KOM 3/2023 #Medien

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Goldgräberstimmung

„Handelsblatt“-Journalist Stephan Scheuer über die KI-Euphorie im Silicon Valley.

#Medien

Geschmeidiger Wechsel

Was es für Unternehmen zu beachten gilt, wenn ein neuer CEO übernimmt.

Mehr als Technologie

Welche Prioritäten Siemens in seiner Öffentlichkeitsarbeit setzt.

Quadriga Media Berlin GmbH № 13 — Ausgabe 3/23  www.kom.de

3 Editorial  7 Sprecherspitze  10 Meldungen  12 PR-Foto  33 Zahlen und Fakten

80 Wechselbörse  81 Impressum  90 Feedback

MEINUNG

6 Kommentar

Warum Unternehmen Nachhaltigkeitsfortschritte offensiver kommunizieren sollten.

SZENE

8 Zugang/Abgang

Nicola Leske geht zur DHL Group. Claudia Oeking verlässt Philip Morris Deutschland.

IM WORTLAUT

14 Reporterglück

Wie „Handelsblatt“-Korrespondent Stephan Scheuer im Silicon Valley an Informationen kommt.

TITEL: MEDIEN

20

Absehbares Ende Boulevardzeitungen dürften bald vom Markt verschwinden –gedruckt sowieso.

22 International denken

Wofür interessieren sich ausländische Top-Medien wie die „Financial Times“ und „Le Monde“?

26

Wenig Lust auf News Der Reuters Institute Digital News Report registriert ein abnehmendes Interesse an Nachrichten.

28 Medienspektrum erweitern

Florian Martens von Siemens spricht im Interview darüber, welche Journalisten für den Technologiekonzern wichtig sind.

34

Klima und Wirtschaft

Welche Schwerpunkte

Leitmedien in ihrer Wirtschaftsberichterstattung zum Klimaschutz setzen.

38

„FAZ“ und „SZ“

Agenturmeldungen besitzen bei beiden Medien eine hohe Wichtigkeit. Es gibt offenbar Lieblingsunternehmen in den Redaktionen.

42

KOM fragt

Welche Maßnahmen funktionieren in der Medienansprache?

Wann sind PMs der richtige Weg? Zwei Expert*innen antworten.

44 Die Magazinlandschaft

Die Rolle von Zeitschriften verändert sich. Einige Titel verschwinden komplett.

PRAXIS

48 KKongress 2023 „Ziele“ lautet das Motto. Welche Referenten dieses Jahr vor Ort sind.

50 Post und Logistik

Wie die Kommunikationsabteilung der DHL Group arbeitet.

54 Eleganter Wechsel

Wie Unternehmen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit mit einem neuen CEO umgehen.

58

Corporate Influencer

Warum Markenbotschafter das Content-Marketing bereichern sollten.

62 Behörden

Linkedin wird zu einem beliebten Tool in der Behördenkommunikation. Amtfluencer sorgen für Reichweite.

66 Gezielte Ansprache

Gedruckte Mitarbeiterzeitschriften haben ihre Existenzberechtigung. Unter anderem können sie langfristige Strategiethemen hervorheben.

AGENTUREN

70 Serviceplan

Die Werbeagentur hat sich im Münchner Werksviertel ein neues Headquarter gebaut. Die Architektur soll Kreativität fördern.

KARRIERE

76

Arbeiten in Agenturen

Vier-Tage-Woche, unbegrenzter Urlaub, neues Selbstverständnis – wie Agenturen Mitarbeiter von sich überzeugen wollen.

82

Verband Sommerakademie, KKongress, künstliche Intelligenz, BdKom Award, „Hautnah“-Interview und Neumitglieder.

4 IN DIESER AUSGABE KOM № 13
Fotos: Max Brunnert; picture alliance / sampics Stefan Matzke; Reuters Institute Digital News Report; Serviceplan

60 % 2015

Im Silicon Valley herrsche wegen KI „Goldgräberstimmung“, sagt „Handelsblatt“Korrespondent Stephan Scheuer. Wie arbeitet es sich als Journalist im Tech-Zentrum?

26

Der Reuters Institute Digital News Report zeigt, dass das Interesse an Nachrichten abnimmt. Auch das Vertrauen in Nachrichten und Medien sinkt weiter.

