die Teile Heimstudium und Präsenzstudium festgelegt. Dies Verhältnis ist im Idealfall austariert, um einen guten Studienerfolg zu ermöglichen. Die bisherige Erfahrung in den Seminaren hat gezeigt, dass seit einigen Semestern eine nicht geringe Zahl von Studierenden sehr unregelmäßig an den Seminarsitzungen teilnimmt. Dieses Phänomen ist neu und beeinträchtigt den Ablauf und die Qualität der Seminare. Es geht hierbei nicht um vereinzeltes Fehlen oder eine natürliche Fluktuation, sondern um den

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Effekt, dass tatsächlich kein regelmäßiger Kern an vorbereiteten Seminarteilnehmern erwartet werden kann. Eine Anwesenheitspflicht, die auch durch Unterschriftenlisten kontrolliert wird, ist im Weiteren kein so schlimmes Schreckgespenst, wie sie zum Teil dargestellt wird. So sind begründete und entschuldigte Fehlzeiten immer möglich. Außerdem gibt es die Chance, bei einer größeren Zahl von Fehltagen, diese durch eine Äquivalenzleistung auszugleichen. Somit muss niemand fürchten, aus nicht selbstverschuldeten Gründen aus Seminaren bzw. von Prüfungen ausgeschlossen zu werden. Auch bei einer Anwesenheitspflicht ist Fehlen, in einem vernünftigen Umfang, möglich. Schließlich: Warum sollte man nicht regelmäßig an den im Studium vorgesehenen Seminaren teilnehmen? Familiäre und gesundheitliche Gründe sind immer entschuldbar. Eventuell mit dem Seminar kollidierende Arbeitszeiten müssen anders geregelt werden, das Studium muss Hauptbeschäftigung der Studierenden sein. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Studierenden in Deutschland ein kostenloses, durch die Gemeinschaft finanziertes Studium genießen dürfen.

Siehst du das genauso oder bist du anderer Meinung? Schick uns deine Antwort in 3000-4000 Zeichen an uni@heulermagazin.de. In der nächsten Ausgabe des heuler drucken wir den besten eingesendeten Text ab.


Fairtrade my university

Seit September 2014 ist die Universität Rostock Fairtrade Uni, und dazu gehört viel mehr als nur fair gehandelten Kaffee zu trinken - aber was genau eigentlich? Wer kümmert sich darum? Und wie kann man da mitmachen? Jessica Donzowa findet, über das Thema Fairtrade kann man gar nicht genug sagen.

Was bedeutet Fairtrade eigentlich genau? Das Fairtrade-Siegel, das sicherlich jedem schon einmal auf Produkten wie Zucker, Nüssen usw. aufgefallen ist, bedeutet, dass den Bauern ein fester Mindestpreis auf ihre angebotene Ware garantiert wird, um die Kosten für eine nachhaltige Produktion zu decken. Kinder-und Zwangsarbeit sind dabei verboten, genauso wie genetisch manipuliertes Saatgut. Die Idee dahinter: Bauern in ihren Heimatländern eine sichere Existenz zu gewährleisten, um das Ungleichgewicht im weltweiten Handel zu verringern.

im Mai die Nachhaltigkeitswoche statt. In dieser Zeit wurden Workshops angeboten, beispielsweise zum Thema Fairphone, und der bereits regelmäßig im Peter-Weiß-Haus stattfindende Open Fair Brunch. Die Gruppe aus Studierenden, Hochschulvertretung, Gastronomie und Vertretern der Stadt zählt aktuell neun Mitglieder und trifft sich alle zwei bis drei Monate zur weiteren Planung. Denn die restlichen drei Anforderungen verlangen unter anderem regelmäßige Veranstaltungen, das Angebot von mindestens zwei Fairtrade Produkten in der Mensa und schließlich auch auf öffentlichen Veranstaltungen. Und hier ist schon viel an der Uni passiert! Die Mensa kann mittlerweile mit zehn fair gehandelten Angeboten aufwarten. Auch in Sachen Veranstaltungen war schon vor der Bewerbung eine Menge los, zum Beispiel die Fairtrade-Fotoausstellung in der Südstadt Mensa im Dezember 2013. Die fünf Kriterien sind also erfüllt und so wurde die Uni am 20.09.2014 von Transfair, der Initiative, die über die Vergabe der Fairtrade-Titel entscheidet, zur Fairtrade University erklärt.

Und warum soll das auch für Unis gelten? Alles begann im Jahr 2000 mit den Fairtrade-Städten in Großbritannien. Zu den Voraussetzungen für diesen Titel gehört die regelmäßige Durchführung von Projekten zum Thema Fairtrade in öffentlichen Einrichtungen und Schulen. Auch die Gastronomie einer Stadt beteiligt sich daran: Je nach Einwohnerzahl bietet eine bestimmte Anzahl von Cafés fair gehandelte Produkte an. Auf Rostock berechnet sind das 17 Betriebe, beispielsweise das Café Kaffeelust. Denn auch Rostock wurde von diesem Trend erfasst und trägt inzwischen sogar den Titel Hauptstadt des fairen Handels, der nur besonders aktiven Fairtrade-Städten verliehen wird. Es dauerte nicht lange, bis auch die Universität mit ins Boot geholt wurde: Die Koordinatorin der Fairtrade-Stadt Rostock, Sara Kokemüller, brachte Linda Marx , Referentin für Nachhaltigkeit und Infrastruktur beim AStA auf die Idee, eine Bewerbung um den FairtradeTitel für die Universität einzureichen.

Wie geht es weiter? Für die Zukunft hat die Steuerungsgruppe viele kreative Ideen. Neben der Beratung anderer Unis zum Thema Fairtrade und der Fahrradwoche im Juni wollen sie auch Botschafter/innen finden, die sich in Seminaren mit Entwicklungspolitik und fairem Handel beschäftigen und die Elektronik an der Uni fairer gestalten, z.B. durch die Einführung der fairen Computermaus von Nager IT, bei der auf Arbeitsbedingungen und die Herkunft der Metalle geachtet wird. Es wird also einiges getan, um die Fairtrade Uni mit Leben zu füllen und noch mehr Möglichkeiten gibt es, diesem Titel weiterhin mit vielen Aktionen gerecht zu werden. Gerade mit Blick auf die Präsenz im Bewusstsein der Studenten und im Unialltag gibt es noch viel Potential. Falls ihr euch für dieses Thema interessiert und gerne mitmachen wollt, freut sich die Gruppe über jede Art von Unterstützung. Zu erreichen sind sie per Mail über faireuni@asta-rostock.de oder auch persönlich im Büro des AStA in der Parkstraße 6.

In fünf Schritten zur Fairtrade University Dafür galt es, fünf Kriterien zu erfüllen. Erforderlich war dazu zunächst ein Beschluss von Hochschulverwaltung, StuRa und AStA, die schnell überzeugt waren und geschlossen für den Antrag stimmten. Der zweite Schritt beinhaltete die Gründung einer Steuerungsgruppe, die vielfältige Aktionen zum Thema Fairtrade organisiert. Zuletzt fand

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Woher kommt eigentlich unser Vorlesungsverzeichnis?

Manch ein Studierender mag sich fragen: „Warum liegen Veranstaltungen wann und wo sie liegen und wer ist eigentlich verantwortlich für den ganzen Kram?“ Die Antworten finden sich in dem hier zu sehenden Schema. Manchmal mögen sie nicht ganz eindeutig sein. Michel Wiedecke brauchte das Organigramm, um sich zurecht zu finden.

Fakultäten

in der Entstehung des äten übern ehmen verschiedene Rollen Verschiedene Akteure aus den Fakult iche Instan zen (z.B. Kommissionen chiedl unters äten Fakult nen einzel Vorlesungsp lans. So wirken in den für SPSO mit. Den Fakult äten sind bei der Erarbeitung von Vorschlägen oder Studiengangsverantwortliche) ngsvorrecht innehaben. Belegu das sie denen bei rdnet, zugeo Räumlichkeiten

Dekanat

Das Dekanat kann Anträge auf Neuzuweisung von Räumlichkeiten beim Dezernat 3 stellen. Zusammen mit anderen Dekanaten wird dann ein Vorschlag für diese Neuzuweisung erarbeitet.

Lehrpersonen

Lehrperson en tragen an die Studien- und Prüfungsämter bzw. die Sekretariate heran, welche Lehrverans taltungen sie wo und wann stattfinden lassen wollen.

Studien - und Prüfungsämter

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Sekretariate

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Studierende

arbeiten mit den Systemen LSF, StudIP und LVB, um ihr Studium zu organisieren. Sie können an der Organisation des Veranstaltungsplan mitwirken, indem sie Rückmeldung darüber an Mitglieder der Fakultäten geben.


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SPSO

Die studiengangsspezifischen Prüfungs- und Studienordnungen bilden die Grundlage für die Erstellung des Vorlesungsplans und werden durch den Senat beschlossen.

