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Mit Markenbotschaftern das Content-Marketing bereichern

Corporate Influencer können zum Content-Marketing einer Organisation einen wesentlichen Beitrag leisten, indem sie verschiedene Rollen einnehmen. Arbeitgeber können sie dabei mit Guidelines und Schulungen unterstützen.

Von KERSTIN HOFFMANN

Corporate Influencer – in vielen Unternehmen wird das Thema nach wie vor als eine Art optionale Disziplin betrachtet. So als würde es eine Wahl geben. Als könnten Geschäftsleitung und Kommunikationsentscheider die Tatsache ignorieren, dass Mitarbeitende als Vertreterinnen und Vertreter der Marke wahrgenommen werden, wo immer sie sich äußern. In Wirklichkeit geht es längst darum, diesen Fakt zu akzeptieren und damit bewusst umzugehen. Daher braucht es eine integrierte Sicht auf eine vielstimmige Außendarstellung, die seitens der offiziellen Unternehmenskommunikation nicht kontrollierend eingeschränkt und gesteuert werden kann, die aber auch mit gezielter Unterstützung ganz neue Potenziale freisetzt.

Corporate Influencer, MitarbeiterMarkenbotschafter, Brand Ambassadors: Die Bezeichnung ist zweitrangig. Immer geht es um Unternehmensangehörige, die sich als Personen sichtbar machen. Soziale Netzwerke spielen hier eine große Rolle. Derzeit stellt in den meisten Branchen Linkedin so etwas wie den Goldstandard dar. In Gespräche eintreten, Wissen auf eine individuelle Weise präsentieren, die Beziehungen fördert, Fragen in Social-Media-Diskussionen beantworten, sich vernetzen und eine Stimme in einer Wissenscommunity haben – all das funktioniert am besten mittels persönlicher Profile, hinter denen wiedererkennbare Menschen aus dem Unternehmen stehen. Es gibt zwar eine gemeinsame Unternehmenssprache und eine Unternehmensplattform, auf der das gesammelte Wissen im Content-Marketing aufbereitet, organisiert, präsentiert und verteilt wird. Doch interessant wird dies erst durch die Pluralität der Stimmen und der Persönlichkeiten.

Auch in unternehmenseigenen Kanälen können sichtbare wiedererkennbare Köpfe aus dem Unternehmen eine entscheidende Rolle spielen. Denn das gesammelte Wissen eines Unternehmens ist nicht abstrakt oder unpersönlich vorhanden. Es ist an die Personen im

Experten aus dem Unternehmen tragen nicht nur Wissen bei. Sie sorgen über ihre persönlichen Profile auch für Vernetzung.

Unternehmen gebunden. Daher gibt es sowieso kein Content-Marketing ohne die Wissensträgerinnen und Wissensträger im Unternehmen, die Informationen beisteuern. Doch heute kann das Content-Marketing eigentlich nur noch erfolgreich sein, wenn es mit einer Corporate-Influencer-Strategie oder alternativ Mitarbeiter-MarkenbotschafterStrategie verknüpft ist.

Fachleute für das Content-Marketing gewinnen

Experten aus dem Unternehmen tragen nicht nur Wissen bei. Sie sorgen über ihre persönlichen Profile für Vernetzung und damit auch für die Verbreitung der Unternehmensinhalte. Damit sie sich allerdings beteiligen, gilt es, sie möglichst frühzeitig einzubinden. So werden alle Beteiligten das Projekt als Gemeinschaftsaufgabe verstehen. Motiviert sind nur solche Menschen, die neben dem Wert für das Unternehmen vor allem auch ihren eigenen Nutzen darin erkennen, Wissen aus dem eigenen Fachgebiet zu teilen. Ob und wie die Einzelnen sich engagieren, hängt zudem von der Unternehmenskultur ab. Eine hohe Mitarbei-

Extern und intern können wiedererkennbare Köpfe aus dem Unternehmen eine zentrale Rolle spielen, um Inhalte zu vermitteln.

Agenturlifestyle in seriös

Für Kommunikationsagenturen bleibt es eine Herausforderung, qualifiziertes Personal zu gewinnen.

Während Ballhaus West mit der Vier-Tage-Woche punkten will, gewährt PR-Com unbegrenzten Urlaub. BCW will unter dem Leitbild „Agentur für Erwachsene“ all das bieten, was es in größeren Unternehmen auch gibt.