43 % 2023

70

Serviceplan hat in München ein imposantes „House of Communication“ gebaut. Welche strategische Bedeutung hat das für die AgenturGruppe?

54

CEO-Wechsel haben immer zwei

Seiten: Es gilt, den Abgang zu managen und die neue Person an der Spitze zu positionieren.

5 WWW.KOM.DE 14

Reporterglück und Goldgräberstimmung

Stephan Scheuer ist „Handelsblatt“-Korrespondent im Silicon Valley. Künstliche Intelligenz ist das dominierende Thema. Im Interview spricht Scheuer darüber, wie er die Öffentlichkeitsarbeit der Tech-Riesen wahrnimmt, welche Zugänge er als Journalist hat und warum er amerikanische Unternehmen für souveräner im Umgang mit Medien hält als deutsche.

Nach ChatGPT bringt Google eine Suche mit künstlicher Intelligenz an den Start. Meta liebäugelt auch mit dem KI-Hype: Ist KI das beherrschende Thema im Silicon Valley?

Scheuer: Definitiv. Als ich Anfang 2022 hier angekommen bin, herrschte jedoch eher eine große Sinnkrise. Es gab zahlreiche Entlassungen, die Börsenkurse sind eingebrochen – und nun ist KI das allbestimmende Thema. Alle Unternehmen schauen, wie sie KI und insbesondere die großen Sprachmodelle in ihre Produkte integrieren können. Und wie sich neue Produkte auf Basis dieser Modelle bauen lassen. Es herrscht absolute Goldgräberstimmung. Wir sind mitten in einem großen technologischen Umbruch, den ich in meiner gesamten journalistischen Laufbahn so noch nicht erlebt habe. Es ist großes Reporterglück, genau in diesem Moment mitten im Geschehen zu sein.

Welche Rolle spielen Start-ups im Schatten der großen TechKonzerne?

Scheuer: Sie spielen eine sehr prominente Rolle – insbesondere jetzt im Zusammenhang mit dem stärkeren

Fokus auf KI. Das Unternehmen, das den ganzen Boom mit angestoßen hat, ist OpenAI – ein kleines Start-up. Mit gut 200 Leuten und der Partnerschaft mit Microsoft hat das Unternehmen dieses System auf die Beine gestellt. Selbst die große Microsoft-Forschungsabteilung mit 1.500 Leuten war dann schon überrascht, dass OpenAI ein System dieser Qualität auf die Beine gestellt hat. Es findet gerade eine Machtverschiebung statt. Die großen etablierten Spieler waren es gewohnt, ihren Bereich zu dominieren. Jetzt geraten sie unter Druck. Wie werden Sie auf spannende Tech-Themen aufmerksam?

Stephan Scheuer (38)

arbeitet für das „Handelsblatt“ im Silicon Valley bei San Francisco. Zuvor war der Journalist fünf Jahre China-Korrespondent in Peking und leitete dann das Technologie-Team in der Zentrale in Düsseldorf. Über die chinesische TechIndustrie hat er ein Buch geschrieben: „Der Masterplan – Chinas Weg zur Hightech-Weltherrschaft“. Er hat Internationale Beziehungen in Berlin, London und Peking studiert sowie ein Volontariat bei der dpa in Frankfurt am Main absolviert.

Scheuer: Im Moment werden wir überschüttet mit Ankündigungen und Themenangeboten von Firmen und PRAgenturen. Es ist schwierig, in dieser Fülle etwas Sinnvolles auszuwählen. Bei mir geht vieles über Hinweise von Menschen, mit denen ich persönlich spreche. Oder: Manchmal klingt etwas, das bei mir im Postfach landet, spannend und ich frage jemanden nach einer Einschätzung, ob etwas Interessantes dahintersteckt und es sich lohnt, mehr Zeit darauf zu verwenden.

14 IM WORTLAUT KOM № 13
Foto: Max Brunnert
Interview SVEN LECHTLEITNER
15 WWW.KOM.DE IM WORTLAUT
KOM № 13 28 TITEL: MEDIEN

Das Medienspektrum erweitern

Florian Martens leitet den Bereich Global Media Relations und Executive Communications bei Siemens. Im Interview berichtet er, welche Journalisten für den Technologiekonzern wichtig sind, welche Themen Siemens besetzen will und wofür sich US-Medien interessieren.

