Interview Dr. Joachim Galuska in ManagerSeminare - Es gibt keinen Königsweg

Page 2

talk | 17

sind Angstzustände, Drogen- oder Alkoholsucht. Am weitaus häufigsten ist jedoch die Depression. Uneinigkeit gibt es nicht nur zur Diagnose, sondern auch zur richtigen Behandlung von Burnout. Wie sieht die optimale Hilfe für Betroffene aus? Galuska: Es gibt keinen Königsweg – also: die eine Methode oder Therapie, die Heilung verspricht. Wichtig ist nur, sich in professionelle, das heißt, fachärztliche Hände zu begeben. Psychische Erkrankungen heilen nicht von alleine. Hat ein Betroffener bereits eine Depression, eine Sucht, Ängste oder eine Erschöpfung ausgebildet, reicht es einfach nicht, weniger zu arbeiten. Burnout ist ein Prozess, der nicht innerhalb von wenigen Wochen stattgefunden hat und der daher auch nicht innerhalb kurzer Zeit umgekehrt werden kann. Um aus den pathologischen Mustern herauszukommen, sind mindestens vier oder sechs Wochen in einer Klinik nötig. Viele empfinden den Schritt in eine Klinik als sehr radikal. Ist eine stationäre Behandlung bei Burnout immer notwendig? Galuska: Die entscheidende Frage lautet für Betroffene: Hilft mir das Umfeld, in dem ich lebe, die Einsichten, die ich etwa in einer ambulanten Therapie gewonnen habe, umzusetzen? Oder bringt mich mein Umfeld eher dazu, im Burnout-Denken, in der Kontaktlosigkeit, in der Selbstzerstörung zu bleiben? In diesem Fall ist ein Klinikaufenthalt in jedem Fall anzuraten. Denn wenn Betroffene nur alle vierzehn Tage einen Coaching- oder Therapietermin wahrnehmen, ansonsten aber in dem

Umfeld bleiben, in dem sie sich selbst überfordert haben oder in dem sie überfordert wurden, ist es kaum möglich, aus den eingefahrenen Mustern herauszutreten. Dann besteht sogar die Gefahr einer Chronifizierung. Ich weiß natürlich auch, dass ein solcher Klinkaufenthalt oft mit einer Stigmatisierung verbunden wird. Alles Seelische wird gerade bei Führungskräften als Schwäche angesehen. Das ist ein Problem, mit dem sich jeder auseinandersetzen muss. Vielleicht hilft die Frage: In was für einer Welt will ich Karriere machen? Ist Erfolg tatsächlich nur möglich, wenn ich mich selbst vernachlässige? Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Kliniken, die sich auf die Behandlung von Burnout spezialisiert haben. Welche Vorteile bietet eine stationäre Behandlung? Galuska: Eine Klinik stellt Betroffenen eine andere Kultur zur Verfügung als die, in der sie krank geworden sind. Man kann zwar nicht unbedingt sagen, dass eine Unternehmenskultur den Burnout-Prozess bewusst fördert. Oft sind jedoch Selbstüberforderung und eine einseitige Leistungsorientierung unbewusste Merkmale eines Arbeitsumfeldes. Wenn ich da drin bleibe, kann ich nicht gesund werden, weil die Kultur so stark ist, dass ich von außen und von innen her beeinflusst werde. Von außen heißt: durch mein Umfeld, meine Vorgesetzten, meine Kollegen. Von innen heißt: durch mein eigenes Arbeitskonzept, durch meine eigene Vorstellung davon, wie ich meine Arbeit organisiere und reguliere. Das ist einseitig, und das ist untauglich an dieser Stelle. Es gibt viele Vorurteile über solche Klinikaufenthalte. Klären Sie uns auf: Wie sieht der Aufenthalt in einer Klinik ganz konkret aus? Galuska: In der Regel folgt nach der stationären Aufnahme ein längeres Gespräch mit dem zuständigen Arzt. Dieser nimmt zunächst alle Symptome auf, fragt nach der Biografie, nach der Entwicklung, nach den Hintergründen und versucht, sich so ein vollständiges Bild von der Problematik zu machen. Meist folgen dann körperliche Untersuchungen, um organische Ursachen

abzuklären. Nach dem diagnostischen Teil erhält der Patient ein individuelles Behandlungsprogramm. Das besteht meist aus Einzelgesprächsterminen bei Therapeuten und Gruppentreffen. In der Regel finden diese dreimal in der Woche für 100 Minuten mit anderen Patienten statt, die ähnliche oder auch andere Probleme haben. Weitere Therapiemaßnahmen können Krankengymnastik oder Massagen sein, Kunsttherapie, Rhythmus- oder Tanztherapie, oder Gruppen, in denen man den Umgang mit Aggressionen übt. Daneben gibt es Gruppentreffen zum Thema Lebensführung. Das ist so etwas wie Selbstmanagement. Dort sollen die Patienten lernen, emotionale Zustände zu steuern, aber auch ihr gesamtes Gesundheitsverhalten zu überprüfen. Das funktioniert meist wie ein interaktives Seminar: Die Patienten bekommen Informationen und Arbeitsblätter, die sie durcharbeiten und mit Mitpatienten diskutieren. Dann können Patienten auch Gymnastik oder Sport machen, an Entspannungsverfahren oder Meditation teilnehmen. In Terminen mit dem behandelnden Arzt wird regelmäßig geschaut, ob die vereinbarten Ziele in den festgelegten Therapien erreicht werden können. Gegebenenfalls wird dann der Behandlungsplan verändert. Wie steht es um die Genesungschancen bei Burnout? Galuska: Die sind sehr hoch. Und das ist die gute Nachricht: Wir können 90 Prozent der Patienten nach sechs bis acht Wochen mit einem klaren positiven Ergebnis entlassen. Das heißt

Service Linktipp A www.psychosoziale-lage.de 2010 lancierte ein Kreis leitender Ärzte von psychosomatischen Kliniken einen Aufruf zur psychosozialen Lage in Deutschland. Ziel der Initiative ist es, den offenen Dialog über die psychosoziale Lage, ihre möglichen Ursachen und sinnvolle Handlungsansätze zu fördern. Die Liste der Erstunterzeichner gibt einen Überblick über ganzheitlich arbeitende Burnout-Kliniken.

managerSeminare know-how | Heft 176 | November 2012


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.