ITMZ

Das IT- und Medienzentrum der Universität Rostock pflegt die Informationen aus den SPSO in das System SosPos ein. Die Module und die ihnen zugehörigen Lehrveranstaltungen werden für das anstehende Semester eingetragen, wobei nur die Module beachtet werden, die laut den aktuellen SPSO nach Regelstudienzeit studiert würden. Deshalb ist es bei längerer Überschreitung dieser oft schwierig, die zu absolvierenden Veranstaltungen zu belegen.

Rektorat

Das Rektorat besteht aus dem Rektor, dem Kanzler und vier Prorektoren. Es beschließt Vorlagen über die Vergabe an Räumlichkeiten an Fakultäten und vermittelt bei Konflikten hierüber zwischen den Dekanaten.

Senat D er Sena

SosPos ist ein Datenbanksystem, mit dem die Studierenden, genau wie die meisten anderen Mitarbeitenden der Universität, nicht direkt in Kontakt kommen.

Refer at 1. 2

Dem Referat Akademische Selbstverwaltung (dem Dezernat 1 angehörend) obliegt die Einspeisung vieler Informationen in das LSF-System sowie die Kontrolle der von anderen Akteuren eingespeisten Informationen. So werden beispielsweise die Daten aus dem SosPos vor dem Eintragen ins LSF vereinheitlicht und auch Informationen über Referenten und Raumzugehörigkeiten eingepflegt.

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Dezernat 3

Betriebste chnik und Logistik – das De zer nat 3 erarbeitet Ent würfe für die Bel egung von Räu mlichkeiten.

LSF

Das LSF ist die primäre Verwaltungssoftware für den Veranstaltungsplan. Alle wichtigen Informationen werden hier eingetragen und ein Großteil der Kommunikation, wie zum Beispiel die Beantragung von Räumlichkeiten, die anderen Fakultäten zugeordnet sind, erfolgt hier. Außerdem tragen sich Studierende hier für ihre Veranstaltungen ein.

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LVB

Das LVB ist ein alternatives System für die Belegung von Veranstaltungen und wird hauptsächlich für Lehramtsstudiengänge genutzt. Es bezieht seine Informationen aus dem LSF und führt sie ins StudIP ab.

StudIP

Das Portal StudIP importiert die Daten aus dem LSF und stellt eine Platform für die Kommunikation innerhalb von Seminaren dar.

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Tiere in der Klinik? Nur, wenn sie aus Plüsch Sind!

Nadine Fruck singt ab jetzt bei Bauchschmerzen das Katzentanzlied. // Fotos: Hauke Ruge

Die Eule Rosalie hat Eulenschnupfen und Schlangi die Schlange ist allergisch auf Zahlen, es gibt Bärchen mit Bauchweh oder gebrochenen Beinen. All diesen Patienten wird von Medizinstudenten in Rostock geholfen, um so ihren jungen Besitzern die Angst vor Ärzten zu nehmen.

wo an einem Organteddy und verschiedenen Themenständen, wie der Apotheke oder einem echten Rettungswagen, weiter gespielt und gelernt werden kann. Der Klinikbesuch wird zum Spiel, bei dem der Bösewicht im weißen Kittel seinen Schrecken verliert. 1999 wurde die erste Klinik für Teddys in Norwegen eröffnet und als Projekt schnell bekannt. Schon drei Jahre später fand die erste Klinikwoche in Rostock statt und hat sich seitdem etabliert. Insgesamt kommen jährlich ca. 1500 Kinder in ihren Kindergartengruppen in die Klinik. Der damit verbundene hohe Organisationsaufwand wird von einer Gruppe Studenten, den Obärärzten, im Ehrenamt bewältigt. Sie pflegen die Homepage und planen schon ein Jahr im Voraus die Koordination der Gruppen vor Ort, den Auf- und Abbau und das Schichtsystem für alle ehrenamtlichen Helfer. Sie drehen auch Imagefilme und haben sogar einen Song von Rolf Zuckowski umgedichtet und eingespielt, der vom Maskottchen Theo - einem riesigen Teddybären - zusammen mit Kindern und Obärärzten gesungen wird. Dazu wird getanzt, denn Bewegung ist schließlich wichtig.

Einmal im Jahr öffnet die Rostocker Teddyklinik ihre Pforten für Kindergartenkinder und ihre kranken Kuschelfreunde. Aber nicht nur Teddybären werden von den Medizinstudenten versorgt; Plüschpatienten jeder Spezies sind willkommen und werden mit ihren alltäglichen, aber teilweise auch sehr ausgefallenen Krankheiten ernst genommen. Dazu hat das Organisationsteam der Teddybärenklinik die wichtigsten Stationen einer echten Klinik aufgebaut: Anmeldung, Untersuchung, Röntgenraum, OP, sogar einen Zahnarztstuhl gibt es. In Eins-zu-EinsBetreuung werden Kinder von den Studenten durch diese Stationen geführt, an denen ihre plüschigen Freunde untersucht und behandelt werden. Dabei dürfen sie auch selbst mithelfen: Sie füllen Krankenakten aus, operieren Steine aus Bäuchen, kleben Pflaster oder füllen einen Impfpass für ihren Liebling aus. Nach der Behandlung geht es in den Wartesaal,

Das Konzept ist mittlerweile rundum durchdacht. 2013 wurde es sogar zur Bildungsidee des Jahres gekürt und im Jahr darauf mit dem Pulsusaward ausgezeichnet. Namhafte Investoren, wie die Ostseesparkasse, unterstützen das Projekt. Trotzdem stehen die Obärärzte jedes Jahr wieder vor der Herausforderung, genügend Studenten zu finden, die das Projekt als Teddydocs unterstützen. Dabei ist es egal, ob es Erstis oder im Examen stehende, Human- oder Zahnmediziner sind - eine Ausbildung zum Facharzt für Stofftierheilkunde lohnt sich immer!

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Zum Glück ist Tommy nicht mehr allein

Sophie Auer findet: auch im Kleinen kann man Großes bewirken.

Es gibt Kinder, die ins Krankenhaus müssen und von ihren Eltern wenig oder gar nicht besucht werden. Dieser unfassbare Zustand hat eine Gruppe Medizinstudierende motiviert, das Projekt Tommy nicht allein zu starten: StudentInnen kümmern sich um die Kleinen und vertreiben ihnen die Zeit, während sie gesund werden.

aufgeblüht während dieser Stunden, erzählt Lisa. „Er hat sich immer so gefreut, wenn sich jemand Zeit für ihn genommen hat.“ Das Projekt lief erst in diesem Semester an. Dazu waren eine Menge Vorbereitungen nötig: Nach der rechtlichen Absicherung musste mit der Pflegedienstleitung und den Ärzten des Uniklinikums besprochen werden, ob eine solche Betreuung durch Studenten überhaupt erwünscht sei. Aber Widerstand gab es nicht. Im Gegenteil, denn für die Ärzte und das Pflegepersonal bedeutet es Entlastung, wenn sich jemand bewusst Zeit für die kleinen Patienten nimmt und mit ihnen redet, lacht, spielt oder kuschelt. Die Resonanz auf das Projekt war überraschend groß. „Um Leute für unser Anliegen zu gewinnen, sind wir in Vorlesungen gegangen und haben uns vorgestellt. Zunächst nur in Veranstaltungen der medizinischen Fakultät“, erzählt Lisa. Aber das blieb nicht lange so. Mittlerweile haben sich 39 StudentInnen verschiedenster Fachrichtungen gefunden, die Kinder im Krankenhaus betreuen. Aber wie genau wird das organisiert? Zunächst trägen sich die Helfer in eine Liste ein. Wenn dann ein Anruf aus dem Krankenhaus kommt, dass es auf der Station ein Kind gibt, was Betreuung benötigt, wird in einem Kalender vermerkt, wer wann helfen kann. Die Kommunikation funktioniert dabei über WhatsApp oder Email, in der auch Informationen wie Alter, Geschlecht und den Gesundheitszustand des Kindes an die TNA-Mitglieder weitergegeben werden. „Wir stehen noch am Anfang und müssen erst mal ausprobieren, wie es so laufen wird.“, erzählt Lisa. Und wie stellen sich die Initiatoren den Umgang mit den Eltern vor? „Damit wir die Eltern nicht vor den Kopf stoßen, sagen wir ihnen natürlich, dass wir für ihre Kinder da sind, da sie nicht so oft kommen. Wir sagen dann einfach, dass im Krankenhaus eine Nachmittagsbetreuung angeboten wird und sie diese in Anspruch nehmen können, sollten sie mal keine Zeit haben, ihre Kinder zu sehen“, erklärt Lisa ihre Strategie. Über Pfingsten kam dann der erste Anruf aus dem Uniklinikum, dass zwei Kinder da seien, die die Unterstützung von „Tommy nicht allein“ gebrauchen könnten. Angesichts des traurigen Hintergrundes, dass Kinder im Krankenhaus nicht besucht werden, ist Maike froh über die große Bereitschaft der Studierenden zu helfen. „Innerhalb einer Stunde waren alle Zeiten mit den Kindern vergeben“, erzählt sie. Auch wenn es eigentlich besser wäre, die TNA-Helfer würden nicht gebraucht, ist es doch gut, dass es sie gibt.