Herr Martens, Sie leiten die internationalen Media Relations von Siemens und werden gerne als „Pressechef“ tituliert. Inwieweit wird Ihnen diese Bezeichnung gerecht?

Martens: Traditionell war diese Funktion bei Siemens so angelegt. Sie hat sich in den vergangenen drei Jahren allerdings stark weiterentwickelt: Die Vorstandskommunikation wurde mit der Pressestelle verschmolzen. Vor einem Jahr kam dann Thought Leadership als weiteres Element hinzu. Ziel ist die Fokussierung der Inhalte, des Agenda Settings und der kontinuierlichen Bespielung der Business-relevanten Themen –bestmöglich vernetzt mit der Medienarbeit und Vorstandspositionierung. Es geht darum, die integrierte Kommunikation und inhaltliche Arbeit zu verstärken. Die Medienarbeit ist dabei weiterhin ein wichtiges Element im Mix.

Siemens hatte als eines der ersten Unternehmen in Deutschland einen Newsroom. Dieser ist also weiterhin im Einsatz?

Martens: Der Newsroom ist für uns noch immer hoch relevant. Er ist weit mehr als nur ein physischer Raum, er ist ein Mindset. Es geht um die integrierte und vernetzte Zusammenarbeit entlang der Themen und über alle Kanäle hinweg. Unsere Arbeit im Newsroom hat sich deutlich weiterentwickelt: Durch die Pandemie ist sie überwiegend virtuell geworden. Hinzu kommt: Das Kommunikationsteam ist inzwischen auf sehr viele Standorte verteilt. Allein unser Team mit knapp 50 Per-

sonen ist an sechs Standorten tätig. Den Newsroom als Raum gibt es natürlich weiterhin. Von hier aus findet beispielsweise jeden Morgen unser „Hub“ statt, die internationale Lagebesprechung der globalen Kommunikation. Der Newsroom ist damit ein wesentliches Mittel, um Austausch und Kollaboration zu fördern.

Welche Journalisten sind für Siemens besonders wichtig?

Florian Martens

kam 2020 von Daimler zu Siemens. Dass der 45-Jährige der Pressechef des Münchner Technologieunternehmens ist, unterstreichen zahlreiche Zeitungsartikel, die Martens in seinem Büro aufgehängt hat.

Martens: Das sind viele verschiedene und das wandelt sich gerade, weil sich unser Unternehmen ja auch sehr stark verändert hat. Wir haben immer noch einen sehr „klassischen“ und wichtigen Stamm an Berichterstattern, der von deutschen und globalen Wirtschafts- und Tagesmedien geprägt ist. Aber nicht nur. Der Kreis erweitert sich um neue Journalistinnen und Journalisten mit Schwerpunkten wie Technologie und Nachhaltigkeit sowie Fachexperten, die frei arbeiten oder sich auf ein Thema konzentrieren. Darunter können auch Podcast-Betreiberinnen und -Betreiber, Blogger oder Influencer sein. Die Influencer Relations sind Teil von Thought Leadership in meinem Team. Hier sind wir natürlich B2B-fokussiert.

Siemens ist eines der führenden deutschen Unternehmen. Ein Traditionskonzern. Wie wichtig ist für die Öffentlichkeitsarbeit der deutsche Markt im Verhältnis zum internationalen Geschäft?

Martens: Wir sehen uns als international agierendes Team. Das heißt nicht, dass der deutsche Markt

29 WWW.KOM.DE TITEL: MEDIEN
Interview VOLKER THOMS
Foto: Siemens

„FAZ“ und „SZ“ im Vergleich

Beide Medien setzen in ihrer Online-Berichterstattung stark auf Agenturmeldungen. Die Wirtschaftsberichterstattung ist bei der „FAZ“ ausgeprägter. Offenbar gibt es Lieblingsunternehmen in den Redaktionen.

Die überregionalen Medien „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die „Süddeutsche Zeitung“ werden häufig politischen Spektren zugeordnet, wobei die „FAZ“ als konservativ-liberal und die „SZ“ als linksliberal gilt. Dieser Beitrag vergleicht die Tageszeitungen hinsichtlich ihres Medienprofils, ihrer redaktionel-

len Schwerpunkte und ihrer inhaltlichen Unterschiede in den vergangenen zwölf Monaten.