Im Frühjahrsmonitor 2023 hat der Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) den Fachkräftemangel als größte Wachstumsbremse für die Branche identifiziert. Für mehr als 80 Prozent der Befragten aus Agenturen bleibt die Personalsituation die zentrale Herausforderung. Teilweise fehlen Angestellte für Pitches und damit für das Neugeschäft. Den Workload der Beschäftigten immer mehr zu erhöhen und sie damit gegebenenfalls zu frustrieren, ist keine Option. Stattdessen müssen Agenturen in Personal investieren, um es zu halten und um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, eine Vier-Tage-Woche, die freie Einteilung der Arbeitszeit sowie abwechslungsreiche Projekte gehören zu den wichtigsten Wünschen der Beschäftigten, zeigt die Umfrage. Das Einstiegsgehalt und die Zahl der Urlaubstage sind wiederum harte Faktoren, die die Arbeitgeberwahl beeinflussen.

Agenturen haben die Notwendigkeit von professionellen Human Resources sowie den Faktor Mitarbeiterbindung lange unterschätzt. Die Einstiegsgehälter waren niedrig. Eine hohe Fluktuation zu verkraften, war deshalb möglich, weil sich zügig neue Kolleginnen und Kollegen finden ließen. Das hat sich geändert. Die aktuelle Entwicklung mit New Work und flexiblen Arbeitsmodellen als Standard kommt Agenturen prinzipiell sogar entgegen. Schon vor der Coronapandemie hatten viele Homeoffice-Modelle. Doch lässt sich mit solchen Selbstverständlichkeiten punkten? Selbst Traditionskonzerne, Behörden und konservative Verbände bieten bei Bürojobs heute eine hohe Arbeitsflexibilität.

Für Björn-Christian Hasse, der gemeinsam mit Susan Hölling als CoCEO die Netzwerkagentur BCW leitet, sind weder ein ÖPNV- oder KitaZuschuss, der obligatorische Obstkorb noch 100 Prozent Homeoffice alleinige Gründe, weshalb sich Kommunikatorinnen und Kommunikatoren für eine Agentur entscheiden. Warum auch? Derartige Zusatzleistungen sind kein Alleinstellungsmerkmal. Hasse bezeichnet sie als „Hygienefaktoren“, die moderne Arbeitgeber bieten müssen.

Für ihn befinden sich Agenturen, die strategisch arbeiten und eine hohe Beratungsqualität liefern, in Konkurrenz zu

„normalen“ Unternehmen. „Wo gibt es eine Struktur? Wie bekomme ich eine Stelle, die mit meinem Leben übereinstimmt und zu mir passt?“ Unter dieser Prämisse würden Kandidat*innen ihre Arbeitgeber auswählen, meint der Agenturgeschäftsführer. „Wir wollen, dass sich Leute aktiv für uns entscheiden.“ BCW beschäftigt in Deutschland an sechs Standorten rund 150 Angestellte.

Die Agentur hat für sich das Leitbild „Agentur für Erwachsene“ entwickelt und kommuniziert es offensiv nach außen. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, am Arbeitsmarkt als professionelles Unternehmen mit etablierten HR-Prozessen und der Chance, sich individuell weiterentwickeln zu können, aufzutreten. Es ist die Abkehr vom gerne vermittelten Branchenbild, dass Agenturen lediglich cool und hip sein müssen. Dass Spaß Defizite kompensiert und Angestellte sich damit zufriedengeben, wenn der Chef spätabends im Büro eine Pizza spendiert. Weniger mit einem Tischkicker, dafür mit mehr „Werten, Mindset und moderner Führung“ will Hasse überzeugen. Der Agenturlifestyle sei überholt. Erfahrenes Personal lasse sich damit sowieso nicht gewinnen.

Insbesondere für die Kommunikationsagenturen, die für sich eine hohe Krisenkommunikations-, Change- und Strategie-Kompetenz reklamieren, stellt sich die Frage, wie sie sich positionieren wollen. Die führenden integrierten Agenturen sind meist auch im Kampagnengeschäft tätig. Dafür benötigen sie Kreativität und Out-of-the-Box-Denken, was wiederum in einem Spannungsverhältnis zu hochseriöser Beratung steht. Wie sieht die richtige Unternehmenskultur aus?

Fest steht: Das Wettrennen um den lockersten Arbeitgeber können Kommunikationsberatungen kaum gewinnen. Werbeagenturen, Influencer- oder Digital-Dienstleister, Eventveranstalter und vor allem Start-ups sind deutlich authentischer, wenn es darum geht, den Coolness-Faktor auszuleben. Im Vergleich dazu wirken PR-Agenturen schnell spießig und langweilig – zu wenig Party und „Hoch die Tassen!“