Lange Flure, zweckmäßig eingerichtete Zimmer, gestresstes Personal und dieses kalte Neonlicht - das Krankenhaus ist, wenn auch unentbehrlich, nicht gerade ein gemütlicher Ort. Wer dort schon einmal einige Tage verbringen musste, weiß, dass die Stunden dort sehr lang und eintönig werden können. Wenn man Glück hat, kommen jedoch Freunde oder die Eltern zu Besuch, um einen mit Süßigkeiten und Genesungswünschen zu überhäufen und die Zeit im Krankenbett weniger einsam zu machen. Aber nun stelle man sich vor, man ist noch nicht erwachsen, sondern noch ganz klein und bekommt gar keinen Besuch, während man im Krankenhaus liegt. Für diese Fälle hat sich an der Universität Rostock nun eine Projektgruppe gegründet: „Tommy nicht allein“ (TNA) haben sie sich genannt und nehmen sich Zeit für die Kinder Im Krankenhaus, deren Eltern sich aus verschiedensten Gründen nicht um sie kümmern können. Welche Geschichte steckt hinter „Tommy nicht allein“? Entstanden ist das Projekt durch die vier Medizinstudierenden: Maike, Lisa, Benni und Matthias. Und so fängt Matthias an zu erzählen von dem kleinen Tommy, den sie bei einem Praktikum in einer Kinderklinik kennengelernt haben. Tommys Eltern kamen einfach irgendwann nicht mehr regelmäßig, um ihren Kleinen zu besuchen. Matthias berichtet, wie traurig Tommy war, dass er immer weinen musste und wie sehr das ihn und die anderen berührt hat. Schockierend für die vier Helfer war, dass so etwas häufiger vorkomme, wie ihnen die Schwestern und Ärzte auf der Station erzählten. Eltern laden ihre Kinder in der Klinik ab und lassen sich dann lange Zeit nicht mehr blicken. „Die Schwestern und Ärzte konnten sich auch nicht so intensiv um Tommy kümmern, die müssen ja die Station versorgen“, erklärt Matthias, „also haben wir dann Tommy umsorgt, das heißt mit ihm gespielt und gemalt – sind einfach für ihn da gewesen.“ Tommy sei richtig

Lust bei „Tommy nicht allein“ mitzumachen? tna.rostock@gmail.com // facebook: TNA Rostock

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KULTUR Das Semester neigt sich seinem Ende entgegen und die Frage der Fragen stellt sich: Sollte ich mit meiner Hausarbeit beginnen oder lieber an den Strand gehen? Keine Sorge, euer Kulturressort wartet in dieser Ausgabe mit einer kleinen Entscheidungshilfe auf. Ansonsten findet ihr wie immer ein buntes Sammelsurium: Wer steht eigentlich hinter der Kunsthalle, was hat Musik mit Politik zu tun und wird die Volkstheater-Diskussion zur Bühne der Selbstdarstellung? Antworten darauf findet ihr unter anderem auf den kommenden Seiten.

Anne Halbauer

Steffen Sänger malt mit Licht

Vitrine

Hier soll eine kleine Plattform für eure künstlerischen Arbeiten sein. Egal, ob Malerei, Bildhauerei, Fotografie oder Literatur - zeigt her euer Können! Falls ihr Lust habt, euch und eure Arbeit vorzustellen, dann könnt ihr uns rund um die Uhr eine Email an kultur@heulermagazin.de schreiben. Wir freuen uns auf eure spannenden Vorschläge!

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Ich bin Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik und führe als leitender Laboringenieur am Institut für Elektrotechnik in Rostock unter anderem Studenten und Studentinnen durch praktische Laborversuche. Mein Hobby ist das Fotografieren – was wörtlich übersetzt „mit Licht malen“ bedeutet. Mitte der 1990er Jahre entdeckte ich mein Interesse an Motiven aller Art. Ich fotografiere gerne Menschen, Tiere und Bauwerke auf meinen Reisen. Doch auch Rostock fasziniert mich immer wieder neu. Auf Photowalks oder im Zoo probiere ich neue Perspektiven aus. Derzeit arbeite ich mit meiner Canon EOS 7d, aber für Schnappschüsse im Hörsaal zücke ich mein Handy – das ist vielleicht nicht besonders professionell, aber sehr praktikabel.

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... hinter den Kulissen

Wie ein PSREPVITKE WLESHCE die Kunsthalle rettete

Die Kunsthalle am Schwanenteich gehört für viele RostockerInnen zu ihrer Stadt, wie die Remoulade zum Backfisch: Ohne sie fehlt einfach etwas. Etwas ganz Entscheidendes. Und nächstes Mal holt man sich das Fischbrötchen woanders. Luise Wagner berichtet aus der Perspektive einer Hobbyjournalistin, Medizinstudentin und Kunstfreundin. // Fotos: Wiegand Körber

Mecklenburg-Vorpommern zu sein. Das deckt sich perfekt mit der Vorliebe seines Direktors für Modernes. Es fällt nicht schwer zu bemerken, dass Neumann lebendige Künstler eindeutig lieber sind als Tote. In dieser Hinsicht lässt sich auch heute noch eine Parallele zu seinem Job im weißen Kittel ziehen. Doch der studierte Dentist macht derzeit nicht den Anschein, die Ausstellungsräume wieder gegen ein Behandlungszimmer eintauschen zu wollen. Neumann hat die Kunsthalle zu seinem Projekt gemacht und damit ein Stück Rostock gerettet.

Beinahe hätten sich auch die Rostocker Kunstfreunde einen neuen Treffpunkt suchen müssen, denn 2009 stand die Kunsthalle kurz vor der Schließung. Retter in der Not war der Rostocker Zahnarzt Dr. Uwe Neumann (Foto), Vorsitzender des Vereins pro Kunsthalle e.V. Für ihn war die Kunsthalle, übrigens der einzige Neubau eines Kunstmuseums in der DDR, schon immer ein toller und besonderer Ort, um Kunst zu zeigen. Seit Neumann Direktor ist, wurden rund 1,5 Millionen Euro in die Kunsthalle investiert: Das Dach musste gedeckt werden, neue Fenster sollten her, eine energetische Sanierung war längst fällig und auch der Garten wurde salonfähig gemacht. Die Planung der Finanzen gehört in Neumanns Aufgabenbereich − unter anderem. Seine Verantwortung erstreckt sich von der Jahresplanung der Ausstellungen, über die Erarbeitung von Marketingkonzepten, Personalmanagement, Verwaltungsarbeit und Leihverkehr mit anderen Häusern bis hin zu rein praktischen Fragen, etwa der Platzierung einzelner Werke. Dass Neumann noch bis vor knapp sechs Jahren täglich mit Zange und Bohrer hantiert haben soll, scheint heute paradox. Mit größter Selbstverständlichkeit führt er heute durch die von ihm konzipierte Ausstellung, als hätte er nie etwas anderes getan. Jedes Bild hängt aus ganz bestimmten Gründen an seinem Platz und hat seine Geschichte, die Neumann natürlich kennt. In der Weltsichten-Ausstellung (bis 12.07.) beispielsweise beabsichtigte er, den Betrachter zu provozieren, auch mal andere Sichtweisen einzunehmen, indem er ein Gemälde mit dicht stehenden Bäumen neben dem eines Waldes mit einem Schützengraben aus dem Zweiten Weltkrieg platzierte. In diesem Kontext, so das Ziel, soll der Besucher die Bäume nicht mehr als bloße Idylle wahrnehmen können, sondern auf einer anderen Ebene auch als Schutz und lebensrettende Deckung. Neumanns Motivation und Leidenschaft zahlen sich aus: Die Besucherzahlen bezeugen, dass die Ausstellungen verschiedenster Künstler, die Neumann ins Haus holt, gut ankommen. Ein Grund für ihre Beliebtheit ist möglicherweise auch im Alleinstellungsmerkmal der Kunsthalle zu suchen: das einzige Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst in

gt Kurz nachgefra

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Die Volkstheaterposse Eine Polemik

Der Streit um das Volkstheater neigt sich seinem dramaturgischen Ende zu. Die Entschlüsse sind gefallen, die Aufmerksamkeit im regionalen Raum lässt deutlich nach. Zeit, zu fragen, was von der Diskussion übrig bleibt und was sie ausgelöst hat. Wiegand Körber sucht Kultur auch gerne außerhalb des Theaters.