Insgesamt wurden alle Veröffentlichungen inklusive Paid Content auf den beiden Onlineauftritten faz.net und sueddeutsche.de für einen Zeitraum von zwölf Monaten (1. Juni 2022 bis 31. Mai 2023) erfasst. Die „FAZ“ hat in diesem Zeit-

Beide Medien haben einen starken Wirtschaftsfokus. Die „SZ“ hat online innerhalb eines Jahres rund 45.000 Artikel mehr veröffentlicht als die „FAZ“.

raum 223.000 Artikel veröffentlicht. Die „SZ“ kommt auf 268.000 Artikel. Auffällig ist, wie stark beide Medien auf Inhalte von Nachrichtenagenturen wie dpa oder Reuters setzen, um Leser auf die jeweiligen Online-Angebote aufmerksam zu machen. Bei der „Süddeutschen“ gehen über 70 Prozent aller erfassten Veröffentlichungen auf Agenturmeldungen

38 KOM № 13 TITEL: MEDIEN Screenshots: faz.net; sueddeutsche.de
Von MARC FRANZKE und THOMAS RATZKE

davon 63 % Agenturmeldungen

in 203 Beiträgen wird die „Süddeutsche Zeitung“ als Quelle zitiert.

Beiträge* mit inhaltlichem Schwerpunkt auf:

davon 70 % Agenturmeldungen

in 81 Beiträgen wird die „Frankfurter Allgemeine“ als Quelle zitiert.

* Einfache Unternehmensnennungen und Agenturmeldungen wurden nicht berücksichtigt.

39 WWW.KOM.DE TITEL: MEDIEN
Volkswagen 13,1 % Commerzbank 9,1 % Deutsche Bank 7,7 % BMW 6,1 % Porsche 6,0 % BMW 15,3 % Volkswagen 10,9 % Airbus 6,2 % RWE 6,0 % Deutsche Bank 5,8 % Oliver Blume (Volkswagen/Porsche) 15,9 % Christian Sewing (Deutsche Bank) 10,6 % Manfred Knof (Commerzbank) 4,9 % Martin Brudermüller (BASF) 4,3 % Werner Baumann (Bayer) 4,2 % Oliver Blume 15,5 % Christian Sewing 11,2 % Bjørn Gulden (Adidas) 6,7 % Armin Papperger (Rheinmetall) 6,4 % Werner Baumann 5,8 % 2.164 1.005 1.174 329 DAX 40 CEOs Veröffentlichte Beiträge insgesamt Vom 1. Juni 2022 bis 31. Mai 2023 223 Tsd. faz.net 269 Tsd. sueddeutsche.de 192 Tsd. verkaufte Auflage * 284 Tsd. verkaufte Auflage* 71,1 Mio. Visits / Monat 61,5 Mio. Visits / Monat 112 Tsd. Digital-Abos 160 Tsd. Digital-Abos Follower*innen (7./8. Juni) 1.880.274 813.478 769.851 565.903 350.878 241.748
Quelle: IVW (1/23) *Auflage inkl. E-Paper

Mit Markenbotschaftern das Content-Marketing bereichern

Corporate Influencer können zum Content-Marketing einer Organisation einen wesentlichen Beitrag leisten, indem sie verschiedene Rollen einnehmen. Arbeitgeber können sie dabei mit Guidelines und Schulungen unterstützen.

Corporate Influencer – in vielen Unternehmen wird das Thema nach wie vor als eine Art optionale Disziplin betrachtet. So als würde es eine Wahl geben. Als könnten Geschäftsleitung und Kommunikationsentscheider die Tatsache ignorieren, dass Mitarbeitende als Vertreterinnen und Vertreter der Marke wahrgenommen werden, wo immer sie sich äußern. In Wirklichkeit geht es längst darum, diesen Fakt zu akzeptieren und damit bewusst umzugehen. Daher braucht es eine integrierte Sicht auf eine vielstimmige Außendarstellung, die seitens der offiziellen Unternehmenskommunikation nicht kontrollierend eingeschränkt und gesteuert werden kann, die aber auch mit gezielter Unterstützung ganz neue Potenziale freisetzt.