Nun also auch noch ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Etwas spät, doch dafür mit viel Pathos über das Leid der TheatergängerInnen an der Ostseeküste, die aufopferungsvoll gegen kafkaeske, kulturlose Provinzbürokratie ankämpfen. Von einem Fanal spricht Thomas Hahn in seinem Artikel und außerdem davon, dass das Rostocker Theater „längst ausgenommen ist“. Das sitzt, das hat Klasse und bringt den Münchner Intellektuellen zum Seufzen ob der Schlechtigkeit der Politik. Als Bürger der Hansestadt sollte man sich dennoch fragen: Hat der Streit um das Volkstheater Rostock (VTR) diesen Pathos verdient? In Rostock hat die Debatte um das VTR ihren Höhepunkt längst hinter sich. 2+2 wird wohl nicht vermeidbar sein und auch die Pläne für den Theaterneubau am Bussebarth sind beschlossene Sache, wenngleich das entstehende Haus der Künste natürlich das Zeug dazu hat, als Adoptivkind von Flughafen Berlin Brandenburg und Hamburger Philharmonie in die Geschichte einzugehen. Dennoch sind diese Themen weniger politisierend als die Frage danach, wie man einen Intendanten rettet, der nicht verstanden hat, dass hinter dem Horizont theatral-maritimer Kunst noch andere Dinge liegen. Über die Auslassungen Latchinians ist genug gesagt worden, dennoch sollte man nicht vergessen, dass der Mann von Reue nichts hält. Damit macht er sich mit Jenen gemein, die auf der anderen Seite sitzen, Verwaltungsmenschen nämlich, die sich fragen „welcher Faktor die Kunst im Haushalt ist“. Dass Haushaltspläne im Beamtendeutsch und provinziell-totalitaristische Kunstbetrachtung nicht zusammenwirken können, scheint klar. Dennoch ist bemerkenswert, wie Teile des politischen Personals der Hansestadt agieren. Da ist beispielsweise Eva-Maria Kröger, die Matthias Brodkorb in einem herzzerreißenden Facebook-Post dazu auffordert, sich doch gemeinsam an einen runden Tisch zu setzen und alle Streitigkeiten der Vergangenheit zu vergessen, wohlwissend um den Beifall der Wendekrieger, die schon bei „runder Tisch“ feuchte Augen bekommen und für die „Realpolitik“ ein Schimpfwort ist. Mindestens genauso grotesk: Die sonderbare Auferstehung der Sybille Bachmann, die sich mittlerweile als Vorkämpferin für das VTR profiliert. Ihren Offenbarungseid lieferte Bachmann jedoch, als sie Ende April einen Misstrauensantrag gegen Methling stellte, der genau das zu Tage brachte, was sich vorher unter der Oberfläche von bewundernswertem Aktivistentum verbarg: Purer Eigennutz.

Und dann sind da noch die BürgerInnen der Stadt. Jene also, die dem Theater seit Jahren schlechte Besuchszahlen bescheren und die in diesem Jahr in größerer Zahl zur Marihuana-Legalisierungs-Demonstration gegangen sind, als zu den Kundgebungen der Theaterbefürworter. Wenn es allerdings nicht die Masse der BewohnerInnen der Hansestadt ist, die sich so aufopferungsvoll für das Theater hergibt, wer dann? Eine Antwort liefert die Initiative Volkstheater Rostock, genauer gesagt ihre Facebook-Gruppe. Die Leiter sind Thomas Kunzmann, Malte Rüther und Jan-Ole Ziegeler. Vor allem Letzterer ist kommunikatives und exekutives Aushängeschild, sogar die Zeit zitierte ihn schon. Seine Sätze beginnen und enden stets mit drei Punkten, nicht selten rutscht ihm ein „du armseliges Würstchen“ heraus, wenn er nachts um halb zwei wütend Facebook-Kommentare in die Tasten hackt. Der jüngste Coup: Jan-Ole Ziegeler entfernte den Schauspieler, Theater-Aktivisten und Kritiker der Initiative Johann Pätzold aus der Gruppe und bezeichnete ihn schriftlich und für jeden einsehbar als „krank“. Er reiht sich damit nahtlos in die Reihe der Egomanen ein, die durch die besonderen Umstände ins Rampenlicht gerückt und nun in ihrer eigenen Selbstgefälligkeit gefangen sind. Auch ansonsten gleicht die Diskussion in der Gruppe mehr einer Zusammenkunft der Montagsdemonstranten: Feindbilder (Methling, Brodkborb) und Helden (Latchinian) sind klar aufgeteilt, „das System“ der ständige Widersacher. Außerdem: Die Politik, deren Legitimation unrettbar verloren ging, als am 6. Mai auf dem Neuen Markt eine Wahl stattfand, die mit 322 zu 2 Stimmen gegen Methling, Brodkorb und Sellering ausging. Auch das leuchtet ein, das sitzt und würde das Herz des Münchner Intellektuellen sicher auch erwärmen. Komisch, warum diese Argumentation dann nicht in der Süddeutschen Zeitung erschien. Liegt es vielleicht daran, dass dieser Fakt die Absurdität der ganzen Diskussion so widerspiegelt wie kein anderer? Dass es wohl nicht mehr als 322 Menschen gibt, die mit ihrer Stimme meinen, einschätzen zu können, was die RostockerInnen wollen? Ein wenig Erkenntnis wäre ihnen zu wünschen, denn, um es mit Max Liebermann zu sagen: Nicht nur jede Epoche bekommt die Kunst, die sie verdient, auch jedes Publikum bekommt das Theater, was es verdient.

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Ein Rostocker zwischen den Weltkriegen – Das Schicksal des Malers Bruno Gimpel

„Der Maler Gimpel war allen sympathisch, [...] er stand vor der Erblindung, er hing wohl nicht mehr fest am Leben, und als er nun seine Wohnung aufgeben sollte, und unter dem Druck der Mordfälle in seiner nächsten Nähe [...] öffnete er in Abwesenheit seiner arischen Frau den Gashahn.“ Anne Halbauer ist froh, im 21. Jahrhundert zu leben. // Foto 2: Hauke Ruge

Wie viele Artikel über Bruno Gimpel begann auch dieser mit dem Zitat seines Freundes Victor Klemperer, der durch seine Weltkriegsaufzeichnungen später selbst Berühmtheit erlangte. Was Klemperer beschreibt, war am Anfang von Bruno Gimpels Leben nicht vorstellbar. Sein Familienname war im Rostock des späten 19. Jahrhunderts stadtbekannt, denn Brunos Eltern versorgten den großherzoglichen Hof in Schwerin mit Tuch, Leinen und Modewaren. Bruno Gimpel wurde im Jahr 1886 geboren und ging schon früh künstlerischen Interessen nach und setzte es sich in den Kopf, auch beruflich diesen Weg einzuschlagen. Seine Eltern erkannten sein Talent und förderten sein Interesse. So begann er nach seiner Schulzeit eine Lehre bei einem Dekorationsmaler für Fassaden in Rostock. Zur Vertiefung trug er sich 1905 für ein Studium an der renommierten Düsseldorfer Kunstgewerbeschule ein. Unsicher, ob ihm das dort Gelernte künstlerisch und gestalterisch ausreichen würde, bewarb er sich für ein Zweitstudium bei der Königlichen Künstlerakademie zu Dresden, das er 1911 begann. Diese Zeit galt als Umbruch in Kunst und Literatur. Während die meisten gesellschaftlich anerkannten Künstler der pompösen Kulturdoktrin des Wilhelminismus verpflichtet waren, reagierten viele junge Künstler mit der Schaffung von Gegenwirklichkeiten und wandten sich der abstrakten Malerei und dem literarischen Expressionismus zu. Auch der junge Rostocker ließ sich in der Kunst- und Kulturmetropole Dresden von dieser Aufbruchsstimmung des Expressi-

onismus beeinflussen. Er malte einige bedeutsame Ölgemälde, deren Motive doch immer wieder die lebenslange Verbundenheit zu seiner Heimatstadt und zur mecklenburgischen Landschaft zeigten. Vor allem in den Sommermonaten zog es ihn oft hierhin zurück: Er verbrachte die warmen Tage in Mecklenburg, oft in der Künstlerkolonie Ahrenshoop und ließ sich dort vom kreativen Miteinander und vom nordischen Flair beeinflussen. Kriegszeuge, Sanitäter, Zeichner Währenddessen spitzte sich die politische Situation in Europa weiter zu, bis schließlich das Attentat auf den Österreich-Ungarischen Thronfolger in Sarajevo eine Reihe von Ereignissen ins Rollen brachte, die zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führten. Alle europäischen Großmächte befanden sich im Kriegszustand, so auch Deutschland. Bruno unterbrach sein Studium in Dresden um sich zu Kriegsbeginn als Freiwilliger beim Roten Kreuz zu melden. Die schweren Verletzungen der Soldaten, die notdürftig durchgeführten Amputationen, Elend, Leid und Tod, all das prägte fortan seine Kunst. Vor Ort zeichnete und malte er sachlich und genau den Alltag im Lazarett: Die Leichen, die Operationen. Später entstanden Bilder mit Titeln wie „Trauernder“ und „Einsamer Mann“. Expressionist, Grafiker, Ehemann Nach dem Krieg schloss er zum einen sein Studium in Dresden ab, zum anderen gründete er in Rostock zusammen mit führenden Künstlern wie Thuro Balzer und Egon Tschirch die

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Vereinigung Rostocker Künstler (VRT). Er beteiligte sich in Rostock regelmäßig an Ausstellungen, wo man seine Kunst als „expressionistische Werke von so ausgesprochener Art wie wir sie in Rostock noch nicht gesehen haben“ (Rostocker Anzeiger vom 09.09.1919) bejubelte. Gimpel genoss diese Anerkennung und Sonderstellung, war er sich doch bewusst, dass er in Dresden neben der großen Konkurrenz kaum hervorstach. Dort machte er sich mit seinem zweiten Standbein einen Namen und verdiente sich als erfolgreicher Grafiker und Plakatgestalter seinen Lebensunterhalt. Ab 1923 übernahm Bruno Gimpel die Leitung der Dresdner Ortsgruppe des Bundes Deutscher Gebrauchsgraphiker. Das Jahr 1923 kann auch aus einem weiteren Grund als besonders glücklich bezeichnet werden: Er heiratete die Sängerin und Lautenspielerin Irene Herzing, Tochter eines Dresdner Malers. Doch dieses private Glück konnte nicht von der gesamtdeutschen Situation ablenken. Durch die Inflation verlor der Rostocker Kunstverein sein gesamtes Vermögen und die Deutschen das Vertrauen in die junge Weimarer Republik. Hitlers Putschversuch im November 1923 blieb zwar erfolglos, doch die schwelende politische Unruhe zeigte sich deutlich. Auch Gimpel war als Mitglied der SPD politisch interessiert, doch beschäftigte er sich lieber mit Schöngeistigerem. Als Anhänger des jüdischen Glaubens nahm er vor allem am kulturellen Leben der jüdischen Gemeinde in Dresden teil.


Kein Leben im Nationalsozialismus Mit der Machtübernahme im Jahr 1933 durch Hitler und die NSDAP kam es zu massiven Einschnitten im Leben des jüdischen Künstlers. Die Konsequenzen folgten prompt: Er erhielt im Zuge der Gleichschaltung von Kunst und Kultur noch im selben Jahr ein Schreiben der Vereinigung Rostocker Künstler, indem ihm – obwohl Gründungsmitglied − ein Austritt nahegelegt und ihm mitgeteilt wurde, dass seine Bilder im Rahmen der VRT nicht mehr ausgestellt werden können. Seine emotionale Reaktion darauf ist seinem Antwortschreiben zu entnehmen: „Meine schwere Enttäuschung kann und will ich Ihnen nicht verheimlichen, da ich mich durch Ihren Brief im Innersten getroffen fühle. […] Ja, ich fühle mich als Deutscher jüdischen Glaubens dessen Familie seit Generationen […] auf mecklenburgischen Boden ansässig [ist], tief verwurzelt mit der Heimat.“ Wenige Tage später erhält er einen Brief des Bundes Deutscher Gebrauchsgraphiker, die ihm für seine „aufopfernde Tätigkeit“ und „absolut selbstlose und uneigennützige Einstellung“ als Vorsitzender danken, ihm jedoch die Mitgliedschaft kündigen müssen. 1935 erteilte man Gimpel ein endgültiges Arbeitsverbot mit der Begründung, als Jude nicht fähig zu sein, deutsches Kulturgut zu schaffen. Auch die Universität Rostock bekam den Auftrag, ihre Gebäude auf das Vorhandensein von „entarteter Kunst“ zu überprüfen. Sie meldete zwei Gemälde von Gimpel, die daraufhin abgehangen wurden. Bruno Gimpel und seine Frau Irene, die zwar „Arierin“ war, aber sich nicht von ihrem Mann trennen wollte, litten sehr unter der gesellschaftlichen Demütigung und der sozialen Ausgrenzung. Auch Irene erhielt schließlich Arbeitsverbot. Doch ist es ihr zu verdanken, dass er nicht sofort deportiert wurde. Beide, Bruno und Irene, fanden zunächst eine neue Beschäftigung und ein soziales Umfeld in der jüdischen Gemeinde. Er erteilte dort jüdischen Schüler/innen Kunstunterricht, während sie in einem Kinderhort arbeitete. Im Jahr 1939 musste er auch das aufgeben und wurde zusammen mit Victor Klemperer zur Zwangsarbeit in einer Teefabrik gezwungen. Weitere Demütigungen, wie Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmung von Einrichtungsgegenständen bis hin zur kompletten Wohnung, als auch die Angst vor Abtransport in ein Vernichtungslager und das Verschwinden von Freunden stellten eine zu hohe psychische Belastung für den Rostocker dar. Außerdem litt Gimpel an einer Augenerkrankung; die Vorstellung blind zu werden, war für den Maler kaum erträglich. Am 28. April 1943 beging er Suizid.

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In Erinnerung Zum Gedenken an Bruno Gimpel wurde am 28. April 2015 ein Stolperstein vor seinem Geburtshaus in der Kröpeliner Straße 17 verlegt. Dieses, sowie die Forschungs- und Gedenkarbeit für Gimpel wurde vom Max-Samuel-Haus e. V. organisiert. Der Verein hat sich zum Ziel gemacht, die Geschichten Rostocker Juden aufzuarbeiten und die Jüdische Gemeinde Rostock zu unterstützen, denn diese wurde im Verlauf des Zweiten Weltkrieges komplett zerschlagen und große Teile ihrer Kultur vernichtet. So geschehen auch mit dem künstlerischen Werk Gimpels. Einige Bilder bleiben bis heute verschollen, Zeuge ihrer Existenz sind allein die schwarz-weiß Abdrucke damaliger Zeitungen. Bruno Gimpel ist kein Einzelfall, sondern ein Beispiel für die gesamte Kulturzerschlagung während der Zeit des Nationalsozialismus. Seine Geschichte zeigt, wie wenig die Stadt Rostock und auch ihre Institutionen wie die Universität für ihre jüdischen Mitbürger/innen taten, als die schwere Zeit begann. Bruno Gimpel machte sich mit seinen künstlerischen Engagement einen Namen in Rostock. Ihm war es zu verdanken, dass existenz- und perspektivlosen Künstlern, die aus dem Ersten Weltkrieg nach Rostock zurückkehrten, eine Grundlage für ihre künstlerische Arbeit gegeben wurde.

Mehr zum Thema: www.max-samuel-haus.de Aktuelle Ausstellung: „Zurück ins Leben? Juden in Mecklenburg und Vorpommern von der Befreiung bis zur Neueinwanderung“ 7. Mai 2015 - 1. Oktober 2015 Buchtipp: „Bruno Gimpel: Rostock – Ahrenshoop – Dresden“ von Klaus Tiedemann (22,50 €) Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an Jascha Jennrich vom MaxSamuel-Haus, die die Recherche zu diesem Artikel maßgeblich unterstützt hat. Bild 3: Privatbesitz Fam. Weiche Bild 1 und 4: Max-Samuel-Haus


Schwule FuSSballprofis führen ein Höllenleben –

Marcus Wiebusch im Interview

Der heuler sprach mit Marcus Wiebusch, dem Frontmann von Kettcar über sein neues Album, über die Gründung eines Plattenlabels im eigenen Schlafzimmer und über das wahrscheinlich letzte gesellschaftliche Tabu – Homosexualität im Profifußball. Nadine Fruck und Sophie Auer treffen sich demnächst, um Public Enemy zu hören. // Foto: Hauke Ruge

heuler: Eigenes Label, eigener Kurzfilm und eine eigene Soloplatte: Du scheinst die Dinge gern selbst in die Hand zu nehmen: Wie kam es eigentlich dazu, dass du dich auch musikalisch für einen Alleingang entschieden hast? Marcus Wiebusch: Wenn man solange wie ich mit Kettcar zusammen Musik gemacht hat, dann möchte man auch mal aus Strukturen ausbrechen. Zusammen Musik machen bedeutet auch immer, dass viel über Musik geredet wird und man einfach nicht so schnell zu Ergebnissen kommt. Ich wollte endlich mal alles alleine entscheiden und auch riskante, kettcaruntypische Sachen ausprobieren. Nicht, dass Kettcar keine mutige Band ist, aber ich wollte einfach nicht mehr so viel reden, sondern machen. Die neue Platte unterscheidet sich wirklich deutlich von den alten Sachen. Warum ist so viel Sprechgesang auf dem Album? Ein bewusster Bruch mit Kettcar? Als ich in den Neunziger Jahren bei But alive gespielt habe, habe ich auch schon diese Technik angewendet. Die Leute sagen immer, wenn der Wiebusch ganz besonders viel zu erzählen hat, fängt er an zu rappen (lacht). Ich selbst nenn‘ das ja nicht Rap oder HipHop, denn eigentlich geht es nur darum, in einem Song innerhalb kürzester Zeit viel Text unterzubringen. Man muss die Sprache zum Klingen bringen, die Sätze müssen einen bestimmten Flow haben. Und bei „Der Tag wird kommen“ lag es nahe, den Song nicht zu singen, da er sehr viel Text hat. Sonst wäre er doppelt so lang geworden.