Corporate Influencer, MitarbeiterMarkenbotschafter, Brand Ambassadors: Die Bezeichnung ist zweitrangig. Immer geht es um Unternehmensangehörige, die sich als Personen sichtbar machen. Soziale Netzwerke spielen hier eine große Rolle. Derzeit stellt in den meisten Branchen Linkedin so etwas wie den Goldstandard dar. In Gespräche eintreten, Wissen auf eine individuelle Weise präsentieren, die Beziehungen

fördert, Fragen in Social-Media-Diskussionen beantworten, sich vernetzen und eine Stimme in einer Wissenscommunity haben – all das funktioniert am besten mittels persönlicher Profile, hinter denen wiedererkennbare Menschen aus dem Unternehmen stehen. Es gibt zwar eine gemeinsame Unternehmenssprache und eine Unternehmensplattform, auf der das gesammelte Wissen im Content-Marketing aufbereitet, organisiert, präsentiert und verteilt wird. Doch interessant wird dies erst durch die Pluralität der Stimmen und der Persönlichkeiten.

Auch in unternehmenseigenen Kanälen können sichtbare wiedererkennbare Köpfe aus dem Unternehmen eine entscheidende Rolle spielen. Denn das gesammelte Wissen eines Unternehmens ist nicht abstrakt oder unpersönlich vorhanden. Es ist an die Personen im

Experten aus dem Unternehmen tragen nicht nur Wissen bei. Sie sorgen über ihre persönlichen Profile auch für Vernetzung.

Unternehmen gebunden. Daher gibt es sowieso kein Content-Marketing ohne die Wissensträgerinnen und Wissensträger im Unternehmen, die Informationen beisteuern. Doch heute kann das Content-Marketing eigentlich nur noch erfolgreich sein, wenn es mit einer Corporate-Influencer-Strategie oder alternativ Mitarbeiter-MarkenbotschafterStrategie verknüpft ist.

Fachleute für das Content-Marketing gewinnen

Experten aus dem Unternehmen tragen nicht nur Wissen bei. Sie sorgen über ihre persönlichen Profile für Vernetzung und damit auch für die Verbreitung der Unternehmensinhalte. Damit sie sich allerdings beteiligen, gilt es, sie möglichst frühzeitig einzubinden. So werden alle Beteiligten das Projekt als Gemeinschaftsaufgabe verstehen. Motiviert sind nur solche Menschen, die neben dem Wert für das Unternehmen vor allem auch ihren eigenen Nutzen darin erkennen, Wissen aus dem eigenen Fachgebiet zu teilen. Ob und wie die Einzelnen sich engagieren, hängt zudem von der Unternehmenskultur ab. Eine hohe Mitarbei-

58 KOM № 13 PRAXIS Foto: designer491 Getty Images

Extern und intern können wiedererkennbare Köpfe aus dem Unternehmen eine zentrale Rolle spielen, um Inhalte zu vermitteln.

59 WWW.KOM.DE

Agenturlifestyle in seriös

Für Kommunikationsagenturen bleibt es eine Herausforderung, qualifiziertes Personal zu gewinnen.

Während Ballhaus West mit der Vier-Tage-Woche punkten will, gewährt PR-Com unbegrenzten Urlaub. BCW will unter dem Leitbild „Agentur für Erwachsene“ all das bieten, was es in größeren Unternehmen auch gibt.

Im Frühjahrsmonitor 2023 hat der Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) den Fachkräftemangel als größte Wachstumsbremse für die Branche identifiziert. Für mehr als 80 Prozent der Befragten aus Agenturen bleibt die Personalsituation die zentrale Herausforderung. Teilweise fehlen Angestellte für Pitches und damit für das Neugeschäft. Den Workload der Beschäftigten immer mehr zu erhöhen und sie damit gegebenenfalls zu frustrieren, ist keine Option. Stattdessen müssen Agenturen in Personal investieren, um es zu halten und um neue Mitarbeitende zu

76 KOM № 13 KARRIERE Foto: www.otzipka.de
Von VOLKER THOMS

gewinnen. Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, eine Vier-Tage-Woche, die freie Einteilung der Arbeitszeit sowie abwechslungsreiche Projekte gehören zu den wichtigsten Wünschen der Beschäftigten, zeigt die Umfrage. Das Einstiegsgehalt und die Zahl der Urlaubstage sind wiederum harte Faktoren, die die Arbeitgeberwahl beeinflussen.