„Der Tag wird kommen“, du sprichst das Projekt selbst an. Du hast einen Song und einen dazugehörigen Kurzfilm gedreht, der das Thema Homophobie im Fußball behandelt. Warum ist dir das Thema so wichtig? Mein Bruder ist homosexuell und dadurch bin ich für das Thema grundsensibilisiert. Seit zehn Jahren geht er mit mir zu den Spielen von St. Pauli und da war das auch nie ein großes Thema. Bei St. Pauli gibt’s keine homophoben Äußerungen im Stadion, jedenfalls haben wir das noch nie erlebt. Der Auslöser für die Entstehung des Songs war dann ein Gespräch mit einem Journalisten. Er erzählte mir von mehreren Profis aus anderen Vereinen, die schwul sind und was für ein Höllenleben die führen. Dann habe ich begonnen zu recherchieren, viel gelesen. Es gibt momentan im Profibereich 20 bis 30 Fußballer, die ihre sexuelle Identität verleugnen, weil sie Angst vor Benachteiligung haben. Dass sich kein Profi traut, sich zu outen, finde ich unfassbar und deswegen habe ich den Song gemacht. Glaubst du, dass Homosexualität im Spitzensport noch ein größeres Tabu ist? Im Kunst- und Kulturbereich oder in der Politik kennt man ja auch viele Geoutete. Im Kulturbereich oder in der Politik ist dieses Feld bereits erkämpft. Wenn du mir vor zehn Jahren gesagt hättet, dass wir mal einen Außenminister haben werden, der in Länder reist, in denen Homosexualität noch unter Strafe steht, dann hätte ich gesagt, das wird nie passieren. Der ist Repräsentant des Volkes,

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der will wieder gewählt werden. Nur zehn Jahre später stellt das kein Problem mehr dar. Es ist also möglich, Veränderung in relativ kurzer Zeit herbeizuschaffen. Am besten wäre es, es outen sich auf einen Schlag vier, fünf Fußballprofis und sagen: wir sind schwul, na und? Dann wird auch dieser Bereich erkämpft werden. Interessant ist auch, dass sich auch noch kein Spitzenwirtschaftsboss geoutet hat, außer dieser Apple Typ [Tim Cook, CEO bei Apple. Anm.d.R.]. Wie siehst du in diesem Zusammenhang die Berichterstattung der Medien zu dem Thema? Du meinst das Outing von Thomas Hitzlsperger? Zum Beispiel. Das Echo darauf war insofern interessant, dass die Medien nicht negativ über Hitzlsperger berichtet haben. Sogar die BILD-Zeitung hat sich zurückgehalten. Das war ein gutes Signal. So gesehen ist der Weg weiter bereitet worden für den ersten Profi, der sich während seiner Karriere outen wird. Dennoch bleibt es ein schwerer Gang, denn die „Tiere in der Kurve“, wie ich sie nenne, sind auch noch da. Ich bin jetzt mal provokant und sage zu dir: Du als Musiker solltest nicht politisch sein, denn man kann nicht in einer Songlänge komplexe Themen umfassend darstellen. Musik sollte unterhalten und ablenken. Was entgegnest du mir? Dass ich Zeit meines Lebens und auch Generationen von jungen Menschen vor mir immer


politische Musik gehört haben. Ich würde dir entgegnen, dass man 1977 The Clash gehört haben muss, dass man 1989 Public Enemy gehört haben muss, Rage Against the Machine oder auch Slime. Ich könnte so weitermachen. Ihr wisst, was ich meine. Für die Identitätsfindung von jungen Menschen ist es wichtig, diese Songs zu haben, denn sie verleihen der Jugend eine Stimme. Durch diese Songs können Jugendliche ihrem diffusen Bedürfnis nach politischer Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit Ausdruck verleihen. Bei „Der Tag wird kommen“ habe ich unzählige Emails von Menschen bekommen, die den Song abfeiern und mir erzählen, welche Kraft er ihnen gegeben hat. Ich wurde angefragt, den Song bei verschiedenen Christopher Street Days zu performen. In den Stadien ist auch eine Entwicklung zu spüren: mittlerweile hat jeder Verein einen homosexuellen Fanclub. Der FC Bayern München ist da sehr fortschrittlich, was man zunächst nicht vermuten würde. In den Stadien sind auch viele gute Ultragruppen vertreten, die jede Art der Diskriminierung einfach nicht mehr akzeptieren. Und dann fragt sich viel-

leicht auch irgendwann der gemeine Fan in der Kurve, was eigentlich dieser homophobe Mist soll. „Der Tag wird kommen“ trägt zu dieser Entwicklung bei, auch wenn es vielleicht nicht viel ist. Aber es ist nicht nichts. Neben dem Crowdfundingprojekt für „Der Tag wird kommen“ hast du ja auch noch das Grand Hotel van Cleef, dein eigenes Musiklabel. Machst du Dinge lieber selbst, bevor sie jemand anderes macht? Hast du gerne die Kontrolle? Ja, das stimmt schon, ich habe gerne die Kontrolle, aber auch ich komme an meine natürlichen Grenzen. Aus dem operativen Label-Geschäft hab ich mich komplett zurückgezogen. Es ist zwar noch immer meine Firma, aber ich mach da wirklich fast gar nichts mehr. Aber die Realisation des Kurzfilms und das Stämmen des Crowdfundings hab ich allein gemacht. Da hab ich auch niemanden dazwischen grätschen lassen. Ich habe zwar mit verschiedenen Regisseuren kooperiert, aber am Ende lagen die Entscheidungen bei mir. Das war für mich ein richtiges Herzensprojekt.

Sag mal, wie gründet man eigentlich ein Label. Setzt man sich da zusammen in die Garage und ist dann ein Label? Wie waren die Anfänge so? Ein Label zu gründen, ist erst mal ganz leicht. Mit meiner ersten Band But alive hatten wir auch ein Label und dafür haben wir uns einfach in mein Schlafzimmer gesetzt. Vor allem brauchst du Kontakte zum Vertrieb oder zu Promoagenturen und dann fuchst man sich da ein bisschen rein und dann hat man sein eigenes Label. Na Mensch, vielleicht noch ein Zukunftsplan für mich? Ich würde dir davon abraten, der Musikbranche geht’s schlecht. Heutzutage ein Label zu gründen macht keinen Spaß. Vielleicht sollte ich dann doch beim Studium bleiben: Du hast ja neben der Musik dein Diplom in Erziehungswissenschaft gemacht. Warum hast du das Studium nie fallen lassen? Das ist eine gute Frage, die ich dir gar nicht genau beantworten kann. Ich hab das Studium oft schleifen lassen zwischendurch und deswegen 24 Semester studiert. Damals war das noch was anderes als heute. Ich musste auch keine Studiengebühren bezahlen und hatte einen relativ laxen Lehrplan. Aber aus so einem kranken Ehrgeiz hab ich das dann doch beendet. Ich wollte irgendwie mehr haben, als nur den Führerschein (lacht). Ich wusste aber, dass ich niemals in dem Job arbeiten werde. Ich war immer ein besserer Musiker als Pädagoge. Marcus, wir danken für das Gespräch und schenken dir ein gutes M&O und natürlich den aktuellen heuler.

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Keine Toleranz für Europas Verhalten! Niemand ist ein Zigeuner. Eine Rezension. Martin Fietze bevorzugt Wiener Schnitzel. // Illustration: Theresa John

oma i o d e r R O m a! Ob Sint eine lauen d sie bek

Die tagtäglichen Flüchtlingsmeldungen sollten die Staatsapparate in der Europäischen Union kräftig unter Druck setzen. Ihnen zwingt sich ein Zwang zum Handeln auf, doch der endet meist in Halbherzigkeiten und diese werden nicht zuletzt durch die Hartnäckigkeit von Vorurteilen und Nationaldenken verursacht. Es handelt sich dabei keineswegs um randgesellschaftliche Phänomene. Die Identitätsstiftung in diesen Bereichen ist primär eine Abgrenzungsbewegung, die im Lichte eines Schlagwortes wie Überfremdung ihren Ausdruck findet. Das Fremde als das Nicht-Eigene wird abgelehnt, zum interkulturellen Austausch kann es folglich nicht kommen. Diese Haltung zum Fremden hat in Europa Tradition. Dazu braucht es nicht erst den Blick über das Mittelmeer, wie der Historiker Wolfgang Wippermann in seiner Publikation Niemand ist ein Zigeuner beweist. Anhand des „kulturelle[n] Code[s] der Europäer“ namens Antiziganismus samt dessen religiösen, sozialen, rassischen und romantisierenden Spielarten beweist Wippermann, dass das europäische Vorurteil über Sinti und Roma als fahrendes und kinderstehlendes Gaunervolk auf einer Konstruktion beruht, die für die als Zigeuner bezeichneten Personenkreise auch heute noch zur Verweigerung von Minderheitenschutzrechten führt.