Agenturen haben die Notwendigkeit von professionellen Human Resources sowie den Faktor Mitarbeiterbindung lange unterschätzt. Die Einstiegsgehälter waren niedrig. Eine hohe Fluktuation zu verkraften, war deshalb möglich, weil sich zügig neue Kolleginnen und Kollegen finden ließen. Das hat sich geändert. Die aktuelle Entwicklung mit New Work und flexiblen Arbeitsmodellen als Standard kommt Agenturen prinzipiell sogar entgegen. Schon vor der Coronapandemie hatten viele Homeoffice-Modelle. Doch lässt sich mit solchen Selbstverständlichkeiten punkten? Selbst Traditionskonzerne, Behörden und konservative Verbände bieten bei Bürojobs heute eine hohe Arbeitsflexibilität.

Für Björn-Christian Hasse, der gemeinsam mit Susan Hölling als CoCEO die Netzwerkagentur BCW leitet, sind weder ein ÖPNV- oder KitaZuschuss, der obligatorische Obstkorb noch 100 Prozent Homeoffice alleinige Gründe, weshalb sich Kommunikatorinnen und Kommunikatoren für eine Agentur entscheiden. Warum auch? Derartige Zusatzleistungen sind kein Alleinstellungsmerkmal. Hasse bezeichnet sie als „Hygienefaktoren“, die moderne Arbeitgeber bieten müssen.

Für ihn befinden sich Agenturen, die strategisch arbeiten und eine hohe Beratungsqualität liefern, in Konkurrenz zu

„normalen“ Unternehmen. „Wo gibt es eine Struktur? Wie bekomme ich eine Stelle, die mit meinem Leben übereinstimmt und zu mir passt?“ Unter dieser Prämisse würden Kandidat*innen ihre Arbeitgeber auswählen, meint der Agenturgeschäftsführer. „Wir wollen, dass sich Leute aktiv für uns entscheiden.“ BCW beschäftigt in Deutschland an sechs Standorten rund 150 Angestellte.

Die Agentur hat für sich das Leitbild „Agentur für Erwachsene“ entwickelt und kommuniziert es offensiv nach außen. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, am Arbeitsmarkt als professionelles Unternehmen mit etablierten HR-Prozessen und der Chance, sich individuell weiterentwickeln zu können, aufzutreten. Es ist die Abkehr vom gerne vermittelten Branchenbild, dass Agenturen lediglich cool und hip sein müssen. Dass Spaß Defizite kompensiert und Angestellte sich damit zufriedengeben, wenn

der Chef spätabends im Büro eine Pizza spendiert. Weniger mit einem Tischkicker, dafür mit mehr „Werten, Mindset und moderner Führung“ will Hasse überzeugen. Der Agenturlifestyle sei überholt. Erfahrenes Personal lasse sich damit sowieso nicht gewinnen.

Insbesondere für die Kommunikationsagenturen, die für sich eine hohe Krisenkommunikations-, Change- und Strategie-Kompetenz reklamieren, stellt sich die Frage, wie sie sich positionieren wollen. Die führenden integrierten Agenturen sind meist auch im Kampagnengeschäft tätig. Dafür benötigen sie Kreativität und Out-of-the-Box-Denken, was wiederum in einem Spannungsverhältnis zu hochseriöser Beratung steht. Wie sieht die richtige Unternehmenskultur aus?

Fest steht: Das Wettrennen um den lockersten Arbeitgeber können Kommunikationsberatungen kaum gewinnen. Werbeagenturen, Influencer- oder Digital-Dienstleister, Eventveranstalter und vor allem Start-ups sind deutlich authentischer, wenn es darum geht, den Coolness-Faktor auszuleben. Im Vergleich dazu wirken PR-Agenturen schnell spießig und langweilig – zu wenig Party und „Hoch die Tassen!“

77 WWW.KOM.DE KARRIERE Foto: Ballhaus West
„Uns geht es um das Mindset.“
Alice
Gittermann, Ballhaus West
„Wir wollen, dass sich Leute aktiv für uns entscheiden.“
Björn-Christian Hasse, BCW
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