In seinen „nicht zweckfrei und ohne Zorn“ geschriebenen Ausführungen geht Wippermann nicht nur auf den lange nicht anerkannten Völkermord an den Roma durch die Nazis während des Zweiten Weltkrieges ein. Vielmehr gibt er ebenso hochinformative begriffs- und wissenschaftsgeschichtliche Abrisse, in denen der bittere Kampf um Anerkennung dieser Volksgruppen nachgezeichnet wird. Ebenfalls diagnostiziert der Autor eine gefährliche Radikalisierung antiziganistischer Haltungen in den postkommunistischen Gesellschaften Osteuropas. Die Reduzierung des Phänomens auf deutsch-bayrische („Wer betrügt, der fliegt!“) oder italienisch-berlusconische („Keine Toleranz für Roma, Illegale und Kriminelle“) Wahlkampfstrategien stellt also eine klare Verharmlosung der kulturellen Entwicklungen dar: „Neu ist, dass die Roma nicht mehr als ,Zigeuner‘ bezeichnet werden. Es genügt, auf ihre bulgarische oder rumänische Herkunft hinzuweisen.“ Es verwundert, dass der von Wippermann angekündigte Zorn seines Schreibens angesichts der dargestellten unsäglichen Entwicklungen nicht in Wut umschlägt. Aber darin liegt eben die Stärke seines aufklärerischen Essays, in dem der Professor für Neuere Geschichte dezidiert als Fürsprecher politischer Forderungen nach einem Roma-Staat auftritt: „Romanestan könnte die Roma vor dem Antiziganismus schützen.

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Dazu sollte es aber schon deshalb nicht kommen, weil die Abwehr des europäischen Antiziganismus und der Schutz der europäischen Roma unsere Aufgabe ist. Doch wenn uns gadsche das nicht gelingt, könnten wir den europäischen Roma, deren Gesamtzahl auf weit über 10 Millionen geschätzt wird, die Gründung eines Roma-Staates nicht versagen. […] Das nationale Selbstbestimmungsrecht muss für alle gelten.“ Die Verwendung des Wortes ,gadsche‘ (Bezeichnung für Nicht-Roma) zur Selbstbezeichnung kann ebenso als provokative Geste gegenüber denen verstanden werden, die sich beim Essen eines Zigeunerschnitzels über den Sozialtourismus aus Osteuropa beschweren. Insbesondere Wippermanns Ausführungen zur angeblich wissenschaftlichen Fundierung einer antiziganischen Praxis wie sie beispielsweise seit 2005 an der Universität Leipzig betrieben wird, sind aufschlussreich: „Die Zigeunerforschung ist nicht tot, sie scheint in Gestalt der ,Tsiganologie‘ zu neuem Leben erwacht zu sein.“ Wer mehr über diese abstrusen und skandalösen Irrwege in der europäischen Denktradition erfahren will, der ist mit diesem Buch alles andere als schlecht beraten. Wolfgang Wippermann: Niemand ist ein Zigeuner. Zur Ächtung eines europäischen Vorurteils, 256 Seiten. ISBN: 978-3-89684-167-4 / 17,00 € (D)


Appropriate Behavior, einfach ungezogen

Über Sexualität, Identität und der Suche nach dem angemessenen Verhalten. Inna Barinberg ist seit Kurzem verliebt in Desiree Akhavan. // Illustration: Theresa John

Oberflächlich betrachtet ist Appropriate Behavior ein Coming-of-AgeFilm, über das Leben der jungen, bisexuellen, frisch von ihrer Freundin Maxine getrennten Iranerin Shirin, die mit Mitte 20 in New York lebt und dabei ist, sich selbst zu finden. Näher betrachtet ist er so viel mehr als das. Desiree Akhavan, Regisseurin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin, wollte einen Film drehen, der viele Elemente ihres eigenen Lebens beleuchtet. Dabei nimmt sie häufig wahre Gegebenheiten als Grundlage, um sie kreativ ausgestalten zu können. Ebenso wie ihre Rolle, ist Akhavan Iranerin, lebt in New York, ist bisexuell und hat in der Zeit, in der das Drehbuch entstand, eine schwere Trennung durchmachen müssen. Die Parallelen zwischen der Hauptfigur im Film und Akhavan als real existierende Person sind groß und können den Eindruck erwecken, viel von sich preiszugeben. So macht sie auch keinen Halt vor den bizarrsten Momenten, Begegnungen und der schrägsten Dreier-Szene, die mir jemals in einem Film begegnet ist. „Ich fühle mich nicht angreifbar oder verletzbar, weil es kein autobiographischer Film ist, sondern eine Geschichte, die einfach mal erzählt werden musste“, sagt Desiree Akhavan in einem Videointerview und erklärt somit ihre teilweise erheiternden und gewagten Szenen im Film. Der Film kann von einem Moment zum anderen umschlagen; von ehrlich, humorvoll, intim, locker und liebevoll zu unangenehm, Händevors-Gesicht-haltend-seltsam im Nächsten − ganz wie im echten Leben. Akhavan ist es wichtig zu erzählen, wie man sich als eine Mittzwanzigerin in Brooklyn fühlt, die frisch und schmerzvoll getrennt ist, im wahrsten Sinne des Wortes unterbeschäftigt ist und ihre eigene Sexualität erforscht, während ihre Eltern glauben, sie teile sich ein Bett mit einer Frau, weil das einem „italienischem Lebensstil“ entspräche und billiger sei. Dabei kann Shirin es einem durch ihre naive, kindliche und teilweise unreflektiert ehrliche Art schwer machen, sie zu mögen und gleichzeitig ist es genau das, was sie ausmacht und zu einem aberwitzigen Charakter werden lässt. Immer wieder versinkt sie in Erinnerungen oder Gedanken, die in Form von Flashbacks ihre Ex-Beziehung in unterschiedlichsten Stadien aufzeigen und die Geschichte Stück für Stück vervollständigt. Ihr Charakter vereint einen Konflikt zwischen Kultur, Identität und Sexualität, wobei Letzteres auf eine immer wiederkehrende Art und Weise dezent zwischen Vorder- und Hintergrund schwebt und zum gefühlt ersten Mal Bisexualität als eines der Hauptthemen in einem Film behandelt. Unterstützt wird ihre Figur durch andere abstruse Charaktere, wie ihre Freundin Crystal (Halley Feiffer), die der Meinung ist, dass es in New York keine Menschen gibt, die körperliche Nähe und Intimität erst nach dem ersten Date eingehen oder Ken (Scott Adsit), ihrem Arbeitgeber, immer mit einem Joint zu sehen und seinem Sohn ein so unaufmerksamer Vater, dass dieser ihm schon vier Mal verloren gegangen ist. Zu Beginn des Films ist Shirin zu sehen, wie sie mit einem Strap-on-Dildo, den sie ihrer Ex-Freundin kurz vor der Trennung

geschenkt hatte, eine Straße in Brooklyn entlang schlendert. Darin liegt sowohl die Ironie und der Witz, die den Film so großartig und aufrichtig wirken lassen, als auch die Message, die dahinter steckt: Lasst uns cool, entspannt und mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein mit unseren Strap-on-Dildos die Straße hinunter schlendern, weil wir es können und wollen - ohne uns dabei zu schämen. Es geht darum, heraus zu finden, was angemessenes (appropriate) Verhalten (behavior) bedeutet und wer man selbst eigentlich ist, obwohl der deutsche Titel „einfach ungezogen“ eben diese Aussage verfehlt. Der Film spiegelt ein Stück weit auch die Mittzwanziger Generation in der ganzen Welt und auch in Deutschland wieder. Auf der Suche nach dem angemessenen Verhalten, mit einem Strap-on-Dildo in der einen Hand, und einem Joint in der anderen. (Kinostart: 14.05.2015)

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Lebst du noch oder guckst du schon?

Das aktuelle Programm des Studentenkabaretts Rohrstock steht ganz im Zeichen der modernen Medien und der Kritik an ihnen. Hintergründiger Humor auf der Rostocker Bühne wer das nicht verpassen möchte, sollte sich beeilen, denn das aktuelle Programm wird nicht mehr oft gezeigt. Tom Seiler hat sich für den heuler mit Melanie Rahn, der studentischen Leiterin des Studierendenensembles, getroffen und sie über das Kabarett ausgefragt.

heuler: Hallo Melanie, schön, dass du dir Zeit genommen hast für ein Interview. Ich möchte dir ein paar Fragen zu eurem aktuellen Programm stellen: „Lebst du noch oder guckst du schon?“, der Name deutet wohl auf Medienkritik hin? Melanie: Nein, nein, überhaupt nicht... (lacht) Ja, das Programm ist in einer Woche Probenlager entstanden und aufgrund von unseren Problemen, die wir alle an einem Abend zusammen getragen haben, kamen wir dieses Mal auf den Schwerpunkt Mediennutzung: Sowohl in der Vorlesung, als auch generell. Wir versuchen von allem ein wenig einzubauen, aber das Programm braucht einen aussagekräftigen Titel. Einige Szenen behandeln das Medienthema, aber des Weiteren natürlich auch die Politik, soweit es uns eben interessiert und uns aufregt. Und das Studentenleben, WG-Leben, Vorlesungen. Das spielt alles mit rein. Für alle, die euch nicht kennen, kannst du vielleicht kurz erklären: Wer und was ist das Kabarett Rohrstock? Das Kabarett Rohrstock ist das dienstälteste Studentenkabarett in Deutschland. Es wurde 1970 von Herrn Dalk gegründet. Mittlerweile gibt es drei Gruppen, die immer zu aktuellen Themen spielen. Kabarett ist immer Satire, es soll lustig sein und die Leute ansprechen. Wir versuchen, gesellschaftskritisch Themen darzustellen. Menschen kommen mit dem Wunsch in unsere Vorstellungen, zu lachen, aber auch damit, rauszugehen und zu denken „Aha, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht!“ Außerdem spielen wir nicht anderthalb Stunden hintereinander, sondern in Szenen, die nicht zusammenhängen müssen. Das ist nicht ganz so verbreitet im Kabarett. In der Gruppe, in der du jetzt bist, seid ihr alle Studentinnen und Studenten?

Ja, wir sind alle Studenten. Wir sind zwei Lehramtsstudentinnen. Dann haben wir jemanden für den himmlischen Beistand: einen Theologen, der auch Klavier spielt. Und für unsere Technikarbeiten einen Maschinenbauer. Habt ihr das Programm auch selbst entwickelt? Wir arbeiten immer mit unserem künstlerischen Leiter zusammen. Er schreibt vorwiegend die Szenen und hat damit natürlich mehr Erfahrung. Aber einige Szenen haben wir auch selbst geschrieben. Wie bist du ursprünglich zum Kabarett Rohrstock gekommen? Was war deine Motivation? Meine Motivation war, dass ich generell gerne auf der Bühne stehe, auch in meinem Heimatort. Ausschlaggebender Punkt war meine Mitbewohnerin, die mich zum Campustag mit in den Audimax mitgenommen hat. Dort haben wir uns den kompletten Abend vergnügt und als Kabarett war, kam ich nicht mehr aus dem Lachen raus. Ich hab gedacht: kann man da mitmachen? Und die haben auch direkt danach gefragt, hey, wer hier mitmachen möchte soll mal gleich zu uns kommen und ich hab es seitdem nicht bereut. Und wenn jetzt Leute sagen: „Ich will da auch mitmachen“, wie kann man sich bei euch melden? Entweder über unsere neue Internetseite oder am besten über E-Mail. Wir suchen regelmäßig Leute, denn die Darsteller wechseln bei uns ständig. Wir waren zum Beispiel im letzten Semester acht Leute und jetzt sind wir nur noch vier. Hast du selbst einen Lieblingskabarettisten?

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Unser Michael Ruschke. Ich lache jedes Mal, wenn ich ihn wieder sehe - und ich habe ihn schon oft gesehen: Er spielt bei unseren Oldies, tritt aber auch alleine auf. Wo er diesen Witz und diesen Esprit hernimmt, ist mir ein Rätsel. Auch seine Mimik und Gestik sind wunderbar! Möchtest du noch einen kleinen Aufruf machen, für alle Leute, die noch überlegen, ob sie sich euer Programm ansehen sollen? Ich kann es generell nur empfehlen. Bisher sind viele aus unseren Programmen gekommen – wir haben jedes Jahr ein Neues - und haben sich wirklich gefreut, dass sie das Geld dafür investiert haben. Es kommt ja sehr oft zur Sprache: für ein Konzert haben die Leute 30 Euro, aber für das Kabarett keine 7,50 Euro oder 5 Euro, schade, schade! Vielleicht doch mal das Geld ins Kabarett investieren. Eben, das kann sich sehr lohnen. Danke für das Gespräch nochmal und dann sehen wir uns bald beim Kabarett.

Das aktuelle Programm „Lebst du noch oder guckst du schon?“ kann am 14.10., am 23.11. und am 02.12. wieder bewundert werden. Mehr Informationen auf www.kabarett-rohrstock.de Du möchtest mitmachen? Nimm mit dem Kabarett Kontakt auf: info@kabarett-rohrstock.de


Wir sind zwar eines der besten Studierendenmagazine Deutschlands, aber auch andere Zeitschriften haben gute Ideen. Diesmal klauen wir den Baum der Erkenntnis aus der NEON. Ideen: Anne Halbauer, Michel Wiedecke Illustration: Theresa John

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Rostock in 100 Worten Luise Wagner war noch niemals in New York.

Neulich brauchte ich von hier eine Pause, stieg in den Zug und fuhr nach Hause. Da traf ich einen, der neu hier war – seine Heimat sei Amerika. Ich fragte, ob ihm Rostock gefällt. „Viel Spaß hat man hier für wenig Geld! Schön ist die Stadt und nah ist das Meer. Ja, in Rostock gefällt es mir sehr!“ Ich fragte, ob er Zuhause vermisst. „Zuhause ist, wo man es sein lässt. Mecklenburg-Vorpommern erinnert mich gar an die Vereinigten Staaten von Amerika: Was die Wahl seines Capitols angeht, ist dort wie hier etwas verdreht. In Rostock/New York, da ist was los! In Washington/Schwerin regiert man bloß.“

Just do something already! Stephan Pohling schiebt einfach alles auf und wählt dann frei zwischen den Alternativen.

Freunde fliegen in den Urlaub oder joggen häufiger im Linden-Park; andere fragen, ob ich beim Umzug helfen könne, danach gebe es Nudelsalat; und in den social medias wird’s künstlerisch. Es muss Prüfungszeit sein. Es gibt zwei Sichtweisen auf die Prokrastination. Eine wirtschafts- und eine persönlichkeitspsychologische; gesprochen wird meist über die wirtschaftliche. Wer diesen Text liest oder sein/ihr Zimmer aufräumt und eigentlich für Prüfungen lernen muss, der, oh oh!, der prokrastiniert! Katastrophe!! Warum Aufschieben lateinisch benannt wird, bleibt mir fremd; als würde es dadurch plus littéraire. Bullshit ist es in allen Sprachen. Es wird nämlich so getan, als wäre es das Ziel allen Lebens, produktiv zu sein. Drauf geschissen, ob man noch gerne lebt, Hauptsache es

kommt was bei rum. Nur dadurch wirkt es unvernünftig, aufzuräumen, wenn man doch lernen kann. Doch meist ist es ganz anders: Lernen ist stressig; unter Stress ist man empfindlicher; ergo nervt eine unaufgeräumte Bude mehr als sonst. Lernen ist einsam; ergo sind die WG-Bewohner*innen deutlich interessanter als sonst. Man könnte scheitern; heelloo, Netflix! Die Pointe ist: Wer nur mit dem wirtschaftlichen „Ich sollte doch aber!“ herumläuft, nimmt sich selber nicht ernst. Und kann sich deswegen nicht überwinden, anzufangen. Man quält sich, ärgert sich, schafft nichts. Solange, bis man unter Tränen die Arbeiten erledigt. Tolle Wurst. Denn eigentlich ist die Aufschieberitis wertvoll: Man lernt, was einem wirklich wichtig ist. Vielleicht, dass gute Prüfungsnoten nicht

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mir, sondern meinen Eltern wichtig sind. Oder man fragt sich: „Wie würde ich mich fühlen, wenn die eine ätzende Kommilitonin besser abschneidet als ich? Wieso ist mir das wichtig? Status in der Gruppe, Zukunftsangst? Mag ich die Gruppe überhaupt?“ Erst wenn man sich das beantwortet, läuft es auch beim nächsten Mal besser. Sicher, man kann sich überwinden, alles zu tun, so wie man sich auch den Würgereflex abtrainieren kann. Aber im schlimmsten Fall vergeudet man seine Zeit, um Leuten zu gefallen, die man eigentlich blöd und abstoßend findet. Und vielleicht sind Auswendiglernprüfungen echt faul seitens der Dozent*innen. Und der Würgereflex ganz normal.


Workshop Für heuler-Autoren und Autorinnen und alle, die es gerne werden wollen!

- Rec - The her - Red men che - Re ak su jo cht tion che ur li e - Schr nal che lle St e is s A r i b l iben tis ei c t h es Unsere Referenten: Josefine Rosse (NNN) + Special Guest 18. Juli 2015 von 9:30 Uhr bis ca. 16 Uhr heuler-Büro (Grünes Ungeheuer, Raum 303 ganz oben links) Für euch natürlich kostenfrei und Versorgung inklusive. Anmeldung gewünscht: redaktion@heulermagazin.de


ISSN 2363-8109


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